Benedikt XVI Predigten 113

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APOSTOLISCHE REISE

VON PAPST BENEDIKT XVI.

NACH BRASILIEN ANLÄSSLICH DER V. GENERALKONFERENZ

DES EPISKOPATS VON LATEINAMERIKA UND DER KARIBIK

INTERVIEW MIT PAPST BENEDIKT XVI.

WÄHREND DER FLUGREISE NACH BRASILIEN Mittwoch, 9. Mai 2007

Papst Benedikt XVI.: Guten Tag, wir befinden uns jetzt über der Sahara und fliegen zum »Kontinent der Hoffnung«. Ich reise mit großer Freude, mit vielen Hoffnungen zu dieser Begegnung mit Lateinamerika. Wir haben mehrere bedeutsame Termine: zuerst das Jugendtreffen in São Paulo, dann die Heiligsprechung des ersten in Brasilien geborenen Heiligen in São Paulo, was mir auch besonders Ausdruck dessen zu sein scheint, was diese Reise bedeuten soll. Es handelt sich um einen franziskanischen Heiligen, der in Brasilien das franziskanische Charisma verwirklicht hat und als ein Heiliger der Versöhnung und des Friedens gilt. Wir können also sagen, daß das ein deutliches Merkmal einer Persönlichkeit ist, die Frieden und damit auch soziale und menschliche Kohärenz zu schaffen wußte.

Dann ist noch ein anderes wichtiges Treffen in der »Fazenda da Esperança« geplant (die Gemeinschaft zur Rehabilitierung für Drogenabhängige, die der Papst Am 12 besucht hat; Anm. ), an einem Ort, wo sich die Kraft der Heilung zeigt, die im Glauben steckt und die hilft, neue Lebenshorizonte zu öffnen. Alle diese Drogenprobleme usw. kommen ja von einem Mangel an Hoffnung auf die Zukunft. Es ist der Glaube, der die Zukunft öffnet und so auch heilen kann. Mir scheint also, daß diese Kraft zu heilen und Hoffnung zu schenken, indem sie einen Horizont für die Zukunft öffnet, sehr wichtig ist.

Und schließlich der Hauptzweck dieser Reise: die Begegnung mit den Bischöfen, die an der V. Generalversammlung der Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik teilnehmen. Es ist ein Treffen, das – sagen wir – einen spezifisch religiösen Inhalt hat: in Christus das Leben geben und Jünger Christi werden, weil wir wissen, daß wir alle das Leben haben wollen, aber das Leben ist nicht vollendet, wenn es nicht einen Inhalt in sich und darüber hinaus eine Richtung hat, in die es geht. In diesem Sinn entspricht es der religiösen Sendung der Kirche und öffnet auch die Augen für die Bedingungen, die zur Lösung der großen sozialen und politischen Probleme Lateinamerikas notwendig sind.

Die Kirche als solche macht keine Politik – wir respektieren die Laizität –, aber sie bietet die Bedingungen, unter denen eine gesunde Politik mit der daraus folgenden Lösung der sozialen Probleme reifen kann. Wir wollen also den Christen das Geschenk des Glaubens, der Freude am Glauben bewußt machen, dank derer es möglich ist, Gott zu erkennen und so auch den Sinn unseres Lebens. Die Christen können auf diese Weise Zeugen Christi sein und sowohl die notwendigen persönlichen als auch die großen sozialen Tugenden lernen: den Sinn für Gesetzlichkeit, der entscheidend ist für die Bildung einer Gesellschaft. Wir kennen die Probleme Lateinamerikas, aber wir wollen gerade jene Fähigkeiten, jene moralischen Kräfte mobilisieren, die es gibt, die religiösen Kräfte, um so der spezifischen Sendung der Kirche und unserer universalen Verantwortlichkeit für den Menschen als solchen und für die Gesellschaft als solche zu entsprechen.

Pater Lombardi: Ich möchte am Anfang dem »Globo« das Wort erteilen, der ja die Berichterstattung dieser Reise auch für das Fernsehen sicherstellt.

Frage: Heiligkeit, kann die Kirche etwas gegen die Gewalt tun, die in Brasilien unannehmbare Dimensionen erreicht hat?

Benedikt XVI.: Wer an Christus glaubt, wer an diesen Gott glaubt, der Versöhnung ist und der durch das Kreuz das stärkste Zeichen gegen die Gewalt gesetzt hat, ist nicht gewalttätig und hilft den anderen, die Gewalt zu überwinden. Das Größte, was wir tun können, ist, zum Glauben an Christus zu erziehen, zum Erlernen der Botschaft, die aus der Person Christi erwächst. Ein Mann, eine Frau mit Glauben zu sein, bedeutet automatisch, der Gewalt zu widerstehen, und das mobilisiert die Kräfte gegen sie.

Frage: Heiligkeit, in Brasilien gibt es einen Antrag auf ein Referendum über das Thema der Abtreibung; in Mexiko-Stadt wurde vor zwei Wochen die Abtreibung für straffrei erklärt. Was kann die Kirche tun, um diese Tendenz aufzuhalten, damit sie sich nicht auf andere lateinamerikanische Länder ausbreitet, wobei zu berücksichtigen ist, daß der Papst in Mexiko sogar der Einmischung beschuldigt wurde, weil er die Bischöfe unterstützt hatte? Sind Sie mit der mexikanischen Kirche einverstanden, daß die Abgeordneten, die diese den Werten Gottes widersprechenden Gesetze befürworten, exkommuniziert werden sollen?

Benedikt XVI.: Es gibt diesen großen Kampf der Kirche für das Leben. Sie wissen, daß Papst Johannes Paul II. ihn zu einem grundlegenden Punkt seines ganzen Pontifikats gemacht hat. Er hat eine große Enzyklika über das Evangelium des Lebens geschrieben. Wir setzen natürlich diese Botschaft fort, daß das Leben ein Geschenk und keine Bedrohung ist. Mir scheint, daß an der Wurzel dieser Gesetzgebungen einerseits ein gewisser Egoismus und anderseits auch ein Zweifel am Wert des Lebens, an der Schönheit des Lebens und auch ein Zweifel an der Zukunft steht. Und die Kirche antwortet vor allem auf diese Zweifel: Das Leben ist schön, es ist nichts Zweifelhaftes, sondern ein Geschenk, und das Leben bleibt auch unter schwierigen Bedingungen immer ein Geschenk. Es gilt also, dieses Bewußtsein von der Schönheit des Geschenks des Lebens zu erneuern. Und dann noch etwas anderes: der Zweifel an der Zukunft. Natürlich gibt es in der Welt vielfache Bedrohungen, aber der Glaube gibt uns die Sicherheit, daß Gott immer stärker ist und in der Geschichte gegenwärtig bleibt, so daß wir mit Vertrauen auch neuen Menschen das Leben schenken können. In dem Bewußtsein, das uns der Glaube von der Schönheit des Lebens und der Vorsehung und Gegenwart Gottes in unserer Zukunft gibt, können wir diesen Ängsten widerstehen, die die Ursache dieser Gesetzgebungen sind.

Frage (Brasilianisches Fernsehen): Heiligkeit, wir stellen fest, daß in Ihren Ansprachen vom Relativismus in Europa, von der Armut in Afrika die Rede ist, aber daß Lateinamerika ein wenig fehlt, vielleicht weil es keinen Grund zur Besorgnis gibt, oder werden Sie sich vielleicht in Zukunft in spezifischerer Weise dazu äußern?

