ANSPRACHE 2009 180

BESUCH DER ERNÄHRUNGS- UND LANDWIRTSCHAFTSORGANISATION DER VEREINTEN NATIONEN (FAO)

ANLÄSSLICH DER ERÖFFNUNGSSITZUNG DES WELTGIPFELTREFFENS ZUR ERNÄHRUNGSSICHERHEIT

Sitz der FAO, Rom - Montag, 16. November 2009

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Herr Präsident,
meine Damen und Herren!

1. Mit großer Freude habe ich die Einladung des Generaldirektors der FAO, Herrn Jacques Diouf, angenommen, bei der Eröffnungssitzung dieses Weltgipfeltreffens zur Ernährungssicherheit das Wort zu ergreifen. Ich grüße ihn sehr herzlich und danke ihm für seinen freundlichen Willkommensgruß. Ich grüße die hier anwesenden hohen Autoritäten und alle Teilnehmer. Ebenso wie es meine verehrten Vorgänger Paul VI. und Johannes Paul II. getan haben, möchte auch ich erneut meine Anerkennung für die Arbeit der FAO zum Ausdruck bringen. Die Kirche und der Heilige Stuhl verfolgen sie mit der Aufmerksamkeit und dem Interesse, die der tägliche Einsatz all jener verdient, die in diesem Bereich tätig sind. Dank Ihrer großherzigen Arbeit, die in dem Motto »Fiat panis« zusammengefaßt ist, gehören die Entwicklung der Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit auch weiterhin zu den vorrangigen Zielen der internationalen Politik. Ich bin mir sicher, daß dieser Geist richtungsweisend sein wird für die Entscheidungen des gegenwärtigen Gipfeltreffens - ebenso wie für alle anderen, die mit dem gemeinsamen Ziel getroffen werden, den Kampf gegen Hunger und Unterernährung in der Welt zu gewinnen.

2. Die internationale Gemeinschaft steht in diesen Jahren einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise gegenüber. Die Statistiken belegen, daß die Zahl derer, die Hunger leiden, dramatisch gestiegen ist. Dazu trägt auch der Anstieg der Nahrungsmittelpreise, die Verringerung der wirtschaftlichen Ressourcen der ärmeren Völker, sowie der begrenzte Zugang zum Markt und zu den Nahrungsmitteln bei. Während all das geschieht, bestätigt sich gleichzeitig die Tatsache, daß die Erde durchaus in der Lage ist, alle ihre Bewohner zu ernähren. Zwar ist in bestimmten Regionen die landwirtschaftliche Produktion auch weiterhin nur gering - zuweilen aufgrund des Klimawandels -, aber weltweit ist diese Produktion ausreichend, um sowohl den derzeitigen als auch den zukünftig zu erwartenden Bedarf zu decken. Diese Daten zeigen, daß zwischen dem Bevölkerungswachstum und dem Hunger kein Verhältnis von Ursache und Wirkung besteht, und auch die verwerfliche Vernichtung von Nahrungsmitteln zur Wahrung eines bestimmten Profits bestätigt dies. In der Enzyklika Caritas in veritate habe ich angemerkt: »Der Hunger hängt weniger von einem materiellen Mangel ab, als vielmehr von einem Mangel an gesellschaftlichen Ressourcen, deren wichtigste institutioneller Natur ist. Das heißt, es fehlt eine Ordnung wirtschaftlicher Institutionen, die in der Lage sind, sowohl einen … angemessenen regulären Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln zu garantieren, als auch die Engpässe zu bewältigen, die mit den Grundbedürfnissen und dem Notstand im Fall echter Nahrungsmittelkrisen verbunden sind.« Und ich habe hinzugefügt: »Das Problem der Unsicherheit auf dem Gebiet der Ernährung muß in einer langfristigen Perspektive in Angriff genommen werden, indem man die strukturellen Ursachen, die sie hervorrufen, beseitigt und die landwirtschaftliche Entwicklung der ärmsten Länder fördert. Dies kann geschehen durch Investitionen in die ländliche Infrastruktur, in Bewässerungssysteme, in Transportwesen, in die Organisation von Märkten, in die Bildung und Verbreitung von geeigneten landwirtschaftlichen Techniken - also durch Investitionen, die geeignet sind, die menschlichen, natürlichen und sozioökonomischen Ressourcen, die auf lokaler Ebene am zugänglichsten sind, bestmöglich zu nutzen, so daß die Nachhaltigkeit dieser Investitionen auch langfristig gewährleistet ist.« () In diesem Zusammenhang ist es auch notwendig, sich dem Rückgriff auf gewisse Subventionsformen, die der Landwirtschaft schweren Schaden zufügen, zu widersetzen, ebenso wie dem Fortbestand von rein konsumorientierten Ernährungsmodellen ohne jeglichen Weitblick und vor allem dem Egoismus, durch den die Spekulation sogar in den Getreidemarkt eindringen kann, wodurch die Nahrung auf eine Ebene mit allen anderen Handelswaren gestellt wird.

