ANSPRACHE 2006 121


APOSTOLISCHE REISE VON PAPST BENEDIKT XVI.

NACH MÜNCHEN, ALTÖTTING UND REGENSBURG

(9.-14. SEPTEMBER 2006)

WEIHE DER NEUEN ORGEL IN DER ALTEN KAPELLE

GEBET UND GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI.


Alte Kapelle, Regensburg

Mittwoch, 13. September 2006

Liebe Freunde!


Dieses altehrwürdige Gotteshaus, die Basilika Unserer Lieben Frau zur Alten Kapelle, ist prachtvoll renoviert - wir sehen es - und erhält mit dem heutigen Tag eine neue Orgel, die in dieser Stunde gesegnet und so feierlich ihrem Zweck, der Verherrlichung Gottes und der Auferbauung des Glaubens, übergeben wird.

Von einem Kanoniker dieses Stiftes, Carl Joseph Proske, gingen im 19. Jahrhundert wesentliche Impulse zur Erneuerung der Kirchenmusik aus. Der gregorianische Choral und die altklassische Vokalpolyphonie wurden in den liturgischen Ablauf integriert. Die Pflege der liturgischen Kirchenmusik in der Alten Kapelle war von überregionaler Bedeutung und machte Regensburg zu einem Zentrum der kirchenmusikalischen Reformbewegung, deren Auswirkung bis in die Gegenwart reicht.

In der Liturgie-Konstitution des II. Vaticanums (Sacrosanctum Concilium) wird verdeutlicht, daß „der mit dem Wort verbundene gottesdienstliche Gesang ein notwendiger und integrierender Bestandteil der feierlichen Liturgie ist“ (vgl. SC 112). Das bedeutet, daß Musik und Gesang mehr sind als eine (auch überflüssige) Zierde des Gottesdienstes: Sie gehören zum Vollzug der Liturgie, ja, sind selbst Liturgie. Feierliche Kirchenmusik mit Chor, Orgel, Orchester und Volksgesang ist also keine die Liturgie umrahmende und verschönende Zutat, sondern eine wichtige Weise tätiger Teilnahme am gottesdienstlichen Geschehen. Die Orgel wird seit alters und zu Recht als die Königin der Instrumente bezeichnet, weil sie alle Töne der Schöpfung aufnimmt und - es wurde gerade gesagt - die Fülle des menschlichen Empfindens von der Freude bis zur Traurigkeit, vom Lob bis zur Klage zum Schwingen bringt. Darüber hinaus weist sie, wie alle gute Musik, über das Menschliche hinaus auf das Göttliche hin. Die Vielfalt ihrer Klangfarben, vom Leisen bis zum überwältigenden Fortissimo, erhebt sie über alle anderen Instrumente. Alle Bereiche des menschlichen Seins kann sie zum Klingen bringen. Die vielfältigen Möglichkeiten der Orgel mögen uns irgendwie an die Unbegrenztheit und Herrlichkeit Gottes erinnern.

Im Psalm 150, den wir eben gehört und innerlich mitgebetet haben, werden Hörner und Flöten, Harfen und Zithern, Zimbeln und Pauken genannt, all diese Instrumente sollen zum Lob des dreifaltigen Gottes beitragen. In einer Orgel müssen die vielen Pfeifen und die Register eine Einheit bilden. Klemmt es hier oder dort, ist eine Pfeife verstimmt, dann ist dies zunächst vielleicht nur für ein geübtes Ohr vernehmbar. Sind mehrere Pfeifen nicht mehr richtig gestimmt, gibt es Disharmonien, und es wird unerträglich. Auch die Pfeifen dieser Orgel sind Temperaturschwankungen und Ermüdungseinflüssen ausgesetzt. Das ist ein Bild für unsere Gemeinschaft in der Kirche. Wie in der Orgel eine berufene Hand immer wieder die Disharmonien zum rechten Klang vereinen muß, so müssen wir auch in der Kirche in der Vielfalt der Gaben und der Charismen immer neu durch die Gemeinschaft des Glaubens den Einklang im Lob Gottes und in der geschwisterlichen Liebe finden. Je mehr wir uns durch die Liturgie in Christus verwandeln lassen, um so mehr werden wir fähig sein, auch die Welt zu verwandeln, indem wir die Güte, die Barmherzigkeit und Menschenfreundlichkeit Christi ausstrahlen.

Die großen Komponisten haben je auf ihre Weise mit ihrer Musik letztlich Gott verherrlichen wollen. Johann Sebastian Bach hat viele seiner Partituren mit den Buchstaben S.D.G. überschrieben; Soli Deo Gloria - Gott allein die Ehre. Und Anton Bruckner setzte den Satz voraus: Dem lieben Gott gewidmet. Mögen alle Besucher dieser herrlichen Basilika von der Pracht dieses Bauwerkes über die Liturgie mit dem Wohlklang der neuen Orgel und dem festlichen Gesang zur Freude am Glauben geführt werden. Das ist mein Wunsch am Tag der Einweihung dieser neuen Orgel.