Benedikt XVI.: Nein, ich liebe Lateinamerika sehr, ich habe Lateinamerika oft besucht und habe dort viele Freunde, und ich weiß, wie groß die Probleme sind und wie groß anderseits der Reichtum dieses Kontinents ist. Zur Zeit sehen wir aber, daß die Probleme des Nahen Ostens, des Heiligen Landes, des Irak usw. dominieren. Es gilt also, sozusagen eine unmittelbare Priorität zu berücksichtigen. Auch die Leiden Afrikas sind gewaltig, wie wir wissen. Aber nicht weniger Sorge machen mir die Probleme Lateinamerikas, denn ich liebe Lateinamerika nicht weniger, den großen – nein, den größten – katholischen Kontinent und damit auch die größte Verantwortlichkeit für einen Papst. Deshalb bin ich glücklich, daß endlich der Moment für mich gekommen ist, nach Lateinamerika reisen zu können, die von Paul VI. und Johannes Paul II. übernommene Verpflichtung zu bekräftigen und auf derselben Linie fortzusetzen. Der Papst möchte natürlich, daß es nicht nur der katholische Kontinent ist, sondern auch ein vorbildlicher Kontinent, wo die menschlichen Probleme, die gewaltig sind, in angemessener Weise gelöst werden. Und wo man mit den Bischöfen, den Priestern, den Ordensleuten und den Laien zusammenarbeitet, damit dieser große katholische Kontinent auch wirklich ein Kontinent des Lebens und der Hoffnung ist. Das ist für mich eine erstrangige Priorität.

Frage: Heiligkeit, in Ihrer Ansprache bei der Ankunft sagen Sie, daß es gilt, Christen zu formen, indem moralische Richtlinien erteilt werden; die Christen entscheiden dann frei und verantwortungsbewußt. Billigen sie die Exkommunikation der Abgeordneten in Mexiko-Stadt bezüglich der Frage der Abtreibung?

Benedikt XVI.: Die Exkommunikation ist nicht etwas Willkürliches, sondern vom Codex (Anm.d.Red.: Codex des Kanonischen Rechtes)vorgesehen. Es steht also einfach im kanonischen Recht, daß die Tötung eines unschuldigen Kindes unvereinbar ist mit dem Gang zur Kommunion, wo man den Leib Christi empfängt. Es wurde also nichts Neues, nichts Überraschendes oder Willkürliches erfunden. Es wurde nur öffentlich auf das hingewiesen, was vom Kirchenrecht vorgesehen ist, von einem Recht, das auf der Lehre und auf dem Glauben der Kirche gründet, auf unserer Hochschätzung für das Leben und für die menschliche Individualität vom ersten Augenblick an. Anschließend stellte einer der Journalisten eine Frage auf deutsch, die der Heilige Vater auf italienisch beantwortete: Benedikt XVI.: Ich antworte auf italienisch. Sie fragten mich, ob ich mich von den Deutschen genügend unterstützt fühle und ob ich auch ein wenig Heimweh nach Deutschland habe. Ja, ich fühle mich genügend unterstützt; es ist normal, daß in einem protestantisch und katholisch gemischten Land nicht alle Getauften mit dem Papst übereinstimmen; das ist völlig normal. Aber mir scheint, daß es doch eine starke Unterstützung gibt, auch vom nichtkatholischen Teil Deutschlands. Also ja, es gibt die Unterstützung, und sie hilft mir. Ich liebe meine Heimat, aber ich liebe auch Rom, und jetzt bin ich Weltbürger. Und so bin ich überall zu Hause und bin meinem Land wie allen anderen nahe.

Frage: Guten Tag, Heiligkeit! In Ihrem Buch »Jesus von Nazareth« haben sie von einer dramatischen Glaubenskrise gesprochen. In Lateinamerika gibt es vielleicht diese Glaubenskrise nicht in dem Ausmaß, wohl aber in abgeschwächter Form. Die Theologie der Befreiung wurde von der Theologie der protestantischen Sekten ersetzt, die billige Paradiese des Glaubens versprechen, und die katholische Kirche verliert Gläubige. Wie kann man diese Abwanderung der katholischen Gläubigen aufhalten?

Benedikt XVI.: Das ist unsere gemeinsame Sorge. Wir wollen gerade in dieser V. Generalversammlung der Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik überzeugende Antworten finden, und dafür wird schon gearbeitet. Dieser Erfolg der Sekten zeigt einerseits, daß es einen verbreiteten Durst nach Gott gibt, einen Durst nach Religion; die Menschen wollen Gott nahe sein und suchen nach einem Kontakt mit ihm. Anderseits natürlich nehmen sie auch den an, der sich anbietet und Lösungen für ihre Probleme des täglichen Lebens verspricht. Wir müssen als katholische Kirche gerade das verwirklichen, was der Zweck der V. Generalversammlung ist – das heißt, missionarischer und damit dynamischer sein im Anbieten von Antworten auf den Durst nach Gott; wir müssen uns bewußt sein, daß die Menschen und gerade die Armen, Gott nahe bei sich haben wollen. Wir wissen, daß wir ihnen zusammen mit dieser Antwort auf den Durst nach Gott helfen müssen, gerechte Lebensbedingungen zu finden, dies sowohl auf mikroökonomischer Ebene in den konkreten Situationen, wie es die Sekten tun, als auch auf makroökonomischer Ebene, wobei wir auch an alle Notwendigkeiten der Gerechtigkeit denken.

Frage: Zur Frage meines Kollegen. In Brasilien gibt es mancherorts noch viele Vertreter der Befreiungstheologie. Was ist die besondere Botschaft an diese Vertreter der Befreiungstheologie?

Benedikt XVI.: Ich würde sagen, daß sich infolge der veränderten politischen Situation auch die Situation der Befreiungstheologie tiefgreifend verändert hat, und jetzt ist es offensichtlich, daß diese bequemen Millenarismen, die als unmittelbare Folge der Revolution die vollständigen Bedingungen eines gerechten Lebens versprachen, falsch waren. Das wissen heute alle. Die Frage ist jetzt, wie die Kirche im Kampf um die notwendigen Reformen, im Kampf um gerechtere Lebensbedingungen präsent sein soll. Diesbezüglich trennen sich die Ansichten der Theologen, insbesondere die der Vertreter der politischen Theologie. Mit der Instruktion, die damals von der Kongregation für die Glaubenslehre gegeben wurde, haben wir versucht, eine Unterscheidung durchzuführen, das heißt, uns von den falschen Millenarismen zu befreien, uns auch von einer falschen Vermischung von Kirche und Politik, von Glauben und Politik zu befreien; wir haben versucht, den spezifischen Teil der Sendung der Kirche aufzuzeigen, der gerade in der Antwort auf den Durst nach Gott besteht, und somit auch zu den persönlichen und sozialen Tugenden anzuleiten, die die notwendige Voraussetzung sind, um den Sinn für Gesetzlichkeit reifen zu lassen. Und anderseits haben wir versucht, die Leitlinien für eine richtige Politik vorzustellen, die nicht wir machen, aber für die wir die Leitlinien und die entscheidenden Grundwerte herausstellen und – sagen wir – die menschlichen, sozialen und psychologischen Bedingungen schaffen müssen, unter denen solche Werte gedeihen können. Es ist also Raum für eine schwierige, aber legitime Debatte darüber, wie man dieses Ziel erreichen kann und wie man der Soziallehre der Kirche Wirksamkeit verleihen kann. In diesem Sinn versuchen auch einige Befreiungstheologen, auf diesem Weg zu gehen, andere nehmen andere Positionen ein. Auf jeden Fall war der Sinn des Eingreifens des Lehramtes nicht der, den Einsatz für die Gerechtigkeit zu zerstören, sondern ihn unter Achtung des rechten Unterschieds zwischen politischer und kirchlicher Verantwortlichkeit auf den richtigen Weg zu führen.

