(Contra Haereses) 501

1. Kapitel: Christus in Wahrheit unser Lehrer und Erlöser

501 1.

Wäre unser Lehrer, das Wort, nicht Mensch geworden, so hätten wir auf keine andere Weise lernen können, was Gottes ist. Denn kein anderer konnte uns vom Vater erzählen als sein eigenes Wort. „Wer hat nämlich sonst den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sonst sein Ratgeber geworden?“ (
Rm 11,34) Auch konnten wir es nicht anders lernen, als indem wir unsern Lehrer sahen und mit unsern Ohren seine Stimme hörten, auf daß wir „die Nachahmer seiner Werke und die Vollbringer seiner Worte geworden“ (Jc 1,22), die Gemeinschaft mit ihm hätten, indem wir von dem Vollkommenen und dem, der vor aller Schöpfung da war, den Zuwachs empfingen. Wir sind ja eben erst geworden, von dem allein Guten und sehr Guten und dem, der Unvergänglichkeit schenken kann, nach seinem Ebenbild erschaffen, vorausbestimmt, zu sein, als wir noch nicht waren, nach dem Vorauswissen des Vaters, „zum Anfang der Schöpfung“ (Ebd. 1,18)gemacht. So haben wir zur vorherbestimmten Zeit durch Vermittlung des Wortes, das in allem vollkommen ist, empfangen, daß er als das allmächtige Wort und wahrer Mensch mit seinem Blute uns rechtmäßig erlöst und sich zum Lösegeld für die hingegeben hat, die in die Gefangenschaft geführt waren. Da also die Herrschaft der Apostasie über uns nicht zu Recht bestand und wir von Natur des allmächtigen Gottes Eigentum waren, er also wider die Natur uns ihm entriß, indem er uns zu seinen Jüngern machte, so hat sich das in allem mächtige Wort Gottes, dessen Gerechtigkeit nicht nachläßt, mit Recht auch gegen die Apostasie erhoben und sein Eigentum davon erlöst. Aber nicht Gewalt wandte er an, wie sie im Anfang über uns herrschte, indem jener fremdes Eigentum unersättlich an sich riß, sondern bloßen Rat, wie es sich für Gott geziemt, der da rät, aber nicht zwängt, ihm zu folgen, damit das Recht nicht gebeugt würde und das Urgeschöpf Gottes nicht zugrunde ging. Da also mit seinem Blute der Herr uns erlöste und seine Seele für uns hingab und sein Fleisch für unser Fleisch, und da er den Geist des Vaters ausgoß, um den Menschen mit Gott auf das innigste zu verbinden, indem er in dem Menschen durch den Geist Gott niederlegte und durch seine Menschwerdung den Menschen in Gott hineinlegte, und da er wahrhaft und wirklich in seiner Ankunft durch die Gemeinschaft mit ihm Unvergänglichkeit schenkte — so sind verloren alle Lehren der Häretiker.



2.

Denn eitel sind, die da sagen, er sei nur dem Scheine nach erschienen. Nicht dem Scheine nach, sondern auf dem Untergrund der Wahrheit ist dies geschehen. Schien er aber bloß Mensch, ohne Mensch zu sein, so blieb er weder, was er in Wahrheit war — Geist Gottes, da ja der Geist unsichtbar ist, noch war überhaupt eine Wahrheit in ihm, da er das nicht war, was er schien. Wir haben aber schon vorher gesagt, daß Abraham und die übrigen Propheten ihn prophetisch[94] schauten, das, was kommen sollte, in Gesichten verkündigend. Wäre er nun derartig erschienen, daß er das nicht war, was er schien, so ist den Menschen wieder nur irgend ein prophetisches Gesicht geworden und man muß noch eine andere Ankunft von ihm erwarten, wo er so sein wird, wie er jetzt nur prophetisch geschaut wird. Das aber würde heißen, wie wir bereits gesagt haben, daß er nur dem Scheine nach erschienen sei, und daß er nichts aus Maria angenommen habe. Denn nimmer besaß er in Wahrheit Fleisch und Blut, durch das er uns erlöste, wenn er in sich nicht das alte Gebilde Adams zusammenfaßte. Töricht also sind die Valentinianer, die solches lehren, um das Leben des Fleisches zu leugnen und das Geschöpf Gottes zu verwerfen.



3.

Töricht sind aber auch die Ebioniten, welche eine Vereinigung Gottes mit dem Menschen durch den Glauben nicht annehmen, sondern in dem alten Sauerteig der Schöpfung verharren. Denn sie wollen nicht einsehen, daß der Hl. Geist über Maria gekommen ist and die Kraft des Allerhöchsten sie überschattet hat (Lc 1,35) , weswegen auch das Geborene heilig ist und der Sohn des höchsten Gottes, des Vaters von allem, der seine Menschwerdung bewirkte und die neue Zeugung darstellte, damit wir durch diese neue Zeugung das Leben ererbten, wie wir durch die alte den Tod geerbt haben. Es leugnen diese also die Mischung des himmlischen Weines und wollen nur das Wasser dieser Welt kennen, wenn sie Gott von der Vereinigung mit sich ausschließen. Sie verbleiben in dem Adam, der besiegt und aus dem Paradiese verstoßen wurde, und bedenken nicht, daß am Ende der Zeiten das Wort des Vaters und der Geist Gottes, vereint mit der alten Substanz des adamitischen Geschöpfes, den Menschen zum Leben und zur Vollendung führt, sodaß er den vollkommenen Vater aufnimmt, wie im Anfang unserer Erschaffung in Adam der Hauch des Lebens durch die Vereinigung mit dem Geschöpf den Menschen belebte und zu einem vernünftigen Wesen machte. So sollen wir also in dem geistigen Adam alle das Leben empfangen, wie wir in dem psychischen alle gestorben sind (1Co 15,22) . Denn niemals entzog sich Adam den Händen Gottes, zu denen der Vater sprach: „Lasset uns den Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis“ (Gn 1,26). Und deswegen machen sie am Ende der Zeit nicht aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes (Jn 1,13) , sondern nach dem Wohlgefallen des Vaters einen lebendigen Menschen, damit Adam nach dem Bilde und Gleichnis Gottes werde.





