Kommentar zum Evangelium Mt 7

Siebte Homilie. Kap. II, V.4-9.

7 Mt 2,4-9
1.

V.4: "Und er versammelte alle Oberpriester und Schriftgelehrten des Volkes und fragte sie, wo Christus geboren werde. Sie aber antworteten ihm: Zu Bethlehem in Judäa." 

   Siehst du, wie alles zur Beschämung der Juden ausschlägt? Solange sie den Heiland nicht gesehen hatten und nicht von Eifersucht und Haß erfüllt waren, gaben sie der Wahrheit Zeugnis; nachdem sie aber gesehen hatten, wie berühmt er durch seine Wunder geworden, da wurden sie von Neid erfaßt und verleugneten fortan die Wahrheit. Trotzdem trug alles dazu bei, der Wahrheit zum Siege zu verhelfen, und gerade durch ihre Feinde erlebte sie den größten Triumph. Beachte daher, wie wunderbar und unerwartet Gott auch hier wieder die Dinge fügt. Die Barbaren und die Juden lernen beide etwas Neues voneinander, und zu gleicher Zeit belehren sie sich gegenseitig. Die Juden erfuhren von den Magiern, dass sogar ein Stern den Messias im Perserlande angekündigt habe; die Magier hören von den Juden, dass eben der, den ihr Stern angezeigt hatte, schon vor Jahrhunderten von den Propheten vorherverkündet worden. So wird der Gegenstand ihrer Frage für beide Teile zum Ausgangspunkt einer besseren und genaueren Belehrung. Die Feinde der Wahrheit müssen notgedrungen, auch wider ihren Willen, das lesen, was für die Wahrheit Zeugnis ablegt, und müssen das Prophetenwort erklären, wenn auch nur zum Teil. Nachdem sie nämlich Bethlehem, genannt und gesagt hatten, dass aus ihm der Hirte Israels hervorgehen werde, schwiegen sie über das, was folgte, um dem König zu schmeicheln. Wie lautete aber dies? "Sein Ausgang ist von Anbeginn, von den Tagen der Ewigkeit" (Mi 5,2). 

   Wenn aber Christus aus Bethlehem stammen sollte, warum lebte er nach seiner Geburt in Nazareth und verdunkelte dadurch die Prophetie? Aber er hat sie ja dadurch nicht dunkler, sondern nur noch klarer gemacht. Denn wenn er in Bethlehem geboren wurde, während seine Mutter sonst immer in Nazareth wohnte, so beweist dies, dass es durch besondere Fügung Gottes so geschehen war. Deshalb ging er auch nicht allsogleich nach seiner Geburt von Bethlehem fort, sondern gab denen, die die Sache genauer erforschen wollten, vierzig Tage Zeit zur Prüfung. Denn es war ja so manches, was zu einer solchen Prüfung einladen mußte, falls einer überhaupt der Sache Beachtung schenken wollte. Als die Magier kamen, da war die ganze Stadt in Aufregung geraten, und mit der Stadt der König: man brachte den Propheten herbei, und eine große Ratsversammlung ward einberufen, und vieles andere geschah dortselbst, was Lukas alles genau aufzählt; so z.B. die Begebenheiten mit Anna, Simeon, Zacharias, den Engeln, den Hirten; lauter Dinge, die den, der auf sie achtete, veranlassen mußten, der Sache weiter nachzuforschen. Wenn schon den Magiern, die aus Persien kamen, der Ort nicht unbekannt war, so konnten diejenigen, die selbst dort wohnten, ihn um so leichter in Erfahrung bringen. So hat sich also Christus schon von Anfang an durch viele Wunder zu erkennen gegeben. Da aber die Juden nicht sehen wollten, so verbarg er sich in der Zwischenzeit, um sich ein zweites Mal von neuem in noch glänzenderer Weise zu enthüllen. Von da an legten nicht mehr die Magier Zeugnis für ihn ab und nicht mehr der Stern, sondern sein Vater verkündete ihn vom Himmel herab an den Gewässern des Jordan; dazu kam noch der Hl. Geist und gab jener Stimme[113] die Beziehung auf die Person des Getauften. Und das Gleiche rief Johannes mit allem Freimut über ganz Judäa hin und erfüllte den ganzen bewohnten Erdkreis mit dieser seiner Botschaft. Auch das Zeugnis seiner Wunder, die Erde, das Meer, die ganze Schöpfung sprechen laut und deutlich für ihn. Zur Zeit seiner Geburt selbst geschahen aber so große Wunder, dass sie ohne weiteres den bezeugen konnten, der da gekommen war. Damit nämlich die Juden ja nicht sagen könnten: Wir wußten nicht, wo er geboren worden. noch auch zu welcher Zeit, so hatte Gott die Ankunft der Magier vorherbestimmt, und alles andere, das ich erwähnt habe. So werden also die Juden wohl schwerlich eine Entschuldigung dafür vorbringen können, dass sie diesen Ereignissen nicht weiter nachforschten.