Frage: Wir wissen, daß Sie als Kardinal zweimal in Kolumbien waren, und wir wissen, daß Kolumbien in Ihrem Herzen einen starken Eindruck hinterlassen hat. Wir möchten wissen, was die Kirche tun kann, damit wir vor allem in dieser Situation des inneren Konflikts in Kolumbien vorangehen können.

Benedikt XVI.: Ich bin natürlich kein Orakel, das automatisch immer die richtige Antwort findet. Wir wissen, daß sich die Bischöfe ernsthaft bemühen, diese Antworten zu finden. Ich kann nur die Grundlinie der Bischöfe bekräftigen, das heißt einen deutlichen Verweis darauf geben, daß der Glaube in den Mittelpunkt zu stellen ist, was die sicherste Gewähr gegen die Zunahme von Gewalt ist; dazu gehört der entschiedene Einsatz für eine Gewissensbildung, die aus Situationen hinausführt, die mit dem Glauben unvereinbar sind. Natürlich sind, sagen wir mal, wirtschaftliche Umstände im Spiel, wo Kleinbauern von einem bestimmten Markt leben, der dann die großen Verdienste woanders bringt. Man kann nicht sofort, in einem Augenblick, diese vielen wirtschaftlichen, politischen und ideologischen Verwicklungen lösen, aber man muß sehr entschlossen vorangehen in der aufrichtigen Zustimmung zu einem Glauben, der die Achtung der Gesetzlichkeit sowie die Liebe und Verantwortung für den Nächsten einschließt. Mir scheint, daß die Glaubensbildung die sicherste Humanisierung ist, auch um dann mit der Zeit diese sehr konkreten Probleme zu lösen.

Frage: Heiligkeit, wir kommen in den Kontinent von Erzbischof Oscar Romero. Man hat viel von seinem Heiligsprechungsprozeß gesprochen. Wollen Sie, Heiligkeit, uns freundlicherweise sagen, wie weit wir damit sind, ob er heiliggesprochen wird und wie Sie diese Gestalt sehen?

Benedikt XVI.: Nach den letzten Informationen über die Tätigkeit der zuständigen Kongregation werden viele Fälle bearbeitet, ich weiß, daß sie vorangehen. Seine Exzellenz Bischof Paglia hat mir eine bedeutsame Biographie gesandt, die viele Punkte in dieser Hinsicht klärt. Erzbischof Romero war sicher ein großer Glaubenszeuge, ein Mann von großer christlicher Tugend, der sich für den Frieden und gegen die Diktatur eingesetzt hat und der während der Feier der heiligen Messe ermordet wurde. Also ein wahrhaft »glaubwürdiger« Tod, der Tod eines Glaubenszeugen. Es gab das Problem, daß eine politische Seite ihn unrechtmäßig für sich als Galionsfigur, als emblematische Gestalt beanspruchte. Wie kann man nun seine Gestalt ins rechte Licht rücken und sie vor diesen Versuchen der Instrumentalisierung schützen? Das ist das Problem. Es wird geprüft, und ich warte und vertraue auf das, was die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse dazu sagen wird.

Frage: Wie sehen Sie die Frage bezüglich des Einflusses seitens der politischen Links-Regime in Lateinamerika auf das Projekt, das die Kirche für den Kontinent hat, und wie sehr war die brasilianische Kultur Teil Ihrer persönlichen Bildung?

Benedikt XVI.: Nun, über diese Aspekte der Politik der Linken kann ich jetzt nichts sagen, weil ich nicht genügend informiert bin. Außerdem, das ist klar, möchte ich mich nicht mit Fragen befassen, die unmittelbar zur Politik gehören. Was meine Bildung betrifft – sagen wir – meinen persönlichen Einsatz für Brasilien, ist zu berücksichtigen, daß es sich um das größte Land Lateinamerikas handelt, ein Land, das von Amazonien bis Argentinien reicht. In Brasilien gibt es mehrere indigene Kulturen. Man sagte mir, daß es über 80 verschiedene Sprachen gibt. Anderseits ist da auch die große Vergangenheit, in der die Anwesenheit von Afroamerikanern und von Afrobrasilianern zu verzeichnen ist. Es ist interessant, wie dieses Volk entstanden ist und wie sich in ihm der katholische Glaube entwickelt hat: der Glaube wurde zu allen Zeiten und unter großen Schwierigkeiten verteidigt. Wir wissen, daß die Kirche im 19. Jahrhundert von neoliberalen Kräften verfolgt wurde. Für meine Bildung also war wichtig, die Entwicklung dieser katholischen Völker Lateinamerikas zu verfolgen. Ich bin kein Spezialist, aber ich bin überzeugt, daß sich hier zumindest zum Teil – und zwar zum grundlegenden Teil – die Zukunft der katholischen Kirche entscheidet. Das war für mich immer klar. Natürlich spüre ich das Bedürfnis, meine Kenntnisse von dieser Welt noch zu vertiefen.

Frage: Die Portugiesen verfolgen diese Reise, die mit dem 13. Mai zusammenfällt, und beten für sie. Sie werden in Aparecida sein. Dieses Datum ist für uns sehr wichtig, weil dies der 90. Jahrestag der Erscheinungen in Fatima ist. Wollen Sie uns etwas über dieses Zusammenfallen der Daten für das portugiesische Volk sagen?

Benedikt XVI.: Für mich ist es wirklich ein Geschenk der Vorsehung, daß meine Messe in Aparecida, dem großen Marienheiligtum Brasiliens, mit dem 90. Jahrestag der Erscheinungen der Gottesmutter von Fatima zusammenfällt. So sehen wir, daß dieselbe Mutter Gottes, die Mutter der Kirche, unsere Mutter, in verschiedenen Kontinenten gegenwärtig ist und daß sie sich in den verschiedenen Kontinenten immer in der gleichen Weise als Mutter zeigt, indem sie eine besondere Nähe zu jedem Volk offenbart. Das ist sehr schön für mich. Es ist immer die Mutter Gottes, es ist immer Maria, sie ist jedoch sozusagen »inkulturiert«: Sie hat ihr eigenes Gesicht, ihr besonderes Antlitz, in Guadalupe, in Aparecida, in Fatima, in Lourdes, in allen Ländern der Erde. Gerade so also zeigt sie sich als Mutter: indem sie allen nahe ist. Auf diese Weise kommen sich alle einander näher dank dieser Liebe zur Gottesmutter. Diese Verbindung, die die Gottesmutter zwischen den Kontinenten, den Kulturen schafft, indem sie jeder Kultur nahe ist und sie gleichzeitig alle untereinander eint, gerade das scheint mir wichtig: das Zusammenkommen der Besonderheit der Kulturen – von denen jede ihren eigenen Reichtum hat – und die Einheit in derselben Gemeinschaft der Familie Gottes.

