Kommentar zum Evangelium Mt 26

Sechsundzwanzigste Homilie. Kap. VIII, V.5-13.

26 Mt 8,5-13
1.

V.5: "Als der Herr nach Kapharnaum hineinging, da trat ein Hauptmann auf ihn zu, flehte ihn an

   V.6: und sprach: Herr, mein Diener liegt zu Hause krank an Gicht und leidet große Qualen." 

   Der Aussätzige kam zum Herrn, als er vom Berge herunterstieg; dieser Zenturio, als er nach Kapharnaum hineinging. Weshalb ist denn weder der eine noch der andere auf den Berg gestiegen? Nicht aus Trägheit; denn beide hatten einen lebendigen Glauben; sie wollten nur die Predigt des Herrn nicht unterbrechen. Der Hauptmann ging also auf ihn zu und sagte: "Mein Knecht ist zu Hause krank an Gicht und leidet große Qualen."Einige sagen da, der Hauptmann habe auch gleich die Ursache der Krankheit genannt, um sich zu entschuldigen, dass er seinen Diener nicht selbst mitgebracht hatte. Es wäre ihm ja, sagen sie, nicht möglich gewesen, ihn aus dem Hause zu bringen, wenn er solche Anfälle hatte, und solche Schmerzen leiden mußte, dass er schon fast in den letzten Zügen lag. Dass es mit ihm beinahe zum äußersten gekommen, bezeugt auch Lukas, der da schreibt: "Er war dem Tode nahe" (Lc 7,2). Ich halte das Benehmen des Hauptmanns vielmehr für ein Zeichen seines großen Glaubens, und zwar eines viel stärkeren als jene hatten, die ihren Kranken vom Dache des Hauses herunterließen. Er war eben fest davon überzeugt, dass auch ein bloßer Befehl des Herrn genüge, ihm seinen kranken Diener gesund zu machen: deshalb hielt er es für unnötig, ihn mitzubringen. Was tut nun Jesus? Er tut hier etwas, was er früher nie getan hat. Sonst gewährte er immer nur nach erfolgter Bitte den Wunsch der Hilfesuchenden; hier eilt er förmlich auf die Sache zu und verspricht nicht nur den Knecht zu heilen, sondern auch selbst in das Haus zu kommen. Dies tut er aber nur, damit wir daraus die Tugend des Hauptmannes erkennten. Hätte er dies nicht versprochen, sondern einfach gesagt: Wohlan, dein Diener soll gesund sein, so hätten wir diese Beobachtung nicht machen können. Dasselbe tat er auch bei der Phönizierin, aber in umgekehrter Weise (Mc 7,26 u. Mt 15,22-28). Hier ward er nicht in das Haus gerufen, und doch sagte er ohne Zögern, er werde von selbst kommen. Du sollst eben daraus ersehen, welchen Glauben und welch große Demut der Hauptmann besaß. Bei der Phönizierin dagegen weigert er sich, sie zu erhören und stellt ihre Beharrlichkeit auf die Probe. Als weiser und gewandter Arzt verstand er es eben, Gegensätzliches durch Gegensätzliches zu erreichen. Hier offenbart er den Glauben des Hauptmannes durch sein freiwilliges Erscheinen; dort den der Frau durch den langen Aufschub und die Weigerung. So machte er es auch mit Abraham, als er sprach: "Ich werde es nicht verbergen vor meinem Knechte Abraham" (Gn 18,17), damit du seine Liebe erkennst und seine Bekümmernis für die Sodomiten. Auch bei Lot weigern sich die Abgesandten, in sein Haus einzutreten, auf dass dir die große Gastfreundschaft dieses Gerechten zum Bewußtsein komme (Gn 19,13). Was sagt also der Hauptmann?

   V.8: "Herr, ich bin nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach." 

   Geben wir acht, wir alle, die wir Christum aufnehmen sollen. Es ist ja auch jetzt noch möglich, ihn aufzunehmen. Hören wir und ahmen wir ihn nach und nehmen wir den Herrn mit dem gleichen Eifer auf. Denn wenn du einen Armen aufnimmst, der Hunger leidet und keine Kleider hat, so hast du ihn aufgenommen und genährt. "Aber sprich nur ein Wort und mein Knecht wird gesund." Siehe da, wie auch er, gleich dem Aussätzigen so vom Herrn denkt, wie es sich gebührt. Er sagt nämlich nicht: Bitte du, noch auch: bete und flehe, sondern nur: befiehl. Dann fügte er aus Furcht, dass der Herr ihm aus Demut die Bitte verweigere, hinzu:

   V.9: "Denn ich bin ein Mensch, der unter fremder Macht steht und Soldaten unter sich hat. Und sage ich zu einem: Geh, so geht er, und zu jenem: Komm, so kommt er, und zu meinem Sklaven: Tu dies, so tut er es." 

   Aber was tut dies zur Sache, fragst du, ob der Hauptmann also vom Herrn dachte? Die Frage ist ja die, ob Christus dem zustimmte und es bestätigte. Der Einwand ist gut und sehr verständig. Prüfen wir also gerade diesen Punkt; dann werden wir finden, dass es hier gerade so ging wie bei dem Aussätzigen. Der Aussätzige sagte: "Wenn du willst"; und zwar glauben wir jetzt nicht nur wegen des Aussätzigen an die Macht des Herrn, sondern wegen der Antwort Christi selbst: denn er hat dem Glauben des Aussätzigen nicht nur nicht widersprochen, sondern ihn nur noch mehr darin bestärkt. indem er daraufhin das an sich ganz überflüssige Wort hinzufügte: "Ich will, sei rein", eben in der Absicht, den Glauben des Aussätzigen zu bestärken. So ist es also am Platze zu prüfen, ob es nicht auch hier ähnlich gegangen ist. In der Tat, wir werden finden, dass auch hier sich die Sache gerade so zutrug. Nachdem der Hauptmann eine so große Bitte vorgebracht und seinen Glauben an eine so hohe Macht Christi bekundet hatte, da tadelte ihn der Herr nicht nur nicht, sondern nahm die Sache an und tat sogar noch mehr, als sie nur annehmen. Auch der Evangelist sagte ja nicht bloß, er habe seine Worte gelobt, sondern zeigte auch, wie sehr er ihn gelobt hat, durch die Bemerkung, er habe ihn sogar bewundert. Ja nicht bloß so einfach bewundert hat er ihn, sondern in Gegenwart des ganzen Volkes ihn auch den anderen als Beispiel vor Augen gestellt, das sie nachahmen sollten. Siehst du da, wie jeder von denen, die seiner Macht Zeugnis gaben, Bewunderung findet? "Es staunte die Menge ob seiner Lehre; denn er lehrte wie einer, der Macht hat" (Mt 7,28-29); und Christus hat sie darob nicht nur nicht zurechtgewiesen, sondern stieg auch mit ihnen den Berg herab und bekräftigte ihren Glauben durch die Heilung des Aussätzigen. Ebenso sagte dieser selbst: "Wenn Du willst, kannst Du mich rein machen", und der Herr tadelte ihn nicht nur nicht, sondern heilte ihn und reinigte ihn, wie er es erbeten hatte. In gleicher Weise sagte auch dieser Hauptmann: "Sprich nur ein Wort und mein Knecht wird gesund werden". Und der Herr sprach voll Bewunderung:

   V.10: "Nicht einmal in Israel habe ich einen solchen Glauben gefunden."