2. Kapitel: Der Leib des Menschen und die Eucharistie

502 1.

Töricht sind auch die, welche sagen, daß Gott in fremdes Eigentum gekommen sei, gleich als ob er Fremdes begehrt hätte, um den Menschen, der von einem andern gemacht war, einem Gott darzustellen, der ihn nicht gemacht, noch erschaffen hätte, sondern von Anfang an von der Erschaffung der Menschen ausgeschlossen war. Widerrechtlich also war seine Ankunft, wenn er nach ihnen in fremdes Eigentum kam, auch hat er sie nicht in Wahrheit mit seinem Blute erlöst, wenn er nicht in Wahrheit Mensch geworden ist, seinem Geschöpfe das Bild und Gleichnis wiederherstellend, nach dem er im Anfang erschaffen war. Er riß nichts Fremdes listig an sich, sondern nahm das Seinige in Gerechtigkeit und Güte an sich. Von dem Abfall erlöste er uns rechtlich durch sein Blut; uns aber, den Erlösten, ward seine Güte zuteil, Denn wir gaben ihm nichts zuvor, noch begehrte er etwas von uns, als ob er es gebrauchte. Wir aber bedürfen der Gemeinschaft mit ihm und deswegen gab er sich gütig hin, um uns in den Schoß seines Vaters zu sammeln.



2.

Töricht in jeder Hinsicht sind die, welche die gesamte Anordnung Gottes verachten, die Heiligung des Fleisches leugnen und seine Wiedergeburt verwerfen, indem sie behaupten, daß es der Unvergänglichkeit nicht fähig sei. Wird aber dies nicht erlöst, dann hat uns der Herr auch nicht mit seinem Blute erlöst, noch ist der eucharistische Kelch die Teilnahme an seinem Blute, das Brot, das war brechen, die Teilnahme an seinem Leibe (
1Co 10,16) . Blut stammt nämlich nur von Fleisch und Adern und der übrigen menschlichen Substanz, die das Wort Gottes in Wahrheit angenommen hat. Mit seinem Blute erlöste er uns, wie auch der Apostel sagt; „In ihm haben wir die Erlösung, durch sein Blut Nachlaß der Sünden“ (Col 1,14). Und da wir seine Glieder sind, werden wir durch seine Schöpfung ernährt werden, und er selbst gewährt uns seine Schöpfung: läßt seine Sonne aufgehen und regnen, sagt, daß er uns den Kelch von seiner Schöpfung als sein eigenes Blut reiche (Mt 26,28) , mit dem er unser Blut erquickt, und versichert, daß das Brot seiner Schöpfung sein eigener Leib ist (Ebd. 26,26) , mit dem er unsere Leiber erhebt.



3.

Wenn nun also der gemischte Kelch und das zubereitete Brot das Wort Gottes aufnimmt und die Eucharistie zum Leibe Christi wird, woraus die Substanz unseres Fleisches Erhebung und Bestand erhält, wie können sie dann sagen, das Fleisch könne nicht aufnehmen die Gabe Gottes, die in dem ewigen Leben besteht, da es doch von dem Blute und Fleische des Herrn genährt wird und sein Glied ist? So sagt auch der selige Apostel Paulus in dem Briefe an die Epheser: „Wir sind Glieder seines Leibes, aus seinem Fleisch und seinem Gebein“ (4 Ep 5,30). Das sagt er nicht von einem geistigen und unsichtbaren Leibe — denn „ein Geist hat weder Bein noch Knochen“ (Lc 24,3)— sondern von einem wahrhaft menschlichen Organismus, der aus Fleisch, Nerven und Knochen besteht, der von dem Kelch seines Blutes ernährt und von dem Brot seines Leibes erhoben wird. Und wie das Holz der Weinrebe, in der Erde wurzelnd, zu seiner Zeit Frucht hervorbringt, und wie das Weizenkorn in die Erde fällt, sich auflöst und vielfältig aufersteht durch den Geist Gottes, der alles umfaßt — und alsdann kommt dieses weisheitsvoll in den Gebrauch der Menschen, nimmt auf das Wort Gottes und wird zur Eucharistie, welche der Leib und das Blut Christi ist — so werden auch unsere Körper aus ihr genährt, und wenn sie in der Erde geborgen und dort aufgelöst sein werden, dann werden sie zu ihrer Zeit auferstehen, indem das Wort Gottes ihnen verleiht, aufzuerstehen für die Herrlichkeit Gottes des Vaters. Er umgibt dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit, schenkt dem Verweslichen aus Gnade seine Unverweslichkeit (1Co 15,53) , da die Kraft Gottes in der Schwäche vollkommen wird (2Co 12,3) , damit wir nicht in Undankbarkeit gegen Gott uns jemals hochmütig aufbliesen, gleich als ob wir das Leben aus uns selbst hätten. So sollte die Erfahrung uns lehren, daß wir aus seiner Größe, nicht kraft unserer Natur ewig fortdauern, so sollten wir Gottes Herrlichkeit, wie sie ist, uns vor Augen halten und unsere eigene Schwäche nicht verkennen. Sollten wissen, was Gott vermag, und was der Mensch Gutes empfängt, sollten niemals irre gehen in der wahren Erkenntnis der Wirklichkeit, d. h. des Verhältnisses zwischen Gott und den Menschen, Ja freilich, deswegen hat Gott zugelassen, daß wir in Erde uns auflösen, damit wir allseitig erzogen, in Zukunft in allem gewissenhaft seien und unsere Stellung zu Gott nicht verkännten.





