BOTSCHAFT 2006-2010 50

BENEDICTUS PP. XVI



BOTSCHAFT VON BENEDIKT XVI.

ZUM XIV. WELTTAG DER KRANKEN



Liebe Brüder und Schwestern!

Am 11. Februar 2006, dem liturgischen Gedenktag Unserer Lieben Frau von Lourdes, wird der XIV. Welttag der Kranken begangen. Im vergangenen Jahr fand der Welttag im Marienheiligtum von Mvolyé in Yaoundé statt, und bei dieser Gelegenheit haben die Gläubigen und ihre Hirten im Namen des ganzen afrikanischen Kontinents ihren pastoralen Einsatz für die Kranken bekräftigt. Der nächste Welttag wird in Adelaide in Australien stattfinden. Höhepunkt der Veranstaltungen wird die Eucharistiefeier in der Kathedrale sein, die dem hl. Franz Xaver geweiht ist, dem unermüdlichen Missionar der Völker des Ostens. Bei dieser Gelegenheit will die Kirche sich mit besonderer Fürsorge den Leidenden zuwenden und die Öffentlichkeit auf die Probleme aufmerksam machen, die mit den Krankheiten des menschlichen Geistes verbunden sind. Davon ist nunmehr ein Fünftel der Menschheit betroffen, was einem wirklichen Notstand in der Gesellschaft und im Gesundheitswesen gleichkommt. Der Aufmerksamkeit gedenkend, die mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II. diesem jährlichen Ereignis vorbehielt, möchte auch ich, liebe Brüder und Schwestern, im Geiste beim Welttag der Kranken anwesend sein, um innezuhalten und zusammen mit den Teilnehmern über die Lage der psychisch und geistig Kranken in der Welt nachzudenken und die kirchlichen Gemeinschaften aufzufordern, ihnen das liebevolle Erbarmen und die Fürsorge des Herrn zu bezeugen.

In vielen Ländern gibt es noch keine Gesetzgebung zu diesem Thema, und in anderen fehlt es an einer Politik, die sich speziell mit der geistigen Gesundheit befaßt. Man muß außerdem bedenken, daß langanhaltende bewaffnete Konflikte in verschiedenen Teilen der Erde, die Aufeinanderfolge schwerer Naturkatastrophen und der sich ausbreitende Terrorismus nicht nur eine erschreckend hohe Anzahl an Todesopfern gefordert, sondern auch bei vielen Überlebenden psychische Traumata hervorgerufen haben, die manchmal schwer zu heilen sind. In den wirtschaftlich hochentwickelten Ländern schreiben die Fachleute das Entstehen neuer Formen geistigen Leidens auch den negativen Auswirkungen zu, die die Krise der sittlichen Werte hat. Dadurch nimmt das Gefühl der Einsamkeit zu, die traditionellen Formen des sozialen Zusammenhalts, vor allem die Institution der Familie, werden untergraben oder sogar zerstört und die Kranken ausgegrenzt, und zwar vor allem die psychisch und geistig Kranken, die oft als Last für die Familie und die Gemeinschaft empfunden werden. Ich möchte an dieser Stelle denjenigen meine Anerkennung aussprechen, die sich auf unterschiedliche Weise und auf verschiedenen Ebenen dafür einsetzen, daß der Geist der Solidarität nicht abnehme, sondern daß auch weiterhin für diese unsere Brüder und Schwestern gesorgt wird, den menschlichen und dem Evangelium entsprechenden Idealen und Grundsätzen folgend.

51 Ich bestärke daher in ihren Bemühungen diejenigen, die sich dafür einsetzen, daß alle psychisch und geistig Kranken Zugang zu den notwendigen Behandlungsmaßnahmen erhalten. Leider mangelt es in vielen Teilen der Welt an Einrichtungen für diese Kranken oder sie sind unzureichend oder befinden sich in einem desolaten Zustand. Das gesellschaftliche Umfeld nimmt die psychisch und geistig Kranken mit ihrer Behinderung nicht immer an, und auch aus diesem Grund treten Schwierigkeiten auf, wenn es darum geht, die notwendige menschliche und finanzielle Hilfe zu finden. Es ist spürbar notwendig, die beiden Aspekte »angemessene Therapie« und »neue Sensibilität gegenüber der Krankheit« besser aufeinander abzustimmen, um es den Menschen, die auf diesem Sektor arbeiten, zu ermöglichen, den Kranken und ihren Familien mit größerem Erfolg entgegenzukommen, wenn die Familien allein nicht in der Lage wären, ihre kranken Verwandten hilfreich zu begleiten. Der nächste Welttag der Kranken ist eine gute Gelegenheit, Solidarität gegenüber den Familien zum Ausdruck zu bringen, in denen psychisch und geistig kranke Menschen leben.