3. Die Einberufung dieses Gipfeltreffens selbst zeugt in gewissem Sinne von der Schwäche der gegenwärtigen Mechanismen zur Ernährungssicherheit und von der Notwendigkeit, sie zu überdenken. Zwar sind die ärmeren Länder stärker in die Weltwirtschaft eingebunden als in der Vergangenheit, aber die Dynamik der internationalen Märkte macht sie verwundbarer und zwingt sie, auf Hilfen von seiten zwischenstaatlicher Institutionen zurückzugreifen. Gewiß bieten diese wertvolle und unverzichtbare Hilfen an; das Verständnis der Zusammenarbeit muß jedoch mit dem Prinzip der Subsidiarität übereinstimmen. Man muß »die lokalen Gemeinschaften in die Auswahl des Ackerlandes und die Entscheidungen bezüglich seiner Nutzung« (ebd.) mit einbeziehen, denn die ganzheitliche menschliche Entwicklung fordert von allen verantwortliche Entscheidungen, und sie verlangt eine solidarische Einstellung. Die Hilfestellung oder die Notlage darf nicht als Gelegenheit betrachtet werden, um Profit zu schlagen - zugunsten jener, die Ressourcen zur Verfügung stellen, oder zugunsten privilegierter Kreise unter den Empfängern. Gegenüber den Ländern, die auf Hilfe von außen angewiesen sind, hat die internationale Gemeinschaft die Pflicht, mit Mitteln zur Zusammenarbeit zu antworten und sich für ihre Entwicklung mitverantwortlich zu fühlen »durch die Solidarität ihrer Präsenz, der Begleitung, der Ausbildung und des Respekts« (ebd., 47). Zu dieser Verantwortung gehört auch das Recht eines jeden Landes, sein eigenes Wirtschaftsmodell zu formulieren und Sorge zu tragen für die Bedingungen, unter denen es eigene Entscheidungen treffen und seine Ziele frei wählen kann. In dieser Hinsicht muß die Zusammenarbeit zu einem wirkkräftigen Mittel werden, frei von Auflagen und Interessen, die einen nicht unwesentlichen Teil der für die Entwicklung bestimmten Ressourcen verschlingen können. Außerdem ist es wichtig hervorzuheben, wie der Weg der Solidarisierung mit der Entwicklung der armen Länder auch einen Weg zur Lösung der augenblicklichen globalen Krise darstellen kann. Wenn man nämlich die Nationen durch solidarisch ausgerichtete Finanzierungspläne unterstützt, damit sie selber dafür sorgen, ihre Nachfrage nach Konsumgütern und Entwicklung zu befriedigen, dann wird nicht nur das Wirtschaftswachstum bei ihnen gefördert, sondern es kann auch auf die ganzheitliche menschliche Entwicklung in anderen Ländern positive Auswirkungen haben (vgl. ebd., 27).

4. Gegenwärtig gibt es noch immer ein Entwicklungsgefälle innerhalb und zwischen den Nationen, das in zahlreichen Regionen der Erde Unsicherheiten hervorruft, die den Gegensatz zwischen Arm und Reich immer mehr verschärfen. Dabei geht es nicht mehr nur um die Vor- und Nachteile der verschiedenen Wirtschaftsmodelle, sondern in erster Linie vor allem um die Wahrnehmung eines Phänomens wie dem der Ernährungsunsicherheit: Es besteht konkret die Gefahr, daß der Hunger als strukturell betrachtet wird, als Teil der sozioökonomischen Realität der schwächeren Länder, und daß er so zum Gegenstand resignierter Mutlosigkeit, ja sogar der Gleichgültigkeit wird. Das ist nicht so, und das darf nicht so sein! Um den Hunger zu bekämpfen und zu überwinden, ist es unbedingt notwendig, damit zu beginnen, die Auffassungen und Grundsätze neu zu definieren, die bisher in den internationalen Beziehungen angewandt wurden, damit folgende Frage beantwortet wird: Wie kann man die Aufmerksamkeit und das entsprechende Handeln der Staaten auf die Not der Ärmsten lenken? Die Antwort darf nicht im Handlungsprofil der Zusammenarbeit gesucht werden, sondern sie liegt vielmehr in den Grundsätzen, an denen dieses ausgerichtet sein muß. Nur im Namen der gemeinsamen Zugehörigkeit zur universalen Menschheitsfamilie kann man von jedem Volk und somit von jedem Land verlangen, solidarisch zu sein, also bereit, konkrete Verantwortungen zu übernehmen und den Bedürfnissen der anderen entgegenzukommen, um ein wirkliches Miteinander-Teilen zu fördern, das auf der Liebe gründet.

