ANSPRACHE 2007 Januar 2007 60

Mai 2007 AN DIE BISCHÖFE DER INTERNATIONALEN BISCHOFSKONFERENZ DER HLL. CYRILL UND METHODIUS

Freitag, 4. Mai 2007

Verehrte Mitbrüder im bischöflichen Dienst!


»Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes« (Rm 15,13). Voll Freude empfange ich euch mit diesen Worten aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer: Ja, der Gott der Hoffnung erfülle euch mit seinen himmlischen Tröstungen!

Mit diesem Wunsch umarme ich brüderlich jeden einzelnen von euch, liebe Hirten eines mir besonders lieben Teils der Herde des Herrn! Ihr kommt aus verschiedenen Ländern, die unterschiedliche Volksgruppen, Kulturen und Sprachen haben, deren kirchliche Gemeinschaften aber in demselben von den Aposteln überlieferten Glauben an den auferstandenen Christus verbunden sind. Seid willkommen! Ich begrüße jeden von euch, während ich für die freundlichen Worte herzlich danke, die Erzbischof Stanislav Hocevar an mich gerichtet hat; er ist Präsident eurer Internationalen Bischofskonferenz der hll. Cyrill und Methodius, die im Dezember 2004 von meinem Vorgänger, dem Diener Gottes Johannes Paul II., errichtet wurde. Euer Präsident hat die gemeinschaftlichen Gefühle zum Ausdruck gebracht, die euch mit dem Nachfolger Petri verbinden; ich danke euch. Dieses Haus ist auch euer Haus; in ihm könnt ihr die Katholizität der Kirche Christi erfahren, die ihre Zelte bis an die äußersten Grenzen der Erde ausweitet. Zum Abschluß eures Besuches »ad limina Apostolorum« spreche ich euch erneut meinen herzlichen Dank aus, den ihr, so bitte ich, auch an eure Gemeinden weiterleitet, auf deren Unterstützung im Gebet ich vertrauensvoll zähle. Versichert allen - den Priestern, den Ordensleuten, den Kindern und Jugendlichen, den alten Menschen und den Familien -, daß der Papst ihnen nahe ist und sie jeden Tag dem Herrn empfiehlt. Ich fordere alle auf, in der Einheit, in der gegenseitigen Offenheit und im brüderlichen Geist zu verharren.

Verehrte Mitbrüder, die verschiedenen Länder und die vielfältigen sozialen und religiösen Kontexte, in denen eure Gläubigen stehen, haben viele Auswirkungen auf ihr Leben als Christen. Ich denke z.B. an die Ehe zwischen Eheleuten unterschiedlicher Konfession oder Religion, die von euch, liebe Hirten, eine besondere geistliche Fürsorge und eine harmonischere Zusammenarbeit auch mit den übrigen christlichen Kirchen erfordert. Ich denke darüber hinaus auch an die religiöse Erziehung der jungen Generationen, für die im Rahmen der Schulprogramme gebührend zu sorgen ist. Notwendig ist auch der Hinweis auf den für das kirchliche Leben wesentlichen Aspekt, der die Ausbildung der Priester und ihre geistliche Begleitung in dem genannten plurikonfessionellen Kontext betrifft. Ich weiß, daß in Subotica ein Priesterseminar geplant ist: Ich befürworte von Herzen diese Initiative wegen des guten Dienstes, den sie den verschiedenen Diözesen leisten könnte. Es ist notwendig, den Seminaristen zu helfen, mit der klaren Einsicht zu wachsen, daß der Priester »alter Christus« ist, der eine innige Verbindung mit Jesus pflegen soll, wenn er seine Sendung ganz erfüllen und sich nicht als einfacher »Funktionär« einer kirchlichen Organisation betrachten will. Der Priester steht voll und ganz im Dienst der Kirche, eines lebendigen und geistlichen Organismus, der seine Kräfte nicht aus nationalistischen, ethnischen oder politischen Elementen schöpft, sondern aus dem Wirken Christi, der in seinen Dienern gegenwärtig ist. Denn der Herr wollte, daß seine Kirche für alle offen ist; die Apostel haben sie so seit den ersten Schritten des Christentums erbaut und die Märtyrer haben mit ihrem Blut für die Heiligkeit und »Katholizität« der Kirche Zeugnis abgelegt. Die Tradition hat im Laufe der Jahrhunderte ihren Charakter der Universalität unverändert bewahrt, während sie sich verbreitet hat und mit unterschiedlichen Sprachen, Rassen, Nationalitäten und Kulturen in Berührung gekommen ist. Ihr könnt diese Einheit der Kirche in der Vielfalt täglich erfahren.

Liebe, verehrte Mitbrüder, in diesen Tagen hatte ich Gelegenheit, die Wirklichkeit eurer Diözesen besser kennenzulernen; sie sind oft als kleine Herde in weite Räume mit ethnischer, kultureller und religiöser Vielfalt eingebettet. Deshalb ist eure Sendung nicht leicht! Aber mit der Hilfe des Herrn und in Fügsamkeit gegenüber seinem Geist ermutigt alle eurer Hirtensorge anvertrauten Gläubigen, unermüdlich »Sauerteig« des Evangeliums zu sein, der die Gesellschaft durchwirkt. Auf diese Weise könnt ihr gemeinsam gemäß der Mahnung des Apostels Petrus Zeugnis von der Hoffnung geben, die euch erfüllt (vgl. 1P 3,15). Ihr werdet das verwirklichen dank einer steten Treue zu Christus, einer eifrigen Praxis der Sakramente und einer hochherzigen apostolischen Hingabe. Zu diesem Zweck wird es notwendig sein, jedes Glied des Volkes Gottes mit einzubeziehen, indem ihr jedes verfügbare Mittel, das in den verschiedenen Sprachen der Bevölkerung bereitgestellt ist, zur christlichen Bildung nutzt.

Eine solche gemeinsam geteilte pastorale Tätigkeit wird gewiß auch wohltuende Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Bereich mit sich bringen. Denn rechte, dem Evangelium gemäß geformte Gewissen sehen sich leichter dazu angespornt, eine Gesellschaft in einer menschlichen Dimension zu bauen. Eine falsch verstandene Modernität neigt heute dazu, übermäßig die Bedürfnisse des einzelnen auf Kosten der Pflichten hervorzuheben, die jeder Mensch gegenüber Gott und der Gemeinschaft hat, der er angehört. Es ist zum Beispiel wichtig, die rechte Auffassung von der zivilen und öffentlichen Verantwortlichkeit ins Licht zu rücken, denn gerade aus dieser Sicht erwächst der Einsatz für die Achtung der Rechte des einzelnen und für eine überzeugte Integration der eigenen Kultur, im gemeinsamen Streben nach Gemeinwohl.

