Kommentar zum Evangelium Mt 55

Fünfundfünfzigste Homilie. Kap. XVI, V.24-27.

55 Mt 16,24-27
1.

V.24: "Dann sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn mir jemand nachfolgen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir!" 

   "Dann". Wann war das? Als Petrus gesagt hatte: "Ferne sei es von Dir, nimmer wird Dir solches begegnen", und die Worte hatte hören müssen: "Weiche zurück hinter mich, Satan." Jesus begnügte sich nicht mit dem bloßen Tadel; er wollte überdies noch darauf hinweisen, wie töricht die Rede des Petrus gewesen sei und was für ein Nutzen aus seinen Leiden erwachsen würde; darum sprach er: Du sagst zu mir: "es sei ferne von Dir", ich aber sage dir, es ist nicht bloß ein Schaden und Unglück für dich, wenn du mich vom Leiden abhältst und es mißbilligst, sondern du kannst nicht einmal gerettet werden, wenn du nicht auch selbst völlig bereit bist, zu sterben. Damit wir nämlich nicht meinen, es sei seiner unwürdig, zu leiden, so belehrt der Herr die Apostel über den Nutzen der Sache nicht nur durch die vorausgegangenen Worte, sondern auch durch die folgenden. Denn bei Johannes sagt er: "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es viele Frucht" (Jn 12,24-25). Um aber die Sache noch völlig klar zu machen, bezieht er hier die Worte nicht bloß auf seinen eigenen Tod, sondern spricht auch davon, dass die Apostel ebenfalls sterben müssen. So groß ist der Nutzen des Sterbens, dass es auch für euch gefährlich ist, wenn ihr nicht sterben wollt; ein Glück aber, wenn ihr dazu bereit seid. Das legt er aber erst im folgenden klar; hier behandelt er die Sache nur von der einen Seite. Beachte auch, wie seine Worte keinerlei Nötigung enthalten. Denn er sagte nicht:"Ob ihr wollet oder nicht, ihr müßt leiden, sondern: "Wenn mir jemand nachfolgen will." Ich zwinge nicht, ich nötige nicht, ich lasse jedem freie Wahl, deshalb sage ich: "Wenn jemand will." Ich lade ja zu etwas Gutem ein, nicht zu etwas Bösem oder Widerwärtigem, nicht zu Züchtigung und Strafe, so dass ich Zwang anwenden müßte. Die Natur der Sache selbst ist derart, dass sie hinlänglich zu locken vermag. Durch diese Worte übte er nur um so mehr Zugkraft aus. Wer Gewalt anwendet, stößt oft ab; wer aber dem Zuhörer Freiheit läßt, lockt ihn eher an. Rücksichtsvolle Behandlung wirkt stärker als Zwang. Deshalb sprach er: "Wenn jemand will." Er will damit sagen: Große Güter sind es, die ich euch anbiete, und derart, dass man gerne darnach streben sollte. Wenn jemand Gold anböte oder einen Schatz in Aussicht stellte, würde er kaum zu Gewalt greifen müssen. Wenn es nun bei solchen Dingen keiner Nötigung bedarf, dann gewiß um so weniger, wenn es sich um himmlische Güter handelt. Denn wenn dich die Sache selbst nicht anspornt, so bist du auch nicht wert, sie zu erhalten, und selbst wenn du sie erlangtest, würdest du sie nicht zu würdigen verstehen. Das ist der Grund, weshalb Christus uns nicht nötigt, sondern nur einladet; er nimmt eben Rücksicht auf uns. 

   Da also seine Zuhörer, bestürzt über seine Worte, viel darüber hin und her zureden schienen, so sagte er: Ihr habt keinen Anlaß, bestürzt zu sein oder euch zu beunruhigen. Wenn ihr glaubet, dass das erwähnte Leiden, wenn es euch trifft, euch nicht viel Gutes bringt, so zwinge und nötige ich nicht, sondern lade nur den ein, der etwa folgen will. Meinet aber ja nicht, dass das mir nachfolgen heiße, wenn ihr, wie ihr jetzt tut, bloß mit mir geht. Ihr müßt auch noch viele Mühen und Gefahren bestehen, wenn ihr mir nachfolgen wollt. Nicht darum schon, dass du bekannt hast, dass ich der Sohn Gottes bin, darfst du, Petrus, dir die Krone versprechen und glauben, das sei zu deinem Heile genügend, so dass du dich fürderhin in Sicherheit wiegen könntest, als hättest du schon alles getan. Da ich der Sohn Gottes bin, könnte ich dir allerdings die Prüfung durch Leiden ersparen, aber ich will es nicht, und zwar deinetwegen, damit du auch selbst etwas beitragest, um würdig zu werden. So würde auch ein Kampfrichter einem geliebten Kämpfer den Preis nicht bloß aus Gnade zuerkennen wollen, sondern vielmehr auf Grund seiner Leistungen, eben weil er ihn liebt. Gerade so handelt auch Christus. Er will, dass gerade diejenigen, die er am meisten liebt, nicht allein durch seine Hilfe, sondern auch durch ihre eigene Anstrengung zu Ehren gelangen. Beachte auch, wie er seine Worte annehmlicher zu machen sucht. Er stellt das Leiden nicht ihnen allein in Aussicht, sondern stellt es als allgemeinen Grundsatz für die gesamte Menschheit auf, indem er sagt: "Wenn jemand will." Ob Weib oder Mann, ob Vorgesetzter oder Untergebener, jeder soll diesen Weg einschlagen. Es hat zwar den Anschein, als sei dies nur ein Satz, in Wirklichkeit sind es aber drei: "Er verleugne sich selbst", und: "er nahm sein Kreuz auf sich", und: "er folge mir"; und zwar sind zwei miteinander eng verbunden, der dritte schließt sich lose an. 

   Zuerst wollen wir sehen, was es heißt "sich selbst verleugnen". Vorher aber wollen wir noch erwägen, was es heißt, einen anderen verleugnen; dann werden wir verstehen, was es heißt, sich selbst verleugnen. Was heißt also, einen anderen verleugnen? Wer einen anderen verleugnet, sei es ein Bruder, ein Angehöriger oder sonst jemand, sieht es ruhig an, wenn er gegeißelt oder gefangen genommen oder fortgeschleppt wird oder sonst etwas leidet; er nimmt sich seiner nicht an, er hilft ihm nicht, er hat kein Mitleid und kein Gefühl für ihn; er hat sich eben einmal von ihm losgesagt. In gleicher Weise nun verlangt der Herr, dass wir unseren Leib preisgeben, dass wir gegen ihn keine Schonung kennen, mag man ihn geißeln oder fortschleppen oder brennen oder was immer sonst ihm zufügen. Denn gerade das heißt eigentlich ihn schonen. Auch die Väter, die ihren Kindern wohlwollen, bitten ja die Lehrer, denen sie ihre Kinder übergeben, diese nicht zu schonen. Gerade so handelt auch Christus. Seine Worte lauten nicht etwa: er schone seiner nicht, sondern schärfer: "Er verleugne sich selbst", das soll heißen: er habe keinen Teil mehr an sich selbst, sondern liefere sich den Gefahren und den Kämpfen aus und verhalte sich dabei so, als würde das alles einem Fremden widerfahren. Er sagte auch nicht: versage, sondern: "verleugne"; damit deutet er den höchsten Grad an; denn verleugnen ist weit mehr als versagen.



2.

"Und nehme sein Kreuz auf sich." Das ergibt sich aus der Selbstverleugnung. Damit man nämlich nicht meine, man brauche sich nur bei Worten, Schmähungen und Lästerungen zu verleugnen, so gibt der Herr auch an, wie weit die Selbstverleugnung gehen müsse, nämlich bis zum Tode, auch bis zum schimpflichsten Tode. Darum sprach er nicht: er verleugne sich bis zum Tode, sondern: "er nehme sein Kreuz auf sich"; damit deutet er den schimpflichsten Tod an und macht uns darauf aufmerksam, dass man nicht einmal oder zweimal, sondern das ganze Leben hindurch sich verleugnen müsse. Er will eben sagen: unablässig trage diesen Tod mit dir herum, und täglich sei bereit, dich hinschlachten zu lassen. Viele haben zwar Geld, Wohlleben und Ansehen verachtet, allein die Angst vor dem Tode konnten sie nicht überwinden, vor Gefahren bebten sie zurück. Der Herr aber spricht: Ich will, dass mein Streiter bei zum Blutvergießen im Kampfe ausharre und dass das Ringen bis zum Tode dauere; und wenn er auch in den Tod, ja selbst in den schimpflichsten, vom allgemeinen Fluch begleiteten Tod gehen muß, sei es auch unter einem schmählichen Verdachte, dass er das alles hochherzig ertrage, ja sogar noch darüber frohlocke. "Und folge mir." Es kann nämlich ganz wohl geschehen, dass einer leidet, ohne dem Herrn nachzufolgen, wenn er nämlich nicht um Christi willen leidet. Denn auch die Räuber, Leichenschänder und Betrüger müssen oft viel Schlimmes leiden. Damit du nun nicht glaubest, es komme auf das Leiden als solches an, so weist er auch auf den Beweggrund hin, weshalb man leiden müsse. Welches ist nun dieser Beweggrund? Dass du alles das tust und leidest, um ihm nachzufolgen; dass du um seinetwillen alles auf dich nehmest; dass du auch die übrigen Tugenden übest. Denn gerade das liegt in den Worten: "er folge mir"; dass man in den Widerwärtigkeiten nicht bloß Starkmut an den Tag lege, sondern auch Bescheidenheit, Gleichmut und alle anderen Tugenden. Denn darin besteht die wahre Nachfolge Christi, dass man auch der übrigen Tugenden sich befleißige und dass man alles um seinetwillen leide. 