5. Zwar geht die von der Liebe beseelte Solidarität über die Gerechtigkeit hinaus, denn lieben ist schenken, es gibt sie aber nie ohne die Gerechtigkeit, die mich dazu bewegt, dem anderen das zu geben, was »sein« ist und das ihm aufgrund seines Seins und seines Wirkens zukommt. Ich kann nämlich dem anderen nicht von dem, was »mein« ist »schenken«, ohne ihm an erster Stelle das gegeben zu haben, was ihm rechtmäßig zusteht (vgl. ebd., 6). Wenn man den Hunger beseitigen will, dann ist das internationale Handeln nicht nur aufgerufen, ein ausgewogenes und nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum sowie politische Stabilität zu fördern, sondern es muß auch nach neuen - vor allem ethischen und dann auch juridischen und wirtschaftlichen - Maßstäben suchen, nach denen eine Form der Zusammenarbeit ausgerichtet werden kann, die geeignet ist, gleichberechtigte Beziehungen zwischen Staaten unterschiedlicher Entwicklungsstufen herzustellen. Dadurch würden nicht nur die bestehenden Abstände verringert, sondern es würde auch die Fähigkeit eines jeden Volkes gefördert, sich selbst als Handlungsträger zu fühlen. So würde auch bestätigt, daß die grundsätzliche Gleichheit der verschiedenen Völker im gemeinsamen Ursprung der Menschheitsfamilie verwurzelt ist, der Quelle der Prinzipien des »Naturrechts «, an denen die politischen, juridischen und wirtschaftlichen Ausrichtungen und Entscheidungen des internationalen Lebens orientiert sein sollen (vgl. ebd., 59). Der hl. Paulus hat in diesem Zusammenhang erhellende Worte. Er schreibt: »Es geht nicht darum, daß ihr in Not geratet, indem ihr anderen helft; es geht um einen Ausgleich. Im Augenblick soll euer Überfluß ihrem Mangel abhelfen, damit auch ihr Überfluß einmal eurem Mangel abhilft. So soll ein Ausgleich entstehen, wie es in der Schrift heißt: Wer viel gesammelt hatte, hatte nicht zuviel, und wer wenig, hatte nicht zuwenig« (
2Co 8,13-15).

6. Herr Präsident, meine Damen und Herren, zur Bekämpfung des Hungers bei der Förderung einer ganzheitlichen menschlichen Entwicklung ist es auch notwendig, die Bedürfnisse der ländlichen Regionen zu verstehen. Ebenso muß vermieden werden, daß durch die Tendenz zur Verringerung der Beiträge der Geberländer Unsicherheiten über die Finanzierung der Zusammenarbeit geschaffen werden: Die Gefahr, die ländlichen Regionen aus Mangel an Weitblick als zweitrangige Wirklichkeit zu betrachten, muß ausgeschlossen werden. Gleichzeitig müssen Produkte aus ärmeren Regionen größeren Zugang zum internationalen Markt erhalten, denn heute finden sich diese oft nur in einen begrenzten Gebiet. Damit diese Ziele erreicht werden können, müssen die Regeln des internationalen Marktes der Logik des Profits um des Profits willen entzogen und zugunsten wirtschaftlicher Initiativen der Länder mit dem größten Entwicklungsbedarf ausgerichtet werden. Wenn diese über größere Einkünfte verfügten, könnten sie jene Selbständigkeit erlangen, die die Vorstufe zur Ernährungssicherheit darstellt.

7. Auch dürfen die Grundrechte der Person nicht vergessen werden, unter denen das Recht auf ausreichende, gesunde und gehaltvolle Ernährung sowie auf Wasser einen besonderen Platz einnimmt; sie spielen eine wichtige Rolle im Hinblick auf andere Rechte, angefangen mit dem ersten unter ihnen, dem Grundrecht auf Leben. Es ist daher notwendig, »daß ein solidarisches Bewußtsein reift, welches die Ernährung und den Zugang zum Wasser als allgemeine Rechte aller Menschen betrachtet, ohne Unterscheidungen und Diskriminierungen« (Caritas in veritate ). Durch all das, was die FAO im Laufe dieser Jahre mit viel Geduld erreicht hat, wurde einerseits die Erweiterung der Zielsetzungen dieses Rechts - über die reine Gewährleistung der Grundbedürfnisse der Person hinaus - gefördert. Andererseits hat es jedoch auch die Notwendigkeit deutlich gemacht, ihnen eine angemessene Regelung zu geben.