2.

Beachte aber auch, wie genau die Prophetie ist. Es heißt nämlich nicht, er werde in Bethlehem bleiben, sondern: "er wird daraus hervorgehen". Also auch das gehörte mit zur Prophetie, dass er dort nur geboren werden sollte. Einige Juden behaupten aber keckerweise, das alles sei mit Bezug auf Zorobabel gesagt worden. Wie sollten aber die recht haben? Denn wahrlich, von ihm kann man nicht sagen: "Sein Ausgang ist von Anbeginn, von den Tagen der Ewigkeit" (Mi 5,2). Und wie sollten die anfangs angeführten Worte: "Aus dir wird hervorgehen" auf jenen passen? Er wurde ja gar nicht in Judäa, sondern in Babylon geboren. Deshalb wurde er auch Zorobabel genannt, weil er eben in Babel auf die Welt kam. Diejenigen, die Syrisch kennen, verstehen den Ausdruck. Außerdem kann aber auch die ganze nachfolgende Zeit dieses Zeugnis bestätigen. Was sollen denn die Worte bedeuten: 

   V.6: "Du bist keineswegs die geringste unter den Fürstenstädten Juda's"? 

   und auch die Ursache dieser Auszeichnung wird beigefügt, indem es heißt: "aus dir wird hervorgehen". Kein anderer hat aber jenen Ort so ausgezeichnet und berühmt gemacht außer der Herr allein. Denn nach dieser Geburt kommen Leute von den äußersten Grenzen der Erde, um die Krippe zu sehen und den Ort, der ihm Obdach bietet. Das hat der Prophet lange zuvor geweissagt, da er sprach: "Du bist keineswegs die geringste unter den Fürstenstädten Juda's", d.h. unter den Stammesfürsten. Das schließt aber auch Jerusalem mit ein. Aber auch jetzt beachteten die Juden es nicht, obwohl die Sache für sie vorteilhaft war. Denn eben deshalb reden die Propheten von Anfang an nie so sehr von der Würde des Herrn, als vielmehr von den Wohltaten, die den Juden durch ihn zukommen sollten. Als die Jungfrau Mutter werden sollte, da ward ihr gesagt: "Du sollst seinen Namen Jesus nennen", mit dem Beifügen: "denn er wird sein Volk erlösen von dessen Sünden". Auch die Magier fragten nicht: "Wo ist der Sohn Gottes", sondern: Wo ist "der neugeborene König der Juden"? Auch hier sagte der Prophet nicht: "Aus dir wird der Sohn Gottes hervorgehen", sondern: "der Führer, der weiden wird Israel, mein Volk". Es war ja ganz passend, für den Anfang mehr ihrer Geistesverfassung Rechnung zu tragen, damit ihnen kein Anlaß zum Ärgernis gegeben würde, und vielmehr das zu verkünden, was zu ihrem Heile und Nutzen diente, damit sie so eher gewonnen würden. Infolgedessen enthalten alle die anfänglichen Zeugnisse, die gleich nach seiner Geburt gegeben wurden, nichts Großes und Erhabenes über ihn, und nicht soviel, wie die Bezeugungen, welche den Wunderzeichen folgten; denn jene machen uns schon bestimmtere Mitteilungen über seine Würde. Als er nämlich viele Wunder gewirkt hatte und unmündige Kinder ihm Loblieder sangen, da höre, wie der Prophet darüber spricht: "Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge werde ich dir Lob bereiten" (Ps 8,3); und gleich darauf: "Ich werde die Himmel schauen, die Werke deiner Hände" (Ps 8,5). Dadurch wird der Herr als Schöpfer des Alls hingestellt. Das Zeugnis dann, das nach seiner Himmelfahrt über ihn gegeben wurde, zeigt, dass er die gleiche Ehre mit dem Vater genießt, denn: "Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten" (Ps 109,1). Isaias ferner sagt: "Er, der aufsteht, zu herrschen über die Völker, er ist's, auf den die Völker hoffen" (Is 11,10). 