GEBET


Großer Gott,
122 du willst, dass wir Menschen dir
in der Freude des Herzens dienen.
Deshalb lassen wir Musik und Instrumente
zu deinem Lob erklingen.

Du hast deinem Diener Mose
den Auftrag gegeben,
Posaunen anzufertigen,
damit sie bei der Feier des Opfers erschallen.

Mit Flöten - und Harfenklang
hat das auserwählte Volk
dir seine Loblieder gesungen.

123 Dein Sohn ist Mensch geworden
und hat jenen Lobgesang
auf diese Erde gebracht,
der im Himmel durch alle Ewigkeit erklingt.

Der Apostel mahnt uns,
dir aus vollem Herzen zu singen
und zu jubeln.

In dieser festlichen Stunde bitten wir dich:
Segne + diese Orgel,
damit sie zu deiner Ehre ertöne
und unsere Herzen emporhebe zu dir.

124 Wie die vielen Pfeifen
sich in einem Klang vereinen,
so lass uns als Glieder deiner Kirche
in gegenseitiger Liebe
und Brüderlichkeit verbunden sein,
Damit wir einst mit allen Engeln und Heiligen
in den ewigen Lobgesang
deiner Herrlichkeit einstimmen.

Das gewähre uns durch Christus,
unseren Herrn.
Amen.

APOSTOLISCHE REISE VON PAPST BENEDIKT XVI.

NACH MÜNCHEN, ALTÖTTING UND REGENSBURG

(9.-14. SEPTEMBER 2006)

BEGEGNUNG MIT DEN PRIESTERN UND STÄNDIGEN DIAKONEN BAYERNS


125
Kathedrale Hl. Maria und Hl. Korbinian, Freising

Donnerstag, 14. September 2006

Liebe Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,

liebe Schwestern und Brüder!

Dies ist für mich ein Augenblick der Freude und einer großen Dankbarkeit - Dankbarkeit für alles, was ich auf diesem Pastoralbesuch in Bayern erleben und empfangen durfte. So viel Herzlichkeit, so viel Glaube, so viel Freude an Gott, daß es mich tief getroffen hat und als Quelle neuer Kraft mit mir geht. Dankbarkeit dann besonders dafür, daß ich nun am Ende noch in den Freisinger Dom zurückkehren durfte und daß ich ihn in seiner leuchtenden neuen Gestalt sehen darf. Dank Kardinal Wetter, Dank den anderen beiden bayerischen Bischöfen, Dank aber allen, die mitgearbeitet haben, Dank der Vorsehung, die die Renovierung des Domes ermöglicht hat, der nun in dieser neuen Schönheit dasteht! Jetzt, da ich in diesem Dom stehe, steigen so viele Erinnerungen in mir wieder auf, auch wenn ich die alten Weggefährten sehen darf, und die jungen Priester, die die Botschaft, die Fackel des Glaubens, weitertragen. Es tauchen die Erinnerungen daran auf - Kardinal Wetter hat es eben schon angedeutet -, wie ich hier bei der Priesterweihe auf dem Boden hingestreckt lag und, gleichsam eingehüllt in die Allerheiligenlitanei, in die Bitte aller Heiligen, wußte, daß wir auf diesem Weg nicht allein sind, sondern daß die große Schar der Heiligen mit uns geht und daß die lebendigen Heiligen, die Gläubigen von heute und von morgen, uns mittragen und begleiten. Dann der Augenblick der Handauflegung… und schließlich, als Kardinal Faulhaber uns das Wort Jesu zurief: „Iam non dico vos servos, sed amicos“ - „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, sondern Freunde“, da habe ich Priesterweihe erfahren als Einweihung in die Gemeinschaft der Freunde Jesu, die gerufen sind, mit ihm zu sein und seine Botschaft zu verkünden.

Erinnerung dann daran, daß ich hier selbst Priester und Diakone weihen durfte, die nun im Dienst des Evangeliums stehen und die Botschaft durch viele Jahre hindurch - und es sind jetzt schon Jahrzehnte! - weitergetragen haben und immer noch weitertragen. Und dann denke ich natürlich an die Korbinian-Prozessionen. Damals war es noch so, daß man den Schrein öffnete. Und da der Bischof hinter dem Schrein stand, konnte ich direkt auf den Schädel des heiligen Korbinian schauen und mich in der Prozession der Jahrhunderte sehen, die den Weg des Glaubens geht - sehen, daß wir in dieser großen „Prozession aller Zeiten“ mitgehen dürfen und sie fortführen in die Zukunft hinein, was ganz deutlich wurde, wenn der Weg durch den Kreuzgang und an den vielen dort versammelten Kindern vorbeiführte, denen ich das Segenskreuz aufdrücken durfte. In diesem Augenblick spüren wir es wieder, daß wir in der großen Prozession, in der Pilgerschaft des Evangeliums stehen, daß wir zugleich Pilger und Pilgerführer sein dürfen und daß wir denen nachgehen, die Christus nachgegangen sind, mit ihnen ihm selbst nachgehen und so ins Licht hinein gehen.

