ANSPRACHE 2006 40

40
Herr Kardinal,
verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
sehr geehrte Damen und Herren!

Ich freue mich, Sie zu empfangen und begrüße Sie alle herzlich, die Sie am Seminar mit dem Thema »Das kulturelle Erbe und die Werte der europäischen Universitäten als Grundlage der Attraktivität des europäischen Hochschulraums« teilnehmen. Sie kommen aus rund 50 europäischen Ländern, die sich am sogenannten »Bologna-Prozeß« beteiligen, zu dem auch der Heilige Stuhl seinen Beitrag angeboten hat. Ich grüße Kardinal Zenon Grocholewski, Präfekt der Kongregation für das Katholische Bildungswesen, der in Ihrem Namen freundliche und ehrerbietige Worte an mich gerichtet und mir zugleich die Ziele Ihres Treffens erläutert hat, und ich danke ihm, daß er diese Begegnung im Vatikan in die Wege geleitet hat, in Zusammenarbeit mit der Rektorenkonferenz der Päpstlichen Universitäten, der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, der UNESCO-CEPES, dem Europarat und unter der Schirmherrschaft der Europäischen Kommission. Einen besonderen Gruß richte ich an die Herren Minister und an die Vertreter der verschiedenen internationalen Körperschaften, die heute zugegen sein wollten.

Im Mittelpunkt Ihrer Reflexion stand in diesen Tagen der Beitrag, den die europäischen Universitäten mit ihrer langen und reichen Tradition leisten können, um das Europa des dritten Jahrtausends aufzubauen, wobei Sie der Tatsache Rechnung tragen, daß jede kulturelle Wirklichkeit gleichzeitig Erinnerung an die Vergangenheit und Projekt für die Zukunft ist. Zu dieser Reflexion will die Kirche ihren Beitrag leisten, so wie sie es im Laufe der Jahrhunderte bereits getan hat. Sie hat nämlich beständig Sorge getragen für die Studienzentren und die Universitäten Europas, die mit dem »Dienst des Denkens« die Werte eines besonderen kulturellen Erbes an die jungen Generationen weitergegeben haben und weitergeben. Dieses Erbe wird bereichert durch zwei Jahrtausende humanistischer und christlicher Erfahrung (vgl. Ecclesia in Europa, 59). Anfangs besaß das Mönchtum beachtlichen Einfluß, und seine Verdienste weiteten sich über den geistlichen und religiösen Bereich hinaus auch auf den wirtschaftlichen und intellektuellen Bereich aus. Zur Zeit Karls des Großen wurden mit dem Beitrag der Kirche richtige Schulen gegründet, wobei es der Wunsch des Kaisers war, daß sie der größtmöglichen Anzahl von Menschen zugute kommen sollte.

Einige Jahrhunderte später entstand die Universität, die von der Kirche einen wesentlichen Impuls erhielt. Zahlreiche europäische Universitäten, von der Universität von Bologna bis hin zu den Universitäten von Paris, Krakau, Salamanca, Köln, Oxford und Prag, um nur einige zu nennen, entwickelten sich rasch und spielten eine wichtige Rolle bei der Konsolidierung der Identität Europas und bei der Herausbildung seines Kulturgutes. Die universitären Einrichtungen waren stets gekennzeichnet von ihrer Liebe zur Gelehrsamkeit und ihrer Suche nach der Wahrheit als dem wahren Zweck der Universität, wobei sie stets Bezug nahmen auf die christliche Sichtweise, die im Menschen das Meisterwerk der Schöpfung erkennt, da er als Abbild Gottes geschaffen ist (vgl.
Gn 1,26-27). Diese Sichtweise war stets von der Überzeugung geprägt, daß eine tiefe Einheit besteht zwischen dem Wahren und dem Guten, zwischen den Augen des Geistes und denen des Herzens: »Ubi amor, ibi oculos«, sagte Richard von Saint-Victor (vgl. Benjamin minor, Kap. 13): Die Liebe macht sehend. Die Universität ist aus der Liebe zum Wissen entstanden, aus der Neugier heraus, die Welt und den Menschen kennenzulernen, zu wissen, was die Welt ist und was der Mensch ist. Sie ist aber auch aus einem Wissen entstanden, das zum Handeln führt, das letztendlich zur Liebe führt.