2.

Du sollst dies auch noch aus dem Gegenteil ersehen. Als Martha nichts dergleichen sagte, sondern das Gegenteil, nämlich:"Gott wird dir gewähren, um was immer du ihn bittest" (Jn 11,12), da lobte er sie nicht nur nicht, obgleich sie mit dem Herrn befreundet war und von ihm geschätzt ward und sie sich viel um ihn abgemüht hatte; im Gegenteil, er tadelte sie und wies sie zurecht, wie eine, die Ungebührliches geredet hatte. Er sprach zu ihr: "Habe ich dir nicht gesagt, dass du die Herrlichkeit Gottes sehen wirst, wenn du glaubst?" (Jn 11,40). Damit tadelte er sie also wie eine, die nicht einmal Glaube gehabt habe. Und da sie gesagt hatte: "Was immer du von Gott erbittest, wird er dir geben", so suchte er sie von solcher Ansicht abzubringen und sie zu belehren, dass er nicht nötig habe, von einem anderen etwas zu empfangen, dass er vielmehr selbst die Quelle alles Guten sei. Deshalb erwiderte er: "Ich bin die Auferstehung und das Leben" (Jn 11,25). Mit anderen Worten: Ich brauche nicht zu warten, bis ich die Macht erhalte, ich wirke alles aus eigener Kraft. Deshalb bewunderte er auch den Hauptmann und stellt ihn dem ganzen Volke als Beispiel hin, zeichnet ihn aus durch die Verheißung des Himmelreiches und forderte die anderen auf, ihn nachzuahmen. Damit du aber siehst, dass er dies nur in der Absicht sagte, um auch andere zu solchem Glauben zu bringen, so höre, wie genau der Bericht des Evangelisten lautet, der dies mit den Worten andeutet: "Da wandte sich der Herr um und sagte zu denen, die ihm folgten: "Nicht einmal in Israel habe ich solchen Glauben gefunden." Das ist also ein Zeichen des Glaubens, recht gut vom Herrn zu denken; das verdient uns den Himmel und alle anderen Gnaden. Denn der Herr ließ es auch hier nicht beim mündlichen Lob bewenden, sondern gab dem Hauptmann für seinen Glauben den kranken Knecht gesund zurück, flicht ihm einen herrlichen Ruhmeskranz und verheißt ihm große Gaben mit den Worten:

   V.11: "Viele werden vom Aufgang und vom Niedergang kommen und am gemeinsamen Tische sitzen mit Abraham, Isaak und Jakob,

   V.12: die Kinder des Reiches hingegen werden hinausgeworfen werden." 

   Da der Herr sie bereits viele Wunderzeichen hatte schauen lassen, so redet er auch jetzt mit größerem Freimut zu ihnen. Damit aber dann niemand glaube, seine Worte enthielten nur eine Schmeichelei, und damit alle sehen, dass der Hauptmann wirklich von dieser Gesinnung beseelt war, sagte er:

   V.13: "Wohlan, wie du geglaubt hast, soll dir geschehen." 

   Und alsbald folgte die Tat zum Beweis der Worte: "Und von der Stunde an ward der Knecht gesund." Geradeso geschah es bei der Syrophönizierin. Auch zu ihr sagte der Herr: "Weib, dein Glaube ist groß, es geschehe dir, wie du willst." Und ihre Tochter ward geheilt (Mt 15,28). Da aber Lukas dieses Wunder erzählt, und noch verschiedenes andere dazufügt, so dass man glauben könnte, es bestehe keine Übereinstimmung in der Darstellung, so müssen wir auch diese Schwierigkeiten lösen. Was sagt also Lukas? Der Hauptmann sandte die Ältesten der Juden zum Herrn und ließ ihn bitten, er möge kommen. Matthäus dagegen erzählt, er sei selbst gekommen und habe gesagt: "Ich bin nicht würdig." Einige sagen nun, es handle sich hier nicht um dieselbe Person, wenn auch die beiden Erzählungen viel Ähnlichkeit miteinander haben. Denn von dem einen sagen die Ältesten: "Er hat uns eine Synagoge gebaut und liebt unser Volk" (Lc 7,5). Von diesem aber sagt Christus selbst:"Nicht einmal in Israel habe ich einen so großen Glauben gefunden." Auch sagt er bei jenem nicht: "Es werden viele kommen vom Aufgang", so dass man daraus schließen muß, jener sei ein Jude gewesen. 

