Benedikt XVI Predigten 33

33

BESUCH DES RÖMISCHEN "SANTUARIO DELLA MADONNA DEL DIVINO AMORE"

NACH DEM ROSENKRANZGEBET Montag, 1. Mai 2006

Liebe Brüder und Schwestern!


Es ist für mich Grund des Trostes und der Stärkung, heute bei euch zu sein, um in diesem Heiligtum der »Muttergottes von der Göttlichen Liebe« den heiligen Rosenkranz zu beten. Dieses Heiligtum ist Ausdruck der frommen Zuneigung zur Jungfrau Maria, die in der Seele und der Geschichte der Bevölkerung Roms tief verwurzelt ist. Besonders freut mich der Gedanke, daß ich auf diese Weise die Erfahrung meines geliebten Vorgängers Johannes Paul II. erneuere, der nun vor genau 27 Jahren, am 1. Mai 1979, diesem Wallfahrtsort seinen ersten Besuch als Papst abstattete.

Ich begrüße herzlich den Rektor, Msgr. Pasquale Silla, und danke ihm für die freundlichen Worte, die er an mich gerichtet hat. Mit ihm grüße ich die anderen Priester, Söhne der Muttergottes von der Göttlichen Liebe, und die Ordensschwestern, Töchter der Muttergottes von der Göttlichen Liebe, die sich freudig und großherzig dem Dienst im Heiligtum und an allen seinen vielfältigen wohltätigen Werken widmen. Ich begrüße Kardinalvikar Camillo Ruini, den für den südlichen Teil der Stadt Rom zuständigen Weihbischof, Msgr. Paolo Schiavon, und euch alle, liebe Brüder und Schwestern, die ihr so zahlreich hier zusammengekommen seid.

Wir haben den heiligen Rosenkranz gebetet und dabei die fünf »freudenreichen« Geheimnisse betrachtet, die die Anfänge unseres Heils vor den Augen unseres Herzens vorbeiziehen lassen, von der durch den Heiligen Geist bewirkten Empfängnis Jesu im Schoß der Jungfrau Maria bis zum Wiederauffinden des nun bereits zwölfjährigen Jesus im Tempel von Jerusalem, wo er den Lehrern zuhörte und ihnen Fragen stellte. Wir haben die Worte des Engels gehört: »Freue dich, Maria, du Begnadete, der Herr ist mit Dir«, und haben sie uns zu eigen gemacht, ebenso wie die Worte, mit denen die hl. Elisabet die Jungfrau Maria empfing, die sich sogleich aufgemacht hatte, um ihr zu helfen und ihr zu dienen: »Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes«. Wir haben den fügsamen Glauben Marias betrachtet, die Gott vorbehaltlos vertraut und sich vollkommen in seine Hände legt. Auch wir haben uns, mit den Hirten, dem in der Krippe liegenden Jesuskind nahe gefühlt und haben in ihm den ewigen Sohn Gottes, der aus Liebe unser Bruder und so auch unser einziger Erlöser geworden ist, erkannt und angebetet. Auch wir sind, mit Maria und Josef, in den Tempel eingetreten, um das Kind Gott zu weihen und den Reinigungsritus zu vollziehen. Hier hörten wir, wie uns in den Worten des alten Simeon zusammen mit dem Heil der Widerspruch und das Kreuz angekündigt wurden, ebenso wie jenes Schwert, das unter dem Kreuz des Sohnes durch die Seele der Mutter dringen wird: und eben auf diese Weise wird sie nicht nur zur Mutter Gottes, sondern auch zu unser aller Mutter.

Liebe Brüder und Schwestern, in diesem Heiligtum verehren wir die allerseligste Jungfrau Maria mit dem Titel »Muttergottes von der Göttlichen Liebe«. So wird das Band, das Maria vom Anfang ihres Daseins an mit dem Heiligen Geist verbindet, ins volle Licht gerückt: Bei ihrer Empfängnis nahm der Geist, die ewige Liebe des Vaters und des Sohnes, in ihr seine Wohnung und bewahrte sie vor jeglicher Sünde; dann ließ der gleiche Geist den Gottessohn in ihrem Schoß entstehen; weiterhin fand im gesamten Verlauf ihres Lebens durch die Gnade des Geistes der Ausspruch Marias: »Ich bin die Magd des Herrn« vollkommene Erfüllung; und schließlich wurde Maria in der Kraft des Heiligen Geistes mit ihrer ganzen konkreten Menschennatur neben dem Sohn in die Herrlichkeit Gottes, des Vaters, aufgenommen.

»Maria«, so habe ich in der Enzyklika Deus caritas est geschrieben, »ist eine Liebende. […] Als Glaubende und im Glauben mit Gottes Gedanken denkend, mit Gottes Willen wollend kann sie nur eine Liebende sein« (Nr. 41). Ja, liebe Brüder und Schwestern, Maria ist die Frucht und das Zeichen der Liebe Gottes zu uns, seiner Zärtlichkeit und seines Erbarmens. Deshalb wenden wir uns in unseren Bedürfnissen und Hoffnungen, in den freudigen und schmerzlichen Ereignissen unseres Lebens an sie, gemeinsam mit unseren Brüdern und Schwestern im Glauben an allen Orten und aller Zeiten. Meine Gedanken gehen in diesem Augenblick mit tiefer Anteilnahme zu der Familie auf der Insel Ischia, die vom gestrigen Unglück getroffen ist.

Mit dem Monat Mai steigt die Zahl derer, die aus den römischen Pfarrgemeinden, aber auch aus vielen anderen Gegenden hierher pilgern, um zu beten und auch um die Schönheit und erholsame Ruhe dieses Ortes zu genießen. Von hier, von diesem Heiligtum der »Muttergottes von der göttlichen Liebe« erhoffen wir uns also kraftvolle geistliche Hilfe und Unterstützung für die Diözese Rom, für mich als ihren Bischof und für die anderen Bischöfe, meine Mitarbeiter, für die Priester, für die Familien, für die Berufungen, für die Armen, die Leidenden und die Kranken, für die Kinder und die alten Menschen, für die ganze geliebte italienische Nation. Wir erhoffen uns besonders die innere Kraft, das Gelöbnis einzulösen, das die Römer am 4. Juni 1944 machten, als sie die Muttergottes von der Göttlichen Liebe feierlich baten, diese Stadt vor den Schrecken des Krieges zu bewahren, und erhört wurden: das Gelöbnis und das Versprechen, das eigene sittliche Verhalten zu korrigieren und zu verbessern, um es der Haltung Jesu immer ähnlicher zu machen. Auch heute ist die Bekehrung zu Gott – zu Gott, der die Liebe ist – notwendig, damit die Welt von Krieg und Terrorismus befreit werde. Daran erinnern uns leider die Opfer, wie die am vergangenen Donnerstag im irakischen Nasirije gefallenen Soldaten, die wir der mütterlichen Fürsprache Marias, Königin des Friedens, anvertrauen.

Liebe Brüder und Schwestern, in diesem Heiligtum der Muttergottes von der Göttlichen Liebe erneuere ich daher die Einladung, die ich schon in der Enzyklika Deus caritas est (vgl. Nr. 39) ausgesprochen habe: Verwirklichen wir die Liebe und lassen wir damit das Licht Gottes in die Welt ein! Amen!

GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI.

AN DIE EHEMALIGEN SCHWEIZERGARDISTEN UND DIE TEILNEHMER DES GEDENKMARSCHES BELLINZONA-ROMA Petersplatz

Donnerstag, 4. Mai 2006




Der Heilige Vater begann seine Ansprache in italienischer Sprache: Mit großer Freude richte ich meinen herzlichen Gruß an euch alle, liebe Freunde, ehemalige Schweizergardisten und Teilnehmer an dem Gedenkmarsch, der zum 500. Jahrestag des Zuges der ersten 150 »Gwardiknechte« nach Rom veranstaltet wurde. Demselben Weg wie vor 500 Jahren folgend, habt ihr über Mailand, Fidenza, Lucca, Siena und Acquapendente Rom erreicht und seid jetzt hier auf diesem euch wohlbekannten Petersplatz. Es empfängt und begrüßt euch der Nachfolger von Papst Julius II., dessen Name unlöslich mit dem hochverdienten Korps der Päpstlichen Schweizergarde verbunden ist.

Auf deutsch sagte er: Liebe ehemalige Schweizergardisten, mit dieser bedeutsamen Initiative, die am 7. April in Bellinzona ihren Anfang nahm und heute hier in Rom zu Ende geht, wolltet ihr denen eine Ehre erweisen, die euch vorangegangen sind, und zugleich möchtet ihr dem Herrn danken für eure persönliche Zugehörigkeit zum Korps der Schweizergarde und so eure Verbundenheit mit dieser »Familie« auch über die Beendigung eures Dienstes hinaus erneut bekräftigen. Ihr wolltet diese eure lange Wanderung gleichsam als eine »Wallfahrt« unternehmen, indem ihr der berühmten »Via Francigena« gefolgt seid, einem Weg, auf dem im Mittelalter die Pilger von Frankreich nach Rom zogen. In den Tagen eurer Wanderung, in denen ihr etwa 720 Kilometer zu Fuß zurückgelegt habt, konntet ihr durch viele Dörfer und Städte ziehen und deren Bewohner über eure Geschichte informieren und sie den Geist erkennen lassen, der das Korps der Schweizergarde beseelt. In gewisser Weise konntet ihr die Gefühle der ersten 150 Schweizergardisten nachempfinden, die am 21. Januar 1506 die Ewige Stadt erreichten, sofort mit den rot-gelben Uniformen, den Farben der Familie Rovere, eingekleidet wurden und am folgenden Tag von der »Porta del Popolo« aus über den »Campo de’ Fiori« auf den Vatikanischen Hügel gelangten. Es war der 22. Januar 1506, der Gründungstag der Päpstlichen Schweizergarde.

auf französisch: Liebe Freunde, ich freue mich zusammen mit euch über diese schöne Initiative, die uns den Mut der 150 Schweizer Bürger in Erinnerung ruft, die tapfer und großherzig die Person des Papstes bis zu ihrem Tod verteidigt und mit ihrem Opfer eine bedeutende Seite der Kirchengeschichte geschrieben haben. Wenn wir den Blick auf diese fünf Jahrhunderte richten, danken wir Gott für das Gute, das eure Vorgänger getan haben und für den wertvollen Beitrag, den die Päpstliche Schweizergarde dem Heiligen Stuhl auch heute noch leistet. Während wir die Verstorbenen der göttlichen Barmherzigkeit anvertrauen, rufen wir auf die, die zu eurer großen und verdienstvollen Vereinigung ehemaliger Schweizergardisten gehören, den beständigen Schutz des Herrn herab. Er lenke weiterhin eure Schritte und stehe euch mit seiner Gnade in allen euren Werken bei. Mit seinem Heiligen Geist beseele er die zahlreichen Initiativen, die ihr unternommen habt, um die besondere Erfahrung, die ihr in der Ewigen Stadt im Dienst des Apostolischen Stuhls gemacht habt, dauerhaft und fruchtbar werden zu lassen.

