(Contra Haereses) 515

15. Kapitel: Dasselbe Fleisch, das von Gott erschaffen wurde, wird von ihm auch auferweckt

515 1.

Daß aber der, welcher im Anfang den Menschen erschaffen hat, nach seiner Auflösung in Erde ihm eine zweite Geburt versprochen hat, drückt Isaias so aus: „Es werden die Toten wieder auferstehen, und auferstehen die in den Gräbern, und es werden sich freuen, die in der Erde. Denn der Tau von dir ist ihnen Gesundheit“ (
Is 26,19). Und abermals: „Ich werde euch herbeirufen und nach Jerusalem werdet ihr gerufen werden, und ihr werdet sehen, und freuen wird sich euer Herz, und eure Gebeine werden aufgehen wie das Kraut, und erkannt werden wird die Hand des Herrn von denen, die ihn verehren“ (Ebd. 66,13 ff.). Und Ezechiel sagt also: „Und über mir ward die Hand des Herrn, und es führte mich im Geiste der Herr hinaus und stellte mich auf die Mitte des Feldes, und es war voll von Gebeinen; und er führte mich herum über sie ringsherum im Kreise und siehe, viele auf der Fläche des Feldes, ganz dürre. Und er sprach zu mir: Prophezeie über diese Gebeine und sprich zu ihnen: Ihr dürren Gebeine, höret das Wort des Herrn: Dies spricht der Herr zu diesen Gebeinen: Siehe, ich führe über euch hin den Geist des Lebens und werde geben über euch Nerven, und ich führe zurück über euch das Fleisch, und ich werde ausdehnen über euch die Haut, und ich werde meinen Geist in euch geben, und ihr werdet leben und erkennen, daß ich der Herr bin. Und ich prophezeite, wie der Herr mir vorschrieb. Und es geschah, als ich prophezeite; und siehe, ein Erdbeben, und herbeigeführt wurden die Gebeine, ein jedes, wohin es gehörte, und ich sah, und siehe, über ihnen entstanden Nerven und Fleisch, und über sie hinüber zog sich die Haut, und Geist war nicht in ihnen. Und er sprach zu mir: Zum Geist prophezeie, Menschensohn, und sprich zum Geiste: Dies spricht der Herr: Von den vier Geistern komme und hauche hinein in jene Toten, und sie sollen leben! Und ich prophezeite, wie der Herr mir befohlen hat, und es kam in sie der Geist, und sie lebten und standen auf ihren Füßen, eine Versammlung, sehr groß“ (Ez. 37,lff.). Und wiederum, sagt ebenderselbe: „Dies spricht der Herr: Ich, ich werde eure Gräber öffnen und euch aus euren Gräbern herausführen und euch hineinführen in das Land Israel, und ihr werdet erkennen, daß ich der Herr bin, wenn ich eure Gräber öffnen werde, um aus den Gräbern mein Volk zurückzuführen; und ich werde meinen Geist in euch geben, und ihr werdet leben, und einsetzen werde ich euch in euer Land, und ihr werdet erkennen, daß ich der Herr bin. Ich habe gesprochen, und ich werde es tun, spricht der Herr“ (Ebd. 37,12 ff.), Der Demiurg, welcher auch hier also unsere toten Leiber lebendig macht, wie man sehen kann, und ihnen die Auferstehung verspricht und Auferweckung aus den Gräbern und Grabmälern und Unverweslichkeit verleiht, denn „wie der Baum des Lebens“, heißt es, „werden ihre Tage sein“ (Is 65,22), ist offenbar Gott allein, der dies macht, und der gute Vater selbst, der denen das Leben in seiner Güte verleiht, die es aus sich selbst nicht haben.



2.

Und deshalb zeigte der Herr sich und den Vater seinen Schülern auf das deutlichste, damit sie keinen anderen Gott suchen sollten außer dem, der den Menschen erschaffen und ihm den Hauch des Lebens geschenkt hat, und damit sie sich nicht zu jenem Unverstand verstiegen, über dem Demiurgen einen anderen Vater zu erdichten. Deswegen heilte er sonst alle, die sich durch ihre Sünden ihre Krankheiten zugezogen hatten, bloß durch das Wort, indem er zu ihnen sprach: „Siehe, du bist gesund geworden, sündige nicht mehr, damit dir nicht etwas Schlimmeres widerfährt!“ (Jn 5,14) Wodurch er anzeigte, daß den Menschen wegen der Sünde des Ungehorsams die Krankheit folgte. Dem aber, der von Geburt an blind war, gab er nicht durch ein Wort, sondern durch eine Handlung das Gesicht wieder, was keineswegs unbedeutend oder zufällig war, sondern auf die Hand Gottes hinweisen sollte, die im Anfang den Menschen geschaffen hat. Als daher die Schüler ihn fragten, wegen welcher Ursache jener blind geboren sei, ob aus eigener Schuld oder aus Schuld der Eltern, da sagte er: „Weder dieser noch seine Eltern haben gesündigt, sondern damit an ihm die Werke Gottes offenbar werden“ (Ebd. 9,3). Das Werk Gottes aber ist die Erschaffung des Menschen. Diese nämlich geschah durch eine Handlung, wie die Schrift sagt: „Und es nahm Gott Schlamm von der Erde und bildete den Menschen“ (Gn 2,7). Deshalb spie auch der Herr auf die Erde und machte einen Kot: und strich ihn über die Augen, indem er auf die Weise hinwies, wie der Mensch ursprünglich gebildet wurde, und die Hand Gottes, durch die aus dem Schlamme der Mensch gemacht war, für die offenbarte, die es verstehen konnten. Was nämlich die Kunst des Wortes im Mutterleibe zu erschaffen unterlassen hatte, das machte er jetzt offenkundig, damit an ihm das Werk Gottes offenbar werde und wir keine andere Hand suchen sollten, durch welche der Mensch erschaffen wäre, noch einen andern Vater. Wir sollten erkennen, daß die Hand Gottes, welche uns im Anfang erschaffen hat, auch im Mutterleibe schafft, ebenso uns Verlorene in den letzten Zeiten aufgesucht hat, indem sie ihr verlorenes Schaf wiedergewann, auf ihre Schultern auflud und mit Frohlocken uns in die Herde des Lebens zurückführte.



