(De Officiis)


Ambrosius von Mailand (340-397)

Von den Pflichten der Kirchendiener (De Officiis)

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von Gregor Emmenegger / Roman Bannack 

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Text aus: Des heiligen Kirchenlehrers Ambrosius von Mailand ausgewählte Schriften / aus dem Lateinischen übers. und ausgewählte kleinere Schriften / übers. und eingel. von Joh. Ev. Niederhuber. (Des heiligen Kirchenvaters Ambrosius ausgewählte Schriften Bd. 3; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 32) Kempten; München : J. Kösel, 1917.




   
  Vorwort

1. Einleitung: Von den Pflichten der Kirchendiener[1]

Johannes Niederhuber


Vorbemerkungen

Mit der Abhandlung über die Pflichten der Kirchendiener, dem bekanntesten Werk aus der Feder des heiligen Ambrosius, betreten wir den dritten literarischen Wirkungskreis des Kirchenlehrers, der die moralischen Schriften umschließt. Kein Gebiet, betonte die allgemeine Einleitung (S. XXII), beherrscht Ambrosius so überlegen, kein Feld bebaut er so fruchtbar als das praktisch-ethische. Keine Schrift unter allen wirft nun nach dieser Seite so reichen Ertrag ab als seine Pflichtenlehre (um 391). Er befaßt sich hier nicht bloß mit einzelnen Forderungen und Fragen der christlichen Sittenlehre, sondern bietet den ersten Versuch einer systematischen Gesamtdarstellung derselben, der uns im christlichen Altertum begegnet.

   Nach Form und Inhalt schließt sich die Pflichtenlehre des Heiligen eng an das römisch-klassische Vorbild von Ciceros Schrift De officiis an. Schon Titel und Adresse verraten die nahe Verwandtschaft. Die Aufschrift ist wörtlich der Vorlage entnommen, wenn sie auch Ambrosius ausdrücklich vom christlich-biblischen Standpunkt zu rechtfertigen sucht (I 8, 25f.). Die Widmung erfolgt an seine geistlichen Söhne, die Kleriker. „Wie Cicero“, so begründet er selbst, „sich schriftlich zur Belehrung an seinen Sohn Markus wendete, so ich mich zur Unterweisung an euch, meine Söhne“ (17, 24). Den allgemeinen Grundriß und die Dreiteilung der Ethik entlehnt er wiederum seinem Gewährsmann. Hier wie dort verbreitet sich das erste Buch über das Sittlichgute (honestum), das zweite über das Nützliche, das dritte über das Verhältnis beider zueinander. Aber auch innerhalb dieser allgemeinen Grenzen begegnet dem Leser allenthalben in Stoffwahl und Gedankenvortrag eine Reihe von Treffpunkten und Berührungsflächen und im Zusammenhang damit in sprachlicher Beziehung eine Fülle meist freier, mitunter auch wörtlicher Entlehnungen, die sich nicht selten auf ganze Sätze erstrecken. Die Abhängigkeit unseres Autors von seinem heidnisch-klassischen Vorgänger ist somit eine unleugbare; darüber ist kein weiteres Wort zu verlieren; keines Kritikers Auge ist sie entgangen. Doch wie einseitig ist sie manchmal übertrieben worden!

   Die Abhängigkeit, in die sich Ambrosius seiner Vorlage gegenüber begibt, ist nämlich keine schülerhafte, keine sklavische. Sie ist im wesentlichen keine andere als jene, die er auch sonst wiederholt in seinem literarischen Schaffen bekundet; keine größere als beispielsweise die Folgschaft, die er in seinem Exameron dem gleichnamigen Werke des großen Basilius leistet, die ihn aber nicht hinderte, „mit selbständigem Urteile bei seiner Reproduktion zu verfahren“ (Ebert)[2]. Von einer „notorischen Unselbständigkeit seines wissenschaftlichen Denkens“ (Ewald) zu reden, ist eine Verkennung des wahren Sachverhaltes. Schon seine grundsätzlich ablehnende, ja polemische Stellung zur heidnischen Philosophie[3] läßt es als ausgeschlossen erscheinen, daß er einen ihrer ersten Vertreter im alten Rom etwa als führende Autorität auf ethischem Gebiete anerkannte, der er blindlings folgte. Sein geflissentliches Streben zielt denn auch nicht darauf hinaus, die ethischen Forderungen der Stoa für die Christen als vorbildlich und bindend hinzustellen, sondern vielmehr in allem antithetisch zu zeigen, wie die christliche Lehre aus den eigenen reineren Quellen der Heiligen Schrift dem heidnischen Guten ebenso Gutes und noch Besseres, dem heidnischen Falschen und Nichtigen Wahres und Ewiges entgegenzustellen hat. Nicht die christliche Ethik schöpft nach seiner Überzeugung ihre Weisheit aus der heidnischen, sondern die heidnische aus der christlichen. Will er doch nicht einmal den Begriff der Pflicht (officium) oder des Schicklichen (decorum) der heidnischen Philosophie entnommen wissen (I 8, 25; 45, 221).

