(Contra Haereses) 509

9. Kapitel: „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben.“

509 1.

Denselben Gedanken hat der Apostel auch noch anders ausgedrückt, indem er sagt: „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben“ (
1Co 15,50). Diese Stelle führen alle Häretiker in ihrer Tollheit gegen uns an, um darzutun, daß das Gebilde Gottes nicht gerettet werden könne. Sie erwägen nicht, daß, wie wir gesagt haben, der vollkommene Mensch aus drei Stücken besteht: aus Fleisch, Seele und Geist, indem der Geist erlöst und gestaltet, das Fleisch vereint und gestaltet wird, zwischen diesen beiden aber die Seele steht, die bald dem Geiste folgt und dann von ihm erhoben wird, bald aber dem Fleische zustimmt und dann in die irdischen Begierden hinabgleitet. Die also das, was erlöst und gestaltet und eint, nicht haben, die werden folgerichtig Fleisch und Blut sein und genannt werden, denn sie haben ja den Geist Gottes nicht in sich. Deshalb werden solche von dem Herrn auch als Tote bezeichnet. „Lasset die Toten“, sagt er, „die Toten begraben“ (Lc 9,60), denn sie haben nicht den Geist, der den Menschen lebendig macht.



2.

Wer aber immer Gott fürchtet und an die Ankunft seines Sohnes glaubt und durch den Glauben in sein Herz den Geist Gottes einsenkt, ein solcher wird mit Recht Mensch genannt, rein und geistig und für Gott lebend, weil er den Geist des Vaters hat, der den Menschen reinigt und zum göttlichen Leben erhebt. Wie nämlich das Fleisch von dem Herrn als schwach bezeichnet wird, so hat der Geist von ihm das Zeugnis, daß er willig ist (Mt 26,41) . Denn dieser ist imstande, alles zu vollenden, was ihm entgegentritt. Wenn also jemand diesen willigen Geist gleichsam wie einen Stachel der Schwachheit des Fleisches beigesellt, dann muß notwendig das Starke das Schwache überwinden, sodaß die Schwäche des Fleisches von der Stärke des Geistes verschlungen wird, und wegen der Gemeinschaft des Geistes wird solch ein Mensch nicht mehr fleischlich, sondern geistig sein. So also legen die Märtyrer Zeugnis ab und verachten den Tod, nicht nach der Schwachheit des Fleisches, sondern weil der Geist willig ist. Denn die Schwäche des Fleisches ist verschlungen, und der Geist beweist seine Stärke, und das Fleisch beweist die Stärke des Geistes; der Geist aber, indem er die Schwäche verschlingt, besitzt in sich das Fleisch als Erbe, und aus beiden ist der lebendige Mensch geworden. Er ist lebendig, weil er teilnimmt an dem Geiste, ein Mensch aber wegen der Substanz des Fleisches.



3.

Daher ist das Fleisch ohne den Geist Gottes tot, hat kein Leben und kann das Reich Gottes nicht besitzen. Das Blut ist unvernünftig, wie Wasser, ausgegossen auf die Erde. Und deswegen heißt es: „Wie der Irdische, so die Irdischen“ (1Co 15,48). Wo aber der Geist des Vaters, da ist der Mensch lebendig, das Blut vernünftig, dessen Rache Gott besorgt, das Fleisch vom Geiste in Besitz genommen, sodaß es seiner vergißt und die Eigenschaft des Geistes annimmt, da es gleichförmig dem Worte Gottes geworden ist. Und deswegen heißt es: „Wie wir das Bild dessen trugen, der von der Erde ist, so laßt uns auch das Bild dessen tragen, der vom Himmel ist“ (1Co 15,49). Was ist also das Irdische? Das Gebilde. Und was ist das Himmlische? Der Geist. Wie wir also, will die Stelle besagen, ohne den himmlischen Geist einstmals in dem alten Fleische gewandelt sind, ungehorsam gegen Gott, so laßt uns jetzt, da wir den Geist empfangen, in einem neuen Leben wandeln, gehorsam gegen Gott. Da wir also ohne den Geist Gottes nicht gerettet werden können, so ermahnt uns der Apostel, durch den Glauben und einen keuschen Lebenswandel den Geist Gottes zu bewahren, damit wir nicht, nachdem wir den Geist Gottes verloren haben, auch das Himmelreich verlieren, und sagt laut, daß das Fleisch an sich in seinem Blute das Reich Gottes nicht erben kann.



4.