Ich möchte mich nun an Euch wenden, liebe Brüder und Schwestern, die ihr von Krankheit geprüft seid, um Euch einzuladen, zusammen mit Christus Euer Leiden dem Vater darzubringen, wobei ihr sicher sein könnt, daß jede Prüfung, die mit Ergebenheit angenommen wird, verdienstvoll ist und der ganzen Menschheit das göttliche Wohlwollen vermittelt. Ich spreche meine Wertschätzung denjenigen aus, die Euch in Heimen, Tageshospitälern, in Untersuchungs- und Behandlungsstationen pflegen, und ich fordere sie auf, sich dafür zu verwenden, daß es den Notleidenden niemals an ärztlichem, sozialem und pastoralem Beistand fehle, der die Würde achtet, die jeder Mensch besitzt. Die Kirche wird es, vor allem durch die Arbeit der Seelsorger, nicht versäumen, ihre Hilfe anzubieten, da sie sich ihrer Berufung bewußt ist, den Leidenden und denen, die für sie sorgen, die Liebe und Fürsorge Christi zu bringen. Den Mitarbeitern in der Pastoral und den Vereinigungen und Organisationen des Volontariats lege ich ans Herz, die Familien, die psychisch und geistig Kranke in ihrer Obhut haben, durch konkrete Maßnahmen zu unterstützen, wobei ich mir wünsche, daß eine Kultur der Annahme und des Teilens wachsen und sich ausbreiten möge, und zwar auch durch angemessene Gesetze und Gesundheitsetats, die ausreichende Mittel vorsehen, um diese konkret zur Anwendung kommen zu lassen. Aus- und Weiterbildung Von äußerster Dringlichkeit ist die Aus- und Weiterbildung des Personals, das in einem schwierigen Bereich der Gesellschaft arbeitet, der so viel Fingerspitzengefühl erfordert. Jeder Christ ist dazu aufgerufen, einen seiner jeweiligen Aufgabe und Verantwortung entsprechenden Beitrag zu leisten, damit die Würde dieser unserer Brüder und Schwestern anerkannt, respektiert und gefördert werde.

»Duc in altum!« Diese Aufforderung Christi an Petrus und die Apostel richte ich an die kirchlichen Gemeinschaften in der ganzen Welt, und insbesondere an die, die im Dienst der Kranken stehen, damit sie mit der Hilfe Mariens, Salus infirmorum, die Güte und väterliche Fürsorge Gottes bezeugen. Die allerseligste Jungfrau möge diejenigen trösten, die von der Krankheit gezeichnet sind, und jenen beistehen, die wie der barmherzige Samariter ihren körperlichen und seelischen Wunden Linderung verschaffen. Jeden versichere ich meines Gedenkens im Gebet und erteile allen gerne meinen Segen.

Aus dem Vatikan, 8. Dezember 2005

BENEDICTUS PP. XVI



BOTSCHAFT VON BENEDIKT XVI.

ZUM XV. WELTTAG DER KRANKEN

Liebe Brüder und Schwestern!


Am 11. Februar 2007, dem Tag, an dem die Kirche den liturgischen Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes feiert, wird in Seoul, Korea, der 15. Welttag der Kranken begangen werden. Es werden zahlreiche Begegnungen, Vorträge, Pastoralversammlungen und liturgische Feiern mit den Vertretern der Kirche in Korea, mit dem im Gesundheitswesen tätigen Personal sowie mit den Kranken und ihren Familien stattfinden. Wieder einmal schaut die Kirche auf diejenigen, die leiden, und sie macht auf die unheilbar Kranken aufmerksam, von denen viele, bedingt durch ihre tödliche Krankheit, im Sterben liegen. Es gibt sie in allen Teilen der Welt und besonders dort, wo Armut und Not unermeßliches Elend und Leid verursachen. Im Bewußtsein dieses Leidens werde ich auf dem Welttag der Kranken im Geiste anwesend und mit denjenigen verbunden sein, die einander begegnen, um über die Not der unheilbaren Krankheiten in unserer Welt zu sprechen, und die gleichzeitig die christlichen Gemeinschaften in ihrem Bemühen um das Zeugnis von der Liebe und Barmherzigkeit des Herrn ermutigen werden.

Krank zu sein bringt unweigerlich eine Krise und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der persönlichen Situation mit sich. Die Fortschritte in den medizinischen Wissenschaften bieten oft die notwendigen Mittel, um dieser Herausforderung begegnen zu können, wenigstens im Bezug auf die physischen Aspekte. Das menschliche Leben hat jedoch seine ihm innewohnenden Grenzen und endet früher oder später mit dem Tod. Das ist eine Erfahrung, zu der jeder Mensch gerufen ist und auf die er vorbereitet sein muß. Trotz der wissenschaftlichen Fortschritte läßt sich nicht für alle Krankheiten Heilung finden, und deshalb begegnen wir in den Krankenhäusern, in den Hospizen und Wohnungen auf der ganzen Welt dem Leiden zahlloser Brüder und Schwestern, die unheilbar krank sind und sich oft in der Endphase ihres Lebens befinden. Darüber hinaus leiden viele Millionen Menschen auf der Welt noch unter gesundheitsschädlichen Lebensbedingungen und haben keinen Zugang zu äußerst notwendigen, oft grundlegenden medizinischen Ressourcen, so daß die Zahl der Menschen, die als »unheilbar« betrachtet werden, stark ansteigt.

Die Kirche möchte die unheilbar Kranken und die Kranken, die am Ende ihres Lebens stehen, unterstützen, indem sie zu einer gerechten Sozialpolitik aufruft, die dazu beitragen kann, die Ursachen vieler Krankheiten zu beseitigen, und indem sie dringend eine bessere Versorgung der Sterbenden und der Kranken, für die es keine medizinische Hilfe gibt, fordert. Es ist notwendig, eine Politik zu unterstützen, die in der Lage ist, Bedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen auch unheilbare Krankheiten ertragen und dem Tod mit Würde gegenübertreten können. In dieser Hinsicht ist es notwendig, noch einmal den Bedarf an mehr Einrichtungen für Palliativpflege hervorzuheben, die ganzheitliche Hilfe anbieten, indem sie den Kranken den menschlichen Beistand und die geistliche Begleitung geben, die sie brauchen.