   Worin bekundet sich nun diese unleugbare Selbständigkeit unseres Autors im besonderen? Nicht selten schon in der Wahl und Anordnung des Stoffes, wie die unten folgende vergleichende Inhaltsangabe des näheren ersehen lassen wird. So ist beispielsweise die längere Abhandlung über die Pflicht des Schweigens zu Anfang des ersten Buches (c. 2—6) ein Sondergut seiner Ethik; ebenso der umfangreiche Exkurs über die göttliche Vorsehung, den er zwischen die Besprechung der Einteilung der Pflichten und die Ausführung über die vier Tugendkreise des Sittlichguten einreiht (c. 12—16). Desgleichen weist der Schlußteil des ersten Buches gegenüber Cicero eine stark abweichende Anordnung auf. Die Ausführungen des letzteren über die Kardinaltugend der Mäßigkeit, welche das erste Buch seines Werkes abschließen, werden zwar in reichlich eklektischem Verfahren benützt, doch wird der Aushub größtenteils bereits im ersten Teil unseres Buches in den einläßlichen Besprechungen über die Sittsamkeit verarbeitet. Das vorletzte Kapitel über die Feindesliebe und das ungewöhnlich lange Schlußkapitel über die Leviten bieten wiederum eine Sonderdarstellung unserer Schrift. Gleicherweise geht der Kirchenlehrer auch im zweiten Buche hier und dort, namentlich aber in den einleitenden Kapiteln über das selige Leben (c. 1—5) wie in den Schlußkapiteln über die kirchlichen Ehrenämter und Amtsträger (c. 24—30), die allein über ein Drittel des Buches füllen, seine eigenen, von Cicero fast völlig getrennten Wege. Nicht weniger gilt das gleiche vom dritten Buch, wo der Verfasser in den Ausführungen der ersten Hälfte (c. 1—12) von der Vorlage sich noch öfter entfernt als derselben sich anschließt, in der zweiten Hälfte aber (c. 13—22) dieselbe fast ganz verläßt und nur Eigengut bietet. Selbst in jenen Darbietungen — und sie sind freilich gar zahlreich in unseren drei Büchern —, die einen engeren oder engsten Anschluß an Gedankengänge Ciceros aufweisen, folgt vielfach unser Autor nicht etwa schrittweise der Vorlage, sondern greift Teilstücke derselben erst später, vielleicht in ganz verändertem Zusammenhang wiederum auf.

   Völlig unabhängig hält sich sodann der christliche Schriftsteller von seinem heidnischen Vorgänger in der Beweisführung und geschichtlichen Beleuchtung der Pflichten- und Tugendlehre. Während Cicero die geschichtlichen Nachweise und Beispiele der Profangeschichte entnimmt, meidet Ambrosius geflissentlich dieses Gebiet und führt sie, lieber auf die Offenbarungsgeschichte zurückgreifend, regelmäßig aus der Heiligen Schrift, insbesonders dem Alten Testamente, in seltenen Ausnahmen auch aus der altchristlichen Geschichte an. Gerade diese Partien nehmen den weitaus größeren Raum unserer Schrift ein. Selbst solche Begriffe und Lehrsätze, die er unzweifelhaft der profanen Weisheit entlehnte, sucht er gern, wie schon angedeutet, auf die Offenbarungsquellen zurückzuleiten und als Schriftgut nachzuweisen, dem die zeitliche Priorität vor der ersteren zukomme.

   Noch in dritter Hinsicht wahrt sich der heilige Lehrer ein selbständiges Urteil: in der grundsätzlichen Auffassung der Sittenlehre. Mag seine schriftliche Abhandlung im einzelnen noch so sehr im Licht und Schatten des heidnischen Vorbildes stehen und im Nebensächlichen so manche Spuren stoischer Weisheit aufweisen: in allem Wesentlichen behauptet sie den christlichen Standpunkt, ja sie rückt die christliche Moral auf ein neues Fundament und stellt sie auf ein neues Endziel ein. Das Fundament ist die Religion. Im Gegensatz zur religionslosen Moral der Stoa gründet sie bei Ambrosius im Willen Gottes, im Gesetze Christi. Zwar erhebt auch der christliche Lehrer kaum weniger nachdrücklich als der heidnische Moralphilosoph die Forderung des ‚naturgemäßen‘ oder ‚vernunftgemäßen‘ Lebens, aber er faßt das Naturgemäße und Vernunftgemäße in einem wesentlich anderen und volleren Sinn als letzterer. Es schließt nach ihm begriffsmäßig das Moment des Übernatürlich-Göttlichen in sich: es ist die übernatürlich vervollkommnete Natur, die göttlich erleuchtete Vernunt[4]. Als Interpret des natur- und vernunftgemäßen Lebens ist er daher und will er nur sein der Verkünder des Willens Gottes, der Prediger des Gesetzes Christi, die hinter dem Naturgemäßen und Vernunftgemäßen stehen: „Denn nur einer ist der wahre Lehrer (Mt 23,2 Mt 23,10): er allein brauchte nicht lernen, was er alle lehrte. Menschen aber müssen lernen, was sie lehren, und empfangen von ihm, was sie den anderen überliefern sollen“ (I 1, 1).