Die Vorsehung hat eure Völker in den Kontext eines europäischen Kontinents gestellt, der in diesen Jahren umstrukturiert wird. In diesen geschichtlichen Prozeß fühlen sich auch eure Kirchen einbezogen, da sie wohl wissen, daß sie ihren besonderen Beitrag dazu leisten können. Leider fehlt es nicht an Hindernissen: der durch die wirtschaftliche Situation bedingte Mangel an zur Verfügung stehenden Mitteln sowie die Spärlichkeit der katholischen Kräfte könnten euch entmutigen. Es ist nicht leicht, das schwere Erbe des mehr als vierzigjährigen Einheitsdenkens zu vergessen, das soziale Verhaltensweisen verursacht hat, die nicht von der Freiheit und persönlichen Verantwortlichkeit geprägt waren; zugleich ist es schwer, den Versuchungen des westlichen Materialismus mit den Gefahren des Relativismus und ethischen Liberalismus, des Radikalismus und politischen Fundamentalismus zu widerstehen. Verliert nicht den Mut, sondern eint vielmehr eure Kräfte, und setzt euer Werk geduldig fort in der Gewißheit, daß man mit der Hilfe Gottes eines Tages die Früchte ernten wird, die er selbst gemäß seinen geheimnisvollen Heilsplänen reifen lassen wird.

In diesem Augenblick drängt es mich, euch zu versichern, daß der Papst euch nahe ist und euch ermutigt, im Vertrauen auf die Hilfe des Herrn, des guten Hirten, voranzuschreiten. Liebe Mitbrüder, seid euren Gläubigen stets nahe: Sie brauchen weise Lehrer, heilige Hirten, sichere Führer, die ihnen durch ihr Beispiel auf dem Weg der vollen Zustimmung zu Christus vorangehen. Seid einig unter euch, kümmert euch um die Berufungen zum Priestertum und zum geweihten Leben; tragt Sorge für die Mitarbeiter in der Pastoral; ruft die Laien auf, im zivilen und kirchlichen Bereich die Verantwortlichkeiten zu übernehmen, die ihnen entsprechend dem Geist von Gaudium et spes zukommen, damit sie fähig sind, ein harmonisches, wirklich katholisches Zeugnis zu geben. Der Herr hat euch in engste Nähe zu den orthodoxen Brüdern gestellt. Als Glied eines Leibes sucht jede mögliche Zusammenarbeit im Dienst des einen Reiches Gottes. Nicht fehlen darf die Bereitschaft, auch mit den anderen christlichen Konfessionen und mit jedem Menschen guten Willens bei der Förderung dessen zusammenzuarbeiten, was für die Verbreitung der Werte des Evangeliums von Nutzen sein kann.

61 Liebe und verehrte Mitbrüder, ich wollte in unserer Begegnung einige Aspekte des Lebens eurer Gemeinschaften herausstellen, die sich aus unseren einzelnen Begegnungen ergeben haben. Indem ich mich von euch verabschiede, bekräftige ich euch nochmals meine Zuneigung und versichere euch meines Gebets. Während ich den himmlischen Schutz Marias, der Königin der Apostel, und der hll. Cyrill und Methodius, der Patrone eurer Internationalen Bischofskonferenz, erbitte, erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen, in den ich gerne alle Gläubigen einschließe, die eurer Hirtensorge anvertraut sind.

AN DIE PÄPSTLICHE SCHWEIZERGARDE

Samstag, 5. Mai 2007

Herr Kommandant, liebe Schweizergardisten!


Es ist mir eine wirkliche Freude, anläßlich der Vereidigung der neuen Schweizergardisten bei Ihnen zu sein. Zuallererst richte ich an jeden von Euch, liebe neue Hellebardiere, meinen herzlichen Gruß, der darüber hinaus allen Schweizergardisten gilt, und ich danke Euch, daß Ihr Euch entschieden habt, einige Jahre Eurer Jugend dem Dienst für den Papst und seine engsten Mitarbeiter zu widmen. Dank sage ich auch Eurem Kommandanten für alles, was er tut, damit Ihr Euren Dienst in der rechten Weise vollbringen könnt. Ich begrüße Euren Kaplan sowie Eure Eltern und Angehörigen, die ehemaligen Schweizergardisten und die Freunde, die zugegen sein wollten bei einem für den Apostolischen Stuhl so bedeutenden Akt, wie es eben die Vereidigung der neuen Schweizergardisten ist.

Die Gedenkfeiern zum fünfhundertsten Jahrestag der Gründung des Korps der Päpstlichen Schweizergarde, die im vergangenen Jahr unter großer Anteilnahme der Bevölkerung stattfanden, sind mir in lebendiger Erinnerung. Diese Feiern haben dazu beigetragen, den Ursprung, die Geschichte und den Wert Eures Korps und des bedeutenden Zeugnisses bekannt zu machen, das Ihr seit über 500 Jahren für die Kirche ablegt. Tatsächlich begann ja alles, als am 22. Januar 1506 eine Truppe von 150 Mann im Vatikan ankam, die mein Vorgänger Julius II. von der „Oberalemannischen Eidgenossenschaft“ erbeten hatte. Von diesem Tag an bis in unsere Zeit hinein ist die Geschichte Eurer Wachtruppe mit den Ereignissen und dem Leben der Kirche und besonders der Päpste tief verwoben. Es ist eine lange Geschichte der Treue und des großherzigen Dienstes, der stets mit Hingabe, gelegentlich bis zum heldenmutigen Opfer des eigenen Lebens, geleistet wurde. Dieser wertvolle Einsatz hat Euch zu Recht die Wertschätzung und das Vertrauen aller Päpste eingebracht, die in Eurer Garde stets Hilfe, Unterstützung und Schutz gefunden haben. Vergelt’s Gott, liebe Freunde, für diese Eure stille, aber wirksame Anwesenheit an der Seite des Papstes, und danke für die Professionalität und auch für die Liebe, mit der Ihr Eure Aufgabe erfüllt.

Der Papst fuhr in französischer Sprache fort: Eure Sendung besteht nicht nur in einer professionellen Leistung, sie ist auch eine wahre Mission im Dienst Christi und seiner Kirche. Im neuen Reglement der Päpstlichen Schweizergarde, das ich im letzten Jahr anläßlich des 500. Jubiläums ihrer Gründung approbiert habe, steht, daß »sich die Schweizergardisten in jeder Situation als gute Christen und vorbildliche Soldaten erweisen« müssen (Art. 73) und weiter, daß »sie sich von allem fernhalten müssen, was dem Glauben, der christlichen Moral und den Pflichten des eigenen Standes widerspricht. Sie müssen mit einem einfachen und maßvollen Lebensstil den Eigenheiten und Traditionen der Garde immer treu bleiben« (Art. 75). Es wird noch hinzugefügt, daß sie, »mit dem Ziel, eine wahre Gemeinschaft zu bilden, … auf der persönlichen Ebene einen Geist christlicher Solidarität pflegen und gegenseitig leben müssen, welcher dazu dient, die Seelengemeinschaft zu bewahren und zu fördern« (Art. 77). Wie leicht zu sehen ist, handelt es sich um sehr genaue und konkrete Hinweise, im Hinblick darauf, den Plan Gottes zu erfüllen, den er für jeden von Euch hat, er, der Euch berufen hat, ihm in dieser verdienstvollen Institution zu dienen. Letztendlich beruft Euch der Herr zur Heiligkeit, das heißt dazu, seine Jünger zu sein, die immer bereit sind, auf seine Stimme zu hören, seinen Willen zu tun und dies zu verwirklichen in der täglichen Erfüllung Eurer Pflichten. Das wird dazu beitragen, aus Euch »gute Christen« und zugleich »vorbildliche Soldaten « zu machen, die beseelt sind vom Geist des Evangeliums, der aus jedem Getauften einen »Sauerteig« macht, der fähig ist, den ganzen Teig aufgehen zu lassen, und ein »Licht«, das die Umgebung, in der er lebt und arbeitet, erleuchtet und erwärmt.