8. Die Methoden der Nahrungsmittelproduktion erfordern auch eine sorgfältige Untersuchung der Beziehung zwischen Entwicklung und Umweltschutz.Das Verlangen, die Ressourcen des Planeten zu besitzen und sie übermäßig und ungeordnet zu nutzen, ist der Hauptgrund aller Umweltzerstörung. Der Umweltschutz ist also gegenwärtig eine Herausforderung, um eine harmonische Entwicklung zu gewährleisten, die den Plan Gottes, des Schöpfers, achtet und daher imstande ist, den Planeten zu schützen (vgl. ebd., 48-51). Zwar ist die gesamte Menschheit aufgerufen, sich ihre Verpflichtungen gegenüber den zukünftigen Generationen bewußt zu machen, es ist aber auch wahr, daß die Pflicht, die Umwelt als Gemeingut zu schützen, den Staaten und den Internationalen Organisationen zukommt. Aus diesem Blickwinkel heraus ist es unverzichtbar, die Wechselwirkungen zwischen der Umweltsicherheit und dem besorgniserregenden Phänomen des Klimawandels zu vertiefen. Besonderes Augenmerk muß dabei die zentrale Rolle erhalten, die die menschliche Person und besonders die schwächeren Teile der Weltbevölkerung bei diesen beiden Phänomenen spielen. Normen, Gesetzgebungen, Entwicklungs- und Investitionspläne genügen nicht; persönliche und kollektive Lebensweisen, Konsumgewohnheiten und wirkliche Bedürfnisse müssen geändert werden; vor allem aber ist es notwendig, sich der moralischen Pflicht bewußt zu sein, im menschlichen Handeln Böses von Gutem zu unterscheiden, um so das Band der Gemeinschaft wiederzuentdecken, das die Person und die Schöpfung miteinander verbindet.

9. Es ist wichtig sich an Folgendes zu erinnern - ich habe es auch in der Enzyklika Caritas in veritate gesagt: »Wenn in der Gesellschaft die ›Humanökologie‹ respektiert wird, profitiert davon auch die Umweltökologie«. Denn in der Tat »stützt sich das ökologische System auf die Einhaltung eines Planes, der sowohl das gesunde Zusammenleben in der Gesellschaft wie das gute Verhältnis zur Natur betrifft … Das entscheidende Problem ist das moralische Verhalten der Gesellschaft.« Denn »unsere Pflichten gegenüber der Umwelt verbinden sich mit den Pflichten, die wir gegenüber dem Menschen an sich und in Beziehung zu den anderen haben. Man kann nicht die einen Pflichten fordern und die anderen unterdrücken. Das ist ein schwerwiegender Widerspruch der heutigen Mentalität und Praxis, der den Menschen demütigt, die Umwelt erschüttert und die Gesellschaft beschädigt« (ebd., 51).

10. Der Hunger ist das grausamste und konkreteste Zeichen der Armut. Wir dürfen Überfluß und Vergeudung nicht weiter hinnehmen, während das Drama des Hungers immer größere Dimensionen annimmt. Herr Präsident, meine Damen und Herren, die katholische Kirche wird den Bemühungen zur Überwindung des Hungers immer Aufmerksamkeit schenken; sie wird immer durch Wort und Tat das solidarische Handeln - das planvoll, verantwortlich und Regelungen unterworfen sein muß - unterstützen, zu dem alle Mitglieder der internationalen Gemeinschaft aufgerufen sind. Die Kirche erhebt nicht den Anspruch, in politische Entscheidungen einzugreifen. Sie achtet das Wissen und die Ergebnisse der Wissenschaft ebenso wie vernunftbedingte Entscheidungen, die auf verantwortungsvolle Weise durch wahre menschliche Werte erhellt sind und schließt sich den Bemühungen an, den Hunger zu beseitigen. Das ist das unmittelbarste und konkreteste Zeichen der durch die Liebe beseelten Solidarität, ein Zeichen, das keinen Raum läßt für Verzögerungen und Kompromisse. Diese Solidarität ist der Technik, den Gesetzen und den Institutionen überantwortet, um den Bestrebungen von Personen, Gemeinschaften und ganzen Völkern entgegenzukommen, aber sie darf die religiöse Dimension nicht ausschließen, die eine mächtige spirituelle Kraft in sich birgt, die der Förderung der menschlichen Person dienen kann. Die Anerkennung des transzendenten Wertes jedes Mannes und jeder Frau ist und bleibt der erste Schritt, um die Bekehrung des Herzens zu fördern, die die Bemühungen um die Ausrottung von Elend, Hunger und Armut in all ihren Formen stützen kann.