   Das Ziel alles sittlichen Strebens aber, das „höchste Gut“, das die stoische Moralphilosophie ins Irdische, in die Tugend verlegt, ist bei Ambrosius wiederum ein wesentlich transzendentes, ein durchaus religiöses Gut. Es ist die Seligkeit des ewigen Lebens, worüber der Eingang des zweiten Buches (c. 1—5) handelt[5]. Sie hat nach der Heiligen Schrift, wie er den verschiedenen philosophischen Anschauungen gegenüber festsetzt, ihr ,,gutes Fundament“ im „Glauben und in den guten Werken“ und besteht „in der Erkenntnis Gottes und in der Frucht aus dem guten Wirken“. Schon im Diesseits trägt der wahre Christ (= der Vollkommene, Weise, Gerechte) in seinem Glaubens- und Tugendleben ihren wesentlichen Inhalt in sich. Dieser ist geistig-seelischer Art. Die äußeren und leiblichen Güter sind im Verhältnis zu ihr nur „Akzidenzen“. Drei Lehrsätze bringen dieses Verhältnis näher zum Ausdruck: 1. „Die (mangelnden) akzidentellen Güter vermindern die Seligkeit nicht“[6]; 2. „durch das leibliche Wohlbefinden oder die äußeren Glücksgüter erfährt die Tugend keinerlei Zuwachs an Seligkeit“ (II 4, 12); 3. dieselben „tragen nicht nur nichts zur Förderung des seligen Lebens bei, sondern sind demselben sogar nachteilig“ (II 5,16; vgl. 19, 28), wie umgekehrt das äußere Ungemach (z. B. das Martyrium) ein Förderungsmittel desselben bildet (II 4,15; I 9, 29).

   Wenn nun auch der Kirchenlehrer das selige, bezw. das ewige Leben — beide decken sich sachlich; denn „ausdrücklich nannte die Schrift das selige Leben das ewige Leben“ (II 1, 3) — seinem ganzen wesentlichen Inhalt nach bereits im diesseitigen Glaubens- und Tugendzustand des Gerechten (= soteriologisch) begründet und verwirklicht findet, so verlegt er doch tatsächlich den Schwerpunkt in die jenseitige (= eschatologische) Vollendung desselben[7]. Schon seine Pflichtenlehre läßt hierüber keinen Zweifel, die so häufig auf die „ewigen Belohnungen“, die nur der „Urheber der Ewigkeit“ verleihen kann (II1,3), und auf die zukünftige Welt, der unser Erdenkampf gilt (144, 218), hinweist. Eine wertvolle Ergänzung und Bestätigung erfahren die bezüglichen Ausführungen der Pflichtenlehre des Heiligen auch in seinen sonstigen Schriften, insbesonders in den zwei Büchern über Jakob und das selige Leben[8]. Diese dürfen mit Recht zur richtigen Auslegung derselben berücksichtigt werden. Denn nimmer wird Ambrosius bei Benützung literarischer Quellen sich selbst untreu, so daß er etwa seine eigene Überzeugung preisgäbe[9]. Ausführlicher berichtet über dessen obige Lehranschauungen des Übersetzers Schrift, Die Lehre des hl. Ambrosius vom Reiche Gottes auf Erden, Mainz 1904, IV 75ff.[10].

 

