ANSPRACHE 2006 49

GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI. AN DIE EHEMALIGEN SCHWEIZERGARDISTEN UND DIE TEILNEHMER DES GEDENKMARSCHES BELLINZONA-ROMA


Petersplatz

Donnerstag, 4. Mai 2006



Der Heilige Vater begann seine Ansprache in italienischer Sprache: Mit großer Freude richte ich meinen herzlichen Gruß an euch alle, liebe Freunde, ehemalige Schweizergardisten und Teilnehmer an dem Gedenkmarsch, der zum 500. Jahrestag des Zuges der ersten 150 »Gwardiknechte« nach Rom veranstaltet wurde. Demselben Weg wie vor 500 Jahren folgend, habt ihr über Mailand, Fidenza, Lucca, Siena und Acquapendente Rom erreicht und seid jetzt hier auf diesem euch wohlbekannten Petersplatz. Es empfängt und begrüßt euch der Nachfolger von Papst Julius II., dessen Name unlöslich mit dem hochverdienten Korps der Päpstlichen Schweizergarde verbunden ist.

Auf deutsch sagte er: Liebe ehemalige Schweizergardisten, mit dieser bedeutsamen Initiative, die am 7. April in Bellinzona ihren Anfang nahm und heute hier in Rom zu Ende geht, wolltet ihr denen eine Ehre erweisen, die euch vorangegangen sind, und zugleich möchtet ihr dem Herrn danken für eure persönliche Zugehörigkeit zum Korps der Schweizergarde und so eure Verbundenheit mit dieser »Familie« auch über die Beendigung eures Dienstes hinaus erneut bekräftigen. Ihr wolltet diese eure lange Wanderung gleichsam als eine »Wallfahrt« unternehmen, indem ihr der berühmten »Via Francigena« gefolgt seid, einem Weg, auf dem im Mittelalter die Pilger von Frankreich nach Rom zogen. In den Tagen eurer Wanderung, in denen ihr etwa 720 Kilometer zu Fuß zurückgelegt habt, konntet ihr durch viele Dörfer und Städte ziehen und deren Bewohner über eure Geschichte informieren und sie den Geist erkennen lassen, der das Korps der Schweizergarde beseelt. In gewisser Weise konntet ihr die Gefühle der ersten 150 Schweizergardisten nachempfinden, die am 21. Januar 1506 die Ewige Stadt erreichten, sofort mit den rot-gelben Uniformen, den Farben der Familie Rovere, eingekleidet wurden und am folgenden Tag von der »Porta del Popolo« aus über den »Campo de’ Fiori« auf den Vatikanischen Hügel gelangten. Es war der 22. Januar 1506, der Gründungstag der Päpstlichen Schweizergarde.

auf französisch: Liebe Freunde, ich freue mich zusammen mit euch über diese schöne Initiative, die uns den Mut der 150 Schweizer Bürger in Erinnerung ruft, die tapfer und großherzig die Person des Papstes bis zu ihrem Tod verteidigt und mit ihrem Opfer eine bedeutende Seite der Kirchengeschichte geschrieben haben. Wenn wir den Blick auf diese fünf Jahrhunderte richten, danken wir Gott für das Gute, das eure Vorgänger getan haben und für den wertvollen Beitrag, den die Päpstliche Schweizergarde dem Heiligen Stuhl auch heute noch leistet. Während wir die Verstorbenen der göttlichen Barmherzigkeit anvertrauen, rufen wir auf die, die zu eurer großen und verdienstvollen Vereinigung ehemaliger Schweizergardisten gehören, den beständigen Schutz des Herrn herab. Er lenke weiterhin eure Schritte und stehe euch mit seiner Gnade in allen euren Werken bei. Mit seinem Heiligen Geist beseele er die zahlreichen Initiativen, die ihr unternommen habt, um die besondere Erfahrung, die ihr in der Ewigen Stadt im Dienst des Apostolischen Stuhls gemacht habt, dauerhaft und fruchtbar werden zu lassen.

Abschließend sagte er auf italienisch: Mit diesen Empfindungen erteile ich euch allen, die ihr hier versammelt seid, und allen, die euch nahe stehen, einen besonderen Apostolischen Segen.

AN DIE MITGLIEDER DER "PAPAL FOUNDATION"


Clementina-Saal

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Freitag, 5. Mai 2006



Liebe Freunde in Christus!

In dieser Zeit der Freude, in der wir Gott für den Sieg Christi über Sünde und Tod Lob und Dank sagen, freue ich mich, euch, die Mitglieder der »Papal Foundation«, auf eurer alljährlichen Romwallfahrt zu begrüßen. »Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus« (Ph 1,2).

Unser Osterglaube schenkt uns die Hoffnung, daß der auferstandene Herr die Welt wahrhaft verwandeln wird. In seiner Auferstehung erkennen wir die Erfüllung von Gottes Verheißung an das im Exil lebende Volk Israel: »Ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf. Ich bringe euch zurück in das Land Israel« (Ez 37,12). Wahrhaftig gibt der auferstandene Christus heute vielen Menschen in unserer Welt neue Hoffnung und Kraft, Menschen, die Ungerechtigkeit oder Entbehrungen erleiden und sich danach sehnen, in der Freiheit und der Würde der Kinder Gottes leben zu können.