3. Kapitel: Von der Vollendung des Fleisches im ewigen Leben

503 1.

Ganz deutlich lehrte auch der Apostel, daß der Mensch seiner eigenen Schwäche überlassen wurde, damit er niemals aus Hochmut sich gegen die Wahrheit verfehle. Es heißt nämlich im zweiten Korintherbriefe: Und damit ich wegen der Erhabenheit der Offenbarungen mich nicht überhebe, ist mir gegeben der Stachel des Fleisches, ein Engel des Satans, damit er mich peinige. Und überdies habe ich dreimal den Herrn gebeten, daß er von mir abstehe. Und er sprach zu mir: Es genügt dir meine Gnade, denn die Kraft wird in der Schwachheit vollkommen. Gerne also werde ich mich mehr rühmen in meinen Schwachheiten, damit in mir die Kraft Christi wohne“ (
2Co 12,7 ff.). Wie also, könnte jemand sagen, wollte denn der Herr, daß sein Apostel so gepeinigt wurde und solche Schwäche erduldete? Freilich, sagt das Wort. Denn die Kraft wird in der Schwachheit vollkommen, indem es den bessert, der durch seine Schwäche die Kraft Gottes erkennt. Wie hätte sonst der Mensch verstehen können, daß er selbst von Natur schwach und sterblich ist, Gott aber unsterblich und mächtig, wenn er nicht beider Natur aus Erfahrung kennen gelernt hätte? Seine Schwäche durch Leiden kennen zu lernen, ist kein Übel; vielmehr ist es etwas Gutes, sich in seiner Natur nicht zu täuschen. Sich aber gegen Gott zu erheben und eigenen Ruhm sich anzumaßen, das machte den Menschen undankbar und brachte ihm viel Böses ein. So sollte sein bleiben die Wahrheit und die Liebe zu dem, der ihn gemacht hat. Wo aber Wachstum in der Liebe ist, da wird größere Herrlichkeit durch Gottes Kraft in denen vollendet, die ihn lieben.



2.

Es verachten also die Macht Gottes und betrachten nicht, was das Wort ist, die die Schwachheit des Fleisches, aber nicht die Kraft dessen, der es von den Toten auferweckt, berücksichtigen. Wenn Gott nämlich das Sterbliche nicht lebendig macht und das Vergängliche nicht zur Unvergänglichkeit zurückführt, dann ist er dazu nicht imstande. Daß er aber dies alles vermag, das haben wir gleich anfangs betrachtet. Nahm er doch Staub von der Erde und machte den Menschen. Aber viel schwieriger und unglaublicher ist es, aus nicht existierenden Knochen und Nerven und Venen und den übrigen menschlichen Organen den Menschen zum Dasein und Leben und Denken zu bringen, als das bereits Gewordene und später nur in Erde Aufgelöste aus den angegebenen Gründen wieder zu erneuern, da es doch nur dort hinübergegangen ist, von wo der Mensch, der noch nicht war, seinen Ursprung genommen. Der nämlich den, der noch nicht war, wann es ihm beliebte, ins Dasein rief, der wird noch vielmehr die, welche schon waren, nach seinem Wohlgefallen in das von ihm geschenkte Leben zurückrufen. Und siehe, das Fleisch ist fähig, Gottes Kraft aufzunehmen und festzuhalten. Zeigte es doch schon anfangs Gottes Kunst, indem das eine zum Auge wurde und sah, das andere zum Ohr and hörte, das andere Hand und arbeitete, das andere Nerven, um die Glieder von allen Seiten eng zusammenzuhalten, das andere Arterien und Venen, um das Blut and den Geist durchzuleiten, das andere verschiedenes Eingeweide, das andere Blut, das Bindeglied zwischen Leib und Seele, Doch, es ist ja nicht möglich, das ganze künstliche Gliedergefüge des Menschen aufzuzählen, das nicht ohne viel Weisheit zustande kam. Was aber teilnimmt an der Kunst und Weisheit Gottes, das nimmt auch teil an seiner Kraft.



3.