   Gar mancher, der dem Teufel dient, hat ebenfalls dergleichen zu leiden und gibt dafür seine Seele preis; wir aber tun dies wegen Christus oder vielmehr um unseretwillen. Jene fügen sich selbst hier und dort Schaden zu, wir gewinnen das Leben im Jenseits. Ist es daher nicht äußerst töricht, wenn wir nicht die gleiche Mannhaftigkeit aufbringen, wie die Kinder des Verderbens, da wir doch eine so herrliche Krone gewinnen sollen? Uns steht ja auch Christus hilfreich zur Seite, während jenen niemand hilft. Als Jesus die Jünger aussandte, gab er ihnen den Auftrag: "Auf den Weg zu den Heiden gehet nicht; denn ich entsandte euch wie Schafe in Mitte von Wölfen. Vor Statthalter und Könige werdet ihr geführt werden" (Mt 10,5 Mt 16,18). Hier redet er noch viel schärfer und strenger. Damals sprach er ja bloß vom Tode, jetzt erwähnt er auch das Kreuz und zwar ein andauerndes Kreuz. Denn die Worte: "er nehme sein Kreuz auf sich" bedeuten: er halte und trage es immer. Das war übrigens stets seine Gepflogenheit; nicht gleich von vornherein führt er die Jünger in die ganze Menge der Gebote ein, sondern erst nach und nach, damit die Zuhörer nicht abgeschreckt würden. Beachte sodann auch, wie er seine Rede, die hart schien, in den folgenden Worten mildert, indem er einen Lohn in Aussicht stellt. der die Mühen weit übersteigt; aber neben dem Lohne auch die Strafe für die Bösen. Ja bei letzteren hält er sich viel länger auf als bei ersteren, weil eben die Mehrzahl der Menschen gewöhnlich viel eher durch die Androhung von Strafen, als durch die Aussicht auf Belohnung zur Tugend ge`racht wird. Beachte also, wie er von den Strafen ausgeht und wieder damit schließt: 

   V.25: "Denn" sagt er, "wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es finden. 

   V.26: Denn was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne, aber an seiner Seele Schaden litte? Oder was wird ein Mensch geben als Entgelt für seine Seele?" 

   Der Sinn dieser Worte ist der: Nicht aus Schonungslosigkeit gegen euch, sondern vielmehr aus großer Rücksicht gebe ich dieses Gebot. Wer nämlich sein Kind schonen will, gerade der richtet es zugrunde; wer es dagegen nicht schont, der rettet es. So sagte auch ein Meister: "So du deinen Sohn schlägst mit der Rute, wird er nicht sterben; seine Seele bewahrst du vor dem Tode" (Pr 23,14), und ein andermal: Wer seinen Sohn verzärtelt, der bindet dessen Wunden an" (Si 30,1). So geht es auch bei einem Heere. Wenn der Feldherr die Soldaten schont, sie immer daheim sitzen läßt, so verdirbt er sie und die andern, die daheim sind. Christus sagt also: damit das nicht auch bei euch der Fall sei, müßtet ihr fortwährend zum Tode bereit sein. Denn auch jetzt soll bald ein wilder Krieg entbrennen. Bleibe darum nicht daheim sitzen, sondern ziehe aus in den Kampf; und wenn du in der Schlacht fällst, so gewinnst du das Leben. Schon im gewöhnlichen Kriege ist einer, der auf den Tod gefaßt ist, ruhmreicher und unüberwindlicher und von den Heiden gefürchteter, wiewohl sein König, für den er die Waffen führt, ihn nicht wieder aufwecken kann, wenn er fällt; um wieviel mehr wird da bei unserem[547] Kriege, wo die Hoffnung auf eine Auferstehung so groß ist, derjenige, der seine Seele dem Tode aussetzt, sie finden, indem er einerseits nicht so schnell gefangen genommen wird, andererseits, selbst wenn er fällt, sie in ein besseres Leben hinüberführt.



3.

In den Worten ferner: "Wer sein Leben retten will, wird es verlieren, wer es aber verliert, wird es retten", hat der Herr beidemale ausdrücklich Rettung und Verlust erwähnt, damit man nicht etwa meine, dass Rettung und Verlust das eine Mal denselben Sinn habe wie das andere Mal; man soll vielmehr klar erkennen, dass der Unterschied zwischen Rettung im ersten und Rettung im zweiten Falle ebenso groß ist wie zwischen Verlust und Rettung. Das erläutert er aus dem geraden Gegenteil. "Denn was nützt es einem Menschen", sagt er, "wenn er die ganze Welt gewänne, aber an seiner Seele Schaden litte?" Siehst du, wie eine Rettung gegen Recht und Billigkeit eigentlich ein Verderben ist, und zwar die schlimmste Art von Verderben, da es unheilbar ist, und man es durch nichts wieder gut machen kann? Da wende mir nur nicht ein, sagt gleichsam der Herr, dass jemand, der einer solchen Gefahr entflohen ist, seine Seele gerettet hat; wirf vielmehr mit seiner Seele auch die ganze Welt in die Waagschale; was wird er da noch davon haben, wenn jene verloren ist? Sage mir doch, würde es dir etwas nützen, Hausherr zu sein, wenn deine Hausgenossen im Wohlstand lebten, indes du in der äußersten Not dich befändest? Sicherlich nicht. Dasselbe gilt auch in Betreff deiner Seele, wenn sie dem Verderben entgegengeht, während dein Fleisch in Reichtum und Üppigkeit schwelgt. 

   "Was wird ein Mensch geben als Entgelt für seine Seele? Wieder beharrt Jesus auf demselben Punkte. Hast du etwa noch eine zweite Seele, um sie für die deine zu geben, sagt er? Hast du Geld eingebüßt, so kannst du es durch anderes ersetzen, ebenso wenn du ein Haus, einen Sklaven oder sonst etwas verloren hast; hast du jedoch die Seele verloren, so kannst du keine andere dafür geben; ja selbst wenn die ganze Welt dir gehörte, wenn du König über die Erde wärest, du wärest außerstande, auch nur eine einzige Seele zu kaufen, und würdest du auch alles auf Erden und die Erde obendrein dafür einsetzen. Kein Wunder, dass es sich mit der Seele so verhält; kann man doch sogar beim Leibe dasselbe finden. Wenn du auch unzählige Kronen trägst, ist dein Leib siech und unheilbar krank, so vermagst du diesen Leib nicht herzustellen, selbst wenn du das ganze Reich hingäbest und noch tausend Leiber und Städte und unendliches Geld dazulegtest. Ebenso mußt du auch in Bezug auf die Seele urteilen, ja in Bezug auf die Seele noch viel mehr; gib lieber alles andere preis, um deine ganze Sorge ihr allein zuzuwenden.



4.

Über der Sorge für andere vergiß also nicht dich selbst und deine eigenen Angelegenheiten. Das tun zwar jetzt alle und sie gleichen darin den Bergleuten. Denn diese haben von ihrer Arbeit keinen Gewinn, werden nicht reich davon, haben im Gegenteil nur Nachteil dabei, weil sie sich für andere umsonst Gefahren aussetzen, ohne von ihrem Schweiße und ihren Todesgefahren einen Vorteil zu ziehen. Ähnlich wie diese Bergleute machen es auch unter uns viele, die nur für fremden Reichtum sich abmühen; ja, die sind noch viel schlimmer daran als jene, denn uns erwartet nach all diesen Mühen auch noch die Hölle. Für jene ist der Tod das Ende ihrer Mühsale, während für uns der Tod den Anfang unendlicher Leiden bedeutet. Da wendest du ein, der Reichtum biete dir wenigstens für deine Mühen einen Genuß; gut, zeige mir, dass deine Seele glücklich ist, und ich will es glauben. Denn die Seele ist in uns die Hauptsache. Wenn der Leib auch schwelgt, so ist das für dich kein Glück, wenn die Seele dabei darbt; auch der Herrin nützt es nichts, wenn die Magd sich freut, während sie selber dem Tode verfallen ist, so wenig als es dem kranken Leibe nützt, wenn man ihn mit einem prächtigen Gewande zudeckt. Christus wird vielmehr von neuem zu dir sagen: "Was wird ein Mensch geben als Entgelt für seine Seele?"; er will dir eben immer wieder einschärfen, dass du dein Augenmerk der Seele zuwendest und für sie allein Sorge tragest. 

   Durch die bisherigen Beispiele hat der Herr die Furcht angeregt; nunmehr spendet er Trost durch den Hinweis auf den Lohn. 

   V.27: "Denn der Sohn des Menschen wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters samt seinen Engeln, und dann wird er einem jeglichen vergelten nach seinen Werken." 

   Siehst du, wie Vater und Sohn nur eine[548] Herrlichkeit besitzen? Wenn aber nur eine Herrlichkeit, dann offenbar auch nur eine Wesenheit. Denn wenn bei gleicher Wesenheit die Herrlichkeit verschieden ist denn "anders ist der Sonnenglanz, anders der Mondenglanz; denn ein Stern unterscheidet sich an Glanz vom anderen" (1Co 15,41 , obschon die Wesenheit die gleiche ist), wie könnte bei gleicher Herrlichkeit eine andere Wesenheit angenommen werden? Er sagte auch nicht: in einer solchen Herrlichkeit wie der Vater da könntest du einen Unterschied vermuten , sondern er zeigt, dass er seine Worte genau abgewogen hat und sagt: "in derselben Herrlichkeit wird er kommen", so dass man nur an ein und dieselbe Herrlichkeit denken kann. 