Sehr verehrte Damen und Herren, mit einem raschen Blick auf den »alten« Kontinent läßt sich leicht feststellen, welchen kulturellen Herausforderungen Europa heute gegenübersteht in seinem Bemühen um die Wiederentdeckung seiner Identität, die nicht nur wirtschaftlicher und politischer Natur ist. Die grundlegende Frage gestern wie heute ist die anthropologische Frage. Was ist der Mensch? Woher kommt er? Wohin soll er gehen? Wie soll er gehen? Es heißt also zu klären, welche Auffassung vom Menschen den neuen Entwürfen zugrunde liegt. Und Sie fragen sich zu Recht, im Dienst welches Menschen, welches Menschenbildes die Universität stehen will: im Dienst eines Individuums, das sich verschanzt, um einzig und allein seine eigenen Interessen zu verteidigen, Interessen, die nur aus einem einzigen Blickwinkel heraus betrachtet werden, einem materialistischen Blickwinkel, oder im Dienst einer Person, die offen ist gegenüber der Solidarität mit den anderen, auf der Suche nach dem wahren Sinn des Daseins, der ein gemeinschaftlicher Sinn sein muß, der den einzelnen Menschen übersteigt. Darüber hinaus fragt man sich, welche Beziehung zwischen der menschlichen Person, der Wissenschaft und der Technik besteht. Wenn im 19. und 20. Jahrhundert die Technik ein erstaunliches Wachstum erfahren hat, so wurden zu Beginn des 21. Jahrhunderts weitere Schritte gemacht: Die technologische Entwicklung hat dank der Informatik auch einen Teil unserer Denkvorgänge übernommen, was Folgen hat, die unsere Denkweise einbeziehen und unsere Freiheit selbst in Abhängigkeit bringen können. Es muß mit Nachdruck gesagt werden, daß der Mensch niemals wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften geopfert werden kann und darf: Aus diesem Grund erscheint die sogenannte anthropologische Frage in ihrer ganzen Bedeutung. Wir, die Erben der humanistischen Tradition, die auf christliche Werte gegründet ist, müssen diese Frage im Lichte der Grundsätze angehen, die unserer Zivilisation zugrunde liegen und die in den europäischen Universitäten authentische Arbeitsstätten der Forschung und der Vertiefung gefunden haben.

»Aus der biblischen Auffassung vom Menschen hat Europa das Beste seiner humanistischen Kultur entnommen« - bemerkte Johannes Paul II. in seinem Nachsynodalen Schreiben Ecclesia in Europa - »und nicht zuletzt die Würde der Person als Quelle unveräußerlicher Rechte gefördert«. Und mein verehrter Vorgänger fügte hinzu: »Auf diese Weise hat die Kirche … zur Verbreitung und Konsolidierung jener Werte beigetragen, die die europäische Kultur zu einer Weltkultur gemacht haben« (Nr. 25). Aber der Mensch kann sich selbst nicht vollkommen verstehen, wenn er Gott nicht in Betracht zieht. Das ist der Grund, warum die religiöse Dimension der menschlichen Existenz in dem Moment, in dem man Hand anlegt, das Europa des dritten Jahrtausends aufzubauen, nicht vernachlässigt werden darf. Hier kommt die besondere Rolle der Universitäten als wissenschaftliches Universum und nicht nur als Miteinander unterschiedlicher Spezialgebiete zum Vorschein: In der gegenwärtigen Lage wird von ihnen verlangt, daß sie sich nicht damit zufriedengeben, nur auszubilden und technische und berufliche Kenntnisse zu vermitteln, die wichtig, aber nicht ausreichend sind. Sie müssen sich ebenso dafür einsetzen, eine gewissenhafte erzieherische Rolle im Dienst der jungen Generationen zu übernehmen, indem sie sich auf das Erbe an Idealen und Werten berufen, die die vergangenen Jahrtausende geprägt haben. Die Universität wird auf diese Weise Europa helfen können, seine »Seele« zu bewahren und wiederzufinden, indem es jene christlichen Wurzeln, die sie hervorgebracht haben, neu belebt.

Sehr verehrte Damen und Herren, Gott möge Ihre Arbeit und Ihren Einsatz zugunsten so vieler junger Menschen, in die Europa seine Hoffnung setzt, fruchtbar machen. Ich begleite diesen Wunsch mit der Versicherung eines besonderen Gebets für jeden von Ihnen und erbitte für alle den göttlichen Segen.


MARIANISCHE GEBETSVIGIL AM ERSTEN TODESTAG VON JOHANNES PAUL II.

Petersplatz - Sonntag, 2. April 2006

41

Liebe Brüder und Schwestern!

