Benedikt XVI Predigten 54

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AUFFÜHRUNG DES THEATERSTÜCKES VON CHARLES PÉGUY:

"DAS MYSTERIUM DER ERBARMUNG DER JEANNE D'ARC"

Apostolischer Palast in Castelgandolfo

Samstag, 19. August 2006




Liebe Freunde!

Nach dieser hervorragenden Aufführung von »Le mystère de la charité de Jeanne d’Arc«, die ihr mir an diesem Abend geschenkt habt, danke ich von Herzen dem Erzbischof von Monaco, Bernard Barsi, wie auch der Erzdiözese Monaco, auf die diese gelungene Initiative zurückgeht, die mich bewegt hat. Herzlich begrüße ich auch den Botschafter des Fürstentums Monaco beim Heiligen Stuhl und die weiteren anwesenden Persönlichkeiten.

Das Werk von Charles Péguy, das soeben von drei sehr talentierten Schauspielerinnen für uns aufgeführt wurde, hat uns zur Entdeckung der Seele der Jeanne d’Arc und zum Ursprung ihrer Berufung geführt. Mittels einer tiefen Reflexion über Themen, die immer noch im Denken unserer Zeitgenossen gegenwärtig sind, sind wir in die Herzmitte des christlichen Mysteriums geführt worden. In diesem Text von großem Reichtum ist es Péguy gelungen, machtvoll den Schrei wiederzugeben, den Jeanne leidenschaftlich zu Gott aufsteigen läßt, als sie ihn inständig bittet, dem Elend und dem Leid, das sie um sich erblickt, ein Ende zu setzen. Auf diese Weise gibt sie der Unruhe des Menschen und seiner Suche nach Glück Ausdruck. Die hervorragende Interpretation von »Le mystère de la charité de Jeanne d’Arc«, die uns geschenkt wurde, hat uns auch gezeigt, daß der bewegende Schrei Jeannes, der ihren Schmerz und ihre Ratlosigkeit zeigt, vor allem ihren brennenden und klaren, von Hoffnung und Mut gekennzeichneten Glauben offenbart. Péguy führt uns in der Meditation noch weiter und läßt uns im »Mysterium« des Leidens Jesu das erahnen, was schließlich dem Gebet der jungen Frau Sinn verleiht, deren Seelenstärke uns einfach ergreifen muß.

Die Aufführung dieses Werkes an diesem Abend scheint mir von besonderer Bedeutung zu sein. Denn in dem internationalen Kontext, den wir heute erleben, angesichts der dramatischen Ereignisse im Nahen Osten, und der leidvollen Situationen, die durch die Gewalt in zahlreichen Regionen der Welt hervorgerufen werden, bleibt die von Charles Péguy in »Le mystère de la charité de Jeanne d’Arc« vermittelte Botschaft eine Quelle sehr fruchtbarer Reflexion. Möge Gott das Gebet der Heiligen von Domremy und unser Gebet erhören und unserer Welt den Frieden schenken, nach dem sie sich sehnt!

Ich möchte dem Regisseur danken, der mit großer Sachlichkeit die wesentlichen Elemente dieses Meisterwerks von Charles Péguy herausgestellt hat. Ich beglückwünsche von Herzen die Darsteller, die uns eine Interpretation von hoher Qualität geschenkt haben, indem sie nicht nur ihr Talent, ihren »Beruf« als Schauspieler, sondern auch ihre eigene Innerlichkeit in den Dienst dieses Stückes stellten. So haben sie uns hineinversetzt in die Empfindungen der Personen, die sie vor uns zum Leben erweckt haben.

Mein Dank gilt auch den technischen Mitarbeitern und allen, die zur Verwirklichung dieser Aufführung beigetragen haben, die wir in guter Erinnerung behalten werden.

Am Ende dieses schönen Abends möge uns Jeanne d’Arc helfen, immer tiefer in das Mysterium Christi einzudringen, um dort den Weg des Lebens und des Glücks zu entdecken! Auf euch alle rufe ich von Herzen die Fülle des Segens unseres Herrn herab.

BEGEGNUNG VON PAPST BENEDIKT XVI.

MIT PRIESTERN DER DIÖZESE ALBANO Apostolischer Palast in Castelgandolfo

Donnerstag, 31. August 2006

Einige Probleme im Leben der Priester


Pfarrer Giuseppe Zane, Vicarius »ad omnia«, 83 Jahre:

Unser Bischof hat Ihnen, freilich in sehr knapper Form, die Situation unserer Diözese Albano geschildert. Wir Priester sind ganz in diese Kirche eingefügt und erleben all ihre Probleme und Vielschichtigkeiten. Wir alle, ob jung oder alt, verspüren unsere Unzulänglichkeit, in erster Linie deshalb, weil wir zu wenige sind, um den vielen Anforderungen zu entsprechen, und weil wir unterschiedlicher Herkunft sind. Zudem leiden wir unter dem Mangel an Berufungen zum Priestertum. Aus diesen Gründen verlieren wir manchmal den Mut, versuchen da und dort ein wenig abzuhelfen und sehen uns häufig gezwungen, nur eine Art »Erste Hilfe« zu leisten, ohne eine konkrete Planung. Wenn wir sehen, was alles getan werden muß, sind wir versucht, das Tun vorzuziehen und das Sein zu vernachlässigen, was sich unweigerlich auf das geistliche Leben auswirkt, auf das Gespräch mit Gott, das Gebet und die Liebe zu den Brüdern, besonders den fernstehenden. Heiliger Vater, was können Sie uns dazu sagen? Ich habe bereits ein gewisses Alter erreicht – aber gibt es für diese jungen Mitbrüder eine Hoffnung?