Jetzt sollte ich zur eigentlichen Predigt kommen, und da möchte ich nur auf zwei Punkte näher eingehen. Der eine bezieht sich auf das eben vorgetragene Evangelium, das wir alle so oft gehört und ausgelegt und in unserem Herzen betrachtet haben. „Die Ernte ist groß“, sagt der Herr. Und wenn er sagt: „…ist groß“, dann meint er es nicht nur für jenen Augenblick und für die Wege Palästinas, über die er in seinem Erdenleben pilgerte, dann gilt das auch für heute. Das heißt: In den Herzen der Menschen wächst Ernte. Das heißt, noch einmal: In ihnen ist das Warten auf Gott da. Das Warten auf eine Weisung, die Licht ist, die den Weg zeigt. Das Warten auf ein Wort, das mehr ist als Wort. Das Hoffen, das Warten auf die Liebe, die über den Augenblick hinaus uns ewig trägt und empfängt. Die Ernte ist groß und wartet in allen Generationen auf Erntearbeiter. Und in unterschiedlicher Weise gilt in allen Generationen auch immer das andere Wort: „Der Arbeiter sind wenige“.

„Bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter sendet!“ Das bedeutet: Die Ernte ist da, aber Gott will sich der Menschen bedienen, damit sie eingebracht werde. Gott braucht Menschen. Er braucht solche, die sagen: Ja, ich bin bereit, dein Erntearbeiter zu werden, ich bin bereit zu helfen, daß diese Ernte, die in den Menschen reift, wirklich in die Scheunen der Ewigkeit eingehen und Gottes ewige Gemeinschaft der Freude und der Liebe werden kann. „Bittet den Herrn der Ernte!“ Das will auch sagen: Wir können Berufungen nicht einfach „machen“, sie müssen von Gott kommen. Wir können nicht, wie vielleicht in anderen Berufen, durch gezieltes Management, entsprechende Strategien sozusagen, einfach Leute rekrutieren. Die Berufung muß immer den Weg vom Herzen Gottes aus zum Herzen des Menschen finden. Und trotzdem: Gerade, damit sie im Herzen der Menschen ankommen kann, ist auch unser Mittun gefordert. Den Herrn der Ernte darum bitten, das bedeutet gewiß zu allererst, daß wir darum beten, daß wir an seinem Herzen rütteln und sagen: „Tu es doch! Wecke die Menschen auf! Entzünde in ihnen die Begeisterung für das Evangelium und die Freude daran! Laß sie erkennen, daß es der Schatz über allen Schätzen ist und daß, wer es entdeckt hat, es weitergeben muß!“

Wir rütteln am Herzen Gottes. Aber Gott bitten geschieht eben nicht nur in den Gebetsworten, sondern darin, daß aus Wort Tun wird, daß aus unserem betenden Herzen dann der Funke der Freude an Gott, der Freude am Evangelium, der Bereitschaft zum „Ja-sagen“ in die anderen Herzen überspringt. Als betende Menschen, als von seinem Licht Erfüllte, kommen wir zu den anderen, ziehen sie in unser Gebet und so in die Gegenwart Gottes hinein, der dann das Seine tut. In diesem Sinn wollen wir immer neu den Herrn der Ernte bitten, an seinem Herzen rütteln und mit ihm in unserem Gebet auch die Herzen der Menschen anrühren, daß Gott nach seinem Willen darin das „Ja“ reifen lasse, die Bereitschaft; und dann die Beständigkeit, durch all die Wirrnisse der Zeit, durch die Hitze des Tages und auch durch das Dunkel der Nacht treu in seinem Dienst zu bleiben und von ihm her immer wieder zu erkennen - auch wenn es mühselig ist -, daß diese Mühsal schön ist, daß sie nützlich ist, weil sie zum Eigentlichen hilft, daß nämlich Menschen das empfangen, worauf sie bauen: Gottes Licht und Gottes Liebe.

Der zweite Punkt, den ich behandeln möchte, ist eine ganz praktische Frage. Die Zahl der Priester ist geringer geworden, auch wenn wir in diesem Augenblick sehen dürfen, daß es uns wirklich gibt, daß auch heute junge und alte Priester da sind, und daß junge Menschen vorhanden sind, die sich auf den Weg zum Priestertum machen. Aber die Lasten sind schwerer geworden: Zwei, drei, vier Pfarreien zusammen zu betreuen und dies mit all den neuen Aufgaben, die hinzugekommen sind, das kann entmutigend sein. Immer wieder wird die Frage an mich herangetragen, jeder einzelne stellt sie sich, stellt sie seinen Mitbrüdern: Wie sollen wir denn das machen? Ist das nicht ein Beruf, der uns ausbrennt, in dem wir am Ende eben keine Freude mehr haben können, weil wir sehen, daß es rundherum nicht reicht, was wir auch tun mögen? All das überfordert uns!