   Was sollen wir also zu dieser Schwierigkeit sagen? Dass diese Lösung sehr einfach ist. Die Frage ist nur, ob sie auch richtig ist? Mir scheint es sich in beiden Fällen um dieselbe Person zu handeln. Wie kann aber dann Matthäus ihn sagen lassen: "Ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach", während Lukas schreibt, er habe zu ihm gesandt mit der Bitte, er möge kommen? Mir scheint Lukas anzudeuten, dass hier Schmeichelei der Juden mit im Spiele war, und dann, dass diejenigen, die im Unglück sind, unbeständig sind und oft ihre Entschlüsse wechseln. Wahrscheinlich wollte der Hauptmann zuerst selber kommen, und wurde dann von den Juden daran gehindert, die ihm schmeichelnd sagten: Wir wollen selber gehen und ihn herbringen. Darum kannst du auch sehen, wie ihre Aufforderung voll von Schmeichelei ist: "Denn er liebt unser Volk", sagen sie," und hat uns auf eigene Kosten die Synagoge gebaut." Ja, sie wissen nicht einmal, was sie an dem Manne loben. Sie hätten sagen sollen: Er wollte zwar selber kommen und seine Bitte vorbringen, wir haben ihn aber daran gehindert mit Rücksicht auf seinen großen Schmerz und auf den Kranken, der im Hause lag, und so hätten sie auf seinen großen Glauben hinweisen sollen. Das tun sie aber nicht. Sie wollten eben aus lauter Neid den Glauben des Mannes nicht offenbaren; sie wollten lieber die Tugend eines Mannes in Schatten stellen, für den sie doch eine Gnade zu erflehen gekommen waren, als dass der, an den sie ihre Bitte richteten, nicht für etwas Größeres gehalten würde, und damit das, weshalb sie gekommen waren, nicht etwa deshalb gewährt würde, weil sie den Glauben des Hauptmannes lobend hervorgehoben hätten. Der Neid vermag eben den Verstand zu verdunkeln, Er aber, der das Verborgene kennt, lobte den Hauptmann auch gegen ihren Willen. Dass diese Erklärung der Sache die richtigste ist, können wir wieder aus Lukas ersehen, der selbst die Erklärung dazu gibt. Er erzählt nämlich den Hergang der Sache folgendermaßen: "Da der Herr schon nicht mehr weit war, schickte der Hauptmann zu ihm und ließ ihm sagen: Herr, bemühe dich nicht, denn ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach" (Lc 7,6). Nachdem er also von den Juden nicht mehr belästigt wurde, da sandte er Boten und ließ sagen: Denke nicht, ich sei aus Bequemlichkeit nicht selber gekommen; ich hielt mich vielmehr für unwürdig, Dich in meinem Hause zu empfangen.



3.

Wenn aber Matthäus schreibt, der Hauptmann habe dies nicht durch seine Freunde sagen lassen, sondern es persönlich vorgebracht, so mache das gar nichts. Die Hauptsache bleibt doch, dass beide den großen Eifer des Mannes hervorheben und dass er die gebührend hohe Meinung von Christus hegte. Doch ist es wahrscheinlich, dass er selber kam, um seine Bitte vorzubringen, nachdem er vorher seine Freunde geschickt hatte. Hätte nicht Lukas das eine gesagt, dann auch Matthäus nicht das andere. Es besteht also kein Widerspruch zwischen beiden, vielmehr hat der eine ergänzt, was der andere ausließ. Beachte sodann, wie Lukas auch auf andere Weise den Glauben des Hauptmannes gepriesen hat, indem er sagt, der Knecht sei schon dem Tode nahe gewesen. Trotzdem hat der Hauptmann auch dann den Mut nicht verloren und hat die Hoffnung nicht aufgegeben. Er hielt trotzdem an dem Vertrauen fest, er werde am Leben bleiben. Wenn wir nun bei Matthäus lesen, Christus habe gesagt: "Nicht einmal in Israel habe ich so großen Glauben gefunden" und dadurch zeigt, dass der Hauptmann kein Israelite gewesen sei, während Lukas schreibt, er habe eine Synagoge erbaut, so liegt auch hierin kein Widerspruch. Es kann ja ganz gut einer, der selbst kein Jude ist, eine Synagoge bauen und Liebe zum Judenvolk haben. 

   Du aber solltest nicht bloß auf die Worte des Hauptmannes achten, sondern auch auf seine Amtsstellung in Betracht ziehen; dann erst wirst du erkennen, wie tugendhaft der Mann gewesen sein muß. Diejenigen, die hohe Stellungen einnehmen, sind ja meist sehr stolz und wollen nicht einmal im Unglück von ihrem Hochmut ablassen. So hat derjenige, der bei Johannes erwähnt wird, den Herrn zu seinem Haus hingezogen und gesagt: "Komm, mein Knecht ist dem Tode nahe" (Jn 4,47). So macht es unser Hauptmann nicht. Er benimmt sich viel besser als dieser und auch besser als jene, die ihren Kranken vom Dache herabließen. Er verlangt nicht, dass der Herr persönlich zugegen sei, noch trug er den Kranken in die Nähe des Arztes. Das alles beweist, dass er keine geringe Meinung vom Herrn hatte, sondern so von ihm dachte, wie es sich für Gott geziemt. Darum sagte er: "Sprich nur ein Wort."Aber nicht gleich im Anfang sagte er: "Sprich nur ein Wort"; vielmehr brachte er nur die Krankheit vor. In seiner großen Demut erwartet er eben nicht, dass Christus seine Bitte sogleich gewähren und sein Haus aufsuchen werde. Als er darum den Herrn sagen hörte: Ich will kommen und ihn heilen, da erst sagte er: "Sprich nur ein Wort." Und selbst der eigene Schmerz hat ihn nicht um die Hoffnung gebracht, auch im Unglück blieb er weise und war nicht so sehr auf die Gesundheit des Knechtes bedacht, als darauf, nicht groß zu erscheinen und nichts Ungeziemendes zu tun. Deshalb hat er auch selbst nicht gedrängt, sondern Christus hat sein Kommen angekündigt; und auch so nicht war er in Furcht, diese Ehre möchte so groß sein für seinen Rang und böse Folgen haben. Siehst du da die Art seiner Gesinnung, und wie töricht die Juden waren, die sagten: "Er verdient es, dass du ihm eine Gunst erweisest?" (Lc 7,4).Sie hätten sich auf die Liebe Jesu zu den Menschen berufen sollen; statt dessen kommen sie mit der Würdigkeit des Hauptmannes daher und wissen dabei nicht einmal, welchen Grund der Würdigkeit sie eigentlich angeben sollten. 