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BENEDIKT XVI.:

Liebe Brüder, ich möchte euch zuallererst willkommen heißen und euch ein Wort des Dankes aussprechen. Ich danke Kardinal Sodano für seine Anwesenheit, durch die er seine Liebe und Sorge für diese suburbikarische Kirche zum Ausdruck bringt. Ich danke Ihnen, Exzellenz, für Ihre Worte. Sie haben mir die Situation Ihrer Diözese, die ich in diesem Umfang nicht kannte, in wenigen Sätzen geschildert. Ich wußte zwar, daß es sich um die größte der suburbikarischen Diözesen handelt, aber ich wußte nicht, daß die Einwohnerzahl bereits auf 500.000 angewachsen ist. Ich sehe also eine Diözese, in der es viele Herausforderungen und Probleme gibt, die aber sicher auch reich ist an Freude im Glauben. Und ich sehe, daß alle Fragen unserer Zeit in ihr vorhanden sind: Emigration, Tourismus, Ausgrenzung, Agnostizismus, aber eben auch ein fester Glaube.

Ich stelle jetzt nicht den Anspruch, so etwas wie ein »Orakel« zu sein, das auf alle Fragen eine ausreichende Antwort geben könnte. Die Worte des hl. Gregor des Großen, die Sie, Exzellenz, zitiert haben – daß ein jeder »infirmitatem suam« erkenne –, gelten auch für den Papst. Auch der Papst muß Tag für Tag »infirmitatem suam«, seine Grenzen, erkennen und anerkennen. Er muß anerkennen, daß wir nur in der Zusammenarbeit mit allen, im Dialog, im gemeinsamen Zusammenwirken, im Glauben, als »cooperatores veritatis« – der Wahrheit, die eine Person ist, Jesus – gemeinsam unseren Dienst tun können, jeder an seinem Platz. Insofern werden meine Antworten nicht erschöpfend, sondern bruchstückhaft sein. Trotzdem akzeptieren wir gerade dies: daß wir nur gemeinsam das »Mosaik« einer Pastoralarbeit, die der Größe der Herausforderungen entspricht, zusammensetzen können.

Sie, Herr Kardinal Sodano, haben gesagt, daß unser lieber Mitbruder Pfarrer Zane etwas pessimistisch erscheine. Ich muß jedoch dazu sagen, daß jeder von uns Augenblicke erlebt, in denen er mutlos werden kann angesichts der Ausmaße dessen, was getan werden müßte, und der Begrenztheit dessen, was man tatsächlich tun kann. Das gilt wiederum auch für den Papst. Was muß ich in dieser Stunde der Kirche tun, mit den vielen Problemen, mit der Freude, mit den vielen Herausforderungen, die die Universalkirche betreffen? So viele Dinge geschehen Tag für Tag, und ich bin nicht in der Lage, auf alles zu antworten. Ich leiste meinen Teil, ich tue, was ich tun kann. Ich versuche, die Prioritäten zu finden. Und ich bin glücklich, daß ich von so vielen guten Mitarbeitern unterstützt werde. Ich kann schon hier und jetzt sagen: Ich sehe jeden Tag die große Arbeit, die das Staatssekretariat unter seiner weisen Führung leistet. Und nur mit diesem Netz der Zusammenarbeit, indem ich mich mit meinen bescheidenen Fähigkeiten in ein größeres Ganzes einfüge, kann ich und wage ich voranzugehen.

Und so sieht ein Pfarrer, der allein ist, natürlich noch mehr, daß es in dieser Situation, die Sie, Pfarrer Zane, kurz beschrieben haben, so viel zu tun gäbe. Und er kann doch nur etwas von dem tun, »ein wenig abhelfen« – wie Sie sagten –, eine Art »Erste Hilfe« leisten, und er ist sich dabei bewußt, daß viel mehr getan werden müßte. Ich würde sagen, daß es in erster Linie für uns alle notwendig ist, unsere Grenzen demütig anzuerkennen: anzuerkennen, daß wir die meisten Dinge dem Herrn überlassen müssen. Im heutigen Evangelium haben wir das Gleichnis vom treuen Knecht gehört (Mt 24,42–51). Dieser Knecht – so sagt uns der Herr – gibt den anderen zur rechten Zeit, was sie zu essen brauchen. Er tut nicht alles auf einmal, sondern er ist ein weiser und kluger Knecht, der es versteht, das, was er in jener Situation tun muß, auf verschiedene Zeitpunkte zu verteilen. Er tut das mit Demut und ist sich auch des Vertrauens von seiten seines Herrn sicher. So müssen auch wir unser Möglichstes tun, um zu versuchen, weise und klug zu sein und auch auf die Güte unseres Herrn vertrauen, weil letztendlich er es ist, der seine Kirche leiten muß. Wir bringen uns mit unserer kleinen Gabe ein und tun, was wir tun können, vor allem die Dinge, die immer notwendig sind: die Sakramente, die Verkündigung des Wortes, die Zeichen unserer Liebe.