Wir haben uns an diesem Abend, am ersten Jahrestag des Todes unseres geliebten Papstes Johannes Paul II., zu dieser marianischen Gebetsvigil versammelt, die von der Diözese Rom organisiert worden ist. Ich begrüße euch alle, die ihr hier auf dem Petersplatz anwesend seid, mit Zuneigung, angefangen bei Kardinalvikar Camillo Ruini und den Weihbischöfen, und denke besonders an die Kardinäle, Bischöfe, Priester, Ordensleute und alle Laien, vor allem an die Jugendlichen. Es ist wirklich die ganze Stadt Rom symbolisch hier versammelt zu diesem ergreifenden Moment der Reflexion und des Gebets. Mein besonderer Gruß gilt Kardinal Stanislaw Dziwisz, Erzbischof und Metropolit von Krakau, der über viele Jahre hinweg ein treuer Mitarbeiter des verstorbenen Papstes gewesen ist und der jetzt in Direktschaltung mit uns verbunden ist. Es ist bereits ein Jahr vergangen seit dem Tod des Dieners Gottes Johannes Paul II., der fast genau zu dieser Stunde eingetreten ist - um 21.37 Uhr -, aber die Erinnerung an ihn ist nach wie vor sehr lebendig, wie die vielen Veranstaltungen bezeugen, die in diesen Tagen in allen Teilen der Welt geplant sind. Er ist auch weiterhin in unseren Gedanken und in unserem Herzen gegenwärtig; er vermittelt uns auch weiterhin seine Liebe zu Gott und seine Liebe zu den Menschen; er weckt weiterhin in allen, besonders in den jungen Menschen, die Begeisterung für das Gute und den Mut, Jesus und seiner Lehre zu folgen.

Wie soll man das Leben und das evangeliumsgemäße Zeugnis dieses großen Papstes zusammenfassen? Ich könnte versuchen, es in zwei Worten zu tun: »Treue« und »Hingabe«, vollkommene Treue zu Gott und vorbehaltlose Hingabe an die eigene Sendung als Hirte der universalen Kirche. Diese Treue und Hingabe wurden in den letzten Monaten seines Lebens noch überzeugender und ergreifender sichtbar, in denen er selbst das verkörperte, was er 1984 im Apostolischen Schreiben Salvifici doloris geschrieben hatte. Nach diesem Schreiben »ist das Leiden dafür in der Welt, um Liebe zu wecken, um Werke der Nächstenliebe zu veranlassen und die gesamte menschliche Zivilisation in eine ›Zivilisation der Liebe‹ zu verwandeln« (Nr. 30). Seine Krankheit, die er mutig auf sich nahm, hat alle Menschen aufmerksamer werden lassen für den menschlichen Schmerz, für jeden körperlichen und geistlichen Schmerz; sie hat dem Leiden Würde und Wert verliehen und Zeugnis davon gegeben, daß der Mensch nicht aufgrund seiner Leistungsfähigkeit oder seines Erscheinungsbildes, sondern aus sich selbst heraus einen Wert besitzt, da er von Gott geschaffen wurde und von ihm geliebt ist. Der liebe Johannes Paul II. wurde nicht müde, der Welt durch Wort und Tat zu zeigen, daß der Mensch, wenn er sich von Christus umarmen läßt, nicht auf den Reichtum seines Menschseins verzichtet und daß ihm, wenn er Christus von ganzem Herzen treu ist, nichts fehlen wird. Die Begegnung mit Christus schenkt uns im Gegenteil Begeisterung für unser Leben. Eben weil sich unser geliebter Papst im Gebet, in der Kontemplation, in der Liebe zur Wahrheit und zur Schönheit immer mehr Gott genähert hat, konnte er für uns alle zum Weggefährten werden und maßgeblich auch zu den Menschen sprechen, die dem christlichen Glauben fernstehen.

Am ersten Jahrestag seiner Heimkehr in das Haus des Vaters sind wir eingeladen, von neuem das geistliche Erbe anzunehmen, das er uns hinterlassen hat; wir werden unter anderem angespornt, in unserem Leben unermüdlich nach der Wahrheit zu suchen, die allein unserem Herzen Frieden schenkt. Wir werden dazu ermutigt, keine Angst zu haben, Christus nachzufolgen, um allen Menschen das Evangelium zu verkünden, das Ferment einer brüderlicheren und solidarischeren Menschheit ist. Möge Johannes Paul II. uns vom Himmel her helfen, unseren Weg fortzusetzen und fügsame Jünger Jesu zu bleiben, um, wie er selbst immer wieder gern zu den Jugendlichen sagte, jetzt zu Beginn des dritten christlichen Jahrtausends »Wächter des Morgens« zu sein. Rufen wir darum Maria, die Mutter des Erlösers, an, die er stets mit großer Liebe verehrte.