Abschließend sagte er auf italienisch: Mit diesen Empfindungen erteile ich euch allen, die ihr hier versammelt seid, und allen, die euch nahe stehen, einen besonderen Apostolischen Segen.

AN DIE MITGLIEDER DER "PAPAL FOUNDATION" Clementina-Saal

Freitag, 5. Mai 2006




Liebe Freunde in Christus!

In dieser Zeit der Freude, in der wir Gott für den Sieg Christi über Sünde und Tod Lob und Dank sagen, freue ich mich, euch, die Mitglieder der »Papal Foundation«, auf eurer alljährlichen Romwallfahrt zu begrüßen. »Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus« (Ph 1,2).

Unser Osterglaube schenkt uns die Hoffnung, daß der auferstandene Herr die Welt wahrhaft verwandeln wird. In seiner Auferstehung erkennen wir die Erfüllung von Gottes Verheißung an das im Exil lebende Volk Israel: »Ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf. Ich bringe euch zurück in das Land Israel« (Ez 37,12). Wahrhaftig gibt der auferstandene Christus heute vielen Menschen in unserer Welt neue Hoffnung und Kraft, Menschen, die Ungerechtigkeit oder Entbehrungen erleiden und sich danach sehnen, in der Freiheit und der Würde der Kinder Gottes leben zu können.

Christus hat versprochen, den Heiligen Geist zu senden, um die Herzen der Gläubigen zu entflammen und sie zu bewegen, ihre Brüder und Schwestern so zu lieben, wie Christus sie geliebt hat, und durch ihre karitative Arbeit Zeugnis abzulegen von der Liebe des Vaters zur ganzen Menschheit (vgl. Deus caritas Est 19). Die Frucht dieses Geschenkes des Geistes ist deutlich erkennbar in der Unterstützung, die die »Papal Foundation« im Namen Christi den Entwicklungsländern zukommen läßt, in Form von Hilfsprojekten, Subventionen und Studienstipendien. Ich bin euch sehr dankbar für eure Unterstützung und für die Hilfe, die ihr mir leistet bei der Durchführung meiner Sendung, für die Herde Christi in jedem Teil der Welt Sorge zu tragen.

Ich versichere euch, daß eure Liebe zur Kirche und euer Engagement für die Ausübung christlicher Nächstenliebe hohe Anerkennung finden. Während wir uns nun auf die große Ausgießung des Geistes zu Pfingsten vorbereiten, ermutige ich euch, euren hochherzigen Einsatz fortzusetzen, damit die Flamme der göttlichen Liebe auch weiterhin in den Herzen der Gläubigen überall auf der Welt brennen möge. Indem ich euch der Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria, Mutter der Kirche, anvertraue, erteile ich euch und euren Familien von Herzen meinen Apostolischen Segen als Unterpfand der Freude und des Friedens im auferstandenen Erlöser.



AN DIE TEILNEHMER DER

ORDENTLICHEN GENERALVERSAMMLUNG

DER PÄPSTLICHEN MISSIONSWERKE Montag, 8. Mai 2006

Herr Kardinal,

ehrwürdige Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Nationaldirektoren der Päpstlichen Missionswerke!

Herzlich begrüße ich jeden einzelnen von euch. Mein besonderer Gruß gilt Herrn Kardinal Crescenzio Sepe, dem ich für die Worte danke, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat, sowie dem Präsidenten der Päpstlichen Missionswerke, Erzbischof Henryk Hoser. Herzlich willkommen zu dieser Begegnung, die anläßlich der jährlichen Ordentlichen Generalversammlung eures Obersten Rates stattfindet. Eure Anwesenheit bezeugt das missionarische Engagement der Kirche in den verschiedenen Erdteilen, und die Eigenschaft »Päpstlich«, die eure Vereinigung kennzeichnet, unterstreicht eure besondere Verbundenheit mit dem Stuhl Petri. Ich weiß, daß ihr nach intensiven Arbeiten im Rahmen eines »Aggiornamento« euer neues Statut fertiggestellt und dessen Genehmigung erlangt habt. Ich wünsche, daß es dazu beitragen möge, eurem Bemühen, der Mission Impulse zu verleihen und der Kirche Unterstützung zu geben, noch größere Perspektiven zu eröffnen.

Auf eurer Generalversammlung wollt ihr über den Missionsauftrag nachdenken, den Jesus seinen Jüngern anvertraut hat und der eine von allen Ortskirchen empfundene pastorale Dringlichkeit darstellt, auch eingedenk dessen, was das II. Vatikanische Konzil gesagt hat, nämlich daß »der Missionseinsatz wesentlich ist für die christliche Gemeinschaft« (vgl. Ad gentes AGD 2). Indem sie sich in den Dienst der Evangelisierung stellen, haben die Päpstlichen Missionswerke seit ihrem Entstehen im 19. Jahrhundert gespürt, daß die Missionstätigkeit letztendlich darin besteht, den Brüdern und Schwestern die Liebe Gottes zu vermitteln, die im Heilsplan offenbar geworden ist. Diese heilbringende Liebe zu erkennen und anzunehmen ist tatsächlich »eine Grundfrage des Lebens« – habe ich in der Enzyklika Deus caritas est geschrieben – »und wirft entscheidende Fragen danach auf, wer Gott ist und wer wir selber sind« (Nr. 2). Durch Initiativen tätiger und hochherziger Nächstenliebe haben das »Werk der Glaubensverbreitung«, das »Missionswerk des Heiligen Apostels Petrus« und das »Kindermissionswerk« das Evangelium verbreitet und dazu beigetragen, in neu erschlossenen Gebieten Kirchen zu gründen und sie zu konsolidieren. Die »Missionsvereinigung der Priester und Ordensleute« hat beim Klerus und bei den Ordensleuten ein Anwachsen der Aufmerksamkeit für die Evangelisierung gefördert. All das hat im christlichen Volk ein Wiedererwachen des Glaubens und der Liebe bewirkt, verbunden mit großem missionarischem Eifer.

Liebe Freunde der Päpstlichen Missionswerke, das Gebet und die konkrete Unterstützung der Missionen werden heute als fester Bestandteil des Lebens eines jeden Christen empfunden, was auch dem missionarischen Impuls zu verdanken ist, den ihr den Pfarreien und Diözesen verleiht. Wie die Urkirche die »Kollekten«, die sie in Mazedonien und Achaia für die Christen in Jerusalem gesammelt hatte, der dortigen Kirche übergeben hat (vgl. Röm 15,25–27), so verbindet heute eine verantwortungsbewußte Bereitschaft zum Teilen und zur Gemeinschaft die Gläubigen aller Gemeinden in der Unterstützung der Missionsgebiete, und das ist ein beredtes Zeichen für die Katholizität der Kirche. Indem euer Statut hervorhebt, daß die Mission, Werk Gottes in der Geschichte, »kein bloßes Werkzeug ist, sondern ein Ereignis, das alle dem Evangelium und dem Heiligen Geist zur Verfügung stellt« (Art. 1), ermutigt es euch, dafür zu arbeiten, den Christen immer stärker ins Bewußtsein zu rufen, daß sie in der geistlichen Dynamik der Taufe in die Missionsaufgabe einbezogen sind, denn diese sammelt sie in Gemeinschaft um Christus, damit sie an seiner Sendung teilhaben (vgl. ebd.).

Diese starke missionarische Bewegung, die die kirchlichen Gemeinschaften und die einzelnen Gläubigen betrifft, hat sich in diesen Jahren zu einer vielversprechenden missionarischen Zusammenarbeit entwickelt. Für diese seid ihr ein bedeutendes Zeugnis, denn ihr tragt dazu bei, überall jenen Geist der Weltmission zu nähren, der euer Entstehen als Missionswerke gekennzeichnet und euch die Kraft zur Entfaltung gegeben hat. Setzt diesen wertvollen Dienst an den kirchlichen Gemeinschaften fort, indem ihr deren gegenseitige Zusammenarbeit fördert. Die gemeinsamen Ziele und die wünschenswerte Einheit in der Evangelisierungstätigkeit wachsen in dem Maß, in dem jede Tätigkeit ihren Bezugspunkt findet in Gott, der Liebe ist, und im durchbohrten Herzen Christi, in dem diese Liebe sich in ihrer radikalsten Form zeigt (vgl. Deus caritas Est 12). Auf diese Weise, liebe Freunde, wird euer ganzes Handeln niemals auf eine rein organisatorische Leistung reduziert oder an Einzelinteressen irgendeiner Art gebunden sein, sondern es wird sich stets als Ausdruck der göttlichen Liebe erweisen. Durch eure Herkunft aus verschiedenen Diözesen wird noch offensichtlicher, daß die Päpstlichen Missionswerke »nicht nur päpstliche Werke, sondern auch Werke des gesamten Episkopats und des ganzen Gottesvolkes« sind (Cooperatio missionalis, 4).

Liebe Nationaldirektoren, an euch richte ich einen ganz besonderen Dank für das, was ihr tut, um den Erfordernissen der Evangelisierung entgegenzukommen. Euer Einsatz möge allen Menschen, die eure Hilfe erhalten, ein Ansporn sein, um das unschätzbare Geschenk der Erlösung anzunehmen und das Herz zu öffnen für Christus, den einzigen Erlöser. Mit diesen Empfindungen erbitte ich den mütterlichen Beistand Marias, Königin der Apostel, und erteile euch, die ihr hier anwesend seid, sowie den von euch vertretenen Teilkirchen einen besonderen Apostolischen Segen.
34

AN DIE BISCHÖFE AUS DER KANADISCHEN

KIRCHENPROVINZ QUÉBEC

ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES Clementina-Saal

Donnerstag, 11. Mai 2006




Meine Herren Kardinäle,
liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst!