Das ist ein Recht, das jeder Mensch besitzt, und für dessen Schutz wir alle uns einsetzen müssen.

Ich möchte diejenigen in ihren Anstrengungen ermutigen, die durch ihr tägliches Wirken gewährleisten, daß die unheilbar Kranken und die Kranken, die im Sterben liegen, zusammen mit ihren Familien angemessenen und liebevollen Beistand finden.

Nach dem Vorbild des barmherzigen Samariters hat die Kirche immer besondere Fürsorge für die Kranken gezeigt. Durch ihre einzelnen Glieder und ihre Einrichtungen steht sie auch weiterhin den Leidenden und Sterbenden bei und versucht, deren Würde in diesen entscheidenden Stunden des menschlichen Daseins zu erhalten. Viele dieser Personen – das im Gesundheitswesen tätige Personal, die Seelsorger, die freiwilligen Helfer – und Einrichtungen in aller Welt dienen den Kranken unermüdlich in den Krankenhäusern und Einrichtungen für Palliativpflege, auf den Straßen der Städte, im Rahmen von Projekten zur häuslichen Pflege und in den Pfarreien.

52 Jetzt wende ich mich an euch, liebe Brüder und liebe Schwestern, die ihr an unheilbaren und tödlichen Krankheiten leidet. Ich ermutige euch, die Leiden des gekreuzigten Christus zu betrachten und euch mit ihm vereint an den Vater zu wenden in vollkommenem Vertrauen auf die Tatsache, daß das ganze Leben, und besonders euer Leben, in seinen Händen liegt. Vertraut darauf, daß eure Leiden, vereint mit den Leiden Christi, Frucht bringen werden für die Nöte der Kirche und der Welt. Ich bitte den Herrn, euren Glauben an seine Liebe zu stärken, besonders während dieser Prüfungen, die ihr erfahrt. Ich hoffe, daß ihr, wo auch immer ihr seid, stets die Ermutigung und die geistliche Kraft findet, die nötig sind, um euren Glauben zu nähren und euch näher zum Vater des Lebens hinzuführen. Die Kirche will euch durch ihre Priester und ihre Mitarbeiter in der Pastoral begleiten und zur Seite stehen, indem sie euch in der Stunde der Not hilft und so das liebevolle Erbarmen Christi gegenüber den Leidenden zum Ausdruck bringt.

Zum Schluß bitte ich die kirchlichen Gemeinschaften in aller Welt und insbesondere diejenigen unter ihnen, die sich dem Krankendienst widmen, mit der Hilfe Marias, »Salus Infirmorum«, weiterhin ein wirksames Zeugnis von der liebevollen Fürsorge Gottes, unseres Vaters, zu geben. Die allerseligste Jungfrau Maria, unsere Mutter, tröste die Kranken und stütze diejenigen, die als barmherzige Samariter ihr Leben der Heilung der physischen und geistlichen Wunden der Leidenden widmen. Im Geiste und im Gebet mit jedem von euch verbunden erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen als Unterpfand der Kraft und des Friedens im Herrn.

Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2006

BENEDIKT XVI.

BOTSCHAFT VON BENEDIKT XVI.

ANLÄSSLICH DES XVI. WELTTAGES DER KRANKEN



Liebe Brüder und Schwestern!

1. Am 11. Februar, dem Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes, wird der Welttag der Kranken begangen – ein guter Anlaß, um über den Sinn des Schmerzes nachzudenken sowie über die christliche Pflicht, ihn in jeder Situation, in der er auftritt, mitzutragen. In diesem Jahr ist dieser bedeutsame Tag mit zwei für das Leben der Kirche wichtigen Ereignissen verbunden, wie bereits aus dem gewählten Thema »Die Eucharistie, Lourdes und die Krankenseelsorge« hervorgeht: mit dem 150. Jahrestag der Erscheinungen der Unbefleckten Jungfrau Maria in Lourdes und der Feier des Internationalen Eucharistischen Kongresses in Québec in Kanada. Auf diese Weise bietet sich eine einzigartige Gelegenheit, über die enge Verbindung nachzudenken, die zwischen dem eucharistischen Geheimnis, der Rolle Marias im Heilsplan und der Realität des Schmerzes und des Leidens des Menschen besteht.

Der 150. Jahrestag der Erscheinungen von Lourdes lädt uns ein, den Blick auf die allerseligste Jungfrau zu richten, deren Unbefleckte Empfängnis das erhabene und ungeschuldete Geschenk Gottes an eine Frau darstellt, auf daß sie voll und ganz dem göttlichen Plan zustimmen konnte, in festem und unerschütterlichem Glauben, trotz der Prüfungen und Leiden, denen sie begegnen sollte. Daher ist Maria das Vorbild völliger Hingabe an den Willen Gottes: Sie hat das ewige Wort im Herzen aufgenommen und es in ihrem jungfräulichen Schoß empfangen; sie hat Gott vertraut und hat – die Seele durchdrungen vom Schwert des Schmerzes (vgl. Lc 2,35) – nicht gezögert, das Leiden ihres Sohnes zu teilen und auf dem Kalvarienberg unter dem Kreuz das »Ja« der Verkündigung zu erneuern. Über die Unbefleckte Empfängnis Marias nachzudenken bedeutet daher, sich anziehen zu lassen von dem »Ja«, das sie auf wunderbare Weise mit der Sendung Christi, des Erlösers der Menschheit, verbunden hat; es bedeutet, sich von ihr an die Hand nehmen und führen zu lassen, um selbst das »fiat« zum Willen Gottes zu sprechen mit der ganzen aus Freude und Traurigkeit, Hoffnungen und Enttäuschungen gewobenen Existenz, im Bewußtsein, daß die Prüfungen, der Schmerz und das Leiden unserem irdischen Pilgerweg reichen Sinn schenken.