   Er sagt damit gleichsam: Warum wolltest du also erschrecken, wenn du vom Sterben hörst, Petrus? Dann wirst du mich ja in der Herrlichkeit des Vaters schauen. Wenn aber ich die Herrlichkeit genieße, dann auch ihr; denn euer Leben ist nicht auf das Diesseits beschränkt, es harrt euer vielmehr ein besseres Los. Nachdem er also das Angenehme und Tröstliche vorgebracht, bleibt er dabei nicht stehen, sondern läßt wieder einiges einfließen, um ihre Furcht zu erregen: er erwähnt das jüngste Gericht, die unausweichliche Rechenschaft, den unbestechlichen Richterspruch, das untrügliche Urteil. Anderseits aber entrollt er nicht bloß düstere Bilder, sondern bietet dazwischen auch hoffnungsfreudige Gedanken. So sagt er nicht; dann wird er die Sünder strafen, sondern: "er wird einem jeglichen vergelten nach seinen Werken". Das sagt er nicht bloß, um die Gottlosen an die Strafe zu gemahnen, sondern auch um die Gerechten zu belohnen und zu krönen. Allein, mag der Herr immerhin also gesprochen haben, um die Guten zu trösten, ich erbebe doch jedesmal, wenn ich das höre, denn ich rechne mich nicht zu denen, die gekrönt werden. Ich meinem auch andere werden mit uns diese Furcht und Angst teilen. Denn wenn einer in seinem eigenen Gewissen Einkehr hält, wie sollten ihn diese Worte nicht in Schrecken und Schauder versetzen; wie sollten sie uns nicht das Bewußtsein wecken, dass wir Bußkleider und strenges Fasten viel nötiger hätten als einst die Bewohner von Ninive? Denn bei uns handelt es sich nicht um die Zerstörung einer Stadt und den Tod aller, sondern um die ewige Strafe und das Feuer, das nie erlischt.



5.

Darum preise und bewundere ich die Mönche, die sich in die Wüste zurückgezogen haben, nebst anderen Gründen auch dieses Wortes wegen. Denn nach dem Mittagsmahle, vielmehr nach dem Abendessen[549] , nach der Mahlzeit also gedenken sie bei den Dankeshymnen auch dieses Wortes. Wenn es euch angenehm ist, die Hymnen selbst zu vernehmen, will ich euch diesen hl. Gesang ganz mitteilen, damit auch ihr ihn häufig betet. Sein Wortlaut ist also folgender: "Gepriesen sei der Herr, der mich von Jugend auf nährt, der Speise gibt allem Fleische; erfülle unser Herz mit Freude und Wonne, damit wir allzeit das Genügende haben und reichlich gute Werke zeitigen in unserem Herrn Jesus Christus, mit welchem dir und dem Hl. Geiste Ruhm und Ehre und Macht sei in Ewigkeit. Amen. Ehre sei Dir, o Herr, Ehre sei Dir, o Heiliger, Ehre sei Dir, o König, weil Du uns mit Nahrung erquickt hast. Erfülle uns mit dem Hl. Geiste, dass wir vor Deinem Angesichte wohlgefällig erfunden und nicht zuschanden werden, wenn Du einem jeglichen vergelten wirst nach seinen Werken." Dieser ganze Hymnus ist bewunderungswürdig, namentlich der Schluß. Da nämlich der Tisch und die Speise gewöhnlich Zerstreuung und Schwerfälligkeit mit sich bringen, so legen sie durch diese Worte der Seele gleichsam einen Zaum an, indem sie ihr zur Stunde der Erholung die Zeit des Gerichtes ins Gedächtnis rufen. Sie wußten ja, was dem Volke Israel nach einer reichlichen Mahlzeit widerfahren war. "So aß", heißt es, "der Liebling, und wurde feist und schlug aus" (Dt 32,15); deshalb befahl auch Moses: "Wenn du gegessen und getrunken hast, und satt geworden bist, gedenke des Herrn, deines Gottes" (Dt 32,10). Denn nach dieser Mahlzeit unterfingen sie sich, ihre bekannten Schändlichkeiten zu verüben. Sieh dich deshalb vor, dass es dir nicht ähnlich ergehe. Denn wenn du auch nicht Steine oder goldene Schafe und Kälber opferst, so mußt du dich doch in acht nehmen, dass du nicht deine eigene Seele dem Zorne, und dein eigenes Heil der Unzucht und anderen Leidenschaften zum Opfer bringst. Hierin liegt der Grund, weshalb jene Mönche diese Gefahren fürchten und nach der Mahlzeit, richtiger gesagt nach dem Fasten[550] des schrecklichen Gerichtes und des jüngsten Tage gedenken. Wenn nun diese Männer, welche fasten, auf bloßer Erde schlafen, Nächte durchwachen, Bußgürtel tragen und vieles andere tun, um sich abzutöten, noch diese Erinnerungen notwendig haben, wie wollen wir es zustande bringen, mäßig zu leben, wir, die wir Mahlzeiten mit tausend Gelegenheiten zum Schiffbruch halten und überhaupt nicht beten, weder zu Beginn noch am Schlusse? 

   Um also der Gefahr dieses Schiffbruches auszuweichen, wollen wir jenen Hymnus durchnehmen und erklären, damit wir seine Nützlichkeit erkennen, ihn fleißig bei Tisch beten, die Gaumenlust ersticken und jener engelgleichen Leute Sitten und Gebräuche zu den unsrigen machen. Eigentlich solltet ihr sie aufsuchen, um diesen Nutzen zu gewinnen. Da euch dieses jedoch nicht vergönnt ist, so hört wenigstens aus meinem Munde jene geistliche Weise, und jeder bete nach Tisch diese Worte. Der Beginn lautet: "Gepriesen sei Gott." Damit erfüllen sie sogleich das Geheiß des Apostels: "Alles, was immer wir tun, im Worte oder im Werke,[551] im Namen des Herrn Jesus Christus, danksagend Gott und dem Vater durch ihn" (Col 3,17). Ihre Danksagung erstreckt sich aber nicht bloß auf jenen Tag allein, sondern auf das ganze Leben; denn sie sagen: "der mich von Jugend auf nährt". Darin liegt eine Tugendlehre; denn wenn Gott der Ernährer ist, so braucht man sich keine Sorgen zu machen. Verspräche dir der König, dir aus seinen eigenen Mitteln den täglichen Unterhalt zu gewähren, würdest du da wohl besorgt sein? Um so mehr mußt du dich jeglicher Sorge entschlagen, wenn ihn dir Gott gewährt und dir alles gleichsam wir aus einem reichlichen Borne zuströmt. Zu dem Zwecke beten sie diese Worte, um sich und ihre Jünger aufzumuntern, jede Sorge um die Lebensbedürfnisse abzulegen. Damit man ferner nicht meine, sie brächten diesen Dank nur für ihre Person allein dar, fahren sie fort:"der du Nahrung gibst allem Fleische"; so danken sie im Namen der ganzen Welt und verrichten ihre Andacht im Namen aller, als wären sie Väter der ganzen Welt, und muntern sich auch dadurch zu echter Brüderlichkeit auf. Denn sie können doch jene nicht hassen, für deren Ernährung sie Gott danken. Siehst du also, wie auch die Liebe durch dieses Dankgebet geweckt und die Sorge um das Leben durch die früheren wie auch durch diese Worte verscheucht wird? Wenn nämlich Gott alles Fleisch ernährt, wieviel mehr wird er seine Tischgenossen ernähren? wenn schon diejenigen, die in Lebenssorgen verstrickt sind, wieviel mehr diejenigen, die sich ihrer entledigt haben? Diesen Gedanken hat auch Christus ausgesprochen, als er sagte: "Um wieviel mehr seid ihr wert als viele Sperlinge?" (Mt 10,31 Lc 12,7). Dadurch wollte er uns anleiten, uns nicht auf Reichtum und Besitz zu verlassen. Denn nicht diese Dinge gewähren uns den Lebensunterhalt, sondern das Wort Gottes. Mit diesem Gebete bringen die Mönche auch die Manichäer und Valentinianer zum Schweigen und alle, welche von dergleichen Irrtümern angesteckt sind. Denn derjenige kann doch nicht böse sein, der alle seine Gaben anbietet, sogar denen, die ihn lästern. 

   Dann folgt die Bitte: "Erfülle mit Freude und Wonne unser Herz." Was für eine Freude mag da wohl gemeint sein? Etwa die Lebenslust? Gott bewahre! Denn wenn sie darnach strebten, hätten sie nicht die Gipfel der Berge und die Einöden aufgesucht noch Bußkleider angelegt; sie meinen vielmehr jene Freude, die nichts mit dem Leben auf Erden gemein hat, die Freude der Engel, die Freude des Himmels. Diese Bitte bringen sie auch nicht so einfachhin, sondern mit großem Nachdruck vor; sie sagen nicht etwa nur: gib, sondern: "erfülle", nicht etwa nur: uns, sondern "unser Herz". Diese Freude ist ja ganz besonders eine Freude des Herzens denn: "Die Frucht des Geistes ist: Liebe, Freude, Friede" (Ga 5,22). Da die Sünde Trauer in die Seele bringt, so flehen sie, es möge ihnen durch die Freude die Gerechtigkeit eingepflanzt werden; auf andere Weise dürfte wohl keine Freude einkehren. "Damit wir allezeit das Genügende haben und reichlich gute Werke zeitigen." Siehe, wie sie das Wort des Evangeliums erfüllen:"Gib uns heute unser tägliches Brot" (Mt 6,11 Lc 11,3),und wie sie dieses Brot um der geistlichen Dinge willen erbitten, da sie beten: "damit wir reichlich gute Werke zeitigen". Sie sagen nicht: damit wir nur das Pflichtgemäße tun, sondern mehr als was befohlen ist; das besagen nämlich die Worte: "damit wir reichlich zeitigen". In Betreff der zeitlichen Dinge bitten sie Gott um das Hinreichende; sie selber dagegen wollen Gott nicht bloß gehorchen in dem, was notwendig und genügend ist, sondern sie wollen auch mit großem Eifer und in allen Dingen gehorchen. Das ist das Kennzeichen wackerer Diener, das das Merkmal tugendhafter Männer, dass sie immer und in allen Stücken über das notwendige Maß hinausgehen. 