Christus hat versprochen, den Heiligen Geist zu senden, um die Herzen der Gläubigen zu entflammen und sie zu bewegen, ihre Brüder und Schwestern so zu lieben, wie Christus sie geliebt hat, und durch ihre karitative Arbeit Zeugnis abzulegen von der Liebe des Vaters zur ganzen Menschheit (vgl. Deus caritas est ). Die Frucht dieses Geschenkes des Geistes ist deutlich erkennbar in der Unterstützung, die die »Papal Foundation« im Namen Christi den Entwicklungsländern zukommen läßt, in Form von Hilfsprojekten, Subventionen und Studienstipendien. Ich bin euch sehr dankbar für eure Unterstützung und für die Hilfe, die ihr mir leistet bei der Durchführung meiner Sendung, für die Herde Christi in jedem Teil der Welt Sorge zu tragen.

Ich versichere euch, daß eure Liebe zur Kirche und euer Engagement für die Ausübung christlicher Nächstenliebe hohe Anerkennung finden. Während wir uns nun auf die große Ausgießung des Geistes zu Pfingsten vorbereiten, ermutige ich euch, euren hochherzigen Einsatz fortzusetzen, damit die Flamme der göttlichen Liebe auch weiterhin in den Herzen der Gläubigen überall auf der Welt brennen möge. Indem ich euch der Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria, Mutter der Kirche, anvertraue, erteile ich euch und euren Familien von Herzen meinen Apostolischen Segen als Unterpfand der Freude und des Friedens im auferstandenen Erlöser.



AN DIE TEILNEHMER DER ORDENTLICHEN GENERALVERSAMMLUNG DER PÄPSTLICHEN MISSIONSWERKE

Montag, 8. Mai 2006

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Herr Kardinal,

ehrwürdige Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Nationaldirektoren der Päpstlichen Missionswerke!

Herzlich begrüße ich jeden einzelnen von euch. Mein besonderer Gruß gilt Herrn Kardinal Crescenzio Sepe, dem ich für die Worte danke, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat, sowie dem Präsidenten der Päpstlichen Missionswerke, Erzbischof Henryk Hoser. Herzlich willkommen zu dieser Begegnung, die anläßlich der jährlichen Ordentlichen Generalversammlung eures Obersten Rates stattfindet. Eure Anwesenheit bezeugt das missionarische Engagement der Kirche in den verschiedenen Erdteilen, und die Eigenschaft »Päpstlich«, die eure Vereinigung kennzeichnet, unterstreicht eure besondere Verbundenheit mit dem Stuhl Petri. Ich weiß, daß ihr nach intensiven Arbeiten im Rahmen eines »Aggiornamento« euer neues Statut fertiggestellt und dessen Genehmigung erlangt habt. Ich wünsche, daß es dazu beitragen möge, eurem Bemühen, der Mission Impulse zu verleihen und der Kirche Unterstützung zu geben, noch größere Perspektiven zu eröffnen.

Auf eurer Generalversammlung wollt ihr über den Missionsauftrag nachdenken, den Jesus seinen Jüngern anvertraut hat und der eine von allen Ortskirchen empfundene pastorale Dringlichkeit darstellt, auch eingedenk dessen, was das II. Vatikanische Konzil gesagt hat, nämlich daß »der Missionseinsatz wesentlich ist für die christliche Gemeinschaft« (vgl. Ad gentes
AGD 2). Indem sie sich in den Dienst der Evangelisierung stellen, haben die Päpstlichen Missionswerke seit ihrem Entstehen im 19. Jahrhundert gespürt, daß die Missionstätigkeit letztendlich darin besteht, den Brüdern und Schwestern die Liebe Gottes zu vermitteln, die im Heilsplan offenbar geworden ist. Diese heilbringende Liebe zu erkennen und anzunehmen ist tatsächlich »eine Grundfrage des Lebens« - habe ich in der Enzyklika Deus caritas est geschrieben - »und wirft entscheidende Fragen danach auf, wer Gott ist und wer wir selber sind« (). Durch Initiativen tätiger und hochherziger Nächstenliebe haben das »Werk der Glaubensverbreitung«, das »Missionswerk des Heiligen Apostels Petrus« und das »Kindermissionswerk« das Evangelium verbreitet und dazu beigetragen, in neu erschlossenen Gebieten Kirchen zu gründen und sie zu konsolidieren. Die »Missionsvereinigung der Priester und Ordensleute« hat beim Klerus und bei den Ordensleuten ein Anwachsen der Aufmerksamkeit für die Evangelisierung gefördert. All das hat im christlichen Volk ein Wiedererwachen des Glaubens und der Liebe bewirkt, verbunden mit großem missionarischem Eifer.

