Benedikt XVI Predigten 128

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BESUCH VON SEINER SELIGKEIT CHRYSOSTOMOS II.,

ERZBISCHOF VON NEOIUSTINIANUM UND GANZ ZYPERN

BEI PAPST BENEDIKT XVI. Samstag, 16. Juni 2007

1. ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.

2. GEMEINSAME ÖKUMENISCHE ERKLÄRUNG

ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.



Seligkeit und lieber Bruder!

Ich empfange Sie heute mit Freude und höre im Herzen die Worte des Apostels Paulus widerhallen: »Der Gott der Geduld und des Trostes schenke euch die Einmütigkeit, die Christus Jesus entspricht, damit ihr Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, einträchtig und mit einem Munde preist« (Röm 15,5–6). Ihr Besuch ist ein Geschenk des Gottes der Geduld und des Trostes, von dem der hl. Paulus sprach, als er sich an diejenigen wandte, die in Rom erstmals die Heilsbotschaft hörten. Wir erfahren heute das Geschenk der Geduld, denn trotz jahrhundertealter Spaltungen, getrennter Wege und trotz der Mühe, schmerzliche Wunden zu heilen, hat der Herr nicht nachgelassen, unsere Schritte auf den Weg der Einheit und der Versöhnung zu führen. Und das ist für uns ein Grund des Trostes, denn unsere heutige Begegnung reiht sich ein in eine intensivere Suche nach dieser von Christus so sehr gewünschten Einheit: »ut omnes unum sint« (vgl. Joh Jn 17,21).

Wir wissen gut, daß die Zustimmung zu diesem brennenden Wunsch des Herrn nicht nur formell mit Worten verkündet werden darf und soll. Deshalb sind Sie, Seligkeit, auf den Spuren des Völkerapostels von Zypern nach Rom nicht nur zu einem »Austausch ökumenischer Höflichkeit« gekommen, sondern um den festen Entschluß zu bekräftigen, im Gebet zu verharren, bis der Herr uns zeigt, wie wir zur vollen Gemeinschaft gelangen. Ihr Besuch ist zugleich Grund großer Freude, denn schon durch unsere Begegnung können wir die Schönheit der gewünschten vollen Einheit der Christen spüren.

Danke, Seligkeit, für diese Geste der Wertschätzung und der brüderlichen Freundschaft. In Ihrer Person grüße ich den Hirten einer alten, ehrwürdigen Kirche, eines glänzenden Steines jenes herrlichen Mosaiks, des Ostens, der, einem beliebten Ausdruck des Dieners Gottes Johannes Pauls II. ehrwürdigen Angedenkens nach, einer der beiden Lungen ist, mit denen die Kirche atmet. Ihre willkommene Anwesenheit erinnert mich an die glühende Predigt des Apostels Paulus in Zypern (vgl. Apg 13,4ff.) und an die abenteuerliche Reise, die ihn bis nach Rom führte, wo er das Evangelium verkündete und sein leuchtendes Glaubenszeugnis mit dem Märtyrertod besiegelte. Lädt uns die Erinnerung an den Völkerapostel nicht ein, in Demut und Hoffnung unser Herz Christus zuzuwenden, der unser einziger Lehrer ist? Mit seinem göttlichen Beistand dürfen wir nicht müde werden, gemeinsam die Wege der Einheit zu suchen, indem wir die Schwierigkeiten überwinden, die im Laufe der Geschichte zwischen den Christen Spaltungen und gegenseitiges Mißtrauen geschaffen haben. Der Herr gewähre uns, daß wir bald zum gleichen Altar treten dürfen, um alle zusammen den einen Tisch des eucharistischen Brotes und Weines zu teilen.