Wenn man jedoch die Wahrheit sagen soll, so nimmt das Fleisch nicht in Besitz, sondern wird in Besitz genommen, wie der Herr spricht: „Selig die Sanftmütigen, da sie durch Erbschaft die Erde besitzen werden“ (Mt 5,5). Also wird im Reiche gleichsam die Erde erblich besessen, von der auch die Substanz unseres Fleisches stammt; und deshalb will er auch, daß der Tempel rein sei, damit sich der Geist Gottes in ihm ergötze, wie der Bräutigam bei der Braut. Wie nun die Braut den Bräutigam nicht freien kann, wohl aber vom Bräutigam gefreit werden kann, wenn der Bräutigam kommt und sie nimmt, so kann auch das Fleisch an und für sich das Reich Gottes nicht aufnehmen, sondern wird vielmehr von dem Geiste in das Reich Gottes aufgenommen. Der da lebt, erbt das Eigentum des Toten. Etwas anderes ist es, erben, und etwas anderes, geerbt zu werden. Der Erbe nämlich lenkt und herrscht und verwaltet das Erbe nach seinem Willen; das Erbe aber untersteht und gehorcht und wird beherrscht von dem Erben. Was ist nun also das Lebende? Der Geist Gottes. Was aber ist das Eigentum des Toten? Die Glieder des Menschen, die sich in Erde auflösen. Diese also werden von dem Geiste ergriffen und in das Himmelreich übertragen.



5.

Deswegen ist auch Christus gestorben, damit das Evangelium, in der ganzen Welt kundgetan und erkannt, zunächst seine Knechte frei mache; dann aber sollte es die Seinigen zu Erben einsetzen, indem der Geist sich ihrer bemächtigt, wie wir gezeigt haben. Der Lebendige nämlich ergreift Besitz, das Fleisch aber wird in Besitz genommen. Damit wir nun nicht dadurch, daß wir den Geist verlieren, der uns besitzt, auch das Leben verlieren, ermahnt uns der Apostel zur Anteilnahme an dem Geiste, indem er in dem angegebenen Sinne sagt; „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht besitzen.“ Das will besagen; Täuschet euch nicht! Wenn das Wort Gottes nicht in euch wohnt und der Geist des Vaters nicht in euch ist und ihr eitel und gedankenlos wandelt, so als ob ihr nur Fleisch und Blut wäret, dann werdet ihr das Reich Gottes nicht besitzen können.





10. Kapitel: Pauli Gleichnis von dem guten und dem wilden Ölbaum

510 1.

Damit wir also nicht, dem Fleische frönend, die Einpflanzung des Geistes zurückweisen, heißt es: „Da du als ein wilder Ölbaum eingepfropft bist auf einen guten Ölbaum, so bist du auch ein Genosse der Fettigkeit des Ölbaumes geworden“ (
Rm 11,17). Wie also der wilde Ölbaum, wenn er nach seiner Einpfropfung das bleibt, was er vorher gewesen ist, ausgehauen und ins Feuer geworfen wird, wenn er aber annimmt und in einen guten Ölbaum umgewandelt wird, selber ein fruchtbarer Ölbaum wird, der gleichsam in das Paradies des Königs gepflanzt ist, so werden auch die Menschen, wenn sie durch den Glauben veredelt sind und den Geist Gottes angenommen haben und seine Frucht brachten, geistig und gleichsam in das Paradies des Königs versetzt, Weisen sie aber den Geist zurück und verbleiben sie bei dem, was sie vorher gewesen sind, indem sie lieber Fleisch als Geist sein wollen, so gilt gerechtester Weise von ihnen das Wort, daß Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht besitzen. Der wilde Ölbaum wird in das Paradies Gottes nicht aufgenommen. Wunderbar also zeichnete der Apostel unsere Natur und die ganze Heilsordnung Gottes mit den Worten Fleisch und Blut und Ölbaum. Wie nämlich ein Ölbaum, wenn er vernachlässigt und übersehen wird, mit der Zeit wieder wilde Früchte hervorbringt und aus sich selbst ein Wildling wird, und andrerseits als Wildling durch Pflege und Einpfropfung zu der früheren Fruchtbarkeit seiner Natur zurückkehrt, so werden auch die Menschen, wenn sie sich vernachlässigen und die Begierden des Fleisches wie wilde Früchte hervorbringen, aus eigener Schuld unfruchtbar an Gerechtigkeit. Wenn nämlich die Menschen schlafen, sät der Feind die Materie des Unkrauts (Mt 13,25) , und deswegen befiehlt der Herr seinen Jüngern zu wachen (Ebd. 24,42) . Empfangen jedoch die Menschen, die unfruchtbar sind an Gerechtigkeit und wie von Dornen umgeben, Pflege, und nehmen sie gleichsam als Einpfropfung das Wort Gottes auf, dann gelangen sie zu der ursprünglichen Natur des Menschen, die nach dem Bild und Gleichnis Gottes gemacht ist.



2.

Wie ferner ein aufgepfropfter Wildling die Substanz des Holzes nicht verliert, aber die Qualität der Frucht verändert und einen andern Namen bekommt, nämlich nicht mehr Wildling, sondern Ölbaum genannt wird, wodurch seine Veredelung bezeichnet wird, so verliert auch der Mensch, der durch den Glauben eingepfropft wurde und den Geist Gottes annahm, zwar keineswegs die Natur des Fleisches, ändert aber die Qualität der Frucht seiner Werke und empfängt eine andere Bezeichnung, welche auf seine Veredelung hinweist. Nicht mehr Fleisch und Blut, sondern geistiger Mensch wird er genannt. Wie aber der Wildling wiederum, wenn er die Veredelung nicht annimmt, wegen seiner wilden Beschaffenheit seinem Herrn keinen Nutzen bringt und als unfruchtbarer Baum ausgehauen und ins Feuer geworfen wird (Mt 3,10) , so bleibt auch der Mensch, wenn er die Einpfropfung des Geistes durch den Glauben nicht aufnimmt, das, was er war, nämlich Fleisch und Blut und kann das Reich Gottes nicht erben. Treffend sagt also der Apostel: „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben.“ Und: „Die im Fleische sind, können Gott nicht gefallen“ (Rm 8,8). Womit er die Substanz des Fleisches nicht verwirft, sondern die Eingießung des Geistes heranzieht. Und deshalb sagt er: „Es muß dies Sterbliche die Unsterblichkeit anlegen, und das Vergängliche die Unvergänglichkeit“ (1Co 15,53).