Zum Inhalt

Schon die bisherige Besprechung hat einiges von der Inhaltsangabe vorweggenommen. Die folgende Übersicht soll in allgemeinen Umrissen ein vollständiges Ganzes derselben unter Berücksichtigung der ciceronianischen Vorlage geben. Die Parallelen im einzelnen werden in den Fußnoten der unten folgenden Übersetzung (zum ersten Mal) genauer verzeichnet werden. Das erste Buch der Pflichtenlehre nun verbreitet sich nach den kurzen einleitenden Bemerkungen (c. 1) eingehend über die Pflicht und den Nutzen des Schweigens (c. 2—6). Anlaß zu dieser Besprechung wie zur Abfassung des ganzen Werkes überhaupt gab nach der Versicherung des Kirchenlehrers selbst die Betrachtung des 38. Psalmes (c. 7). Erst in den folgenden Erläuterungen über die Herkunft und Bedeutung des Pflichtbegriffes (c. 8), über den Einteilungsgrund der drei (Pantänus[11]), bezw. fünf (Cicero) Pflichtgattungen (c. 9—10) sowie über die Unterscheidung der Pflichten in vollkommene und mittlere (c. 11) begegnen sich der christliche und heidnische Autor. Bei beiden eröffnen die Erläuterungen über den vierfachen Pflichtenkreis, der sich um die Kardinaltugenden gruppiert, die eigentliche Abhandlung. Dazwischen schiebt sich bei Ambrosius noch der etwas locker eingegliederte, aber „nicht überflüssige Exkurs“ über die göttliche Vorsehung (c. 12—16), ein Sondergut, das bei Cicero fehlt; ferner die Besprechung der Pflichten der Jugend (c. 17), im engen Zusammenhang damit die Ausführungen über die Sittsamkeit, die „jedem Alter ... angemessen ist, doch am meisten den Heranwachsenden und Jugendlichen ziemt“ (c. 18—21), im besonderen über die Schicklichkeit im Reden (c. 22—23) und im Handeln (c. 24), wozu die zerstreut liegenden Parallelen aus dem Schlußteil des ersten Buches Ciceros herangezogen werden. Erst nach diesem größeren Einschub erschließt der Kirchenlehrer, weil auch nach seiner Auffassung die vier Kardinaltugenden, die Plato in die Moralphilosophie eingeführt hatte, die nächsten Quellen des Sittlichguten bilden (c. 25), seiner Vorlage folgend, die Besprechung des ersten Pflichtenkreises mit den Forderungen der Weisheit und Klugheit (c. 26—27); daran anschließend die der Gerechtigkeit mit ihren Tochtertugenden (c. 28—34); sodann die der Tapferkeit und des seelischen Starkmutes (c. 35—42); endlich die der Mäßigkeit (c. 43ff.) mit ihren besonderen Berufsanforderungen an die Kandidaten des Kirchendienstes (c. 44). Während Cicero in den Schlußkapiteln des ersten Buches (c. 43—. 45) noch auf den Konflikt der Tugenden unter sich eingeht, setzt Ambrosius die Besprechung der letzten Kardinaltugend fort und verbreitet sich des näheren über das Schickliche, über dessen Verhältnis zum Sittlichguten (c. 45), dessen Einteilung (c. 46) und Forderungen (c.47—49). Das lange Schlußkapitel handelt von den Leviten: von deren Namen, Standespflichten und Amtsverrichtungen (c. 50).

  Das zweite Buch der Pflichtenlehre, worin Cicero eine Rechtfertigung der Philosophie und des akademischen Standpunktes vorausschickt, leitet Ambrosius mit einer umfassenden Belehrung über das selige, bezw. ewige Leben ein (c. 1—5; s. oben). Erst hier greift er gemeinsam mit seinem Gewährsmann die Erörterungen über das Nützliche auf und bestimmt zunächst dessen Verhältnis zum Sittlichguten und dessen Einteilung (c. 6). Besonders fromme dem kirchlichen Amtsträger die Beliebtheit und das Vertrauen des Volkes (c. 7) und zu diesem Zweck die Fähigkeit zu klugem und gerechtem Rat (c. 8—14). „Vor allem aber soll er sich durch Freigebigkeit die Liebe der Leute erwerben“ (c. 15—18); ferner durch Gerechtigkeit, Wohlwollen und Liebenswürdigkeit im Umgang (c. 19) — der Heilige kommt in diesem Zusammenhang auf den Nutzen der Freundschaft zu sprechen (c. 20) —, endlich durch den Schulz der Armen vor ungerechter Bedrückung, durch Gastfreundschaft usw. (c. 2123). Der Schlußteil des Buches handelt unter kaum nennenswerter Bezugnahme auf die Vorlage in zwangloser Anordnung von der Bewerbung, Besetzung und Ausübung eines kirchlichen Ehrenamtes, mahnt dessen Inhaber an seine sozialen und caritativen Aufgaben und warnt ihn besonders eindringlich vor Habsucht (c. 24—30).

   Das dritte Buch beleuchtet im einführenden Kapitel, an Cicero anknüpfend, die Kunst, in der Einsamkeit nicht vereinsamt, in der Muße nicht müßig zu sein (c. 1). Auf die Frage nach der Kollision des Nützlichen mit dem Sittlichguten eingehend, wiederholt der Autor vom christlichen Standpunkt mit allem Nachdruck den Grundsatz, für den auch Cicero sich entscheidet, daß beide Begriffe sich sachlich decken (c. 2). Er verurteilt daher jede Benachteiligung des Nächsten um des eigenen Vorteils willen (c. 3—5), so jede Preistreiberei und Lebensmittelhinterziehung in der Zeit der Not und der Teuerung (c. 6—7). Nur das Sittlichgute ist nach göttlichem Urteil selbst nützlich, das Sittlichschlechte immer schädlich und sträflich (c. 8). Kein Kleriker rühre daher durch Erbschleicherei oder sonstwie an fremdem Gut. „Grundsatz des Priesters sei: niemand schaden, allen nützen wollen“ (c. 9). Fort auch mit allem Trug bei Verträgen (c. 10), mit jeder Hintergehung und Schädigung des Nächsten überhaupt (c. 11)! Versprechen, selbst eidliche, ungerechter Art binden nicht (c. 12). — In der zweiten Hälfte des Buches (c. 13—22) sucht der Heilige, wie Cicero durch Beispiele aus der Profangeschichte, durch biblische Vorbilder aus dem Alten Testamente die vorausgehenden Unterweisungen zu beleuchten und zu begründen. Mochten auch die Forderungen des Sittlichguten dem äußeren Scheinvorteile noch so widerstreiten: sie traten in heroischem Kampfe mit Gut und Blut für das Sittlichgute, und eben darum für das Nützliche ein. Das Schlußkapitel (c. 22) handelt im engen Anschluß daran von den Forderungen der wahren Freundschaft, die ausschließlich von den Normen des Sittlichguten bedingt sind und „nicht davon abgehen dürfen“. Cicero, auf dessen Ausführungen übrigens Ambrosius nur ganz wenig Bezug nimmt, bespricht dieselben schon früher (III 10, 43ff.).