Es ist mir eine Freude, euch, die Hirten der Kirche der Kirchenprovinz Québec, zu empfangen. Ihr seid gekommen, um euren »Ad-limina«- Besuch abzustatten und eure Sorgen und Hoffnungen mit dem Nachfolger Petri und seinen Mitarbeitern zu teilen. Unsere Begegnung offenbart die tiefe Gemeinschaft, die jede eurer Diözesen mit dem Stuhl Petri verbindet. Ich danke dem Vorsitzenden der Versammlung der katholischen Bischöfe von Québec, Bischof Gilles Cazabon, für die Beschreibung des manchmal schwierigen Umfeldes, in dem ihr euren Hirtendienst ausübt. Durch euch möchte ich auch die Gläubigen eurer Diözesen, Priester, Diakone, Ordensleute und Laien, herzlich grüßen. Ich weiß die Teilnahme so vieler Personen am kirchlichen Leben zu schätzen. Gott segne die großherzigen Bemühungen, die unternommen werden, um allen Menschen die Frohe Botschaft des auferstandenen Herrn zu verkünden!

Mit den drei anderen Gruppen der Bischöfe eures Landes werde ich Gelegenheit haben, meine Überlegungen zu den Themen fortzusetzen, die für die Sendung der Kirche innerhalb der kanadischen Gesellschaft von Bedeutung sind, die von Pluralismus, Subjektivismus und wachsendem Säkularismus gekennzeichnet ist.

Im Jahr 2008, wenn Québec sein 400jähriges Gründungsjubiläum feiert, wird eure Provinz den Internationalen Eucharistischen Kongreß beherbergen. Daher möchte ich eure Diözesen vor allem zu einer Erneuerung des Verständnisses und der Praxis der Eucharistie einladen – durch das Wiederentdecken des vorrangigen Platzes, den »die Eucharistie, Geschenk Gottes für das Leben der Welt«, im Leben der Kirche einnehmen muß. Denn in euren Fünfjahresberichten habt ihr den spürbaren Rückgang der religiösen Praxis im Laufe der vergangenen Jahre hervorgehoben und besonders die Tatsache, daß an den Eucharistiefeiern nur wenige junge Menschen teilnehmen. Die Gläubigen müssen vom lebensnotwendigen Charakter der regelmäßigen Teilnahme an der sonntäglichen Versammlung überzeugt sein, damit ihr Glaube wachsen und einen entsprechenden Ausdruck finden kann. Vereint mit dem Sohn Gottes durch die Eucharistie Die Eucharistie, Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens, vereint uns mit dem Sohn Gottes und macht uns ihm ähnlich. Sie baut auch die Kirche auf und festigt sie in ihrer Einheit als Leib Christi; keine christliche Gemeinschaft kann aufgebaut werden, wenn sie nicht ihre Wurzeln und ihren Mittelpunkt in der Feier der Eucharistie hat. Trotz der wachsenden Schwierigkeiten, denen ihr begegnet, ist es die Pflicht der Hirten, allen die praktische Möglichkeit zu geben, das Sonntagsgebot zu halten und sie dazu einzuladen. Wenn sie im Gotteshaus versammelt sind, um das Ostern des Herrn zu feiern, schöpfen die Gläubigen aus diesem Sakrament Licht und Kraft, um ihre Taufberufung vollkommen zu verwirklichen. Darüber hinaus beschränkt sich die Bedeutung des Sakraments nicht auf den Augenblick der Feier. »Durch den Empfang des Brotes des Lebens bereiten sich die Jünger Christi darauf vor, mit der Kraft des Auferstandenen und seines Geistes die Aufgaben anzupacken, die in ihrem gewöhnlichen Leben auf sie warten« (Dies Domini, 45). Nachdem sie die Gegenwart des Auferstandenen erlebt und verkündet haben, liegt es den Gläubigen am Herzen, im täglichen Leben Boten und Zeugen des Evangeliums zu sein.

Unterdessen stellt die immer geringere Anzahl der Priester, die manchmal an einigen Orten die Feier der Sonntagsmesse unmöglich macht, die Stellung der Sakramentalität im Leben der Kirche in besorgniserregender Weise in Frage. Die Bedürfnisse der pastoralen Organisation dürfen die Wahrhaftigkeit der Ekklesiologie, die in ihr zum Ausdruck kommt, nicht aufs Spiel setzen. Die zentrale Rolle des Priesters, der die Gemeinde »in persona Christi capitis« lehrt, heiligt und leitet, darf nicht geschmälert werden. Für die Existenz einer kirchlichen Gemeinschaft ist das Amtspriestertum unerläßlich. Die Bedeutung der Rolle der Laien, denen ich für ihre Hochherzigkeit im Dienst der christlichen Gemeinden danke, darf den für das Leben der Kirche absolut unersetzlichen Dienst der Priester nicht verdunkeln. Der Dienst des Priesters kann daher nicht anderen Personen anvertraut werden, ohne daß der Authentizität des Wesens der Kirche selbst effektiv Schaden zugefügt wird. Und mehr noch: Wie können denn junge Männer den Wunsch haben, Priester zu werden, wenn die Rolle des Weiheamtes nicht klar definiert und anerkannt ist?

Als echtes Zeichen der Hoffnung muß jedoch das Verlangen nach Erneuerung hervorgehoben werden, das sich unter den Gläubigen bemerkbar macht. Der Weltjugendtag in Toronto hat auf viele junge Kanadier einen positiven Einfluß ausgeübt. Die Feier des Jahres der Eucharistie hat vor allem durch die Förderung der eucharistischen Anbetung eine geistliche Erneuerung bewirkt. Die Verehrung, welche der Eucharistie außerhalb der Messe entgegengebracht wird und die eng mit der Feier verbunden ist, hat ebenfalls einen sehr großen Wert für das Leben der Kirche, denn sie führt zur sakramentalen und geistlichen Kommunion. Dazu hat Papst Johannes Paul II. geschrieben: »Wenn das Christentum in unserer Zeit sich vor allem durch die ›Kunst des Gebetes‹ auszeichnen soll, wie könnte man dann nicht ein erneuertes Bedürfnis verspüren, ausgiebig vor Christus, der im Allerheiligsten Sakrament gegenwärtig ist, im geistlichen Zwiegespräch und in einer Haltung der Liebe zu verharren?« (Ecclesia de Eucharistia, 25). Aus dieser Erfahrung kann man wirklich Kraft, Trost und Unterstützung empfangen.

Das im eucharistischen Geheimnis gründende Leben des Gebetes und der Kontemplation ist auch der Kern der Berufung der geweihten Personen, die den Weg der »sequela Christi« gewählt haben, um sich dem Herrn zu schenken, mit ungeteiltem Herzen und in einer immer engeren Beziehung zu ihm. Durch ihre bedingungslose Bindung an die Person Christi und an seine Kirche haben sie die besondere Sendung, allen Menschen die universale Berufung zur Heiligkeit in Erinnerung zu rufen.

Liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst, die Kirche ist den Instituten des geweihten Lebens eures Landes dankbar für den apostolischen und geistlichen Einsatz ihrer Mitglieder. Dieser Einsatz drückt sich in verschiedenen Formen aus, besonders durch das kontemplative Leben, das unablässig Lobgebet und Fürbitte zu Gott aufsteigen läßt, oder auch durch den hochherzigen Dienst der katechetischen und karitativen Arbeit eurer Diözesen sowie durch die Zuwendung zu den in der Gesellschaft am meisten Benachteiligten, eine Zuwendung, in der die Güte des Herrn gegenüber den Kleinen und Armen bekundet wird. In diesem täglichen Einsatz reift das Streben nach Heiligkeit, die die geweihten Personen leben möchten, vor allem durch einen Lebensstil, der sich von dem der Welt und der sie umgebenden Kultur unterscheidet. Es ist jedoch sehr wichtig, daß die geweihten Personen bei diesem Einsatz durch intensives geistliches Leben verkünden, daß Gott allein genügt, um dem menschlichen Dasein Fülle zu verleihen.

Um den geweihten Personen zu helfen, ihre spezifische Berufung in wahrer Treue zur Kirche und ihrem Lehramt zu leben, lade ich euch also ein, der Festigung vertrauensvoller Beziehungen zu ihnen und zu ihren Instituten besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Das geweihte Leben ist ein Geschenk Gottes zum Wohl der ganzen Kirche und im Dienst am Leben der Welt. Deshalb muß es sich innerhalb einer festgefügten kirchlichen Gemeinschaft entwickeln. Den Herausforderungen, denen das geweihte Leben gegenübersteht, kann nur dann begegnet werden, wenn sich eine tiefe Einheit der geweihten Personen untereinander und mit der Gesamtheit der Kirche und ihrer Hirten zeigt. Darum lade ich die geweihten Personen, Männer und Frauen, ein, ihre kirchliche Gesinnung zu verstärken sowie ihr Bemühen, in immer engerer Verbindung mit den Hirten zu arbeiten, indem sie die kirchliche Lehre in ihrer Ganzheit und Unversehrtheit aufnehmen und verbreiten.

Die auf die Person Jesu Christi gegründete kirchliche Gemeinschaft erfordert auch die Treue zur Lehre der Kirche, insbesondere durch eine korrekte Interpretation des II. Vatikanischen Konzils, das heißt, wie ich schon Gelegenheit hatte zu sagen, durch eine »›Hermeneutik der Reform‹, der Erneuerung des einen Subjekts Kirche, die der Herr uns geschenkt hat, unter Wahrung der Kontinuität « (Ansprache beim Weihnachtsempfang für das Kardinalskollegium und die Mitarbeiter der Römischen Kurie Am 22 Am 2005 in O.R. dt., Nr. Dt 2,13 Dt 2,1 Dt 2, S. Dt 10). In der Tat, wenn wir das Konzil so auslegen und rezipieren, »dann kann es eine große Kraft für die stets notwendige Erneuerung der Kirche sein und immer mehr zu einer solchen Kraft werden« (ebd., S. 11).