   Warum heißt es aber, Bethlehem werde unter den Fürstenstädten Juda's nicht die geringste sein? Der Ort wurde ja nicht bloß in Palästina, sondern in der ganzen Welt berühmt. Weil die Prophetie sich damals nur an die Juden richtete. Darum fügte der Prophet auch hinzu: "Er wird weiden mein Volk Israel"; geweidet hat er ja auch den ganzen Erdkreis. Aber, wie gesagt, er will vorläufig keinen Anstoß erregen dadurch, dass er sich über die Frage wegen der Heidenvölker äußert. Aber wie? fragst du, er ist ja nicht des Judenvolkes Hirte geworden. Jawohl, auch das ist er geworden; denn wenn der Prophet hier von Israel spricht, so meint er damit diejenigen Juden, die an den Herrn glaubten. So hat auch der hl. Paulus die Sache erklärt, wenn er sagt: "Denn nicht alle, die aus Israel sind, gehören zu Israel, sondern nur die, die aus dem Glauben und dem Evangelium geboren wurden" (Rm 9,67). Wenn er aber nicht der Hirte aller Juden geworden ist, so ist das nur ihre Schuld und ihre Verantwortung. Sie hätten eben mit den Magiern anbeten und Gott preisen sollen, dass eine solche Gnadenzeit gekommen war, in der sie von all ihren Sünden erlöst werden konnten. Noch hatten sie ja nichts vom Gerichte gehört und von der Rechenschaftsablage, sondern nur von dem sanften und milden Hirten. Die Juden aber tun gerade das Gegenteil; sie erschrecken und werden verwirrt, und dann stellen sie ihm auf tausenderlei Weise nach. 

   V.7: "Da rief Herodes heimlich die Magier und fragte sie genau nach der Zeit, in welcher der Stern erschienen war." 

   Sein Plan war nämlich, das Kind zu töten, ein Beweis nicht bloß von Tyrannei, sondern auch von äußerstem Unverstand. Denn alles, was in dieser Hinsicht gesagt worden oder geschehen war, hätte ihn veranlassen sollen, von jedem derartigen Versuche abzustehen. Es waren ja keine bloß natürlichen Dinge, die sich ereignet hatten. Dass ein Stern von oben die Magier rief, dass Barbaren eine so weite Reise machten, um ein Kind anzubeten, das in Windeln in einer Krippe lag, und dass Propheten dies alles von alters her vorausgesagt, das und all das andere überstieg die Grenzen des rein Menschlichen. Gleichwohl konnte den Herodes nichts von all dem zurückhalten.



3.

So geht es den Böswilligen; sie fallen immer in die eigene Grube, während sie unmöglichen Dingen nachjagen. Siehe doch, wie töricht Herodes war! Entweder glaubte er an die Weissagung und hielt sie für unabänderlich, und dann mußte er einsehen, dass er Unmögliches unternahm; oder er glaubte nicht und dachte nicht, dass sie in Erfüllung gehen werde, und dann hätte er sich nicht fürchten und nicht erschrecken und keine bösen Pläne schmieden sollen. Seine Hinterlist war also auf jeden Fall zwecklos. Auch das beweist, wie unglaublich töricht er war, dass er erwartete, die Magier würden mehr zu ihm halten als zu dem neugeborenen Kinde, um dessentwillen sie aus so weiter Ferne gekommen. Wenn sie schon von solcher Liebe entflammt waren, bevor sie das Kind gesehen, wie durfte er hoffen, er könne sie zum Verrat an demselben bereden, nachdem sie es geschaut hatten und durch das Prophetenwort in ihrem Glauben bestärkt worden waren? 

   Aber trotz all dieser Gründe, die ihn hätten abhalten sollen, bestand er auf seinem Vorhaben: "Und er rief die Magier heimlich zu sich und forschte sie aus." Er dachte, die Juden würden sich des Kindes sehr annehmen; er erwartete wohl kaum, sie würden in ihrem Wahnwitz so weit gehen, dass sie ihren Herrscher und Erlöser, der den Völkern die Freiheit bringen wollte, seinen Feinden zu überliefern gedächten. Darum rief er sie heimlich und fragte sie genau nach der Zeit, nicht wann der Knabe geboren, sondern wann der Stern erschienen sei, und suchte mit großer Meisterschaft sich seine Beute zu sichern. Ich glaube nämlich, dass der Stern schon lange zuvor erschienen war. Da die Magier geraume Zeit auf die Reise zu verwenden hatten, so zeigte sich ihnen der Stern viel früher, damit sie alsbald nach der Geburt an Ort und Stelle sein könnten; sie sollten ja das Kind noch in den Windeln anbeten, damit das Wunderbare und Außerordentliche der Sache um so deutlicher hervorträte. Wäre ihnen der Stern im Orient erst erschienen, als das Kind in Palästina bereits geboren war, so hätten sie bei der Länge der Zeit, die die Reise beanspruchte, das Kind nach ihrer Ankunft nicht mehr in Windeln vorgefunden. Wenn aber Herodes die Kinder von zwei Jahren und darunter töten ließ, so ist das nicht zu verwundern. In seiner Wut und Angst setzte er eben zur größeren Sicherheit eine weitere Zeitgrenze fest, damit das Kind ihm ja nicht entkomme.[114] 

   Er rief sie also und sprach: 

   V.8: "Gehet und forschet eifrig nach dem Kinde. Wenn ihr es gefunden habt, so gebt mir Nachricht, damit auch ich kommen und es anbeten kann." 