2. Man kann Maria nicht betrachten, ohne von Christus angezogen zu sein, und man kann Christus nicht betrachten, ohne sofort die Gegenwart Marias wahrzunehmen. Zwischen der Mutter und dem Sohn, der in ihrem Schoß durch das Wirken des Heiligen Geistes gezeugt wurde, besteht ein unauflösliches Band, und dieses Band nehmen wir auf geheimnisvolle Weise im Sakrament der Eucharistie wahr, wie die Kirchenväter und die Theologen bereits seit den ersten Jahrhunderten herausgestellt haben. »Das aus Maria geborene Fleisch, das vom Heiligen Geist kommt, ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist« sagt der hl. Hilarius von Poitiers, und im Sacramentarium Bergomense aus dem 9. Jahrhundert lesen wir: »Ihr Schoß hat eine Frucht hervorgebracht, ein Brot, das uns erfüllt hat mit der Engelsgabe. Maria hat dem Heil zurückerstattet, was Eva durch ihre Schuld zerstört hatte.« Später sagt der hl. Petrus Damiani: »Den Leib, den die allerseligste Jungfrau hervorgebracht, den sie mit mütterlicher Fürsorge in ihrem Schoß genährt hat, also zweifellos diesen und keinen anderen Leib, empfangen wir jetzt vom heiligen Altar, und wir trinken sein Blut als Sakrament unserer Erlösung. Daran hält der katholische Glaube fest, das lehrt treu die heilige Kirche.« Das Band zwischen der allerseligsten Jungfrau und ihrem Sohn, dem Opferlamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt, weitet sich aus auf die Kirche, den mystischen Leib Christi. Maria – so sagt der Diener Gottes Johannes Paul II. – ist in ihrem ganzen Leben eine »›eucharistische‹ Frau«. Daher ist die Kirche, die auf sie wie auf ihr Urbild blickt, »berufen, sie auch in ihrer Beziehung zu diesem heiligsten Mysterium nachzuahmen« (Enzyklika Ecclesia de Eucharistia EE 53). Aus diesem Blickwinkel heraus versteht man noch besser, warum in Lourdes die Verehrung der allerseligsten Jungfrau Maria mit einem starken und ständigen Verweis auf die Eucharistie verbunden ist: mit täglichen Eucharistiefeiern, mit der Anbetung des Allerheiligsten Sakraments und der Krankensegnung, einem der ergreifendsten Augenblicke des Aufenthalts der Pilger an der Grotte von Massabielle.

Die Anwesenheit in Lourdes vieler kranker Pilger und freiwilliger Helfer, die sie begleiten, hilft dabei, über die mütterliche und zärtliche Fürsorge nachzudenken, die die allerseligste Jungfrau dem Schmerz und dem Leiden des Menschen entgegenbringt. Hineingenommen in das Opfer Christi, wird Maria, die »Mater Dolorosa«, die unter dem Kreuz mit ihrem göttlichen Sohn leidet, von der christlichen Gemeinschaft, die um ihre leidenden, von den Spuren des Leidens des Herrn gezeichneten Glieder versammelt ist, als besonders nahe empfunden. Maria leidet mit denen, die Prüfungen durchleben, sie hofft mit ihnen und ist ihr Trost, indem sie ihnen mit ihrem mütterlichen Beistand zur Seite steht. Und drängt uns die geistliche Erfahrung vieler Kranker etwa nicht, immer besser zu verstehen, daß »der göttliche Erlöser die Seele jedes Leidenden auch durch das Herz seiner heiligsten Mutter erreichen will, die von allen als erste und am vollkommensten erlöst worden ist«? (vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Salvifici doloris, 26).

3. Während Lourdes uns über die mütterliche Liebe der Unbefleckten Jungfrau Maria zu ihren kranken und leidenden Kindern nachdenken läßt, wird der bevorstehende Internationale Eucharistische Kongreß eine Gelegenheit sein, den im Altarsakrament gegenwärtigen Jesus Christus anzubeten, uns ihm anzuvertrauen als die Hoffnung, die nicht enttäuscht, ihn anzunehmen als Medizin der Unsterblichkeit, die den Leib und den Geist heilt. Jesus Christus hat die Welt durch sein Leiden, durch seinen Tod und seine Auferstehung erlöst und wollte als »Brot des Lebens« auf unserem irdischen Pilgerweg bei uns bleiben. »Die Eucharistie: Geschenk Gottes für das Leben der Welt« ist das Thema des Eucharistischen Kongresses. Es hebt hervor, daß die Eucharistie das Geschenk ist, das der Vater der Welt macht: seinen eigenen eingeborenen, menschgewordenen und gekreuzigten Sohn. Er ist es, der uns um den eucharistischen Tisch versammelt und der in seinen Jüngern liebevolle Fürsorge weckt für die Leidenden und die Kranken, in denen die christliche Gemeinschaft das Antlitz ihres Herrn erkennt. Wie ich im Apostolischen Schreiben Sacramentum caritatis betont habe, »müssen unsere Gemeinden, wenn sie Eucharistie feiern, sich immer bewußter werden, daß das Opfer Christi für alle ist und die Eucharistie darum jeden Christgläubigen drängt, selbst ›gebrochenes Brot‹ für die anderen zu werden« (Nr. 88). So werden wir ermutigt, uns persönlich dafür einzusetzen, den Geschwistern zu dienen, besonders denen in Not, denn es ist wirklich die Berufung eines jeden Christen, zusammen mit Christus gebrochenes Brot für das Leben der Welt zu sein.