Ich danke Ihnen für Ihre freundliche Aufmerksamkeit. Abschließend bringe ich allen Mitgliedstaaten der FAO meine guten Wünsche zum Ausdruck, in den offiziellen Sprachen der Organisation:

Nach dieser Ansprache auf französisch sagte der Heilige Vater auf englisch, französisch, spanisch, arabisch, chinesisch und russisch:

Gott segne Ihre Bemühungen, allen Menschen das tägliche Brot zu gewährleisten.

Abschließend sagte der Papst wieder auf französisch: Danke.



AN DIE DOZENTEN UND STUDENTEN DER PÄPSTLICHEN UNIVERSITÄTEN ROMS SOWIE AN DIE TEILNEHMER DER GENERALVERSAMMLUNG DES INTERNATIONALEN VERBANDES DER KATHOLISCHEN UNIVERSITÄTEN

Audienzenhalle - Donnerstag, 19. November 2009

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Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
sehr geehrte Rektoren, akademische Vertreter und Professoren,
liebe Studenten, Brüder und Schwestern!

Mit Freude heiße ich euch willkommen und danke euch, daß ihr »ad Petri Sedem« zusammengekommen seid, um in eurer wichtigen und verantwortungsvollen Aufgabe der Lehre, des Studiums und der Forschung im Dienst der Kirche und der ganzen Gesellschaft bestärkt zu werden. Sehr herzlich danke ich Herrn Kardinal Zenon Grocholewski für die Worte, die er an mich gerichtet und mit denen er diese Begegnung eröffnet hat. Wir gedenken bei diesem Anlaß zweier besonderer Ereignisse: des 30. Jahrestages der Apostolischen Konstitution Sapientia christiana, die der Diener Gottes Johannes Paul II. am 15. April 1979 veröffentlicht hat, sowie des 60. Jahrestages der Approbation des Statuts der »Fédération Internationale des Universités Catholiques « (FIUC) von seiten des Heiligen Stuhls.

Ich freue mich, gemeinsam mit euch diese bedeutenden Jahrestage in Erinnerung zu rufen, die mir Gelegenheit geben, die unersetzliche Rolle der kirchlichen Fakultäten und der katholischen Universitäten in der Kirche und in der Gesellschaft noch einmal herauszustellen. Das Zweite Vatikanische Konzil hatte sie in der Erklärung Gravissimum educationis bereits deutlich hervorgehoben, indem es die kirchlichen Fakultäten anhielt, die verschiedenen Bereiche der theologischen Wissenschaften zu vertiefen, um zu einem immer tieferen Verständnis der Offenbarung zu gelangen, den Schatz der christlichen Weisheit zu erschließen, den ökumenischen und interreligiösen Dialog zu fördern und auf die im kulturellen Bereich aufgeworfenen Fragen zu antworten (vgl.
GE 11). In besagtem Konzilsdokument wurde dringend empfohlen, die katholischen Universitäten in allen Teilen der Erde zu fördern und vor allem für ihr qualitatives Niveau Sorge zu tragen, um Menschen heranzubilden, die in der Wissenschaft bewandert und bereit sind, ihren Glauben in der Welt zu bezeugen und verantwortungsvolle Aufgaben in der Gesellschaft wahrzunehmen (vgl. GE 10). Die Aufforderung des Konzils ist in der Kirche auf große Resonanz gestoßen. Heute gibt es in der Tat über 1300 katholische Universitäten und etwa 400 kirchliche Fakultäten in allen Kontinenten. Viele von ihnen sind in den letzten Jahrzehnten entstanden, was von einer wachsenden Fürsorge der Teilkirchen für die Ausbildung der Kleriker und Laien im Bereich von Kultur und Forschung zeugt.