Die Kirche in eurem Land muß stets auf eine Erneuerung der Priester- und Ordensberufungen bedacht sein. Eine wahre Berufungspastoral wird ihre Kraft im Dasein von Männern und Frauen finden, die Zeugnis geben von einer leidenschaftlichen Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen, in Treue zu Christus und zur Kirche. Und man darf nicht die wesentliche Rolle des vertrauensvollen Gebets vergessen, wenn es darum geht, im christlichen Volk eine neue Sensibilität zu schaffen, die es den jungen Menschen erlaubt, auf den Ruf des Herrn zu antworten. Für euch und für die ganze christliche Gemeinschaft ist es eine vorrangige Pflicht, ohne Furcht den Ruf des Herrn weiterzugeben, Berufungen zu wecken und die jungen Menschen zu begleiten auf dem Weg der Entscheidungsfindung und der Bindung, in der Freude, sich selbst im Zölibat zu verschenken. Daher ist es eure Aufgabe, auf die Katechese zu achten, die den Kindern und den Jugendlichen erteilt wird, um ihnen die Möglichkeit zu geben, das christliche Geheimnis wirklich kennenzulernen und zu Christus zu gelangen. In dieser Hinsicht lade ich daher die ganze katholische Gemeinschaft von Québec ein, mit erneuerter Aufmerksamkeit auf ihre Verbundenheit mit der Wahrheit der kirchlichen Lehre im Bereich der Theologie und der Moral zu achten, zwei Aspekten, die vom Christsein in der Welt nicht zu trennen sind. Die Gläubigen können die in der heutigen Gesellschaft gängigen Ideologien nicht übernehmen, ohne dabei ihre eigene Identität zu verlieren.

Liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst, am Ende unserer Begegnung möchte ich euch in eurem Dienst an der Kirche in Kanada von Herzen ermutigen. Der auferstandene Christus schenke euch Freude und Frieden, um die Gläubigen auf dem Weg der Hoffnung zu führen, damit sie in der kanadischen Gesellschaft wahre Zeugen des Evangeliums sein mögen. Allen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.

ANLÄSSLICH DES 25JÄHRIGEN BESTEHENS DES

PÄPSTLICHEN INSTITUTES "JOHANNES PAUL II."

FÜR STUDIEN ÜBER EHE UND FAMILIE Benediktions-Aula

Donnerstag, 11. Mai 2006




Meine Herren Kardinäle,
liebe Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit großer Freude begegne ich euch anläßlich dieses 25. Jahrestages der Gründung des Päpstlichen Instituts »Johannes Paul II.« für Studien über Ehe und Familie an der Päpstlichen Lateranuniversität. Ich begrüße euch alle voller Zuneigung und danke euch für die große Zuneigung, die ihr mir entgegengebracht habt. Von Herzen danke ich Msgr. Livio Melina für die liebenswürdigen Worte, die er im Namen von euch allen an mich gerichtet hat, und auch dafür, daß er den vorbereiteten Text gekürzt hat. Wir können das, was er sagen wollte, lesen, während so mehr Zeit für die herzliche Begegnung bleibt.

Die Anfänge eures Instituts sind mit einem ganz besonderen Ereignis verknüpft: Am 13. Mai 1981 erlitt mein geliebter Vorgänger Johannes Paul II. auf dem Petersplatz das bekannte schwere Attentat gerade während der Audienz, bei der er die Errichtung eures Instituts hätte ankündigen sollen. Dieser Umstand gewinnt besondere Bedeutung bei dem heutigen Gedenken, das wir etwas über ein Jahr nach seinem Tod begehen. Ihr habt es unterstrichen durch die angebrachte Initiative eines Kongresses zum Thema »Das Erbe Johannes Pauls II. zu Ehe und Familie: Die menschliche Liebe lieben«. Mit Recht empfindet ihr dieses Erbe in ganz besonderer Weise als das eure, da ihr die Empfänger der »Vision« seid – und sie fortführt –, die einer der tragenden Mittelpunkte seiner Sendung und seiner Reflexion war: Der Plan Gottes für die Ehe und die Familie. Es handelt sich um eine Hinterlassenschaft, die nicht einfach eine Ansammlung von Lehrsätzen oder Ideen ist, sondern vor allem eine von klarer Einheitlichkeit gekennzeichnete Lehre über den Sinn der menschlichen Liebe und des Lebens. Die Anwesenheit zahlreicher Familien bei dieser Audienz – also nicht nur der heutigen und der ehemaligen Studenten, sondern vor allem auch der künftigen Studenten – ist ein besonders beredtes Zeugnis dafür, daß die Lehre dieser Wahrheit angenommen worden ist und ihre Früchte getragen hat.

Der Gedanke, »lieben zu lehren«, begleitete schon den jungen Priester Karol Wojtyla und begeisterte ihn später, als er sich als junger Bischof mit den Schwierigkeiten im Gefolge der Veröffentlichung der prophetischen und noch immer aktuellen Enzyklika Humanae vitae meines Vorgängers Paul VI. auseinandersetzte. In dieser Situation begriff er die Notwendigkeit eines systematischen Studiums dieser Thematik. Das bildete die Basis jener Lehre, die dann in seinen unvergeßlichen Katechesen über die menschliche Liebe der ganzen Kirche geschenkt wurde. So wurden zwei grundlegende Elemente hervorgehoben, die ihr in diesen Jahren zu vertiefen versucht habt und die die eigentliche Neuheit eures Instituts als akademische Realität mit einer ganz spezifischen Sendung innerhalb der Kirche darstellen.

Das erste Element ist, daß Ehe und Familie im innersten Kern der Wahrheit über den Menschen und seine Bestimmung verwurzelt sind. Die Heilige Schrift offenbart uns, daß die Berufung zur Liebe zu jenem authentischen Abbild Gottes gehört, das der Schöpfer seinem Geschöpf einprägen wollte, als er es dazu berief, ihm gerade in dem Maße ähnlich zu werden, in dem es für die Liebe offen ist. Der den Körper des Mannes und der Frau kennzeichnende Geschlechtsunterschied ist also nicht einfach nur eine biologische Gegebenheit, sondern gewinnt eine viel tiefere Bedeutung: Er bringt jene Art der Liebe zum Ausdruck, durch die Mann und Frau – wie es in der Heiligen Schrift heißt – »ein Fleisch« werden und so eine wahre Gemeinschaft von Personen verwirklichen können, die für die Weitergabe des Lebens offen ist; auf diese Weise arbeiten sie mit Gott an der Zeugung neuer Menschen zusammen. Ein zweites Element kennzeichnet die Neuheit der Lehre Johannes Pauls II. über die menschliche Liebe: Die besondere Art und Weise, wie er den Plan Gottes gerade in dem Zusammentreffen der göttlichen Offenbarung mit der menschlichen Erfahrung erkennt. In Christus, Fülle der Offenbarung der Liebe des Vaters, wird in der Tat auch die volle Wahrheit über die Berufung des Menschen zu der Liebe deutlich, die nur in der aufrichtigen Selbsthingabe vollkommen gefunden werden kann.

In meiner vor kurzem erschienenen Enzyklika wollte ich hervorheben, daß gerade durch die Liebe »das christliche Gottesbild und auch das daraus folgende Bild des Menschen und seines Weges« erhellt wird (Deus caritas Est 1). Mit anderen Worten, Gott hat sich des Weges der Liebe bedient, um das innerste Geheimnis seines trinitarischen Lebens zu offenbaren. Darüber hinaus erlaubt uns die enge Beziehung, die zwischen dem Bild Gottes, der Liebe ist, und der menschlichen Liebe besteht, zu verstehen, daß »dem monotheistischen Gottesbild die monogame Ehe entspricht. Die auf einer ausschließlichen und endgültigen Liebe beruhende Ehe wird zur Darstellung des Verhältnisses Gottes zu seinem Volk und umgekehrt: die Art, wie Gott liebt, wird zum Maßstab menschlicher Liebe« (ebd., Nr. 11). Diese Darlegung bleibt zum großen Teil noch zu untersuchen. Es zeichnet sich also die Aufgabe ab, die das Institut für Ehe und Familie in der Gesamtheit der akademischen Einrichtungen hat: die Wahrheit der Liebe als Weg der Erfüllung in jeder Form des menschlichen Daseins zu erhellen. Die große Herausforderung der Neuevangelisierung, die Johannes Paul II. mit solchem Schwung angeregt hat, muß durch eine wirklich tiefe Reflexion über die menschliche Liebe unterstützt werden, da gerade diese Liebe ein bevorzugter Weg ist, den Gott gewählt hat, um sich dem Menschen zu offenbaren, und er ihn in dieser Liebe zu einem Leben in der trinitarischen Gemeinschaft beruft. Dieser Ansatz erlaubt uns auch, die heute weit verbreitete privatistische Auffassung der Liebe zu überwinden. Die echte Liebe verwandelt sich in ein Licht, das das Leben zu seiner Erfüllung führt und das so eine Gesellschaft hervorbringt, in der das Leben für den Menschen möglich ist. Die Lebens- und Liebesgemeinschaft, die die Ehe ist, erweist sich somit als ein wahres Gut für die Gesellschaft. Heute ist es besonders dringlich, zu vermeiden, daß die Ehe mit anderen Verbindungsformen verwechselt wird, die auf einer schwachen Liebe gründen. Nur der Fels der totalen und unwiderruflichen Liebe zwischen Mann und Frau ist imstande, die Grundlage für den Aufbau einer Gesellschaft zu sein, die für alle Menschen ein Zuhause wird.

Die Bedeutung, die der Arbeit des Instituts in der Sendung der Kirche zukommt, erklärt die ihm eigene Beschaffenheit: Johannes Paul II. hatte nämlich ein einziges Institut mit verschiedenen, auf die fünf Kontinente verteilten Sitzen anerkannt, mit dem Ziel, auf diese Weise eine Reflexion anbieten zu können, die den Reichtum der einen Wahrheit in der Vielfalt der Kulturen aufzeigen sollte. Diese Einheit der Sichtweise in Forschung und Lehre, bei aller Verschiedenheit der Orte und Sensibilitäten, stellt einen Wert dar, den ihr durch Entfaltung der in jeder Kultur verwurzelten Reichtümer bewahren müßt. Dieses Wesensmerkmal des Instituts hat sich für das Studium einer Wirklichkeit wie der von Ehe und Familie als besonders geeignet erwiesen. Eure Arbeit kann deutlich machen, auf welche Weise das in den verschiedenen Kulturen gelebte Geschenk der Schöpfung zur Gnade der Erlösung durch Christus erhoben worden ist.