4. Es wird also deutlich, daß die Krankenseelsorge gerade aus der Eucharistie die geistliche Kraft schöpfen muß, die notwendig ist, um dem Menschen tatkräftig beizustehen und ihm zu helfen, den heilbringenden Wert des eigenen Leidens zu verstehen. Wie der Diener Gottes Johannes Paul II. im bereits erwähnten Apostolischen Schreiben Salvifici doloris betonte, sieht die Kirche in den leidenden Brüdern und Schwestern gleichsam vielfältige Träger der übernatürlichen Kraft Christi (vgl. Nr. 27). Auf geheimnisvolle Weise mit Christus vereint, wird der Mensch, der in Liebe und fügsamer Hingabe an den göttlichen Willen leidet, zur lebendigen Opfergabe für das Heil der Welt. Weiter sagte mein geliebter Vorgänger: »Je mehr der Mensch von der Sünde bedroht ist, je drückender die Strukturen der Sünde sind, welche die heutige Welt in sich trägt, umso größer ist die Ausdruckskraft, die das menschliche Leiden besitzt, und um so dringender fühlt die Kirche die Notwendigkeit, sich um des Heiles der Welt willen an die menschlichen Leiden zu wenden« (ebd.). Wenn man also in Québec am Welttag der Kranken das Geheimnis der Eucharistie in einem ideellen geistlichen Parallelismus als Geschenk Gottes für das Leben der Welt betrachtet, dann feiert man nicht nur die tatsächliche Teilhabe des menschlichen Leidens am Heilswerk Gottes, sondern man kann in gewissem Sinne die kostbaren Früchte genießen, die den Glaubenden verheißen sind. So wird der im Glauben angenommene Schmerz zum Tor, um einzutreten in das Geheimnis des erlösenden Leidens Jesu und durch ihn zum Frieden und zur Glückseligkeit seiner Auferstehung zu gelangen.

5. Während ich an alle Kranken und an all jene, die sich auf verschiedene Weise ihrer annehmen, meinen herzlichen Gruß richte, lade ich die Diözesangemeinschaften und Pfarrgemeinden ein, bei der Feier des bevorstehenden Welttages der Kranken das glückliche Zusammentreffen des 150. Jahrestages der Erscheinungen Unserer Lieben Frau in Lourdes mit dem Internationalen Eucharistischen Kongreß in ganzer Fülle hervorzuheben. Der Welttag der Kranken möge Gelegenheit geben, die Bedeutung der heiligen Messe, der eucharistischen Anbetung und der Verehrung der Eucharistie zu betonen und dafür zu sorgen, daß die Kapellen in den Gesundheitseinrichtungen zum pulsierenden Herzen werden, in dem Jesus sich ohne Unterlaß dem Vater darbringt für das Leben der Menschheit. Auch ist die Spendung der Eucharistie an die Kranken, wenn sie mit Würde und im Geist des Gebets geschieht, ein wahrer Trost für diejenigen, die an irgendeiner Form von Krankheit leiden.

53 Der bevorstehende Welttag der Kranken möge darüber hinaus ein willkommener Anlaß sein, um auf besondere Weise den mütterlichen Schutz Marias herabzurufen auf diejenigen, die von der Krankheit geprüft sind, sowie auf die Mitarbeiter im Gesundheitswesen und in der Krankenseelsorge. Ich denke insbesondere an die Priester, die in diesem Bereich tätig sind, an die Ordensmänner und Ordensfrauen, an die freiwilligen Helfer und an alle, die sich mit tatkräftiger Hingabe für den Dienst an Leib und Seele der Kranken und Notleidenden einsetzen. Alle vertraue ich Maria an, der Mutter Gottes und unserer Mutter, der Unbefleckten Empfängnis. Sie möge einem jeden helfen zu bezeugen, daß die einzige gültige Antwort auf den Schmerz und auf das menschliche Leiden Christus ist, der durch seine Auferstehung den Tod überwunden und uns das Leben geschenkt hat, das kein Ende kennt. Mit diesen Empfindungen erteile ich allen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, am 11. Januar 2008

BENEDICTUS PP. XVI



BOTSCHAFT VON BENEDIKT XVI.

ZUM XVII. WELTTAG DER KRANKEN



Liebe Brüder und Schwestern!

Am Welttag der Kranken, den wir am 11. Februar begehen, dem liturgischen Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes, versammeln sich die Diözesangemeinschaften mit ihren Bischöfen zum Gebet, um über geeignete Initiativen, die eine Sensibilisierung hinsichtlich der Realität des Leidens bewirken können, nachzudenken und zu entscheiden. Das Paulusjahr, das wir derzeit begehen, ist ein guter Anlaß, um gemeinsam mit Paulus die Worte zu meditieren: »Wie uns nämlich die Leiden Christi überreich zuteil geworden sind, so wird uns durch Christus auch überreicher Trost zuteil« (2Co 1,5). Die geistliche Verbindung mit Lourdes ruft uns darüber hinaus auch die mütterliche Sorge der Mutter Jesu um die Brüder und Schwestern ihres Sohnes ins Gedächtnis, »die noch auf der Pilgerschaft sind und in Gefahren und Bedrängnissen weilen, bis sie zur seligen Heimat gelangen« (Lumen gentium LG 62).