   Aber sogleich erinnern sie sich wieder, dass sie schwach sind und ohne den Beistand von oben nichts Tüchtiges zuwege bringen können. Daher schließen sie an die Worte: "damit wir reichlich gute Werke zeitigen" die weiteren an: "In Jesus Christus, unserem Herrn, mit dem Dir Ruhm, Ehre und Macht sei in alle Ewigkeit. Amen"; somit beten sie am Schlusse der Danksagung ähnlich wie am Eingange.



6.

Dann fahren sie in demselben Gebete fort, obgleich es den Anschein hat, als fingen sie ein neues an. Ähnlich geht auch Paulus in einem seiner Briefe gleich in der Einleitung auf eine Danksagung über und schreibt:"Nach dem Willen Gottes und unseres Vaters, welchem die Ehre ist in alle Ewigkeit. Amen (Ga 1,45), um sofort wieder zu seinem Thema zurückzukehren. Auch an einer anderen Stelle schreibt er: "Sie haben Ehre und Dienst erwiesen dem Geschöpfe viel mehr als dem Schöpfer, der da gebenedeit ist in Ewigkeit. Amen" (Rm 1,25); damit schließt er nicht, sondern nimmt seinen Stoff von neuem auf. Wir dürfen also auch diesen Engeln[552] keinen Vorwurf machen, als verstießen sie gegen die Ordnung, wenn sie mit der Doxologie schließen, und dann ihre hl. Hymnen von neuem beginnen. Sie treten damit nur in die Fußstapfen der Apostel, wenn sie mit einer Lobpreisung beginnen und schließen, um dann wieder auf den Eingang zurückzukommen. Darum beten sie: "Ehre sei Dir, o Herr, Ehre Dir, o Heiliger, Ehre Dir, o König, dass du uns mit Speise erquickt hast." Wir sollen ja nicht bloß für die großen Wohltaten danken, sondern auch für die kleinen. Durch ihren Dank beschämen sie auch die Irrlehre der Manichäer und alle, welche lehren, dass das Leben auf Erden böse sei. Du sollst nämlich nicht etwa glauben, dass sie bei ihrem Streben nach der höchsten Tugend und bei ihrer Geringschätzung der leiblichen Bedürfnisse etwa auch die Speise verabscheuen wie jene, welche sich selbst umbringen; gerade darum gaben sie dir durch ihre Gebete den Beweis, dass sie nicht aus Verachtung der Gaben Gottes sich so vieler Dinge enthalten, sondern einzig aus Tugendstreben. 

   Beachte ferner, wie sie nach der Danksagung für die bereits empfangenen Gaben um noch größere flehen, und dabei nicht bei den Bedürfnissen des Leibes stehen bleiben, sondern sich über die Himmel erheben und bitten; "Erfülle uns mit dem Hl. Geiste."Denn es ist nicht möglich, etwas Hervorragendes zu leisten, wenn man nicht mit dieser Gnade erfüllt ist, gleichwie man auch ohne den Beistand Christi nichts Ordentliches oder Großes verrichten kann. Vorher hatten sie zu den Worten: "damit wir reichlich gute Werke verrichten" hinzugefügt: "in Christo Jesu"; ähnlich beten sie auch jetzt: "Erfülle uns mit dem Hl. Geiste, auf dass wir vor Deinem Angesichte wohlgefällig befunden werden." Siehe, um die Bedürfnisse des Lebens bitten sie nicht, sie danken nur dafür; für die geistlichen Güter aber danken sie und bitten auch darum. Denn Christus sagt: "Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und dieses alles wird euch dazu gegeben werden" (Mt 6,33). Beachte sodann ein anderes Zeichen ihrer Tugend; sie beten: "Damit wir vor Deinem Angesichte wohlgefällig befunden und nicht zuschanden werden." Damit sagen sie: Es liegt uns nichts an der Beschämung bei den Menschen; ja mögen die Leute uns auslachen, uns schmähen, wir kehren uns nicht daran, unser ganzes Bemühen geht darauf aus, im Jenseits nicht zuschanden zu werden. Wenn sie daher so beten, so meinen sie damit auch den Feuerpfuhl der Hölle, sowie die Belohnung und den Siegespreis[553] . Sie sagen aber nicht: auf dass wir nicht bestraft werden, sondern: "damit wir nicht zuschanden werden"; das wäre uns nämlich viel schrecklicher als die Hölle, denken zu müssen, dass wir den Herrn beleidigt haben. Weil das aber auf viele, besonders die stumpfsinnigeren, keinen Eindruck macht, fahren sie fort: "Wenn du einem jeglichen vergelten wirst nach seinen Werken." Siehst du, wieviel Nutzen uns diese Fremden und Ausländer bringen, diese Bürger der Wüste, richtig gesagt Bürger des Himmels? Wir sind Fremdlinge im Himmel und Bürger dieser Erde; bei jenen ist es gerade umgekehrt. 

   Nach diesem Hymnus gehen sie voll Zerknirschung und unter vielen heißen Tränen zur Ruhe, schlafen aber nur so lange, als gerade genug ist, um ein wenig zu rasten. Dann machen sie die Nacht wieder zum Tage, und bringen sie zu mit Dankgebeten und Psalmengesang. Und nicht allein Männer, nein, auch Frauen gibt es, die ein solches Tugendleben führen und die Schwäche ihres Geschlechtes durch ihren glühenden Eifer überwinden. Wir Männer sollten also wahrhaftig durch ihre Energie beschämt werden, und sollten endlich aufhören, an den Dingen dieser Erde, am Schatten, an Traumgebilden und Rauch zu hängen. Der größte Teil unseres Lebens vergeht ja mit Torheiten. Die ersten Tage der Jugend sind voll von Unverstand; geht es dann dem Alter zu, wird unser ganzes Fühlen wieder abgestumpft; nur kurz ist aber der Zeitabschnitt, der dazwischen liegt, in dem wir die Lebensfreude mit Verstand genießen können; aber auch dieser Genuß wird uns nicht ungetrübt zuteil, da tausend Sorgen und Mühen ihn vergällen. Deshalb bitte ich euch, nach unvergänglichen und unsterblichen Gütern zu trachten und nach dem Leben, das kein Altern kennt. Denn, auch wenn man in einer Stadt wohnt, kann man das Tugendbeispiel der Mönche nachahmen; auch wenn man ein Weib hat und ein Haus bewohnt, kann man beten, fasten und Buße tun. Diejenigen, welche zuerst von den Aposteln unterrichtet wurden, wohnten ja auch in Städten und legten doch eine Frömmigkeit an den Tag, als lebten sie in der Wüste, und eben so andere, die Werkstätten zu leiten hatten, wie Priszilla und Aquila. Auch die Propheten hatten ohne Ausnahme Weiber und Häuser, wie Isaias, Ezechiel, der große Moses, und doch litt ihre Tugend keineswegs darunter. 

   Diese wollen also auch wir nachahmen, wollen allezeit Gott danksagen, allezeit ihm Hymnen singen, die Mäßigkeit und die anderen Tugenden üben, und die Weisheit der Wüste in die Städte einführen, damit wir auch vor Gott wohlgefällig und bei den Menschen angesehen erfunden werden und die ewigen Güter erlangen durch die Gnade und Güte unseres Herrn Jesus Christus, durch den und mit dem der Vater Ruhm, Ehre und Macht besitzt zugleich mit dem heiligen lebenspendenden Geiste, jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit. Amen!





Sechsundfünfzigste Homilie Kap. XVI, V.28-Kap. XVII, V.9.

56 Mt 16,28-17,9
1.

V.28: "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, es sind einige unter denen, die hier stehen, die den Tod nicht kosten werden, bis dass sie den Menschensohn in seinem Reiche kommen sehen." 

   Der Herr hatte bisher vieles über Gefahren und Tod, über sein eigenes Leiden und über die Tötung seiner Jünger gesprochen und ihnen die schon erwähnten strengen Weisungen gegeben; und zwar sollte das erste in diesem Leben und gar bald eintreffen, während der Lohn dafür erst erhofft und erwartet werden sollte. So hatte er zum Beispiel gesagt, dass, wer seine Seele verliert, sie gewinnen werde, dass er selbst in der Herrlichkeit des Vaters wiederkehren und dass er die Siegespreise verteilen werde. Nun wollte er ihnen zeigen, was das für eine Herrlichkeit sei, in der er wiederkommen sollte, und sie dieselbe mit eigenen Augen sehen lassen, soweit sie es nämlich zu erfassen imstande waren. Er offenbart und enthüllt ihnen dieselbe im gegenwärtigen Leben, damit sie sich weder über ihren noch über des Meisters Tod betrübten, namentlich Petrus, der voll Kummer war. Beachte also, was er tut. Erst redet er von der Hölle und vom Himmelreich, denn in den Worten: "Wer seine Seele findet, wird sie verlieren, und wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es gewinnen" (Mt 10,39 u. Mt 16,25 Jn 12,25), und: "Er wird vergelten einem jeglichen nach seinen Werken" (Mt 16,27) hat er beides klargelegt; also da er über beides gesprochen hatte, läßt er sie einen Blick in das Himmelreich tun, in die Hölle aber noch nicht. Und warum das? Wären einige Stumpfsinnige darunter gewesen, so hätte er es allerdings auch tun müssen; da aber seine Zuhörer einsichtig und verständig waren, konnte er seine Unterweisung mit dem Angenehmen beginnen. Das ist aber nicht der einzige Grund hierfür; ein anderer lag darin, dass es für ihn selbst schicklicher war. Übrigens übergeht er die Strafen der Hölle nicht völlig; es gibt Stellen, wo er sie ihnen deutlich vor Augen führt, z.B. wo er das Gleichnis vom Lazarus erzählt, und wo er von dem spricht, der die hundert Denare forderte, oder von demjenigen, welcher das schmutzige Kleid anhatte, und an vielen anderen Stellen. 