   Siehst du, wie unvernünftig er wieder ist? Wenn es dir ernst ist mit dem, was du sagst, warum fragst du dann heimlich? Wenn du aber böse Absichten hast, wie solltest du nicht einsehen, dass die Magier an der Heimlichkeit deiner Frage deine Bosheit merken können? Allein, wie ich schon gesagt, eine Seele, die vom Bösen eingenommen ist, wird vollständig blind. Herodes sagt auch nicht: Gehet und erkundigt euch nach dem König, sondern nur: nach dem Kinde; er vermochte nicht einmal den Namen auszusprechen, der an Herrschaft erinnerte. Indes, die Magier in ihrem frommen Sinn, merkten von all dem nichts. Sie hatten eben nicht erwartet, derselbe werde seine Schlechtigkeit so weit treiben, dass er es wagte, einer so wundebaren Fügung Gottes in den Weg zu treten. Sie gehen, ohne von all dem eine Ahnung zu haben, weil sie alle anderen nur nach sich selbst beurteilen. 

   V.9: "Und siehe, den Stern, den sie im Orient gesehen, ging wiederum vor ihnen her." 

   Nur deshalb hatte er sich ja verborgen, damit sie ihres Führers beraubt und gezwungen wären, die Juden zu befragen, und die Sache auf diese Weise allen bekannt zu machen. Denn nachdem sie die Juden gefragt und von ihren Feinden belehrt worden waren, erschien der Stern von neuem. Beachte auch, in welch vollkommener Reihenfolge alles vor sich geht. Vom Stern hinweg kommen sie zum jüdischen Volk und dem König und diese führen den Propheten ein, der über das Geschehene Aufschluß gib. Nach dem Propheten empfängt sie wieder der Engel und belehrt sie über alles; zuvor aber gehen sie unter Führung des Sternes von Jerusalem nach Bethlehem; denn der Stern begleitet sie von dort an wieder, gerade damit du sehen könnest, dass es kein gewöhnlicher Stern war; denn solche Bahnen geht kein einziger anderer Stern. Und er ging nicht bloß einfach seinen Weg, sondern ging vor ihnen her, zog sie gleichsam und führte sie am hellen Tage.



4.

Aber, wendest du ein, warum brauchten sie überhaupt noch einen Stern, da ja jetzt der Ort bekannt war? Damit sie auch das Kind fänden. Es gab nämlich sonst keine Anhaltspunkte, dasselbe zu erkennen; es besaß ja keinen prächtigen Palast, noch war seine Mutter berühmt und bekannt. Der Stern war also gar wohl vonnöten, um sie an den richtigen Ort zu bringen. Darum erscheint er ihnen auch, als sie von Jerusalem aufbrechen, und bleibt nicht eher stehen, als bis er die Krippe erreicht hat. Und ein Wunder reiht sich an das andere; es war ja beides wunderbar, sowohl dass Magier kamen, um das Kind anzubeten, als auch dass der Stern sie führte: wahrlich Dinge, die auch steinerne Herzen bewegen könnten. Hätten die Magier gesagt, sie hätten von den Propheten solches verkünden hören, oder Engel haben es ihnen privatim geoffenbart, so hätte man ihnen wohl den Glauben versagen können; so aber mußten beim Anblick des Sternes, der am Himmel erschien, auch die Kecksten verstummen. Als dann der Stern über dem Kinde sich befand, blieb er abermals stehen. Auch das übersteigt die Natur eines Sternes, bald sich zu verbergen, bald zu erscheinen und dann wieder stille zu stehen. Dadurch wurden auch die Magier in ihrem Glauben bestärkt. Darum freuten sie sich, weil sie gefunden, was sie gesucht, weil sie Engelsboten der Wahrheit geworden, und weil sie den großen Weg nicht umsonst gemacht. Eine solche Liebe empfanden sie zu Christus. Denn als der Stern kam, blieb er gerade über dem Haupte des Kindes stehen und zeigte dadurch an, dass es göttlichen Ursprungs sei; und nachdem er Halt gemacht, leitet er sie zur Anbetung an, und zwar nicht bloß gewöhnliche Barbaren, sondern auch die, welche die weisesten unter ihnen waren. Siehst du also, wie angezeigt es war, dass ein Stern erschien? Denn auch nach der Weissagung und nach der Erklärung der Hohenpriester und Schriftgelehrten, halten sie sich noch an diesen. 