3.

Daß aber im Mutterleibe uns das Wort Gottes schafft, das sagt Jeremias: „Bevor ich im Mutterleibe dich bildete, kannte ich dich, und bevor du aus dem Mutterschoße hervorgingst, habe ich dich geheiligt und als Propheten unter den Völkern dich bestellt“ (Jr 1,5). Und ähnlich sagt aus Paulus: „Als es dem gefiel, der mich aussonderte vom Schoße meiner Mutter, daß ich ihn verkünden sollte unter den Heiden“ (Galt. 1,15 f.). Da wir also im Mutterleibe von dem Worte geformt werden, so gab ebendasselbe Wort dem, der von Geburt an blind gewesen war, das Gesicht. Da ja das Wort selbst den Menschen offenbart war, so offenbarte es den, der im Verborgenen uns bildet, erklärte die alte Erschaffung des Adam, indem er durch einen Teil auf das Ganze hinwies, wie dieser gemacht und durch welche Hand er erschaffen wurde. Der nämlich das Gesicht gab, derselbe Herr bildete auch den ganzen Menschen, indem er dem Willen des Vaters diente. Und da der Mensch in jenem Leibe Adams in Ungehorsam verfiel und des „Bades der Wiedergeburt“ (Tt 3,5)bedurfte, so sprach er zu ihm, nachdem er den Kot über seine Augen gestrichen hatte: “Gehe nach Siloa und wasche dich!“ (Jn 9,7) Und zugleich mit der Wiederherstellung seines Körpers gab er ihm das Bad der Wiedergeburt. Deshalb kam er auch nach dem Bade sehend zurück, damit der Mensch seinen Schöpfer erkennen und den begreifen sollte, der ihm das Leben geschenkt hatte.



4.

Somit scheiden auch die Valentinianer aus, die da behaupten, daß der Mensch nicht aus Erde, sondern aus einer flüssigen und gießbaren Materie entstanden sei. Denn offenbar bildete der Herr im Anfang den Menschen aus derselben Erde, aus der er die Augen gebildet hat. Unvernünftig wäre es nämlich, die Augen aus einem andern Stoffe als den übrigen Körper zu bilden, wie es auch unvernünftig wäre, die Erschaffung des Körpers einem andern zuzuschreiben als die Erschaffung der Augen. Vielmehr hat der, welcher im Anfang den Adam bildete, und zu dem der Vater sprach: „Lasset uns den Menschen machen nach unserm Bild und Gleichnis“, auch in den letzten Zeiten sich selbst geoffenbart, indem er dem, welcher seit Adam her blind war, das Gesicht gab. Darauf weist die Schrift prophetisch hin, indem sie sagt, daß, nachdem Adam wegen seines Ungehorsams sich versteckt hatte, der Herr am Abend zu ihm kam, ihn rief und zu ihm sprach: „Wo bist du?“ (Gn 3,9) Das bedeutet, daß in den letzten Zeiten dasselbe Wort Gottes kam, um den Menschen zu sich zu rufen und ihm seine Werke vorzuhalten, derentwegen er sich vor dem Herrn verborgen hatte. Wie nämlich damals Gott am Abend Adam suchte und zu ihm kam, so suchte er in den letzten Zeiten durch dieselbe Stimme sein Geschlecht auf.





16. Kapitel: Das menschgewordene Wort ist das Urbild des ersten Menschen

516 1.