   Im ganzen tritt, wie schon die Inhaltsangabe ersehen läßt, der organische Zusammenhang der behandelten Stoffe unverkennbar zutage. Im einzelnen läßt es freilich die Darstellung, wie bei Cicero, nicht wenig an strenger Folgerichtigkeit der Gedankenentwicklung und klarer Übersichtlichkeit der Behandlung fehlen. Inhaltlich aber erwies sich das der Antike entlehnte Fachwerk nicht ausreichend, den Schatz der christlichen Ethik in seiner ganzen Reichhaltigkeit und Tiefe zu fassen. So „packend, ja ergreifend die Darstellung der einzelnen christlichen Sittenregeln“ (Bardenhewer) sein mag, strengeren Anforderungen dürfte die Schrift als Ganzes schwerlich genügen. Sie will ganz und gar als Produkt ihrer Zeit verstanden und gewürdigt werden. Unter diesen Gesichtswinkel eingestellt, behauptet sie als Literaturdenkmal des christlichen Altertums ihren großen geschichtlichen Wert, als erster Versuch einer systematischen Darstellung der christlichen Moral für die Folgezeit ihr großes Verdienst, mag auch letzteres von ihrem Ruhm noch überstrahlt worden sein.

   Die reichhaltige Literatur (Ausgaben, Übersetzungen, Abhandlungen) verzeichnet Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur, Bd. III S. 530, mit gewohnter Verlässigkeit und Vollständigkeit. Die „tüchtige Separatausgabe“ von J. A. Krabinger, Tübingen 1857, nimmt leider die biblischen Quellennachweise unbesehen aus Migne XVI 21—194 herüber, die darum unvollständig und wegen der vielen Druckfehler unzuverlässig sind. Unter den drei deutschen Übersetzungen (Ph. Lichter, Koblenz 1830; C. Haas, Tübingen 1862; Fr Schulte, Kempten 1877) leistete nur die von C. Haas für die unten folgende Übersetzung einige Dienste. Die im Ausdruck gewandte deutsche Wiedergabe des Textes von Schulte (Bibl. der Kirchenväter) erwies sich, weil viel zu frei und ungenau, fast als unbrauchbar. Für Ciceros Pflichtenlehre wurden die Ausgaben von O. Heine, Berlin 1885, und von P. Dettweiler, Gotha 1890, benützt.

 
Ambrosius von Mailand (340-397)

Von den Pflichten der Kirchendiener (De Officiis)

Erstes Buch: Vom Sittlichguten

I. Kapitel

Vom Sittlichguten: Nach dem Vorgang Davids (1) will Ambrosius aus priesterlichem Pflichtgefühl (2) und lehramtlichem Eifer (3), wenn auch im Bewußtsein mangelnder theologischer Vorbildung (4) an die Unterweisung seiner ‚Söhne‘ gehen.

  Ich glaube nicht anmaßend zu erscheinen, wenn ich im Kreise meiner Söhne[12] dem Herzenswunsch zu lehren stattgeben möchte. Spricht doch ein Lehrer der Demut selbst: „Kommt, Söhne, hört mich! Die Furcht des Herrn will ich euch lehren“ (Ps 38,12). Man mag hierin einen Ausdruck seiner ebenso demütigen wie zarten Gottesfurcht erblicken. Denn mit der Wendung ‚Furcht Gottes‘, die offenbar eine gemeinsame Pflicht aller ist, gab er das Losungswort für die Gottesfürchtigkeit aus. Doch da gerade die Furcht „der Anfang der Weisheit“ (Ebd. 110, 10. Sprichw. Pr 1,7 Sprichw. )und die Seligmacherin ist — denn „selig, die Gott fürchten“ (Ps 127,1 Ps 111,1)—, bezeichnete er sich deutlich auch als Lehrer der Weisheit und als Wegweiser zur Seligkeit.