Damit ihr euren Auftrag als treue Erben des Institutsgründers, des geliebten Johannes Paul II., gut erfüllen könnt, lade ich euch ein, auf die seligste Jungfrau Maria, die Mutter der schönen Liebe, zu blicken. Die erlösende Liebe des fleischgewordenen Wortes soll für jede Ehe und in jeder Familie zu einer »Quelle lebendigen Wassers inmitten einer dürstenden Welt« werden (Deus caritas est, Nr. 42). An euch alle, liebe Dozenten, Studenten von heute und gestern, an das übrige Personal sowie auch an die Familien, die mit eurem Institut verbunden sind, ergehen meine herzlichen Wünsche, die ich mit einem besonderen Apostolischen Segen begleite.



ANLÄSSLICH DER KANONISCHEN ERRICHTUNG VON

"SANTA MARIA DELL'ANIMA" VOR 600 JAHREN Freitag, 12. Mai 2006



Verehrte Mitbrüder im Priesteramt,
werte Kollegiaten der Anima,
liebe Brüder und Schwestern!

Das Gedenken der Kanonischen Errichtung von S. Maria dell’Anima vor 600 Jahren führt Euch heute auch in das Haus des Papstes; so heiße ich Euch alle hier im Vatikan ganz herzlich willkommen und grüße besonders den Rektor und die übrigen Verantwortlichen dieses Päpstlichen Instituts. Was mit der Bulle Piae postulatio meines Vorgängers Innozenz VII. im Jahre 1406 seinen Anfang nahm, hat im Laufe der Jahrhunderte reiche Früchte gezeitigt: Das Institut S. Maria dell’Anima war und ist Heimstätte deutschsprachiger Katholiken in Rom – derer, die die Ewige Stadt besuchen, und vor allem für eine beständig große Zahl Christgläubiger deutscher Zunge, die hier leben und arbeiten. Desgleichen steht der Name Anima für das Priesterkolleg, dessen Bewohner an einer der Päpstlichen Hochschulen in Urbe ihre Studien absolvieren oder an der Römischen Kurie im Dienst der Weltkirche stehen. Euch allen ein herzliches „Grüß Gott“, verbunden mit meinem Dank für Eure Treue zum Nachfolger Petri, die Ihr mit dieser Begegnung bekräftigen möchtet!

Seit den Anfängen prägen zwei Merkmale die Anima: die Verehrung der Gottesmutter Maria und die besondere Verbundenheit der Einrichtung mit dem Heiligen Stuhl, dem sie untersteht. Wenn in Eurem Institut und in Eurer Gemeinde die heilige Jungfrau unter dem seltenen Titel „S. Maria dell’Anima“, Mutter der Seelen also, verehrt wird, so kommt darin ein Zweifaches zum Ausdruck: Maria hält ihre schützende Hand über die Pilgerseelen, die vielen, die unterwegs sind auf dem Pilgerweg des Lebens und für die Rom eine wichtige, ja in vielen Fällen prägende Station geworden ist. Und gleichzeitig erinnert uns dieser Titel Mariens an die Verstorbenen, die wir in unserer Sprache gerne „Arme Seelen“ nennen und deren Angedenken uns sowohl unsere eigene Sterblichkeit als auch unsere ewige Bestimmung zu einem Leben in der Unendlichkeit des Lichtes und der Liebe Gottes ins Bewußtsein ruft. Möge Maria, unsere himmlische Mutter, ihre schützende Hand über das pfarrliche Leben der Anima-Gemeinde und der Kollegiaten halten!

Seit mein Vorgänger, der selige Papst Pius IX., der Anima-Stiftung im Jahre 1859 die Führung eines Priesterkollegs anvertraut hat, kommt diesem Institut eine besondere kirchliche Brückenfunktion zu. Die Priester und auch die Seminaristen, die in der Anima wohnen, dürfen die Größe und Schönheit der Weltkirche, ihre gelebte Katholizität kennenlernen und Geschmack finden an der „romanitas Ecclesiae“. Ich vertraue darauf, daß die Leitung dieser gesamtdeutschen und zugleich römischen Institution auch fürderhin den Kollegiaten und den Gästen eine besondere Liebe zu den Nachfolgern des Apostels Petrus und zum Heiligen Stuhl vermittelt.

Die deutschsprachige Gemeinde von Rom hat in der Kirche S. Maria dell’Anima ihre Heimat. Sie gibt den Katholiken aus den Ländern deutscher Zunge die Möglichkeit, in der eigenen Sprache zu beten, zu singen und die heiligen Sakramente der Kirche zu empfangen. Die Priester und alle Verantwortlichen lade ich dazu ein, dem sakramentalen Leben in der Anima-Gemeinde stets den Vorrang vor allen anderen Tätigkeiten zu geben. Da, wo die deutschsprachigen Katholiken in Rom ihre geistliche Heimat suchen und finden, möchte Jesus Christus, der Herr der Kirche, in den Herzen zu Hause sein. Wenn der Herr im Mittelpunkt Eures pfarrlichen Lebens steht, werdet Ihr immer mehr zu einer apostolischen und missionarischen Gemeinde, die auf ihre Umgebung und vor allem auf die vielen Besucher dieser Kirche ausstrahlt.

Liebe Freunde! Die Feierlichkeiten zum Gedenken an 600 Jahre Kanonische Errichtung von S. Maria dell’Anima mögen für Euch alle ein geistlich fruchtbares Jubiläum sein. Mit meinem Dank für Eure Verbundenheit erteile ich Euch allen auf die Fürsprache der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria von Herzen meinen Apostolischen Segen.

AN DEN NEUEN BOTSCHAFTER BULGARIENS BEIM HL. STUHL, HERRN VALENTIN VASSILEV BOZHILOV



Samstag, 13. Mai 2006



Herr Botschafter!

Mit Freude empfange ich Eure Exzellenz anläßlich der Übergabe des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Bulgarien beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden.

Ich danke Ihnen für die herzlichen Wünsche, die Sie anläßlich des ersten Jahrestages meines Pontifikats zum Ausdruck gebracht, sowie für die Grüße, die Sie mir von seiten des Präsidenten der Republik, Seiner Exzellenz Herrn Georgi Parvanov, übermittelt haben. Meinerseits möchte ich Sie bitten, ihm meine herzlichen Wünsche für seine Person und für das ganze bulgarische Volk zu überbringen. Ich bitte den Herrn vor allem für die Bevölkerungsgruppen, die kürzlich unter den großen Überschwemmungen zu leiden hatten, auf daß sie schnell zu normalen Lebensbedingungen zurückkehren und dabei von seiten der gesamten nationalen Gemeinschaft Unterstützung finden mögen.

Wie Sie, Exzellenz, in Erinnerung gerufen haben, ist das Vorbild der beiden heiligen Brüder Cyrill und Methodius, der ersten Boten des Evangeliums in Ihrem Land, auch heute noch beispielhaft für den Dialog zwischen den Kulturen. Durch ihren apostolischen Eifer erreichte die Frohe Botschaft Christi die Einwohner Mittel- und Osteuropas in ihrer eigenen Sprache; dank des Impulses, der von ihnen ausging, konnte eine neue, vom Evangelium und von der christlichen Tradition genährte Kultur entstehen und sich durch die Liturgie, das Recht und die Institutionen entwickeln, um dann zum Gemeingut der slawischen Völker zu werden.

Indem diese beiden Apostel die Rivalitäten und Streitigkeiten jener Zeit überwanden, haben sie uns die Wege des Dialogs und der Einheit gezeigt, an denen wir stets weiterbauen müssen, und aus diesem Grund wurden auch sie zu Patronen Europas. Anläßlich ihres Festtages besucht eine Delegation Ihres Landes jedes Jahr den Bischof von Rom, um ihrer zu gedenken und um nach ihrem Vorbild und in ihrer Nachfolge auch weiterhin Bande der Brüderlichkeit und des Friedens zu knüpfen.

Ihr Land, Herr Botschafter, bereitet sich gegenwärtig auf seinen Beitritt zur Europäischen Union vor. Aufgrund seiner Geschichte und Kultur ist das bulgarische Volk, das sein christliches Erbe auch weiterhin Frucht tragen läßt, aufgerufen, eine wichtig Rolle zu spielen, um dazu beizutragen, unserem Kontinent jenen geistlichen Elan zurückzugeben, der ihm allzuoft fehlt.

Ich denke dabei besonders an die Situation der Jugend in unseren Ländern, die anläßlich von großen Versammlungen wie den Weltjugendtagen ihre guten und edlen Absichten so gerne zum Ausdruck bringt, jedoch nur schwer ihren Platz in unseren Gesellschaften findet, die zu ausschließlich auf den Konsum materieller Güter und auf die zuweilen individualistische Suche nach Wohlstand ausgerichtet sind. Die Jugendlichen hingegen brauchen geistliche und sittliche Werte, um ihre Persönlichkeit zu entfalten und um sich auf eine Beteiligung am Aufbau der Gesellschaft vorzubereiten.

Ihr Land wird auf die ihm spezifische Weise einen Stein zum gemeinsamen Bau beitragen, um diesen nicht nur zu einem großen Umschlagplatz immer reicherer materieller Güter zu machen, sondern ihm auch eine Seele zu geben: eine echte geistliche Dimension, die das Erbe der vielen Zeugen der Vergangenheit widerspiegelt und der Humus ist, der Leben und Kreativität in sich trägt und so den europäischen Menschen von morgen hervorbringen kann.

Auf diese Weise können die jungen Generationen das Vertrauen in die Zukunft wiederfinden und sich ohne Angst an langfristige Vorhaben binden: neue Familien ins Leben rufen, die fest auf der Ehe gegründet und offen für die Annahme von Kindern sind; sie können lernen, sich durch politische, wirtschaftliche und soziale Tätigkeit in den Dienst des Gemeinwohls der Gesellschaft zu stellen, und Solidarität üben mit den Bedürftigsten, wie mit den Migranten, die aus anderen Ländern kommen und Zuflucht oder einen Neubeginn suchen.