Und weil aus unserer Erde Adam gebildet wurde, läßt die Schrift den Herrn zu ihm sprechen: „Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst in die Erde, von der du genommen bist“ (Ebd. 3,19). Wenn also in irgend eine andere Erde unsere Körper nach dem Tode zurückkehren würden, dann würden sie auch folgerichtig von dieser ihre Substanz haben. Kehren sie aber in diese zurück, dann ist offenbar aus ihr das Gebilde gemacht worden, wie auch der Herr kundgetan hat, indem er aus ebenderselben die Augen bildete. Nachdem also mit deutlicher Klarheit die Hand Gottes nachgewiesen, von der Adam und auch wir gebildet wurden, und da ein und derselbe Vater es ist, dessen Stimme vom Anfang bis zum Ende seinem Gebilde beisteht, und nachdem auch die Substanz unseres Gebildes von dem Evangelium deutlich dargetan worden ist, so darf man schon keinen anderen Vater als diesen suchen, noch eine andere Substanz für unsere Erschaffung als die, welche wir oben genannt und die der Herr kundgetan hat, noch eine andere Hand Gottes als die, welche vom Anfang bis zum Ende uns bildet und zum Leben anpaßt und ihrem Geschöpfe beisteht und es zum Bild und Gleichnis Gottes vollendet.



2.

Damals aber zeigte sich dieses Wort, als das Wort Gottes Mensch geworden ist, indem es sich dem Menschen und den Menschen sich assimilierte, damit der Mensch durch seine Ähnlichkeit mit dem Sohne kostbar werde. In den früheren Zeiten wurde gesagt, daß der Mensch nach dem Bilde Gottes erschaffen sei, aber es wurde nicht gezeigt. Denn noch unsichtbar war das Wort, nach dessen Bilde der Mensch gemacht worden war. Deshalb verlor er auch so leicht die Ähnlichkeit Als aber das Wort Gottes Fleisch geworden war, befestigte es beides: Es zeigte das wahre Bild, indem, es das wurde, was sein Bild war; und es stellte die Ähnlichkeit sicher, indem es den Menschen dem unsichtbaren Vater durch das sichtbare Wort ähnlich machte.



3.

Doch nicht nur auf die genannte Weise offenbarte der Herr den Vater und sich, sondern auch durch sein Leiden. Er hob nämlich den im Anfang am Holze geschehenen Ungehorsam des Menschen auf, indem er „gehorsam wurde bis zum Tode, bis zum Tode aber des Kreuzes“ (
Ph 2,8). Den Ungehorsam am Holze heilte er durch den Gehorsam am Holze. Er wäre aber nicht denselben Weg gegangen, um den Ungehorsam gegen unseren Schöpfer aufzuheben, wenn er einen anderen Vater verkündet hätte. Da er jedoch durch das Holz, durch welches wir Gott nicht gehorcht und seinem Worte nicht geglaubt hatten, auch den Gehorsam und die Erfüllung seines Wortes einführte[100] , so hat er doch offenbar hierdurch darauf hingewiesen, daß wir mit demselben Gott, den wir im ersten Adam beleidigt hatten, indem wir sein Gebot nicht hielten, in dem zweiten Adam versöhnt worden sind, indem wir gehorsam bis zum Tode wurden. Denn allein dessen Schuldner waren wir geworden, dessen Gebot wir im Anfang übertreten hatten.





17. Kapitel: Christus erwies sich als Sohn Gottes, indem er die gegen Gott verübten Sünden vergab

517 1.

Dies ist aber der Demiurg, der wegen seiner Liebe Vater, wegen seiner Macht Herr, und wegen seiner Weisheit unser Schöpfer und Bildner genannt wird. Seine Feinde sind wir geworden, indem wir sein Gebot übertraten. Und deswegen brachte der Herr uns in den letzten Zeiten durch seine Menschwerdung in die Freundschaft mit ihm zurück, indem er „der Mittler zwischen Gott und den Menschen wurde“ (
1Tm 2,5). Für uns versöhnte er seinen Vater, gegen den wir gesündigt hatten, und machte unsern Ungehorsam durch seinen Gehorsam wieder gut; uns aber verlieh er, mit unserm Schöpfer zu verkehren und ihm zu gehorchen. Deshalb lehrte er uns in seinem Gebete zu sprechen: „Und erlaß uns unsere Schulden!“ (Mt 6,2) Ist es doch unser Vater, dessen Schuldner wir geworden waren, indem wir sein Gebot übertraten. Wer aber ist dieser? Etwa irgend ein unbekannter Vater, der niemals einem ein Gebot gegeben hat? Oder vielmehr der, welcher von der Schrift verkündet wird, und dessen Schuldner wir wurden durch den Ungehorsam gegen sein Gebot? Dies Gebot aber wurde dem Menschen durch das Wort gegeben. Es heißt nämlich: „Adam hörte die Stimme des Herrn, des Gottes“ (Gn 3,8) . Trefflich also spricht das Wort zu dem Menschen: „Es werden dir erlassen deine Sünden“ (Mt 9,2). Der nämlich, der im Anfang von uns beleidigt wurde, der schenkte uns zum Schluß Verzeihung der Sünden. Hätten wir eines anderen Gebot übertreten und hätte ein anderer gesprochen: „Es werden dir erlassen deine Sünden“, dann wäre dieser weder gut, noch wahrhaftig, noch gerecht. Denn wie ist der gut, der nicht von dem Seinigen schenkt? Wie der gerecht, welcher sich Fremdes aneignet? Wie aber wären die Sünden in Wahrheit vergeben, wenn sie nicht der, gegen den wir gesündigt haben, verzieh, „durch das innerste Erbarmen unseres Gottes, womit er uns heimsuchte“, (Lc 1,78)durch seinen Sohn?