Der Heilige Vater schloß auf italienisch: Der Herr möge Euch helfen, liebe Freunde, Eure besondere Sendung vollkommen zu verwirklichen, indem Ihr jeden Tag »acriter et fideliter«, mutig und treu, Eure Arbeit tut. Fahrt deshalb fort, Euren Geist mit dem Gebet und dem Hören des Wortes Gottes zu nähren; nehmt andächtig an der heiligen Messe teil und pflegt eine kindliche Hingabe an Maria. Ruft Eure Heiligen Patrone Martin, Sebastian und Nikolaus von Flüe, »defensor pacis et pater patriae«, an und ahmt sie nach, damit sie Euch vom Himmel her beistehen und Ihr »dem Papst und seinen rechtmäßigen Nachfolgern treu, redlich und ehrenhaft dienen« könnt, wie jeder von Euch in der Eidesformel schwört. Ich meinerseits spreche Euch erneut meinen Dank für Euren Einsatz aus sowie meine guten Wünsche insbesondere für die neuen Schweizergardisten. Allen und jedem einzelnen erteile ich von Herzen meinen Segen, in den ich gerne auch Eure Familien und alle einschließe, die Euch nahestehen.

AN DIE TEILNEHMER DER TAGUNG DES OBERSTEN RATES DER PÄPSTLICHEN MISSIONSWERKE UND AM WELTKONGRESS DER "FIDEI-DONUM"-MISSIONARE


Clementina-Saal

Samstag, 5. Mai 2007



Herr Kardinal,
verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt,
62 liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich besonders, mit euch nach der Eucharistiefeier zusammenzutreffen, der Kardinal Ivan Dias, Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, vorstand. Ihm gelten zunächst meine Gedanken, während ich ihm herzlich für die Worte danke, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Mein Gruß geht auch an den Sekretär und die Mitarbeiter des Missionsdikasteriums, an die anwesenden Bischöfe und Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen und an alle jene, die an dem Kongreß teilgenommen haben, der in den vergangenen Tagen zum 50. Jahrestag der Veröffentlichung der Enzyklika Fidei donum des Dieners Gottes Papst Pius XII. stattgefunden hat.

Fünfzig Jahre sind vergangen, seitdem mein verehrter Vorgänger angesichts der Entwicklung der Zeitumstände und des Erscheinens neuer Völker und Nationen auf der Bühne der Geschichte mit weitblickender pastoraler Weisheit erkannt hat, daß sich neue und von der Vorsehung gewollte Horizonte und missionarische Wege für die Verkündigung des Evangeliums in Afrika eröffneten. In der Tat hatte Pius XII. besonders Afrika im Blick, als er mit prophetischer Eingebung an jenes neue missionarische »Subjekt« dachte, das von den Anfangsworten der Enzyklika den Namen »Fidei donum« erhielt. Er wollte, neben den herkömmlichen Formen, zu einer weiteren Art missionarischer Zusammenarbeit zwischen den sogenannten »alten« christlichen Gemeinden und jenen Gemeinden, die in den Gebieten der Neuevangelisierung gerade erst entstanden oder im Entstehen begriffen waren, ermutigen: das heißt, erstere wurden aufgefordert, den »jungen« Kirchen als Hilfe und zum vielversprechenden Wachstum einige Priester zu senden, die für eine bestimmte Zeit mit den Bischöfen vor Ort zusammenarbeiten sollten. So schrieb Papst Pacelli: »Wenn wir einerseits die unzähligen Scharen unserer Söhne und Töchter betrachten, die vor allem in den Ländern alter christlicher Tradition am Gut des Glaubens teilhaben, und auf der anderen Seite die zahlenmäßig noch viel größere Masse derjenigen sehen, die noch immer auf die Botschaft des Heils warten, spüren wir das brennende Verlangen, euch, ehrwürdige Brüder, aufzufordern, die heilige Sache der Ausbreitung der Kirche in der Welt mit eurem Eifer zu unterstützen. Gebe Gott, daß infolge unseres Appells der missionarische Geist tiefer in das Herz aller Priester eindringe und durch ihren Dienst alle Gläubigen entflamme!« (AAS XLIX [1957], 226).

Ein zweifaches Ziel beseelte also den verehrten Papst: Einerseits wollte er in jedem Glied des christlichen Volkes eine neue missionarische »Flamme« entzünden und andererseits eine bewußtere Zusammenarbeit zwischen den Diözesen alter Tradition und den Regionen der ersten Evangelisierung fördern. Die Aufforderung von Pius XII. ist in diesen fünf Jahrzehnten von allen meinen Vorgängern wiederholt bekräftigt worden, und auch dank des Impulses, der vom II. Vatikanischen Konzil ausging, hat sich die Zahl der »Fidei donum«-Priester vervielfacht, die, manchmal unter nicht geringen Opfern für ihre Heimatdiözesen, zusammen mit Ordensleuten und freiwilligen Laien in die Mission nach Afrika und in andere Gegenden der Welt gegangen sind. Ich möchte hier diesen unseren Brüdern und Schwestern, von denen einige für die Verbreitung des Evangeliums ihr Leben gelassen haben, meinen besonderen Dank zum Ausdruck bringen. Wie ihr sehr wohl wißt, hinterläßt die missionarische Erfahrung in dem, der sie vollzieht, ein unauslöschliches Zeichen und trägt gleichzeitig dazu bei, jene kirchliche Gemeinschaft zu stärken, die bewirkt, daß sich alle Getauften als Glieder der einen Kirche, des mystischen Leibes Christi, fühlen. Im Laufe dieser Jahrzehnte sind die missionarischen Kontakte und der Austausch, auch dank der Entwicklung und Vermehrung der Kommunikationsmittel, ausgeweitet und intensiviert worden, so daß die Kirche praktisch mit jeder Zivilisation und Kultur in Kontakt gekommen ist. Andererseits stellte der Gabenaustausch zwischen alten und neu gegründeten Kirchengemeinden eine gegenseitige Bereicherung dar und hat das Wachsen des Bewußtseins gefördert, daß alle »Missionare« sind, das heißt, daß alle, wenn auch auf verschiedene Weise, in die Verkündigung und in das Zeugnis des Evangeliums mit einbezogen sind.