  Auf die Nachahmung seiner Gottesfürchtigkeit bedacht und zu einem Gnadenerweis nicht unberechtigt, wollen denn auch wir die Lehren, die der Geist der Weisheit jenem eingegossen hat, euch als unseren Söhnen mitteilen, wie sie uns durch ihn erschlossen wurden und durch Anschauung und Beispiel bekannt sind. Können wir uns doch nunmehr der Pflicht des Lehrens, die uns das wider Willen aufgenötigte Priesteramt[13] auferlegte, nicht entschlagen. „Gott hat ja die einen zu Aposteln, andere aber zu Propheten, andere hingegen zu Evangelisten, andere aber zu Hirten und Lehrern eingesetzt“ (Ep 4,11).

  Nicht den Ruhm der Apostel maße ich mir an — wer dürfte dies denn außer den Jüngern, die der Sohn Gottes selbst hierzu erwählt hat? —, nicht der Propheten Gnadengabe, nicht die Gewalt der Evangelisten, nicht der Hirten Sorgfalt: nur jenen Fleiß und Eifer in Sachen der göttlichen Schrift verlange ich mir, welche der Apostel an letzter Stelle unter den Ämtern der Heiligen aufführte, und auch diesen nur, um aus dem eifrigen Lehren lernen zu können. Denn nur einen wahren Lehrer gibt es (Mt 23,8 Mt 23,10): er allein brauchte nicht lernen, was er alle lehrte; Menschen aber müssen erst lernen, was sie lehren, und empfangen von ihm, was sie anderen überliefern sollen.

  Doch nicht einmal das trifft bei mir zu. Man hat mich ja von Richterstuhl und Amtsbinde weg jählings ins Priesteramt entführt (Vgl. Allg. Einl., Bd. I S. VIII f.). So fing ich an, euch zu lehren, was ich selbst nicht gelernt habe; so geschah es, daß ich eher zu lehren als zu lernen anhub. Lernen und lehren zugleich muß ich sonach, weil mir keine Zeit zum Lernen erübrigte.


II. Kapitel

Die Pflicht des Schweigens: Schweigen behütet vor Sünde, verrät den Weisen (5). Die Heiligen liebten es (6), die Schrift mahnt hierzu (7). Welche Schuld und Strafe ziehen übereilte Worte und gottlose Reden nach sich (8)!

  Was sollten wir vor allem anderen lernen als schweigen, um reden zu können, auf daß nicht mein Wort mich verurteilt, bevor ein fremdes mich losspricht? Denn es steht geschrieben: „Aus deinen eigenen Worten wirst du verurteilt werden“ (Mt 12,37). Wozu mit Reden die Gefahr der Verurteilung gewärtigen, wenn mit Schweigen sich sicherer leben läßt? Gar viele sah ich mit Reden in Sünde geraten, kaum einen mit Schweigen. Zu schweigen wissen, ist nun schwieriger als zu reden. So mancher, wie ich weiß, redet, da er nicht zu schweigen versteht. Nur selten kommt es vor, daß einer schweigt, da ihm reden frommen würde. Weise ist sonach, wer zu schweigen versteht. So sprach denn auch die Weisheit Gottes: „Der Herr gab mir eine kundige Zunge, wenn es nötig wäre zu sprechen“ (Is 50,4). Mit Recht also ist weise, wer vom Herrn es empfängt, wann er sprechen soll. Daher das treffliche Schriftwort: „Der Weise schweigt bis zu seiner Zeit“ (Si 20,7).

  Die Heiligen des Herrn liebten es darum zu schweigen, weil sie wußten, daß gar häufig die Zunge des Menschen das Sprachrohr der Sünde, und das Wort des Menschen der Anfang zur menschlichen Verirrung ist. So beteuert denn ein Heiliger des Herrn: „Ich habe es gesagt: ich will achthaben auf meine Wege, um nicht zu sündigen mit meiner Zunge“ (Ps 38,2). Er wußte nämlich und hatte es gelesen (Jb 5,21),

  So hören wir denn auf den Lehrer der Behutsamkeit! „Ich habe es gesagt: ich will achthaben auf meine Wege“; d. i. ich habe es mir gesagt, im stillen Denken habe ich mir das Gebot auferlegt, achtzuhaben auf meine Wege. Manche Wege gibt es, denen wir folgen, andere, auf welche wir achthaben sollen: folgen sollen wir den Wegen des Herrn, achthaben auf die unsrigen, daß sie nicht zur Sünde führen. Man kann sich aber in acht nehmen, wenn man nicht voreilig spricht. Das Gesetz sagt: „Höre, Israel, den Herrn deinen Gott!“ (daß der Mensch nur mit Gottes Hilfe „vor seiner Zunge Geißel“ und vor seines Gewissens Zeugnis geborgen sei. Wir bekommen nämlich Schläge vom stillen Vorwurf unseres Denkens und vom Urteilsspruch des Gewissens; wir bekommen auch Schläge von unserer Zunge Geißel, wenn wir Dinge reden, deren Laut unserer Seele Hiebe und dem Geiste Wunden versetzt. Wer aber würde sein Herz von Sündenunrat rein haben oder mit seiner Zunge nicht fehlen? Deshalb nun, weil er (David) sah, daß kein Heiliger den Mund von unreiner Rede rein bewahren kann, legte er sich selbst im Stillschweigen das Gesetz der Unschuld auf: er wollte durch Schweigen die Schuld meiden, der er durch Reden schwerlich entgehen konnte. ) Es heißt nicht ‚rede‘, sondern ‚höre‘. Deshalb fiel Eva, weil sie zu ihrem Manne etwas redete, was sie vom Herrn ihrem Gott nicht gehört hatte. Das erste Wort aus Gottes Mund mahnt dich: „höre!“ Hörst du, so hast du acht auf deine Wege und machst es rasch wieder gut, wenn du gefallen. „Wodurch macht denn ein Jüngling seinen Wandel gut? Dadurch, daß er auf die Worte des Herrn acht hat“ (Ps 118,9). So schweig erst und höre, um nicht mit der Zunge zu sündigen!