Liebe Freunde der Päpstlichen Missionswerke, das Gebet und die konkrete Unterstützung der Missionen werden heute als fester Bestandteil des Lebens eines jeden Christen empfunden, was auch dem missionarischen Impuls zu verdanken ist, den ihr den Pfarreien und Diözesen verleiht. Wie die Urkirche die »Kollekten«, die sie in Mazedonien und Achaia für die Christen in Jerusalem gesammelt hatte, der dortigen Kirche übergeben hat (vgl. Rm 15,25-27), so verbindet heute eine verantwortungsbewußte Bereitschaft zum Teilen und zur Gemeinschaft die Gläubigen aller Gemeinden in der Unterstützung der Missionsgebiete, und das ist ein beredtes Zeichen für die Katholizität der Kirche. Indem euer Statut hervorhebt, daß die Mission, Werk Gottes in der Geschichte, »kein bloßes Werkzeug ist, sondern ein Ereignis, das alle dem Evangelium und dem Heiligen Geist zur Verfügung stellt« (Art. 1), ermutigt es euch, dafür zu arbeiten, den Christen immer stärker ins Bewußtsein zu rufen, daß sie in der geistlichen Dynamik der Taufe in die Missionsaufgabe einbezogen sind, denn diese sammelt sie in Gemeinschaft um Christus, damit sie an seiner Sendung teilhaben (vgl. ebd.).

Diese starke missionarische Bewegung, die die kirchlichen Gemeinschaften und die einzelnen Gläubigen betrifft, hat sich in diesen Jahren zu einer vielversprechenden missionarischen Zusammenarbeit entwickelt. Für diese seid ihr ein bedeutendes Zeugnis, denn ihr tragt dazu bei, überall jenen Geist der Weltmission zu nähren, der euer Entstehen als Missionswerke gekennzeichnet und euch die Kraft zur Entfaltung gegeben hat. Setzt diesen wertvollen Dienst an den kirchlichen Gemeinschaften fort, indem ihr deren gegenseitige Zusammenarbeit fördert. Die gemeinsamen Ziele und die wünschenswerte Einheit in der Evangelisierungstätigkeit wachsen in dem Maß, in dem jede Tätigkeit ihren Bezugspunkt findet in Gott, der Liebe ist, und im durchbohrten Herzen Christi, in dem diese Liebe sich in ihrer radikalsten Form zeigt (vgl. Deus caritas est ). Auf diese Weise, liebe Freunde, wird euer ganzes Handeln niemals auf eine rein organisatorische Leistung reduziert oder an Einzelinteressen irgendeiner Art gebunden sein, sondern es wird sich stets als Ausdruck der göttlichen Liebe erweisen. Durch eure Herkunft aus verschiedenen Diözesen wird noch offensichtlicher, daß die Päpstlichen Missionswerke »nicht nur päpstliche Werke, sondern auch Werke des gesamten Episkopats und des ganzen Gottesvolkes« sind (Cooperatio missionalis, 4).

Liebe Nationaldirektoren, an euch richte ich einen ganz besonderen Dank für das, was ihr tut, um den Erfordernissen der Evangelisierung entgegenzukommen. Euer Einsatz möge allen Menschen, die eure Hilfe erhalten, ein Ansporn sein, um das unschätzbare Geschenk der Erlösung anzunehmen und das Herz zu öffnen für Christus, den einzigen Erlöser. Mit diesen Empfindungen erbitte ich den mütterlichen Beistand Marias, Königin der Apostel, und erteile euch, die ihr hier anwesend seid, sowie den von euch vertretenen Teilkirchen einen besonderen Apostolischen Segen. AN DIE BISCHÖFE AUS DER KANADISCHEN

KIRCHENPROVINZ QUÉBEC ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Clementina-Saal - Donnerstag, 11. Mai 2006



Meine Herren Kardinäle,
liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst!

Es ist mir eine Freude, euch, die Hirten der Kirche der Kirchenprovinz Québec, zu empfangen. Ihr seid gekommen, um euren »Ad-limina«- Besuch abzustatten und eure Sorgen und Hoffnungen mit dem Nachfolger Petri und seinen Mitarbeitern zu teilen. Unsere Begegnung offenbart die tiefe Gemeinschaft, die jede eurer Diözesen mit dem Stuhl Petri verbindet. Ich danke dem Vorsitzenden der Versammlung der katholischen Bischöfe von Québec, Bischof Gilles Cazabon, für die Beschreibung des manchmal schwierigen Umfeldes, in dem ihr euren Hirtendienst ausübt. Durch euch möchte ich auch die Gläubigen eurer Diözesen, Priester, Diakone, Ordensleute und Laien, herzlich grüßen. Ich weiß die Teilnahme so vieler Personen am kirchlichen Leben zu schätzen. Gott segne die großherzigen Bemühungen, die unternommen werden, um allen Menschen die Frohe Botschaft des auferstandenen Herrn zu verkünden!

Mit den drei anderen Gruppen der Bischöfe eures Landes werde ich Gelegenheit haben, meine Überlegungen zu den Themen fortzusetzen, die für die Sendung der Kirche innerhalb der kanadischen Gesellschaft von Bedeutung sind, die von Pluralismus, Subjektivismus und wachsendem Säkularismus gekennzeichnet ist.