Frage (in Portugiesisch): In Brasilien gibt es manchen, der die Botschaft der Kirche nicht hören will.

Benedikt XVI.: Das ist keine Besonderheit von Brasilien. In allen Teilen der Welt gibt es überaus viele, die nicht auf das hören wollen, was die Kirche sagt. Wir hoffen, daß sie es wenigstens hören; dann können sie auch anderer Meinung sein; aber es ist wichtig, daß sie es zumindest vernehmen, damit sie antworten können. Wir suchen auch diejenigen zu überzeugen, die nicht übereinstimmen und nicht hören wollen. Wir dürfen nicht vergessen, daß es auch unserem Herrn nicht gelungen ist, daß ihm alle zugehört haben. Wir erwarten nicht, alle schlagartig überzeugen zu können. Aber ich versuche mit Hilfe meiner Mitarbeiter, in diesem Augenblick zu Brasilien zu sprechen in der Hoffnung, daß sehr viele zuhören wollen und daß sich sehr viele davon überzeugen, daß das der Weg ist, den man gehen muß, ein Weg, der aber auch für viele Optionen und unterschiedliche Meinungen offen ist.
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APOSTOLISCHE REISE

VON PAPST BENEDIKT XVI.

NACH BRASILIEN ANLÄSSLICH DER V. GENERALKONFERENZ

DES EPISKOPATS VON LATEINAMERIKA UND DER KARIBIK

BEGRÜSSUNGSZEREMONIE

Internationaler Flughafen São Paulo/Guarulhos
Mittwoch, 9. Mai 2007

Sehr geehrter Herr Staatspräsident,

meine Herren Kardinäle und verehrte Brüder im Bischofsamt,
liebe Brüder und Schwestern in Christus!

1. Es ist für mich ein Grund besonderer Genugtuung, meinen Pastoralbesuch in Brasilien zu beginnen und Eurer Exzellenz in Ihrer Funktion als Staatsoberhaupt und höchster Repräsentant der großen brasilianischen Nation meinen Dank für den liebenswürdigen Empfang auszusprechen, der mir bereitet worden ist. Ein Dank, den ich mit großer Freude auf die Mitglieder der Regierung, die Eure Exzellenz begleiten, auf die zivilen und militärischen Persönlichkeiten, die sich hier eingefunden haben, und auf die Autoritäten des Staates São Paulo ausweite. In den an mich gerichteten Begrüßungsworten, Herr Präsident, verspüre ich das Erwidern der Gefühle der Zuneigung und Liebe des ganzen brasilianischen Volkes für den Nachfolger des Apostels Petrus.

Brüderlich im Herrn begrüße ich meine geliebten Brüder im Bischofsamt, die hierhergekommen sind, um mich im Namen der brasilianischen Kirche zu empfangen. Ich begrüße auch die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Seminaristen und die Laien, die in der Evangelisierungsarbeit der Kirche und im Zeugnis eines wahrhaft christlichen Lebens engagiert sind. Schließlich richte ich meinen herzlichen Gruß an alle Brasilianer ohne Unterschied, Männer und Frauen, Familien, Alte, Kranke, Jugendliche und Kinder. Allen sage ich von Herzen: Vielen Dank für eure hochherzige Gastfreundschaft!

2. Brasilien nimmt einen besonderen Platz im Herzen des Papstes ein, nicht nur weil es von Anfang an christlich war und heute die höchste Zahl von Katholiken aufweist, sondern vor allem, weil es eine an Potentialitäten reiche Nation ist – dies verbunden mit einer kirchlichen Präsenz, die Grund zu Freude und Hoffnung für die gesamte Kirche ist. Mein Besuch, Herr Präsident, hat ein Ziel, das über die nationalen Grenzen hinausgeht: Ich komme, um in Aparecida der Eröffnungssitzung der V. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik vorzustehen. Durch die von der Vorsehung bestimmte Offenbarung der Güte des Schöpfers soll dieses Land als Wiege für die kirchlichen Vorschläge dienen, die, so Gott will, diesem Kontinent neue Kraft und missionarischen Schwung geben können.

3. In diesem geographischen Raum bilden die Katholiken die Mehrheit: Das bedeutet, daß sie in besonderer Weise zum Dienst am Gemeinwohl der Nation beitragen müssen. Solidarität wird zweifellos ein inhaltsvolles Wort sein, wenn sich die lebendigen Kräfte der Gesellschaft, jede in dem ihr eigenen Bereich, ernsthaft um den Aufbau einer Zukunft in Frieden und Hoffnung für alle bemühen werden.

Wie ich in der Enzyklika Deus caritas est unterstrichen habe, ist die von der Kraft des Heiligen Geistes verwandelte katholische Kirche dazu berufen, in der Welt eine Zeugin für die Liebe des Vaters zu sein, der die Menschheit in seinem Sohn zu einer einzigen Familie machen will (vgl. Nr. 19). Daher rührt ihr intensiver Einsatz in der Evangelisierung im Dienst am Frieden und an der Gerechtigkeit. Die Entscheidung, eine im wesentlichen der Mission gewidmete Konferenz abzuhalten, spiegelt also gut sowohl die Sorge der Bischöfe wie meine eigene Sorge wider, nach geeigneten Wegen zu suchen, die dafür sorgen sollen, daß in Jesus Christus »unsere Völker das Leben haben«, wie das Thema der Konferenz in Erinnerung bringt. Mit diesen Empfindungen möchte ich über die Grenzen dieses Landes hinausblicken und alle Völker Lateinamerikas und der Karibik grüßen und ihnen mit den Worten des Apostels wünschen: »Friede sei mit euch allen, die ihr in Christus seid« (1P 5,14).

4. Herr Präsident, ich bin der Göttlichen Vorsehung dankbar, daß sie mir die Gnade gewährt, Brasilien, eine Nation mit großer katholischer Tradition, zu besuchen. Ich hatte schon Gelegenheit, das Hauptmotiv meiner Reise zu erwähnen, die eine lateinamerikanische Tragweite und einen grundlegend religiösen Charakter hat.

Ich fühle mich sehr glücklich, einige Tage mit den Brasilianern verbringen zu können. Ich weiß, daß die Seele dieses Volkes sowie ganz Lateinamerikas zutiefst christliche Werte bewahrt, die niemals ausgelöscht sein werden. Und ich bin sicher, daß bei der Generalversammlung des Episkopats in Aparécida diese Identität neu gestärkt und die Achtung vor dem Leben vom Augenblick der Empfängnis bis zum natürlichen Ende als das der menschlichen Natur innewohnende Erfordernis gefördert wird; zudem wird die Förderung der menschlichen Person zum Mittelpunkt der Solidarität, vor allem mit den Armen und Verlassenen.

Die Kirche will nur die moralischen Werte jeder Situation aufzeigen und die Bürger formen, damit sie bewußt und frei entscheiden können; in diesem Sinn wird sie es nicht versäumen, eindringlich auf die Verpflichtung hinzuweisen, die wahrgenommen werden muß, um die Festigung der Familie als Keimzelle der Gesellschaft sicherzustellen; durch die Förderung der Jugend, deren Ausbildung einen entscheidenden Faktor für die Zukunft einer Nation darstellt – und schließlich, aber nicht zuletzt, durch die Verteidigung und Förderung der vorhandenen Werte in allen Gesellschaftsschichten, vor allem in der ureinheimischen Bevölkerung.