   Der Hauptmann dagegen war ganz anders gesinnt. Er bekannte sich im Gegenteil für ganz unwürdig, nicht bloß die Erhörung seiner Bitte zu finden, sondern auch, den Herrn in seinem Hause aufzunehmen. Darum hat er auch zu den Worten:"Mein Knecht liegt darnieder" nicht hinzugefügt : Sprich, aus Furcht, des Gnadenerweises nicht würdig zu sein. Er begnügt sich damit, den Unglücksfall einfach darzulegen. Und selbst dann, als er Christi Bereitwilligkeit sah, stürzt er sich nicht auf die Sache los, sondern fährt noch immer fort, sich innerhalb der gebührenden Schranken zu halten. Wenn aber jemand fragt: Warum hat ihm Christus nicht auch seinerseits wieder Ehre erwiesen, so können wir nur darauf erwidern, dass er ihm in der Tat sehr große Ehre erwiesen hat. Erstens dadurch, dass er dessen gute Gesinnung offenbart, die gerade daran sich am deutlichsten zeigte, dass er nicht wollte, dass der Herr in sein Haus komme; zweitens dadurch, dass er ihm das Reich Gottes verheißt und ihn höher stellte als das gesamte Volk der Juden. Dafür, dass er sich selbst für unwürdig erklärt hat, Christus in sein Haus aufzunehmen, ward er selbst des Reiches Gottes gewürdigt und der Seligkeit, die Abraham zuteil geworden. Warum wurde aber dann der Aussätzige, der doch noch eine höhere Meinung vom Herrn gezeigt hatte, nicht auch belobt? Er sagte ja nicht: "Sprich nur ein Wort", sondern, was viel mehr ist: "Wolle nur."So redet ja der Prophet von Gott Vater und sagt: "Alles, was er wollte, hat er gemacht" (Ps 118,11 u. Ps 134,6). Indes wurde auch der Aussätzige belobt. Als nämlich der Herr gesagt hatte: "Bringe die Gabe dar, die Moses vorgeschrieben zum Zeugnis für sie", da fügte er nur noch das eine dazu: Du wirst Zeugnis wider sie ablegen durch den Glauben, den du bekannt hast. Übrigens war es nicht das gleiche, ob ein Jude glaubte, oder einer, der nicht zum auserwählten Volke gehörte. Dass nämlich der Hauptmann kein Jude war, geht schon aus seiner Stellung als Hauptmann hervor, wie aus dem Worte des Herrn: "Nicht einmal in Israel habe ich so großen Glauben gefunden."



4.

Es ist ja auch wirklich etwas Großes, dass ein Mann, der ja nicht im jüdischen Stammesregister stand, so große Einsicht erlangt hatte. Ich glaube, er hatte die Heerscharen es Himmels geschaut, oder erkannt, dass die Leiden, der Tod und alles andere Christus ebenso untertan sind, wie ihm seine Soldaten. Darum sagte er:"Denn ich bin ein Mensch, der unter die Macht gestellt ist", das heißt: Du bist Gott, ich ein Mensch. Ich bin Untertan, Du nicht. Wenn also ich, ein untertäniger Mensch, solche Macht besitze, dann um so mehr er, der Gott ist und niemandem untertan. Er will eben den Herrn recht deutlich davon überzeugen, dass er den Vergleich nicht macht, als ob wirklich eine Ebenbürtigkeit bestünde, sondern um von dem einen auf das Höhere zu schließen. Wenn ich, der ich die Stellung eines Untergebenen einnehme und Untertan bin, trotzdem soviel vermag, bloß wegen des unbedeutenden Vorzugs einer Befehlshaberstelle, und mir deshalb keiner widerspricht, sondern das geschieht, was ich befehle, selbst wenn ich das eine Mal dies, ein andres Mal das Gegenteil befehle[297] , dann wirst du nur um so mehr Macht besitzen. Andere verstehen diese Stelle auch so: "Wenn also ich, der ich ein bloßer Mensch bin", machen dann ein Satzzeichen und fahren fort: "und Soldaten unter meinem Befehle habe." Du aber sollst beachten, wie der Hauptmann sogar seinen Glauben offenbarte, dass der Herr auch über den Tod zu gebieten vermag wie über einen Sklaven und ihm befehlen könne, wie ein Herr. Denn mit den Worten: "Komm, und er kommt, und;: Geh. und er geht", wollte er sagen: Wenn du dem Tode befiehlst, nicht über meinen Knecht zu kommen, so wird er nicht kommen. 

   Siehst du da, wieviel Glauben er besaß? Was später allen Menschen klar werden sollte, das hat dieser Hauptmann schon ganz offen erklärt, dass nämlich der Herr die Macht über Leben und Tod habe, dass e r zu den Toren der Unterwelt hinund zurückführe. Zudem sprach der Hauptmann nicht nur von Soldaten, sondern auch von Sklaven, die ja noch mehr zum Gehorsam verpflichtet sind. Allein trotz seines großen Glaubens hielt er sich selbst noch für unwürdig. Christus dagegen zeigte ihm, dass er wohl würdig sei, ihn in seinem Hause zu empfangen. Ja, er tat noch viel mehr, er bewunderte ihn, er lobte ihn und gab ihm mehr, als er gebeten hatte. Der Hauptmann war gekommen, um seinem Knechte die leibliche Gesundheit zu verschaffen und ging zurück im Besitze des himmlischen Reiches. Siehst du, wie sich bereits das Wort erfüllt hatte: "Suchet das Himmelreich und dieses alles wird euch dazu gegeben werden"? (Mt 6,33). Weil der Hauptmann viel glaubte und Demut gezeigt hatte, so hat ihm Christus auch noch den Himmel gegeben und dazu noch die Gesundheit[298] . Und nicht bloß damit hat er ihn geehrt, sondern auch dadurch, dass er bekannt machte, an wessen Stelle er ins Himmelreich eingehen werde. Denn schon dadurch allein zeigt er allen ganz deutlich, dass das Heil aus dem Glauben[299] kommt, nicht aus den Werken, die das[300] Gesetz vorschreibt. Deshalb ist dieses Geschenk nicht nur für die Juden, sondern auch für die Heiden bestimmt; aber für jene noch mehr als für diese. Glaubt nicht, will der Herr sagen, dass dies nur bei diesem Hauptmann so geschehen ist; das gleiche Gesetz[301] gilt für die ganze Welt. Mit diesen Worten kündet der Herr seine Absicht betreffs der Heiden an und macht ihnen zum voraus gute Hoffnungen. Unter denen, die ihm folgten, waren nämlich auch einige aus dem Teile von Galiläa, der von Heiden bewohnt war. Er redete aber deshalb so, damit die Heiden nicht verzweifelten und die Juden gedemütigt würden. Um aber seine Zuhörer dadurch nicht zu beleidigen und ihnen keinerlei Handhabe zu bieten, so redet er nicht gleich am Anfang von den Heiden, sondern benützt die Gelegenheit, die ihm der Hauptmann bietet, und selbst dann gebraucht er nicht den bloßen Ausdruck "Heiden".Er sagt nicht: viele Heiden, sondern: "viele vom Aufgang und vom Niedergang", womit er eben die Heiden meinte. Auf diese Weise stieß er bei den Zuhörern nicht an, weil eben der Ausdruck etwas dunkel war. Aber nicht bloß dadurch milderte er in etwas die Neuerung, die in seiner Lehre zu liegen schien, sondern auch dadurch, dass er den Schoß Abrahams an Stelle des Himmelreiches nannte. Dies war ihnen eben kein geläufiger Ausdruck, während die Erwähnung Abrahams ihnen nur um mehr schmerzlicher sein mußte. Deshalb hat auch Johannes nicht so gleich von der Hölle gesprochen, sondern sagte etwas, was die Juden am meisten betrübte, nämlich: "Rühmet euch nur nicht und sagt: Wir sind Kinder Abrahams!" (Mt 3,9). 