Was soll man dazu sagen? Nun, ich kann natürlich keine Patentrezepte geben, aber ich möchte doch ein paar Grundregeln vermitteln. Die erste nehme ich aus dem Philipperbrief (vgl. 2, 5-8), wo der heilige Paulus allen - und natürlich ganz besonders denen, die im Erntefeld Gottes arbeiten - sagt, daß wir „die Gesinnung Jesu Christi“ haben sollen. Seine Gesinnung war es, daß er es angesichts des Menschenschicksals in seiner Herrlichkeit gleichsam nicht mehr aushielt, sondern heruntersteigen und das Unglaubliche, die ganze Armseligkeit eines menschlichen Lebens annehmen mußte bis in die Stunde des Kreuzesleidens hinein. Das ist die Gesinnung Jesu Christi: sich gedrängt fühlen, zu den Menschen das Licht des Vaters zu bringen, ihnen zu helfen, damit Reich Gottes aus ihnen und in ihnen werde. Und die Gesinnung Jesu Christi ist es zugleich, daß er immer zutiefst in der Gemeinschaft mit dem Vater verwurzelt, in sie eingesenkt ist. Wir sehen es sozusagen äußerlich daran, daß die Evangelisten uns immer wieder erzählen, daß er sich auf den Berg zurückzieht, er allein, um zu beten. Sein Wirken kommt aus dem Eingesenktsein in den Vater: Gerade dieses Eingesenktsein in den Vater bedeutet, daß er herausgehen und durch alle Dörfer und Städte ziehen muß, um Gottes Reich, das heißt seine Gegenwart, sein „Dasein“ mitten unter uns zu verkündigen, damit es in uns Gegenwart werde und durch uns die Welt verwandle, damit sein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden, und der Himmel auf die Erde komme. Diese beiden Aspekte gehören zur Gesinnung Jesu Christi: Einerseits Gott von innen her kennen, Christus von innen her kennen, mit ihm beieinander sein. Nur wenn das gegeben ist, entdecken wir den „Schatz“ wirklich. Und dann müssen wir andererseits auch zu den Menschen gehen, dann können wir ihn nicht für uns behalten und müssen ihn weitergeben.

126 Diese Grundregel der Gesinnung Jesu Christi mit ihren beiden Seiten würde ich dann ins Praktische noch einmal umsetzen und sagen: Es muß das Miteinander von Eifer und Demut, das heißt der Anerkennung der eigenen Grenzen, geben. Einerseits der Eifer: Wenn wir Christus wirklich immer neu begegnen, können wir ihn nicht für uns behalten. Dann drängt es uns, zu den Armen, zu den Alten, zu den Schwachen und ebenso auch zu den Kindern und zu den Jugendlichen, zu den Menschen auf der Höhe des Lebens zu gehen, dann drängt es uns, „Evangelisten“, Apostel Jesu Christi zu sein. Aber dieser Eifer, damit er nicht leer wird und uns zerstört, muß sich mit der Demut, der Bescheidung, mit der Annahme unserer Grenzen verbinden. So vieles müsste getan werden - ich sehe, ich kann es nicht. Das gilt für die Pfarrer - ich ahne wenigstens, wie sehr - das gilt auch für den Papst; der sollte so viel tun! Und meine Kräfte reichen einfach nicht dafür aus. So muß ich lernen, das zu tun, was ich kann, und das andere Gott und den Mitarbeitern zu überlassen und zu sagen: „Am Ende mußt es ja Du machen, denn die Kirche ist Deine Kirche. Und Du gibst mir nur so viel Kraft, wie ich eben habe. Sie sei Dir geschenkt, denn sie kommt von Dir, aber das andere überlasse ich eben Dir.“ Ich glaube, diese Demut, das anzunehmen - „Hier hört meine Kraft auf, ich überlasse es Dir, Herr, daß Du das andere tust“ - diese Demut ist entscheidend. Und dann darauf vertrauen: Er wird mir auch Mitarbeiter schenken, die weiterhelfen und die tun, was ich nicht kann.

Und noch einmal, auf eine dritte Ebene „übersetzt“, heißt dieses Miteinander von Eifer und Bescheidung dann auch das Miteinander von Dienst in all seinen Dimensionen und von Innerlichkeit. Wir können den anderen nur dienen, wir können nur geben, wenn wir auch selbst empfangen, wenn wir selber nicht leer werden. Und darum gibt uns die Kirche gleichsam die Freiräume vor, die einerseits Räume dieses neuen inneren „Aus- und Einatmens“ und andererseits zugleich Mittelpunkt und Quellgründe des Dienens sind. Da ist zunächst die tägliche Feier der Heiligen Messe: Vollziehen wir sie nicht wie etwas, das eben „dran ist“ und das ich halt „machen muß“, sondern feiern wir sie von innen her! Geben wir uns in die Worte, in die Handlungen, in das Geschehen hinein, das da wahr ist! Wenn wir die Messe betend feiern, wenn wir dieses „Dies ist mein Leib“ wirklich aus der Gemeinschaft mit Jesus Christus heraus sprechen, der uns die Hände aufgelegt hat und uns ermächtigt hat, mit diesem seinem Ich zu sprechen, wenn wir glaubend und betend von innen her Eucharistie begehen, dann ist sie nicht eine äußere Pflicht, dann ist die „ars celebrandi“ von selbst da, die eben darin besteht, es vom Herrn her und mit ihm und so recht für die Menschen zu tun. Dann werden wir dabei selbst immer neu beschenkt und bereichert, und geben zugleich das, was mehr ist als unser Eigenes, nämlich die Gegenwart des Herrn, an die Menschen weiter.