   Schämen soll sich daher Marcion[115] , schämen soll sich auch Paul von Samosata[116] , die beide nicht sehen wollten, was die Magier sahen, diese Erstgeborenen der Kirche; ich trage nämlich kein Bedenken, sie so zu nennen. Schämen soll sich Marcion, wenn er sieht, wie Gott im Fleische angebetet wird. Schämen soll sich Paul, wenn er sieht, dass Christus nicht als bloßer Mensch Anbetung empfängt. Dass er Fleisch angenommen, das beweisen die Windeln und die Krippe; dass ihnen aber die Magier ihre Ehrerbietung nicht als bloßem Menschen erzeigten, beweisen sie durch die Geschenke, die sie dem Herrn opferten, obwohl er noch ein Kind war, und die so groß waren, wie man sie sonst nur Gott darzubringen pflegt. Mit diesen beiden sollen aber auch die Juden beschämt werden, die da mit ansahen, wie Barbaren und dazu noch Magier ihnen zuvorkamen und die sich nicht einmal bewogen fühlten wenigstens nach ihnen zu kommen. Was damals geschah, war eben nur ein Vorbild dessen, was noch geschehen sollte, und vom ersten Anfang an wurde es offenbar, dass die Heiden jenem Volke den Rang ablaufen würden. Aber wie kommt es dann, dass der Herr nicht von Anfang an, sondern erst später sprach:"Gehet hin und lehret alle Völker"? (Mt 28,19). Weil, wie ich schon sagte, die damaligen Ereignisse ein Vorbild und eine Vorverkündigung der zukünftigen werden sollten. Das Richtige wäre ja gewesen, dass die Juden zuerst gekommen wären; nachdem sie aber freiwillig die ihnen angebotene Gnade zurückgewiesen hatten, da ward die Sache umgekehrt. Auch hier hätten eigentlich die Magier nicht vor den Juden kommen sollen, hätten diejenigen, die so ferne wohnten, jene nicht überflügeln sollen, die in der Nähe der Stadt selbst lebten, und hätten die, denen nie eine Botschaft zugegangen war, nicht denjenigen den Rang ablaufen sollen, die mit so herrlichen Prophetien von Kindheit an vertraut waren. Nachdem sie aber einmal in ganz unbegreiflicher Weise ihren eigenen Nutzen und Vorteil verkannt hatten, so kamen die Bewohner Persiens denen von Jerusalem zuvor. So hat auch Paulus gesagt: "Euch müßte das Wort des Herrn zuerst verkündet werden; da ihr euch aber selbst als Unwürdige erwiesen habt, wohlan, so wenden wir uns an die Heiden" (Ac 13,46). Wenn schon die Bewohner Jerusalems vorher nicht glaubten, so hätten sie sich wenigstens rühren sollen, nachdem sie die Magier gehört hatten. Allein, sie wollten eben nicht; darum kommen diese ans Ziel, während jene das Heil verschlafen.



5.

Folgen also auch wir den Magiern, und wenden wir uns soviel als möglich ab vom heidnischen Leben, auf dass wir Christus schauen können. Auch jene hätten ihn ja nicht gesehen, wenn sie sich nicht so weit von ihrem Lande entfernt hätten. Lassen wir die irdischen Sorgen. Solange die Magier in Persien waren, sahen sie den Stern; nachdem sie aber Persien verlassen hatten, erblickten sie die "Sonne der Gerechtigkeit"; ja, sie hätten auch den Stern nicht zu sehen bekommen, wenn sie nicht mutig von dort aufgebrochen wären. Darum wollen auch wir uns erheben; und wenn auch alle sich fürchteten, eilen wenigstens wir zum Hause des Kindes! Wenn auch Könige, Völker, Tyrannen uns diesen Weg verlegen wollten, lassen wir deshalb nicht ab vom Gegenstand unserer Sehnsucht. So werden wir alle Hindernisse, die uns entgegenstehen, überwinden. Auch die Magier wären der Gefahr, die ihnen vom König drohte, nicht entgangen, hätten sie das Kind nicht gesehen. Bevor sie das Kind gesehen hatten, lauerten nur Furcht, Gefahren und Schrecknisse von allen Seiten auf sie; nachdem sie es aber verehrt, genossen sie Ruhe und Sicherheit. Auch ist es kein Stern mehr, sondern ein Engel, der hinfort mit ihnen in Verkehr tritt, nachdem sie durch ihre Huldigung gleichsam Priester geworden waren; denn auch sie brachten ja Geschenke zum Opfer. So verlasse also auch du das jüdische Volk, die Stadt voll Verwirrung, den blutgierigen Tyrannen, alle weltliche Lebensweise und eile nach Bethlehem, wo das Haus des geistigen Brotes ist. Wenn du ein Hirte wärest und dorthin kämest, du würdest das Kind in der Herberge finden. Und wärest du ein König und kämest nicht hin, so nützte dir dein Purpur nichts; und wärest du auch ein Magier, es würde dich dies nicht hindern, wenn du nur kämest um den Sohn Gottes zu verehren und anzubeten, nicht aber "ihn mit Füßen zu treten" (He 10,29); und zwar müßtest du es tun mit Ehrfurcht und Freude, den beides gehört zusammen. 