   Der Herr erreichte damit auch noch etwas anderes, nämlich, dass er nicht als Gegner des Alten Testamentes dastand. Denn wer mit Bewunderung von den Patriarchen sprach und ihren Schoß ein Glück nannte, der beugte einem solchen Verdacht mehr als genügend vor. Keiner soll also glauben, die Drohung betreffe nur eine Sache allein; es handelt sich um ein doppeltes, sowohl bei der Strafe für die einen, wie bei der Glückseligkeit für die andern. Denn jene werden nicht bloß einen Verlust erleiden, sondern werden etwas verlieren, was ihnen eigentlich zu Recht gehört; diese werden nicht bloß etwas erhalten, sondern das erlangen, was sie gar nicht erwartet hatten; dazu kommt noch ein drittes Moment, dass sie nämlich das erhalten, was jenen bestimmt war. Kinder des Himmelreiches aber nennt der Herr diejenigen, denen das Himmelreich bestimmt war. Gerade das mußte die Juden am schmerzlichsten treffen. Zuerst weist er darauf hin, dass sie der Offenbarung und Verheißung gemäß dem Schoße Abrahams angehören und dann schließt er sie davon aus. Und weil dies zunächst nur Worte waren, bekräftigte er sie auch noch durch ein Wunderzeichen, wie andererseits auch die Wunderzeichen eine Bestätigung fanden in den Prophezeiungen, die sich nachher erfüllten. Wer also nicht an die Heilung glauben wollte, die dem Knechte zuteil wurde, möge wenigstens um der Prophezeiung willen, die sich bereits erfüllte, auch an das andere glauben. Denn auch die Prophetie wurde schon vor ihrer Erfüllung durch das damalige Wunder allen bekannt. Deshalb hat er zuerst diese Dinge vorausgesagt und dann den kranken Knecht geheilt, damit er durch das, was sie vor Augen hatten, zum Glauben an das geführt würden, was erst kommen sollte, damit sie gleichsam das Geringere annehmen um des Größeren willens. Dass die Tugendhaften glücklich werden sollten, die Gesetzesübertreter dagegen Strafe erleiden, das war ja gar nichts Außerordentliches. 

   Das entspricht nur der Vernunft und der Billigkeit des Gesetzes. Dass aber ein Gelähmter wieder gehen und ein Toter auferstehen sollten, das ging doch über die Möglichkeit der Natur hinaus. Gleichwohl hat der Hauptmann auch hier nicht wenig dazu beigetragen, um die Juden zum Glauben auch an diese größeren und wunderbaren Dinge zu führen. Das gibt uns auch Christus zu verstehen mit den Worten: "Wohlan, wie du geglaubt hast, soll dir geschehen!" Siehst du, wie die Gesundheit, die dem Knechte zurückgegeben wurde, auch für die Macht Christi lautes Zeugnis ablegt, ebenso wie für den Glauben des Hauptmannes, und wie sie auch den Glauben an das bekräftigte, was erst kommen sollte? Ja, es hat eigentlich alles die Macht Christi in helles Licht gestellt. Denn der Herr gab nicht nur dem Knechte die leibliche Gesundheit wieder, er gewann auch die Seele des Hauptmannes durch seine Wunderzeichen für den Glauben. Du aber richte dein Augenmerk nicht bloß auf die Tatsache, dass dieser glaubt und die anderen geheilt wurden; bewundere vielmehr auch die Schnelligkeit der Heilung. Gerade darauf wollte der Evangelist aufmerksam machen, wenn er sagte: "Und es ward der Knecht in derselben Stunde geheilt." Ebenso sagte er auch beim Aussätzigen: "Er ward alsbald rein." Christus zeigt seine Macht nicht nur durch die Heilung an sich, sondern auch durch ihre ganz außergewöhnliche Art, da sie in einem einzigen Augenblick sich vollzog. Und nicht nur dadurch nützte er uns, sondern auch dadurch, dass er bei allen seinen Wundertaten vom Gottesreich zu reden anfängt und alle für dasselbe zu gewinnen sucht. 

   Auch jenen, die er mit Ausschluß bedroht, droht er nicht, um sie wirklich auszuschließen, sondern damit sie ob seiner Rede Furcht empfänden und so zum Himmel hingezogen würden. Wenn sie aber auch da keinen Nutzen zögen, so sind ausschließlich sie selbst daran schuld, wie überhaupt alle, die an der gleichen Krankheit leiden. Es kann ja jedermann sehen, dass dies nicht nur an den Juden geschah, sondern auch an solchen, die den Glauben gehabt hatten. Auch Judas war ja ein Kind des Gottesreiches gewesen, auch an ihn waren, wie an die anderen Jünger, die Worte gerichtet: "Ihr werdet auf zwölf Thronen sitzen" (Mt 19,28); gleichwohl ward aus ihm ein Kind der Hölle. Der Äthiopier dagegen, ein Barbar, einer von denen, die vom Aufgang und vom Niedergang kommen, genießt den Himmelslohn mit Abraham, Isaak und Jakob. Dasselbe geschieht jetzt auch an uns."Denn",heißt es, "viele von den ersten werden die letzten sein, und viele von den letzten die ersten" (Mt 19,30). Das sagte aber der Herr, damit die einen sich nicht der Trägheit hingeben, da sie ja doch nicht ans Ziel kommen könnten, die anderen dagegen nicht übermütig würden, als ob ihnen die Sache ja bereits sicher sei. Das hat früher auch schon Johannes[302] gesagt: "Es kann Gott aus diesen Steinen Kinder Abrahams erwecken" (Mt 3,9). Da dies tatsächlich geschehen sollte, so wurde es auch schon früher vorhergesagt, damit niemand in Zweifel gerate wegen so auffallender Dinge. Jener verkündete dies aber nur als etwas Mögliches; er war eben der Vorläufer; Christus dagegen sagte es als ganz sicher voraus, und bekräftigte seine Worte durch Wunderzeichen.