Der andere Freiraum, den uns die Kirche sozusagen auflegt und dadurch auch befreiend vorgibt, ist das Stundengebet. Versuchen wir, es wirklich mitzubeten, mitzubeten mit dem Israel des Alten und des Neuen Bundes, mitzubeten mit den Betern aller Jahrhunderte, mitzubeten mit Jesus Christus als dem tiefsten Ich, dem tiefsten Subjekt dieser Gebete. Und indem wir so beten, nehmen wir auch die anderen Menschen, die dafür nicht Zeit oder Kraft oder Fähigkeit haben, ins Beten hinein. Wir selber als betende Menschen beten stellvertretend für die anderen und tun damit einen pastoralen Dienst ersten Grades. Dies ist nicht ein Rückzug ins Private, sondern dies ist eine pastorale Priorität, dies ist ein seelsorgliches Tun, in dem wir selber neu Priester werden, neu von Christus angefüllt werden, die anderen in die betende Kirche hineinnehmen und zugleich die Kraft des Gebetes, die Gegenwart Jesu Christi, hineinströmen lassen in diese Welt.

Das Motto dieser Tage hat gelautet: „Wer glaubt, ist nie allein“. Dieses Wort gilt und soll gelten gerade auch für uns Priester, für jeden von uns. Und wieder gilt es in einem doppelten Sinn: Wer Priester ist, ist nie allein, weil Jesus Christus immer bei ihm ist. Er ist bei uns; seien wir auch bei ihm! Aber es muß auch in dem anderen Sinn gelten: Wer Priester wird, wird in ein Presbyterium hineingefügt, in eine Gemeinschaft von Priestern mit dem Bischof. Und er ist Priester im Mitsein mit seinen Mitbrüdern. Mühen wir uns darum, daß dies nicht nur eine theologische und juristische Vorgabe bleibt, sondern daß es für jeden von uns erfahrbar wird. Schenken wir uns dieses Mitsein, gerade denen, von denen wir wissen, daß sie unter Einsamkeit leiden, daß Fragen und Nöte auf sie hereinstürzen, vielleicht Zweifel und Ungewißheit! Schenken wir uns dieses Mitsein, dann werden wir in diesem Mitsein mit dem anderen, mit den anderen um so mehr und um so freudiger immer neu auch das Mitsein Jesu Christi erleben. Amen.

APOSTOLISCHE REISE VON PAPST BENEDIKT XVI.

NACH MÜNCHEN, ALTÖTTING UND REGENSBURG

(9.-14. SEPTEMBER 2006)

ABSCHIEDSZEREMONIE


Internationaler Flughafen "Franz Joseph Strauss", München

Donnerstag, 14. September 2006

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

sehr geehrte Mitglieder der Regierung,
meine verehrten Herren Kardinäle,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt,
sehr geehrte Damen und Herren!

127 Im Moment, da ich Bayern verlasse, um nach Rom zurückzukehren, möchte ich an alle, die hier zugegen sind - und in ihnen an alle Bürger meiner Heimat - einen herzlichen Gruß und ein Wort eines wirklich ganz von Herzen tief empfundenen Dankes sagen. Unauslöschlich trage ich in meinem Herzen den bewegenden Eindruck, den die Begeisterung und die spürbar starke Religiosität der großen Massen von Gläubigen in mir ausgelöst hat, die in andächtiger Sammlung beim Hören des Wortes Gottes und im Gebet verharrten und mich auf Straßen und Plätzen begrüßt haben. Ich habe bemerken können, wie viele Menschen in Bayern sich auch jetzt bemühen, in Gemeinschaft mit ihren Hirten auf den Wegen Gottes zu gehen, und sich engagieren, um ihren Glauben in der heutigen säkularisierten Welt zu bezeugen und als formende Kraft gegenwärtig werden zu lassen. Dank dem unermüdlichen Einsatz der Organisatoren hat alles in Ruhe und Ordnung und in Freudeablaufen können. Eben darum ist mein erstes Wort bei diesem Abschied ein Wort des Dankes an alle, die dafür mitgeholfen haben. Herzlich „Vergelt’s Gott“ kann auch ich nur sagen.

Zunächst natürlich denke ich an Sie, Herr Ministerpräsident, dem ich für die Worte danke, die Sie gesprochen haben und in denen Sie ein großes Zeugnis für unseren christlichen Glauben als formende Kraft unseres öffentlichen Lebens abgelegt haben. Herzlichen Dank dafür! Ich danke den staatlichen und kirchlichen Persönlichkeiten, die hier zusammengekommen sind, besonders denen, die zum vollständigen Gelingen dieses Besuches beigetragen haben, bei dem ich überall freudig mir verbundene Menschen dieses Landes begegnen konnte, denen auch ich im Herzen immer tief verbunden bleibe. Es waren intensive Tage, und in meinem Gedächtnis konnte ich viele Ereignisse der Vergangenheit, die mein Leben geprägt haben, noch einmal neu erleben. Überall bin ich mit größter Zuvorkommenheit und Aufmerksamkeit, ich muß mehr sagen: mit größter Herzlichkeit empfangen worden; das hat mich tief beeindruckt. Ich kann mir die Schwierigkeiten, die Sorgen und Mühen wohl einigermaßen vorstellen, die die Organisation meines Besuches in Bayern mit sich gebracht hat: Viele Menschen aus den Dienststellen der Kirche, aus zivilen Behörden sowohl des Landes als auch des Staates wie vor allem auch eine ganz große Zahl von freiwilligen Helfern waren damit beschäftigt. Allen sage ein ganz herzliches „Vergelt’s Gott“, mit der Zusicherung meines Gebetes für Euch alle.