Was unser inneres Leben angeht, das Sie erwähnt haben, würde ich sagen, daß es für unseren Dienst als Priester wesentlich ist. Die Zeit, die wir uns für das Gebet nehmen, ist nicht eine Zeit, die wir unserer pastoralen Verantwortung entziehen, sondern das Gebet ist »Pastoralarbeit«, ist Gebet auch für die anderen. In den »Commune-Texten für Hirten der Kirche« kann man als Wesensmerkmal des guten Hirten lesen, daß er »multum oravit pro fratribus«. Eben das kennzeichnet den Hirten, daß er ein Mann des Gebets ist, daß er vor dem Herrn steht und für die anderen betet, die anderen auch vertritt, die vielleicht nicht beten können, nicht beten wollen oder keine Zeit zum Beten finden. Wie deutlich wird daraus, daß dieser Dialog mit Gott Pastoralarbeit ist!

Ich würde also sagen, daß uns die Kirche – freilich immer als eine gütige Mutter – aufträgt, ja gleichsam auferlegt, freie Zeit für Gott zu haben, einschließlich der beiden Dinge, die zu unseren Pflichten gehören: die Feier der heiligen Messe und das Stundengebet. Aber wir sollten dieses nicht nur mit dem Mund beten, sondern vielmehr hören auf das Wort, das der Herr uns im Stundengebet schenkt. Ich muß dieses Wort verinnerlichen, darauf achten, was der Herr mir durch dieses Wort sagt, und dann, in der zweiten Lesung der Lesehore, den Kommentar der Kirchenväter oder auch des Konzils dazu hören und mit den Psalmen beten, jener großartigen Anrufung Gottes, durch die wir hineingenommen werden in das Gebet aller Zeiten. Mit uns betet das Volk des Alten Bundes, und wir beten mit ihm. Wir beten mit dem Herrn, der eigentlich die Hauptperson der Psalmen ist. Wir beten mit der Kirche aller Zeiten. Ich würde sagen, daß diese dem Stundengebet gewidmete Zeit eine kostbare Zeit ist. Die Kirche schenkt uns diese Freiheit, diesen Freiraum des Lebens mit Gott, das auch Leben für die anderen ist.

So erscheint es mir also wichtig zu sehen, daß diese beiden Realitäten – die wirklich im Gespräch mit Gott gefeierte heilige Messe und das Stundengebet – Räume der Freiheit, des inneren Lebens sind, die uns die Kirche schenkt und die ein Reichtum für uns sind. In ihnen begegnen wir, wie gesagt, nicht nur der Kirche aller Zeiten, sondern dem Herrn selbst, der mit uns spricht und eine Antwort von uns erwartet. So lernen wir beten, indem wir uns in das Gebet aller Zeiten einfügen, und begegnen auch dem Volk. Denken wir an die Psalmen, an die Worte der Propheten, an die Worte des Herrn und der Apostel, denken wir an die Kommentare der Kirchenväter. Heute hatten wir diesen wunderbaren Kommentar des hl. Columban über Christus, die Quelle »lebendigen Wassers«, aus der wir trinken. Durch das Gebet begegnen wir auch den Leiden des Gottesvolkes in der heutigen Zeit. Diese Gebete lassen uns an das tägliche Leben denken und führen uns zur Begegnung mit den heutigen Menschen. Sie erleuchten uns bei dieser Begegnung, weil wir hier nicht nur unseren eigenen, bescheidenen Verstand und unsere Gottesliebe einbringen, sondern durch das Wort Gottes lernen, den Menschen auch Gott selbst zu bringen. Das erwarten die Menschen: daß wir ihnen das »lebendige Wasser« bringen, von dem der hl. Columban heute spricht. Die Menschen haben Durst. Und sie versuchen, diesen Durst mit verschiedenen Zerstreuungen zu stillen. Aber sie verstehen sehr wohl, daß diese Zerstreuungen nicht das »lebendige Wasser« sind, das sie brauchen. Der Herr ist die Quelle des »lebendigen Wassers«. Er sagt jedoch, im 7. Kapitel des Johannesevangeliums, daß jeder, der glaubt, zur »Quelle« wird, weil er aus Christus getrunken hat. Und dieses »lebendige Wasser« (V. 38) wird in uns zur sprudelnden Quelle, zur Quelle für die anderen. Versuchen wir also, es im Gebet, bei der Feier der heiligen Messe, bei der Lektüre zu trinken: Versuchen wir, aus dieser Quelle zu trinken, damit sie in uns zur Quelle werde. Und wir können besser auf den Durst der heutigen Menschen antworten, wenn wir das »lebendige Wasser«, die göttliche Wirklichkeit, die Wirklichkeit des menschgewordenen Herrn Jesus in uns haben. So können wir besser auf die Nöte der uns anvertrauten Menschen antworten. Soweit zu Ihrer ersten Frage. Was können wir tun? Tun wir immer das Mögliche für die Menschen – wir werden bei den anderen Fragen Gelegenheit haben, auf diesen Punkt zurückzukommen – und leben wir mit dem Herrn, um auf den wahren Durst der Menschen antworten zu können.

Ihre zweite Frage lautete: Haben wir Hoffnung für diese Diözese, für diesen Teil des Gottesvolkes, das diese Diözese Albano ist, und für die Kirche? Ich antworte ohne zu zögern: Ja! Natürlich haben wir Hoffnung: Die Kirche lebt! Die Kirche hat eine 2000jährige Geschichte, mit vielen Leiden und auch vielen Mißerfolgen: Denken wir an die Kirche in Kleinasien, an die große, blühende Kirche Nordafrikas, die mit der muslimischen Invasion verschwunden ist. Teile der Kirche können also tatsächlich verschwinden, wie der hl. Johannes in der Offenbarung bzw. der Herr durch Johannes sagt: »Wenn du nicht umkehrst, werde ich kommen und deinen Leuchter von seiner Stelle wegrücken« (Ap 2,5). Andererseits aber sehen wir, wie durch viele Krisen hindurch die Kirche wieder jung und mit neuer Frische erstanden ist.