   Kapitel XVII. V.1: "Und nach sechs Tagen nahm Jesus den Petrus und Jakobus und Johannes mit sich." 

   Ein an derer Evangelist schreibt: "nach acht Tagen" (Lc 9,28). Er steht jedoch mit unserer Stelle nicht im Widerspruche, stimmt vielmehr sehr gut damit überein, denn er zählt den Tag mit, an welchem der Herr obige Worte gesprochen hatte, und jenen, an welchem er die Apostel wieder zurückführte, während Matthäus bloß die Tage dazwischen rechnet. Beachte wohl, wie tugendhaft Matthäus ist, dass er die Namen derer nicht mit Stillschweigen übergeht, die ihm vorgezogen worden waren. Ähnlich handelt auch Johannes öfter, wenn er mit vieler Umständlichkeit die hervorragenden Lobsprüche, die Petrus zuteil wurden, verzeichnet. Denn von Neid und Eitelkeit waren alle diese heiligen Männer stets frei. Er nahm also die hervorragendsten von ihnen und führte sie auf einen hohen Berg, wo sie allein waren. 

   V.2:Und er ward verklärt vor ihnen und es leuchtete sein Antlitz wie die Sonne, seine Kleider aber wurden weiß wie der Schnee. 

   V.3:Und siehe, es erschienen ihnen Moses und Elias, die mit ihm redeten." 

   Warum nimmt der Herr nur diese drei mit? Weil sie sich vor den anderen besonders auszeichneten: Petrus dadurch, dass er den Herrn überaus liebte; Johannes, weil er vom Herrn überaus geliebt wurde; Jakobus wegen der Antwort, die er einmal zusammen mit seinem Bruder gab: "Wir können den Kelch trinken" (Mt 20,22); freilich nicht bloß durch diese Antwort, sondern auch durch seine Taten, durch die er wahr machte, was er beteuert hatte. Den Juden erschien er nämlich so eifrig und streng, dass ihnen Herodes sogar durch seine Hinrichtung eine große Gunst zu erweisen glaubte. 

   Weshalb führt er sie aber nicht sofort hinauf? Damit den übrigen Jüngern nicht etwas Menschliches widerfahre. Darum nennt er auch die Namen derer nicht, die mit hinaufsteigen sollten; denn dann hätten auch die anderen sehnlich verlangt mitzugehen, um die Erscheinung jener Herrlichkeit zu sehen, und hätten sich gegrämt, als seien sie zurückgesetzt worden. Denn wenn es auch mehr eine körperliche Erscheinung war, so mußten sie doch sehr großes Verlangen haben, sie zu sehen. Warum sagt er es ihnen aber vorher? Damit sie empfänglicher würden für das Schauspiel, das er voraus angekündigt hatte, und im Verlaufe der Tage ein immer lebhafteres Verlangen darnach empfänden, so dass ihr Geist dabei wachsam und achtsam wäre. Warum aber läßt er Moses und Elias auftreten? Dafür können viele Gründe angeführt werden. Zuerst: Da manche Leute ihn für Elias, andere für Jeremias, wieder andere für einen der alten Propheten erklärt hatten, so läßt er die vornehmsten erscheinen, damit man auch hierdurch den Unterschied zwischen den Knechten und dem Herrn erkenne und einsehe, wie berechtigt die Lobpreisung Petri war, als er bekannte, er sei der Sohn Gottes. Dazu kommt ein anderer Grund. Immer wieder klagten die Juden ihn an, er übertrete das Gesetz, und hielten ihn für einen Lästerer, der sich eine Herrlichkeit anmaße, die ihm gar nicht zustehe, nämlich die Herrlichkeit des Vaters, und sagten: "Dieser Mensch ist nicht von Gott, da er den Sabbat nicht hält" (Jn 9,16), und:"Nicht um eines guten Werkes willen steinigen sie Dich, sondern wegen Gotteslästerung, und weil Du, wiewohl Du ein Mensch bist, Dich selber zu Gott machst" (Jn 10,33). Er will also beweisen, dass beide Beschuldigungen nur von der Eifersucht eingegeben, dass er in beiden Punkten unschuldig sei: dass er durch seine Handlungsweise kein Gesetz übertreten habe und dass er sich, wenn er sagte, er sei dem Vater gleich, sich durchaus nicht eine Herrlichkeit anmaße, die ihm nicht zukomme. Deshalb läßt er die Männer auftreten, welche für das eine und das andere Kronzeugen waren. Moses hatte ja das Gesetz gegeben; die Juden mußten also schließen: Hätte er so gehandelt wie sie behaupteten, so hätte es Moses nicht ruhig hinnehmen können; hätte er das Gesetz übertreten und sich damit in Gegensatz zu dem Gesetzgeber gestellt, so hätte ihnen dieser keine Ehrenbezeugung geleistet. Elias hatte für die Ehre Gottes geeifert, er wäre nicht seiner Einladung gefolgt und zu ihm gekommen, wenn er ein Widersacher Gottes gewesen wäre, wenn er sich selbst Gott genannt, sich dem Vater gleichgestellt hätte, ohne wirklich zu sein, was er vorgab, ohne mit vollem Rechte so zu handeln.



2.

Zu diesen Gründen läßt sich noch ein weiterer hinzufügen. Und was für einer? Die Apostel sollten lernen, dass er Gewalt über Leben und Tod hat, und dass ihm alles im Himmel und auf Erden untersteht. Deshalb läßt er zwei Männer auftreten, von denen der eine gestorben war, während der andere den Tod noch nicht erfahren hatte. Den fünften Grund führt der Evangelist selbst an. Welcher ist das? Der Herr wollte zeigen , zu welcher Herrlichkeit der Kreuzestod führt, um Petrus und den anderen, die sich vor dem Leiden entsetzten, Trost zuzusprechen und Mut einzuflößen. Wir lesen nämlich, dass die beiden nicht schweigend erschienen, sondern "die Herrlichkeit besprachen, welche er in Jerusalem vollenden sollte" (Lc 9,31), d.h. sein Leiden und seinen Kreuzestod; denn so bezeichnen sie dasselbe jedesmal. Aber nicht allein durch die Worte dieser Männer, sondern auch durch ihr Tugendbeispiel suchte er die Apostel zu der Tugend zu ermuntern, die er nämlich von ihnen erwartete. Denn nach den Worten:"Wenn mir jemand nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und komme mir nach" (Mt 16,24), läßt er diejenigen erscheinen, welche tausendmal um des Gesetzes Gottes willen und für das ihnen anvertraute Volk in den Tod gegangen waren. Jeder von ihnen hatte sein Leben verloren und es gefunden. Beide waren vor die Gewalthaber hingetreten, der eine vor Pharao in Ägypten, der andere vor Ahab, beide im Interesse von undankbaren und unlenksamen Menschen; beide waren von denen, für deren Rettung sie gearbeitet hatten, in die größte Gefahr gebracht worden; beide hatten sich abgemüht, das Volk dem Götzendienst zu entreißen; beide waren einfache Männer; der eine besaß eine schwere Zunge und eine schwache Stimme, der andere war etwas hart und unbeholfen in seinem Wesen; bei beiden finden wir vollendete Armut, denn Moses besaß nichts und Elias hatte kein anderes Eigentum als seinen Mantel: und alles das ereignete sich im Alten Bunde und ohne dass ihnen eine so große Wundergabe zuteil geworden war. Denn hatte auch Moses das Meer geteilt, Petrus schritt auf dem Wasser einher und war imstande, Berg zu versetzen, alle möglichen Krankheiten des Leibes zu heilen und wilde Teufel auszutreiben; er wirkte mit seinem bloßen Schatten gewaltige Wunder und gestaltete die ganze Welt um. Elias hatte zwar einen Toten erweckt, die Jünger aber erweckten unzählige, selbst als sie noch nicht den Hl. Geist empfangen hatten. 

   Noch aus einem anderen Grunde läßt Christus die beiden erscheinen. Er wollte nämlich, dass seine Jünger diesen Männern auch in der Führung des Volkes, in der Standhaftigkeit und Unbeugsamkeit nacheiferten; sie sollten sanftmütig wie Moses, voll Eifer wie Elias, und fürsorglich sein wie beide. Der eine ertrug ja eine dreijährige Hungersnot wegen des Judenvolkes, der andere sagte: "Entweder vergib ihnen diese Schuld, oder tust Du das nicht, so tilge mich aus dem Buche, das Du geschrieben" (Ex 32,31-32). An all das wollte der Herr die Apostel durch diese Erscheinung erinnern. Sie sollten noch weiter in der Tugendhaftigkeit gehen als jene beiden; deshalb ließ er sie in der Herrlichkeit erscheinen. Das zeigt uns ein Vorfall. Einmal sprachen sie:"Wir wollen sagen, dass Feuer niederfahre vom Himmel und sie verzehre", und beriefen sich dabei auf Elias, der es ebenso gemacht habe. Christus aber erwiderte: "Ihr wisset nicht, wessen Geistes ihr seid" (Lc 9,54-55), und belehrte sie dadurch, erlittenes Unrecht gelassen zu ertragen, weil sie größere Gnaden erhalten hatten, als die im Alten Bunde. Es denke aber ja niemand, dass wir Elias herabsetzen wollen, als wäre er unvollkommen gewesen; das ist durchaus nicht unsere Absicht; im Gegenteil, er war sogar sehr vollkommen; aber zu seiner Zeit werden die Menschen der Einsicht nach noch mehr wie Kinder und bedurften deshalb einer solchen Erziehungsweise. In demselben Sinne war auch Moses sehr vollkommen, Von den Jüngern wird aber dennoch mehr verlangt als von ihm."Denn wenn eure Gerechtigkeit nicht größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen" (Mt 5,20). Sie sollten ja nicht nach Ägypten gehen, sondern in die ganze Welt, die schlimmer war als Ägypten. Nicht etwa mit einem Pharao sollten sie reden, sondern mit dem Teufel kämpfen, mit dem Fürsten aller Bosheit. Ihre Aufgabe bestand darin, diesen in Fesseln zu schlagen und ihm seine ganze Waffenrüstung zu nehmen. Und zwar hatten sie dabei nicht das Meer mit dem Stabe Jesses zu überwinden, sondern einen Abgrund der Gottlosigkeit, dessen Wogen noch weit fürchterlicher tosten. Erwäge also, durch wie viele Dinge die Menschen damals in Furcht versetzt wurden: durch Tod, Armut, Verachtung, ungezählte Leiden; vor diesen Dingen bebten sie mehr als seinerzeit die Juden vor dem Meere. Nichtsdestoweniger brachte der Herr sie dazu, alles dieses zu wagen und mit der größten Sicherheit, als wäre es Festland darüber hinwegzuschreiten. Und um sie dazu zu stärken, läßt er Männer auftreten, die im Alten Bunde geglänzt hatten. 