Im Jahr 2008, wenn Québec sein 400jähriges Gründungsjubiläum feiert, wird eure Provinz den Internationalen Eucharistischen Kongreß beherbergen. Daher möchte ich eure Diözesen vor allem zu einer Erneuerung des Verständnisses und der Praxis der Eucharistie einladen - durch das Wiederentdecken des vorrangigen Platzes, den »die Eucharistie, Geschenk Gottes für das Leben der Welt«, im Leben der Kirche einnehmen muß. Denn in euren Fünfjahresberichten habt ihr den spürbaren Rückgang der religiösen Praxis im Laufe der vergangenen Jahre hervorgehoben und besonders die Tatsache, daß an den Eucharistiefeiern nur wenige junge Menschen teilnehmen. Die Gläubigen müssen vom lebensnotwendigen Charakter der regelmäßigen Teilnahme an der sonntäglichen Versammlung überzeugt sein, damit ihr Glaube wachsen und einen entsprechenden Ausdruck finden kann. Vereint mit dem Sohn Gottes durch die Eucharistie Die Eucharistie, Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens, vereint uns mit dem Sohn Gottes und macht uns ihm ähnlich. Sie baut auch die Kirche auf und festigt sie in ihrer Einheit als Leib Christi; keine christliche Gemeinschaft kann aufgebaut werden, wenn sie nicht ihre Wurzeln und ihren Mittelpunkt in der Feier der Eucharistie hat. Trotz der wachsenden Schwierigkeiten, denen ihr begegnet, ist es die Pflicht der Hirten, allen die praktische Möglichkeit zu geben, das Sonntagsgebot zu halten und sie dazu einzuladen. Wenn sie im Gotteshaus versammelt sind, um das Ostern des Herrn zu feiern, schöpfen die Gläubigen aus diesem Sakrament Licht und Kraft, um ihre Taufberufung vollkommen zu verwirklichen. Darüber hinaus beschränkt sich die Bedeutung des Sakraments nicht auf den Augenblick der Feier. »Durch den Empfang des Brotes des Lebens bereiten sich die Jünger Christi darauf vor, mit der Kraft des Auferstandenen und seines Geistes die Aufgaben anzupacken, die in ihrem gewöhnlichen Leben auf sie warten« (Dies Domini, 45). Nachdem sie die Gegenwart des Auferstandenen erlebt und verkündet haben, liegt es den Gläubigen am Herzen, im täglichen Leben Boten und Zeugen des Evangeliums zu sein.

52 Unterdessen stellt die immer geringere Anzahl der Priester, die manchmal an einigen Orten die Feier der Sonntagsmesse unmöglich macht, die Stellung der Sakramentalität im Leben der Kirche in besorgniserregender Weise in Frage. Die Bedürfnisse der pastoralen Organisation dürfen die Wahrhaftigkeit der Ekklesiologie, die in ihr zum Ausdruck kommt, nicht aufs Spiel setzen. Die zentrale Rolle des Priesters, der die Gemeinde »in persona Christi capitis« lehrt, heiligt und leitet, darf nicht geschmälert werden. Für die Existenz einer kirchlichen Gemeinschaft ist das Amtspriestertum unerläßlich. Die Bedeutung der Rolle der Laien, denen ich für ihre Hochherzigkeit im Dienst der christlichen Gemeinden danke, darf den für das Leben der Kirche absolut unersetzlichen Dienst der Priester nicht verdunkeln. Der Dienst des Priesters kann daher nicht anderen Personen anvertraut werden, ohne daß der Authentizität des Wesens der Kirche selbst effektiv Schaden zugefügt wird. Und mehr noch: Wie können denn junge Männer den Wunsch haben, Priester zu werden, wenn die Rolle des Weiheamtes nicht klar definiert und anerkannt ist?

Als echtes Zeichen der Hoffnung muß jedoch das Verlangen nach Erneuerung hervorgehoben werden, das sich unter den Gläubigen bemerkbar macht. Der Weltjugendtag in Toronto hat auf viele junge Kanadier einen positiven Einfluß ausgeübt. Die Feier des Jahres der Eucharistie hat vor allem durch die Förderung der eucharistischen Anbetung eine geistliche Erneuerung bewirkt. Die Verehrung, welche der Eucharistie außerhalb der Messe entgegengebracht wird und die eng mit der Feier verbunden ist, hat ebenfalls einen sehr großen Wert für das Leben der Kirche, denn sie führt zur sakramentalen und geistlichen Kommunion. Dazu hat Papst Johannes Paul II. geschrieben: »Wenn das Christentum in unserer Zeit sich vor allem durch die ›Kunst des Gebetes‹ auszeichnen soll, wie könnte man dann nicht ein erneuertes Bedürfnis verspüren, ausgiebig vor Christus, der im Allerheiligsten Sakrament gegenwärtig ist, im geistlichen Zwiegespräch und in einer Haltung der Liebe zu verharren?« (Ecclesia de Eucharistia
EE 25). Aus dieser Erfahrung kann man wirklich Kraft, Trost und Unterstützung empfangen.