Während wir dem Herrn für den gegenwärtigen missionarischen Einsatz danken, können wir gleichzeitig nicht die Schwierigkeiten übersehen, die heute in diesem Bereich auftreten. Ich beschränke mich darauf, besonders auf den zahlenmäßigen Rückgang und die Überalterung des Klerus in den Diözesen, die einst Missionare in ferne Länder entsandten, hinzuweisen. Im Zusammenhang mit einer verbreiteten Krise der Priesterberufungen stellt das sicher eine Herausforderung dar, mit der man sich auseinandersetzen muß. Der von der Päpstlichen Missionsvereinigung veranstaltete Kongreß zum 50. Jahrestag der Veröffentlichung der Enzyklika Fidei donum hat euch die Möglichkeit gegeben, diese Situation, die die Kirche heute erlebt, sorgfältig zu analysieren. Auch wenn wir die Probleme und Schatten nicht ignorieren können, gilt es dennoch, den Blick vertrauensvoll in die Zukunft zu richten, indem wir in einer gegenüber den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zweifellos veränderten Welt den »Fidei donum«-Missionaren eine erneuerte und authentischere Identität zuerkennen. Auch wenn es in unserer Zeit für die Evangelisierung viele Herausforderungen gibt, so gibt es doch auch viele Zeichen der Hoffnung, die in jedem Teil der Welt von einer ermutigenden missionarischen Lebenskraft des christlichen Volkes zeugen. Vor allem möge eines niemals aus dem Bewußtsein schwinden: Als der Herr die Jünger, bevor er sie verließ, um in den Himmel aufzusteigen, aussandte, sein Evangelium bis in den letzten Winkel der Welt zu verkünden, versicherte er ihnen: »Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (
Mt 28,20).

Liebe Brüder und Schwestern, diese Gewißheit darf uns nie verlassen. Der Herr der Ernte wird es nicht an Arbeitern für seine Ernte fehlen lassen, wenn wir ihn im Gebet und im fügsamen Hören auf sein Wort und seine Lehre vertrauensvoll und eindringlich darum bitten. In diesem Zusammenhang möchte ich die Aufforderung wieder aufnehmen, die Pius XII. an die damaligen Gläubigen richtete: »Besonders in diesen Jahren«, schrieb er in seiner Enzyklika, »die vielleicht für die Zukunft des Katholizismus in vielen Ländern entscheidend sind, wollen wir die Zahl der für die Missionen gefeierten Messen vermehren; das entspricht den Wünschen des Herrn, der seine Kirche liebt und will, daß sie sich an jedem Ort der Erde ausbreitet und blüht« (AAS XLIX, 239). Ich mache mir diese Aufforderung in der Überzeugung zu eigen, daß der Herr unseren unablässigen Bitten entgegenkommen und weiterhin den missionarischen Einsatz der Kirche mit reichen apostolischen Früchten segnen wird. Ich vertraue diesen Wunsch Maria, Mutter und Königin der Apostel, an, während ich euch, die ihr hier anwesend seid, und allen Missionaren der Welt von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen erteile.

AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DER INTERNATIONALEN UNION DER GENERALOBERINNEN

Montag, 7. Mai 2007

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Herr Kardinal,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Schwestern!

Es ist mir eine Freude, euch anläßlich der Vollversammlung der »Internationalen Union der Generaloberinnen« zu begegnen. Ich begrüße Herrn Kardinal Franc Rodé, den Präfekten der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, und danke ihm für die freundlichen Worte, die er an mich gerichtet hat. Mein Dank gilt außerdem der Präsidentin eurer Union, Schw. Therezinha Rasera, die nicht nur eure herzlichen Empfindungen, sondern auch die der Ordensfrauen in aller Welt zum Ausdruck gebracht hat. Ich begrüße darüber hinaus jede einzelne von euch, liebe Generaloberinnen, als Vertreterinnen von 794 weiblichen Ordensfamilien, die in 85 Ländern der fünf Kontinente wirken. Und durch euch danke ich dem unermeßlichen Heer von Zeugen der Liebe Christi, die an den Vorposten der Evangelisierung, der Erziehung und der sozialen Liebe tätig sind.

Wie eure Präsidentin erwähnte, ist das Thema der Vollversammlung, die ihr in diesen Tagen abhaltet, besonders interessant: »Berufen, eine neue Spiritualität zu weben, die Hoffnung und Leben für die ganze Menschheit hervorbringt«. Die von euch gewählte Thematik ist Frucht einer breitangelegten Reflexion über folgende Frage: »Wenn wir unsere Welt betrachten und ihrem Rufen, ihren Nöten, ihrem Durst und ihren Wünschen Gehör schenken - welchen Faden sind wir als Ordensfrauen und Verantwortungsträgerinnen unserer Kongregationen in diesem Augenblick zu weben berufen, um prophetische und mystische ›Weberinnen Gottes‹ zu werden«? Die aufmerksame Untersuchung der erhaltenen Antworten hat den Exekutivrat eurer Union zu der Erkenntnis geführt, daß das gewählte Symbol, das Symbol des »Webens« - ein in allen Kulturen vorhandenes typisch weibliches Bild -, dem entspricht, was die Generaloberinnen als geistliche und apostolische Dringlichkeit des gegenwärtigen Augenblicks wahrnahmen. In denselben Antworten wurden einige »Fäden« hervorgehoben - die Frau, die Migranten, die Erde und ihr sakraler Charakter, die Laien, der Dialog mit den Religionen der Welt -, die ihr für äußerst nützlich haltet, um in unserer heutigen Zeit eine erneuerte Spiritualität des geweihten Lebens zu »weben« und so einen apostolischen Ansatz zu schaffen, der den Erwartungen der Menschen besser entspricht.

Und mit eben diesen Themen setzt ihr euch während der Arbeiten eurer Vollversammlung auseinander. Ihr seid euch bewußt, daß jede Generaloberin berufen ist, Leiterin und Förderin, wie eure Präsidentin treffend unterstrichen hat, eines »mystischen und prophetischen« geweihten Lebens zu sein, das sich stark für die Verwirklichung des Reiches Gottes einsetzt. Das sind die »Fäden«, liebe Ordensfrauen, mit denen der Herr euch auffordert, heute das lebendige Gewebe eines fruchtbaren Dienstes an der Kirche und eines beredten Zeugnisses für das Evangelium zu »weben«, eines »immer alten und immer neuen« Zeugnisses, da es der Radikalität des Evangeliums treu ist und mutig Gestalt annimmt in der heutigen Wirklichkeit - besonders dort, wo die größte menschliche und geistliche Armut herrscht.