   Was macht nun der feurige Petrus? 

   V.4:"Es ist gut", sagt er,"dass wir hier sind." 

   Seit er gehört hatte, dass Christus nach Jerusalem gehen müsse, um dort zu leiden, fürchtete und bangte er trotz der Zurechtweisung noch immer für ihn, wenn er auch nicht mehr wagte, vor ihn hinzutreten und zu sagen: "Das wird Dir nimmer geschehen." Mit anderen Worten aber spielte er infolge dieser Furcht wieder auf dasselbe an. Der Berg, die große Zurückgezogenheit und die Einsamkeit brachte ihn auf den Gedanken, hier wären sie ganz sicher, Dazu kam, noch der Wunsch, der Herr möge nicht mehr nach Jerusalem hinabsteigen; er möchte gern, dass er für immer hier bleibe; deshalb spricht er auch von Hüttenbauen. Würden sie gebaut werden, so rechnete er, dann gehen wir nicht mehr nach Jerusalem; wenn wir nicht dorthin gehen, braucht er auch nicht zu sterben, denn nur dort sollen die Schriftgelehrten an ihn Hand anlegen. So wagte er aber nicht zu reden, sondern sagte in der Absicht, seinen Zweck zu erreichen: "Hier ist gut sein", wo auch Moses und Elias sind; Elias, der auf dem Berge Feuer vom Himmel fallen ließ, und Moses, der in die Wolke einging und mit Gott Zwiesprache hielt; und kein Mensch wird auch nur erfahren, wo sie sind.



3.

Siehst du daraus, wie innig er Christus liebte? Du darfst jetzt nicht darauf achten, dass die Art und Weise der Bitte ungeschickt war, sondern bloß wie feurig er ist, wie er für Christus glüht. Dass er nämlich nicht aus Besorgnis um sich selbst so redet, kann man aus den Worten entnehmen, die er sprach, als ihm der Herr seinen einstigen Tod und seine Ergreifung voraussagte: "Ich werde mein Leben für dich opfern; und wenn ich auch mit Dir sterben müßte, nimmer werde ich dich verleugnen" (Mc 14,31). Sieh, wie er ferner auch mitten in der Gefahr nicht an sich selber denkt. Obschon eine große Schar sie umzingelte, ergriff er keineswegs die Flucht, zog vielmehr sein Schwert und hieb dem Knechte des Hohenpriesters das Ohr ab. Er dachte also nicht an sich, sondern bangte nur für den Meister. Weil aber der Herr mit solcher Bestimmtheit gesprochen hatte, nimmt er sich zusammen und sagt, um nicht wieder getadelt zu werden: 

   V.4: Wenn Du willst, so wollen wir hier drei Hütten bauen, Dir eine, Moses eine und Elias eine." 

   Was sagst du da, o Petrus? Hast du Jesus nicht erst kurz vorher weit über seine Diener erhoben? Und nun stellst du ihn wieder auf dieselbe Stufe wie sie? Daraus kannst du ermessen, wie unvollkommen die Jünger vor dem Kreuzestode noch waren. Der Vater hatte ihm zwar eine Offenbarung gegeben, aber Petrus dachte nicht fortwährend an sie; er ließ sich durch die Angst[554] , welche einerseits von der eben erwähnten Furcht, und anderseits von dem ungewöhnlichen Schauspiele herrührte, außer Fassung bringen. Die anderen Evangelisten deuten das auch an, indem sie berichten, dass seine Verwirrung eine Folge jener Aufregung gewesen sei. Markus erzählt: "Er wußte nämlich nicht, was er rede; denn sie waren von Furcht befangen" (Mc 9,5). Lukas schreibt nach den Worten: "Laßt uns drei Hütten bauen": "und er wußte nicht, was er sagte" (Lc 9,33). Dann erzählt er, um zu erklären, dass sie, Petrus und die anderen, von großer Furcht ergriffen waren: "Sie waren vom Schlafe beschwert; und indem sie erwachten, sahen sie seine Herrlichkeit" (Lc 9,32). Unter Schlaf meint er hier jene schwere Betäubung, welche infolge des Gesichtes bei ihnen eingetreten war. Durch einen plötzlich einfallenden Glanz werden nämlich die Augen geblendet, und so geschah es auch hier. Da es noch nicht Nacht, sondern hellichter Tag war, so konnte nur der übermäßige Glanz ihre dafür zu schwachen Augen beschweren. 

   Was antwortete nun der Herr? Christus selbst spricht kein Wort, auch Moses und Elias nicht. Der Allerhöchste und Glaubwürdigste, der Vater selbst, läßt seine Stimme aus der Wolke erschallen. Warum aus der Wolke? So zeigt sich Gott immer. "Wolken und Dunkel sind rings um ihn" (Ps 96,2); "Er sitzt auf einer leichten Wolke" (Is 19,1) "Der Wolken macht zu seinem Wagen" (Ps 103,3): "Eine Wolke nahm ihn hinweg vor ihren Augen" (Ac 1,9) "Auf den Wolken kam er wie eines Menschen Sohn" (Da 7,13). Aus der Wolke erschallt also die Stimme, damit alle glauben, dass sie von Gott kommt. Die Wolke war licht. 

   V 5: "Während er noch redete, sieh da überschattete sie eine leuchtende Wolke, und siehe, eine Stimme ertönte aus der Wolke und sagte: Dieser ist mein geliebter Sohn, an welchem ich mein Wohlgefallen habe, ihn höret." 

   Eine finstere Wolke läßt Gott erscheinen, was er als eine Drohung ausspricht, wie z.B. auf dem Sinai:"Moses trat nun in die Wolke", heißt es, "und in das Dunkel, und wie Dampf stieg der Rauch auf" (Ex 24,18), und der Prophet spricht, wo er von Gottes Drohung redet: Finsteres Wasser im Gewölke der Luft" (Ps 17,12). Hier wollte jedoch Gott nicht Schrecken verbreiten, sondern belehren; darum ist die Wolke licht. 

   Petrus hatte gesagt lasset uns drei Hütten bauen." Er aber zeigt ihnen dafür das Zelt, das nicht von Menschenhand gemacht ist. Deshalb ist hier ein unaussprechliches Licht und die Stimme, während dort Rauch und Qualm erscheinen. Ferner sollte es klar sein, dass nicht von irgendeinem der drei Männer, sondern von Christus allein die Rede war, darum traten jene zwei zur Seite, als die Stimme erscholl. Hätten die Worte einfach irgendeinem von ihnen gegolten, so hätten sich die beiden anderen nicht entfernt, um Christus allein zu lassen. Weshalb umhüllte nun aber die Wolke alle drei zugleich und nicht Christum allein? Weil man sonst hätte meinen können, dass er es sei, der da spricht. Darin liegt auch der Grund, weshalb der Evangelist gerade diesen Umstand besonders betont und sagt, dass die Stimme aus der Wolke kam, d.h. von Gott. Was sagt nun die Stimme? "Dieser ist mein geliebter Sohn." Wenn er also geliebt ist, so kannst du außer Furcht sein, o Petrus. Längst schon hättest du übrigens seine Macht kennen und von seiner Auferstehung überzeugt sein sollen. Da du aber im unklaren bist, so fasse wenigstens jetzt nach den Worten des Vaters Mut. Wenn nämlich Gott wirklich die Macht besitzt, wie es ja auch tatsächlich der Fall ist, so ist es doch offenbar, dass auch der Sohn sie in gleicher Weise besitzt. Fürchte also die Gefahren nicht. Hast du das aber noch nicht begriffen, so denke wenigstens daran, dass er der Sohn ist und geliebt wird. Denn es heißt: "Dieser ist mein geliebter Sohn." Wenn er aber geliebt wird, so hast du keine Ursache zu bangen, denn niemand gibt den preis, den er liebt. Sei also unverzagt; denn, wenn du ihn auch tausendmal liebst, so wie der Vater liebst du ihn doch nicht. 

   "An dem ich mein Wohlgefallen habe." Nicht bloß, weil er ihn gezeugt hat, liebt ihn der Vater, sondern auch, weil er ihm in allen Stücken gleicht und derselben Gesinnung ist. Sonach ist der Grund zur Liebe zwei, ja dreifach: nämlich weil er der Sohn ist, weil er der geliebte ist, weil der Vater an ihm sein Wohlgefallen hat. Was heißt aber das: "An dem ich mein Wohlgefallen habe"? Das will besagen, In dem ich meine Ruhe, in dem ich meine Lust finde deshalb, weil er in jeder Beziehung bis ins Kleinste ihm gleich ist, in ihm und dem Vater nur ein Wille ist, weil er in allem eins ist mir dem Erzeuger und doch dabei der Sohn bleibt. "Ihr höret."Auch wenn er gekreuzigt werden will, sollst du nicht dagegen sein. 