Ich wende mich jetzt an die Gläubigen, die in Polen mit uns verbunden sind. [Auf polnisch sagte der Papst:]

Vereinen wir uns im Geist mit den Polen, die sich in Krakau, in Warschau und an den anderen Orten zur Gebetsvigil versammelt haben. Die Erinnerung an Johannes Paul II. ist in uns lebendig, und das Bewußtsein seiner geistlichen Anwesenheit nimmt nicht ab. Die Erinnerung an die besondere Liebe, die er für seine Landsleute empfand, möge euch stets Licht auf dem Weg zu Christus sein. »Bleibt stark im Glauben.« Ich segne euch von Herzen. [Papst Benedikt XVI. schloß auf italienisch:]

Jetzt erteile ich allen von Herzen meinen Segen.

AN DIE BISCHÖFE DER ELFENBEINKÜSTE ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Montag, 3. April 2006



Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

42 Mit Freude empfange ich euch in diesen Tagen, in denen ihr euren »Ad-limina«-Besuch durchführt und damit eure unverbrüchliche Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri und mit der Gesamtkirche bekundet. In der Tat, der Bischof, »der ja sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit der eigenen Teilkirche ist, ist ebenfalls das sichtbare Band der kirchlichen Gemeinschaft zwischen seiner Teilkirche und der Gesamtkirche« (Pastores gregis ). Ich danke dem Vorsitzenden eurer Bischofskonferenz, Bischof Laurent Akran Mandjo, für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat, wobei er einen umfassenden Überblick über die Lage der Kirche in der Republik Elfenbeinküste gegeben hat. Überbringt nach eurer Rückkehr allen die herzlichen Grüße des Papstes und die Versicherung seines inständigen Gebets, damit die Nation in einer echten Brüderlichkeit aller ihrer Kinder wieder zu Einheit und Frieden finde.

Denn die Krise, die euer Land erlebt, hat bedauerlicherweise Spaltungen an den Tag gebracht, die eine tiefe Wunde in den Beziehungen zwischen den verschiedenen Komponenten der Gesellschaft darstellen. Die Gewaltausbrüche, die daraus entstanden sind, haben dem Vertrauen der Menschen untereinander und der Stabilität des Landes schweren Schaden zugefügt und viele Leiden hinterlassen, die schwer zu heilen sind. Die Wiederherstellung eines echten Friedens wird nur durch großzügig gewährte Vergebung und tatsächlich vollzogene Versöhnung unter den betroffenen Menschen und Gruppen möglich sein. Um das zu erreichen, müssen alle beteiligten Parteien eine mutige Fortsetzung des Dialogs akzeptieren, um gründlich und ehrlich die Ursachen zu ermitteln, die zur gegenwärtigen Situation geführt haben, und Mittel und Wege zu finden, um in Gerechtigkeit und Wahrheit zu einer für alle annehmbaren Lösung zu gelangen. Der Weg des Friedens ist lang und beschwerlich, aber er ist niemals unmöglich.

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, in diesem gemeinsamen Bemühen haben die Katholiken ihren Platz eingenommen, denn der Aufbau einer versöhnten Welt kann sie niemals unbeteiligt lassen. Es steht in ihrer Verantwortung, zur Herstellung harmonischer und brüderlicher Beziehungen zwischen Personen und Menschengruppen beizutragen. Damit man an eine vollkommene Verwirklichung dieser Zielsetzung glauben kann, muß zuerst das Vertrauen unter den Jüngern Christi wiederhergestellt werden, ungeachtet der Meinungsverschiedenheiten, die zwischen ihnen auftreten können. Denn vor allem innerhalb der Kirche muß echte Liebe in Einheit und Versöhnung gelebt werden, damit sie so der Lehre des Herrn folgt: »Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt« (
Jn 13,35). Es kommt also den Christen zu, sich von der Kraft des Geistes verwandeln zu lassen, um wahre Zeugen der Liebe des Vaters zu sein, der aus allen Menschen eine einzige Familie machen will. Ihr Wirken, das sie mit den Leiden und Bedürfnissen ihrer Brüder konfrontiert, wird dann ein überzeugender Ausdruck dafür sein. Angesichts von politischen oder ethnischen Spannungen müssen in euren Diözesankirchen Bischöfe, Priester und geweihte Personen für alle Vorbilder der Brüderlichkeit und Liebe sein und durch ihr Wort und ihr Verhalten zum Aufbau einer geeinten und versöhnten Gesellschaft beitragen.