Im Zeitalter der Reformation schien die katholische Kirche tatsächlich fast am Ende zu sein. Es schien diese neue Strömung zu triumphieren, die behauptete: Jetzt ist die Kirche von Rom am Ende. Und wir sehen, daß mit den großen Heiligen wie Ignatius von Loyola, Teresa von Avila, Karl Borromäus und anderen die Kirche wieder ersteht. Im Konzil von Trient findet sie eine neue Aktualisierung und eine Wiederbelebung ihrer Lehre. Und sie ersteht wieder mit großer Lebenskraft. Blicken wir auf die Zeit der Aufklärung, in der Voltaire sagte: Endlich ist diese alte Kirche am Ende, und es lebt die Menschheit! Und was geschieht statt dessen? Die Kirche erneuert sich. Das 19. Jahrhundert wird zum Jahrhundert der großen Heiligen, einer neuen Lebenskraft für viele Ordensgemeinschaften, und der Glaube ist stärker als alle anderen Strömungen, die kommen und gehen. Und so war es auch im vergangenen Jahrhundert. Hitler hat einmal gesagt: »Die Vorsehung hat mich, einen Katholiken, dazu berufen, dem Katholizismus den Garaus zu machen. Nur ein Katholik kann den Katholizismus zerstören.« Er war sich sicher, über alle Mittel zu verfügen, um den Katholizismus endgültig zu zerstören. In gleicher Weise war sich die große marxistische Strömung sicher, eine neue wissenschaftliche Weltanschauung durchzusetzen und der Zukunft die Tore zu öffnen: Die Kirche ist am Ende! Aber nach den Worten Christi ist die Kirche stärker. Es ist das Leben Christi, das in seiner Kirche siegt.

Auch in schweren Zeiten, wenn es an Berufungen fehlt, bleibt das Wort des Herrn in Ewigkeit. Und wer – wie der Herr selbst sagt – sein Leben auf diesen »Fels« des Wortes Christi baut, baut gut. Deshalb können wir zuversichtlich sein. Wir sehen auch in unserer Zeit neue Glaubensinitiativen. Wir sehen, daß in Afrika die Kirche trotz aller Probleme dennoch einen Blüte an Berufungen erfährt, die ermutigend ist. Und so sehen wir in der ganzen Vielseitigkeit des historischen Panoramas von heute – ja, wir sehen es nicht nur, sondern glauben es –, daß die Worte des Herrn Geist und Leben sind, Worte des ewigen Lebens. Der hl. Petrus hat gesagt, wie wir am vergangenen Sonntag im Evangelium gehört haben: »Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes« (Joh 6,68–69). Und wenn wir auf die Kirche von heute blicken, wenn wir trotz aller Leiden die Lebenskraft der Kirche sehen, dann können auch wir sagen: Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt, daß du uns Worte des ewigen Lebens gibst und damit eine Hoffnung, die nicht trügt.

Die «integrierte» Seelsorge

Msgr. Gianni Macella, Pfarrer in Albano:

In den letzten Jahren bemühen wir uns im Einklang mit den Plänen der Italienischen Bischofskonferenz für das Jahrzehnt 2000–2010 um die Verwirklichung eines Planes für die ›integrierte Seelsorge‹. Es gibt viele Schwierigkeiten. Es sollte zumindest die Tatsache erwähnt werden, daß viele von uns Priestern noch immer einer bestimmten Seelsorgspraxis verpflichtet sind, die wenig missionarisch ist und die sich bewährt zu haben schien, denn sie war gebunden an ein »christianisiertes« Umfeld, wie man so schön sagt. Auf der anderen Seite lassen die Fragen und Wünsche von vielen Gläubigen die Pfarrei als eine Art ›Supermarkt‹ für geistliche Dienste erscheinen. Da möchte ich nun Sie, Eure Heiligkeit, fragen: Ist die »integrierte Seelsorge« nur eine Frage der Strategie oder gibt es einen tieferen Grund dafür, daß wir in dieser Richtung weiterarbeiten sollen?

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BENEDIKT XVI.:

Ich muß gestehen, daß ich den Ausdruck »integrierte Seelsorge« erst aus Ihrer Frage kennengelernt habe… Den Inhalt habe ich jedoch verstanden: Wir sollen versuchen, die verschiedenen Mitarbeiter in der Pastoral, die es heute gibt, sowie die verschiedenen Dimensionen der Pastoralarbeit zu einem einzigen pastoralen Weg zusammenzufassen. Auf diese Weise würde man erst die Dimensionen der Pastoralarbeit und ihre Träger voneinander unterscheiden und dann versuchen, das Ganze zu einem einzigen pastoralen Weg zusammenzufassen.