  Unselig das Verdammungsurteil, das einer mit eigenem Munde über sich sprechen muß! Denn wenn jeder schon für ein müßiges Wort Rechenschaft geben wird (Mt 12,36), wieviel mehr für ein unlauteres und schimpfliches Wort? Schwerer fallen ja schlüpfrige als müßige Worte auf die Wagschale. Wenn schon für ein müßiges Wort Rechenschaft gefordert wird, wie unvergleichlich größere Strafe wird über gottlose Rede verhängt?


III. Kapitel

Vom Stillschweigen: Es darf kein ständiges, kein müßiges sein (9). Von der Wachsamkeit über Herz und Mund den inneren Leidenschaften gegenüber (10-13).

  Wie nun? Sollen wir stumm sein? Keineswegs. Denn ,,es gibt eine Zeit zum Schweigen, und es gibt eine Zeit zum Reden“ (Pred. 3, 7.). Wenn wir ferner über ein müßiges Wort Rechenschaft geben müssen, sehen wir zu, daß wir nicht auch über ein müßiges Schweigen es tun müssen. Es gibt nämlich auch ein wirksames Schweigen. So war es bei Susanna, die durch Schweigen mehr bewirkte, als wenn sie gesprochen hätte. Während sie nämlich vor den Menschen schwieg, redete sie zu Gott und fand keinen beredteren Zeugen für ihre Keuschheit als das Schweigen. Das Gewissen redete, wo keiner Zunge Laut vernehmlich war. Und kein menschliches Urteil verlangte sie sich, da sie des Herrn Zeugnis für sich hatte. Von dem wollte sie ihre Lossprechung haben, der sich, wie sie wußte, nicht täuschen läßt (Da 13,35 Da 13,42). Der Herr selbst wirkte im Evangelium schweigend das Heil der Menschen (Vgl. Mt 26,63). Mit Recht also legte sich David nicht beständiges Schweigen, sondern nur Behutsamkeit hierin auf (Ps 38,2).

  Wachen wir also über unser Herz, wachen wir über unseren Mund! Denn beides steht geschrieben: an unserer Stelle, daß wir den Mund bewahren sollen; an einer anderen die Mahnung: „Mit aller Behutsamkeit wahre dein Herz!“ (Pr 4,23) Wenn David es wahrte, willst du es nicht wahren? Wenn ein Isaias unreine Lippen hatte, da er bekannte (Is 6,5): „O ich Unseliger, weil von Gewissensbissen gequält! Ein Mensch bin ich ja mit unreinen Lippen“ — wenn der Prophet unreine Lippen hatte, wie sollten wir reine haben?

  Und wem anders als jedem von uns gilt das Schriftwort: „Umhege dein Besitztum mit Dornen und kette fest dein Silber und Gold und mache deinem Munde Tor und Riegel und deinen Worten Joch und Wage“? (Si 28,28 f.)Dein Besitztum ist dein Geist, dein Gold dein Herz, dein Silber deine Rede: „Die Reden des Herrn sind reine Reden, Silber im Feuer erprobt“ (Aus: Des heiligen Kirchenlehrers Ambrosius von Mailand ausgewählte Schriften / aus dem Lateinischen übers. und ausgewählte kleinere Schriften / übers. und eingel. von Joh. Ev. Niederhuber. (Des heiligen Kirchenvaters Ambrosius ausgewählte Schriften Bd. 3; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 32) Kempten; München : J. Kösel, 1917.). Ein gutes Besitztum ist ein guter Geist; ein kostbares Besitztum endlich ein reiner Mensch. Umhege denn dieses Besitztum und umfriede es mit dem Walle der Gedanken, schirme es mit den Dornen ängstlicher Sorgfalt, daß nicht die unvernünftigen Leidenschaften des Fleisches darüber herfallen und es als Beute fortschleppen, daß nicht heftige Regungen darin eindringen, daß nicht des Weges Ziehende dessen Weinernte plündern! Behüte deinen inneren Menschen! Mißachte und verachte ihn nicht als etwas Geringwertiges! Denn er ist ein kostbares Besitztum. Mit Recht ein kostbares, weil seine Frucht nicht hinfällig und vergänglich ist, sondern ein dauerndes und ewiges Heil birgt. So bebaue denn dein Besitztum, um Fruchtfelder zu gewinnen!