11. Kapitel: Die Werke des Fleisches und die des Geistes

511 1.

Welches aber die sogenannten fleischlichen Werke sind, hat er selber kundgetan, indem er die Bosheit der Ungläubigen voraussah, und hat sich selber erläutert, damit denen kein Ausweg offen blieb, die diese Frage ungläubig behandeln. Er spricht nämlich im Briefe an die Galater folgendermaßen: „Offenkundig aber sind die Werke des Fleisches, als da sind: Ehebruch, Hurerei, Unreinigkeit, Wollust, Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Streitigkeiten, Eifersucht, Zorn, Neid, Mißgunst, Kränkungen, Zwistigkeiten, Häresien, Haß, Trunkenheit, Völlerei und dergleichen, wovon ich euch verkünde, wie ich euch verkündet habe, daß die, welche solches tun, das Reich Gottes nicht besitzen werden (
Ga 5,19 f.) . Ganz deutlich hat er somit für die, welche hören, verkündet, was es heißt: Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben. Die solches verüben, wandeln wahrhaft nach dem Fleische und können für Gott nicht leben. Andrerseits aber führt er die geistigen Taten auf, die den Menschen lebendig machen, die Einpfropfung des Geistes, indem er sagt: „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freuds, Friede, Geduld, Güte, Milde, Glaube, Sanftmut, Enthaltsamkeit, Keuschheit; hiergegen ist nicht das Gesetz“ (Ebd. 5,23) . Ähnlich wie der, welcher sich gebessert und Frucht des Geistes hervorgebracht hat, auf jeden Fall wegen der Gemeinschaft mit dem Geiste gerettet wird, so kann der, welcher in den genannten Werken des Fleisches verbleibt, weil er den Geist Gottes nicht annimmt, mit Recht für fleischlich erachtet, das Himmelreich nicht besitzen. Das bezeugt wiederum der Apostel, indem er zu den Korinthern spricht: „Oder wisset ihr nicht, daß die Ungerechten das Reich Gottes nicht erben werden? Irret euch nicht, weder die Hurer, noch die Götzendiener, noch die Ehebrecher, noch die Weichlinge, noch die Knabenschänder, noch die Diebe, noch die Geizigen, noch die Trunkenbolde, noch die Verleumder, noch die Räuber werden das Reich Gottes besitzen. Und dies seid ihr gewesen, aber ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerechtfertigt im Namen des Herrn Jesu Christi und im Geiste unseres Gottes“ (1Co 6,9 ff.) . Auf das deutlichste zeigte er, wodurch der Mensch zugrunde geht, wenn er fortfährt, nach dem Fleische zu leben, und wodurch er wiederum gerettet wird. Das aber, was rettet, ist nach seinen Worten der Name unseres Herrn Jesu Christi und der Geist unseres Gottes.



2.

Da er also dort die Werke des Fleisches, die ohne den Geist sind und den Tod einbringen, aufgezählt hat, so sagt er, dem Vorausgegangenen entsprechend, am Schlüsse des Briefes zusammenfassend: „Wie wir das Bild dessen, der von der Erde ist, getragen haben, so lasset uns das Bild dessen tragen, der vom Himmel ist. Denn das sage ich, Brüder, daß Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht besitzen können“ (1Co 15,49 f.). Das Wort „Wie wir getragen haben das Bild dessen, der von der Erde ist“, gleicht dem andern: „Und dies seid ihr gewesen, aber ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerechtfertigt im Namen unseres Herrn Jesu Christi und im Geiste unseres Volkes.“ Wann haben wir also das Bild dessen getragen, der von der Erde ist? Doch dann, als die genannten Werke des Fleisches in uns vollbracht wurden. Wann aber das Bild des himmlischen Menschen? Doch damals, als es von uns hieß: Ihr seid abgewaschen, indem ihr glaubtet an den Namen des Herrn und seinen Geist empfinget. Abgewaschen aber ist uns nicht die Substanz des Leibes, noch das sichtbare Gebilde, sondern unser früherer Wandel der Eitelkeit. In den Gliedern also, in denen wir zugrunde gingen, weil wir Verderbliches taten, in ebendenselben werden wir auch lebendig gemacht, wenn wir die Werke des Geistes wirken.





12. Kapitel: Von der Wiederbelebung des Fleisches

512 1.