   V.6: "Und als die Jünger dies gehört hatten, fielen sie auf ihr Angesicht und fürchteten sich sehr. 

   V.7: Und Jesus trat hinzu, berührte sie und sprach: 

   V.8: Stehet auf und fürchtet euch nicht. Als sie aber ihre Augen erhoben, sahen sie niemand außer Jesum allein."



4.

Wie kam es, dass sie bei jenen Worten zu Boden fielen? Früher einmal, am Jordan, war ja auch eine solche Stimme erschallt, eine Menge Volk war zugegen und keinem war etwas Ähnliches widerfahren; und als später nach ihrer Aussage ein Donner entstanden war, nicht einmal da war es ihnen so ergangen. Wie kam es also, dass sie auf dem Berge niederfielen? Weil der Ort einsam und hochgelegen war, so dass große Ruhe herrschte, dazu kam noch die Verklärung, die sie mit Schauer erfüllte, das überaus helle Licht und die umhüllende Wolke: all das versetzte sie in große Furcht. Von allen Seiten erfüllte sie Staunen und ehrfurchtsvolle Scheu, sie stürzten nieder aus Furcht und Anbetung zugleich. Damit jedoch durch eine zu lange unhaltende Furcht ihre spätere Erinnerung nicht beeinträchtigt würde, befreite sie Christus alsbald von ihrer An gst: sie sehen ikhn alölein und er erteilt ihnen den Befehl, mit niemanden von dem V orfall zu reden , bis er von den Toten auferstanden wäre. 

   V.9: "Und während sie herniederstiegen von dem Berge, gebot ihnen Jesus, mit niemanden von den Gefahren zu reden, bis er von den Toten auferstanden sei." 

   Je erhabener das war, was von ihm verkündigt wurde, desto schwerer wäre es damals für die große Menge zu glauben gewesen; und das Ärgernis des Kreuzestodes wäre infolge dessen nur noch ärger geworden. Deshalb legte er den Aposteln Stillschweigen auf; ja noch mehr, er weist sie wieder auf sein Leiden hin, und erklärt ihnen sogar auch den Grund, weshalb er ihnen zu schweigen gebot. Er befahl ihnen nicht, stets und gegen jedermann darüber zu schweigen, sondern nur bis er von den Toten auferstanden wäre. Dabei übergeht er die bösen Seiten und hebt nur die schönen hervor. Wie aber? Sollten sie denn nachher nicht mehr daran Anstoß nehmen? O nein. Nur die Zeit vor der Kreuzigung kam in Frage. Denn nachher empfingen sie ja die Gnade des Hl.Geistes und die Gabe der Wunder, welche laut für sie zeugten, und alles, was sie dann sagten, war wohl glaubwürdig, weil die Tatsachen selbst wie lauter Trompetenschall seine Macht verkündeten und kein Ärgernis mehr den Fortgang der Ereignisse hemmte.Niemand ist somit glücklicher als die Apostel, und namentlich jene drei, welche gewürdigt worden sind, mit dem Herrn in der Wolke wie unter einem Dache zu wohnen. Aber wenn wir nur wollen, so können auch wir Christum sehen, nicht bloß so wie die Apostel damals auf dem Berge, sondern noch viel strahlender; denn später[555] , wird er nicht mehr bloß so erscheinen[556] . Hier offenbarte er aus Rücksicht auf die Jünger nur soviel von seinem Glanze, als sie ertragen konnten; am Ende der Zeiten aber wird er wiederkommen in der ganzen Herrlichkeit des Vaters, nicht blos mit Moses und Elias, sondern mit dem unübersehbaren Heere der Engel, mit den Erzengeln und Cherubim, mit den endlosen Scharen des Himmels; und dazu wird nicht bloß eine Wolke über seinem Haupte erscheinen, sondern der Himmel selbst wird ihn umhüllen. Gleichwie nämlich bei einer öffentlichen Gerichtsverhandlung die Diener die Vorhänge wegziehen, so dass die Richter vor aller Augen sichtbar werden, ähnlich wird es am jüngsten Tage sein; alle werden Christum auf dem Throne sehen, die gesamte Menschheit wird vor ihnen erscheinen, er wird selbst das Wort ergreifen und zu den einen sagen: "Kommet, ihr Gesegneten meines Vaters, denn ich bin hungrig gewesen und ihr gabt mir zu essen" (Mt 25,34-35), oder: "Wohlan, du guter und getreuer Knecht, weil du über Weniges gertreu gewesen bist, werde ich dich über Vieles setzten" (Mt 25,23). Zu den anderen dagegen wird er sagen: "Weichet ins ewige Feuer, welches dem Teufel bereitet ist und seinen Engeln" (Mt 25,41), und: "Schlechter und fauler Knecht" (Mt 25,26). Die einen wird er zerfleischen und den Peinigern überantworten, andere wird er an Händen und Füßen gebunden in die Finsternis draußen werfen lassen. 

   Nachdem also die Axt sie gefällt (Mt 3,10), nimmt sie der Feukerofen auf, in den alles hineingeschleudert wird, was aus dem Netze herausgeworfen wirden ist. "Dann werden die Gerechten aufleuchten wie die Sonne (Mt 13,43), ja noch viel heller als die Sonne. Das Wörtlein "wie" drückt hier nicht aus, als würde ihr Glanz bloß so strahlend sein wie der der Sonne, sondern will uns nur die Lichtfülle der Heiligen an dem Beispiel der Sonne anschaulich machen, weil wir eben kein glänzenderes Gestirn kennen als sie. In demselben Sinne hat der Evangelist auch bei dem Berichte über den Vorgang auf dem Berge gesagt: "Er glänzte wie die Sonne." Denn dass das Licht viel stärker war, als der Vergleich ausdrückt, geht daraus hervor, dass die Jünger zu Boden fielen. Wäre das Licht nicht so überwältigend, sondern nur wie das Sonnenlicht gewesen, so hätten sie es leicht ertragen können, ohne niederzustürzen. Die Gerechten werden also dann strahlen wie die Sonne und noch viel heller als die Sonne; über die Sünder hingegen werden schreckliche Leiden kommen. Dann bedarf es keiner Urkunden, keiner Beweise, keiner Zeugen; denn derjenige, der Gericht hält, ist alles in einer Person: Zeuge, Ankläger und Richter. Er weiß alles genau, denn: "Alles ist bloß und aufgedeckt vor seinen Augen" (He 4,13). Dann tritt man nicht als Reicher oder Armer, als Mächtiger oder Schwacher, als Gelehrter oder Ungebildeter, als Sklave oder Freier auf. Alle diese Unterschiede sind verwischt; nur die Werke bilden die Grundlage der Untersuchung. Das gilt ja schon bei den Gerichtshöfen der Erde. So oft jemand wegen einer Gewalttat oder eines Mordes belangt wird, verschwinden alle Rangstufen, ob einer nun Präfekt oder Konsul oder was sonst immer sei, und über den Verbrecher werden die schwersten Strafen verhängt. Wieviel mehr wird das im Jenseits der Fall sein!



5.

Damit also uns nichts Derartiges widerfahre, lasset uns die besudelten Kleider ab und die Waffen des Lichtes anlegen, dann wird auch uns die Herrlichkeit Gottes umkleiden. Welches Gebot könnte da schwer sein und welches wäre nicht vielmehr leicht? Höre nur, was der Prophet sagt, und du wirst verstehen, warum sie leicht sind. "Nicht wenn du deinen Nacken niederbeugst wie einen Reif, und dir Sack und Asche als Lager streust, nicht dies nenne richtiges Fasten; sprenge vielmehr alle Bande des Unrechts, löse die Fesseln erzwungener Verträge (Is 58,56).Siehe, wie weise der Prophet vorgeht. Zuerst erwähnt er das, was schwer ist, und befreit dich davon; dann verlangt er, dass man durch Erfüllung der leichteren Pflichten sein Heil wirke, indem er zeigt, dass Gott nicht mühevolle Abtötungen fordert, sondern Gehorsam. Darauf erklärt er, dass die Tugend etwas Leichtes, das Böse hingegen schwer und drückend ist, und beweist es aus dem, blosen Namen desselben. Die Bosheit, sagt er, ist eine Fessel, eine Schlinge;die Tugend befreit und löst davon. "Zerreiße jede ungerechte Urkunde",damit meint er die Schuld und Wucherverschreibungen; "lasse, die geknechtet worden, frei", d.h. die sich in Not befinden. Das gilt nähmlich vom Schuldner; wenn er seinen Gläubiger erblickt, befällt Zagen sein Herz, er fürchtet sich mehr vor ihm als vor einem Raubtiere. "Arme und Heimatlose führe in dein Haus; so du einen Nackten siehst, kleide ihn, und behandle die Genossen deines Fleisches nicht verächtlich" (Is 58,67). 

   Neulich haben wir in einer Predigt[557] , wo wir vom Lohne der Mildtätigkeit handelten, darauf hingewiesen, dass sie grroßen Reichtum im Gefolge hat; heute wollen wir sehen, ob einer ihrer Vorschriften schwer ist und die Kräfte unserer Natur übersteigt. Wir werden aber nichts dergleichen finden, vielmehr das gerade Gegenteil, nämlich, dass die Tugend sehr leicht zu üben ist, während das Böse viel Mühe fordert.Was ist wohl mühsamer als Geld zu leihen, um die Zinsen und Verschreibungen sich kümmern, Guthaben eintreiben, wegen der Pfandsummen, wegen des Kapitals, der Urkunden, der Zinsen, wegen der Bürgschaft in Furcht und Angst schweben zu müssen? Das ist eben die Natur der weltlichen Geschäfte. Diese scheinbare und viel überlegte Sicherheit ist im Grunde gar morsch und verdächtig. Wohltätig zu sein ist dagegen leicht und entledigt aller Sorgen. Machen wir darum aus der Not des Nebenmenschen kein Geschäft; treiben wir keine Krämerei mit der Nächstenliebe. Ich weiß wohl, dass viele nicht gerne solche Reden hören; aber was hätte es für einen Zweck wenn ich schweige? Gesetzt, ich täte es und fiele euch durch meine Worte nicht lästig, so könnte ich euch doch durch mein Schweigen unmöglich vor der Strafe bewahrn; ja, sie würde sogar im Gegenteil nur um so schwerer ausfallen, und nicht bloß euch, sondern auch mir würde ein solches Schweigen gerechte Züchtigung eintragen. Was nützen also angenehme Worte, wenn sie nicht zu Taten verhelfen, sondern obendrein noch Nachteil bringen? Was nützt es durch Worte Freude zu bereiten, in der Tat aber Leid zuzufügen? Dem Ohre zu schmeicheln, während die Seele der Strafe verfällt? Darum muß ich jetzt notgedrungen Schmerz bereiten, damit wir im Jenseits nicht zu büßen brauchen. 