Das geweihte Leben steht in der heutigen Zeit gewiß nicht wenigen sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Herausforderungen gegenüber! Die fünf Bereiche der Pastoral, die von euch hervorgehoben wurden, sind ebenso viele »Fäden«, die gewebt und mit dem komplexen Gewebe des täglichen Lebens, mit den zwischenmenschlichen Beziehungen und mit dem Apostolat verknüpft werden müssen. Nicht selten geht es darum, unerforschte missionarische und geistliche Wege zu beschreiten, wobei man jedoch stets an der inneren Beziehung zu Christus gut festhalten muß. Nur aus dieser Vereinigung mit Gott entsteht und nährt sich nämlich die »prophetische« Rolle eurer Sendung, die in der »Verkündigung des Himmelreiches« besteht, einer Verkündigung, die zu jeder Zeit und in jeder Gesellschaft unverzichtbar ist.

Gebt daher niemals der Versuchung nach, euch von der inneren Vertrautheit mit eurem himmlischen Bräutigam zu entfernen und euch zu sehr von den Belangen und den Problemen des täglichen Lebens vereinnahmen zu lassen. Die Gründer und Gründerinnen eurer Institute konnten »prophetische Pioniere« in der Kirche sein, weil sie niemals das lebendige Bewußtsein verloren haben, in der Welt, aber nicht von der Welt zu sein, gemäß der ausdrücklichen Lehre Jesu (vgl.
Jn 17,14). Indem sie seinem Beispiel gefolgt sind, haben sie sich bemüht, mit Worten und konkreten Taten die Liebe Gottes durch die völlige Hingabe ihrer selbst zu vermitteln, und hielten dabei stets den Blick und das Herz fest auf ihn gerichtet.

Liebe Ordensfrauen, wenn ihr selbst den Spuren eurer Gründer und eurer Gründerinnen treu nachgehen und euren Mitschwestern helfen wollt, ihrem Vorbild zu folgen, dann pflegt die »mystische« Dimension des geweihten Lebens, haltet also stets eure Seele durch die Kontemplation mit Gott vereint. Der »Prophet«, wie die Heilige Schrift lehrt, hört erst zu und verweilt in der Betrachtung, dann spricht er und läßt sich dabei ganz durchdringen von jener Liebe zu Gott, die nichts fürchtet und sogar stärker ist als der Tod. Der echte Prophet sorgt sich daher nicht so sehr darum, Werke zu tun, was zweifellos wichtig ist, aber niemals wesentlich. Er bemüht sich vor allem, Zeuge der Liebe Gottes zu sein, indem er versucht, diese Liebe mitten in den Gegebenheiten der Welt zu leben, auch wenn seine Anwesenheit manchmal »unbequem« sein kann, weil er alternative Werte anbietet und verkörpert.

Eure vorrangige Sorge sei daher, euren Mitschwestern zu helfen, in erster Linie Christus zu suchen und sich großherzig in den Dienst des Evangeliums zu stellen. Werdet nicht müde, der menschlichen, kulturellen und geistlichen Bildung der euch anvertrauten Personen alle Sorgfalt zu widmen, damit sie in der Lage seien, auf die heutigen kulturellen und sozialen Herausforderungen zu antworten. Seid die ersten, die mit gutem Beispiel vorangehen und Bequemlichkeiten, Annehmlichkeiten und Vorteile meiden, um eure Sendung zu erfüllen. Teilt die Reichtümer eurer Charismen mit denjenigen, die sich für die einzige Sendung der Kirche einsetzen: den Aufbau des Reiches. Stellt zu diesem Zweck eine ausgeglichene und herzliche Zusammenarbeit her mit den Priestern, mit den Laien und besonders mit den Familien, um den Leiden und Nöten sowie der materiellen und besonders der geistlichen Armut vieler unserer Zeitgenossen entgegenzukommen. Pflegt darüber hinaus die aufrichtige Gemeinschaft und die offene Zusammenarbeit mit den Bischöfen, den Hauptverantwortlichen für die Evangelisierung in den Teilkirchen.

Liebe Schwestern, diese eure Generalversammlung findet in der Osterzeit statt, in der die Liturgie uns einlädt, mit unablässiger Freude zu verkünden: »Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen«. Die Freude und der Friede des Osterfestes mögen euch begleiten und stets in euch sein, in jeder eurer Gemeinschaften. Macht euch bei jeder Gelegenheit zu Boten dieser österlichen Freude, wie die Frauen, die, als sie zum Grab gingen, es leer vorfanden und denen die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn geschenkt wurde. Freudig liefen sie dann zu den Aposteln, um es ihnen zu verkünden. Maria, Königin der Jungfrauen, und eure heiligen und seligen Gründer und Gründerinnen mögen über euch und eure jeweiligen Ordensfamilien wachen. Indem ich euch ihrer Fürsprache anvertraue, versichere ich euch von Herzen eines Gedenkens im Gebet und erteile gerne allen einen besonderen Apostolischen Segen.

APOSTOLISCHE REISE

VON PAPST BENEDIKT XVI.

NACH BRASILIEN ANLÄSSLICH DER V. GENERALKONFERENZ

DES EPISKOPATS VON LATEINAMERIKA UND DER KARIBIK


INTERVIEW MIT PAPST BENEDIKT XVI. WÄHREND DER FLUGREISE NACH BRASILIEN

Mittwoch, 9. Mai 2007

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Papst Benedikt XVI.: Guten Tag, wir befinden uns jetzt über der Sahara und fliegen zum »Kontinent der Hoffnung«. Ich reise mit großer Freude, mit vielen Hoffnungen zu dieser Begegnung mit Lateinamerika. Wir haben mehrere bedeutsame Termine: zuerst das Jugendtreffen in São Paulo, dann die Heiligsprechung des ersten in Brasilien geborenen Heiligen in São Paulo, was mir auch besonders Ausdruck dessen zu sein scheint, was diese Reise bedeuten soll. Es handelt sich um einen franziskanischen Heiligen, der in Brasilien das franziskanische Charisma verwirklicht hat und als ein Heiliger der Versöhnung und des Friedens gilt. Wir können also sagen, daß das ein deutliches Merkmal einer Persönlichkeit ist, die Frieden und damit auch soziale und menschliche Kohärenz zu schaffen wußte.

Dann ist noch ein anderes wichtiges Treffen in der »Fazenda da Esperança« geplant (die Gemeinschaft zur Rehabilitierung für Drogenabhängige, die der Papst
Am 12 besucht hat; Anm. ), an einem Ort, wo sich die Kraft der Heilung zeigt, die im Glauben steckt und die hilft, neue Lebenshorizonte zu öffnen. Alle diese Drogenprobleme usw. kommen ja von einem Mangel an Hoffnung auf die Zukunft. Es ist der Glaube, der die Zukunft öffnet und so auch heilen kann. Mir scheint also, daß diese Kraft zu heilen und Hoffnung zu schenken, indem sie einen Horizont für die Zukunft öffnet, sehr wichtig ist.