5.

Haben wir also kein so großes Selbstvertrauen, wenn wir noch stehen; sagen wir vielmehr zu uns selbst: "Wer zu stehen glaubt, sehe zu, dass er nicht falle" (1Co 10,12). Überlassen wir uns aber auch nicht der Verzweiflung, wenn wir gefallen sind, sondern sprechen wir zu uns:"Soll derjenige, der fällt, nicht mehr aufstehen?" (Jr 8,4). Viele hat es schon gegeben, die bereits himmelhoch gestiegen waren und Beweise der größten sittlichen Kraft hatten, die die Wüsteneien aufsuchten, wo sie weit und breit kein Weib zu Gesicht bekamen, die aber doch ob einer geringen Unachtsamkeit zu Falle kamen und in das tiefste Sündenleben versanken. Andere dagegen rafften sich aus der Tiefe heraus und stiegen bis zum Himmel empor, verließen Bühne und Theater und begannen das Leben der Engel zu führen. Und sie gaben solche Beweise der Tugend, dass sie Dämonen in die Flucht jagten und viele andere derartige Wundertaten verrichteten. Solche Beispiele finden sich in Menge in der Hl. Schrift, wie auch im täglichen Leben. Da sind es Unzüchtige und Wollüstige, welche die Manichäer widerlegen, die da behaupten, das Böse sei unüberwindlich die sich dem Teufel geweiht, und jene, die[303] fortschreiten wollen, daran hindern und das ganze Leben verderben. Die dergleichen Dinge lehren, schaden nicht nur das zukünftige Leben, sie bringen auch hienieden schon alles in Verwirrung, soweit es auf sie ankommt. Wie sollten da jene, die ein schlechtes Leben führen, sich um Tugend kümmern wollen, wenn sie es für unmöglich halten, sich dieselbe anzueignen und sich zu bessern? Jetzt haben wir Gesetze, es drohen uns Strafen und es lockt uns fast die Aussicht auf Ruhm und Ehre, es steht uns die Hölle bevor und das Himmelreich ist uns verheißen, der Bösen harrt Schande, der Guten Lob! Und trotzdem gibt es auch da noch Leute, die nur mit Mühe dazu gebracht werden können, die Unannehmlichkeit des Tugendstrebens auf sich zu nehmen! Was soll dann aber noch hindern, dass alles verderbe und zugrunde gehe, wenn man das andere wegnimmt?



6.

Seien wir also dieser teuflischen Bosheit wohl eingedenk und bleiben wir uns bewußt, dass diese[304] , sowie alle, die da behaupten, das blinde Schicksal regiere die Welt, den weltlichen Gesetzen widersprechen, sowie auch den heiligen Gesetzen Gottes, dem Zeugnis der Natur, der allgemeinen Überzeugung des menschlichen Geschlechtes, den Barbaren, den Skythen, den Thraziern, sowie überhaupt gar allen. Seien wir darum vernünftig, Geliebte, geben wir allen jenen Leuten den Abschied und wandeln wir auf dem engen Wege mit Vertrauen und mit Furcht; mit Furcht wegen der Abgründe, die auf beiden Seiten drohen, mit Vertrauen, weil Jesus unser Führer ist. Wandeln wir nüchtern und in wachem Zustande. Wer auch nur einen Augenblick einschläft, stürzt alsbald in den Abgrund. Wir sind eben nicht stärker als David, der in einem Augenblick der Unachtsamkeit bis in den tiefsten Abgrund der Sünde stürzte. Allein er erhob sich alsbald wieder. Darum sollst du nicht bloß auf seine Sünde schauen, sondern auch darauf, dass er die Sünde wieder gesühnt hat. Deshalb ward ja jene Begebenheit aufgezeichnet, nicht damit du den Gefallenen sehest, sondern den Aufstehenden bewunderst; damit du lernest, wie man sich wieder aufrichten soll, nachdem man gefallen ist. Auch die Ärzte wählen unter allen Krankheiten die schwersten aus, schreiben sie auf und geben an, wie man sie heilen muß, damit sie durch die Übung an den schweren Krankheiten auch der leichteren mühelos Herr werden. Ebenso hat auch Gott gerade die schwersten Sünden angeführt, damit jene, die nur leichte Sünden begingen, durch sie mit Leichtigkeit den Weg zur Besserung für diese fänden. Denn wenn jene schweren Sünden Heilung fanden, dann um so eher die leichten. 

   Sehen wir also wie es kam, dass der selige David einmal schwach wurde, aber dann alsbald sich wieder vom Falle erhob. Wie verhielt es sich also mit seinem Falle? David beging einen Ehebruch und einen Mord. Ich schäme mich nicht diese Dinge deutlich mit Namen zu nennen. Wenn der Hl. Geist es nicht für eine Schande hielt, diese ganze Geschichte andere schreiben zu lassen, so dürfen um so weniger wir sie vertuschen wollen. Deshalb will ich sie nicht nur erzählen, sondern auch anderes hinzufügen. Gerade diejenigen, die diese Geschichte verheimlichen wollen, verbergen damit auch Davids Tugend. Wer seinen Kampf mit Goliath verschweigt, raubt ihm keinen geringen Siegeskranz; ebenso machen es auch diejenigen, die diese Geschichte übergehen. Scheinen aber meine Worte nicht einen Widerspruch zu enthalten? Nun, habet ein wenig Geduld, und ihr werdet sehen, dass wir ganz recht hatten, so zu reden. Nur aus dem Grunde lasse ich die Sünde recht schwer erscheinen, stelle die Gegensätze recht scharf ins Licht. um so die Heilmittel um so wirksamer zu machen. Was ist es also, was ich noch hinzufügen will? Die Tugend des Mannes, Die läßt seine Schuld nur noch größer erscheinen. Nicht alles wird bei allen gleich beurteilt. "Die Mächtigen", heißt es, "werden hart gerichtet werden" (Sg 6,7), und:"Wer den Willen seines Herrn kennt, ihn aber nicht tut, wird schwer gestraft werden" (Lc 12,47). Die größere Erkenntnis ist also Ursache größerer Strafe. 