Sie haben in Ihrer Frage zu verstehen gegeben, daß gewissermaßen eine »klassische« Ebene der Arbeit in der Pfarrei existiert, die an die Gläubigen gerichtet ist, die geblieben sind – und deren Zahl vielleicht auch anwächst – und die unserer Pfarrei Leben verleihen. Das ist die »klassische« Seelsorge, und sie ist nach wie vor wichtig. Ich unterscheide gewöhnlich zwischen fortdauernder Evangelisierung – weil der Glaube weitergeht und die Pfarrei lebt – und Neuevangelisierung, die versucht, missionarisch zu sein und über die Grenzen derer hinauszugehen, die schon »gläubig« sind und in der Pfarrei leben oder die, vielleicht auch mit einem »kleineren« Glauben, die Dienste der Pfarrei in Anspruch nehmen.

Mir scheint, daß wir in der Pfarrei drei grundlegende Verpflichtungen haben, die sich aus dem Wesen der Kirche und des priesterlichen Dienstes ergeben. Die erste ist der sakramentale Dienst. Ich würde sagen, daß die Taufe, die Vorbereitung auf sie und das Bemühen, den Taufversprechen Beständigkeit zu verleihen, uns bereits auch mit vielen Menschen in Kontakt bringt, die nicht allzu gläubig sind. Dabei handelt es sich nicht um eine Arbeit, die dazu dient, gewissermaßen das »christianisierte Umfeld« zu erhalten, sondern um eine Begegnung mit Menschen, die vielleicht nur selten in die Kirche gehen. Der Einsatz in der Taufvorbereitung, das Bemühen, die Herzen der Eltern, der Verwandten, der Paten und Patinnen für die Wirklichkeit der Taufe zu öffnen, kann und sollte bereits ein missionarischer Einsatz sein, der weit über die Grenzen der bereits »gläubigen« Menschen hinausreicht. Bei der Taufvorbereitung versuchen wir, verständlich zu machen, daß durch dieses Sakrament die Eingliederung in die Familie Gottes stattfindet, daß Gott lebt, daß er für uns Sorge trägt. Seine Sorge für uns geht so weit, daß er sogar unser Fleisch angenommen und die Kirche gestiftet hat, die sein Leib ist und in der er sozusagen von neuem in unserer Gesellschaft Fleisch annehmen kann. Die Taufe ist neues Leben: Außer dem biologischen Leben muß uns das Bewußtsein geschenkt werden, daß das Leben einen Sinn hat, der stärker ist als der Tod und der auch dann noch andauert, wenn die Eltern eines Tages nicht mehr dasein werden. Das Geschenk des biologischen Lebens besitzt nur dann seine Berechtigung, wenn ihm gleichzeitig ein bleibender Sinn, eine Zukunft verheißen ist – ein Sinn, der auch in den Krisen, die kommen werden und die wir noch nicht kennen, dem Leben Wert verleiht, so daß es sich lohnt, zu leben, daß es sich lohnt, Geschöpf zu sein.

Ich meine, daß wir bei der Vorbereitung auf dieses Sakrament oder im Gespräch mit Eltern, die skeptisch sind gegenüber der Taufe, eine missionarische Situation vor uns haben. Es ist eine christliche Botschaft. Wir müssen die Wirklichkeit vermitteln, die mit der Taufe beginnt. Ich kenne das italienische Rituale nicht gut genug. Im klassischen, von der Alten Kirche ererbten Rituale, beginnt die Taufe mit der Frage: »Was erbittet ihr von der Kirche Gottes?« Heute wird, wenigstens nach dem deutschen Rituale, darauf nur geantwortet: »Die Taufe«. Das bringt nicht hinreichend zum Ausdruck, worum man bitten soll. Im alten Rituale lautete die Antwort: »Den Glauben«. Das heißt: eine Beziehung zu Gott, Gott kennenlernen. »Und warum« – so hieß es weiter – »bittet ihr um den Glauben? – Weil wir das ewige Leben wollen«. Das heißt, wir wollen ein Leben haben, das auch in zukünftigen Krisen einen sicheren Grund hat, ein Leben, das einen Sinn besitzt, das dem Menschsein seine Berechtigung gibt. Dieses Gespräch muß, wie mir scheint, auf jeden Fall mit den Eltern schon vor der Taufe stattfinden. Allein schon, um deutlich zu machen, daß das Geschenk des Sakraments nicht lediglich eine »Sache« ist, nicht lediglich »Vergegenständlichung «, wie die Franzosen sagen, sondern missionarische Arbeit. Dann kommt die Firmung, deren Vorbereitung in dem Alter stattfindet, in dem man beginnt, Entscheidungen zu treffen, auch im Hinblick auf den Glauben. Sicher dürfen wir die Firmung nicht zu einer Art »Pelagianismus« machen, so als würde man durch sie von allein katholisch, sondern wir müssen sie als ein Zusammenwirken von Geschenk und Antwort betrachten. Die Eucharistie schließlich ist die ständige Gegenwart Christi in der täglichen Feier der heiligen Messe. Sie ist, wie gesagt, sehr wichtig für den Priester, für sein priesterliches Leben, als Realpräsenz der Gabe des Herrn.