Die Apostolische Konstitution Sapientia christiana betont von ihren ersten Worten an die noch immer vorhandene Notwendigkeit, die bestehende Kluft zwischen Glauben und Kultur zu überwinden. Sie lädt ein zu einem größeren Einsatz im Bereich der Evangelisierung, in der festen Überzeugung, daß die christliche Offenbarung eine verwandelnde Kraft ist, dazu bestimmt, die Denkweisen, Urteilsmaßstäbe und Handlungsnormen zu durchdringen. Sie ist in der Lage, die Sitten der Menschen und ihre Kulturen zu erhellen, zu reinigen und zu erneuern (vgl. Einleitung, I) und muß den Mittelpunkt von Lehre und Forschung darstellen sowie den Horizont, der das Wesen und die Zielsetzungen jeder kirchlichen Fakultät erhellt. Aus dieser Perspektive heraus wird hervorgehoben, daß jene, die sich mit den theologischen Wissenschaften befassen, die Pflicht haben, durch die theologische Forschung zu einem tieferen Verständnis der offenbarten Wahrheit zu gelangen. Gleichzeitig wird dazu ermutigt, Kontakte mit den anderen Zweigen der Wissenschaft zu pflegen, um zu einem fruchtbaren Dialog zu gelangen, vor allem mit dem Ziel, einen wertvollen Beitrag zu leisten zu der Sendung, zu der die Kirche in der Welt berufen ist. Auch nach 30 Jahren haben die Grundlinien der Apostolischen Konstitution Sapientia christiana nichts von ihrer Aktualität verloren. Im Gegenteil - für die heutige Gesellschaft, in der das Wissen immer spezialisierter und fachgebundener, aber gleichzeitig tief vom Relativismus geprägt ist, ist es sogar noch notwendiger, sich gegenüber der »Weisheit« zu öffnen, die aus dem Evangelium kommt. Der Mensch ist nämlich unfähig, sich selbst und die Welt ohne Jesus Christus vollkommen zu verstehen: Nur er allein erhellt seine wahre Würde, seine Berufung, sein letztes Ziel, und öffnet das Herz für eine feste und unvergängliche Hoffnung.

Liebe Freunde, euer Bemühen, der Wahrheit zu dienen, die Gott uns offenbart hat, schenkt Anteil an der Evangelisierungssendung, die Christus der Kirche anvertraut hat: Es handelt sich also um einen kirchlichen Dienst. Die Konstitution Sapientia christiana zitiert in diesem Zusammenhang aus dem letzten Abschnitt des Evangeliums nach Matthäus: »Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe« (Mt 28,19-20). Für alle, Dozenten und Studenten, ist es wichtig, niemals das zu verfolgende Ziel aus den Augen zu verlieren: Werkzeug der Verkündigung des Evangeliums zu sein. Die Jahre der kirchlichen Hochschulstudien können mit der Erfahrung verglichen werden, die die Apostel mit Jesus gemacht haben: Indem sie bei ihm waren, haben sie die Wahrheit gelernt, um sie dann überall zu verkündigen. Gleichzeitig ist es wichtig, sich daran zu erinnern, daß das Studium der theologischen Wissenschaften niemals getrennt werden darf vom Gebet, von der Vereinigung mit Gott, von der Kontemplation - wie ich kürzlich in den Katechesen über die mittelalterliche monastische Theologie in Erinnerung gerufen habe -, denn sonst droht das Nachdenken über die göttlichen Geheimnisse zu einer leeren intellektuellen Übung zu werden. Jede theologische Wissenschaft verweist letztendlich auf die »Wissenschaft der Heiligen«, auf ihre Intuition der Geheimnisse des lebendigen Gottes, auf die Weisheit, die Gabe des Heiligen Geistes und Seele der »fides quaerens intellectum« ist (vgl. Generalaudienz am 21 2009 in O.R. dt., Nr. 44,30 44,10, S. 2).

Der Internationale Verband der Katholischen Universitäten (FIUC) entstand 1924 auf Initiative einiger Rektoren und wurde 25 Jahre später vom Heiligen Stuhl anerkannt. Liebe Rektoren der katholischen Universitäten, der 60. Jahrestag der kanonischen Errichtung eures Verbandes ist eine äußerst günstige Gelegenheit, um das bisher Geleistete einer Bilanz zu unterziehen und die Linien der zukünftigen Arbeit abzustecken.

Einen Jahrestag zu feiern bedeutet, Gott zu danken, der unsere Schritte geleitet hat, aber es bedeutet auch, aus der eigenen Geschichte neuen Elan zu schöpfen, um den Willen, der Kirche zu dienen, zu erneuern. In diesem Sinne ist euer Motto ein Programm auch für die Zukunft des Verbandes: »Sciat ut serviat«: wissen, um zu dienen. In einer Kultur, in der »es an Weisheit, an Reflexion, an einem Denken fehlt, das imstande ist, eine richtungweisende Synthese aufzustellen« (Enzyklika Caritas in veritate ), sind die katholischen Universitäten, treu ihrer eigenen Identität, zu deren wesentlichen Merkmalen die christliche Inspiration gehört, aufgerufen, eine »neue humanistische Synthese« (ebd., 21) zu fördern, ein Wissen, das »Weisheit sein will, die imstande ist, den Menschen im Licht der Grundprinzipien und seiner letzten Ziele zu orientieren« (ebd., 30), ein vom Glauben erleuchtetes Wissen.