Indem ich sie empfange, lieber Bruder im Herrn, möchte ich die alte und ehrwürdige Kirche von Zypern ehren, die reich an Heiligen ist, unter denen ich gerne Barnabas hervorheben möchte, den Begleiter und Mitarbeiter des Apostels Paulus, sowie Epiphanios, Bischof von Konstantia, einst Salamis, heute Famagosta. Epiphanius übte seinen bischöflichen Dienst 35 Jahre lang in einer stürmischen Zeit der Kirche aus wegen des Arianismus und der Streitfragen der »pneumatòmachi«; er schrieb Bücher mit einem klaren katechetischen und apologetischen Ziel, wie er selbst in seinem Ancoratus erklärt. Dieser interessante Traktat enthält zwei Glaubensbekenntnisse, das nizäno-konstantinopolitanische und das Bekenntnis der Täufertradition von Konstantia, das dem nizänischen Glauben entspricht, aber anders formuliert und erweitert ist und »mehr geeignet ist« – schrieb Epiphanios –, »die aufkommenden Irrtümer zu bekämpfen, denn es gleicht dem Glauben, der festgelegt wurde von den vorgenannten heiligen Vätern« des Konzils von Nizäa (Ancoratus, Nr. 119). Darin – so erklärt er – bekräftigen wir den Glauben »an den Heiligen Geist, den Geist Gottes, den vollkommenen Geist, den Tröstergeist, nicht geschaffen, der vom Vater ausgeht und vom Sohn nimmt, dem Gegenstand unseres Glaubens« (ebd.).

Als guter Hirte zeigt Epiphanios der ihm von Christus anvertrauten Herde die Wahrheiten, die zu glauben sind, den Weg, der zu gehen ist, und die Klippen, die zu meiden sind. Das ist eine Methode, die auch heute für die Verkündigung des Evangeliums gilt, besonders bei den jungen Generationen, die stark unter dem Einfluß von Denkströmungen stehen, die dem Geist des Evangeliums widersprechen. Die Kirche findet sich heute, am Anfang des 3. Jahrtausends, vor Herausforderungen und Probleme gestellt, die sich von denen, die Epiphanios vorfand, nicht sehr unterscheiden. So wie damals gilt es auch heute, aufmerksam zu wachen und das Volk Gottes vor falschen Propheten, vor Irrlehren und vor der Oberflächlichkeit von Angeboten zu warnen, die nicht der Lehre des göttlichen Meisters, unseres einzigen Erlösers, entsprechen. Zugleich ist es dringend notwendig, neue Ausdrucksweisen für die Verkündigung des Glaubens zu entdecken, der uns verbindet; eine gemeinsame Sprache, eine spirituelle Sprache, die imstande ist, die geoffenbarten Wahrheiten getreu zu vermitteln, und die uns hilft, die Einheit unter allen Gliedern des einen Leibes Christi in der Wahrheit und Liebe wiederherzustellen. Diese Notwendigkeit, die wir alle spüren, drängt uns, nicht den Mut zu verlieren, sondern den theologischen Dialog insgesamt zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche unermüdlich weiterzuführen. Sie gibt uns Orientierung, um gültige und feststehende Mittel zu verwenden, damit die Suche nach Gemeinschaft in Leben und Sendung unserer Kirchen nicht unterbrochen oder nur gelegentlich geführt wird.

Angesichts dieses schwierigen Werkes, das uns erwartet und das die menschlichen Fähigkeiten übersteigt, ist es notwendig, vor allem auf das Gebet zu vertrauen. Das enthebt aber nicht von der Pflicht, auch jedes geeignete menschliche Mittel anzuwenden, das diesem Zweck dienen kann. In dieser Sicht betrachte ich Ihren Besuch als eine äußerst nützliche Initiative, die uns auf die von Christus gewollte Einheit zugehen läßt. Wir wissen, daß diese Einheit ein Geschenk und eine Frucht des Heiligen Geistes ist; aber wir wissen auch, daß sie zugleich eine beständige Anstrengung erfordert und von einem festen Willen und einer unerschütterlichen Hoffnung auf die Macht des Herrn beseelt sein muß. Haben Sie also Dank, Seligkeit, daß Sie gekommen sind und mich mit den Brüdern in Ihrer Begleitung besuchen; danke für diese Präsenz, die den Wunsch, gemeinsam die volle Einheit zu suchen, konkret zum Ausdruck bringt. Ich meinerseits versichere Ihnen, daß ich diesen von fester Hoffnung gestützten Wunsch teile. Ja, »der Gott der Geduld und des Trostes schenke euch die Einmütigkeit, die Christus Jesus entspricht«. So wenden wir uns vertrauensvoll an den Herrn, damit er unsere Schritte auf den Weg des Friedens, der Freude und der Liebe lenke.



GEMEINSAME ERKLÄRUNG


»Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel« (Ep 1,3).