Und schließlich der Hauptzweck dieser Reise: die Begegnung mit den Bischöfen, die an der V. Generalversammlung der Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik teilnehmen. Es ist ein Treffen, das - sagen wir - einen spezifisch religiösen Inhalt hat: in Christus das Leben geben und Jünger Christi werden, weil wir wissen, daß wir alle das Leben haben wollen, aber das Leben ist nicht vollendet, wenn es nicht einen Inhalt in sich und darüber hinaus eine Richtung hat, in die es geht. In diesem Sinn entspricht es der religiösen Sendung der Kirche und öffnet auch die Augen für die Bedingungen, die zur Lösung der großen sozialen und politischen Probleme Lateinamerikas notwendig sind.

Die Kirche als solche macht keine Politik - wir respektieren die Laizität -, aber sie bietet die Bedingungen, unter denen eine gesunde Politik mit der daraus folgenden Lösung der sozialen Probleme reifen kann. Wir wollen also den Christen das Geschenk des Glaubens, der Freude am Glauben bewußt machen, dank derer es möglich ist, Gott zu erkennen und so auch den Sinn unseres Lebens. Die Christen können auf diese Weise Zeugen Christi sein und sowohl die notwendigen persönlichen als auch die großen sozialen Tugenden lernen: den Sinn für Gesetzlichkeit, der entscheidend ist für die Bildung einer Gesellschaft. Wir kennen die Probleme Lateinamerikas, aber wir wollen gerade jene Fähigkeiten, jene moralischen Kräfte mobilisieren, die es gibt, die religiösen Kräfte, um so der spezifischen Sendung der Kirche und unserer universalen Verantwortlichkeit für den Menschen als solchen und für die Gesellschaft als solche zu entsprechen.

Pater Lombardi: Ich möchte am Anfang dem »Globo« das Wort erteilen, der ja die Berichterstattung dieser Reise auch für das Fernsehen sicherstellt.

Frage: Heiligkeit, kann die Kirche etwas gegen die Gewalt tun, die in Brasilien unannehmbare Dimensionen erreicht hat?

Benedikt XVI.: Wer an Christus glaubt, wer an diesen Gott glaubt, der Versöhnung ist und der durch das Kreuz das stärkste Zeichen gegen die Gewalt gesetzt hat, ist nicht gewalttätig und hilft den anderen, die Gewalt zu überwinden. Das Größte, was wir tun können, ist, zum Glauben an Christus zu erziehen, zum Erlernen der Botschaft, die aus der Person Christi erwächst. Ein Mann, eine Frau mit Glauben zu sein, bedeutet automatisch, der Gewalt zu widerstehen, und das mobilisiert die Kräfte gegen sie.

Frage: Heiligkeit, in Brasilien gibt es einen Antrag auf ein Referendum über das Thema der Abtreibung; in Mexiko-Stadt wurde vor zwei Wochen die Abtreibung für straffrei erklärt. Was kann die Kirche tun, um diese Tendenz aufzuhalten, damit sie sich nicht auf andere lateinamerikanische Länder ausbreitet, wobei zu berücksichtigen ist, daß der Papst in Mexiko sogar der Einmischung beschuldigt wurde, weil er die Bischöfe unterstützt hatte? Sind Sie mit der mexikanischen Kirche einverstanden, daß die Abgeordneten, die diese den Werten Gottes widersprechenden Gesetze befürworten, exkommuniziert werden sollen?

Benedikt XVI.: Es gibt diesen großen Kampf der Kirche für das Leben. Sie wissen, daß Papst Johannes Paul II. ihn zu einem grundlegenden Punkt seines ganzen Pontifikats gemacht hat. Er hat eine große Enzyklika über das Evangelium des Lebens geschrieben. Wir setzen natürlich diese Botschaft fort, daß das Leben ein Geschenk und keine Bedrohung ist. Mir scheint, daß an der Wurzel dieser Gesetzgebungen einerseits ein gewisser Egoismus und anderseits auch ein Zweifel am Wert des Lebens, an der Schönheit des Lebens und auch ein Zweifel an der Zukunft steht. Und die Kirche antwortet vor allem auf diese Zweifel: Das Leben ist schön, es ist nichts Zweifelhaftes, sondern ein Geschenk, und das Leben bleibt auch unter schwierigen Bedingungen immer ein Geschenk. Es gilt also, dieses Bewußtsein von der Schönheit des Geschenks des Lebens zu erneuern. Und dann noch etwas anderes: der Zweifel an der Zukunft. Natürlich gibt es in der Welt vielfache Bedrohungen, aber der Glaube gibt uns die Sicherheit, daß Gott immer stärker ist und in der Geschichte gegenwärtig bleibt, so daß wir mit Vertrauen auch neuen Menschen das Leben schenken können. In dem Bewußtsein, das uns der Glaube von der Schönheit des Lebens und der Vorsehung und Gegenwart Gottes in unserer Zukunft gibt, können wir diesen Ängsten widerstehen, die die Ursache dieser Gesetzgebungen sind.

Frage (Brasilianisches Fernsehen): Heiligkeit, wir stellen fest, daß in Ihren Ansprachen vom Relativismus in Europa, von der Armut in Afrika die Rede ist, aber daß Lateinamerika ein wenig fehlt, vielleicht weil es keinen Grund zur Besorgnis gibt, oder werden Sie sich vielleicht in Zukunft in spezifischerer Weise dazu äußern?

Benedikt XVI.: Nein, ich liebe Lateinamerika sehr, ich habe Lateinamerika oft besucht und habe dort viele Freunde, und ich weiß, wie groß die Probleme sind und wie groß anderseits der Reichtum dieses Kontinents ist. Zur Zeit sehen wir aber, daß die Probleme des Nahen Ostens, des Heiligen Landes, des Irak usw. dominieren. Es gilt also, sozusagen eine unmittelbare Priorität zu berücksichtigen. Auch die Leiden Afrikas sind gewaltig, wie wir wissen. Aber nicht weniger Sorge machen mir die Probleme Lateinamerikas, denn ich liebe Lateinamerika nicht weniger, den großen - nein, den größten - katholischen Kontinent und damit auch die größte Verantwortlichkeit für einen Papst. Deshalb bin ich glücklich, daß endlich der Moment für mich gekommen ist, nach Lateinamerika reisen zu können, die von Paul VI. und Johannes Paul II. übernommene Verpflichtung zu bekräftigen und auf derselben Linie fortzusetzen. Der Papst möchte natürlich, daß es nicht nur der katholische Kontinent ist, sondern auch ein vorbildlicher Kontinent, wo die menschlichen Probleme, die gewaltig sind, in angemessener Weise gelöst werden. Und wo man mit den Bischöfen, den Priestern, den Ordensleuten und den Laien zusammenarbeitet, damit dieser große katholische Kontinent auch wirklich ein Kontinent des Lebens und der Hoffnung ist. Das ist für mich eine erstrangige Priorität.

Frage: Heiligkeit, in Ihrer Ansprache bei der Ankunft sagen Sie, daß es gilt, Christen zu formen, indem moralische Richtlinien erteilt werden; die Christen entscheiden dann frei und verantwortungsbewußt. Billigen sie die Exkommunikation der Abgeordneten in Mexiko-Stadt bezüglich der Frage der Abtreibung?