Das im eucharistischen Geheimnis gründende Leben des Gebetes und der Kontemplation ist auch der Kern der Berufung der geweihten Personen, die den Weg der »sequela Christi« gewählt haben, um sich dem Herrn zu schenken, mit ungeteiltem Herzen und in einer immer engeren Beziehung zu ihm. Durch ihre bedingungslose Bindung an die Person Christi und an seine Kirche haben sie die besondere Sendung, allen Menschen die universale Berufung zur Heiligkeit in Erinnerung zu rufen.

Liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst, die Kirche ist den Instituten des geweihten Lebens eures Landes dankbar für den apostolischen und geistlichen Einsatz ihrer Mitglieder. Dieser Einsatz drückt sich in verschiedenen Formen aus, besonders durch das kontemplative Leben, das unablässig Lobgebet und Fürbitte zu Gott aufsteigen läßt, oder auch durch den hochherzigen Dienst der katechetischen und karitativen Arbeit eurer Diözesen sowie durch die Zuwendung zu den in der Gesellschaft am meisten Benachteiligten, eine Zuwendung, in der die Güte des Herrn gegenüber den Kleinen und Armen bekundet wird. In diesem täglichen Einsatz reift das Streben nach Heiligkeit, die die geweihten Personen leben möchten, vor allem durch einen Lebensstil, der sich von dem der Welt und der sie umgebenden Kultur unterscheidet. Es ist jedoch sehr wichtig, daß die geweihten Personen bei diesem Einsatz durch intensives geistliches Leben verkünden, daß Gott allein genügt, um dem menschlichen Dasein Fülle zu verleihen.

Um den geweihten Personen zu helfen, ihre spezifische Berufung in wahrer Treue zur Kirche und ihrem Lehramt zu leben, lade ich euch also ein, der Festigung vertrauensvoller Beziehungen zu ihnen und zu ihren Instituten besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Das geweihte Leben ist ein Geschenk Gottes zum Wohl der ganzen Kirche und im Dienst am Leben der Welt. Deshalb muß es sich innerhalb einer festgefügten kirchlichen Gemeinschaft entwickeln. Den Herausforderungen, denen das geweihte Leben gegenübersteht, kann nur dann begegnet werden, wenn sich eine tiefe Einheit der geweihten Personen untereinander und mit der Gesamtheit der Kirche und ihrer Hirten zeigt. Darum lade ich die geweihten Personen, Männer und Frauen, ein, ihre kirchliche Gesinnung zu verstärken sowie ihr Bemühen, in immer engerer Verbindung mit den Hirten zu arbeiten, indem sie die kirchliche Lehre in ihrer Ganzheit und Unversehrtheit aufnehmen und verbreiten.

Die auf die Person Jesu Christi gegründete kirchliche Gemeinschaft erfordert auch die Treue zur Lehre der Kirche, insbesondere durch eine korrekte Interpretation des II. Vatikanischen Konzils, das heißt, wie ich schon Gelegenheit hatte zu sagen, durch eine »›Hermeneutik der Reform‹, der Erneuerung des einen Subjekts Kirche, die der Herr uns geschenkt hat, unter Wahrung der Kontinuität « (Ansprache beim Weihnachtsempfang für das Kardinalskollegium und die Mitarbeiter der Römischen Kurie am 22.12.2005 in O.R. dt., Nr. 2,13 2,1, S. 10). In der Tat, wenn wir das Konzil so auslegen und rezipieren, »dann kann es eine große Kraft für die stets notwendige Erneuerung der Kirche sein und immer mehr zu einer solchen Kraft werden« (ebd., S. 11).

Die Kirche in eurem Land muß stets auf eine Erneuerung der Priester- und Ordensberufungen bedacht sein. Eine wahre Berufungspastoral wird ihre Kraft im Dasein von Männern und Frauen finden, die Zeugnis geben von einer leidenschaftlichen Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen, in Treue zu Christus und zur Kirche. Und man darf nicht die wesentliche Rolle des vertrauensvollen Gebets vergessen, wenn es darum geht, im christlichen Volk eine neue Sensibilität zu schaffen, die es den jungen Menschen erlaubt, auf den Ruf des Herrn zu antworten. Für euch und für die ganze christliche Gemeinschaft ist es eine vorrangige Pflicht, ohne Furcht den Ruf des Herrn weiterzugeben, Berufungen zu wecken und die jungen Menschen zu begleiten auf dem Weg der Entscheidungsfindung und der Bindung, in der Freude, sich selbst im Zölibat zu verschenken. Daher ist es eure Aufgabe, auf die Katechese zu achten, die den Kindern und den Jugendlichen erteilt wird, um ihnen die Möglichkeit zu geben, das christliche Geheimnis wirklich kennenzulernen und zu Christus zu gelangen. In dieser Hinsicht lade ich daher die ganze katholische Gemeinschaft von Québec ein, mit erneuerter Aufmerksamkeit auf ihre Verbundenheit mit der Wahrheit der kirchlichen Lehre im Bereich der Theologie und der Moral zu achten, zwei Aspekten, die vom Christsein in der Welt nicht zu trennen sind. Die Gläubigen können die in der heutigen Gesellschaft gängigen Ideologien nicht übernehmen, ohne dabei ihre eigene Identität zu verlieren.

Liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst, am Ende unserer Begegnung möchte ich euch in eurem Dienst an der Kirche in Kanada von Herzen ermutigen. Der auferstandene Christus schenke euch Freude und Frieden, um die Gläubigen auf dem Weg der Hoffnung zu führen, damit sie in der kanadischen Gesellschaft wahre Zeugen des Evangeliums sein mögen. Allen erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



ANLÄSSLICH DES 25JÄHRIGEN BESTEHENS DES PÄPSTLICHEN INSTITUTES "JOHANNES PAUL II." FÜR STUDIEN ÜBER EHE UND FAMILIE

Benediktions-Aula - Donnerstag, 11. Mai 2006

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Meine Herren Kardinäle,
liebe Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit großer Freude begegne ich euch anläßlich dieses 25. Jahrestages der Gründung des Päpstlichen Instituts »Johannes Paul II.« für Studien über Ehe und Familie an der Päpstlichen Lateranuniversität. Ich begrüße euch alle voller Zuneigung und danke euch für die große Zuneigung, die ihr mir entgegengebracht habt. Von Herzen danke ich Msgr. Livio Melina für die liebenswürdigen Worte, die er im Namen von euch allen an mich gerichtet hat, und auch dafür, daß er den vorbereiteten Text gekürzt hat. Wir können das, was er sagen wollte, lesen, während so mehr Zeit für die herzliche Begegnung bleibt.

Die Anfänge eures Instituts sind mit einem ganz besonderen Ereignis verknüpft: Am 13. Mai 1981 erlitt mein geliebter Vorgänger Johannes Paul II. auf dem Petersplatz das bekannte schwere Attentat gerade während der Audienz, bei der er die Errichtung eures Instituts hätte ankündigen sollen. Dieser Umstand gewinnt besondere Bedeutung bei dem heutigen Gedenken, das wir etwas über ein Jahr nach seinem Tod begehen. Ihr habt es unterstrichen durch die angebrachte Initiative eines Kongresses zum Thema »Das Erbe Johannes Pauls II. zu Ehe und Familie: Die menschliche Liebe lieben«. Mit Recht empfindet ihr dieses Erbe in ganz besonderer Weise als das eure, da ihr die Empfänger der »Vision« seid - und sie fortführt -, die einer der tragenden Mittelpunkte seiner Sendung und seiner Reflexion war: Der Plan Gottes für die Ehe und die Familie. Es handelt sich um eine Hinterlassenschaft, die nicht einfach eine Ansammlung von Lehrsätzen oder Ideen ist, sondern vor allem eine von klarer Einheitlichkeit gekennzeichnete Lehre über den Sinn der menschlichen Liebe und des Lebens. Die Anwesenheit zahlreicher Familien bei dieser Audienz - also nicht nur der heutigen und der ehemaligen Studenten, sondern vor allem auch der künftigen Studenten - ist ein besonders beredtes Zeugnis dafür, daß die Lehre dieser Wahrheit angenommen worden ist und ihre Früchte getragen hat.

Der Gedanke, »lieben zu lehren«, begleitete schon den jungen Priester Karol Wojtyla und begeisterte ihn später, als er sich als junger Bischof mit den Schwierigkeiten im Gefolge der Veröffentlichung der prophetischen und noch immer aktuellen Enzyklika Humanae vitae meines Vorgängers Paul VI. auseinandersetzte. In dieser Situation begriff er die Notwendigkeit eines systematischen Studiums dieser Thematik. Das bildete die Basis jener Lehre, die dann in seinen unvergeßlichen Katechesen über die menschliche Liebe der ganzen Kirche geschenkt wurde. So wurden zwei grundlegende Elemente hervorgehoben, die ihr in diesen Jahren zu vertiefen versucht habt und die die eigentliche Neuheit eures Instituts als akademische Realität mit einer ganz spezifischen Sendung innerhalb der Kirche darstellen.