2.

Deshalb verherrlichten auch nach der Heilung des Gichtbrüchigen alle Völker, die es sahen, Gott, „der solche Macht den Menschen gegeben hat“ (Mt 9,8). Welchen Gott verherrlichten denn die herumstehenden Völker? Etwa den von den Häretikern erfundenen, unbekannten Vater? Wie priesen sie denn den, welcher damals im Anfang nicht von ihnen erkannt wurde? Es ist also offenbar, daß die Israeliten den Gott priesen, der von dem Gesetz und den Propheten verkündigt war, den Vater unseres Herrn Jesu Christi. Und deshalb lehrte er offenbar die Menschen durch die Zeichen, welche er tat, Gott die Ehre zu geben. Wäre er aber von einem anderen Vater gekommen, dann hätten die Menschen, welche die Zeichen sahen, einen anderen Vater gepriesen, and er hätte sie undankbar gemacht gegen den Vater, der die Heilung verliehen hatte. Da jedoch der eingeborene Sohn Gottes gekommen war, um die Menschen zu retten, und er den Ungläubigen durch die Zeichen, die er tat, zurief, Gott die Ehre zu geben, und diese die Ankunft seines Sohnes nicht annahmen und daher an die Vergebung von ihm nicht glaubten, rief er den Pharisäern zu: „Wisset, daß der Menschensohn die Macht hat, Sünden zu vergeben“ (Ebd. 9,6). Als er dies gesagt hatte, ließ er den gichtbrüchigen Menschen sein Bett nehmen, auf dem er lag, und in sein Haus gehen. Dadurch beschämte er die Ungläubigen und zeigte an, daß er selbst die Stimme Gottes ist, durch die der Mensch jene Gebote empfing, deren Übertretung ihn zum Sünder gemacht hatte. Denn seine Gicht war eine Folge der Sünden.



3.

Indem er ihm also die Sünden erließ, heilte er den Menschen und zeigte offenkundig, wer er war. Wenn nämlich nur Gott die Sünden vergeben kann und demnach der Herr sie vergab, wie er die Menschen heilte, dann ist es offenbar, daß er selbst das Wort Gottes war, das zum Menschensohne geworden war und von dem Vater die Macht der Sündenvergebung empfangen hatte, daß er Gott und Mensch war, damit er als Mensch mit uns Mitleid hätte und als Gott sich unser erbarme und uns die Schulden vergebe, welche wir Gott, unserm Schöpfer, schulden. Deshalb verkündete auch David: „Selig, deren Missetaten vergeben und deren Sünden bedeckt sind“ (Ps 31,1). Selig der Mann, dem Gott seine Sünde nicht angerechnet hat“ (Ebd. 31,2). Damit wies er hin auf die durch seine Ankunft erfolgte Vergebung, durch welche er „die Handschrift unserer Schuld tilgte und sie ans Kreuz anheftete“ (Col 2,14). Wie wir durch das Holz Gottes Schuldner geworden waren, sollten wir durch das Holz die Verzeihung unserer Schuld empfangen.



4.

Das ist außer von vielen anderen auch schon von Elisäus deutlich verkündet, worden. Denn als die Propheten, die bei ihm waren, Holz zum Bau eines Zeltes fällten und das aus dem Beil herausgefallene Eisen in den Jordan gefallen war und nicht gefunden wurde, da kam Elisäus an denselben Ort, und als er hörte, was geschehen war, warf er Holz auf das Wasser und allsogleich schwamm das Eisen der Axt empor, und von der Oberfläche des Wassers nahmen sie es, die es vorher verloren hatten (2 [bzw. 4] Kön. 6,6 ff.) . Durch diese Tat zeigte der Prophet an, dass wir das feste Wort Gottes, das wir durch das Holz unachtsamerweise verloren hatten, nicht fanden, es aber wieder aufnehmen sollten durch die Vermittlung des Holzes. Daß aber das Wort Gottes einer Axt ähnlich ist, hat von ihm Johannes verkündet: „Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt“ (Mt 3,10). Und ähnlich sprach Jeremias: „Das Wort des Herrn ist wie eine Doppelaxt, die den Stein haut“ (Jr 23,29). Dieses vor uns verborgene Wort offenbarte, wie wir gezeigt haben, der Vorgang mit dem Holze. Denn da wir es durch das Holz verloren haben, ist es durch das Holz wieder allen offenbar geworden und zeigte durch sich die Höhe und die Länge und die Breite an, indem es, wie einer der älteren gesagt hat, durch die Ausbreitung der Hände die beiden Völker in einem Gott vereinigte. Denn die zwei Hände weisen hin auf die zwei Völker, die bis an die Enden der Erde zerstreut waren; der eine Kopf aber in der Mitte auf den einen Gott, der über alle, durch alle und in uns allen ist.