5. Mit diesen Wünschen sage ich von neuem Dank für den warmherzigen Empfang, der mir als Nachfolger Petri zuteil wird, und erflehe den mütterlichen Schutz von »Nossa Senhora da Conceição Aparecida – Unserer Lieben Frau von Aparecida«, die auch als »Nuestra Señora de Guadalupe – Unsere Liebe Frau von Guadalupe«, Patronin ganz Lateinamerikas, verehrt wird, auf daß sie die Regierenden schütze und inspiriere bei ihrer schwierigen Aufgabe, das Gemeinwohl dadurch zu fördern, daß sie die Bande christlicher Brüderlichkeit zum Wohl aller Einwohner stärken. Gott segne Lateinamerika! Gott segne Brasilien! Vielen Dank.
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VON PAPST BENEDIKT XVI.

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DES EPISKOPATS VON LATEINAMERIKA UND DER KARIBIK

GRUSSWORTE UND SEGNUNG DER GLÄUBIGEN

WORTE VON BENEDIKT XVI. Balkon des Klosters "São Bento", São Paulo

Mittwoch, 9. Mai 2007

Liebe Freunde!


Der Papst ist ergriffen von diesem herzlichen Empfang! Danke, daß ihr auf mich warten wolltet.

Diese Tage werden für euch und für die Kirche voll innerer Bewegung und Freude sein.

Es ist eine Kirche, die ein Fest feiert! Auf der ganzen Welt wird für die Früchte dieser Reise gebetet, der ersten Apostolischen Reise nach Brasilien und Lateinamerika, die mir die Vorsehung als Nachfolger des hl. Petrus zu unternehmen gewährt hat!

Die Heiligsprechung von Frei Galvão und die Eröffnung der V. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik werden Meilensteine in der Geschichte der Kirche sein. Ich zähle auf euch und euer Gebet!

Vielen Dank!
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VON PAPST BENEDIKT XVI.

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DES EPISKOPATS VON LATEINAMERIKA UND DER KARIBIK

TREFFEN MIT DEN JUGENDLICHEN

Stadion von Pacaembu, São Paulo
Donnerstag, 10. Mai 2007

Liebe Jugendliche! Liebe Freundinnen und Freunde!


»Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen … dann komm und folge mir nach« (Mt 19,21).

1. Nach der Begegnung mit euch auf dieser, meiner ersten Reise nach Lateinamerika habe ich mich sehr gesehnt. Ich bin gekommen, um die V. Generalversammlung des Episkopats von Lateinamerika und der Karibik zu eröffnen, die auf meinen Wunsch in Aparecida, hier in Brasilien, im Heiligtum Unserer Lieben Frau, stattfinden wird. Sie führt uns zu Füßen Jesu, damit wir von ihm über das Reich Gottes lernen, und sie ermutigt uns, seine Missionare zu sein, damit die Völker dieses »Kontinents der Hoffnung« in ihm das Leben in Fülle haben.

Eure Bischöfe hier in Brasilien haben sich in ihrer Vollversammlung im letzten Jahr dem Thema der Evangelisierung der Jugend gewidmet und euch ein Dokument in die Hand gegeben. Sie haben euch darum gebeten, es anzunehmen und es das ganze Jahr über zu vervollständigen. In der letzten Versammlung haben sie das Thema, das durch eure Mitarbeit bereichert wurde, wieder aufgegriffen, und sie möchten, daß die Überlegungen und Orientierungsvorschläge als Anregung und Leuchtfeuer für euren Weg dienen mögen. Die Worte des Erzbischofs von São Paulo und des Beauftragten für die Jugendpastoral, denen ich danke, bestätigen den Geist, der euer aller Herz bewegt.

Als ich gestern abend über Brasilien flog, dachte ich bereits an unsere Begegnung im Stadion von Pacaembu und hatte den Wunsch, euch alle mit einer großen, sehr brasilianischen Umarmung fest in die Arme zu schließen und die Gefühle zum Ausdruck zu bringen, die ich im Innersten meines Herzens trage und die uns die heutige Lesung aus dem Evangelium sehr passend darlegt.

Ich habe bei solchen Begegnungen stets eine ganz besondere Freude empfunden. Insbesondere erinnere ich mich an den »XX. Weltjugendtag«, dem ich vor zwei Jahren in Deutschland vorstehen durfte. Auch einige von euch, die ihr hier anwesend seid, waren dort! Es ist eine bewegende Erinnerung aufgrund der überreichen Früchte der Gnade, die der Herr gewährt hat. Und die erste Frucht unter vielen, die ich entdecken konnte, war zweifellos die vorbildliche Brüderlichkeit unter allen, als eindeutiger Beweis der immerwährenden Lebenskraft der Kirche für die ganze Welt.

2. Darum, liebe Freunde, bin ich sicher, daß heute dieselben Eindrücke, die ich bei jener Begegnung in Deutschland hatte, erneuert werden. 1991 sagte der Diener Gottes Papst Johannes Paul II. seligen Angedenkens bei seinem Besuch im Mato Grosso, daß die jungen Menschen die ersten Protagonisten des dritten Jahrtausends sind. Sie sind es, die das Geschick dieser neuen Etappe der Menschheit bestimmen werden (vgl. Ansprache an die Jugendlichen im Sportpalast der Universität des Bundesstaates Mato Grosso [Cuiaba], 16.10.1991). Heute drängt es mich, dasselbe zu euch zu sagen.

Der Herr schaut zweifellos mit Wertschätzung auf euer christliches Leben in den zahlreichen Pfarrgemeinden und in den kleinen kirchlichen Gemeinschaften, in den Universitäten, Kollegien und Schulen und vor allem auf den Straßen und an den Arbeitsplätzen der Städte und auf dem Land. Aber man muß vorangehen. Wir können niemals sagen: »Es ist genug«, denn die Liebe Gottes ist unendlich, und der Herr bittet uns oder, besser gesagt, er fordert von uns, daß wir unsere Herzen öffnen, damit in ihnen immer mehr Liebe, Güte und Verständnis für unsere Mitmenschen sei und für die Probleme, die nicht nur das menschliche Zusammenleben betreffen, sondern auch den effektiven Schutz und die Bewahrung der natürlichen Umwelt, zu der wir alle gehören. »Unsere Wälder besitzen mehr Leben«: Laßt diese Flamme der Hoffnung, die eure Nationalhymne auf eure Lippen legt, nicht verlöschen. Die Umweltzerstörung in Amazonien und die Bedrohung der Menschenwürde der dortigen Bevölkerung erfordern größeren Einsatz in den verschiedenen Bereichen, in denen die Gesellschaft zum Handeln aufruft.

3. Heute möchte ich mit euch über den Text des hl. Matthäus (vgl. 19,16–22) nachdenken, den wir gerade vernommen haben. Er spricht von einem jungen Mann, der auf Jesus zulief. Seine Ungeduld verdient hervorgehoben zu werden. In diesem jungen Mann erkenne ich euch alle, liebe Jugendliche Brasiliens und Lateinamerikas. Ihr seid zu unserer Begegnung aus den verschiedenen Teilen dieses Kontinents gekommen. Ihr wollt durch die Stimme des Papstes die Worte Jesu selbst hören.