Das erste Element ist, daß Ehe und Familie im innersten Kern der Wahrheit über den Menschen und seine Bestimmung verwurzelt sind. Die Heilige Schrift offenbart uns, daß die Berufung zur Liebe zu jenem authentischen Abbild Gottes gehört, das der Schöpfer seinem Geschöpf einprägen wollte, als er es dazu berief, ihm gerade in dem Maße ähnlich zu werden, in dem es für die Liebe offen ist. Der den Körper des Mannes und der Frau kennzeichnende Geschlechtsunterschied ist also nicht einfach nur eine biologische Gegebenheit, sondern gewinnt eine viel tiefere Bedeutung: Er bringt jene Art der Liebe zum Ausdruck, durch die Mann und Frau - wie es in der Heiligen Schrift heißt - »ein Fleisch« werden und so eine wahre Gemeinschaft von Personen verwirklichen können, die für die Weitergabe des Lebens offen ist; auf diese Weise arbeiten sie mit Gott an der Zeugung neuer Menschen zusammen. Ein zweites Element kennzeichnet die Neuheit der Lehre Johannes Pauls II. über die menschliche Liebe: Die besondere Art und Weise, wie er den Plan Gottes gerade in dem Zusammentreffen der göttlichen Offenbarung mit der menschlichen Erfahrung erkennt. In Christus, Fülle der Offenbarung der Liebe des Vaters, wird in der Tat auch die volle Wahrheit über die Berufung des Menschen zu der Liebe deutlich, die nur in der aufrichtigen Selbsthingabe vollkommen gefunden werden kann.

In meiner vor kurzem erschienenen Enzyklika wollte ich hervorheben, daß gerade durch die Liebe »das christliche Gottesbild und auch das daraus folgende Bild des Menschen und seines Weges« erhellt wird (Deus caritas est ). Mit anderen Worten, Gott hat sich des Weges der Liebe bedient, um das innerste Geheimnis seines trinitarischen Lebens zu offenbaren. Darüber hinaus erlaubt uns die enge Beziehung, die zwischen dem Bild Gottes, der Liebe ist, und der menschlichen Liebe besteht, zu verstehen, daß »dem monotheistischen Gottesbild die monogame Ehe entspricht. Die auf einer ausschließlichen und endgültigen Liebe beruhende Ehe wird zur Darstellung des Verhältnisses Gottes zu seinem Volk und umgekehrt: die Art, wie Gott liebt, wird zum Maßstab menschlicher Liebe« (ebd., ). Diese Darlegung bleibt zum großen Teil noch zu untersuchen. Es zeichnet sich also die Aufgabe ab, die das Institut für Ehe und Familie in der Gesamtheit der akademischen Einrichtungen hat: die Wahrheit der Liebe als Weg der Erfüllung in jeder Form des menschlichen Daseins zu erhellen. Die große Herausforderung der Neuevangelisierung, die Johannes Paul II. mit solchem Schwung angeregt hat, muß durch eine wirklich tiefe Reflexion über die menschliche Liebe unterstützt werden, da gerade diese Liebe ein bevorzugter Weg ist, den Gott gewählt hat, um sich dem Menschen zu offenbaren, und er ihn in dieser Liebe zu einem Leben in der trinitarischen Gemeinschaft beruft. Dieser Ansatz erlaubt uns auch, die heute weit verbreitete privatistische Auffassung der Liebe zu überwinden. Die echte Liebe verwandelt sich in ein Licht, das das Leben zu seiner Erfüllung führt und das so eine Gesellschaft hervorbringt, in der das Leben für den Menschen möglich ist. Die Lebens- und Liebesgemeinschaft, die die Ehe ist, erweist sich somit als ein wahres Gut für die Gesellschaft. Heute ist es besonders dringlich, zu vermeiden, daß die Ehe mit anderen Verbindungsformen verwechselt wird, die auf einer schwachen Liebe gründen. Nur der Fels der totalen und unwiderruflichen Liebe zwischen Mann und Frau ist imstande, die Grundlage für den Aufbau einer Gesellschaft zu sein, die für alle Menschen ein Zuhause wird.

Die Bedeutung, die der Arbeit des Instituts in der Sendung der Kirche zukommt, erklärt die ihm eigene Beschaffenheit: Johannes Paul II. hatte nämlich ein einziges Institut mit verschiedenen, auf die fünf Kontinente verteilten Sitzen anerkannt, mit dem Ziel, auf diese Weise eine Reflexion anbieten zu können, die den Reichtum der einen Wahrheit in der Vielfalt der Kulturen aufzeigen sollte. Diese Einheit der Sichtweise in Forschung und Lehre, bei aller Verschiedenheit der Orte und Sensibilitäten, stellt einen Wert dar, den ihr durch Entfaltung der in jeder Kultur verwurzelten Reichtümer bewahren müßt. Dieses Wesensmerkmal des Instituts hat sich für das Studium einer Wirklichkeit wie der von Ehe und Familie als besonders geeignet erwiesen. Eure Arbeit kann deutlich machen, auf welche Weise das in den verschiedenen Kulturen gelebte Geschenk der Schöpfung zur Gnade der Erlösung durch Christus erhoben worden ist.

Damit ihr euren Auftrag als treue Erben des Institutsgründers, des geliebten Johannes Paul II., gut erfüllen könnt, lade ich euch ein, auf die seligste Jungfrau Maria, die Mutter der schönen Liebe, zu blicken. Die erlösende Liebe des fleischgewordenen Wortes soll für jede Ehe und in jeder Familie zu einer »Quelle lebendigen Wassers inmitten einer dürstenden Welt« werden (Deus caritas est, ). An euch alle, liebe Dozenten, Studenten von heute und gestern, an das übrige Personal sowie auch an die Familien, die mit eurem Institut verbunden sind, ergehen meine herzlichen Wünsche, die ich mit einem besonderen Apostolischen Segen begleite.