   Deshalb wird auch einen Priester, der die gleiche Sünde begeht, wie seine Untergebenen, nicht die gleiche, sondern eine viel schwerere Strafe treffen. Wenn ihr nun aber seht, wie ich den Fall Davids noch immer schwerer hinstelle, so zittert ihr vielleicht und seid in Furcht und wundert euch, dass ich so gleichsam aus der Höhe auf ihn herabstürze. Ich bin der Sache dieses Gerechten so gewiß, dass ich sogar noch weiter gehe; denn je größer ich die Sünde erscheinen lasse, um so mehr werde ich imstande sein, das Lob Davids zu zeigen. Aber was kann man noch mehr sagen, als das? O, noch viel mehr! Auch bei Kain handelte es sich nicht bloß um einen Mord, sondern um etwas, was viel schlechter war als viele Mordtaten. Er hat ja keinen Fremden erschlagen, sondern den eigenen Bruder, und dazu einen Bruder, der ihm keinerlei Leid zugefügt, sondern dem er unrecht getan hatte; und dies nicht etwa, nachdem schon viele Mordtaten vorgekommen waren, sondern er war der erste, der auf eine so ruchlose Tat verfiel. So war auch hier die Tat des David nicht bloß ein Mord. Der Täter war ja nicht irgendein unbekannter Mann, sondern ein Prophet. Und zwar tötete er nicht einen, der ihm unrecht getan, sondern dem er Böses zugefügt hatte; denn ihm ward schon früher Unrecht geschehen, als ihm die Frau geraubt wurde. Gleichwohl hat David zu dem einen Unrecht auch das andere hinzugefügt. Sehet ihr, wie ich des Gerechten nicht schone und seine Fehltritte ohne irgendwelche Zurückhaltung erzähle? Dennoch bin ich für seine Ehrenrettung so wenig in Angst, dass ich trotz dieser schweren Sünde wünschte, es möchten auch die Manichäer, die ja am meisten darüber spotten, und alle, die von der Häresie des Marcion angesteckt sind, zugegen sein, um sie ganz und gar zum Schweigen zu bringen. Sie sagen, er habe Mord und Ehebruch begangen. Ich aber sage nicht bloß das, ich sage, er hat einen zweifachen Mord begangen, einen an dem Opfer seines Unrechtes, den anderen an der Würde der eigenen sündigen Person.



7.

Es ist ja doch nicht dasselbe, ob ein Mann, der des Empfanges des Geistes gewürdigt wurde, der so große Wohltaten empfing, der solche Macht erlangt und in so hohem Alter steht, ein derartiges Verbrechen begeht, oder ob es einer tut, dem nichts von all dem zuteil geworden. Gleichwohl ist dieser edle Mann gerade deshalb so bewunderungswürdig, weil er zwar in den tiefsten Abgrund der Sünde hinabstürzte, aber nicht dort liegen blieb, nicht verzweifelte und sich selbst nicht aufgab, obwohl ihm der Teufel eine so tödliche Wunde beigebracht hatte, sondern schnell, ja sogleich und mit großer Wucht dem Teufel einen Hieb versetzte, der noch schlimmer war als der, den er empfangen hatte. Es ging da, wie es im Krieg und Kampfesgetümmel zu gehen pflegt. Einer der Feinde stößt seinen Speer in die Brust eines tapferen Streiters, schleudert dazu seinen Wurfspieß gegen ihn und bringt ihm so eine zweite, noch schwerere Wunde bei, als die erste war, so dass derselbe schwer verwundet zu Boden stürzt und ganz mit Blut überströmt wird. Aber gleichwohl erhebt er sich sogleich wieder, wirft seinen eigenen Speer gegen den Schützen und streckt ihn alsbald tot zu Boden nieder. Geradeso geht es hier. Je größer du die Wunde machst, um so bewunderungswürdiger machst du auch die Seele des Verwundeten, der nach einer so schweren Verletzung noch die Kraft hatte, sich wieder zu erheben, mitten im Gewühle der Schlachtreihe fest zu stehen und dem den Tod zu geben, der ihn verwundet hatte. Welch große Tat so etwas ist, das wissen diejenigen am besten, die in schwerer Sünde liegen. Um auf dem rechten Wege zu wandeln und bis ans Ende zu laufen, bedarf es nicht so vieler Kraft und Jugendfrische für eine Seele; denn eine solche Seele hat die gute Hoffnung zur Begleiterin, die sie salbt, aufrichtet, kräftigt und mutig macht; wohl aber ist dies notwendig, wenn man nach unzähligen Ruhmeskränzen, zahlreichen Siegeszeichen und Siegen das schwerste Unglück erfuhr und dann doch noch imstande sein soll, denselben Wettlauf von vorne zu beginnen. 

   Um mich noch deutlicher auszudrücken, will ich noch einen anderen, nicht weniger wirksamen Vergleich vorzubringen versuchen. Denke dir einen Kapitän, der schon unzählige Gewässer durchfahren, der das Schwarze Meer durchsegelt, viele Stürme, Klippen und Brandungen überwunden und nun, mit reicher Ladung versehen, mitten in der Einmündung des Hafens Schiffbruch leidet und dem Verderben kaum mit dem nackten Leben entrinnt. Mit welchen Gefühlen wird er da an das Meer denken, an die Schiffahrt und an die Gefahren, die mit ihr verbunden sind? Wird ein solcher Mann, wenn er keinen wahrhaften Heldenmut besitzt, je wieder eine Meeresküste oder einen Hafen sehen wollen? Ich glaube kaum! Er wird sich verhüllen und sich niederlegen, wird den Tag für die Nacht ansehen und an allem verzweifeln. Ja, er würde lieber als Bettler sein Leben fristen wollen, als die gleiche Mühe nochmals auf sich zu nehmen. 