Ihr habt ihm eine sehr wichtige Frage zu stellen, die das Evangelium wiedergibt. Es ist dieselbe Frage des jungen Mannes, der auf Jesus zulief: »Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?« Ich möchte mit euch diese Frage vertiefen. Es geht um das Leben, das Leben, das in euch überreich und schön ist. Was soll man aus ihm machen? Wie soll man es in Fülle leben?

In der Formulierung der Frage sehen wir sofort, daß das »Hier« und »Jetzt« nicht ausreicht. Anders ausgedrückt: Es gelingt uns nicht, unser Leben nur auf Raum und Zeit zu begrenzen, so sehr wir es auch versuchen, seine Horizonte zu erweitern. Das Leben geht über sie hinaus. Mit anderen Worten: Wir wollen leben und nicht sterben. Wir spüren, daß etwas uns offenbart, daß das Leben ewig ist und man sich anstrengen muß, damit dies geschieht. Es liegt also in unseren Händen und hängt in gewisser Weise von unserer Entscheidung ab.

Die Frage des Evangeliums betrifft nicht nur die Zukunft. Sie betrifft nicht nur das Problem, was nach dem Tod geschehen wird. Im Gegenteil, es besteht hier und jetzt eine Verpflichtung gegenüber der Gegenwart, die Authentizität und folglich die Zukunft gewährleisten soll. Kurz gesagt, der Sinn des Lebens wird hinterfragt. Daher kann die Frage so formuliert werden: Was muß ich tun, damit mein Leben einen Sinn hat? Oder: Wie muß ich leben, um die Früchte des Lebens in Fülle zu ernten? Oder auch: Was muß ich tun, damit mein Leben nicht nutzlos vorübergeht?

Jesus ist der einzige, der uns eine Antwort geben kann, weil er der einzige ist, der uns das ewige Leben gewährleisten kann. Daher ist er auch der einzige, der den Sinn des gegenwärtigen Lebens aufzeigen und ihm Inhalt in Fülle verleihen kann.

4. Aber bevor er seine Antwort gibt, geht Jesus der Frage des jungen Mannes unter einem sehr wichtigen Gesichtspunkt nach: Was fragst du mich nach dem Guten? In dieser Frage liegt der Schlüssel zur Antwort. Der junge Mann spürt, daß Jesus gut ist und daß er Meister ist. Ein Meister, der nicht täuscht. Wir sind hier, weil wir derselben Überzeugung sind: Jesus ist gut. Es kann sein, daß wir den Grund für diese Wahrnehmung nicht ganz erklären können, aber sicher ist, daß sie uns ihm nahebringt und uns seiner Lehre gegenüber öffnet: ein guter Meister. Wenn jemand das Gute erkennt, dann bedeutet das, daß er liebt. Und jeder, der liebt, erkennt Gott – wie der hl. Johannes es so schön zum Ausdruck bringt (vgl. 1Jn 4,7). Der junge Mann des Evangeliums hat Gott in Jesus Christus wahrgenommen.

Jesus versichert uns, daß nur Gott »der Gute« ist. Offen zu sein gegenüber dem Guten bedeutet, Gott anzunehmen. So lädt er uns ein, Gott in allen Dingen und in allen Ereignissen zu sehen, auch dort, wo die Mehrheit nur die Abwesenheit Gottes sieht. Wenn man die Schönheit der Geschöpfe sieht und das Gute, das in ihnen allen vorhanden ist, dann ist es unmöglich, nicht an Gott zu glauben und seine heilbringende und tröstende Gegenwart nicht zu erfahren. Wenn wir all das Gute sehen könnten, das es in der Welt gibt, und darüber hinaus das Gute erfahren könnten, das von Gott selbst kommt, dann würden wir niemals aufhören, uns ihm zu nähern, ihn zu loben und ihm zu danken. Er erfüllt uns ohne Unterlaß mit Freude und mit Gutem. Seine Freude ist unsere Kraft.

Aber unsere Erkenntnis ist nur bruchstückhaft. Um das Gute zu verstehen, brauchen wir Hilfen, die uns die Kirche bei vielen Gelegenheiten bietet, vor allem in der Katechese. Jesus selbst zeigt, was für uns gut ist, und gibt uns dadurch seine erste Katechese. »Wenn du aber das Leben erlangen willst, halte die Gebote!« (Mt 19,17). Er beginnt bei dem Wissen, das der junge Mann sicherlich bereits in seiner Familie und in der Synagoge erhalten hat: In der Tat kennt er die Gebote. Sie führen zum Leben, was bedeutet, daß sie uns Authentizität gewährleisten. Sie sind die großen Wegweiser, die uns den rechten Weg zeigen. Wer die Gebote beachtet, befindet sich auf Gottes Weg.

Es genügt jedoch nicht, sie zu kennen. Das Zeugnis ist wirksamer als das Wissen, oder, mit anderen Worten, es ist angewandtes Wissen. Die Gebote werden nicht von außen auferlegt, sie schmälern nicht unsere Freiheit. Im Gegenteil: Sie sind ein kraftvoller innerer Ansporn, der uns dazu bringt, unserem Handeln eine gewisse Richtung zu geben. Ihre Grundlagen sind die Gnade und die Natur, die uns nicht stillstehen lassen. Wir müssen gehen. Wir werden angetrieben, etwas zu tun, um uns zu verwirklichen. Sich durch das Handeln zu verwirklichen heißt in Wirklichkeit, sich selbst wirklich zu machen. Wir sind zum großen Teil von Jugend auf das, was wir sein wollen. Wir sind sozusagen das Werk unserer Hände.

5. An diesem Punkt wende ich mich wieder an euch, liebe Jugendliche, denn ich möchte auch von euch die Antwort des jungen Mannes aus dem Evangelium hören: Alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt. Der junge Mann des Evangeliums war gut. Er befolgte die Gebote. Er ging auf Gottes Weg. Daher sah Jesus ihn an, und er liebte ihn. Da er erkannte, daß Jesus gut war, zeigte er, daß auch er selbst gut war. Er hatte das Gute und daher Gott erfahren. Und ihr, liebe Jugendliche Brasiliens und Lateinamerikas, habt ihr schon entdeckt, was gut ist? Befolgt ihr die Gebote des Herrn? Habt ihr entdeckt, daß dies der wahre und einzige Weg zum Glück ist?

Die Jahre, die ihr durchlebt, sind die Jahre, die eure Zukunft vorbereiten. Das »Morgen« hängt sehr davon ab, wie ihr das »Heute« der Jugend lebt. Vor euren Augen, meine lieben Jugendlichen, liegt ein Leben, von dem wir wünschen, daß es lang sein möge; es ist jedoch nur eines, ein einziges: Laßt nicht zu, daß es nutzlos vorübergeht, vergeudet es nicht. Lebt mit Begeisterung, mit Freude, aber vor allem mit Verantwortungsbewußtsein.

Oftmals verspüren wir als Hirten die Sorge in unseren Herzen, wenn wir die gegenwärtige Situation betrachten. Wir hören von den Ängsten der Jugend von heute. Sie offenbaren uns einen enormen Mangel an Hoffnung: die Angst zu sterben, in dem Augenblick, in dem das Leben zur Entfaltung kommt und versucht, den eigenen Weg zur Verwirklichung zu finden; die Angst zu versagen, weil man den Sinn des Lebens nicht erkannt hat; die Angst, den Anschluß zu verlieren angesichts der erschütternden Schnelligkeit der Ereignisse und der Kommunikation. Wir wissen um die hohe Anzahl von Toten unter den Jugendlichen, die Bedrohung durch Gewalt und die beklagenswerte Ausbreitung der Drogen, die die Jugend von heute bis in die tiefsten Wurzeln erschüttert. Folglich ist daher die Rede von einer entgleisten Jugend.