   Wahrlich eine schwere, mein Lieber, eine schwere und sorgfältiger Behandlung bedürftige Seuche hat die Kirche befallen. Während man nämlich nicht einmal durch rechtmäßige Bemühungen trachten soll, Schätze aufzuhäufen, vielmehr sein Haus dem Hilfbedürftigen öffnen soll, ziehen manche noch Nutzen aus der Armut des Nächsten, indem sie dem Raube unter einem schönen Namen und der Habsucht unter einem hübschen Vorwande huldigen. Es komme mir ja niemand mit der Berufung auf die bürgerlichen Gesetze. Auch der Zöllner beobachtet das weltliche Gesetz; aber gleichwohl trifft ihn Strafe. So wird es auch uns ergehen, wenn wir nicht aufhören, die Armen zu bedrücken, ihre Not und bedrängte Lage als Anlaß zu schamloser Bereicherung zu mißbrauchen. Nicht um die Armut auszubeuten, sondern um ihr abzuhelfen, besitzest du Reichtum; aber unter dem Vorwande, das Elend zuk liondern, erschwerst du es noch und treibst um Geld Schacher mit der Liebe. Verkaufe sie immerhin, ich habe nichts dagegen; nur verkaufe um das Himmelreich. Begnüge dich doch für eine so edle Tat nicht mit dem geringen Zins von einem Prozent, sondern nimm dafür das unsterbliche Leben in der Ewigkeit. Wie magst du nur so bettelhaft, knauserig und kleinlich sein, dass du um einen niedrigen Erlös das Wertvolle verhandelst, da doch das Geld vergänglich ist, während das Himmelreich ewigen Bestand hat? Wie kannst du Gott preisgeben, um Gewinnst bei Menschen einzustreichen? Wie magst du nur den Reichen unbeachtet lassen, um dafür den Armen zu bedrücken, wie den verlassen, der belohnen kann, um dich an den zu hängen, der keinen Dank kennt? Gott ist voll Verlangen, zu belohnen; dieser ist unwillig, wenn er den Zins bezahlen soll. Dieser gibt kaum den hundertsten Teil als Lohn, jener das Hundertfältige und das ewige Leben dazu. Dieser schmäht und lästert dabei, jener lobt und segnet dazu; dieser erweckt dir Neid, jener flicht dir auch noch Kränze; dieser ist es kaum hier instande, jener vermag es hier und im Jenseits. Ist es also nicht der Gipfel der Albernheit, wenn man es nicht versteht, Gewinn zu machen? Wie viele haben schon um der Zinsen willen das Kapital eingebüßt! Wie viele sind schon ins Elend geraten, weil sie nach Zinsen strebten! Wie viele haben wegen ihrer unsäglichen Habgier sich und andere in die äußerste Armut gestürzt!



6.

Komme mir also nicht mit dem Einwand, derjenige, der sich das Geld ausleiht, freue sich doch und danke für die Anleihe. Denn das tut er nur, weil du so hart bist. Auch Abraham lieferte sein Weib den Barbaren aus, aber keineswegs gern, sondern aus Furcht vor Pharao, um sich gegen Feinseligkeiten sicherzustellen. So handelt auch der Arme; weil du ihm nicht einnal das umsonst gewährst, sieht er sich ob deiner Hartherzigkeit genötigt, dir zu danken. Bei dir aber hat es den Anschein, als ob du noch einen Lohn verlangest dafür, dass du ihm aus seiner Not geholfen hast. Beileibe nicht, entgegenst du. Aber wie kannst du so sagen? Wenn du ihn aus einem größeren Elende rettest, verlangst du nichts dafür;wenn du ihm sber eine geringere Hilfe gewährst, legtst du eine solche Lieblosigkeit an den Tag? Weißt du nicht, welche Strafe eine solche Handlungsweise nach sich ziehen muß? Hast du nicht gehört, dass dies auch im Alten Bunde geahndet wurde? Wie lautet aber die Ausrede, welche die meisten gebrauchen? Wenn ich Zinsen nehme, so bin ich in der Lage, den Armen zu helfen, sagen sie. Das mag ganz recht sein, mein Lieber; aber solche Opfer will Gott nicht. Deutle nicht am Gesetze herum! Es ist besser, den Armen gar nicht zu geben, als auf diesem Wege, dass du gerecht erworbenes Vermögen durch den Gewinn, den du auf schlechte Weise daraus ziehst, oft ungerecht machst; es ist das gerade so, wie wenn jemand einen Schoß, der eine gute Frucht birgt, zwänge, Skorpionen zur Welt zu bringen. Doch, ich brauche mich gar nicht auf Gottes Gesetz zu berufen. Nennt ihr nicht selber eine solche Handlungsweise schmutzig? Wenn nun ihr trotz eurer Gewinnsucht so urteilet, dann bedenke, was für ein Urteil Gott über euch fällen wird. Und willst du auch die bürgerlichen Gesetze heranziehen, so wirst du sehen, dass auch sie derartige Geschäfte als die größte Schamlosigkeit brandmarken. Männern, welche Ehrenämter bekleiden und zum großen Rate, der Senat heißt, gehören, ist es nicht gestattet, sich mit solchen Geschäften zu entehren; ja, ein eigenes Gesetz untersagt ihnen solchen Erwerb. Ist es darum nicht schauderhaft, wenn du eine Ehre, welche die römischen Gesetezgeber dem Senate wahrten, nicht auch dem Himmelreiche zuerkennst? wenn dir vielmehr der Himmel weniger gilt als die Erde, und du dich einer solchen Widersinnigkeit nicht einmal schämst? Gäbe es etwas Törichteres, alls wenn jemand mit aller Gewalt ohne Erdreich, ohne Regen, ohne Pflug säen wollte? Die Folge davon ist, dass Leute, die sich auf einen derartigen Landbau verlegen, nur Unkraut ernten, das ins Feuer geworfen wird. 

   Gibt es denn nicht genug Erwerbszweige, die gerecht sind. Landbau, Schaf und Viehzucht, Handwerke, Verwaltung des Vermögens? Wie kannst du so wahnsinnig und töricht sein, Disteln zu bauen? Ja, aber die Früchte der Erde sind so vielen Unfällen ausgesetzt: Hagel, Brand, Regenwetter; so wirfst du ein. Mag sein, aber die Geldgeschäfte noch größeren. Mag beim Landbau alles mögliche eintreten, der Schaden trifft nur den Ertrag; das Kapital, der Acker nämlich, bleibt erhalten. Beim Geldgeschäft jedoch haben oft schon viele das ganze Kapital eingebüßt; sie schweben daher auch, bevor noch ein Unglück eintritt, in beständiger Unruhe. Ein Geldverleiher genießt ja eigentlich nie sein Vermögen, auch wenn die Zinsen einlaufen, hatte er keine Freude an diesem Gewinne, ist vielmehr voll Bedauern, dass die Zinsen das Kapital noch nicht überholt haben. Bevor also noch diese böse Frucht aufgetragen ist, arbeitet er daran, sie zur Welt zu bringen, indem er die Zinsen zum Kapital schlägt und wendet selbst Gewalt an, um diese Schlangenbrut, wenn sie noch unreif ist, vor der Zeit aushacken zu lassen. So nämlich kann man die Zinsen nennen, weil sie weit schlimmer sind als jene Bestien und die Seelen der Unglücklichen zerfleischen und verschlingen. Das ist eben die Fessel der Ungerechtigkeit, das die Kette der ungerechten Abmachungen. Denn sagt man: ich gebe, nicht damit du empfangest, sondern damit du noch mehr zurückgebest. Und doch hat Gott verb oten, wiederzunehmen, was man einmal gegeben hat; denn er sagt: "Leihet dar, ohne etwas entgegenzuhoffen" (Lc 6,35). Du aber forderst m ehr zurück, als du gegeben hast,ja du zwingst den Empfänger, etwas als seine Schuld an zusehen, was du ihm gar nicht gegeben hast. Allein, anstatt dein Verrmögen zu vergrößern, wie du meinst, schürst du dir nur das ewige Feuer an. Damit uns also so etwas nicht wilderfahre, laset uns den Schoß, der mit den ungeilvollen Zinsen schwanger geht, seiner B ürge entledigen, diese ungerechten Geburtswehen beseitigen, diesen Verderben kreißenden Leib vertilgen und allein dem wahren Gewinn nachgehen. Welcher ist das? Höre, was Paulus sagt:"Es ist aber großer Gewinn die Frömmigkeit mit Genügsamkeit" (1Tm 6,6). Das also sei allein der Reichtum, mit dem wir uns bereichern wollen, auf dass wir hier den Frieden finden und dort die künftigen Güter erlangen durch die Gnade und Güte unseres Herrn Jesus Christus, dem die Ehre und die Macht geb ührt mit dem Vater und dem Hl.Geiste, jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit. Amen!






Kommentar zum Evangelium Mt 55