Folglich ist das Fleisch von der künstlichen Weisheit und Kraft Gottes nicht ausgeschlossen. Wenn nun aber seine Kraft, die das Leben verleiht, in der Schwachheit vollkommen wird, d. h. in dem Fleische, dann mögen doch die, welche behaupten, das Fleisch könne das von Gott verliehene Leben nicht aufnehmen, uns sagen, ob sie dieses behaupten als solche, die jetzt leben und am Leben teilnehmen, oder ob sie als gänzlich leblose sich selbst gegenwärtig für tot erklären! Wenn sie aber tot sind, wie bewegen sie sich denn und sprechen und machen das übrige, was doch nicht Werke der Toten, sondern der Lebendigen sind? Wenn sie aber jetzt leben und ihr ganzer Leib am Leben teilnimmt, wie wagen sie dann zu sagen, das Fleisch könne das Leben nicht halten und daran teilnehmen, obwohl sie zugestehen, daß sie gegenwärtig das Leben haben? Das verhält sich fürwahr so ähnlich, als ob jemand, der einen Schwamm voll Wasser oder eine brennende Fackel in der Hand hielte, sagen wollte, der Schwamm kann kein Wasser, die Fackel kein Feuer fassen. Ebenso sagen diese, daß sie leben, sagen, daß sie Leben in ihren eigenen Gliedern in sich tragen, und dann widersprechen sie sich und behaupten, daß ihre Glieder nicht fähig sind, das Leben aufzunehmen. Wenn aber das gegenwärtige Leben, das doch viel schwächer ist als jenes ewige Leben, dennoch soviel vermag, daß es unsere sterblichen Glieder belebt, wie sollte dann das ewige Leben, das doch stärker ist als dieses, das Fleisch nicht beleben, das doch schon geübt und gewohnt ist, das Leben zu tragen! Daß nämlich das Fleisch fähig ist, das Leben aufzunehmen, zeigt sich doch darin, daß es lebt. Es lebt aber, insofern Gott es will. Daß aber Gott auch imstande ist, ihm das Leben zu verleihen, ist klar, da doch jener uns das Leben gibt. Wenn nun Gott imstande, ist, sein Geschöpf zu beleben, und das Fleisch fähig ist, das Leben zu empfangen, was sollte dann dieses hindern, an der Unvergänglichkeit teilzunehmen, die in einem glückseligen, endlosen Leben besteht, das Gott verleiht.





4. Kapitel: In der Vollendung des Fleisches zeigt sich die Allmacht des Vaters

504 1.

Diejenigen, die einen anderen Vater außer dem Demiurgen erdichten und ihn gut nennen, merken selbst nicht, wie schwach, überflüssig und nachlässig sie ihn machen, um nicht zu sagen, mißgünstig und neidisch, da er ja unsere Körper nicht beleben soll. Wenn nämlich bloß Geist und Seele und das andere derart, was selbstverständlich ist, ewig fortdauern soll, weil es vom Vater belebt wird, das übrige aber, was nur lebt, wenn es vom Vater belebt wird, vom Leben verlassen werden soll, so muß ihr Vater schwach und kraftlos sein oder mißgünstig und neidisch. Der Demiurg nämlich belebt hier die sterblichen Körper und verheißt ihnen durch die Propheten Auferstehung, wie wir gezeigt haben. Wer offenbart sich denn nun als mächtiger, stärker und besser, der Demiurg, der den ganzen Menschen belebt, oder ihr fälschlich so genannter Vater, der die von Natur aus unsterblichen Wesen, denen das Leben von Natur aus zukommt, angeblich belebt, das aber, was zum Leben seiner Hilfe bedarf, nicht gütig belebt, sondern gleichgültig dem Tode überläßt? Verleiht nun diesen ihr Vater das Leben nicht, weil er es nicht kann, oder obwohl er es könnte? Kann er es nicht, dann ist er nicht allmächtig und nicht vollkommener als der Demiurg; denn offenkundig verleiht dann der Demiurg was jener nicht verleihen kann. Im andern Falle aber ist er nicht ein guter, sondern ein neidischer und mißgünstiger Vater.



2.

Wenn sie aber irgend eine Ursache angeben, wegen derer ihr Vater die Leiber nicht belebt, so muß die Ursache selbst größer erscheinen als der Vater, indem sie seine Güte einschränkt; und seine Güte wird herabgesetzt wegen der von ihnen angegebenen Ursache. Alle aber können sehen, daß die Leiber Leben aufnehmen können. Es lebt ja alles, was Gott will leben lassen, und keineswegs können sie noch sagen, daß sie nicht fähig sind, Leben aufzunehmen. Wenn also das, was imstande ist, am Leben teilzunehmen, wegen irgend eines Zwanges oder irgend einer Ursache nicht belebt wird, dann wird ihr Vater dem Zwange und der Ursache dienen, ist also nicht mehr frei und unabhängig in seinem Urteil.





5. Kapitel: Beispiele aus dem Alten Testament für die Fortdauer der Körper

505 1.