Aber während ich euch, die hier anwesenden Jugendlichen, ansehe, die ihr Freude und Begeisterung ausstrahlt, nehme ich den Blick Jesu an: einen Blick der Liebe und des Vertrauens, in der Gewißheit, daß ihr den wahren Weg gefunden habt. Ihr seid die jungen Menschen der Kirche. Ich übertrage euch daher die große Sendung, die jungen Männer und Frauen zu evangelisieren, die in dieser Welt umherirren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Seid die Apostel der jungen Menschen.Ladet sie ein, mit euch zu gehen und wie ihr den Glauben, die Hoffnung und die Liebe zu erfahren und Jesus zu begegnen, um sich wirklich geliebt und angenommen zu fühlen, mit der vollen Möglichkeit, sich zu verwirklichen. Mögen auch sie die sicheren Wege der Gebote entdecken, diese Wege gehen und so zu Gott gelangen.

Ihr könnt Protagonisten einer neuen Gesellschaft sein, wenn ihr versucht, euren Lebenswandel konkret an den universalen sittlichen Werten auszurichten und euch persönlich um eine lebenswichtige menschliche und geistliche Bildung zu bemühen. Ein Mann oder eine Frau, die nicht vorbereitet sind auf die echten Herausforderungen, die eine richtige Sichtweise des christlichen Lebens in ihrem jeweiligen Umfeld an sie stellt, werden leicht allen Angriffen des Materialismus und des Laizismus zum Opfer fallen, die auf allen Ebenen immer aktiver werden.

Seid freie und verantwortungsbewußte Männer und Frauen, macht die Familie zu einem Mittelpunkt, der Frieden und Freude ausstrahlt, seid Förderer des Lebens vom Anfang bis zu seinem natürlichen Ende, schützt die alten Menschen, denn sie verdienen Achtung und Bewunderung für das Gute, das sie euch getan haben. Der Papst erwartet sich auch, daß die jungen Menschen versuchen, ihre Arbeit zu heiligen, indem sie sie mit fachlicher Kompetenz und Sorgfalt durchführen, um beizutragen zum Fortschritt aller ihrer Brüder und um im Licht des Wortes alle menschlichen Tätigkeiten zu erleuchten (vgl. Lumen gentium LG 36). Aber vor allem wünscht der Papst, daß sie Protagonisten einer gerechteren und brüderlicheren Gesellschaft sein mögen und ihre Pflichten gegenüber dem Staat erfüllen: indem sie seine Gesetze achten, sich nicht von Haß und Gewalt leiten lassen, indem sie versuchen, Vorbilder zu sein für einen christlichen Lebenswandel im beruflichen und im sozialen Umfeld und indem sie sich auszeichnen durch Rechtschaffenheit in den gesellschaftlichen und beruflichen Beziehungen. Sie sollten daran denken, daß das maßlose Streben nach Reichtum und Macht zur persönlichen Korruption und der anderer führt; es gibt keine legitimen Gründe, die den Versuch rechtfertigen, die eigenen menschlichen Bestrebungen wirtschaftlicher oder politischer Natur mittels Betrug und Täuschung durchzusetzen.

Letztendlich gibt es ein außerordentlich großes Handlungsspektrum, in dem die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Fragen besondere Bedeutung annehmen, wenn sie sich am Evangelium und an der Gesellschaftslehre der Kirche orientieren: der Aufbau einer gerechteren und solidarischeren, versöhnten und friedlichen Gesellschaft; das Bemühen, der Gewalt Einhalt zu gebieten; die Initiativen zur Förderung des vollen Lebens, der demokratischen Ordnung und des Gemeinwohls und besonders die Initiativen, die darauf abzielen, gewisse Formen der Diskriminierung innerhalb der lateinamerikanischen Gesellschaften zu beseitigen, und die kein Grund zum Ausschluß, sondern zur gegenseitigen Bereicherung sind.

Habt vor allem große Achtung für die Institution des Sakraments der Ehe. Es kann zu Hause kein wahres Glück geben, wenn nicht gleichzeitig Treue zwischen den Ehepartnern herrscht. Die Ehe ist eine Institution des Naturrechts, die von Christus zur Würde eines Sakraments erhoben wurde; sie ist ein großes Geschenk, das Gott der Menschheit gemacht hat. Achtet sie, ehrt sie. Gleichzeitig ruft Gott euch auf, euch gegenseitig zu achten, auch in der Zeit des Verliebtseins und der Verlobung, denn das Eheleben, das durch göttliche Weisung den verheirateten Paaren vorbehalten ist, wird nur in dem Maße Quelle des Glücks und des Friedens sein, in dem ihr die Keuschheit innerhalb und außerhalb der Ehe zu einem Bollwerk für eure Zukunftshoffnungen zu machen wißt. Ich sage hier noch einmal zu euch allen: »Eros will uns zum Göttlichen hinreißen, uns über uns selbst hinausführen, aber gerade dann verlangt er einen Weg des Aufstiegs, der Verzichte, der Reinigungen und Heilungen« (Enzyklika Deus caritas Est 5). Kurz gesagt, er verlangt einen Geist der Opferbereitschaft und des Verzichts um eines größeren Gutes willen, das die alles übersteigende Liebe Gottes ist. Versucht, mit Tapferkeit den Verlockungen des Bösen zu widerstehen, das in vielen Bereichen vorhanden ist, euch zu einem ausschweifenden und paradoxerweise leeren Leben verleitet und euch das kostbare Geschenk eurer Freiheit und eures wahren Glücks verlieren läßt. Die wahre Liebe wird »im Zugehen auf den anderen immer weniger nach sich selber fragen, immer mehr das Glück des anderen wollen, immer mehr sich um ihn sorgen, sich schenken, für ihn da sein wollen« (ebd., 7) und wird daher immer treuer, unauflöslicher und fruchtbarer sein.

Zählt dafür auf die Hilfe Jesu Christi, der dies mit seiner Gnade möglich machen wird (vgl. Mt Mt 19,26). Das Leben im Glauben und im Gebet wird euch leiten auf den Wegen der Vertrautheit mit Gott und der Erkenntnis der Größe der Pläne, die er für jeden Menschen hat. »Um des Himmelreiches willen« (ebd., 12) sind einige zu einer totalen und endgültigen Hingabe berufen, um sich Gott im Ordensleben zu weihen, als »überaus hohe Gnadengabe«, wie das Zweite Vatikanische Konzil erklärt hat (vgl. Perfectae caritatis PC 12). Die Geweihten, die sich unter dem Antrieb des Heiligen Geistes ganz Gott hingeben, nehmen an der Sendung der Kirche teil, indem sie unter allen Menschen die Hoffnung auf das Himmelreich bezeugen. Daher segne ich alle Ordensleute, die sich im Weinberg des Herrn Christus und den Brüdern widmen, und rufe den göttlichen Schutz auf sie herab. »Die Personen des geweihten Lebens verdienen wirklich die Dankbarkeit der kirchlichen Gemeinschaft: die Mönche und Nonnen, die Kontemplativen, die Ordensleute, die sich den Werken des Apostolats widmen, die Mitglieder der Säkularinstitute und der Gesellschaften des apostolischen Lebens, die Einsiedler und die geweihten Jungfrauen. Ihre Existenz gibt Zeugnis von der Liebe zu Christus, wenn sie gemäß der Einladung des Evangeliums zu seiner Nachfolge aufbrechen und in tiefer Freude jenen Lebensstil annehmen, den Er für sich gewählt hat« (vgl. Kongregation für die Institute geweihten Lebens und die Gesellschaften apostolischen Lebens, Instruktion Neubeginn in Christus, 5; O.R. dt., Nr. 27, 5.7.2002, S. 8). Ich wünsche, daß in diesem Augenblick der Gnade und der tiefen Gemeinschaft in Christus der Heilige Geist in den Herzen vieler junger Menschen eine leidenschaftliche Liebe für die Nachfolge und Nachahmung des keuschen, armen und gehorsamen Christus erwecken möge, der ganz der Herrlichkeit des Vaters und der Liebe zu den Brüdern und Schwestern zugewandt ist.