Ich bin nach Deutschland, nach Bayern, gekommen, um meinen Landsleuten die immerwährenden Wahrheiten des Evangeliums als gegenwärtige Wahrheit und Kraft nahezubringen und die Gläubigen zu stärken in der Treue zu Christus, dem Sohn Gottes, der Mensch geworden ist zu unserem Heil. Im Glauben bin ich gewiß, daß sich in ihm, in seinem Wort, der Weg finden läßt, um nicht nur die ewige Glückseligkeit zu erlangen, sondern auch um eine menschenwürdige Zukunft schon auf dieser unserer Erde zu bauen. Von diesem Bewußtsein angetrieben, hat die Kirche unter der Führung des Geistes die Antworten auf die Herausforderungen, die im Laufe der Geschichte auftraten, immer neu im Wort Gottes gefunden. Das hat sie ganz speziell auch für die Probleme zu tun versucht, die sich vor allem von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an im Zusammenhang mit der sogenannten „Arbeiterfrage“ stellten. Ich unterstreiche das bei diesem Anlaß, weil gerade heute, am 14. September, der 25. Jahrestag der Veröffentlichung der Enzyklika Laborem exercens ist, in der der große Papst Johannes Paul II. die Arbeit als eine „fundamentale Dimension menschlicher Existenz auf Erden“ bezeichnet (
LE 4) und daran erinnert hat, daß „die erste Grundlage für den Wert der Arbeit der Mensch selbst ist“ (LE 6). Sie ist darum „ein Gut für den Menschen“, merkte er an, „weil er durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpaßt, sondern auch sich selbst als Mensch verwirklicht, ja gewissermaßen »mehr Mensch wird«“ (LE 9). Auf der Basis dieser Grundintuition gab der Papst in der Enzyklika einige Orientierungen, die bis heute aktuell sind. Auf diesen Text, der durchaus prophetischen Wert besitzt, möchte ich auch die Bürger meiner Heimat verweisen, weil ich sicher bin, daß seine praktische Anwendung auch für die heutige gesellschaftliche Situation in Deutschland von großem Nutzen sein wird.

Zum Abschied von meiner geliebten Heimat vertraue ich nun Gegenwart und Zukunft Bayerns und ganz Deutschlands der Fürsprache aller Heiligen an, die im treuen Dienst Christi auf deutschem Boden gelebt und in ihrem Leben die Wahrheit jener Worte erfahren haben, welche die verschiedenen Stationen des Besuches als Leitmotiv begleitet haben: „Wer glaubt, ist nie allein.“ Diese Erfahrung hat sicher auch der Autor unseres Bayernhymnus gemacht. Mit seinen Worten, mit den Worten unserer Hymne, die auch ein Gebet sind, möchte ich meiner Heimat gern noch einen Segenswunsch hinterlassen: „Gott mit dir, du Land der Bayern, deutsche Erde, Vaterland! / Über deinen weiten Gauen ruhe seine Segenshand! / Er behüte deine Fluren, schirme deiner Städte Bau / Und erhalte dir die Farben seines Himmels weiß und blau!

Allen ein herzliches „Vergelt’s Gott“ und: "Auf Wiedersehen!", so Gott will.

BEGEGNUNG MIT DEN MITARBEITERN DES STAATSSEKRETARIATS

ANLÄSSLICH DER VERABSCHIEDUNG VON KARDINAL ANGELO SODANO

AUS DEM AMT DES KARDINALSTAATSSEKRETÄRS

UND DER ERNENNUNG VON KARDINAL TARCISIO BERTONE


NACH DER BEGEGNUNG MIT DEN MITARBEITERN DES PÄPSTLICHEN STAATSSEKRETARIATS


"Sala degli Svizzeri", Apostolischer Palast in Castelgandolfo

Freitag, 15. September 2006



Eminenzen,
Exzellenzen,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter!