Denn wie das Fleisch die Verweslichkeit annehmen kann, so auch die Unverweslichkeit, wie den Tod so auch das Leben. Diese aber folgen aufeinander und beide können nicht gleichzeitig bleiben, sondern das eine wird von dem anderen vertrieben. Wenn also der Tod von dem Menschen Besitz ergreift, vertreibt er das Leben von ihm, und offenbar ist er tot. Noch viel mehr vertreibt das Leben, wenn es vom Menschen Besitz ergreift, den Tod und stellt den Menschen lebend vor Gott hin. Wenn nämlich der Tod tötet, warum soll dann das Hinzutreten des Lebens den Menschen nicht lebendig machen? So sagt der Prophet Isaias: „Vernichtet hat er die Gewalt des Todes“ (
Is 25,8). Und wiederum: „Gott nahm jede Träne von jedem Antlitz“ (Is 25,8). Verdrängt ist aber das alte Leben, da es nicht vom Geiste, sondern nur durch einen Hauch gegeben war.



2.

Der Hauch des Lebens, der den Menschen animalisch macht, ist nämlich etwas anders als der lebenspendende Geist, der den Menschen geistig macht. Und deswegen sagt der Prophet Isaias: „So spricht der Herr, der den Himmel gemacht und ihn gefestigt hat, der die Erde gegründet hat, und was in ihr ist, der den Hauch dem Volke gab, das auf ihr ist, und den Geist denen, die auf sie treten“ (Ebd. 42,5). Der Hauch wurde also allem Volke zuteil, das auf der Erde ist, der Geist aber nur denen, die die irdischen Begierden niedertreten. Mit derselben Unterscheidung heißt es wiederum bei Isaias: „Der Geist nämlich wird von mir ausgehen, und allen Hauch habe ich gemacht“ (Ebd. 57,16). Den Geist will Gott in den letzten Zeiten ausgießen, indem er das Menschengeschlecht an Kindesstatt annimmt; den Hauch aber gab er schon der gesamten Kreatur und Schöpfung. Zwischen Schöpfer und Geschöpf aber ist ein Unterschied; zeitlich ist der Hauch, ewig der Geist. Der Hauch wächst kurze Zeit und bleibt eine Zeit lang, dann zieht er ab und läßt leblos zurück, worin er früher weilte. Der Geist aber umgibt von innen und außen den Menschen, bleibt immer und verläßt ihn niemals. „Doch nicht zuerst ist das Geistige“, sagt der Apostel, nämlich mit Bezug auf uns Menschen, „sondern zuerst ist das Animale, dann das Geistige“ (1Co 15,46) . Versteht sich. Denn zuerst mußte der Mensch gebildet werden, dann empfing er die Seele, und schließlich nahm er die Gemeinschaft des Geistes auf. Deshalb „war der erste Adam vom Herrn zur lebendigen Seele gemacht, der zweite Adam zum lebenspendenden Geiste (1Co 15,45) . Wie nun der, welcher zur lebenden Seele geworden war, sich zum Schlechteren abwandte und das Leben verlor, so wird ebenderselbe, wenn er sich zum Besseren zurückwendet, den lebenspendenden Geist aufnehmen und das Leben finden.



3.

Denn ebendasselbe, was starb, wird auch lebendig gemacht, was verloren war, wird gefunden, wie auch der Herr das Schaf suchte und fand, das verloren war. Was also starb denn nun? Doch nur die Substanz des Fleisches, die den Hauch des Lebens verloren hatte und leblos und tot geworden war. Diese nun lebendig zu machen, kam der Herr, damit wir, wie wir in Adam alle sterben, so wir animalisch sind, in Christo leben, so wir geistig sind, nicht indem wir das Gebilde Gottes ablegen, sondern die Begierden des Fleisches, und den Hl. Geist annehmen, wie der Apostel in dem Briefe an die Kolosser sagt: „Tötet also eure Glieder, die von der Erde sind!“ (Col 3,5) Was das bedeutet, hat er selber erklärt: Hurerei, Unreinigkeit, Leidenschaft, böse Begierde und Geiz, der Götzendienst ist. Indem der Apostel mahnt, diese abzulegen, verkündet er, daß die, welche solches tun, gleich als ob sie nur Fleisch und Blut wären, das Himmelreich nicht besitzen können. Da ihre Seele sich zum Schlechten hinwandte und in die irdischen Begierden hinabstieg, hat sie auch denselben Namen wie jene erhalten, und indem der Apostel uns befiehlt, diese abzulegen, sagt er wiederum in demselben Briefe: „Ziehet aus den alten Menschen mit seinen Werken!“ (Ebd. 3,9) Womit er das alte Gebilde nicht aufheben wollte; sonst müssten wir uns ja das Leben nehmen, um von dem gegenwärtigen Leben loszukommen.



4.