Jetzt können wir auch noch die Hochzeit erwähnen: Auch das ist eine großartige missionarische Gelegenheit, weil gottlob heute auch viele, die nicht oft in die Kirche gehen, noch immer in der Kirche heiraten wollen. Es ist eine Gelegenheit, die jungen Paare dahin zu bringen, sich mit der Wirklichkeit der christlichen Ehe, der Ehe als Sakrament, auseinanderzusetzen. Das scheint mir auch eine große Verantwortung zu sein, was wir an den Ehenichtigkeitsverfahren und vor allem am großen Problem der wiederverheirateten Geschiedenen sehen, die die Kommunion empfangen wollen und nicht verstehen, warum das nicht möglich ist. Wahrscheinlich haben sie im Augenblick ihres »Ja« vor Gott nicht verstanden, was dieses »Ja« bedeutet. Es bedeutet, in einen Bund zu treten mit dem »Ja« Christi zu uns. Es bedeutet, einzutreten in die Treue Christi, also in das Sakrament, das die Kirche ist, und damit in das Sakrament der Ehe. Daher meine ich, daß die Ehevorbereitung einen missionarischen Charakter von allergrößter Bedeutung besitzt, um im Sakrament der Ehe von neuem das Sakrament Christi zu verkünden, diese Treue zu verstehen und dann das Problem der wiederverheirateten Geschiedenen verständlich zu machen.

Das ist der erste Bereich, jener »klassische« Bereich der Sakramente, der uns Gelegenheit bietet, Menschen zu begegnen, die nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen, und damit Gelegenheit zu einer wirklich missionarischen Verkündigung, zu einer »integrierten Seelsorge«. Der zweite Bereich ist die Verkündigung des Wortes mit ihren beiden wesentlichen Elementen: Predigt und Katechese. Auf der Bischofssynode des vergangenen Jahres haben die Synodenväter viel über die Predigt gesprochen und dabei hervorgehoben, wie schwierig es heutzutage ist, die »Brücke« zu finden zwischen dem Wort des vor 2000 Jahren geschriebenen Neuen Testaments und unserer Gegenwart. Ich muß sagen, daß die historisch-kritische Exegese häufig nicht ausreicht, um uns bei der Predigtvorbereitung zu helfen. Das stelle ich selber fest, wenn ich versuche, Predigten vorzubereiten, die dem Wort Gottes einen Bezug zur Gegenwart geben sollen oder besser gesagt – das Wort Gottes besitzt ja schon an sich einen Gegenwartsbezug – die diesen Gegenwartsbezug für die Menschen sichtbar, wahrnehmbar machen sollen. Die historisch-kritische Exegese sagt uns viel über die Vergangenheit, über die Zeit, in der die Heilige Schrift entstanden ist, über die Bedeutung, die sie zur Zeit der Apostel Jesu gehabt hat, aber sie hilft uns nicht immer hinreichend zu verstehen, daß die Worte Jesu, der Apostel und auch des Alten Testaments Geist und Leben sind: In ihnen spricht der Herr auch heute. Ich meine, wir müssen die Theologen dazu »auffordern« – die Synode hat das getan – voranzugehen, den Pfarrern eine bessere Hilfe für ihre Predigtvorbereitung zu bieten, die Gegenwart des Wortes Gottes sichtbar zu machen: Der Herr spricht zu mir heute und nicht nur in der Vergangenheit. Ich habe in den letzten Tagen den Entwurf des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens gelesen und dabei mit Freude festgestellt, daß diese »Aufforderung « zur Vorbereitung von Predigtmodellen wiederkehrt. Letzten Endes bereitet der Pfarrer die Predigt in seinem Umfeld vor, weil er zu »seiner« Pfarrgemeinde spricht. Aber er braucht Hilfe, um diese »Gegenwart« des Wortes Gottes, das nie ein Wort der Vergangenheit, sondern ein Wort des »Heute« ist, zu verstehen und verständlich machen zu können.

Schließlich folgt der dritte Bereich: die »Caritas«, die »Diakonia«. Immer sind wir für die Leidenden, die Kranken, die Ausgegrenzten und die Armen verantwortlich. Aus dem von eurer Diözese gezeichneten Bild ersehe ich, daß sehr viele Menschen unserer »Diakonia« bedürfen, und auch das ist stets eine missionarische Gelegenheit. Mir scheint also, daß die »klassische« Pfarrseelsorge in allen drei Bereichen über sich selbst hinausgeht und zur missionarischen Seelsorge wird.

Ich komme nun zum zweiten Aspekt der Seelsorge, der sowohl die Mitarbeiter als auch die Arbeit betrifft, die zu tun ist. Der Pfarrer kann nicht alles machen! Das ist unmöglich! Er kann kein »Solist« sein, er kann nicht alles machen, sondern braucht Mitarbeiter in der Pastoral. Mir scheint, daß wir heute sowohl in den Bewegungen als auch in der Katholischen Aktion und in den neuen Gemeinschaften, die es gibt, Personen haben, die in der Pfarrgemeinde Mitarbeiter für eine »integrierte« Seelsorge sein müssen. Ich möchte damit sagen, daß es für diese »integrierte« Seelsorge heute darauf ankommt, daß die anderen Mitarbeiter nicht nur eingesetzt werden, sondern sich wirklich in die Pfarrarbeit integrieren. Der Pfarrer soll nicht nur »machen«, sondern auch »delegieren«. Sie müssen lernen, sich wirklich zu integrieren in die gemeinsame Pfarrarbeit und natürlich auch in das Bemühen der Pfarrei, über sich selbst hinauszugehen, und zwar in einem doppelten Sinne: Sie muß über sich selbst hinausgehen in dem Sinne, daß die Pfarreien innerhalb der Diözese zusammenarbeiten, weil der Bischof ihr gemeinsamer Hirt ist und auch dabei hilft, ihre Aufgaben zu koordinieren, und sie muß über sich selbst hinausgehen in dem Sinne, daß die Pfarreien für alle Menschen unserer Zeit arbeiten und versuchen, die christliche Botschaft auch zu den Agnostikern gelangen zu lassen, zu den Menschen, die auf der Suche sind. Und das ist die dritte Ebene, über die wir vorhin schon ausführlich gesprochen haben. Mir scheint, daß die erwähnten Gelegenheiten uns die Möglichkeit geben, Menschen zu begegnen, die nicht regelmäßig die Pfarrei besuchen und die keinen oder nur wenig Glauben haben, und ihnen ein missionarisches Wort zu sagen. Vor allem diese neuen Träger der Seelsorge und die Laien, die Berufe unserer Zeit ausüben, müssen das Wort Gottes auch in die Lebensbereiche hineintragen, die für den Pfarrer oft nicht zugänglich sind. Vom Bischof koordiniert, versuchen wir gemeinsam, diese verschiedenen Bereiche der Pastoral aufeinander abzustimmen und die verschiedenen Mitarbeiter in der Pastoral in ihrem gemeinsamen Bemühen zu unterstützen. So können wir einerseits den Gläubigen für ihren Glauben, der ein großer Schatz ist, Hilfe bieten, und andererseits die Verkündigung des Glaubens zu allen Menschen gelangen lassen, die aufrichtigen Herzens eine erfüllende Antwort auf ihre existentiellen Fragen suchen.