Lange Zeit aber dauern die Körper fort, solange es Gott gefällt, daß es ihnen gut geht. Man lese die Schriften und wird finden, daß unsere Vorfahren sieben-, acht- und neunhundert Jahre überschritten haben, und ihre Leiber erreichten die Länge der Tage und nahmen teil am Leben, solange sie Gott leben lassen wollte. Doch was sollen wir von jenen sagen? Ist ja doch Henoch in dem Leibe, in dem er Gott gefiel, hinweggenommen worden (
Gn 5,24) , hinweisend auf die zukünftige Versetzung der Gerechten. Auch Elias wurde in seiner leiblichen Wesenheit hinweggenommen (4 Kön. 2,11) , prophetisch hinzeigend auf die Himmelfahrt der Geistigen. Und gar nicht hinderte sie der Leib an der Versetzung und Himmelfahrt. Denn von jenen Händen, durch die sie ursprünglich gebildet waren, wurden sie auch versetzt und aufgenommen. Gewöhnt hatten sich nämlich in Adam die Hände Gottes, ihr eigenes Geschöpf zu lenken, zu leiten und zu tragen und hinzusetzen, wohin sie wollten. Wo wurde nun der erste Mensch hingesetzt? Bekanntlich doch in das Paradies, wie geschrieben steht: „Und es pflanzte Gott das Paradies in Eden gegen Osten, und er setzte dorthin den Menschen, den er gebildet hatte“ (Gn 2,8). Und von dort wurde er in diese Welt wegen seines Ungehorsams hinausgestoßen. Deswegen sagen auch die Ältesten, die Schüler der Apostel, daß die Versetzten dorthin versetzt seien. Denn für die gerechten Menschen, die Geistesträger, wurde das Paradies zubereitet, in welches auch der Apostel Paulus versetzt wurde, und wo „er unaussprechliche Worte hörte“ (2Co 12,4), wenigstens für uns einstweilen. Und dort sollen die Versetzten bleiben bis zur Vollendung, im voraus die Unverweslichkeit verkostend.



2.

Sollte aber jemand annehmen, daß die Menschen unmöglich so lange Zeiten fortdauern können, und daß auch Elias nicht im Fleische emporgestiegen sei, sondern daß sein Fleisch in dem feurigen Wagen verbrannt sei, so möge er bedenken, daß Jonas, in die Tiefe des Meeres geworfen und von dem Wale verschlungen, wiederum unversehrt auf Gottes Befehl auf die Erde ausgespieen wurde (Jon 2,11) . Auch Ananias, Azarias und Misael wurden in den siebenfach geheizten Feuerofen geworfen und nahmen keinen Schaden, und keinen Brandgeruch fand man an ihnen (Da 3,19 ff.) . Die Hand Gottes also, die ihnen beistand und für die menschliche Natur Unglaubliches und Unmögliches an ihnen wirkte, was wäre es Wunderbares, wenn sie auch an den Versetzten Unglaubliches wirkte, den Willen Gottes des Vaters vollendend? Das aber ist der Sohn Gottes, wie nach der Schrift der König Nabuchodonosor sprach: „Haben wir nicht drei Männer in den Feuerofen geworfen? Und siehe, ich sehe vier gehen in der Mitte des Feuers, und der vierte ist ähnlich dem Sohne Gottes“ (Ebd. 3,91 f.). Also wird weder die Natur irgend eines geschaffenen Dinges noch die Schwäche des Fleisches stärker sein als der Wille Gottes. Denn nicht ist Gott den Geschöpfen, sondern die Geschöpfe sind Gott unterworfen. Und das All dient seinem Willen. Deswegen sagt auch der Herr: „Was unmöglich ist bei den Menschen, ist möglich bei Gott“ (Lc 18,27). Wie es also den jetzigen Menschen, welche Gottes Wirken nicht kennen, unglaublich und unmöglich erscheint, daß ein Mensch so lange lebe — und dennoch lebten die Vorfahren so lange und leben die Versetzten — und daß sie aus dem Bauche des Wales und aus dem Feuerofen[95] unverletzt hervorgegangen sind — und dennoch ist es geschehen, indem sie von der Hand Gottes hinausgeführt wurden, um seine Kraft zu offenbaren — so mögen auch jetzt einige, die die Kraft und die Verheißung Gottes nicht kennen, ihrem Heile widersprechen, weil sie glauben, daß Gott unmöglich die Körper wiedererwecken und ihnen ewige Fortdauer schenken könne; aber keineswegs wird der Unglaube solcher Menschen den göttlichen Glauben umwerfen.





6. Kapitel: Leib, Seele und Geist machen den vollkommenen Menschen aus

506 1.