Denn der Apostel selbst, der im Mutterschoße gebildet war und von dem Mutterleibe ausgegangen war, bekennt im Briefe an die Philipper: „Das Leben im Fleisch ist die Frucht meines Wirkens“ (Ph 1,22). Die Frucht des Wirkens im Geiste ist das Heil des Fleisches. Was aber soll die sichtbare Frucht des unsichtbaren Geistes sein, wenn nicht dies, daß das Fleisch reif und fähig gemacht wird für die Unverweslichkeit! Wenn er also sagt: „Das Leben im Fleische ist mir die Frucht meines Wirkens“, dann hat er gewiß die Substanz des Fleisches nicht herabgesetzt mit den Worten: „Ziehet aus den alten Menschen mit seinen Werken!“ (Col 3,9) Er verkündete nur die Abschaffung des alten Wandels, der im Absterben ist, und fährt deshalb fort: „Und ziehet an den neuen Menschen, welcher erneuert wird für die Erkenntnis nach dem Ebenbilde dessen, der ihn erschaffen hat“ (Ebd. 3,10) . Mit den Worten: „Der erneuert wird für die Erkenntnis“, lehrte er, daß der früher so unwissende Mensch, d. i. nämlich in Bezug auf Gott, durch die Erkenntnis Gottes erneuert wird. Denn die Erkenntnis Gottes erneuert den Menschen. Und die Worte: „Nach dem Ebenbilde des Schöpfers“, sollen auf jenen Menschen rekapitulierend hinweisen, der im Anfang nach dem Ebenbilde Gottes gemacht war.



5.

Dies war aber gerade der Apostel, der nach seinen eigenen Worten im Mutterschoße, d. h. in der alten Substanz des Fleisches, erzeugt war, wie er im Galaterbriefe schreibt: „Als es aber Gott, der mich von dem Mutterschoße her abgesondert und durch seine Gnade berufen hat, gefiel, seinen Sohn in mir zu offenbaren, damit ich ihn den Heiden verkündete .. .“ (Ga 1,15 f.) . Der also aus dem Mutterschoße geboren war, war, wie wir bereits gesagt haben, kein anderer als der, welcher den Sohn Gottes verkündete. Der vorher in Unwissenheit die Kirche verfolgte, verkündete, nachdem er die himmlische Offenbarung erhalten und der Herr mit ihm gesprochen hatte, wie wir im dritten Buche gezeigt haben, als den Sohn Gottes Jesum Christum, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde (Ebd. 1,12; 15) . Seine frühere Unwissenheit wurde von der späteren Erkenntnis vertrieben, wie die Blinden, die der Herr geheilt hat, ihre Blindheit verloren und eine vollkommene Augensubstanz empfinge. Über dieselben Augen, mit denen sie früher nichts gesehen hatten, kam das Gesicht: die Finsternis wurde von den Augen vertrieben, die Wesenheit der Augen aber blieb dieselbe, damit sie, auf den Augen nun sehend, mit denen sie früher nicht gesehen hatten, dem, der ihnen das Gesicht wieder geschenkt hatte, Dank sagen sollten. Auch hat der, dessen trockene Hand geheilt wurde (Lc 6,6 ff.) , und haben alle, die von ihm geheilt wurden, nicht neue Glieder empfangen, sondern die wurden gesund, welche sie von Anfang an bei der Geburt hatten.



6.

Das Wort Gottes, das alles erschaffen und im Anfang den Menschen gebildet hat, heilte sein Geschöpf von Grund aus, da es fand, daß es durch Arglist zu Fall gebracht war. Und zwar erneuerte er jedes einzelne Glied an seinem Gebilde und stellte auch den Menschen als Ganzes wieder heil und unversehrt her, indem er ihn für die Auferstehung vollkommen vorbereitete. Denn welchen Grund hätte er gehabt, die Glieder des Fleisches zu heilen und in ihren früheren Zustand zurückzuversetzen, wenn sie, die von ihm geheilt waren, nicht hätten gerettet werden sollen? War der Nutzen nämlich nur ein zeitlicher, dann war die Wohltat der Heilung nichts besonders Großes. Oder sollte das Fleisch des Lebens nicht fähig sein, das von ihm stammt, wo es doch von ihm geheilt wurde? Durch die Heilung kommt das Leben, durch das Leben aber die Unverweslichkeit zustande. Wer also Heilung bringt, verleiht auch das Leben, und wer das Leben verleiht, der umgibt auch sein Gebilde mit Unverweslichkeit.





13. Kapitel: Die Totenerweckungen, ein Vorbild der Auferstehung

513 1.

Unsere Gegner, die ihrem eigenen Heile im Wege stehen, mögen uns doch sagen, in welchen Leibern denn die tote Tochter des Hohenpriesters (
Mc 5,22) , der tote Sohn der Witwe, der aus dem Tore herausgetragen wurde (Lc 7,12) , und Lazarus, der schon vier Tage im Grabe lag (Jn 11,39) , in welchen Leibern die auferstanden sind! Doch wohl in den Leibern, in denen sie auch gestorben waren. Wären es andere gewesen, dann wären ja andere auferstanden, als gestorben waren. Denn es heißt doch: „Es ergriff der Herr die Hand des Toten[96] und sprach zu ihm: Jüngling, ich sage dir, stehe auf! Und es saß der Tote (Lc 7,14 f.) , und er befahl ihm zu essen zu geben[97] , und er gab ihn seiner Mutter (Lc 7,15) . Und den Lazarus rief er mit lauter Stimme und sprach zu ihm: Lazarus, komm heraus! und es ging hinaus der Tote, umwickelt an Händen und Füßen mit Tüchern“ (Jn 11, 43f.). Das war ein Symbol jenes Menschen, der durch die Sünden gebunden war. Und deswegen sagt der Herr: „Macht ihn los und laßt ihn gehen!“ (Ebd. 11, 44) Wie nämlich die Geheilten an den Gliedern, die früher krank gewesen waren, geheilt wurden und die Toten in denselben Leibern auferstanden, indem ihre Glieder und Leiber Heilung und Leben von dem Herrn, der es gab, empfingen, damit das zeitliche Leben ein Vorbild des ewigen wäre und er darauf hinwiese, daß der, welcher sein Werk heilt, ihm auch das Leben gibt, um zum Glauben an sein Wort von der Auferstehung zu führen, so werden auch, wenn am Ende der Herr mit der Trompete des jüngsten Tages ruft, die Toten auferstehen. „Es kommt die Stunde“, spricht der Herr, „in der alle Toten, die in den Gräbern sind, die Stimme des Menschensohnes hören werden, und es werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, und die, welche Böses gewirkt haben, zur Auferstehung des Gerichtes“ (Ebd. 5,28 f.).