In einer unbeständigen und unruhigen Welt wie der unseren kann Europa zum Zeugen und Boten des notwendigen Dialogs zwischen den Kulturen und Religionen werden. Die Geschichte des alten Kontinents, die tief geprägt ist von Spaltungen und Bruderkriegen, aber auch von Bemühungen um deren Überwindung, ist in der Tat eine Aufforderung, diese Sendung zu erfüllen, um den Erwartungen so vieler Männer und Frauen zu entsprechen, die in zahlreichen Ländern der Welt immer noch nach Entwicklung, Demokratie und Religionsfreiheit streben.

Wie Sie wissen, setzt sich der Heilige Stuhl unermüdlich und an dem ihm zukommenden Platz für die Förderung eines echten Dialogs zwischen den Nationen sowie zwischen den Verantwortungsträgern der Religionen ein. Zunächst geht es darum, der sich heutzutage bedrohlich ausbreitenden Gewalt Einhalt zu gebieten, vor allem durch Beseitigung der Mauern des Unwissens und des Mißtrauens, die Gewalt verursachen können.

Weil Europa sich jedoch nicht gegen die Außenwelt verschließen darf, ist es auch notwendig, eine bessere Verteilung der Reichtümer auf der Welt zu unterstützen und auf eine wahre Entwicklung Afrikas hinzuwirken, was die Ungerechtigkeiten beheben kann, die aus dem gegenwärtigen Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd entstehen und zu Spannungen und zur Bedrohung des Friedens führen. Ich zweifle nicht daran, daß auch Ihre Regierung sich bemühen wird, innerhalb der Staatengemeinschaft zum Boten der Toleranz und der gegenseitigen Achtung zu werden, wie Sie selbst betont haben.

Ich freue mich, Herr Botschafter, durch Sie die in Bulgarien ansässige katholische Gemeinschaft grüßen zu können. Sie bewahrt die kostbare Erinnerung an den seligen Papst Johannes XXIII., der als Apostolischer Delegat in Ihrem Land sehr geschätzt war, und an den denkwürdigen Besuch meines Vorgängers, Papst Johannes Paul II.

Ich weiß, daß die katholische Kirche bei der Entwicklung Ihres Landes eine wichtige Rolle spielt, vor allem durch die von der Caritas geleitete Sozialarbeit, und ich ermutige jeden, sich auch in Zukunft aktiv für das Wohl der ganzen Nation einzusetzen.

Ich rufe die katholischen Gläubigen auf, sich um ihre Hirten vereint bei jeder sich bietenden Gelegenheit um Zusammenarbeit zu bemühen mit ihren Brüdern der orthodoxen Kirche Bulgariens – deren Hirten ich ebenfalls grüße –, damit das Evangelium Gottes aufleuchtet. Sie sollen wissen, daß sie auf die Ermutigung und das Gebet des Nachfolgers Petri zählen können, damit sie in ihrem Zeugnis für Christus immer neue Freude und Lebenskraft finden!

Herr Botschafter, in der Stunde, in der Ihre Sendung beim Heiligen Stuhl offiziell beginnt, bringe ich Ihnen gegenüber meine besten Wünsche für eine erfolgreiche Erfüllung dieser Sendung zum Ausdruck. Seien Sie versichert, bei meinen Mitarbeitern stets aufmerksames Entgegenkommen und herzliches Verständnis zu finden.

Auf Eure Exzellenz, Ihre Familie, Ihre Mitarbeiter in der Botschaft und das gesamte bulgarische Volk rufe ich aus ganzem Herzen die Fülle des göttlichen Segens herab.



AN DIE TEILNEHMER EINER PILGERFAHRT

DER "BAYERISCHEN GEBIRGSSCHÜTZEN" Samstag, 13. Mai 2006



Eminenz,
sehr geehrter Herr Botschafter,
liebe Gebirgsschützen,

es ist mir eine Freude, Sie im Rahmen Ihrer Schützenwallfahrt zu Ehren der Patrona Bavariae hier im Vatikan zu begrüßen. Ihnen, lieber Kardinal Wetter, der Sie mir als mein unmittelbarer Nachfolger im Amt des Erzbischofs von München und Freising besonders verbunden sind, danke ich für Ihre herzlichen Worte, die Sie im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet haben.

Vor genau 90 Jahren bestätigte mein Vorgänger Papst Benedikt XV. auf Bitten des letzten Bayernkönigs Ludwigs III. mit der Einrichtung des kirchlichen Feiertags der Patrona Bavariae den Schritt Herzog Maximilians von Bayern, der schon 300 Jahre zuvor, im Jahre 1616, sein Herzogtum offiziell unter den Schutz der Jungfrau und Gottesmutter Maria gestellt hatte. Am 14. Mai 1916 wurde das liturgische Fest in München zum ersten Mal gefeiert. Das war damals ein wichtiges Zeichen der Ermutigung und der Hoffnung für ein Land, das in den Wirren des Ersten Weltkriegs um den Erhalt seines kostbaren religiösen und kulturellen Erbes fürchten mußte. Zugleich war es sozusagen die Krönung einer bereits zwölfhundertjährigen Geschichte der Marienverehrung in Bayern: Als nämlich der hl. Korbinian um das Jahr 724 nach Freising kam, stand dort auf dem Burgberg schon eine Marienkirche - die Keimzelle des heutigen Freisinger Doms.

Mit der jährlichen Feier Ihres Patronatstags zu Ehren der Patrona Bavariae am ersten Sonntag im Mai stellen Sie sich im "Bund der Bayerischen Gebirgsschützen-Kompanien" nicht nur unter den Schutz, sondern auch in den Dienst der großen Patronin unseres gemeinsamen Vaterlandes. Es ist zwar nicht mehr Ihre Aufgabe, wie in vergangenen Jahrhunderten das Land mit der Waffe in der Hand gegen äußere Feinde zu verteidigen, doch drohen heute Gefahren, die vielleicht sogar noch ernster sind, weil man sie häufig gar nicht als solche erkennt.

Nach zwei Weltkriegen gibt es viele Menschen, die gleichsam "entwurzelt" sind, die nie erfahren haben, was Heimat bedeutet, wie sehr ein Beheimatet-Sein dem Menschen innere Sicherheit verleihen kann, weil es eben mehr ist als ein rein geographisches Faktum. Für uns beinhaltet es zugleich eine Verwurzelung im christlichen Glauben, der Bayern und ganz Europa zutiefst geprägt hat und der unserem Leben seinen eigentlichen Sinn verleiht. Dieser Glaube hat sich in unserem Land wie auch in anderen Regionen spezielle Ausdrucksformen geschaffen - von der barocken Pracht unserer Kirchen bis zum bescheidenen Wegkreuz zwischen den Feldern, von den feierlichen Fronleichnamsprozessionen bis zu kleinen Pilgergängen zu den zahlreichen Wallfahrtsorten, von der großen Kirchenmusik bis zum alpenländischen Volkslied.

Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, Hüter und Verteidiger bayerischer Volkskultur zu sein. Mit dieser Zielsetzung stehen Sie im Dienst der Patrona Bavariae. Das kulturelle Erbe, das Sie schützen und pflegen wollen, ist nicht Zweck seiner selbst, sondern es soll die Menschen in ihrer Verwurzelung halten bzw. - wo diese nicht mehr gegeben ist - sie über die Zeichen zurückführen zu den Inhalten, zu dem, was ihrem Leben Halt und Orientierung geben kann. Die bayerische Volkskultur macht in ihren mannigfaltigen Ausdruckformen die tiefe, unzerstörbare Freude sichtbar, die Jesus Christus uns schenken wollte, als er sagte: "Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben, und es in Fülle haben" (Jn 10,10).

Ich möchte Sie ermutigen, beständig zu bleiben in der Treue zu den christlichen Werten, die das eigentliche Fundament Bayerns darstellen. Die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter Maria, die Patrona Bavariae, halte stets ihre schützende Hand über Sie alle. Auf ihre Fürsprache erteile ich Ihnen von Herzen den Apostolischen Segen.



AN DIE VOLLVERSAMMLUNG DES PÄPSTLICHEN RATES DER SEELSORGE FÜR DIE MIGRANTEN UND MENSCHEN UNTERWEGS Clementina-Saal

Montag, 15. Mai 2006




Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

Es ist mir eine Freude, euch aus Anlaß der Vollversammlung des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs zu empfangen. An erster Stelle begrüße ich Kardinal Renato Raffaele Martino und danke ihm für die Worte, mit denen er unsere Begegnung eingeleitet hat. Weiter begrüße ich den Sekretär, die Mitglieder und die Konsultoren dieses Päpstlichen Rates, insbesondere die jüngst ernannten, und ich wünsche allen von Herzen eine fruchtbringende Arbeit.

Das für diese Versammlung gewählte Thema – »Migration und Wanderschaft aus den Ländern und in die Länder mit islamischer Mehrheit« – betrifft eine soziale Wirklichkeit, die immer aktueller wird. Die Mobilität, die die muslimischen Länder betrifft, verdient deshalb besondere Reflexion, nicht nur auf Grund der zahlenmäßigen Bedeutung des Phänomens, sondern vor allem weil die islamische Identität in religiöser und kultureller Hinsicht einen eigenen Charakter hat. Die katholische Kirche spürt mit wachsendem Bewußtsein, daß der interreligiöse Dialog zu ihren Verpflichtungen im Dienst an der Menschheit in der Welt von heute gehört. Diese Überzeugung ist sozusagen »tägliches Brot« geworden, besonders für diejenigen, die bei ihrer Arbeit in direktem Kontakt zu den Migranten, den Flüchtlingen und den verschiedenen Kategorien der Menschen unterwegs stehen. Wir leben in einer Zeit, in der die Christen aufgerufen sind, einen Stil des offenen Dialogs über die religiöse Frage zu pflegen, ohne darauf zu verzichten, den Gesprächspartnern das Angebot des Christentums so darzulegen, wie es der eigenen Identität entspricht. Man spürt auch immer mehr, wie wichtig im Dialog die Gegenseitigkeit ist, eine Gegenseitigkeit, die von der Instruktion Erga migrantes caritas Christi zu Recht als »Prinzip« von großer Bedeutung bezeichnet wird. Es handelt sich um eine »Beziehung, die auf der gegenseitigen Achtung … aufbaut« und noch zuvor um eine »Haltung des Herzens und des Geistes« (Nr. 64). Wie wichtig und schwierig dies ist, zeigen die Bemühungen, die von vielen Gemeinschaften unternommen werden, um mit den Einwanderern von gegenseitiger Kenntnis und Achtung geprägte Beziehungen zu knüpfen, die sich als äußerst nützlich erweisen, um Vorurteile und geistige Schranken abzubauen.