6. Das Evangelium versichert uns, daß der junge Mann, der auf Jesus zulief, sehr reich war. Diesen Reichtum sollten wir nicht nur auf materieller Ebene verstehen. Das jugendliche Alter selbst ist ein einzigartiger Reichtum. Man muß ihn entdecken und wertschätzen. Jesus schätzte ihn so sehr, daß er am Ende den jungen Mann einlud, an seiner Heilssendung teilzunehmen. Er besaß alle Voraussetzungen, sich auf großartige Weise zu verwirklichen und ein großes Werk zu tun.

Aber das Evangelium berichtet uns, daß dieser junge Mann, als er die Einladung hörte, betrübt wurde. Er ging traurig und betrübt weg. Diese Episode läßt uns noch einmal über den Reichtum der Jugend nachdenken. Es handelt sich in erster Linie nicht um materielle Güter, sondern um das eigene Leben, mit den Werten, die zur Jugend gehören. Es kommt aus einem zweifachen Erbe: aus dem Leben, das von Generation zu Generation weitergegeben wird und an dessen Ursprung Gott steht, der voller Weisheit und Liebe ist, und aus der Erziehung, die uns in die Kultur einfügt, so sehr, daß man fast sagen kann, daß wir mehr Kinder der Kultur und daher des Glaubens sind als Kinder der Natur. Aus dem Leben keimt die Freiheit, die sich, vor allem in dieser Phase, als Verantwortung zeigt. Es ist der große Augenblick der Entscheidung in zweifacher Hinsicht: erstens im Hinblick auf den Lebensstand und zweitens im Hinblick auf den Beruf. Es ergibt sich die Antwort auf die Frage: Was soll man aus dem eigenen Leben machen?

Mit anderen Worten, die Jugend erweist sich als Reichtum, weil sie zur Neuentdeckung des Lebens als Geschenk und als Aufgabe führt. Der junge Mann des Evangeliums kannte den Reichtum der eigenen Jugend. Er ging zu Jesus, dem guten Meister, um nach einer Orientierung zu suchen. In der Stunde der großen Entscheidung hatte er trotzdem nicht den Mut, alles auf Jesus Christus zu setzen. Folglich ging er betrübt und traurig weg. Das geschieht immer dann, wenn unsere Entscheidungen ins Wanken kommen und kleinherzig und eigennützig werden. Er verstand, daß ihm die Großherzigkeit fehlte, und dadurch konnte er sich nicht ganz verwirklichen. Er zog sich zurück auf seinen Reichtum und ließ diesen egoistisch werden.

Jesus bedauerte die Traurigkeit und die Kleinherzigkeit des jungen Mannes, der zu ihm gekommen war. Die Apostel, so wie ihr alle heute, füllten die Leere auf, die jener junge Mann hinterlassen hatte, der betrübt und traurig weggegangen war. Sie und wir sind glücklich, weil wir wissen, wem wir Glauben geschenkt haben (vgl. 2Tm 1,12). Wir wissen und bezeugen mit unserem Leben, daß nur er Worte des ewigen Lebens hat (vgl. Joh Jn 6,68). Daher können wir mit dem hl. Paulus ausrufen: Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! (vgl. Phil Ph 4,4).

7. Mein heutiger Appell an euch, liebe Jugendliche, die ihr zu dieser Begegnung gekommen seid, ist: Vergeudet eure Jugend nicht. Versucht nicht, vor ihr zu fliehen. Lebt sie intensiv. Weiht sie den hohen Idealen des Glaubens und der menschlichen Solidarität.

Ihr, liebe Jugendliche, seid nicht nur die Zukunft der Kirche und der Menschheit, als sei dies gleichsam eine Art Flucht aus der Gegenwart. Im Gegenteil: Ihr seid die junge Gegenwart der Kirche und der Menschheit. Ihr seid ihr junges Gesicht. Die Kirche braucht euch als junge Menschen, um der Welt das Antlitz Jesu Christi zu zeigen, das in der christlichen Gemeinschaft sichtbar wird. Ohne dieses junge Gesicht wäre die Kirche entstellt.

Liebe Jugendliche, binnen kurzem werde ich die V. Konferenz der Bischöfe von Lateinamerika eröffnen. Ich bitte euch, ihre Arbeiten aufmerksam zu verfolgen, an ihren Diskussionen teilzunehmen und ihre Früchte anzunehmen. Ebenso wie es bei den vorausgegangenen Konferenzen der Fall gewesen ist, wird auch diese die nächsten zehn Jahre der Evangelisierung in Lateinamerika und in der Karibik bedeutend prägen. Niemand darf bei diesen Bemühungen der Kirche am Rande stehen oder ihnen gegenüber gleichgültig bleiben, und noch weniger die jungen Menschen. Ihr seid ein vollberechtigter Teil der Kirche, die das Antlitz Jesu Christi für Lateinamerika und die Karibik darstellt.

Ich grüße die französischsprachigen Einwohner des lateinamerikanischen Kontinents, und ich lade sie ein, Zeugen des Evangeliums und Protagonisten des kirchlichen Lebens zu sein. Mein Gebet gilt auf ganz besondere Weise euch Jugendlichen: Ihr seid berufen, euer Leben auf Christus und auf den menschlichen Grundwerten aufzubauen. Alle sollen sich eingeladen fühlen, am Aufbau einer Welt der Gerechtigkeit und des Friedens mitzuarbeiten.

Liebe junge Freunde, wie der junge Mann des Evangeliums, der Jesus fragte: »Was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?«, so sucht ihr alle nach den Wegen, um großherzig auf den Ruf Gottes zu antworten. Ich bete darum, daß ihr seine heilbringenden Worte hören mögt und seine Zeugen werdet für die Völker von heute. Gott gieße über euch alle seinen Segen des Friedens und der Freude aus.

Liebe Jugendliche, Christus beruft euch zur Heiligkeit. Er selbst lädt euch ein und will mit euch gehen, um mit seinem Geist die Schritte Brasiliens an diesem Anfang des dritten Jahrtausends des christlichen Zeitalters zu beseelen. Ich bitte die »Senhora Aparecida«, euch mit ihrer mütterlichen Hilfe zu führen und durch das Leben zu begleiten.

Gelobt sei unser Herr Jesus Christus!
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Benedikt XVI Predigten 113