Gott aber wird in seinem Geschöpfe verherrlicht werden, indem er es seinem Knecht (
Is 42,1) gleichgestaltet und entsprechend anpaßt. Denn durch die Hände des Vaters, d. h. durch den Sohn und den Geist, wird der Mensch, aber nicht bloß ein Teil des Menschen, ein Ebenbild Gottes. Seele und Geist können wohl ein Teil des Menschen sein, aber nie der Mensch. Der vollkommene Mensch ist die innige Vereinigung der Seele, die den Geist des Vaters aufnimmt, mit dem Fleische, das nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen ist. Deshalb sagt auch der Apostel: „Weisheit reden wir unter Vollkommenen“ (1Co 2,6), indem er die vollkommen nennt, die den Geist Gottes empfangen haben und durch den Geist wie er selber in allen Sprachen reden. Hören wir doch auch von vielen Brüdern in der Kirche, daß sie prophetische Charismen haben, in allerhand Sprachen durch den Geist reden, das Verborgene der Menschen zu ihrem Vorteil ans Licht bringen und die Geheimnisse Gottes erklären. Diese nennt der Apostel auch geistig wegen ihrer Teilnahme am Geist, aber nicht etwa, weil sie des Fleisches entkleidet und beraubt wären, sondern nur aus dem angegebenen Grunde. Wollte nämlich jemand die Substanz des Fleisches, d.h. das körperliche Gebilde, streichen und nur den Geist allein bestehen lassen, dann hätten wir damit nicht mehr einen geistigen Menschen, sondern bloß den Geist des Menschen oder den Geist Gottes. Wenn nun dieser Geist sich vermengt mit der Seele und mit dem Körper vereint, dann entsteht der geistige und vollkommene Mensch, der nach dem Bild und Gleichnis Gottes erschaffen wurde. Fehlt aber der Seele der Geist, dann ist ein solcher Mensch nur psychisch, und da er fleischlich geblieben ist, wird er unvollkommen sein; er trägt zwar das Bild Gottes in seinem Körper, aber die Ähnlichkeit mit Gott nimmt er nicht an durch den Geist. Wenn aber solch ein Mensch schon unvollkommen ist, dann kann man auch nicht mehr von einem Menschen reden, wenn man noch das Bild wegnimmt und den Körper verachtet. Das ist dann höchstens ein Teil vom Menschen oder sonst irgend etwas anderes als der Mensch, wie wir schon gesagt haben. Denn das bloße fleischliche Gebilde ist kein vollkommener Mensch, sondern nur sein Leib und ein Teil des Menschen. Ebensowenig ist die Seele an sich der Mensch, sondern eben nur Seele und ein Teil des Menschen, noch ist der Geist der Mensch, sondern bloß Geist und kann nicht Mensch genannt werden. Die innige Vereinigung aber von all diesen macht den vollkommenen Menschen aus. Der Apostel erklärt sich also selbst und erläutert den vollkommenen und geistigen Menschen der Erlösung, wenn er im ersten Briefe an die Thessalonicher sagt: „Der Gott des Friedens aber heilige euch zu Vollkommenen, und unversehrt möge euer Geist und die Seele und der Leib ohne Tadel auf die Ankunft des Herrn Jesus Christus aufbewahrt werden“ (1Th 5,23). Welche Ursache hatte er sonst, diesen dreien, d. h. der Seele, dem Leib und dem Geiste, zu wünschen, daß sie unversehrt und vollkommen fortdauern bis zur Ankunft des Herrn, wenn er nicht wußte, daß die innige Vereinigung der drei eben nichts anders wie ihre Erlösung bedeutet? Deswegen nennt er auch die vollkommen, welche die drei Stücke dem Herrn ohne Tadel aufweisen. Vollkommen also sind die, welche den Geist Gottes in sich beständig haben und ihre Seelen und Leiber ohne Tadel bewahren, indem sie den göttlichen Glauben, d. h. den Glauben, der zu Gott führt, bewahren und die Gerechtigkeit gegen den Nächsten beobachten.



2.

Daher nennt er auch das körperliche Gebilde einen Tempel Gottes. „Wisset ihr nicht“, sagt er, „daß ihr ein Tempel Gottes seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes schändet, den wird Gott verderben. Denn der Tempel Gottes ist heilig, und das seid ihr“ (1Co 3,16). Also nennt er deutlich den Körper einen Tempel, in welchem der Geist wohnt. So sprach auch der Herr von sich: „Löset diesen Tempel, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten.“ Dies aber, heißt es, sagte er von seinem Leibe (Jn 2,19) . Doch nicht nur als Tempel, sondern als Tempel Christi bezeichnet er unsere Körper, wenn er den Korinthern sagt: „Wisset ihr nicht, daß eure Leiber Glieder Christi sind? Werde ich also die Glieder Christi nehmen und sie zu Gliedern einer Hure machen?“ (1Co 6,15) Das sagt er nicht von irgend einem andern, geistigen Menschen, denn der umarmt nicht eine Hure; sondern unsere Körper nennt er Glieder Christi, wenn unser Fleisch in Heiligkeit und Reinheit verharrt, wogegen sie zu Gliedern einer Hure werden, wenn es eine Hure umarmt. Und deswegen sagt er: „Wenn jemand den Tempel Gottes schändet, wird ihn Gott verderben.“ Da ist es gewiß eine sehr große Gotteslästerung, zu sagen, daß der Tempel Gottes, in dem der Geist des Vaters wohnt, und die Glieder Christi an der Erlösung keinen Anteil hätten, sondern verloren gingen! Daß nun unsere Leiber nicht kraft ihrer Wesenheit, sondern kraft der Macht Gottes auferstehen, sagt er den Korinthern: „Der Leib aber gehört nicht der Hurerei, sondern dem Herrn und der Herr dem Körper. Gott aber hat den Herrn auferweckt, auch uns wird er auferwecken durch seine Kraft“ (1Co 6,13 f.).





7. Kapitel: Die Auferstehung Christi ist ein Vorbild unserer eigenen

507 1.