Die christliche Gemeinschaft hat bei der Aufnahme der Migranten und Menschen unterwegs und im Dialog mit ihnen stets ihren festen Bezugspunkt in Christus, der seinen Jüngern als Lebensregel das neue Gebot der Liebe hinterlassen hat. Die christliche Liebe ist ihrem Wesen nach zuvorkommend. Deshalb sind die einzelnen Gläubigen aufgerufen, jedem Menschen, aus welchem Land auch immer er kommt, die Arme und die Herzen zu öffnen und es dann den Verantwortungsträgern im öffentlichen Leben zu überlassen, Gesetze zu beschließen, die als angemessen für ein gutes Zusammenleben betrachtet werden. Stets angespornt, die Liebe zu bezeugen, die der Herr Jesus gelehrt hat, sollen die Christen ihr Herz besonders den Kleinen und den Armen öffnen, in denen Christus selbst in besonderer Weise gegenwärtig ist. Indem sie das tun, offenbaren sie das Merkmal, das die christliche Identität am meisten auszeichnet und ihr zu eigen ist: die Liebe, die Christus gelebt hat, und die er durch das Evangelium und die Sakramente ununterbrochen der Kirche mitteilt. Natürlich ist zu hoffen, daß auch die Christen, die in Länder mit islamischer Mehrheit auswandern, dort Aufnahme und Achtung ihrer religiösen Identität finden.

Liebe Brüder und Schwestern, ich nutze gerne diese Gelegenheit, um euch für das zu danken, was ihr zugunsten einer organischen und wirksamen Seelsorge an den Migranten und Menschen unterwegs tut, indem ihr eure Zeit, eure Sachkenntnis und eure Erfahrung in den Dienst dieser Aufgabe stellt. Niemandem entgeht, daß dies ein bedeutsamer Horizont der Neuevangelisierung in der heutigen globalisierten Welt ist. Ich ermutige euch, eure Arbeit mit neuem Eifer fortzusetzen, während ich sie meinerseits aufmerksam verfolge und euch durch das Gebet begleite, auf daß der Heilige Geist alle eure Initiativen zum Wohl der Kirche und der Welt fruchtbar mache. Die allerseligste Jungfrau Maria, die in den verschiedenen Situationen ihres irdischen Daseins ihren Glauben als Pilgerweg gelebt hat, wache über euch. Sie helfe jedem Mann und jeder Frau, ihren Sohn Jesus kennenzulernen und vom ihm das Geschenk des Heils zu erhalten. Mit diesem Wunsch erteile ich euch allen und den euch nahestehenden Menschen meinen Segen.



AN DIE NEUEN BOTSCHAFTER BEIM HL. STUHL ANLÄSSLICH

DER ÜBERREICHUNG DER BEGLAUBIGUNGSSCHREIBEN Clementina-Saal

Donnerstag, 18. Mai 2006




Exzellenzen!

Ich freue mich, Sie anläßlich der Überreichung Ihrer Beglaubigungsschreiben zu begrüßen, durch die Sie als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter Ihrer Staaten akkreditiert werden: Tschad, Indien, Kap Verde, Moldawien und Australien. Ich danke Ihnen für die liebenswürdigen Worte, die Sie mir von seiten Ihrer Staatsoberhäupter übermittelt haben, und bin Ihnen dankbar, wenn Sie diesen im Gegenzug meine Grüße und ergebenen Wünsche für sie persönlich und für ihr hohes Amt im Dienste ihres Landes überbringen. Durch Sie möchte ich die zivilen und religiösen Autoritäten Ihrer Nationen sowie alle Ihre Landsleute grüßen, wobei ich besonders an die katholischen Gemeinden denke.

Sie gehören zur großen Familie der Diplomaten, die sich in der ganzen Welt darum bemühen, Brücken zwischen den Ländern zu schlagen im Hinblick auf die Errichtung und Stärkung des Friedens sowie auf gefestigte Beziehungen zwischen den Völkern, sowohl auf der Ebene brüderlicher Solidarität als auch auf der Ebene wirtschaftlichen und kulturellen Austausches, für das Wohlergehen aller Bevölkerungsgruppen unseres Planeten. Das erfordert Ihrerseits sowie von seiten der rechtmäßigen Autoritäten der verschiedenen Länder der Erde und der verschiedenen internationalen Instanzen festen Willen und Weitblick, um anstehende Entscheidungen nicht auf bloße Dringlichkeiten des Augenblicks zu reduzieren.

Es genügt in der Tat nicht, Beschlüsse für den Frieden oder für die Zusammenarbeit zwischen den Nationen zu fassen, um dorthin zu gelangen. Jeder muß sich auch konkret dafür einsetzen, indem er nicht nur die Interessen der ihm nahestehenden Personen oder einer bestimmten Gesellschaftsschicht berücksichtigt, zum Schaden des Allgemeininteresses, sondern das Gemeinwohl aller Bevölkerungsgruppen des Landes und darüber hinaus der gesamten Menschheit im Auge hat. Im Zeitalter der Globalisierung ist es wichtig, daß die Handhabung des politischen Lebens nicht ausschließlich oder überwiegend von wirtschaftlichen Erwägungen geleitet wird, von der Suche nach wachsender Rentabilität, von einem unbedachten Gebrauch der Ressourcen unseres Planeten, was der Bevölkerung zum Schaden gereicht, vor allem den am meisten Benachteiligten, und das Risiko birgt, die Zukunft der Welt langfristig zu belasten.

Ebenso wurzelt der Friede in der Achtung der Religionsfreiheit, die ein grundlegender und vorrangiger Aspekt der Gewissensfreiheit der Personen und der Freiheit der Völker ist. Es ist wichtig, daß überall auf der Welt jeder Mensch der Religion seiner Wahl anhängen und sie frei und ohne Furcht ausüben kann, denn niemand kann seine Existenz einzig und allein auf die Suche nach materiellem Wohlstand gründen. Die Annahme einer solchen persönlichen und gemeinschaftlichen Haltung wird zweifellos positive Auswirkungen auf das Leben der Gesellschaft haben. Denn den Allmächtigen zu lieben und ihn anzunehmen ist eine Einladung an jeden Menschen, sich in den Dienst seiner Brüder zu stellen und den Frieden aufzubauen.

Ich ermutige daher die Verantwortlichen der Nationen und alle Menschen guten Willens, sich immer entschlossener für den Aufbau einer freien, brüderlichen und solidarischen Welt zu engagieren, wo die Aufmerksamkeit für die Menschen Vorrang hat vor rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Es ist unsere Pflicht, anzuerkennen, daß wir füreinander und für den Lauf der Welt als ganzer verantwortlich sind. Denn niemand kann wie Kain auf die Frage Gottes im Buch Genesis antworten: »Bin ich der Hüter meines Bruders?«

Erlauben Sie mir, meine Herren Botschafter, in diesem Augenblick, in dem Ihre Sendung beim Heiligen Stuhl beginnt, Ihnen meine besten Wünsche auszusprechen. Ich bitte den Allmächtigen, daß der Segen Gottes auf Sie persönlich, auf Ihre Angehörigen und Mitarbeiter sowie auf alle Bewohner Ihrer Staaten herabkomme.

AN HERRN MOUKHTAR WAWA DAHAB,

NEUER BOTSCHAFTER DES TSCHAD Clementina-Saal

Donnerstag, 18. Mai 2006





Herr Botschafter!

Ich freue mich, Eure Exzellenz willkommen zu heißen anläßlich der Überreichung des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter des Tschad beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden.

Ihre freundlichen Worten nehme ich gerne entgegen, und ich danke Ihnen für die herzlichen Grüße, die Sie mir von seiten Seiner Exzellenz, Staatspräsident Idriss Déby Itno, sowie von seiten der Regierung des Tschad und des tschadischen Volkes übermittelt haben. Im Gegenzug dazu bitte ich Sie, Seiner Exzellenz, dem Staatspräsidenten, meine besten Wünsche des Segens und des Wohlergehens zuzusichern, die ich für ihn persönlich und für alle Tschader ausspreche, und ich bitte den Allmächtigen, Ihre Nation in Frieden und Eintracht zu bewahren.

Wie Sie, Herr Botschafter, hervorgehoben haben, ist Ihr Land um eine Konsolidierung des Demokratisierungsprozesses bemüht. Es handelt sich dabei um ein langwieriges Unterfangen, das von allen die Annahme bestimmter Werte erfordert: die Würde jeder menschlichen Person, die Achtung der Menschenrechte, die Anerkennung des Gemeinwohls als Ziel und maßgebendes Kriterium des politischen und sozialen Lebens (vgl. Kompendium der Soziallehre der Kirche, 407).

Denn die menschliche Person muß im Mittelpunkt des gesamten sozialen Lebens stehen. Die staatlichen Verantwortungsträger und alle zivilen Obrigkeiten haben den Auftrag, den Bürgern zu dienen, indem sie das anstreben und umsetzen, was zu einer guten Fortentwicklung der Gesellschaft nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit beitragen kann. Ganz wesentlich ist es außerdem, den durch Ausbeutung der natürlichen Ressourcen entstandenen Reichtum mit immer größerer Transparenz zu verwalten, damit er wirklich für die ganzheitliche und solidarische Entwicklung der Bevölkerung und für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen verwendet wird.

Bei der Darlegung der schwierigen Situation, in der sich Ihr Land gegenwärtig befindet, äußerten Sie, Herr Botschafter, den Wunsch nach der endgültigen Errichtung eines wirklichen Friedens. Das Streben nach Frieden ist tief im Herzen eines jeden Menschen vorhanden. Es ist daher unerläßlich, daß alle sich verpflichtet fühlen, einen echten und dauerhaften Frieden auf soliden und gerechten Grundlagen zu verwirklichen.