Ich kann diese Begegnung nicht abschließen, ohne noch ein Wort anzufügen, das mir in diesem Augenblick aus dem Herzen kommt. Es ist in gewissem Sinne ein trauriger Augenblick; aber vor allem ist es ein Augenblick tiefer Dankbarkeit. Sie, Eminenz, haben mit mehreren Päpsten gearbeitet und am Ende mit mir, als Staatssekretär, mit der Hingabe, der Kompetenz und dem Willen zu dienen, von denen ich bereits gesprochen habe. Ich möchte, indem ich mich Ihrer Rede anschließe, meinen Dank auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie auf alle Päpstlichen Vertretungen in der Welt ausweiten. Ich habe immer mehr verstanden, daß nur dieses große Netz der Zusammenarbeit es ermöglicht, dem Auftrag des Herrn nachzukommen: »Confirma fratres tuos in fide«. Nur kraft des Zusammenflusses all dieser Kompetenzen, nur kraft der Demut eines fleißigen und äußerst fachkundigen Einsatzes vieler Menschen kann am Ende dieses »Stärken der Brüder« geschehen, in dem der Papst dem Herrn gehorsam ist. Er kann dank dieser weitreichenden Zusammenarbeit seine Sendung angemessen durchführen.

128 Erst in den letzten Jahren, als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, habe ich immer mehr verstanden, welch hohes Maß an Kompetenz hier herrscht, wieviel Hingabe, Demut und Wille, wirklich dem Herrn in seiner Kirche zu dienen. Diese Arbeit an der Kurie ist in Wahrheit Pastoralarbeit in einem herausragenden Sinne, weil sie wirklich hilft, das Volk Gottes auf grüne Auen zu führen - wie es im Psalm heißt -, wo das Wort Gottes gegenwärtig ist und uns unser ganzes Leben lang nährt.

Eminenz, ich habe in den letzten Wochen darüber nachgedacht, was ich Ihnen als Zeichen meiner Dankbarkeit in diesem Augenblick geben könnte. Ich hatte die Freude, von Ihnen auf meiner Pastoralreise nach Bayern begleitet zu werden. Wir haben wichtige Bischofssitze besucht - München, Regensburg sowie den alten Bischofssitz Freising - und auch Altötting, sozusagen unser Nationalheiligtum, das seit Jahrhunderten das »Herz« Bayerns genannt wird. Es ist das wahre »Herz« dieses Landes, weil wir dort der Mutter und damit dem Herrn begegnen. Dort finden wir in allen Wechselfällen der Geschichte, in allen Schwierigkeiten, die es auch in der Gegenwart gibt, mit dem Schutz der Mutter auch wieder die Freude des Glaubens. Dort erneuert sich unser Volk.

Sie, Herr Kardinal, waren Zeuge der Tatsache, daß der Bischof von Passau mir zum ewigen Andenken eine Nachbildung der Statue der Gottesmutter aus dem 15. Jahrhundert überreicht hat, die stets aufs neue die Pilger anzieht, die die Liebe unser aller Mutter erfahren möchten. Ich konnte eine getreue Nachbildung - es gibt auch weniger wertvolle Nachbildungen - der Gottesmutter von Altötting bekommen. Und ich denke, daß diese Gottesmutter von Altötting das Zeichen nicht nur meiner immerwährenden Dankbarkeit, sondern auch das Zeichen unserer Verbundenheit im Gebet sein könnte. Die Gottesmutter sei stets an Ihrer Seite, beschütze und leite Sie immer. Dies ist der Ausdruck meines aufrichtigen Dankes.



AN HERRN IVAN REBERNIK, NEUER BOTSCHAFTER SLOWENIENS BEIM HL. STUHL

Apostolischer Palast in Castelgandolfo

Samstag, 16. September 2006



Herr Botschafter!

Die herzliche und feierliche Geste der Überreichung des Schreibens, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Slowenien beim Apostolischen Stuhl akkreditiert werden, ruft die tausendjährigen Beziehungen zwischen dem Nachfolger Petri und dem geliebten Volk in Erinnerung, das Sie hier vertreten. Seien Sie willkommen, Herr Botschafter. Ich bin sicher, daß die Empfindungen, denen Sie soeben in den an mich gerichteten Worten Ausdruck verliehen haben, die tiefen Überzeugungen ihrer Mitbürger gegenüber dem Papst widerspiegeln. Diese aufrichtigen Worte nehme ich mit wirklicher Freude zur Kenntnis und spreche den Obrigkeiten, die Sie hier akkreditieren, insbesondere dem Präsidenten der Republik, Seiner Exzellenz Herrn Janez Drnovšek, meine Dankbarkeit und Wertschätzung aus. Die Republik Slowenien pflegt in ihrer natürlichen Freiheit einen fruchtbaren, konstruktiven Dialog mit den in ihrem Land tätigen kirchlichen Institutionen und erkennt deren positiven Beitrag zum Leben der Nation an. Dies bestätigt, daß die katholischen Traditionen, die das slowenische Volk von jeher prägen, einen wertvollen Schatz darstellen, aus dem es zu schöpfen gilt, um die tiefste und echte Identität dieses edlen Landes zum Ausdruck zu bringen.