Unter diesem Gesichtspunkt wird die anfängliche Ausbildung und ständige Weiterbildung der Priester stets eine eurer Hauptaufgaben sein. Um schwierigen Situationen in der heutigen Welt entgegenzutreten und vor allem dem Priester zu ermöglichen, sein priesterliches Dasein in ganzer Fülle aufzubauen, wird diese Ausbildung dem geistlichen Leben einen wesentlichen Platz einräumen. Die Sendung des Priesters ist es ja, den Gläubigen zu helfen, das Geheimnis Gottes zu entdecken und anderen Menschen gegenüber offen zu sein. Deshalb ist er aufgerufen, ein echter Gottsucher zu sein und gleichzeitig den Sorgen der Menschen nahe zu bleiben. Ein intensives geistliches Leben, das ihm erlaubt, tiefer in Gemeinschaft mit dem Herrn zu treten, wird ihm helfen, sich von der Liebe Gottes in Besitz nehmen zu lassen, um den Menschen verkünden zu können, daß diese Liebe vor nichts haltmacht. Zudem wird der Priester dadurch, daß er die Keuschheit im Zölibat treu lebt, zu erkennen geben, daß sein ganzes Sein Selbsthingabe an Gott und an seine Brüder ist. Ich lade euch daher ein, mit väterlicher Sorge über eure Priester zu wachen, um die Einheit und das brüderliche Leben unter ihnen zu fördern. Mögen sie in euch einen Bruder finden, der ihnen zuhört, der ihnen in schwierigen Augenblicken beisteht, und einen Freund, der sie ermutigt, in ihrem persönlichen Leben und in der Verkündigung des Evangeliums fortzuschreiten!

In euren Fünfjahresberichten habt ihr die Dringlichkeit der Ausbildung der Laien unterstrichen. Tatsächlich ist die Vertiefung des Glaubens notwendig, um der Rückkehr zu alten Gebräuchen oder dem Werben der Sekten zu widerstehen und um vor allem in einer komplexen Welt, die vor neuen und schwierigen Problemen steht, Zeugnis zu geben von der christlichen Hoffnung. Ich ermutige euch besonders, den Katechisten, denen ich für ihre Hingabe an den Dienst der Kirche meine Anerkennung ausspreche, eine solide Ausbildung zu geben, die sie dazu befähigt, die ihnen übertragene Aufgabe zu erfüllen und gleichzeitig ihren Glauben konsequent zu leben. Die Gläubigen, besonders diejenigen, die im akademischen, politischen oder wirtschaftlichen Bereich tätig sind, werden hinsichtlich ihres menschlichen und geistlichen Wachstums sowie hinsichtlich ihrer Sendung in der Welt im »Kompendium der Soziallehre der Kirche« ein fundamentales Hilfsmittel für die Ausbildung und Evangelisierung finden.

Damit die Kirche ein immer deutlicheres Zeichen dessen sein kann, was sie ist, und damit sie immer mehr im Einklang mit ihrer Sendung steht, ist es erforderlich, an der Inkulturation des Glaubens zu arbeiten. Dieser Prozeß, der für die Verkündigung des Evangeliums an alle Kulturen so wichtig ist, darf nicht die Eigenart und Unversehrtheit des Glaubens gefährden, sondern er soll den Christen helfen, die Botschaft des Evangeliums besser zu verstehen und sie in ihrer eigenen Kultur besser zu leben, sowie Gebräuche aufzugeben, die zu den Taufversprechen im Widerspruch stehen. Wie ihr in euren Berichten erwähnt habt, ist die Last der überkommenen Mentalität oft ein Hindernis für die Annahme des Evangeliums. Die Ehe - ein Weg zur Heiligung So betrifft unter den zahlreichen Fragen, die sich die Gläubigen stellen, eine der wichtigsten die Verpflichtung, die das Sakrament der Ehe mit sich bringt. Die Polygamie oder das faktische Zusammenleben ohne religiöse Trauung sind oft die Haupthindernisse. Deshalb ist es notwendig, unablässig die Anstrengungen fortzusetzen, die ihr unternommen habt, um vor allem junge Menschen zu einer besseren Akzeptanz der Tatsache zu führen, daß für den Christen die Ehe ein Weg zur Heiligung ist. Voraussetzung für die Ehe ist daher eine unauflösbare Liebe; »dank dieser ihrer Beständigkeit vermag sie wirksam zur vollen Verwirklichung der aus der Taufe erwachsenen Berufung der Eheleute beizutragen« (Ecclesia in Africa ).

Schließlich möchte ich noch mit Interesse die Entwicklung der kirchlichen Bewegungen in euren Diözesen hervorheben, die dazu beitragen, den christlichen Gemeinschaften neuen missionarischen Antrieb zu verleihen. Ich lade die Mitglieder dieser Gruppen ein, Christus immer tiefer persönlich kennenzulernen, um sich ihm hochherzig hinzugeben, während sie tief im Glauben der Kirche verwurzelt bleiben. Diese Bewegungen müssen jedoch stets Gegenstand eines mit Klarsicht geführten Unterscheidungsprozesses seitens der Bischöfe sein, um die Kirchlichkeit des Weges, den die Bewegungen gehen, zu gewährleisten, damit echte Gemeinschaft mit der Kirche auf Welt- und Diözesanebene bewahrt bleibt.