18. Kapitel: Das Wort ist der Schöpfer und Herr dieser Welt

518 1.

Und eine solche oder eine so große Heilsordnung vollzog er nicht durch fremde, sondern eigene Geschöpfe, auch nicht durch solche, die aus der Unwissenheit und dem Fehltritt ihren Ursprung genommen, sondern durch die, welche aus der Wesenheit und Kraft des Vaters ihre Wesenheit erhalten haben. Er war nicht so ungerecht, Fremdes zu begehren, noch so arm, daß er nicht vermochte, aus Eigenem seinen Geschöpfen das Leben zu geben, sondern er benutzte seine eigene Schöpfung zum Heil der Menschen. Wenn sie aus der Unwissenheit und dem Fehltritt hervorgegangen wäre, hätte sie ihn nicht tragen können. Denn daß das fleischgewordene Wort Gottes am Kreuze hing, haben wir vielfach gezeigt und auch die Häretiker bekennen den Gekreuzigten. Wie hätte nun die Emanation der Unwissenheit und des Fehltrittes den, der die Kenntnis des Universums besitzt und der Wahre und Vollkommene ist, tragen können? Oder, wie sollte die vor dem Vater verborgene und weit getrennte Schöpfung sein Wort tragen? Oder wenn sie von Engeln gemacht wäre, die entweder den allerhöchsten Gott kannten oder nicht kannten, wie wäre sie imstande gewesen, als Erzeugnis von Engeln den Vater und den Sohn zugleich zu tragen, da doch der Herr sagt: „Ich bin in dem Vater, und der Vater ist in mir“ (
Jn 14,11). Ist sie aber außerhalb des Pleroma, wie sollte die Schöpfung dann den fassen, der das ganze Pleroma umfaßt? Da also alle diese Annahmen unmöglich sind und keinen Beweis für sich haben, so ergibt sich als allein richtig die Predigt der Kirche, daß seine eigene Schöpfung, die aus der Kraft und Kunst und Weisheit Gottes subsistiert, ihn getragen hat, d. h. sein Wort. Unsichtbarer Weise freilich trägt sie der Vater, aber sichtbarer Weise trägt sie umgekehrt sein Wort, und das ist die Wahrheit.



2.

Der Vater nämlich, der die Schöpfung und sein Wort trägt, und das Wort, das vom Vater getragen wird, gibt den Geist allen, wie der Vater es will: dem einen, das nur erschaffen ist, daß es existiert, dem andern, das aus Gott geboren ist, daß es angenommen wird an Kindesstatt. So ergibt sich ein Gott Vater, der über alles und durch alles und in allem ist. Über allem nämlich ist der Vater, und er selbst ist das Haupt Christi; durch alles ist das Wort, und dies ist das Haupt der Kirche; in uns allen aber ist der Geist, und dieser ist „das lebendige Wasser“ (Ebd. 4,10), das der Herr „allen gibt, die an ihn recht glauben“ (Ebd. 7,39)und ihn lieben und wissen, daß „ein Vater, der da ist über allem und durch alles und in uns allen“ (Ep 4,6). Hierfür zeugt auch Johannes, der Schüler des Herrn, der in seinem Evangelium also spricht: „Im Anfange war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dies war im Anfang bei Gott. Alles ist durch dasselbe gemacht worden, und ohne dasselbe ist nichts gemacht worden“ (Jn 1,1 f.). Alsdann sagt er von dem Worte selbst: „In dieser Welt war es, und die Welt ist durch dasselbe gemacht worden, und die Welt hat ihn nicht erkannt. In sein Eigentum kam er, und die Seinigen haben ihn nicht aufgenommen. Soviele aber ihn aufnahmen, jenen gab er die Gewalt, Kinder Gottes zu werden, diesen, die glauben in seinem Namen“ (Ebd. 1,10 f). Indem er aber hinweist auf seine Heilstat als Mensch, sagt er: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat in uns gewohnt.“ Und er fügt weiter hinzu: „Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit wie die des Eingeborenen des Vaters, voll der Gnade und Wahrheit“ (Ebd. 1,14). Deutlich zeigte er allen, die Ohren haben, d. h. die hören wollen, daß ein Gott Vater über allem ist und ein Wort Gottes, das durch alles ist, und durch das alles gemacht ist, daß diese Welt sein Eigentum und durch ihn nach dem Willen des Vaters gemacht ist, nicht aber durch Engel, oder durch Apostasie und Abfall oder Unwissenheit, noch durch irgend eine Kraft des Prounikos, den manche auch Mutter nennen, noch durch irgend einen anderen Weltenschöpfer, der den Vater nicht kannte.



3.