In diesem Jahr gilt unsere besondere Aufmerksamkeit den Kindern, den schwächsten und wehrlosesten der Geschöpfe, und dabei ganz besonders denen, die krank und leidend sind. Da sind kleine Menschenwesen, die von zur Invalidität führenden Krankheiten gezeichnet sind; andere wieder, die mit Krankheiten kämpfen, die trotz des medizinischen Fortschritts und der Arbeit verdienter Forscher und im Bereich des Gesundheitswesens Tätiger noch immer unheilbar sind. Da sind Kinder, die an Leib und Seele verletzt wurden durch Konflikte und Kriege; und andere, die unschuldige Opfer des Hasses verantwortungsloser Erwachsener sind. Da sind »Straßenkinder«, die der Wärme einer Familie beraubt und sich selbst überlassen sind; und Minderjährige, die von niederträchtigen Menschen mißbraucht werden, die ihre Unschuld ausnutzen und ihnen einen seelischen Schaden zufügen, der nie wieder gut zu machen ist. Und wie könnten wir die zahlreichen Kinder vergessen, die verdursten oder verhungern; die sterben, weil sie keine ausreichende medizinische Versorgung haben; oder die kleinen Flüchtlinge und Emigranten, die auf der Suche nach einem besseren Leben mit ihren Eltern ihre Heimat verlassen haben! Von all diesen Kindern erhebt sich ein stummer Schrei des Schmerzes, der an unser Gewissen als Menschen und Gläubige appelliert.

Die christliche Gemeinschaft, die angesichts so dramatischer Situationen nicht gleichgültig bleiben kann, verspürt die dringende Pflicht, einzugreifen. In der Tat ist die Kirche, wie ich in der Enzyklika Deus caritas est geschrieben habe, »Gottes Familie in der Welt. In dieser Familie darf es keine Notleidenden geben« (25, b). Ich hoffe jedoch, daß auch der Welttag der Kranken den Pfarrgemeinden und Diözesangemeinschaften die Gelegenheit gibt, sich immer mehr bewußt zu werden, daß sie »Familie Gottes« sind, und sie ermutigt, in den Dörfern, Vierteln und Städten die Liebe des Herrn spürbar werden zu lassen, der den Wunsch hat, »daß in der Kirche selbst als einer Familie kein Kind Not leiden darf« (ebd.). Das Zeugnis der Liebe ist Teil des Lebens einer jeden christlichen Gemeinschaft. Und wie wir in der Apostelgeschichte lesen, hat die Kirche die Prinzipien des Evangeliums seit ihren Anfängen in konkrete Gesten umgesetzt. Heute verspüren wir angesichts der veränderten Bedingungen im Gesundheitswesen das Bedürfnis einer immer engeren Zusammenarbeit zwischen den in den verschiedenen Gesundheitsstrukturen Tätigen und den dort lebenden kirchlichen Gemeinschaften. In diesem Zusammenhang sei besonders eine lobenswerte Einrichtung erwähnt, die mit dem Heiligen Stuhl verbunden ist: das Kinderkrankenhaus »Bambino Gesù«, das dieses Jahr den 140. Jahrestag seiner Gründung begehen kann.

Aber da ist noch mehr. Da zu einem kranken Kind auch eine Familie gehört, die mit ihm mitleidet und dadurch oft vor großen Schwierigkeiten steht und einer starken Belastung ausgesetzt ist, dürfen es die christlichen Gemeinschaften nicht unterlassen, auch die betroffenen Familien zu unterstützen. Dem Beispiel des »barmherzigen Samariters« folgend müssen wir uns zu diesen so schwer geprüften Menschen herabbeugen und ihnen die Hilfe unserer konkreten Solidarität anbieten. Auf diese Weise werden die Annahme und das Mittragen des Leidens zu einer wertvollen Stütze für Familien mit kranken Kindern, in denen dann ein entspanntes Klima der Hoffnung entstehen kann, weil ihnen das Gefühl gegeben wird, sozusagen von einer noch größeren Familie aus Brüdern und Schwestern in Christus umgeben zu sein. Das Mitleid Jesu mit den Tränen der Witwe von Naïn (vgl. ) und die flehentliche Bitte des Jaïrus (vgl. ) sind nur einige Bezugspunkte, die uns lehren können, den physischen und seelischen Schmerz vieler schwer geprüfter Familien mitzutragen. All das setzt eine uneigennützige, großherzige Liebe voraus, die Abbild und Zeichen der barmherzigen Liebe Gottes ist, der seine Kinder in der Stunde der Prüfung nie allein läßt, sondern ihnen stets wunderbare Kräfte des Herzens und des Verstandes gibt, mit denen sie die Schwierigkeiten des Lebens bewältigen können.