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, zum Abschluß dieser Begegnung möchte ich noch einmal die Zuneigung des Nachfolgers Petri für das Volk der Elfenbeinküste betonen, dem ich noch einmal eindringlich sage: »Sie alle lade ich ein, den konstruktiven Dialog für Versöhnung und Frieden fortzuführen« (Angelus, 22. Januar 2006; in O.R. dt., Nr. 4, 27.1.2006, S. 3). Ich vertraue euch, die Priester, Ordensleute, Katechisten und alle Gläubigen eurer Diözesen der Fürsprache Unserer Lieben Frau, Königin des Friedens, an. Allen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



AN DIE VERTRETER DES POLNISCHEN VERLAGSHAUSES "ZNAK"

Samstag, 8. April 2006

43
Sehr geehrte Damen und Herren,


ich danke Ihnen für Ihr Kommen und für die Worte, die soeben an mich gerichtet worden sind. Ich erinnere mich an unsere früheren Begegnungen und freue mich, Sie hier empfangen zu können.


Sie vertreten den Kreis, der seit Jahren im Umfeld des Verlagshauses »ZNAK« besteht. Ich weiß, daß dieser Kreis sich nicht auf Tätigkeiten beschränkt, die mit der Veröffentlichung von Büchern zusammenhängen, sondern sich für die Förderung der christlichen Kultur im weitesten Sinne einsetzt und auch karitative Aufgaben übernimmt. Dies ist ein wertvoller Beitrag zur Gestaltung des geistlichen Antlitzes von Krakau, Polen und der Kirche.

Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, um Ihrem Verlag für die Veröffentlichung meiner Bücher in polnischer Sprache zu danken. Ich bin dankbar für die Sorgfalt, mit der diese Texte für den Druck vorbereitet worden sind.

Sie sind in Zusammenhang mit dem Jahrestag des Todes meines großen Vorgängers Johannes Paul II. nach Rom gekommen. Ich weiß, daß er schon als Bischof von Krakau »ZNAK« besondere Aufmerksamkeit schenkte. Er blieb diesem Kreis auch dann treu, als ihn die Göttliche Vorsehung auf den Stuhl Petri berief. Er hat die aktive Beteiligung der Laien am Leben der Kirche stets geschätzt und ihre zweckmäßigen Initiativen unterstützt. Es ist kein Zufall, daß er sein letztes Buch, das den Titel »Erinnerung und Identität« trägt, Ihrem Verlagshaus anvertraut hat. Mit Dankbarkeit nahm er während seines Aufenthalts im Krankenhaus »Gemelli«, kurz vor seiner Rückkehr in das Haus des Vaters, die ersten Exemplare dieses Buches entgegen. Ich bin sicher, daß er Ihnen auch weiterhin seinen Beistand gewährt und daß er den Segen und die Gnade Gottes für Sie erbittet. Um ihm ein ehrendes Andenken zu bewahren, bitte ich Sie, Christus und der Kirche treu zu bleiben. Möge Ihr Eifer für die Verbreitung der Kultur, die auf die ewigen Werte gegründet ist, nie erlöschen!

Noch einmal danke ich Ihnen für Ihren Besuch und segne Sie von Herzen: im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.



AN DIE TEILNEHMER AM INTERNATIONALEN HOCHSCHULKONGRESS "UNIV 2006"


Audienzenhalle

Montag, 10. April 2006

Liebe Freunde!


An euch alle richte ich einen herzlichen Gruß. Einer Tradition folgend, die bereits einige Jahre andauert, seid ihr nach Rom gekommen, um hier die Karwoche und Ostern zu erleben und am Internationalen Hochschulkongreß »UNIV« teilzunehmen. Ihr kommt, wie man sehen kann, aus vielen verschiedenen Ländern und beteiligt euch eifrig an den Initiativen christlicher Bildung, die die Prälatur des »Opus Dei« in euren Städten fördert. Herzlich willkommen zu dieser Begegnung und danke für euren Besuch. Ich grüße besonders euren Prälaten, Bischof Javier Echevarría Rodríguez, sowie den jungen Mann, der euch vertritt, und spreche ihnen meinen Dank aus für die Empfindungen, die sie im Namen aller geäußert haben.