Denn der wahre Weltenschöpfer ist das Wort Gottes, d. h. unser Herr, der in den letzten Zeiten Mensch geworden ist. Obwohl er in der Welt ist, umfaßt er unsichtbarer Weise alles, was gemacht ist, und ist eng verbunden mit der gesamten Schöpfung, da das Wort Gottes alles leitet und ordnet, und deshalb kam er sichtbarer Weise und wurde Fleisch und hing am Holze, um alles in sich zu rekapitulieren. Und seine eigenen Menschen nahmen ihn nicht auf (Ebd. 1,11) , wie Moses dies im Volke kundgetan hat: „Und es wird dein Leben vor deinen Augen hängen, und du wirst deinem Leben nicht glauben“ (Dt 28,66). Die nun ihn nicht annahmen, empfingen nicht das Leben. So viele aber jenen aufnahmen, denen gab er die Gewalt, Söhne Gottes zu werden (Jn 1,12) . Er ist es nämlich, der vom Vater alle Gewalt hat, da er das Wort Gottes und wahrer Mensch ist. Am Unsichtbaren nimmt er teil als Logos, und als Nous gibt er das Gesetz, daß alles in seiner Ordnung verharrt. Über das Sichtbare aber und Menschliche herrscht er sichtbar und zieht alles vor sein gerechtes Gericht, worauf David deutlich hinweist, wenn er sagt: „Unser Gott wird sichtbar kommen, und er wird nicht schweigen“ (Ps 49,3). Und auf das Gericht, das er abhalten wird, weist er hin mit den Worten: „Feuer wird brennen in seinem Angesichte und rings um ihn ein gewaltiger Sturm, Er wird herbeirufen den Himmel oben und die Erde, zu richten sein Volk“ (Ebd. 49,4).





19. Kapitel: Evas Ungehorsam wurde aufgehoben durch Marias Gehorsam. — Die Torheit der Irrlehrer

519 1.

Daß sichtbar der Herr in sein Eigentum kommen und seine eigene Schöpfung, die von ihm getragen wird, ihn tragen werde, und daß er den Ungehorsam am Holze durch den Gehorsam am Holze rekapitulieren werde und jene Verführung aufheben, der so übel unterlag die Jungfrau Eva, die schon einem Manne bestimmt war — das ist trefflich von dem Engel der Jungfrau Maria, die auch schon in der Gewalt des Mannes war, verkündet worden. Wie nämlich jene durch die Rede eines Engels verführt wurde, sich Gott zu entziehen und seinem Worte sich zu verschließen, so empfing jene durch das Wort des Engels die Kunde, daß sie Gott tragen sollte, weil sie seinem Worte gehorsam war. War jene Gott ungehorsam, so folgte diese Gott willig, damit die Jungfrau Maria der Anwalt der Jungfrau Eva wurde. Und wie das Menschengeschlecht durch eine Jungfrau mit dem Tode behaftet wurde, so wird es auch gerettet durch eine Jungfrau. Gleichmäßig aufgewogen wurde der Ungehorsam der Jungfrau durch den Gehorsam der Jungfrau. Weiterhin wurde die Sünde des ersten Menschen durch die Bestrafung des Erstgeborenen ausgeglichen und die Klugheit der Schlange besiegt durch die Einfalt der Taube, und gelöst wurden die Bande, durch die wir mit dem Tode verbunden waren.



2.

Unverständig sind alle Häretiker: Unbekannt ist ihnen die Heilsordnung Gottes und fremd die Heilsordnung mit dem Menschen. Blind für die Wahrheit, sprechen sie wider ihr eigenes Heil. Die einen führen einen anderen Vater ein als den, welcher die Welt gemacht hat; die anderen lassen die Welt und ihre Substanz von gewissen Engeln gemacht sein; wieder andere sagen, daß letztere ganz weit von ihrem Vater von selbst aufgeblüht und aus sich selbst entstanden sei, noch andere, daß die Welt im Innern des Vaters aus dem Fehltritt und der Unwissenheit ihre Wesenheit empfangen habe. Andere hinwieder verachten offenkundig die Ankunft des Herrn, indem sie seine Menschwerdung leugnen. Wieder andere verkennen die Heilsordnung der Jungfrau und lassen ihn von Joseph erzeugt sein. Noch andere sagen, daß weder Seele noch Leib, sondern nur der innere Mensch das ewige Leben aufnehmen könne; das aber sei der Verstand in ihnen, der allein nach ihrer Behauptung zum Vollkommenen emporsteigen könne. Nach anderen wieder, wie wir im ersten Buch gezeigt haben, nimmt nur der Leib an dem Heile Gottes nicht teil, wenn auch die Seele gerettet wird. Dort haben wir ja ihre Lehren alle aufgezählt, wie wir im zweiten ihre Schwäche und Haltlosigkeit dargetan haben.





20. Kapitel: Die Wahrheit der apostolischen Tradition

520 1.