   Gib also acht, dass du nicht wirst, wie Herodes und nicht sagest: "damit auch ich komme und ihn anbete", und dann kommst, um ihm das Leben zu nehmen. So machen es nämlich diejenigen, die die hl. Sakramente unwürdig empfangen. Denn "ein solcher",heißt es, "wird schuldig sein des Leibes und Blutes des Herrn" (1Co 11,27). Sie tragen eben in sich jenen Tyrannen, dem das Reich Christi eine Qual ist, den Mamonas, der noch ärger ist als der des Herodes. Dieser will nur herrschen; darum schickt er seine Knechte, damit sie angeblich dem Kinde ihre Verehrung darbrächten, in der Tat aber während der Huldigung es umbrächten. Hüten wir uns also, dass wir uns ja nie den Anschein von Leuten geben, die verehren und anbeten, in Wirklichkeit aber das Gegenteil tun. Lassen wir alles aus unseren Händen, wenn wir uns zum Gebet anschicken. Wenn wir Gold besitzen, bringen wir es ihm zum Opfer und vergraben es nicht. Wenn jene Barbaren schon Opfer brachten, bloß um ihre Ehrfurcht zu bezeugen, wie wirst du dastehen, wenn du nicht einmal den Dürftigen etwas gibst? Wenn jene einen so weiten Weg gekommen, um das neugeborene Kind zu sehen, was kannst dann du zu deiner Entschuldigung sagen, wenn du nicht einmal eine kurze Gasse weit gehen willst, um einen Kranken oder einen Gefangenen zu besuchen? Wir haben ja doch schon Erbarmen mit Ermatteten, Gefangenen, selbst mit Feinden; du aber hast nicht einmal Mitleid mit deinem Wohltäter und deinem Herrn. Jene haben Gold dargebracht; du gibst kaum ein Stück Brot her. Jene sahen den Stern und freuten sich; du aber siehst Christus selbst, arm und entblößt, und es rührt dich nicht. Wer von euch, die ihr doch tausend und abertausend Wohltaten von Christus empfinget, hat schon um seinetwillen einen solchen Weg zurückgelegt, wie jene Barbaren, oder vielmehr wie jene Weisesten aller Weisen? Und was sage ich: einen so weiten Weg? Bei uns sind ja schon viele Frauen so verweichlicht, dass sie, um den Heiland in seiner geistigen Krippe zu sehen, nicht einmal eine Straße weit gehen wollen, ohne ihre Maulesel einzuspannen. Andere hingegen, wenn sie doch schon einmal ausgehen müssen, ziehen es vor, entweder dem Wirrwarr weltlicher Geschäfte nachzugehen oder das Theater zu besuchen, anstatt in die Kirche zu kommen. Die Barbaren haben einen so weiten Weg zurückgelegt, noch bevor sie den Heiland sahen; du willst ihrem Beispiel nicht einmal folgen, nachdem du ihn gesehen hast, sondern lässest ihn allein und läufst den Schauspielern nach[117] ! Christus, den du in der Wiege liegen sahest, lässest du im Stich, um die Schauspielerinnen zu sehen! Ist so etwas nicht hundertfache Strafen wert?



6.

Sage mir doch! Wenn dich jemand einladen würde. in den Palast des Königs einzutreten, um dir den König auf seinem Throne zu zeigen, würdest du es vielleicht vorziehen, dir statt dessen das Theater anzusehen? Und doch hättest du gar nichts dabei zu gewinnen! Hier dagegen entspringt diesem Tisch[118] ein Strom geistigen Feuers; und dem kehrst du nur so den Rücken und läufst ins Theater, um badende Weiber zu sehen, die ihr Geschlecht entehren, und Christus lässest du allein beim Brunnen sitzen?[119] . Er sitzt nämlich auch jetzt noch am Brunnen und redet da nicht bloß mit der Samaritanerin, sondern mit der ganzen Stadt; allerdings gelegentlich wohl auch jetzt noch mit der Samaritanerin allein; denn auch jetzt kommt es vor, dass niemand bei ihm ist, sondern die einen sind nur dem Leibe nach da, die anderen überhaupt nicht. Trotzdem geht er aber nicht fort, sondern bleibt da und verlangt von uns einen Trunk, und zwar nicht Wasser, sondern Heiligkeit; denn das Heilige gibt er den Heiligen.[120] . Auch ist es nicht Wasser, das dieser Quelle entspringt, sondern lebendiges Blut; und dieses ist kein Zeichen des Todes, sondern der Anfang des Lebens. Du hingegen wendest dich ab von der Quelle des Blutes, von dem geheimnisvollen Kelche, und gehst zur Quelle des Teufels, um eine badende Hure zu sehen und dabei an deiner Seele Schiffbruch zu leiden. Jenes Wasser[121] ist ein Meer der Unzucht, das nicht dem Leibe, sondern der Seele den Untergang bringt. Sie schwimmt mit entblößtem Leibe, und du, der du zuschaust, versinkst in den Abgrund des Lasters. So wirft der Teufel seine Netze aus; nicht diejenigen, die ins Wasser hinabsteigen und sich darin herumtreiben, ertränkt er, sondern jene, die im Zuschauerraum sitzen; die richtet er elender zugrunde, als den Pharao, den er seinerzeit mitsamt Pferden und Streitwagen ersäufte. 