Eure Anwesenheit in Rom, dem Herzen der christlichen Welt, gibt euch während der Karwoche Gelegenheit, das Ostergeheimnis intensiv zu erleben. Sie erlaubt euch insbesondere, Christus persönlicher zu begegnen, vor allem durch die Betrachtung seines Leidens, seines Todes und seiner Auferstehung. Er ist es, wie ich in der Botschaft zum XXI. Weltjugendtag geschrieben habe, der eure Schritte, euer Universitätsstudium und eure Freundschaften im Kommen und Gehen des täglichen Lebens lenkt. Auch für jeden von euch kann, wie damals für die Apostel, die persönliche Begegnung mit dem göttlichen Meister, der euch Freunde nennt (vgl. Jn 15,15), der Beginn eines außerordentlichen Abenteuers sein: des Abenteuers, Apostel unter euren Altersgenossen zu werden, um sie dahin zu führen, die gleiche Erfahrung wie ihr zu machen, die Erfahrung der Freundschaft mit dem menschgewordenen Gott, mit Gott, der sich zu meinem Freund gemacht hat. Vergeßt nie, liebe Jugendliche, daß von der Begegnung und der Freundschaft mit Jesus letztlich euer, unser Glück abhängt.

Für sehr interessant halte ich das Thema, das ihr in eurem Kongreß vertieft: die Kultur und die sozialen Kommunikationsmittel. Wir müssen leider feststellen, daß die neuen Technologien und die Massenmedien in der heutigen Zeit nicht immer die persönlichen Beziehungen, den aufrichtigen Dialog und die Freundschaft unter den Menschen fördern; nicht immer helfen sie dabei, das innere Leben der Beziehung mit Gott zu pflegen. Für euch, das weiß ich wohl, stellen Freundschaft und Kontakte zu den Mitmenschen, vor allem zu euren Altersgenossen, einen wichtigen Teil des Alltagslebens dar. Es ist notwendig, daß ihr Jesus als einen eurer liebsten Freunde, ja als euren besten Freund, betrachtet. Dann werdet ihr sehen, wie die Freundschaft mit ihm euch dazu führen wird, euch den anderen gegenüber zu öffnen, sie als Geschwister zu betrachten und zu jedem eine aufrichtige freundschaftliche Beziehung zu unterhalten. In der Tat ist Jesus Christus die »fleischgewordene Liebe Gottes« (vgl. Deus caritas est ), und nur in ihm kann man die Kraft finden, den Brüdern und Schwestern menschliche Zuneigung und übernatürliche Liebe zu schenken in einem Geist des Dienens, der seinen Ausdruck vor allem im Verständnis findet. Es ist großartig, sich vom anderen verstanden zu wissen und auch selbst anzufangen, den anderen zu verstehen.

Liebe Jugendliche, erlaubt mir, das zu wiederholen, was ich im August vergangenen Jahres zu euren in Köln versammelten Altersgenossen gesagt habe: Wer Christus entdeckt hat, muß andere zu ihm führen, denn eine große Freude kann man nicht für sich selbst behalten, sondern muß sie weitergeben (vgl. Predigt auf dem Marienfeld am 21 2005 in O.R. dt., Nr. 34,26 34,8, S. 16). Das ist die Aufgabe, zu der euch der Herr ruft; das ist das »Apostolat der Freundschaft«, das der hl. Josemaría, der Gründer des »Opus Dei«, beschreibt als »eine ›persönliche‹ Freundschaft, die opferfreudig ist und aufrichtig: eine Freundschaft von Du zu Du, von Herz zu Herz« (Die Spur des Sämanns, 191). Jeder Christ ist eingeladen, Gottes Freund zu sein und durch seine Gnade die eigenen Freunde zu ihm zu ziehen. Die apostolische Liebe wird auf diese Weise zu einer wahren Leidenschaft, die ihren Ausdruck in der Weitergabe des in Jesus gefundenen Glücks an andere Menschen findet. Es ist wiederum der hl. Josemaría, der euch einige Schlüsselworte eures geistlichen Weges in Erinnerung ruft: »Kommunion, Vereinigung, Sich-Mitteilen, Sich-Anvertrauen: Wort, Brot, Liebe« (Der Weg, 535) - die großen Worte, die die wesentlichen Elemente unseres Weges zum Ausdruck bringen. Wenn ihr die Freundschaft mit Jesus pflegt, wenn ihr regelmäßig die Sakramente empfangt, vor allem das Bußsakrament und die Eucharistie, könnt ihr die »neue Generation von Aposteln« werden, »die im Wort Christi verwurzelt sind, in der Lage, eine Antwort zu geben auf die Herausforderungen unserer Zeit, und bereit, überall das Evangelium zu verkünden« (Botschaft zum XXI. Weltjugendtag; in O.R. dt., Nr. 11, 17.3.2006, S.2).