ANLÄSSLICH DER KANONISCHEN ERRICHTUNG VON "SANTA MARIA DELL'ANIMA" VOR 600 JAHREN

Freitag, 12. Mai 2006

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Verehrte Mitbrüder im Priesteramt,
werte Kollegiaten der Anima,
liebe Brüder und Schwestern!

Das Gedenken der Kanonischen Errichtung von S. Maria dell’Anima vor 600 Jahren führt Euch heute auch in das Haus des Papstes; so heiße ich Euch alle hier im Vatikan ganz herzlich willkommen und grüße besonders den Rektor und die übrigen Verantwortlichen dieses Päpstlichen Instituts. Was mit der Bulle Piae postulatio meines Vorgängers Innozenz VII. im Jahre 1406 seinen Anfang nahm, hat im Laufe der Jahrhunderte reiche Früchte gezeitigt: Das Institut S. Maria dell’Anima war und ist Heimstätte deutschsprachiger Katholiken in Rom - derer, die die Ewige Stadt besuchen, und vor allem für eine beständig große Zahl Christgläubiger deutscher Zunge, die hier leben und arbeiten. Desgleichen steht der Name Anima für das Priesterkolleg, dessen Bewohner an einer der Päpstlichen Hochschulen in Urbe ihre Studien absolvieren oder an der Römischen Kurie im Dienst der Weltkirche stehen. Euch allen ein herzliches „Grüß Gott“, verbunden mit meinem Dank für Eure Treue zum Nachfolger Petri, die Ihr mit dieser Begegnung bekräftigen möchtet!

Seit den Anfängen prägen zwei Merkmale die Anima: die Verehrung der Gottesmutter Maria und die besondere Verbundenheit der Einrichtung mit dem Heiligen Stuhl, dem sie untersteht. Wenn in Eurem Institut und in Eurer Gemeinde die heilige Jungfrau unter dem seltenen Titel „S. Maria dell’Anima“, Mutter der Seelen also, verehrt wird, so kommt darin ein Zweifaches zum Ausdruck: Maria hält ihre schützende Hand über die Pilgerseelen, die vielen, die unterwegs sind auf dem Pilgerweg des Lebens und für die Rom eine wichtige, ja in vielen Fällen prägende Station geworden ist. Und gleichzeitig erinnert uns dieser Titel Mariens an die Verstorbenen, die wir in unserer Sprache gerne „Arme Seelen“ nennen und deren Angedenken uns sowohl unsere eigene Sterblichkeit als auch unsere ewige Bestimmung zu einem Leben in der Unendlichkeit des Lichtes und der Liebe Gottes ins Bewußtsein ruft. Möge Maria, unsere himmlische Mutter, ihre schützende Hand über das pfarrliche Leben der Anima-Gemeinde und der Kollegiaten halten!

Seit mein Vorgänger, der selige Papst Pius IX., der Anima-Stiftung im Jahre 1859 die Führung eines Priesterkollegs anvertraut hat, kommt diesem Institut eine besondere kirchliche Brückenfunktion zu. Die Priester und auch die Seminaristen, die in der Anima wohnen, dürfen die Größe und Schönheit der Weltkirche, ihre gelebte Katholizität kennenlernen und Geschmack finden an der „romanitas Ecclesiae“. Ich vertraue darauf, daß die Leitung dieser gesamtdeutschen und zugleich römischen Institution auch fürderhin den Kollegiaten und den Gästen eine besondere Liebe zu den Nachfolgern des Apostels Petrus und zum Heiligen Stuhl vermittelt.

Die deutschsprachige Gemeinde von Rom hat in der Kirche S. Maria dell’Anima ihre Heimat. Sie gibt den Katholiken aus den Ländern deutscher Zunge die Möglichkeit, in der eigenen Sprache zu beten, zu singen und die heiligen Sakramente der Kirche zu empfangen. Die Priester und alle Verantwortlichen lade ich dazu ein, dem sakramentalen Leben in der Anima-Gemeinde stets den Vorrang vor allen anderen Tätigkeiten zu geben. Da, wo die deutschsprachigen Katholiken in Rom ihre geistliche Heimat suchen und finden, möchte Jesus Christus, der Herr der Kirche, in den Herzen zu Hause sein. Wenn der Herr im Mittelpunkt Eures pfarrlichen Lebens steht, werdet Ihr immer mehr zu einer apostolischen und missionarischen Gemeinde, die auf ihre Umgebung und vor allem auf die vielen Besucher dieser Kirche ausstrahlt.

Liebe Freunde! Die Feierlichkeiten zum Gedenken an 600 Jahre Kanonische Errichtung von S. Maria dell’Anima mögen für Euch alle ein geistlich fruchtbares Jubiläum sein. Mit meinem Dank für Eure Verbundenheit erteile ich Euch allen auf die Fürsprache der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria von Herzen meinen Apostolischen Segen.


ANSPRACHE 2006 49