2.

Töricht also in der Tat und unglücklich, wer das so Klare und Offenbare nicht einsehen will, sondern das Licht der Wahrheit sieht und wie der Ödipus der Tragödie sich selbst blendet. Und wie die nicht geübten Kämpfer in der Palästra, wenn sie mit andern ringen, einen Teil des Körpers fest umklammern und deswegen fallen und im Fallen noch zu siegen glauben, weil sie jenen eifrig festhalten, dessen Glied sie gleich im Anfang umschlangen, aber zu dem Fall noch ausgelacht werden, so machen es die Häretiker mit dem Worte Pauli: „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben.“ An die beiden Worte sich klammernd, haben sie den Apostel nicht begriffen, noch die Kraft der beiden Ausdrücke sich klar gemacht, und indem sie sich nun allein an die beiden nackten Worte halten, sterben sie an ihnen und werfen den ganzen Heilsplan Gottes um, so weit sie es können.



3.

Wenn sie nämlich behaupten, daß dies recht eigentlich vom Fleische und nicht von den fleischlichen Werken zu verstehen sei, wie wir gezeigt haben, dann lassen sie den Apostel sich selbst widersprechen. Denn in demselben Briefe sagt er sogleich mit deutlichem Hinweise auf das Fleisch: „Es muß nämlich dieses Verwesliche die Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche anziehen die Unsterblichkeit. Wenn aber dieses Sterbliche angezogen haben wird die Unsterblichkeit, dann wird sich erfüllen das Wort, das geschrieben steht: Verschlungen ist der Tod im Siege. Wo ist, Tod, dein Stachel? Wo ist, Tod, dein Sieg?“ (1Co 15,53 f.) Diese Worte werden mit Recht gesprochen werden, wenn dieses sterbliche und verwesliche Fleisch, bei dem der Tod ist, und das gewissermaßen von der Herrschaft des Todes bedrückt ist, zum Leben emporsteigt und Unverweslichkeit und Unsterblichkeit anzieht. Dann nämlich wird der Tod in Wahrheit besiegt sein, wenn das Fleisch, das von ihm festgehalten wurde, seiner Herrschaft entrinnt. Und abermals sagt er den Philippern: „Unser Wandel aber ist im Himmel, von wo wir auch als Heiland erwarten den Herrn Jesus, welcher umgestalten wird den Leib unserer Niedrigkeit, gleichförmig dem Leibe seiner Herrlichkeit, so wie er es kann nach dem Wirken seiner Kraft“ (Ph 3,20 f.). Welches ist also der Leib unserer Niedrigkeit, den der Herr dem Leibe seiner Herrlichkeit gleichförmig machen wird? Offenbar dieser Leib aus Fleisch, der erniedrigt wird, indem er in die Erde fällt. Wenn nun das sterbliche und verwesliche Fleisch unsterblich und unverweslich wird, so geschieht diese Umgestaltung nicht kraft der eigenen Wesenheit, sondern gemäß dem göttlichen Wirken, der das Sterbliche mit Unsterblichkeit und das Verwesliche mit Unverweslichkeit umgeben kann. Deshalb heißt es im zweiten Korintherbriefe: „Damit verschlungen werde das Sterbliche vom Leben; der uns aber hiezu eben vollendet, ist Gott, der uns das Pfand des Geistes gegeben hat“ (2Co 5,4). Das gilt ganz offenbar vom Fleische, denn weder die Seele noch der Geist ist sterblich. Verschlungen aber wird das Sterbliche vom Leben, wann auch das Fleisch nicht mehr tot, sondern lebendig und unverweslich fortdauert, Gott lobpreisend, der uns hiezu vollendet hat. Damit wir also derart vollendet werden, sagt er treffend zu den Korinthern: „Verherrlichet Gott in eurem Leibe!“ (1Co 6,20) Gott ist der Urheber der Unverweslichkeit.



4.