Die allerseligste Jungfrau helfe euch, dem Herrn, der euch in seine Nachfolge ruft, stets euer Jawort zu geben, und der hl. Josemaría sei euer Fürsprecher. Ich wünsche euch, daß ihr die Karwoche im Gebet und in der Reflexion verbringt, im Kontakt mit den vielen Spuren christlichen Glaubens in Rom, und mit großer Zuneigung segne ich euch, diejenigen, die sich um eure Ausbildung kümmern, und alle Menschen, die euch nahestehen.

KREUZWEG AM KOLOSSEUM - WORTE VON BENEDIKT XVI.

Karfreitag, 14. April 2006

44
Liebe Brüder und Schwestern!


Wir haben Jesus auf dem Kreuzweg begleitet. Wir haben ihn hier, auf dem Weg der Märtyrer begleitet - im Kolosseum, wo so viele Menschen für Christus gelitten, ihr Leben für den Herrn hingegeben haben, wo der Herr selbst in so vielen von neuem gelitten hat.

Und so haben wir verstanden, daß der Kreuzweg nicht etwas Vergangenes und auf einen bestimmten Punkt der Erde Beschränktes ist. Das Kreuz des Herrn umfaßt die Welt; sein Kreuzweg durchquert die Kontinente und die Zeiten. Beim Kreuzweg können wir nicht bloß Zuschauer sein. Auch wir sind mit hineingenommen und müssen deshalb unseren Platz suchen: Wo sind wir?

Beim Kreuzweg kann man nicht neutral bleiben. Pilatus, der skeptische Intellektuelle, hat versucht, neutral zu sein, sich herauszuhalten; aber gerade dadurch hat er Stellung bezogen gegen die Gerechtigkeit, aus Konformismus zugunsten seiner Karriere.

Wir müssen unseren Platz suchen.

Im Spiegel des Kreuzes haben wir alle Leiden der heutigen Menschheit gesehen. Im Kreuz Christi haben wir heute das Leid der verlassenen, mißbrauchten Kinder gesehen, die Bedrohungen für die Familie, die Spaltung der Welt in den Hochmut der Reichen, die Lazarus vor ihrer Tür nicht sehen, und die Armut so vieler, die Hunger und Durst leiden.

Aber wir haben auch »Stationen« der Tröstung gesehen. Wir haben die Mutter gesehen, deren Güte treu bleibt bis zum Tod und über den Tod hinaus. Wir haben die mutige Frau gesehen, die vor dem Herrn steht und keine Angst hat, Solidarität mit diesem Leidenden zu zeigen. Wir haben Simon von Zyrene gesehen, einen Afrikaner, der mit Jesus das Kreuz trägt.

Wir haben schließlich durch diese »Stationen« der Tröstung gesehen, daß so, wie das Leid nicht aufhört, auch die Tröstungen nicht aufhören. Wir haben gesehen, wie Paulus auf dem »Weg des Kreuzes« seinen Glaubenseifer gefunden und das Licht der Liebe entzündet hat. Wir haben gesehen, wie der hl. Augustinus seinen Weg gefunden hat: ebenso wie der hl. Franz von Assisi, der hl. Vinzenz von Paul, der hl. Maximilian Kolbe und Mutter Teresa von Kalkutta. Und so sind auch wir eingeladen, unseren Standort zu finden, zusammen mit diesen großen, mutigen Heiligen den Weg mit Jesus und für Jesus zu finden: den Weg der Güte, der Wahrheit, den Mut der Liebe.

Wir haben verstanden, daß der Kreuzweg nicht einfach eine Zusammenstellung der düsteren und traurigen Dinge dieser Welt ist. Er ist auch kein Moralismus, der letztlich unwirksam bleibt. Er ist kein Protestschrei, der nichts ändert. Der Kreuzweg ist der Weg der Barmherzigkeit, und zwar der Barmherzigkeit, die dem Bösen eine Grenze setzt: So haben wir es von Papst Johannes Paul II. gelernt. Er ist der Weg der Barmherzigkeit und damit der Weg des Heils. Und so sind wir eingeladen, den Weg der Barmherzigkeit einzuschlagen und mit Jesus dem Bösen eine Grenze zu setzen.

Beten wir zum Herrn, daß er uns helfen möge, daß er uns helfe, uns von seiner Barmherzigkeit »anstecken« zu lassen. Bitten wir die allerseligste Mutter Jesu, die Mutter der Barmherzigkeit, daß auch wir Männer und Frauen der Barmherzigkeit sein und so zum Heil der Welt beitragen können - zum Heil der Geschöpfe, um Männer und Frauen Gottes zu sein.

Amen!



ANSPRACHE 2006 40