Wie also Christus in der Substanz des Fleisches auferstanden ist und seinen Jüngern die Male der Nägel und die Öffnung der Seite zeigte (
Jn 20,20 Jn 25 Jn 27) — das aber sind die Anzeichen des Fleisches, das von den Toten auferstand— so wird er auch uns, heißt es, auferwecken durch seine Kraft (1Co 6,14) . Und abermals schrieb er an die Römer: „Wenn aber der Geist dessen, der Jesum von den Toten auferweckte, in euch wohnt, so wird der, welcher Christum von den Toten auferweckte, auch eure sterblichen Körper lebendig machen“ (Rm 8,2). Welches sind nun die sterblichen Körper? Etwa die Seelen? Aber die Seelen sind doch unkörperlich, wenigstens im Vergleich zu den sterblichen Körpern. „Es hauchte nämlich Gott in das Angesicht des Menschen den Hauch des Lebens, und es wurde der Mensch zur lebenden Seele“ (Gn 2,7). Der Hauch des Lebens aber ist unkörperlich. Was aber der Hauch des Lebens ist, das können sie nicht für sterblich ausgeben. Deswegen sagt auch David: „Und meine Seele wird ihm leben“ (Ps 21,31), da ja ihre Substanz gleichsam unsterblich ist Doch den Geist können sie auch nicht einen sterblichen Körper nennen. Was also bleibt noch übrig, das man einen sterblichen Körper nennen könnte, wenn nicht das Gebilde, d. h. das Fleisch, von dem es eben heißt, daß Gott es lebendig machen wird? Dies nämlich stirbt und löst sich auf, nicht aber die Seele oder der Geist. Denn sterben heißt, die lebendige Beweglichkeit verlieren, für immer ohne Atem, Seele und Bewußtsein bleiben und übergehen in das, woraus es entstanden ist. Das aber kann der Seele nicht zustoßen, denn sie ist der Hauch des Lebens; aber auch dem Geiste nicht, denn der Geist ist nicht zusammengesetzt, sondern einfach, kann nicht aufgelöst werden und ist selber das Leben derer, die ihn empfangen. So bleibt offenbar nur übrig, daß der Tod das Fleisch trifft, das nach dem Scheiden der Seele ohne Atem und leblos zurückbleibt und allmählich in die Erde sich auflöst, von der es genommen (Gn 3,19) . Dieses also ist sterblich, und von diesem heißt es: „Er wird lebendig machen eure sterblichen Körper.“ Und deswegen heißt es von dem Fleische in dem ersten Korintherbriefe: „So ist auch die Auferstehung von den Toten, Gesät wird es in Verweslichkeit, und auferstehen wird es in Unverweslichkeit (1Co 14,42) . Denn was du säst“, sagt er, „wird nicht lebendig, wenn es zuvor nicht stirbt“ (Ebd. 14,36).



2.

Was aber wie ein Weizenkorn gesät wird und in der Erde verwest, das ist nichts anders als die Körper, die in die Erde gelegt werden, wie man Samen ausstreut. Deswegen sagt er auch: „Gesät wird es in Armseligkeit, auferstehen wird es in Herrlichkeit“ (Ebd. 14,43). Denn was ist armseliger als totes Fleisch? Was wiederum herrlicher, als wenn es aufersteht und die Unverweslichkeit empfängt? Gesät wird es in Schwachheit, auferstehen wird es in Kraft: In seiner Schwachheit, da es aus der Erde stammt, geht es in die Erde; durch die Kraft Gottes aber wird es von den Toten auferweckt. Gesät wird ein animaler Leib, auferstehen wird ein geistiger Leib (1Co 14,44) . Unzweifelhaft hat er dies nicht von der Seele, noch von dem Geiste, sondern von den sterblichen Körpern gesagt. Denn derart sind die animalen Körper, die an der Seele, der Anima, teilnehmen, daß sie durch den Verlust derselben sterben; wenn sie dann aber durch den Geist auferstehen, werden sie geistige Körper, sodaß sie durch den Geist immerwährendes Leben haben. „Jetzt nämlich“, heißt es, „erkennen wir stückweise und prophezeien stückweise, dann aber von Angesicht zu Angesicht“ (Ebd. 13,9; 12). Dasselbe sagt auch Petrus: „Ihr liebt ihn, obwohl ihr ihn nicht seht; ihr glaubt an ihn, obwohl ihr ihn jetzt nicht schaut; aber glaubend werdet ihr frohlocken in unaussprechlicher Freude“ (1P 1,8). Denn unser Angesicht wird schauen das Angesicht Gottes, des lebendigen, und wird sich freuen in unaussprechlicher Freude, wenn es nämlich seine Freude sieht.





8. Kapitel: Die Wirksamkeit des Hl. Geistes im Menschen

508 1.

Jetzt aber nehmen wir zur Vervollkommnung und Vorbereitung auf die Unverweslichkeit einen Teil von seinem Geiste, indem wir uns gewöhnen, Gott aufzunehmen und zu tragen. Das nennt der Apostel ein Unterpfand, d. h. einen Teil der uns von Gott versprochenen Ehre, indem er im Epheserbriefe sagt: „Nachdem ihr das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heiles gehört hattet, glaubtet auch ihr daran und wurdet bezeichnet mit dem Heiligen Geist der Verheißung, welcher das Unterpfand unserer Erbschaft ist“ (
Ep 1,13 f.). So also macht dies Unterpfand dadurch, daß es in uns wohnt, uns schon geistig, und das Sterbliche wird von dem Unsterblichen verschlungen. „Denn“, sagt der Apostel, „ihr seid nicht im Fleisch, sondern im Geiste, da ja der Geist Gottes in euch wohnt“ (Rm 8,9). Nicht etwa, weil sie das Fleisch verloren hätten, sondern weil sie in Gemeinschaft mit dem Geiste stehen. Denn nicht ohne Fleisch waren die, denen er das schrieb, sondern sie hatten den Geist Gottes angenommen, in dem wir rufen: „Abba, Vater“ (Rm 8,15). Wenn wir also jetzt, wo wir bloß das Unterpfand haben, Abba, Vater, rufen, was wird dann erst geschehen, wann wir nach der Auferstehung ihn von Angesicht zu Angesicht schauen werden, wann alle Glieder in überströmender Freude den Jubelhymnus anstimmen und den preisen werden, der sie von den Toten auferweckt und mit dem ewigen Leben beschenkt hat? Denn wenn schon das Unterpfand dadurch, daß es den Menschen umfängt, ihn rufen läßt: Abba, Vater, was wird dann die gesamte Gnade des Geistes bewirken, die dem Menschen von Gott verliehen werden wird? Ähnlich mit ihm wird sie uns machen und vollenden nach dem Willen des Vaters, denn sie wird den Menschen machen nach dem Bild und Gleichnis Gottes.