   Nicht so hat der selige David gehandelt. Er hat zwar einen solchen Schiffbruch mitgemacht, aber trotz all der verlorenen Mühe und Anstrengung zog er sich gleichwohl nicht zurück, vielmehr machte er das Fahrzeug wieder flott, spannte die Segel aus, ergriff das Steuerruder, begann die gleiche Mühe und Arbeit von neuem und hat das zweite Mal einen viel größeren Reichtum zurückgebracht. Wenn es aber schon Bewunderung verdient, also aufrecht zu stehen, und wenn man gefallen ist, nicht ganz liegen zu bleiben, welch herrlichen Lohn wird dann nicht derjenige verdienen, der sich wieder ganz aufrichtet und dann solche Taten vollbringt? Und doch hätte David viele Gründe gehabt, mutlos zu werden. Erstens wegen der Größe der Sünde; dann wegen des Umstandes, dass er nicht am Anfang seines Lebens, wo man noch hoffnungsfreudiger ist, in dieser Weise gefallen ist, sondern am Ende desselben. Der Kaufmann, der schon gleich nach Verlassen des Hafens Schiffbruch erleidet, empfindet keinen so großen Schmerz, als der, der nach tausend Mühseligkeiten auf eine Klippe auffährt. Endlich, dass ihm dieses Unglück widerfuhr, nachdem er schon so viele[305] Reichtümer gesammelt hatte. Er besaß nämlich damals kein geringes Maß von Verdiensten: alle die Ruhmestaten aus seiner frühesten Jugend, da er noch Hirtenknabe war; der herrliche Sieg, den er über Goliath davontrug; die Weisheit, die er Saul gegenüber an den Tag legte. Damals hat er auch die Langmut bewährt, die das Evangelium fordert, indem er seinen Feind immerfort schonte, obwohl er ihn tausendmal in seiner Hand hatte, und lieber seine Heimat, seine Freiheit und sein eigenes Leben verlieren wollte, als dem das Leben nehmen, der ihn ungerecht verfolgte. Auch nachdem er König geworden, hatte er keine geringen Verdienste aufzuweisen. Außerdem muß man auch die höhere Achtung in Rechnung ziehen, in der er bei allen stand, so dass der Gedanke, ein so außergewöhnliches Ansehen auf diese Weise zu verlieren, ihm nicht wenig zu Herzen gehen mußte. Denn die Schönheit des Purpurs schmückte ihn nicht in dem Maße, als die Makel der Sünde ihn beschämte.



8.

Ihr wißt aber recht wohl, wie hart es ist, wenn man seine Sünden überall ausposaunen hört und welche mannhafte Gesinnung derjenige nötig hat, der nicht unterliegen will, wenn er fast von allen angeklagt wird und sieht, dass er so viele Mitwisser seiner eigenen Fehltritte hat. Gleichwohl hat dieser Held all diese giftigen Pfeile aus seiner Seele herausgezogen und erschien dann in solchem Glanze, hat den Flecken so sehr ausgemerzt und ward so rein, dass er selbst nach seinem Tode ein Schutzmantel ward für die Sünden seiner Nachkommen. Was von Abraham gesagt worden, das scheint Gott auch von ihm zu sagen, ja in viel höherem Maße von ihm. Von dem Patriarchen sagte er: "Ich habe mich erinnert des Bundes, den ich mit Abraham, geschlossen" (Ex 2,24 u. Ps 104 Ps 89). Hier gebraucht er hingegen nicht den Ausdruck "Bund", sondern welchen? "Um Davids, meines Knechtes willen, will ich diese Stadt beschützen" (Is 37,35). Auch den Salomon ließ er aus Liebe zu David seines Königtums nicht verlustig gehen, obgleich er eine so große Sünde begangen hatte. Ja, so groß war des Mannes Ruhm, dass noch Petrus, der so lange Zeit nachher vor den Juden predigte, also sprach: "Es sei mir erlaubt, freimütig zu euch über den Patriarchen David zu sprechen: er ist gestorben und ward begraben" (Ac 2,29). Auch Christus zeigte im Gespräche mit den Juden, dass David nach seiner Sünde wieder in so hohem Maße mit der Gnade des Hl. Geistes ausgezeichnet ward, dass er sogar gewürdigt wurde, über seine Gottheit zu prophezeien. Gerade mit dieser Prophetie bringt er ja die Juden zum Schweigen, indem er sagt: "Wie kommt es denn, dass David ihn im Geiste seinen Herrn nennt und sagt: Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Sitze zu meiner Rechten?" (Mt 22,43). Und das gleiche, was mit Moses geschehen, geschah auch mit David. Dort hat Gott die Maria, die ihren Bruder beschimpft hatte, gegen den Willen des Moses bestraft, weil er eben eine so große Liebe zu dem Heiligen hegte. Ebenso hat er auch David allsogleich an dem Sohn gerächt, der wider ihn gefrevelt hatte, obgleich David es nicht wollte. So ist also auch dies geeignet, ja in höherem Maße als alles andere geeignet, uns einen rechten Begriff von der Tugend dieses Mannes zu geben. 

   Denn wenn Gott einmal seine Meinung kundtut, so braucht man nicht weiter darüber nachzugrübeln. Wenn ihr aber die Größe seiner Tugend genau kennenlernen wollt, so braucht ihr nur die Geschichte nach seinem Falle durchzugehen und ihr werdet sehen, wie vertraut er mit Gott umging, welches Wohlwollen Gott für ihn hegte, welche Fortschritte er in der Tugend machte, wie gewissenhaft er bis zum letzten Atemzug sich gezeigt hatte. Nachdem wir also so hohe Beispiele vor Augen haben, wollen wir uns bemühen, nüchtern zu sein und nicht zu Fall zu kommen; und wenn wir doch einmal fallen sollten, wenigstens nicht liegen zu bleiben. Denn nicht um euch sorglos zu machen, habe ich von den Sünden Davids gesprochen, sondern um euch mehr Furcht einzuflößen. Denn wenn jener Gerechte wegen einer augenblicklichen Unachtsamkeit also verwundet ward, was wird dann erst uns geschehen, die wir uns jeden Tag Nachlässigkeiten zuschulden kommen lassen? Also nicht nachlässig solle dich der Anblick seines Falles machen, sondern bedenken sollst du, wie viel er sich auch nachher noch Mühe gegeben, welche Trauer er an den Tag gelegt, welchen Reueschmerz er Tag und Nacht bekundet, indem er Ströme von Tränen vergoß, ja: mit seinen Tränen sein Lager wusch (Ps 6,7) und wie er zu all dem noch das Bußgewand trug (Ps 34,13 Ps 68,12). Wenn aber für ihn eine solche Umkehr nötig war, wie sollen dann wir gerettet werden, die wir trotz unserer vielen Sünden keinerlei Reueschmerz empfinden? Wer viele Verdienste hat, der kann damit wohl leicht seine Sünden zudecken; wer aber ganz[306] entblößt ist, der mag verwundet werden, wo immer er will, er wird immer eine tödliche Wunde empfangen. Um uns also davor zu bewahren, waffnen wir uns mit guten Werken, und wenn irgendeine Sünde auf uns kommt, waschen wir sie ab. Denn, wenn wir dieses Leben zur Ehre Gottes zugebracht haben, dann werden wir auch des Genusses des zukünftigen Lebens gewürdigt werden, das uns allen zuteil werden möge durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesu Christi, der die Ehre und die Macht besitzt in alle Ewigkeit. Amen!






Kommentar zum Evangelium Mt 26