Liturgie

D. Vittorio Petruzzi, Pfarrvikar in Aprilia:

Heiligkeit, für das bald beginnende Pastoraljahr ist unsere Diözese vom Bischof aufgefordert worden, der Liturgie besondere Aufmerksamkeit zu widmen, sowohl auf theologischer Ebene wie hinsichtlich der gottesdienstlichen Praxis. Das zentrale Thema bei den Wochen der Zusammenkunft der Diözese, an denen wir im September teilnehmen werden, lautet: »Die Planung und Durchführung der Verkündigung im Kirchenjahr, in den Sakramenten und in den Sakramentalien«. Wir sind als Priester dazu aufgerufen, die Liturgie »ernsthaft, schlicht und schön« zu gestalten, um eine schöne Formulierung zu gebrauchen, die aus dem Dokument des italienischen Episkopats »Das Evangelium in einer sich wandelnden Welt vermitteln« stammt. Heiliger Vater, können Sie uns helfen zu verstehen, wie sich das alles in die »ars celebrandi« umsetzen läßt?

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BENEDIKT XVI.:

»Ars celebrandi«: Auch hier würde ich sagen, daß es verschiedene Ebenen gibt. Die erste Ebene ist die, daß die »celebratio« Gebet und Gespräch mit Gott ist: Gott spricht mit uns, und wir sprechen mit Gott. Daher ist die erste Voraussetzung für eine gute liturgische Feier die, daß der Priester wirklich in dieses Gespräch eintritt. Bei der Verkündigung des Wortes fühlt er sich selbst im Gespräch mit Gott. Er ist Hörer des Wortes und Verkünder des Wortes, indem er sich zum Werkzeug des Herrn macht und versucht, dieses Wort Gottes, das er dann dem Volk weitergeben soll, zu verstehen. Er steht im Gespräch mit Gott, denn die Texte der heiligen Messe sind keine Texte für das Theater oder etwas ähnliches, sondern Gebete, durch die ich zusammen mit der versammelten Gemeinde mit Gott spreche. Es ist also wichtig, in dieses Gespräch einzutreten. Der hl. Benedikt sagt in seiner Regel in Bezug auf das Psalmengebet zu den Mönchen: »Mens concordet voci«. Die »vox«, die Worte, gehen unserem Verstand voraus. Gewöhnlich ist das nicht so: Zuerst muß man denken, und dann wird der Gedanke zum Wort. Hier aber kommt zuerst das Wort. Die heilige Liturgie schenkt uns die Worte; wir müssen in diese Worte eintreten, den Einklang mit dieser Wirklichkeit finden, die uns vorausgeht.

Darüber hinaus müssen wir auch den Aufbau der Liturgie verstehen lernen und müssen lernen, warum sie so gegliedert ist. Die Liturgie ist in einem Zeitraum von 2000 Jahren gewachsen, und auch nach der Reform ist sie nicht zu etwas geworden, das lediglich von einigen Liturgikern ausgearbeitet wurde. Sie bleibt stets Weiterführung dieses ständigen Wachstums in der Anbetung und der Verkündigung. Um uns damit in Einklang zu bringen, ist es daher sehr wichtig, daß wir diesen im Laufe der Zeit gewachsenen Aufbau verstehen und mit unserer »mens« in die »vox« der Kirche eintreten. In dem Maße, in dem wir diese Struktur verinnerlicht, sie verstanden und die Worte der Liturgie in uns aufgenommen haben, können wir eintreten in diesen inneren Einklang und daher nicht nur als Einzelpersonen mit Gott sprechen, sondern in das »Wir« der betenden Kirche eintreten. Und auf diese Weise können wir auch unser »Ich« verwandeln, indem wir in das »Wir« der Kirche eintreten, dieses »Ich« reicher und weiter machen, mit der Kirche, mit den Worten der Kirche beten und so wirklich im Gespräch mit Gott stehen.