Liebe Freunde, der Dienst, den ihr tut, ist wertvoll für die Sendung der Kirche. Ich bringe allen meine aufrichtigen guten Wünsche zum Ausdruck für das vor kurzem begonnene Studienjahr und für den vollen Erfolg des Kongresses der FIUC. Einen jeden von euch sowie die Institutionen, die ihr vertretet, vertraue ich dem mütterlichen Schutz der allerseligsten Jungfrau Maria, Sitz der Weisheit, an und erteile euch allen sehr gerne den Apostolischen Segen.

AN DIE TEILNEHMER DES XXIV. INTERNATIONALEN KONGRESSES DES PÄPSTLICHEN RATES FÜR DIE PASTORAL IM KRANKENDIENST

Freitag, 20. November 2009

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Liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich, euch anläßlich des XXIV. Internationalen Kongresses zu begegnen, der vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst organisiert wurde und unter einem Thema von großer sozialer und kirchlicher Bedeutung steht: »Effata! Gehörlose im Leben der Kirche«. Ich begrüße den Präsidenten des Dikasteriums, Erzbischof Zygmunt Zimowski, und danke ihm für seine freundlichen Worte. Mein Gruß gilt auch dem Sekretär und dem neuen Untersekretär, den Priestern, Ordensleuten und Laien, den Experten sowie allen Anwesenden. Ich möchte meine Anerkennung und Ermutigung zum Ausdruck bringen für euren großherzigen Einsatz in diesem wichtigen Bereich der Pastoral.

In der Tat sind die Probleme, mit denen die gehörlosen Menschen konfrontiert sind, zahlreich und schwierig; in diesen Tagen wurden sie zum Gegenstand eingehender Reflexionen gemacht. Es handelt sich um eine vielschichtige Wirklichkeit, die unterschiedliche Dimensionen umfaßt, von der soziologischen bis hin zur pädagogischen, von der medizinischen und psychologischen bis hin zur ethisch-geistlichen und pastoralen. Die Beiträge der Fachleute, der Erfahrungsaustausch jener, die in diesem Bereich tätig sind, und die Zeugnisse der Gehörlosen selbst haben Gelegenheit gegeben, die Situation eingehender zu untersuchen sowie Vorschläge und Hinweise zu geben im Hinblick auf eine immer bessere Fürsorge für diese unsere Brüder und Schwestern.

Das Wort »Effata«, das am Anfang des Themas dieses Kongresses steht, ruft den bekannten Abschnitt aus dem Markusevangelium ins Gedächtnis (vgl. 7,31-37), der beispielhaft darstellt, wie der Herr an gehörlosen Personen handelt. Jesus nimmt einen taubstummen Mann beiseite, und nachdem er einige symbolische Handlungen vollzogen hat, blickt er zum Himmel auf und sagt zu dem Mann: »Effata!«; das heißt: »Öffne dich!« Sogleich - so berichtet der Evangelist - öffneten sich die Ohren des Mannes, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit, und er konnte richtig reden. Das Handeln Jesu ist von liebevoller Fürsorge erfüllt und bringt tiefes Mitgefühl zum Ausdruck für den Mann, der vor ihm steht: Er zeigt ihm seine konkrete Fürsorge, nimmt ihn aus der lärmenden Menge heraus und läßt ihn mittels einiger bedeutungsschwerer Gesten seine Nähe und sein Verständnis spüren. Er legt ihm die Finger in die Ohren und berührt seine Zunge mit Speichel. Dann fordert er ihn auf, zusammen mit ihm selbst den inneren Blick, den Blick des Herzens, zum himmlischen Vater zu richten. Schließlich heilt er ihn und gibt ihn seiner Familie, seinen Angehörigen zurück. Und die erstaunte Menge kann nicht umhin zu rufen: »Er hat alles gut gemacht; er macht, daß die Tauben hören und die Stummen sprechen« (
Mc 7,37).