Daß er aber dies nicht von irgend einem andern Leibe, sondern von dem Leibe des Fleisches meint, sagt er klar, unzweifelhaft und unzweideutig den Korinthern: „Immer tragen wir die Abtötung Jesu an unserm Körper umher, damit das Leben Jesu Christi in unserm Körper offenbar werde. Denn immer werden wir, die wir leben, dem Tode übergeben durch Jesus, damit auch das Leben Jesu in unserm sterblichen Fleische offenbar werde“ (2Co 4,10 f.). Und da der Geist das Fleisch umfängt, so sagt er in demselben Briefe: „Ihr seid ja ein Brief Christi, vermittelt durch uns, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geiste des lebendigen Gottes, nicht auf steinernen Tafeln, sondern auf den fleischlichen Tafeln des Herzens“ (Ebd. 3,3). Wenn also jetzt die fleischlichen Herzen den Geist fassen können, was ist es dann Wunderbares, daß sie in der Auferstehung das Leben aufnehmen, das vom Geiste gegeben wird? Über diese Auferstehung schreibt der Apostel den Philippern: „Gleichförmig seinem Tode werde ich ihm wohl entgegengehen zu der Auferstehung von den Toten“ (Ph 3,10 f.). Von welchem andern sterblichen Fleische kann man denn verstehen, daß in ihm das Leben offenbart werde, wenn nicht von der Substanz, die wegen des Bekenntnisses für Gott getötet wird? So sagt er ja selbst: „Wenn ich[98] mit wilden Tieren zu Ephesus gekämpft habe, was nützt es mir, wenn die Toten nicht auferstehen? Denn wenn die Toten nicht auferstehen, dann ist auch Christus nicht auferstanden; wenn aber Christus nicht auferstanden ist, dann ist eitel euer Glaube, wir aber werden als falsche Zeugen Gottes erfunden, da wir ja bezeugt haben, daß er Christum auferweckt hat, den er nicht auferweckt hat. Denn wenn die Toten nicht auferstehen, dann ist auch Christus nicht auferstanden. Wenn aber Christus nicht auferstanden ist, dann ist eitel euer Glaube, da ihr ja noch in euren Sünden seid. Also sind auch verloren, die in Christus entschlafen sind. Wenn wir nur in diesem Leben auf Christus hoffen, sind wir elender als alle Menschen. Nun aber ist Christus von den Toten auferstanden als Erstling der Schlafenden, denn durch einen Menschen ist der Tod und durch einen Menschen die Auferstehung von den Toten“ (1Co 15,32 1Co 13 ff. ).



5.

Entweder hat nun mit all diesem der Apostel seinem Worte widersprochen: „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben“[99] , oder sie werden bösartige und verschrobene Erklärungen all dieser Worte geben müssen, um ihren Sinn zu verdrehen und abzuändern. Denn was sollen sie Vernünftiges sagen, wenn sie auf andere Weise seine Worte erklären wollen: „Es muß nämlich dies Verwesliche Unverweslichkeit anziehen und dies Sterbliche Unsterblichkeit anziehen“; und: „damit das Leben Jesu offenbar werde in unserm sterblichen Leibe“, und die anderen Stellen, in denen der Apostel offen und klar die Auferstehung und die Unverweslichkeit des Fleisches verkündet? Sie sind also gezwungen, all diese Stellen falsch zu erklären, wenn sie die eine nicht richtig verstehen wollen.





14. Kapitel: Um unser Fleisch zu erlösen, nahm der Herr dasselbe Fleisch an

514 1.

Weil aber der Apostel gegen die Substanz von Fleisch und Blut nichts gehabt hat, als er sagte, daß Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht besitzen können, so bedient sich derselbe Apostel überall bei dem Herrn Jesus Christus der Worte Fleisch und Blut, teils um ihn als Menschen darzutun, nannte er sich doch selbst den Menschensohn, teils um die Erlösung unseres Fleisches kundzutun. Hätte das Fleisch nicht gerettet werden sollen, dann wäre keineswegs das Wort Gottes Fleisch geworden. Und sollte nicht das Blut der Gerechten aufgesucht werden, so hätte der Herr kein Blut gehabt. Doch da das Blut schon von Anfang an seine Stimme erhob, so sprach Gott zu Kain, als er seinen Bruder erschlagen hatte: „Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir“ (
Gn 4,10). Und da ihr Blut gefordert werden sollte, sprach er zu den Angehörigen des Noe: „Denn das Blut eurer Seelen, ich werde es von allen Tieren fordern“ (Ebd.9,5). Und abermals „Wer Menschenblut vergießen wird, wird für das Blut desselben vergossen werden“ (Ebd. 9,6). Ähnlich sprach auch der Herr zu denen, die sein Blut vergießen sollten: „Es wird gefordert werden alles gerechte Blut, das auf der Erde vergossen wird, von dem Blute des gerechten Abel bis zu dem Blute des Zacharias, des Sohnes des Barachias, den ihr erschlagen habt zwischen dem Tempel und dem Altare. Ja, ich sage euch, all dies wird kommen über dieses Geschlecht“ (Lc 11,50 Mt 23,35f. ). Das soll heißen: Die Rekapitulation des von Anfang an vergossenen Blutes aller Gerechten und der Propheten, sowie die Rückforderung dieses Blutes werde durch ihn selber erfolgen. Nicht aber wird dieses gerächt, wenn er nicht gerettet werden sollte, noch hätte der Herr in sich dies rekapituliert, wenn er nicht selber gemäß der ursprünglichen Erschaffung Fleisch und Blut geworden wäre, um schließlich in sich selbst das zu retten, was in Adam anfänglich verloren gegangen war.