Benedikt XVI.: Die Exkommunikation ist nicht etwas Willkürliches, sondern vom Codex (Anm.d.Red.: Codex des Kanonischen Rechtes ) vorgesehen. Es steht also einfach im kanonischen Recht, daß die Tötung eines unschuldigen Kindes unvereinbar ist mit dem Gang zur Kommunion, wo man den Leib Christi empfängt. Es wurde also nichts Neues, nichts Überraschendes oder Willkürliches erfunden. Es wurde nur öffentlich auf das hingewiesen, was vom Kirchenrecht vorgesehen ist, von einem Recht, das auf der Lehre und auf dem Glauben der Kirche gründet, auf unserer Hochschätzung für das Leben und für die menschliche Individualität vom ersten Augenblick an. Anschließend stellte einer der Journalisten eine Frage auf deutsch, die der Heilige Vater auf italienisch beantwortete: Benedikt XVI.: Ich antworte auf italienisch. Sie fragten mich, ob ich mich von den Deutschen genügend unterstützt fühle und ob ich auch ein wenig Heimweh nach Deutschland habe. Ja, ich fühle mich genügend unterstützt; es ist normal, daß in einem protestantisch und katholisch gemischten Land nicht alle Getauften mit dem Papst übereinstimmen; das ist völlig normal. Aber mir scheint, daß es doch eine starke Unterstützung gibt, auch vom nichtkatholischen Teil Deutschlands. Also ja, es gibt die Unterstützung, und sie hilft mir. Ich liebe meine Heimat, aber ich liebe auch Rom, und jetzt bin ich Weltbürger. Und so bin ich überall zu Hause und bin meinem Land wie allen anderen nahe.

Frage: Guten Tag, Heiligkeit! In Ihrem Buch »Jesus von Nazareth« haben sie von einer dramatischen Glaubenskrise gesprochen. In Lateinamerika gibt es vielleicht diese Glaubenskrise nicht in dem Ausmaß, wohl aber in abgeschwächter Form. Die Theologie der Befreiung wurde von der Theologie der protestantischen Sekten ersetzt, die billige Paradiese des Glaubens versprechen, und die katholische Kirche verliert Gläubige. Wie kann man diese Abwanderung der katholischen Gläubigen aufhalten?

65 Benedikt XVI.: Das ist unsere gemeinsame Sorge. Wir wollen gerade in dieser V. Generalversammlung der Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik überzeugende Antworten finden, und dafür wird schon gearbeitet. Dieser Erfolg der Sekten zeigt einerseits, daß es einen verbreiteten Durst nach Gott gibt, einen Durst nach Religion; die Menschen wollen Gott nahe sein und suchen nach einem Kontakt mit ihm. Anderseits natürlich nehmen sie auch den an, der sich anbietet und Lösungen für ihre Probleme des täglichen Lebens verspricht. Wir müssen als katholische Kirche gerade das verwirklichen, was der Zweck der V. Generalversammlung ist - das heißt, missionarischer und damit dynamischer sein im Anbieten von Antworten auf den Durst nach Gott; wir müssen uns bewußt sein, daß die Menschen und gerade die Armen, Gott nahe bei sich haben wollen. Wir wissen, daß wir ihnen zusammen mit dieser Antwort auf den Durst nach Gott helfen müssen, gerechte Lebensbedingungen zu finden, dies sowohl auf mikroökonomischer Ebene in den konkreten Situationen, wie es die Sekten tun, als auch auf makroökonomischer Ebene, wobei wir auch an alle Notwendigkeiten der Gerechtigkeit denken.

Frage: Zur Frage meines Kollegen. In Brasilien gibt es mancherorts noch viele Vertreter der Befreiungstheologie. Was ist die besondere Botschaft an diese Vertreter der Befreiungstheologie?

Benedikt XVI.: Ich würde sagen, daß sich infolge der veränderten politischen Situation auch die Situation der Befreiungstheologie tiefgreifend verändert hat, und jetzt ist es offensichtlich, daß diese bequemen Millenarismen, die als unmittelbare Folge der Revolution die vollständigen Bedingungen eines gerechten Lebens versprachen, falsch waren. Das wissen heute alle. Die Frage ist jetzt, wie die Kirche im Kampf um die notwendigen Reformen, im Kampf um gerechtere Lebensbedingungen präsent sein soll. Diesbezüglich trennen sich die Ansichten der Theologen, insbesondere die der Vertreter der politischen Theologie. Mit der Instruktion, die damals von der Kongregation für die Glaubenslehre gegeben wurde, haben wir versucht, eine Unterscheidung durchzuführen, das heißt, uns von den falschen Millenarismen zu befreien, uns auch von einer falschen Vermischung von Kirche und Politik, von Glauben und Politik zu befreien; wir haben versucht, den spezifischen Teil der Sendung der Kirche aufzuzeigen, der gerade in der Antwort auf den Durst nach Gott besteht, und somit auch zu den persönlichen und sozialen Tugenden anzuleiten, die die notwendige Voraussetzung sind, um den Sinn für Gesetzlichkeit reifen zu lassen. Und anderseits haben wir versucht, die Leitlinien für eine richtige Politik vorzustellen, die nicht wir machen, aber für die wir die Leitlinien und die entscheidenden Grundwerte herausstellen und - sagen wir - die menschlichen, sozialen und psychologischen Bedingungen schaffen müssen, unter denen solche Werte gedeihen können. Es ist also Raum für eine schwierige, aber legitime Debatte darüber, wie man dieses Ziel erreichen kann und wie man der Soziallehre der Kirche Wirksamkeit verleihen kann. In diesem Sinn versuchen auch einige Befreiungstheologen, auf diesem Weg zu gehen, andere nehmen andere Positionen ein. Auf jeden Fall war der Sinn des Eingreifens des Lehramtes nicht der, den Einsatz für die Gerechtigkeit zu zerstören, sondern ihn unter Achtung des rechten Unterschieds zwischen politischer und kirchlicher Verantwortlichkeit auf den richtigen Weg zu führen.

Frage: Wir wissen, daß Sie als Kardinal zweimal in Kolumbien waren, und wir wissen, daß Kolumbien in Ihrem Herzen einen starken Eindruck hinterlassen hat. Wir möchten wissen, was die Kirche tun kann, damit wir vor allem in dieser Situation des inneren Konflikts in Kolumbien vorangehen können.

Benedikt XVI.: Ich bin natürlich kein Orakel, das automatisch immer die richtige Antwort findet. Wir wissen, daß sich die Bischöfe ernsthaft bemühen, diese Antworten zu finden. Ich kann nur die Grundlinie der Bischöfe bekräftigen, das heißt einen deutlichen Verweis darauf geben, daß der Glaube in den Mittelpunkt zu stellen ist, was die sicherste Gewähr gegen die Zunahme von Gewalt ist; dazu gehört der entschiedene Einsatz für eine Gewissensbildung, die aus Situationen hinausführt, die mit dem Glauben unvereinbar sind. Natürlich sind, sagen wir mal, wirtschaftliche Umstände im Spiel, wo Kleinbauern von einem bestimmten Markt leben, der dann die großen Verdienste woanders bringt. Man kann nicht sofort, in einem Augenblick, diese vielen wirtschaftlichen, politischen und ideologischen Verwicklungen lösen, aber man muß sehr entschlossen vorangehen in der aufrichtigen Zustimmung zu einem Glauben, der die Achtung der Gesetzlichkeit sowie die Liebe und Verantwortung für den Nächsten einschließt. Mir scheint, daß die Glaubensbildung die sicherste Humanisierung ist, auch um dann mit der Zeit diese sehr konkreten Probleme zu lösen.