Die tägliche Sorge und der unermüdliche Einsatz im Dienst an den kranken Kindern ist ein beredtes Zeugnis für die Liebe zum menschlichen Leben, besonders zum Leben jener, die schwach sind und vollkommen von anderen abhängen. So muß auch mit Nachdruck die absolute und höchste Würde jedes menschlichen Lebens bekräftigt werden. Unverändert ist im Laufe der Zeit die Lehre geblieben, die die Kirche unablässig betont: Das menschliche Leben ist schön und muß in seiner Fülle gelebt werden, auch wenn es schwach und vom Geheimnis des Leidens umhüllt ist. Wir müssen unseren Blick auf den gekreuzigten Jesus richten: Mit seinem Tod am Kreuz wollte er das Leid der ganzen Menschheit teilen. In seinem Leiden aus Liebe können wir eine äußerste Teilnahme am Leiden der kleinen Kranken und ihrer Eltern erkennen. Mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II., der uns mit der geduldigen Annahme des Leidens besonders dann ein leuchtendes Vorbild war, als sich sein Leben dem Ende zuneigte, hat geschrieben: »Denn am Kreuz hängt der ›Erlöser des Menschen‹, der Mann der Schmerzen, der die leiblichen und moralischen Leiden der Menschen aller Zeiten auf sich genommen hat, damit sie in der Liebe den heilbringenden Sinn ihres Schmerzes und gültige Antworten auf alle ihre Fragen finden können« (Salvifici doloris, 31).

Es ist mir ein Anliegen, die internationalen und nationalen Organisationen meiner Wertschätzung und Solidarität zu versichern, die sich besonders in den armen Ländern um kranke Kinder kümmern und ihnen mit großzügiger Opferbereitschaft den notwendigen liebevollen Beistand garantieren. Gleichzeitig möchte ich auch an die Verantwortlichen der Nationen den Appell richten, die Gesetze und Maßnahmen für kranke Kinder und deren Familien auszubauen. Die Kirche wiederum ist immer bereit – und dies um so mehr, wenn das Leben von Kindern auf dem Spiel steht –, ihre Unterstützung dafür anzubieten, die gesamte menschliche Zivilisation in eine »Zivilisation der Liebe« zu verwandeln (vgl. Salvifici doloris, 30).

Zum Abschluß möchte ich Euch alle, liebe kranke Brüder und Schwestern, meiner geistlichen Nähe versichern. Mein herzlicher Gruß gilt allen, die Euch beistehen: Den Bischöfen, den Priestern, den Menschen des geweihten Lebens, den Mitarbeitern im Gesundheitswesen, den freiwilligen Helfern und allen, die sich mit liebevollem Einsatz bemühen, das Leiden derer zu lindern, die mit Krankheiten zu kämpfen haben. Mein ganz besonderer Gruß gilt Euch, liebe kranke und leidende Kinder: Der Papst umarmt Euch mit väterlicher Liebe gemeinsam mit Euren Eltern und Familienangehörigen und versichert Euch seines besonderen Gedenkens im Gebet. Und er lädt Euch ein, auf den mütterlichen Beistand der Unbefleckten Jungfrau Maria zu vertrauen, die wir in der zu Ende gegangenen Weihnachtszeit wieder betrachtet haben, wie sie mit Freuden den Sohn Gottes in die Arme schließt, der ein kleines Kind geworden ist. Ich vertraue Euch und alle Kranken dem Schutz der seligen Jungfrau, Heil der Kranken, an und erteile allen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, 2. Februar 2009

BENEDICTUS PP. XVI


BOTSCHAFT VON BENEDIKT XVI. ZUM XVIII. WELTTAG DER KRANKEN

54 Liebe Brüder und Schwestern!

Am kommenden 11. Februar, dem liturgischen Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes, wird in der Vatikanischen Basilika der XVIII. Welttag der Kranken begangen. Das glückliche Zusammentreffen mit dem 25. Jahrestag der Errichtung des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst ist ein weiterer Anlaß, um Gott für den Weg zu danken, der seither im Bereich der Krankenpastoral zurückgelegt worden ist. Ich wünsche von Herzen, daß dieses Jubiläum eine Gelegenheit zu einem großzügigeren apostolischen Eifer im Dienst an den Kranken und allen, die sich ihrer annehmen, sein möge.

Mit dem jährlichen Welttag der Kranken will die Kirche in der Tat die kirchliche Gemeinschaft in allen Bereichen für die Bedeutung des pastoralen Dienstes auf dem weiten Feld des Gesundheitswesens sensibilisieren, einem Dienst, der ganz wesentlich zu ihrer Sendung gehört, da er auf der Linie der Heilssendung Christi selbst liegt. Er, der göttliche Arzt, »zog umher, tat Gutes und heilte alle, die in der Gewalt des Teufels waren« (
Ac 10,38). Aus dem Geheimnis seines Leidens, seines Todes und seiner Auferstehung erhält das menschliche Leiden Sinn und Erleuchtung. In dem Apostolischen Schreiben Salvifici doloris findet der Diener Gottes Johannes Paul II. dazu erleuchtende Worte. »Im Leiden Christi hat das menschliche Leiden seinen Höhepunkt erreicht. Zugleich ist es in eine völlig neue Dimension und Ordnung eingetreten: Es ist mit der Liebe verbunden worden, mit jener Liebe…, die das Gute schafft, indem sie es sogar aus dem Bösen wirkt, und zwar durch das Leiden, so wie das höchste Gut der Erlösung der Welt vom Kreuz Christi ausgegangen ist und noch ständig von dort ausgeht. Das Kreuz Christi ist zu einer Quelle geworden, aus der Ströme lebendigen Wassers fließen« (Nr. 18).