Sind sie doch alle viel später als die Bischöfe, denen die Apostel die Kirchen übergeben haben, was wir im dritten Buche mit aller Sorgfalt nachwiesen. Da nun also die genannten Häretiker für die Wahrheit blind sind, so schweifen sie immer auf andere Wege ab, und ohne Sinn oder Zusammenhang sind die Spuren ihrer Lehre. Der Pfad derer aber, die zur Kirche gehören, führt um die ganze Welt herum; er hat die feste, apostolische Tradition und läßt uns erkennen, daß aller Glaube ein und derselbe ist: alle bekennen ein und denselben Gott Vater, alle glauben an dieselbe Ordnung der Menschwerdung des Sohnes Gottes, wissen von ebenderselben Gabe des Geistes, beobachten ebendieselben Gebote und bewahren ebendieselbe Form der kirchlichen Verfassung, erwarten ebendieselbe Ankunft des Herrn und erhoffen ebendieselbe Heiligung des ganzen Menschen, d. h. des Leibes und der Seele. Wahr und fest ist die Predigt der Kirche; ein und derselbe Weg zum Heil wird in der gesamten Welt gewiesen. Ihr ist das Licht Gottes anvertraut, und deshalb wird die Weisheit Gottes, die alle Menschen rettet, ,,an dem Ausgang besungen, und auf den Straßen wirkt sie mit Zuversicht, oben auf den Mauern wird sie gepriesen, an den Toren der Stadt redet sie ständig“ (
Pr 1,20 f.). Überall nämlich predigt die Kirche die Wahrheit, sie ist der siebenarmige Leuchter, der Christi Licht trägt.



2.

Die sich also von der Lehre der Kirche abwenden, zeihen die heiligen Presbyter der Unwissenheit, indem sie nicht erwägen, wie viel mehr fromme Einfalt wert ist, denn gott- und schamlose Sophisterei. Das gilt aber allen Häretikern, die da glauben, daß sie etwas mehr als die Wahrheit gefunden haben, wenn sie den genannten Lehren folgen, und indem sie auf verschiedene, mannigfaltige und törichte Weise ihren Weg gehen und über dasselbe nicht immer dieselben Anschauungen haben, werden sie wie Blinde von Blinden geführt. So fallen sie gerechter Weise in die verborgene Grube der Unwissenheit, da sie „immer suchen und niemals die Wahrheit finden“ (2Tm 3,7). Daher muß man vor ihren Lehren fliehen, und sorgfältigst müssen wir achtgeben, daß wir nicht irgendwo von ihnen Schaden nehmen; zu der Kirche aber muß man seine Zuflucht nehmen, in ihrem Schoß sich erziehen und von den Schriften des Herrn sich ernähren lassen. Ist doch die Kirche gepflanzt als das Paradies in dieser Welt. „Von jedem Baume des Paradieses darfst du Speise essen“, sagt der Geist Gottes (Gn 2,16) , d. h. von jeglicher Schrift des Herrn — doch mit stolzem Sinne sollt ihr nicht essen, noch den gesamten häretischen Zwiespalt berühren. Rühmen sie sich doch selber, die Kenntnis des Guten und Bösen zu besitzen, und über Gott, ihren Schöpfer, erheben sie sich in ihren gottlosen Herzen. Über das Maß der Erkenntnis hinaus wollen sie erkennen. Deshalb mahnt auch der Apostel, „nicht höher zu sinnen, als man sinnen soll, sondern zu sinnen gemäß der Klugheit“ (Rm 12,3), damit wir nicht von ihrer Erkenntnis, die das gebührende Maß übersteigt, essen und aus dem Paradiese des Lebens verstoßen werden. Die aber seiner Weisung gehorchen, führt der Herr dort hinein, „indem er alles in sich zusammenfaßt, was im Himmel und was auf Erden ist“ (Ep 1,10). Das „im Himmel“ bedeutet das Geistige, das „auf Erden“ bedeutet die Heilsordnung in Betreff des Menschen. Dies also faßte er in sich zusammen, indem er den Menschen mit dem Geiste vereinte und den Geist in den Menschen einpflanzte, selbst das Haupt des Geistes wurde und den Geist das Haupt des Menschen sein ließ, denn durch ihn haben wir gesehen und gehört, und durch ihn sprechen wir.





21. Kapitel: Adams Ungehorsam ist durch Christi Gehorsam in jeder Hinsicht wieder gut gemacht

521 1.