  Binde deine Rede, daß sie nicht zu üppig treibe, nicht zu geil wuchere und durch Schwatzhaftigkeit zur Sündenlese führe! Der Redestrom bleibe mehr eingedämmt und in seine Ufer gebannt! Der austretende Strom schwemmt rasch Schlamm an. Binde deinen Sinn! Er sei nicht lose und ausgegossen, daß man nicht von dir sage: „Da läßt sich kein Umschlag, kein Öl, kein Verband anlegen“ (Is 1,6). Ein vernünftiger Geist hat seine Zügel, durch die er gelenkt und geleitet wird.

  Dein Mund habe, sobald es nottut, ein Tor zum Verschließen und Versperren (Vgl. Ps 140,3), daß niemand deine Zunge zum Zorn reize, und du Beschimpfung mit Beschimpfung vergeltest! Du hörtest heute die Lesung: „Zürnet, doch sündiget nicht!“ (Vgl. Ps 4,5) Mag uns also auch Zorn anwandeln, weil er eine natürliche Regung ist und nicht in unserer Gewalt steht, so sollen wir doch kein böses Wort aus unserem Munde hervorkommen lassen, um nicht in Schuld zu geraten, „Joch und Wage sei vielmehr deinen Worten“ (Si 28,29), d. i. Demut und Mäßigung, daß deine Zunge dem Geiste Untertan sei! Mit des Zaumes Fesseln muß sie gezähmt werden. Ihre Zügel braucht sie, um durch sie zum Maßhalten angehalten werden zu können. Reden, auf der Wage der Gerechtigkeit abgewogen, bringe sie hervor! Der Gesinnung muß Ernst, der Rede Gewicht, den Worten Maß innewohnen.


IV. Kapitel

Vom Stillschweigen: Achtsamkeit im Reden frommt der Tugend, Unbedachtsamkeit der Leidenschaft (14). Letzterer bedient sich der unsichtbare Widersacher als Waffe und Fallstrick (15—16).

  Ist einer im Reden behutsam, wird er milde, sanft, bescheiden. Wenn er nämlich seinen Mund hält und seine Zunge wahrt und nicht redet, bevor er nicht seine Worte prüft und überschlägt und abwägt, ob dies zu sagen sei, ob es diesem gegenüber zu sagen sei, ob es der rechte Zeitpunkt zu solcher Rede sei, so übt er in der Tat Bescheidenheit und Sanftmut und Geduld. Er wird nicht aus Ungehaltenheit und Zorn in Worte ausbrechen, in seinen Aussprüchen keinerlei Leidenschaft verraten und nicht merken lassen, daß die Glut sinnlicher Lust in seiner Rede lodert und seine Äußerungen den Stachel des Jähzornes bergen; die Rede soll schließlich nicht, statt eine Empfehlung für die innere Gesinnung zu sein, irgendeine sittliche Blöße aufdecken und verraten.

  Gerade dann macht der Widersacher in seinen Nachstellungen die größten Anstrengungen, wenn er etwelche Leidenschaften von uns in der Entstehung begriffen sieht. Da legt er den Zunder, legt er den Fallstrick. Nicht mit Unrecht spricht daher der Prophet, wie du heute verlesen hörtest: „Er hat mich befreit vom Stricke der Jäger und von herber Rede“[14]. Symmachus[15] gebrauchte den Ausdruck ‚Wort der Aufreizung‘ (????? ?p??e?a?), andere[16] ‚Wort der Verwirrung‘ (????? ta?a??d??). Der Strick des Widersachers ist unsere Rede, aber auch sie selbst ist nicht weniger unser Widersacher. Wir reden so häufig etwas: der Feind fängt es auf und verwundet uns gleichsam mit unserem eigenen Schwert. Wie ist es unvergleichlich erträglicher, durch fremdes Schwert als durch das eigene umzukommen!

  So kundschaftet denn der Widersacher unsere Waffen aus und prüft seine eigenen Geschosse. Sieht er mich in Erregung, setzt er seine Stachel an und weckt die Saat der Zankworte. Lasse ich ein unschickliches Wort entschlüpfen, zieht er seine Schlinge zusammen. Zuweilen stellt er mir gleichsam als Köder die Gelegenheit zu einer Rache vor Augen, damit ich mich selbst, während ich nach Rache dürste, in die Schlinge verwickle und den Knoten des Todes mir schürze. Wenn darum jemand die Nähe dieses Widersachers merkt, dann muß er um so ängstlicher auf seinen Mund achthaben, um dem Widersacher nicht stattzugeben. Doch nicht viele gewahren sein.



(De Officiis)