In diesem Rahmen haben sich die herzlichen Beziehungen zwischen den Slowenen und dem Stuhl Petri auf fruchtbringende Weise entwickelt: Ein Zeugnis dafür sind bis heute die guten bilateralen Beziehungen, auf die Sie vorhin zu recht hingewiesen haben. Seit den ersten Jahrhunderten des Christentums hat die Kraft des Evangeliums in Slowenien gewirkt, wie es die Existenz der Heiligen zeigt, unter ihnen die hll. Victorinus von Poetovio und Maximianus: Ihr Zeugnis trug zur Durchsetzung des christlichen Glaubens unter den Völkern bei, die im 7. Jahrhundert im heutigen Slowenien eine Heimat fanden. Und wie sollten wir nicht an die Gestalt des seligen Bischofs Anton Martin Slomšek denken, der in jüngerer Zeit das nationale Wiedererwachen förderte und durch sein kostbares Wirken zur Formung des slowenischen Volkes beitrug? Christentum und nationale Identität sind eng miteinander verknüpft, und es ist daher natürlich, daß ein tiefer Einklang besteht zwischen dem Bischof von Rom und dem edlen Volk, das in Ihnen hier und heute seinen Vertreter und seine Stimme hat.

Das Ergebnis dieses intensiven und konstruktiven Dialogs, der auch von den traurigen Ereignissen des vergangenen Jahrhunderts nicht unterbrochen wurde, ist das Abkommen zwischen der Republik Slowenien und dem Heiligen Stuhl über Rechtsfragen vom 14. Dezember 2001. Es handelt sich um eine bedeutende Vereinbarung, deren treue Umsetzung die gegenseitigen Beziehungen und die Zusammenarbeit zur Förderung des einzelnen Menschen und des Gemeinwohls (vgl. Art. 1) mit Sicherheit stärken wird, unter Anerkennung der legitimen Laizität des Staates. Wie Sie richtig angemerkt haben, gibt es trotzdem noch offene Fragen, die auf eine entsprechende Lösung warten. Da ich die Hochachtung und Zuneigung der Slowenen dem Papst gegenüber kenne, bin ich sicher, daß ihre Vertreter auf politischer Ebene ihren Traditionen, Empfindungen und ihrer Kultur richtigen Ausdruck zu geben wissen. In der Tat hat das slowenische Volk das Recht, zu seiner christlichen Seele zu stehen und sie geltend zu machen, denn sie hat seine Identität gestaltet und das Land in den europäischen Rahmen eingefügt, dessen tiefste Wurzeln ihre Kraft aus der Saat des Evangeliums schöpfen, die seit fast zwei Jahrtausenden in Europa wirksam ist.

Die Aufgabe, vor der die Verantwortlichen heute stehen, ist es, geeignete Wege zu finden, um den jungen Generationen die Kenntnis und Anerkennung der Werte der Vergangenheit nahezubringen und sie zu befähigen, das reiche, ihnen hinterlassene Erbe in das eben angebrochene Jahrtausend weiterzutragen. Sie müssen daher die Möglichkeit haben, konkrete und genaue Kenntnisse über die kulturellen, ethischen und religiösen Grundlagen zu erwerben, auf die die Nation im Laufe der Jahrhunderte gebaut wurde. Es wäre wahrhaft kurzsichtig, die Offenheit der jungen Menschen für das Kennenlernen der geschichtlichen Wurzeln nicht zu stärken, aus denen der nötige Lebenssaft fließt, um der Nation erneut eine fruchtbringende Zeit zu sichern. In diesem Sinne darf man der Frage ihrer Ausbildung auch hinsichtlich der von der Bevölkerungsmehrheit getragenen religiösen Werte nicht ausweichen, wenn man nicht einen fortschreitenden Verlust der kennzeichnenden Züge des nationalen Charakters riskieren möchte. Es steht die Achtung der Freiheit der Bürger auf dem Spiel, über die die Republik Slowenien aufmerksam wacht, und auch der Apostolische Stuhl wünscht, daß sie im Geiste des obengenannten Abkommens gefördert wird. Auch andere Völker Europas haben diese Erfahrung gemacht, dies gilt insbesondere für die slawischen Völker: Im Bewußtsein der Bedeutung des Christentums für ihre soziale Identität und des wertvollen Beitrags, den die Kirche in dieser Hinsicht leisten kann, haben sie sich nicht ihrer Pflicht entzogen, auch auf gesetzgeberischer Ebene zu gewährleisten, daß das reiche ethische und religiöse Erbe weiterhin reiche Frucht für die jungen Generationen hervorbringt.

Möge der offene Dialog in diesem Bereich zwischen den Vertretern der zivilen und kirchlichen Obrigkeiten in Slowenien zu jener gerechten und aufrichtigen Einigung führen, deren Notwendigkeit zu spüren ist! Das ist der Wunsch, den ich bei diesem Anlaß gerne aussprechen möchte. Es wird den Menschen zugute kommen, denen gegenüber sowohl der Staat als auch die Kirche - wenn auch in unterschiedlicher Hinsicht - verpflichtet sind, einen gebotenen Dienst zu leisten. Ich kann versichern, daß die katholische Kirche es nicht an herzlicher und aufrichtiger Zusammenarbeit mit dem Staat fehlen lassen wird. Dabei verlangt sie für sich keine Privilegien, sondern wird Vorschläge einbringen, die nach ihrem Ermessen zum allgemeinen Fortschritt der Nation beitragen können.


ANSPRACHE 2006 121