Durch seine Art zu handeln, die die Liebe Gottes, des Vaters, offenbart, heilt Jesus nicht nur die physische Taubheit, sondern er weist darauf hin, daß es eine andere Form der Taubheit gibt, von der die Menschheit geheilt, ja von der sie gerettet werden muß: die Taubheit des Geistes, die immer höhere Barrieren errichtet gegen die Stimme Gottes und des Nächsten, besonders gegen den Hilfeschrei der Geringsten und der Leidenden, und die den Menschen in einem tiefen und verderblichen Egoismus verschließt. In der Predigt im Rahmen meines Pastoralbesuchs in der Diözese Viterbo am vergangenen 6. September habe ich gesagt: »Wir können in diesem ›Zeichen‹ den glühenden Wunsch Jesu sehen, im Menschen die vom Egoismus geschaffene Einsamkeit und mangelnde Kommunikation zu überwinden, um einer ›neuen Menschheit‹ ein Antlitz zu verleihen, der Menschheit des Hörens und des Wortes, des Dialogs, der Kommunikation, der Gemeinschaft mit Gott. Eine ›gute‹ Menschheit, so wie die ganze Schöpfung Gottes gut ist; eine Menschheit ohne Diskriminierungen, ohne Ausgrenzungen - wie der Apostel Jakobus in seinem Brief mahnt (2,1-5) -, so daß die Welt wirklich für alle ein ›Raum der wahren Brüderlichkeit‹ ist …« (O.R. dt., Nr. 37, 11.9.2009, S. 7).

Leider zeugt die Erfahrung nicht immer von aufmerksamer Annahme, entschlossener Solidarität und herzlicher Gemeinschaft gegenüber den gehörlosen Personen. Die zahlreichen Vereinigungen, die entstanden sind, um ihre Rechte zu schützen und zu fördern, machen deutlich, daß eine nie überwundene Kultur weiterbesteht, die von Vorurteilen und Diskriminierungen geprägt ist. Eine solche Haltung ist verwerflich und nicht zu rechtfertigen, weil sie der Achtung der Würde der gehörlosen Person und ihrer vollen gesellschaftlichen Integration entgegensteht. Viel weiter verbreitet sind jedoch Initiativen, die - ausgehend von Institutionen und Vereinigungen sowohl im kirchlichen als euch im zivilen Bereich - an wahrer und großherziger Solidarität orientiert sind und eine Verbesserung der Lebensbedingungen vieler gehörloser Personen herbeigeführt haben. In diesem Zusammenhang ist es bedeutsam, daran zu erinnern, daß die ersten Schulen für die religiöse Unterweisung und Ausbildung dieser unserer Brüder und Schwestern in Europa bereits im 18. Jahrhundert entstanden sind. Seit dieser Zeit sind in der Kirche auf Anregung von Priestern, Ordensmännern, Ordensfrauen und Laien immer mehr Werke der Nächstenliebe entstanden, die das Ziel haben, den Gehörlosen nicht nur eine Ausbildung, sondern auch ganzheitlichen Beistand für ihre volle Selbstverwirklichung zu bieten. Man darf jedoch nicht die schwierige Situation vergessen, in der sie noch heute in den Entwicklungsländern leben, sei es aus Mangel an einer entsprechenden Politik und Gesetzgebung, sei es aufgrund von Schwierigkeiten, primäre Gesundheitsfürsorge zu erlangen. Denn oft entsteht die Taubheit infolge von Krankheiten, die leicht geheilt werden können. Ich rufe daher die politischen und zivilen Autoritäten sowie die internationalen Einrichtungen auf, die notwendige Unterstützung anzubieten, um auch in diesen Ländern die gebührende Achtung der Würde und Rechte der gehörlosen Personen zu fördern und durch entsprechende Hilfen ihre volle gesellschaftliche Integration zu unterstützen. Die Kirche, die der Lehre und dem Vorbild ihres göttlichen Gründers folgt, steht auch weiterhin mit Liebe und Solidarität den verschiedenen pastoralen und sozialen Initiativen zur Seite, die dem Wohl der Gehörlosen dienen. Besondere Aufmerksamkeit widmet sie dabei den Leidenden, im Bewußtsein, daß gerade im Leiden eine besondere Kraft und besondere Gnade verborgen liegt, die den Menschen innerlich an Christus annähert.

Liebe gehörlose Brüder und Schwestern, ihr seid nicht nur Empfänger der Botschaft des Evangeliums, sondern ihr habt kraft eurer Taufe auch vollberechtigt an ihrer Verkündigung teil. Lebt also tagtäglich als Zeugen des Herrn in euren jeweiligen Lebensbereichen und sorgt dafür, daß auch die anderen Christus und sein Evangelium kennenlernen. Betet im derzeitigen Priester-Jahr auch für die Berufungen, auf daß der Herr zahlreiche und gute Diener erwecken möge für das Wachstum der kirchlichen Gemeinschaften.

Liebe Freunde, ich danke euch für diese Begegnung und vertraue euch alle, die ihr hier anwesend seid, dem mütterlichen Schutz Marias an, Mutter der Liebe, Stern der Hoffnung, Gottesmutter des Schweigens.Mit diesen Wünschen erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen, in den ich eure Familien einschließe sowie alle Vereinigungen, die aktiv tätig sind im Dienst an den Gehörlosen.



ANSPRACHE 2009 180