Da er also alles zusammenfaßte, hat er auch den Krieg gegen unsern Feind rekapituliert, indem er den herausforderte und zerschmetterte, der im Anfange uns in Adam gefangen hatte, und sein Haupt zertrat, wie in der Genesis Gott zur Schlange sprach: „Und Feindschaft werde ich setzen zwischen dir und zwischen dem Weibe und zwischen deinem Samen und ihrem Samen; er wird dein Haupt beobachten, und du wirst beobachten seine Ferse“ (
Gn 3,15). Aus einem Jungfrauweibe sollte gemäß der Verheißung nach der Ähnlichkeit Adams der geboren werden, der auf das Haupt der Schlange es absehen werde. Das ist der Same, von dem der Apostel im Briefe an die Galater sagt, „daß das Gesetz der Werke gegeben sei, bis der Same käme, dem es versprochen worden war“ (Ga 3,19). Noch deutlicher aber spricht er in demselben Briefe folgendermaßen: „Als aber die Fülle der Zeiten kam, sandte Gott seinen Sohn, gemacht aus dem Weibe“ (Ebd. 4,4). Denn nicht gerechterweise wäre der Feind besiegt worden, wenn der Mensch, der ihn besiegte, nicht aus einem Weibe gewesen wäre. Hat er doch durch ein Weib im Anfang über den Menschen geherrscht, indem er sich dem Menschen feindlich entgegenstellte. Deswegen bekennt auch der Herr sich als den Menschensohn, weil er jenen ersten Menschen, aus dem das Weib gebildet wurde, in sich rekapitulierte, damit, wie durch die Besiegung des Menschen unser Geschlecht in den Tod hinabstieg, wir ebenso durch den Sieg des Menschen wiederum zum Leben emporstiegen. Wie ferner durch einen Menschen der Tod die Siegespalme über uns empfing, so sollten wir durch einen Menschen die Siegespalme über den Tod empfangen.



2.

Nicht aber hätte der Herr jene alte und ursprüngliche Feindschaft gegen die Schlange in sich rekapituliert, um die Verheißung des Demiurgen zu erfüllen und sein Gebot auszuführen, wenn er von einem anderen Vater gekommen wäre. Da aber ein und derselbe uns im Anfang erschaffen und am Ende seinen Sohn geschickt hat, so vollzog der Herr sein Gebot, indem er aus dem Weibe geboren wurde, warf unsern Gegner nieder und vollendete den Menschen nach dem Bild und Gleichnis Gottes. Deshalb widerlegte er ihn auch mit nichts anderm als den Worten des Gesetzes, schlug und überführte den abtrünnigen Engel mit Hilfe des väterlichen Gebotes. Als er nämlich ähnlich wie Moses und Elias vierzig Tage gefastet hatte, hungerte ihn, erstlich, damit wir ihn als einen echten und rechten Menschen erkennen sollten — denn nur ein Mensch hungert beim Fasten —, zweitens aber, damit der Gegner einen Angriffspunkt haben sollte. Denn da er im Anfang den Menschen, der nicht hungerte, durch die Speise verführte, das Gebot Gottes zu übertreten, durfte er am Ende den hungernden Menschen nicht bereden, die Speise, die von Gott kam, zu genießen. Als er ihn also versuchte und sprach: „Wenn du Sohn Gottes bist, sage, daß diese Steine Brote werden“ (Mt 4,3),



3.

Wer ist nun also der Herr und Gott, den Christus bezeugt, den niemand versuchen darf, den alle anbeten und dem allein alle dienen sollen? Ganz ohne allen Zweifel der Gott, der auch das Gesetz gegeben hat. Denn diese Worte sind aus dem Gesetze entnommen, und durch den Tenor des Gesetzes zeigte der Herr, daß das Gesetz vom Vater das Wort des Herrn verkündet. Der abtrünnige Engel Gottes aber wird durch seinen Wortlaut entlarvt und vom Menschensohne besiegt, indem dieser das Gebot Gottes beobachtet. Denn da er im Anfang den Menschen überredete, das Gebot des Schöpfers zu übertreten, so hatte er ihn in seiner Gewalt. Seine Gewalt aber ist die Übertretung und der Abfall; und hiermit band er den Menschen. Darum mußte er umgekehrt gerade durch den Menschen besiegt und mit denselben Binden gefesselt werden, durch die er den Menschen gefesselt hatte, damit der Mensch, losgelöst, zu seinem Herrn zurückkehre und dem, durch den er gebunden war, die Fesseln überlasse, d. h. die Übertretung. Seine Fesselung nämlich ist die Befreiung des Menschen geworden, denn niemand kann in das Haus des Starken eingehen und seine Gefäße plündern, wenn er nicht zuerst den Starken selbst gebunden hat (Mt 12,29) . So überführte ihn der Herr als Feind dessen, der alles gemacht hat und unterwarf ihn durch das Gebot— denn das Gebot Gottes ist das Gesetz —. Sein Mensch entlarvte ihn als Deserteur, Übertreter des Gesetzes und Empörer gegen Gott, und alsdann hat das Wort ihn für immer als Deserteur gebunden und seine Gefäße an sich gebracht, d. h. die Menschen, die von ihm in angemaßter Herrschaft niedergehalten wurden. Und rechtmäßigerweise ist der gefangen genommen, der den Menschen zu Unrecht gefangen hatte. Der vorher in die Gefangenschaft geratene Mensch aber ist gemäß der Barmherzigkeit Gottes des Vaters der Gewalt seines Besitzers entrissen. Er erbarmte sich seines Geschöpfes und gab ihm aufs neue das Heil durch das Wort, d. h. durch Christus, damit aus der Erfahrung der Mensch lerne, daß er nicht von sich selbst, sondern aus Gottes Gnade die Unverweslichkeit empfängt.






(Contra Haereses) 515