2.

Wenn aber nach einer andern Ordnung der Herr Fleisch geworden ist und er aus einer anderen Wesenheit Fleisch annahm, dann hat er den eigentlichen Menschen in sich nicht rekapituliert; ja, er kann nicht einmal Fleisch genannt werden. Denn Fleisch ist in Wahrheit nur das, was von der ersten Schöpfung aus Erde abstammt. Hätte er aus einer anderen Substanz den Stoff haben sollen, dann hätte der Vater von Anfang an dies Gebilde aus einer anderen Substanz müssen entstehen lassen. Nun aber ist das, was der gefallene Mensch war, das heilbringende Wort geworden, indem es durch sich selbst die Verbindung und Aufsuchung des Heiles herstellte. Der gefallene Mensch aber hatte Fleisch und Blut, denn aus dem Schlamm der Erde bildete Gott den Menschen, um dessentwillen der Herr auf die Erde überhaupt kommen mußte. Also hatte auch er Fleisch und Blut; indem er kein anderes als das ursprüngliche Geschöpf des Vaters rekapitulierte, suchte er das, was verloren war. Deswegen sagt auch der Apostel im Briefe an die Kolosser: „Da ihr einstmals entfremdet waret und feind seinem Ratschlusse in bösen Werken, seid ihr jetzt wiederversöhnt in dem Leibe seines Fleisches durch seinen Tod, um euch heilig und keusch und ohne Tadel in seinem Angesichte darzustellen“ (Col 1,21 f.). In dem Fleische seines Leibes wiederversöhnt, heißt es, weil das gerechte Fleisch jenes Fleisch versöhnte, das in der Sünde niedergehalten wurde, und es in die Freundschaft mit Gott brachte.



3.

Wenn nun jemand sagen wollte, daß das Fleisch des Herrn insofern von unserm Fleische verschieden war, als jenes nicht sündigte, noch irgend ein Arg in seiner Seele gefunden wurde, wir aber Sünder sind, so hat er recht gesprochen. Wollte er dem Herrn aber eine andere Substanz des Fleisches andichten, so würde das Wort von der Versöhnung nicht mehr bestehen. Denn wiederversöhnt war das, was einmal in Feindschaft war. Nahm aber der Herr sein Fleisch aus einer andern Substanz, dann ist das nicht mehr mit Gott versöhnt worden, was ihm durch den Ungehorsam feind geworden war. Weil nun aber zwischen ihm und uns eine Gemeinschaft besteht, versöhnte der Herr den Menschen mit Gott, indem er uns durch den Leib seines Fleisches versöhnte und durch sein Blut uns erlöste. So sagt der Apostel den Ephesern: „In ihm haben wir gehabt Erlösung durch sein Blut, Vergebung der Sünden“ (Ep 1,7). Und wiederum ebendenselben: „Die ihr einstmals ferne waret, seid nahe geworden in dem Blute Christi“ (Ebd. 2,13). Und wiederum: „Die Feindschaft hob er auf in seinem Fleische, das Gesetz der Gebote durch seine Lehren“ (Vgl. ebd. 2,14 f.). Und so bezeugt der Apostel in seinem ganzen Briefe deutlich, daß wir durch das Fleisch unseres Herrn und durch sein Blut erlöst worden sind.



4.

Wenn also Fleisch und Blut uns das Leben erwerben, dann kann im eigentlichen Sinne nicht von Fleisch und Blut gesagt sein, daß sie das Reich Gottes nicht besitzen können, sondern nur von den genannten fleischlichen Akten, die den Menschen zur Sünde hinlenken und ihn des Lebens berauben. Und deswegen heißt es in dem Briefe an die Römer: „Nicht also herrsche die Sünde in eurem sterblichen Leibe, um ihr zu gehorchen, noch möget ihr eure Glieder als Waffen der Ungerechtigkeit der Sünde darbieten, sondern bietet euch selbst Gott dar als solche, die gleichsam von den Toten leben, und eure Glieder als Waffen der Gerechtigkeit für Gott“ (Rm 6,12 ff.). Mit ebendenselben Gliedern also, mit denen wir der Sünde dienten und den Tod als Frucht einbrachten, sollen wir der Gerechtigkeit dienen, um das Leben zu erwerben.



5.

So bedenke also, Geliebtester, daß Du durch das Fleisch unseres Herrn erkauft und durch sein Blut erlöst bist, „klammere Dich an das Haupt, aus welchem der ganze Leib der Kirche zusammengehalten, Wachstum erhält“ (Nach Col 2,19), d. h. bekenne Gott und die fleischliche Ankunft des Sohnes Gottes, und nimm fest auf seinen Menschen! Benutze diese Beweise, die aus den Schriften entnommen sind, und leicht besiegst Du, wie wir gezeigt haben, alle jene später erdichteten Lehren der Häretiker.






(Contra Haereses) 509