Frage: Heiligkeit, wir kommen in den Kontinent von Erzbischof Oscar Romero. Man hat viel von seinem Heiligsprechungsprozeß gesprochen. Wollen Sie, Heiligkeit, uns freundlicherweise sagen, wie weit wir damit sind, ob er heiliggesprochen wird und wie Sie diese Gestalt sehen?

Benedikt XVI.: Nach den letzten Informationen über die Tätigkeit der zuständigen Kongregation werden viele Fälle bearbeitet, ich weiß, daß sie vorangehen. Seine Exzellenz Bischof Paglia hat mir eine bedeutsame Biographie gesandt, die viele Punkte in dieser Hinsicht klärt. Erzbischof Romero war sicher ein großer Glaubenszeuge, ein Mann von großer christlicher Tugend, der sich für den Frieden und gegen die Diktatur eingesetzt hat und der während der Feier der heiligen Messe ermordet wurde. Also ein wahrhaft »glaubwürdiger« Tod, der Tod eines Glaubenszeugen. Es gab das Problem, daß eine politische Seite ihn unrechtmäßig für sich als Galionsfigur, als emblematische Gestalt beanspruchte. Wie kann man nun seine Gestalt ins rechte Licht rücken und sie vor diesen Versuchen der Instrumentalisierung schützen? Das ist das Problem. Es wird geprüft, und ich warte und vertraue auf das, was die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse dazu sagen wird.

Frage: Wie sehen Sie die Frage bezüglich des Einflusses seitens der politischen Links-Regime in Lateinamerika auf das Projekt, das die Kirche für den Kontinent hat, und wie sehr war die brasilianische Kultur Teil Ihrer persönlichen Bildung?

Benedikt XVI.: Nun, über diese Aspekte der Politik der Linken kann ich jetzt nichts sagen, weil ich nicht genügend informiert bin. Außerdem, das ist klar, möchte ich mich nicht mit Fragen befassen, die unmittelbar zur Politik gehören. Was meine Bildung betrifft - sagen wir - meinen persönlichen Einsatz für Brasilien, ist zu berücksichtigen, daß es sich um das größte Land Lateinamerikas handelt, ein Land, das von Amazonien bis Argentinien reicht. In Brasilien gibt es mehrere indigene Kulturen. Man sagte mir, daß es über 80 verschiedene Sprachen gibt. Anderseits ist da auch die große Vergangenheit, in der die Anwesenheit von Afroamerikanern und von Afrobrasilianern zu verzeichnen ist. Es ist interessant, wie dieses Volk entstanden ist und wie sich in ihm der katholische Glaube entwickelt hat: der Glaube wurde zu allen Zeiten und unter großen Schwierigkeiten verteidigt. Wir wissen, daß die Kirche im 19. Jahrhundert von neoliberalen Kräften verfolgt wurde. Für meine Bildung also war wichtig, die Entwicklung dieser katholischen Völker Lateinamerikas zu verfolgen. Ich bin kein Spezialist, aber ich bin überzeugt, daß sich hier zumindest zum Teil - und zwar zum grundlegenden Teil - die Zukunft der katholischen Kirche entscheidet. Das war für mich immer klar. Natürlich spüre ich das Bedürfnis, meine Kenntnisse von dieser Welt noch zu vertiefen.

Frage: Die Portugiesen verfolgen diese Reise, die mit dem 13. Mai zusammenfällt, und beten für sie. Sie werden in Aparecida sein. Dieses Datum ist für uns sehr wichtig, weil dies der 90. Jahrestag der Erscheinungen in Fatima ist. Wollen Sie uns etwas über dieses Zusammenfallen der Daten für das portugiesische Volk sagen?

Benedikt XVI.: Für mich ist es wirklich ein Geschenk der Vorsehung, daß meine Messe in Aparecida, dem großen Marienheiligtum Brasiliens, mit dem 90. Jahrestag der Erscheinungen der Gottesmutter von Fatima zusammenfällt. So sehen wir, daß dieselbe Mutter Gottes, die Mutter der Kirche, unsere Mutter, in verschiedenen Kontinenten gegenwärtig ist und daß sie sich in den verschiedenen Kontinenten immer in der gleichen Weise als Mutter zeigt, indem sie eine besondere Nähe zu jedem Volk offenbart. Das ist sehr schön für mich. Es ist immer die Mutter Gottes, es ist immer Maria, sie ist jedoch sozusagen »inkulturiert«: Sie hat ihr eigenes Gesicht, ihr besonderes Antlitz, in Guadalupe, in Aparecida, in Fatima, in Lourdes, in allen Ländern der Erde. Gerade so also zeigt sie sich als Mutter: indem sie allen nahe ist. Auf diese Weise kommen sich alle einander näher dank dieser Liebe zur Gottesmutter. Diese Verbindung, die die Gottesmutter zwischen den Kontinenten, den Kulturen schafft, indem sie jeder Kultur nahe ist und sie gleichzeitig alle untereinander eint, gerade das scheint mir wichtig: das Zusammenkommen der Besonderheit der Kulturen - von denen jede ihren eigenen Reichtum hat - und die Einheit in derselben Gemeinschaft der Familie Gottes.

Frage (in Portugiesisch): In Brasilien gibt es manchen, der die Botschaft der Kirche nicht hören will.

Benedikt XVI.: Das ist keine Besonderheit von Brasilien. In allen Teilen der Welt gibt es überaus viele, die nicht auf das hören wollen, was die Kirche sagt. Wir hoffen, daß sie es wenigstens hören; dann können sie auch anderer Meinung sein; aber es ist wichtig, daß sie es zumindest vernehmen, damit sie antworten können. Wir suchen auch diejenigen zu überzeugen, die nicht übereinstimmen und nicht hören wollen. Wir dürfen nicht vergessen, daß es auch unserem Herrn nicht gelungen ist, daß ihm alle zugehört haben. Wir erwarten nicht, alle schlagartig überzeugen zu können. Aber ich versuche mit Hilfe meiner Mitarbeiter, in diesem Augenblick zu Brasilien zu sprechen in der Hoffnung, daß sehr viele zuhören wollen und daß sich sehr viele davon überzeugen, daß das der Weg ist, den man gehen muß, ein Weg, der aber auch für viele Optionen und unterschiedliche Meinungen offen ist.



ANSPRACHE 2007 Januar 2007 60