   O wären wir doch imstande, die Seelen zu sehen! Ich wollte euch gar manche zeigen, die auf solchen Gewässern dahertreiben, wie damals die Leiber der toten Ägypter. Noch schlimmer aber ist es, dass sie einem solchen Unheil auch noch den Namen Vergnügen geben, und das stürmische Meer des Verderbens einen friedlichen Ort der Lust und Freude nennen. Und doch möchte einer leichter und unbeschadeter eine Fahrt über das ägäische oder tyrrhenische Meer bestehen, als solch ein[122] Schauspiel ertragen. Denn fürs erste beherrscht[123] der Teufel die Seelen die ganze Nacht hindurch mit der Erwartung dieser Dinge; dann zeigt er ihnen den Gegenstand ihrer Erwartung, schlägt sie damit augenblicklich in Fesseln und macht sie zu seinen Gefangenen. Denn glaube nur ja nicht, du seiest frei von Schuld, weil du mit der Hure nicht gesündigt hast. Du hast eben durch deine Begierde gesündigt. Wenn du dich von der bösen Begierde beherrschen lässest, so hast du dadurch die Flamme der Lust nur noch mehr angefacht; verursacht dir hingegen ein solcher Anblick keine Versuchung, so verdienst du nur um so größeren Tadel, weil du anderen durch deine Leidenschaft für solche Schauspiele Ärgernis gibst, dein eigenes Auge besudelst und durch das Auge auch deine Seele. 

   Um aber nicht bloß zu tadeln, will ich auch ein Heilmittel angeben. Worin soll dies bestehen? Ich will euch euren Frauen zur Erziehung und Besserung übergeben. Nach der Weisung des hl. Paulus, solltet zwar ihr die Lehrer sein; nachdem aber die rechte Ordnung durch die Sünde verkehrt worden ist, der Leib oben, das Haupt unten sich befindet, so wollen auch wir diesen Weg einschlagen. Wenn du dich aber schämst, von deiner Frau belehrt zu werden, dann meide zuerst die Sünde, und du kannst alsbald wieder den Thron einnehmen, den Gott dir zugewiesen hat. Solange du aber in deiner Sünde verharrst, solange weist dich die Hl. Schrift nicht bloß an deine Frau, sondern selbst an unansehnliche, unvernünftige Tiere; denn sie scheut sich nicht, den vernunftbegabten Menschen zur Ameise in die Schule zu schicken. Das ist aber kein Vorwurf gegen die Hl. Schrift, sondern gegen diejenigen, die auf solche Weise den Adel ihrer Geburt selbst preisgegeben haben. So will also auch ich es machen und dich vorderhand deiner Frau übergeben. Solltest du sie aber zurückweisen, so schicke ich dich zu den unvernünftigen Tieren in die Lehre, und will dir zeigen, wie viele Vögel, wie viele Fische, wie viele vierfüßige und kriechende Tiere anständiger und enthaltsamer leben, als du. Wenn aber der Vergleich dich schamrot macht, so kehre zu deinem früheren Adel zurück, fliehe das Meer der Hölle und den Strom des Feuers, fliehe das Schwimmbad im Theater. Denn dieses Wasser führt dich zu jenem Meer und zündet jenen Flammenabgrund für dich an.



7.