Jesus, der Herr, hat sich, bevor er zum Vater zurückkehrte, beim Letzten Abendmahl niedergebeugt, um in Vorwegnahme der höchsten Liebestat des Kreuzes den Aposteln die Füße zu waschen. Mit dieser Geste hat er seine Jünger eingeladen, in seine Logik der Liebe einzutreten, die sich besonders für die Geringsten und Bedürftigen hingibt (vgl. ). Seinem Beispiel folgend, ist jeder Christ dazu aufgerufen, in verschiedenen und immer neuen Lebensbereichen das Gleichnis vom barmherzigen Samariter neu zu beleben: Dieser kam an einem Mann vorüber, der von den Räubern halbtot am Straßenrand liegen gelassen worden war; »als er ihn sah, hatte er Mitleid, ging zu ihm hin, goß Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Am andern Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme« ().

Am Schluß des Gleichnisses sagt Jesus: »Geh und handle genauso« (Lc 10,37). Er ermahnt uns, uns über die leiblichen und geistigen Wunden so vieler unserer Brüder und Schwestern zu beugen, denen wir auf den Straßen der Welt begegnen; er hilft uns zu begreifen, daß durch die im täglichen Leben empfangene und gelebte Gnade Gottes die Erfahrung von Krankheit und Leiden zu einer Schule der Hoffnung werden kann. Es ist wirklich so, wie ich in der Enzyklika Spe salvi ausgeführt habe: »Nicht die Vermeidung des Leidens, nicht die Flucht vor dem Leiden heilt den Menschen, sondern die Fähigkeit, das Leiden anzunehmen und in ihm zu reifen, in ihm Sinn zu finden durch die Vereinigung mit Christus, der mit unendlicher Liebe gelitten hat« (Nr. 37).

Schon das Zweite Vatikanische Konzil erinnerte an die wichtige Aufgabe der Kirche, sich des menschlichen Leidens anzunehmen. In der dogmatischen Konstitution Lumen gentium lesen wir: »Christus wurde vom Vater gesandt, ›den Armen die frohe Botschaft zu bringen, zu heilen, die bedrückten Herzens sind‹ (Lc 4,18), ›zu suchen und zu retten, was verloren war‹ (Lc 19,10). In ähnlicher Weise umgibt die Kirche alle mit ihrer Liebe, die von menschlicher Schwachheit angefochten sind, ja in den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein Armer und Leidender war. Sie müht sich, deren Not zu erleichtern, und sucht Christus in ihnen zu dienen« (Nr. 8). Dieses humanitäre und geistliche Wirken der kirchlichen Gemeinschaft gegenüber den Kranken und Leidenden ist im Lauf der Jahrhunderte in vielfältigen Formen und auch institutionellen Strukturen im Gesundheitswesen zum Ausdruck gekommen. Erwähnen möchte ich hier jene Einrichtungen, die direkt von den Diözesen geführt werden, sowie jene, die aus der Hochherzigkeit verschiedener Ordensinstitute entstanden sind. Es handelt sich um ein wertvolles »Erbe«, entsprechend dem Umstand, daß »Liebe auch der Organisation als Voraussetzung für geordnetes gemeinschaftliches Dienen bedarf« (Enzyklika Deus caritas est ). Die Errichtung des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst vor 25 Jahren gehört in den Bereich dieser Sorge der Kirche um die Welt der Gesundheit. Und es drängt mich hinzuzufügen, daß zum gegenwärtigen historisch-kulturellen Zeitpunkt auch stärker die Forderung nach einer aufmerksamen und verdichteten kirchlichen Präsenz an der Seite der Kranken ebenso wie nach einer Präsenz in der Gesellschaft wahrzunehmen ist, die auf wirksame Weise die Werte des Evangeliums zum Schutz des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen, von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende, weiterzugeben vermag.

Ich möchte hier die Botschaft an die Armen, an die Kranken und an alle Leidenden aufgreifen, die die Konzilsväter am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils an die Welt gerichtet haben: »Ihr alle, die ihr schwer die Last des Kreuzes spürt«, sagten sie, »ihr, die ihr weint…, ihr unbekannt Leidenden, faßt wieder Mut: Ihr seid die Bevorzugten des Reiches Gottes, des Reiches der Hoffnung, der Glückseligkeit und des Lebens; ihr seid die Geschwister des leidenden Christus; und zusammen mit ihm rettet ihr, wenn ihr wollt, die Welt!« (Ench. Vat., I, Nr. 523, [S. 313]). Ich danke von Herzen den Menschen, die Tag für Tag »den Dienst an den Kranken und Leidenden erfüllen« und damit bewirken, daß »ihr Apostolat der Barmherzigkeit Gottes, das sie ausüben, immer besser den neuen Erfordernissen entspricht« (Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Pastor bonus, Art. 152).

Im gegenwärtigen Priester-Jahr richten sich meine Gedanken besonders an euch, liebe Priester, als »Diener der Kranken«, Zeichen und Werkzeug des Mitleidens Christi, das jeden Menschen, der vom Leiden gezeichnet ist, erreichen soll. Ich fordere euch, liebe Priester, auf, nicht damit zu sparen, ihnen Sorge und Trost zu spenden. Die an der Seite der Kranken verbrachte Zeit erweist sich als gnadenreich für alle anderen Dimensionen der Seelsorge. Schließlich wende ich mich an euch, liebe Kranke, und bitte euch, zu beten und eure Leiden für die Priester aufzuopfern, damit sie ihrer Berufung treu bleiben können und ihr Dienst zum Wohl der ganzen Kirche reich an geistlichen Früchten sei.

Mit diesen Empfindungen rufe ich auf die Kranken und auf alle, die ihnen beistehen, den mütterlichen Schutz Mariens, »Salus Infirmorum«, herab und erteile allen von Herzen den Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, 22. November 2009, Christkönigssonntag.




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