Das ist die wichtigste Voraussetzung: Wir müssen selbst den Aufbau, die Worte der Liturgie, das Wort Gottes verinnerlichen. So wird unser Feiern wirklich zu einem Feiern »mit« der Kirche: Unser Herz ist weit geworden, und wir tun nicht irgend etwas, sondern stehen »mit« der Kirche im Gespräch mit Gott. Mir scheint, daß die Menschen spüren, ob wir wirklich zusammen mit ihnen im Gespräch mit Gott stehen, und andere sozusagen in unser gemeinsames Gebet, in die Gemeinschaft mit den Kindern Gottes hineinziehen, oder ob wir hingegen bloß irgend etwas Äußerliches tun. Das grundlegende Element der wahren »ars celebrandi« ist also dieser Einklang, diese Übereinstimmung zwischen dem, was wir mit dem Mund sagen, und dem, was wir mit dem Herzen denken. Das »Sursum corda«, ein uraltes liturgisches Wort, sollte schon vor der Präfation, schon vor der Liturgie der »Weg« unseres Redens und Denkens sein. Wir müssen unser Herz zum Herrn erheben, nicht nur als rituelle Antwort, sondern als Ausdruck von allem, was in diesem Herzen vor sich geht, das in die Höhe strebt und auch die anderen nach oben zieht.

Mit anderen Worten, die »ars celebrandi« will nicht zu einer Art Theatervorführung, zu einem Schauspiel einladen, sondern zu einer Innerlichkeit, die spürbar ist und die für die Anwesenden annehmbar und offenkundig wird. Nur wenn die Menschen sehen, daß dies keine rein äußerliche »ars« nach der Art eines Schauspiels ist – wir sind keine Schauspieler! –, sondern der Ausdruck des Weges unseres Herzens, das auch ihr Herz gewinnt, dann wird die Liturgie schön, dann wird sie zur Gemeinschaft aller Anwesenden mit dem Herrn.

Natürlich müssen mit dieser Grundvoraussetzung – die in den Worten des hl. Benedikt zum Ausdruck kommt: »Mens concordet voci«, das Herz soll wirklich erhoben, zum Herrn erhoben werden – auch äußere Dinge einhergehen. Wir müssen lernen, die Worte gut auszusprechen. Als ich noch Professor in meiner Heimat war, haben manchmal die jungen Leute die Lesungen aus der Heiligen Schrift vorgetragen. Und sie haben sie so gelesen, wie man den Text eines Dichters liest, den man nicht verstanden hat. Um zu lernen, gut zu lesen und zu sprechen, muß man natürlich vorher den Text in seiner Dramatik, in seinem Jetzt und Heute verstanden haben. Das gilt auch für die Präfation. Und für das Eucharistische Hochgebet. Es ist für die Gläubigen schwierig, einem so langen Text wie dem unseres Eucharistischen Hochgebets zu folgen. Deshalb kommt es immer zu neuen »Erfindungen«. Aber immer neue Eucharistische Hochgebete sind keine Antwort auf das Problem. Das Problem ist, daß dies ein Augenblick sein soll, der auch die anderen zur Stille mit Gott und zum Beten mit Gott einlädt. Nur dann, wenn das Eucharistische Hochgebet gut gesprochen wird, auch mit den notwendigen Augenblicken der Stille, wenn es mit Innerlichkeit, aber auch mit Sprechkunst vorgetragen wird, können die Dinge besser werden.

Daraus folgt, daß das Eucharistische Hochgebet einen Augenblick besonderer Aufmerksamkeit verlangt, um so vorgetragen zu werden, daß es die anderen mit einbezieht. Ich denke, wir müssen sowohl in der Katechese als auch bei den Predigten und bei anderen Anlässen Gelegenheiten finden, um dem Volk Gottes dieses Eucharistische Hochgebet gut zu erklären, damit es dessen großen Momenten zu folgen vermag – dem Einsetzungsbericht und den Einsetzungsworten, dem Gebet für die Lebenden und die Toten, der Danksagung an den Herrn, der Epiklese –, um die Gemeinde wirklich in dieses Gebet einzubeziehen.

Die Worte müssen daher gut gesprochen werden. Außerdem muß es eine entsprechende Vorbereitung geben. Die Ministranten müssen wissen, was sie tun sollen, die Lektoren müssen wirklich wissen, wie sie den Text vortragen sollen. Dann muß der Gesang vorbereitet, der Altar gut hergerichtet werden. Das alles gehört – auch wenn es sich um viele praktische Dinge handelt – zur »ars celebrandi«. Aber, und damit schließe ich, das grundlegende Element ist die Kunst, in Gemeinschaft mit dem Herrn zu treten, die wir mit unserem gesamten Leben als Priester vorbereiten.

Familie

D. Angelo Pennazza, Pfarrer in Pavona:

Heiligkeit, im Katechismus der Katholischen Kirche lesen wir: »Die Weihe und die Ehe sind auf das Heil der anderen hingeordnet. … Sie erteilen eine besondere Sendung in der Kirche und dienen dem Aufbau des Volkes Gottes« (Nr. 1534). Das erscheint uns wirklich grundlegend, nicht nur für unsere Pastoralarbeit, sondern auch für unsere Lebensweise als Priester. Was können wir Priester tun, um diese Worte in die pastorale Praxis umzusetzen, und wie können wir (gemäß dem, was Sie selbst unlängst zum Ausdruck brachten) positiv die Schönheit der Ehe vermitteln, so daß diese den Männern und Frauen unserer Zeit noch immer attraktiv erscheinen kann? Was kann die sakramentale Gnade der Eheleute unserem Leben als Priester geben?


Benedikt XVI Predigten 54