Wenn "derjenige, welcher ein Weib aus Begierlichkeit ansieht, die Ehe schon gebrochen hat", wie soll dann der, der gezwungen ist, ein entblößtes Weib zu sehen, nicht tausendmal eher in die Fesseln der Lust verstrickt werden? Die Sintflut hat zur Zeit Noe's das Menschengeschlecht nicht so schmachvoll zugrunde gerichtet, als wie diese schwimmenden Weiber alle ihre Zuschauer[124] ersticken. Jener Regen, wenn er auch den leiblichen Tod brachte, hat wenigstens die Schlechtigkeit der Seelen abgewaschen; hier geschieht das Gegenteil, die Leiber bleiben, die Seelen aber gehen zugrunde. Wenn es sich um die Frage des Vorranges handelt, dann wollet ihr vor der ganzen Welt den Vortritt haben, weil diese unsere Stadt[125] die erste war, in der die Gläubigen den Namen "Christen" erhielten. Beim Wettstreit um die Keuschheit dagegen schämt ihr euch nicht, hinter den unzivilisiertesten Städten zurück zu stehen! Ja, fragt ihr, was willst du dann, dass wir jetzt tun sollen? Sollen wir etwa die Berge aufsuchen und Mönche werden? Aber gerade das schmerzt mich, dass ihr glaubet, Anstand und Ehrbarkeit schicke sich nur für sie; und doch hat Christus seine Gesetze gleichmäßig für alle gegeben, Wenn er sagt; "Wer ein Weib um der Begierde willen ansieht" (Mt 5,28), so gilt das nicht nur für den Mönch, sondern auch für den, der eine Frau hat; denn jener Berg[126] war damals voll von verheirateten Leuten. Blicke darum auf jenes Schauspiel und hasse dieses, das vom Teufel kommt, und verkenne nicht den Ernst dieses Schriftwortes. Ich verbiete niemand zu heiraten und hindere keinen am Genuß der Ehe, aber ich will, dass es in Ehrbarkeit geschehe, nicht in jener schamlosen Weise, die Vorwürfe und tausendfachen Tadel verdient. Niemandem gebiete ich, die Berge und die Einöden aufzusuchen, aber man soll rechtschaffen, anständig und ehrbar sein, auch wenn man mitten in der Stadt wohnt. Denn alles, was Gebot ist, gilt uns so gut wie den Mönchen, ausgenommen die Ehe; oder vielmehr gebietet der hl. Paulus auch in diesem Punkte, allweg jenen[127] gleich zu werden. Denn er sagt: "Es vergeht die Gestalt dieser Welt, auf dass auch diejenigen, die Frauen haben, doch so leben, als hätten sie keine" (1Co 7,29). Er will damit sagen: Ich befehle euch nicht, die Höhen der Berge aufzusuchen; allerdings sähe ich es gerne, denn die Städte ahmen die Laster von Sodoma nach; aber dennoch zwinge ich keinen dazu. Behalte ruhig dein Haus, deine Kinder, deine Frau; aber mißhandle deine Frau nicht, beschimpfe nicht deine Kinder und trage den Schmutz der Theater nicht in deine Familie. Oder hörst du nicht, was Paulus sagt: "Der Mann hat nicht die Macht über seinen eigenen Leib, sondern die Frau" (1Co 7,4); und für beide hat er gemeinsame Gesetze gegeben. Und du? Wenn deine Frau fleißig in die Kirche geht, machst du ihr schwere Vorwürfe; wenn du selbst aber ganze Tage lang in den Theatern herumlungerst, glaubst du keinen Tadel verdient zu haben. Über die Ehrbarkeit deiner Frau wachst du mit solcher Strenge, dass du sogar das rechte Maß überschreitest, und ihr nicht einmal die notwendigen Ausgänge erlauben willst; dir selber dagegen, meinst du sei alles erlaubt. Das gesteht die Paulus nicht zu; er gibt auch der Frau die gleichen Rechte, denn er sagt: "Der Mann soll seiner Frau die schuldige Ehre erweisen" (1Co 7,3). 

   Was ist also das für eine Ehre, wenn du deine Frau gerade in den wichtigsten Dingen entehrst, und den Leib, der ihr gehört, den Huren überlässest? Denn dein Leib ist ihr Eigentum.[128] wenn du Zwietracht und Unfrieden ins Haus bringst? wenn du in der Öffentlichkeit Dinge tust, dass bei deren Erzählung zu Hause deine Frau schamrot wird, deine Tochter in Verlegenheit kommt, und du selber dich mehr schändest als sie! Denn sie müssen entweder schweige, oder sich durch Anhören von Dingen entehren lassen, für die man das Gesinde billigerweise mit Ruten züchtigen würde. Welche Entschuldigung hast du also, wenn du gierig das zu sehen trachtest, was man anständigerweise nicht einmal nennen kann? Wenn du allem anderen das vorziehst, was man nicht einmal erzählen darf? Damit will ich diesen Gegenstand fallen lassen, um nicht allzu beschwerlich zu werden. Wenn ihr aber in diesen Dingen verharrt, dann schärfet ihr nur selber das Eisen, mit dem ich euch noch tiefer verwunden werde; und ich werde nicht eher aufhören, als bis ich das Theater des Teufels geleert und die Versammlung der Kirche gereinigt habe. So werden wir von dieser gegenwärtigen Schande befreit und der Frucht des zukünftigen Lebens teilhaft werden, durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, dem Ehre und Macht gebührt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!






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