Wesentlich sind in dieser Hinsicht der Dialog und die Verständigung zwischen allen betroffenen Parteien. Dialog und Verständigung fördern das Gemeinwohl der Nation, da sie den Rückgriff auf Waffengewalt zur Überwindung von Differenzen, die niemals gewaltsam geregelt werden können, vermeiden.

Der Dialog ist nämlich ein Akt des Vertrauens in jeden Menschen, der die Fähigkeit zur Überwindung von Spaltungen in sich trägt; wenn es keinen Dialog gibt, ist der Friede immer bedroht.

Was die katholische Kirche betrifft, so ist sie sich bewußt, daß der Einsatz zum Aufbau von Frieden und Gerechtigkeit zur Sendung gehört, die sie von ihrem Gründer erhalten hat, und sie trägt mit den ihr eigenen Mitteln zur Errichtung und Festigung des Friedens in den Gesellschaften und unter den Völkern bei. Für sie ist wahrer Friede nur durch den Dialog möglich, der auf Vergebung und Versöhnung sowie auf die Achtung der Rechte eines jeden Menschen gegründet ist.

Sie ist jedoch auch davon überzeugt, daß dies die Notwendigkeit einschließt, die Anforderungen der Gerechtigkeit und der Wahrheit zu berücksichtigen, die Voraussetzungen für eine echte Versöhnung sind.

Ich wünsche daher sehr, daß in Ihrem Land, Herr Botschafter, durch einen echten Dialog zwischen den betroffenen Parteien alle Gewaltakte aufhören und die Zeit der Versöhnung kommen möge, damit alle Tschader in Frieden leben und miteinander eine immer brüderlichere und solidarischere Gesellschaft aufbauen können.

Um dahin zu gelangen, wünsche ich auch, daß alle Regierenden der Region für das Wohl ihrer Völker den festen und überzeugten Entschluß zum Frieden und zur Gerechtigkeit in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen und untereinander Beziehungen guter Nachbarschaft und Solidarität fördern mögen.

Bei diesem feierlichen Anlaß möchte ich durch Sie, Herr Botschafter, auch die katholische Gemeinschaft des Tschad grüßen, in Wertschätzung der Aufmerksamkeit, die Sie ihrer geistlichen Sendung und ihrem Wirken innerhalb der Gesellschaft entgegenbringen. Zusammen mit ihren Bischöfen gibt sie ein hochherziges Zeugnis von der Liebe, die die Jünger Christi für alle Menschen haben sollen. Ich fordere sie auf, um ihre Hirten vereint zu bleiben und eifrig an der Versöhnung und am Frieden zu arbeiten.

Jetzt, da Sie Ihre Sendung beim Heiligen Stuhl beginnen, spreche ich Ihnen meine besten Wünsche für eine gute Erfüllung Ihrer Aufgabe aus. Seien Sie versichert, daß Sie bei meinen Mitarbeitern stets das aufmerksame Entgegenkommen und das freundliche Verständnis finden werden, dessen Sie bedürfen. Von ganzem Herzen rufe ich auf Sie, Exzellenz, auf Ihre Mitarbeiter und Ihre Familie sowie auf das tschadische Volk und seine Regierenden die Fülle des göttlichen Segens herab.

AN HERRN AMITAVA TRIPATHI,

NEUER BOTSCHAFTER DER REPUBLIK INDIEN

Clementina-Saal Donnerstag, 18. Mai 2006



Exzellenz!

Mit Freude begrüße ich Sie im Vatikan zur Überreichung des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Indien beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen herzlich für die Grüße, die Sie mir von seiten der Regierung Indiens und des indischen Volkes überbracht haben, und bitte Sie höflichst, Präsident Abdul Kalam meine Grüße und die Versicherung meines Gebetes für den Frieden und das Wohlergehen der Nation und ihrer Bewohner zu übermitteln.

Indiens stetes Bemühen um den Aufbau einer demokratischen und freien Gesellschaft gründet auf der Überzeugung der Nation, daß es geboten ist, die Vielfalt der Kulturen, Religionen und ethnischen Gruppen zu achten, aus denen sie sich zusammensetzt und die die Bestrebungen ihrer Söhne und Töchter prägt. Die Menschen Indiens sind mit Recht stolz auf die Stabilität ihrer politischen Institutionen, während sie sich gleichzeitig der beachtlichen Herausforderungen bewußt sind, denen sie gegenüberstehen: der Förderung der Gerechtigkeit, der Bekämpfung jeder Form von Gewalt und Extremismus und der Schaffung einer Atmosphäre des ruhigen und respektvollen Dialogs, der Zusammenarbeit und des Wohlwollens zwischen den verschiedenen Gruppen in dieser sehr großen und vielfältigen Gesellschaft. Während sich die Nation weiterhin eines bedeutenden Wirtschaftswachstums erfreut, sollten diese demokratischen Werte als Anregung und sichere Grundlage für eine gesunde Sozialpolitik dienen, die darauf abzielt, allen Bürgern am Wachstum Anteil zu schenken und seine Vorteile allen zugute kommen zu lassen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen versichern, daß die katholische Gemeinschaft Indiens den Wunsch besitzt, im Geiste der Zusammenarbeit und der Sorge für das Gemeinwohl sich ganz in das Leben der Nation einzubringen. Sie, Herr Botschafter, haben den Beitrag gewürdigt, den die geistlichen Erben des heiligen Apostels Thomas und des hl. Franz Xaver zum Wachstum des modernen Indien geleistet haben, vor allem im Bereich der Erziehung und der menschlichen Entwicklung. Die Kirche betrachtet diese Arbeit als grundlegenden Teil ihres Auftrags, die angeborene Würde und die Rechte jedes Menschen, der als Abbild Gottes, ihm ähnlich, geschaffen ist, zu verkünden, sowie als wichtigen Dienst am Aufbau einer gerechten, friedlichen und pluralistischen Gesellschaft. Wenn die Gaben und Talente aller Bürger, der Männer und Frauen, der Jungen und Alten, der Wohlhabenden ebenso wie der Armen, geschätzt und entwickelt werden, wird der ganzen Nation der Weg in eine Zukunft des Gedeihens und der sozialen Eintracht geebnet.

Ich weiß Ihre Bezugnahme auf das reiche geistliche Erbe Indiens und die Verpflichtung zu religiöser Toleranz und Achtung sehr zu schätzen. In Anbetracht dieser Verpflichtung sollte kein Bürger Indiens, besonders die Schwachen und Unterprivilegierten, jemals aus irgendeinem Grunde Diskriminierung erfahren – vor allem nicht wegen des ethnischen oder religiösen Hintergrundes oder der gesellschaftlichen Stellung. Die vor kurzem erfolgte Wiedererrichtung des Nationalen Integrationsrates und die Schaffung des Ministeriums für Minderheitenfragen in diesem Jahr bieten praktische Mittel für die Aufrechterhaltung der verfassungsmäßig garantierten Gleichheit aller religiösen und sozialen Gruppen. Während sie das Recht jedes Bürgers und jeder Bürgerin auf das Bekenntnis und die Ausübung seines oder ihres Glaubens schützen, unterstützen sie auch die Bemühungen, Brücken zu schlagen zwischen den Minderheiten und der indischen Gesellschaft als ganzer und fördern so die nationale Integration und die Beteiligung aller an der Entwicklung des Landes. Die besorgniserregenden Anzeichen religiöser Intoleranz, die in einigen Regionen der Nation Unruhe gestiftet haben, einschließlich des zu mißbilligenden Versuches, deutlich diskriminierende Einschränkungen bezüglich des Grundrechtes der Religionsfreiheit gesetzlich festzuschreiben, müssen entschieden verworfen werden, da sie nicht nur verfassungswidrig sind, sondern auch im Gegensatz stehen zu den höchsten Idealen der Gründerväter Indiens, die an eine Nation glaubten, in der die verschiedenen Religionen und ethnischen Gruppen in friedlicher Koexistenz und gegenseitiger Toleranz leben.

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, wie sehr der Heilige Stuhl den Wunsch Indiens schätzt, auf dem Verhandlungsweg und mit friedlichen Mitteln den langjährigen Konflikt mit dem Nachbarland Pakistan beizulegen. Das Erdbeben in Kaschmir im vergangenen Jahr mit seinen tragischen Verlusten an Menschenleben und der großen materiellen Zerstörung ließ die dringende Notwendigkeit deutlich werden, durch gemeinsame Bemühungen der Notlage entgegenzutreten, Hilfe für die Opfer bereitzustellen und die gewaltigen Wiederaufbauarbeiten in Angriff zu nehmen. Die Verstärkung von Dialog und Zusammenarbeit sollte außerdem dazu beitragen, sich weiteren Herausforderungen in der Region zu stellen, auch der Bedrohung durch die Gewalt, die mit politischem und religiösem Extremismus verbunden ist. Wie die Erfahrung zeigt, läßt sich dieses beunruhigende Phänomen, das häufig die Folge von Armut, fehlender Schulbildung und mangelnder Achtung der Rechte anderer ist, am besten mit vereinten Kräften bekämpfen, um die zugrundeliegenden sozialen Probleme an ihren Wurzeln zu lösen. Dort, wo die angeborene Würde und Freiheit jedes Mannes und jeder Frau auf allen Ebenen der Gesellschaft anerkannt, geachtet und gefördert werden, sind die Grundlagen gelegt für eine Zukunft der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Friedens.

Exzellenz, ich bitte Sie, jetzt, zu Beginn ihrer Sendung als Vertreter der Republik Indien beim Heiligen Stuhl, meine persönlichen guten Wünsche für den Erfolg Ihrer wichtigen Arbeit entgegenzunehmen. Seien Sie versichert, daß Sie stets auf die Ämter der Römischen Kurie zählen können, die sie bei der Ausübung Ihrer hohen Verantwortung unterstützen werden. Auf Sie und Ihre Familie sowie auf das ganze geliebte indische Volk rufe ich von Herzen den reichen Segen des allmächtigen Gottes herab.
35
Benedikt XVI Predigten 33