2.

Die also das Pfand des Geistes haben, den Lüsten des Fleisches nicht dienen, sondern sich dem Geiste unterwerfen und in allem vernünftig wandeln, die nennt der Apostel mit Recht geistig, weil der Geist Gottes in ihnen wohnt. Unkörperliche Geister aber werden die geistigen Menschen nicht sein, sondern unsere Wesenheit, d. h, die Vereinigung von Seele und Fleisch, vollendet durch die Aufnahme des göttlichen Geistes den geistigen Menschen. Die aber den Rat des Geistes verwerfen, den Lüsten des Fleisches dienen, unvernünftig leben und zügellos sich in ihre Begierden stürzen, da sie keinen Hauch vom göttlichen Geiste besitzen, sondern nach Art der Schweine und Hunde leben, die nennt mit Recht der Apostel fleischlich, da sie nichts anders als Fleischliches kennen. Und die Propheten vergleichen aus ebendemselben Grunde mit den unvernünftigen Tieren diejenigen, welche so unvernünftig wandeln. „Hengste, rasend nach Weibern, sind sie geworden, ein jeder von ihnen wiehert nach der Frau seines Nächsten“ (Jr 5,8). Und wiederum: „Der Mensch, da er in Ehre war, ist ähnlich geworden dem Vieh“ (Ps 48,23). Aus eigener Schuld nämlich ist er dem Vieh ähnlich geworden, weil er sich einem unvernünftigen Leben ergeben. Und dementsprechend sagen auch wir von solchen Menschen, daß sie unvernünftiges Vieh und tierisch geworden sind!



3.

All dies hat das Gesetz im voraus bildlich verkündet, indem es durch Tiere den Menschen zeichnete. Was nämlich doppelte Klaue hat und wiederkäut, erklärt es als rein; was aber das eine oder andere nicht hat, sondert es als unrein ab (Lv 11,2 Dt 14,3 f. ) . Welches sind also nun die Reinen? Die zum Vater und dem Sohne durch den Glauben fest ihren Weg gehen — das bedeutet die doppelte Klaue — und die Aussprüche des Herrn Tag und Nacht meditieren (Ps 1,2) , um mit guten Werken sich zu schmücken — das bedeutet die Kraft der Wiederkäuer. Unrein aber ist, was keine doppelten Klauen hat oder nicht wiederkäut, d. h. die weder den Glauben an Gott haben, noch seine Aussprüche meditieren — das ist der Greuel der Heiden. Die aber wiederkäuen und keine doppelte Klaue haben, sind auch unrein — das weist bildlich auf die Juden hin, die zwar die Aussprüche Gottes im Munde haben, aber keine feste Wurzel fassen im Vater und im Sohne, und deshalb ist hinfällig ihr Geschlecht. Denn die einhufigen Tiere gleiten leicht aus und gehen nicht so sicher wie die zweihufigen, weil die gespaltenen Hufe einander auf dem Wege folgen und sich“ gegenseitig stützen. Unrein ist gleichfalls, was eine doppelte Hufe hat, aber nicht wiederkäut. Das weist offenkundig hin auf alle Häretiker, die nicht die Aussprüche Gottes meditieren, noch mit Werken der Gerechtigkeit sich schmücken. Zu ihnen spricht der Herr: „Was sagt ihr mir Herr, Herr, und tut nicht, was ich euch sage?“ (Lc 6,46) Derartige Leute geben zwar vor, an den Vater und den Sohn zu glauben, meditieren aber niemals die Aussprüche Gottes, wie es sich gehört, noch; sind sie mit den Werken der Gerechtigkeit geschmückt, sondern sie haben, wie gesagt, das Leben der Schweine und Hunde angenommen und sich der Unreinigkeit, Schlemmerei und übrigen Sorglosigkeit ergeben. Mit Recht also nannte der Apostel alle diese, die wegen ihres Unglaubens und ihrer Üppigkeit den göttlichen Geist nicht erlangen und durch verschiedene Charaktere den Geist hinauswerfen, der sie lebendig macht, und in ihren Lüsten unvernünftig wandeln, fleischlich und animal (1Co 2,14 1Co 3,1 f. ) , nannten die Propheten sie Vieh und wildes Tier, deutet die Gewohnheit sie als Tiere und Unvernünftige, verkündet das Gesetz sie als unrein.






(Contra Haereses) 501