1. Wir, Benedikt XVI., Papst und Bischof von Rom, und Chrysostomos II., Erzbischof von Neoiustinianum und ganz Zypern, danken Gott mit Freude für diese brüderliche Begegnung im gemeinsamen Glauben an den auferstandenen Christus, voller Hoffnung für die Zukunft der Beziehungen zwischen unseren Kirchen. Dieser Besuch hat uns feststellen lassen, daß diese Beziehungen sowohl auf lokaler Ebene als auch im Bereich des theologischen Dialogs zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche als ganzer gewachsen sind. Zu diesem Dialog hat die Delegation der Kirche von Zypern stets einen positiven Beitrag geleistet, als sie unter anderem 1983 dem Koordinierungsausschuß der Gemischten Internationalen Kommission für den theologischen Dialog Gastfreundschaft gewährte, so daß die katholischen und orthodoxen Mitglieder, außer die anstrengende Vorbereitungsarbeit zu tätigen, die großen künstlerischen und spirituellen Reichtümer der Kirche Zypern besuchen und bewundern konnten.

2. Bei dem glücklichen Anlaß unserer brüderlichen Begegnung an den Gräbern der hll. Petrus und Paulus, der »Koryphäen« der Apostel, wie sie die liturgische Überlieferung nennt, wollen wir im Gehorsam gegenüber dem Willen Unseres Herrn Jesus Christus in gemeinsamer Übereinstimmung unsere aufrichtige und feste Bereitschaft erklären, die Suche nach der vollen Einheit unter allen Christen zu verstärken und hierzu jede uns mögliche und für das Leben unserer Gemeinden für nützlich gehaltene Kraft aufzuwenden. Wir wünschen uns, daß die katholischen und die orthodoxen Gläubigen Zyperns brüderlich und in der vollen Solidarität leben, die auf dem gemeinsamen Glauben an den auferstandenen Christus gründet. Wir wollen außerdem den theologischen Dialog unterstützen und fördern, der sich durch die zuständige Internationale Kommission anschickt, die schwierigsten Fragen anzugehen, die die Geschichte der Trennung gezeichnet haben. Man muß ein grundsätzliche Vereinbarung zur vollen Gemeinschaft im Glauben, im sakramentalen Leben und in der Ausübung des pastoralen Dienstes erreichen. Diesem Ziel sichern wir unser glühendes Gebet als Bischöfe in der Kirche zu und bitten unsere Gläubigen, sich uns in einer vielstimmigen Anrufung anzuschließen, »daß alle eins seien, damit die Welt glaubt« (Jn 17,21).

3. Bei unserer Begegnung haben wir die historischen Umstände betrachtet, unter denen unsere Kirchen leben. Im besonderen haben wir die Situation der Teilung und der Spannungen untersucht, die seit über dreißig Jahren die Insel Zypern kennzeichnen, mit all den tragischen täglichen Problemen, die auch das Leben unserer Gemeinden und der einzelnen Familien belasten. Wir haben weiter die Situation im Nahen Osten erörtert, wo der Krieg und die Gegensätze zwischen den Völkern sich auszuweiten drohen – mit verheerenden Folgen. Wir haben um den Frieden gefleht, »der von oben kommt«. Unsere Kirchen wollen eine Befriedungsrolle in Gerechtigkeit und Solidarität spielen, und damit das alles geschehen kann, ist es unser Wunsch, die brüderlichen Beziehungen unter allen Christen und einen aufrichtigen Dialog zwischen den verschiedenen, in der Region anwesenden und tätigen Religionen zu fördern. Der Glaube an den einen Gott möge den Menschen dieser alten und berühmten Länder helfen, zu einem freundschaftlichen Zusammenleben in gegenseitiger Achtung und in konstruktiver Zusammenarbeit zurückzufinden.

4. Wir richten daher diesen Appell an alle, die, wo auch immer auf der Welt, die Hand gegen die eigenen Brüder erheben, und fordern sie entschlossen auf, die Waffen niederzulegen und darauf hinzuwirken, daß die vom Krieg verursachten Wunden geheilt werden. Wir laden sie darüber hinaus ein, sich dafür einzusetzen, daß die Menschenrechte immer und in jeder Nation verteidigt werden: Die Achtung des Menschen, Ebenbild Gottes, ist in der Tat für alle eine grundlegende Pflicht. So muß unter die zu schützenden Menschenrechte als vorrangig auch das Recht auf Religionsfreiheit gezählt werden. Es nicht zu respektieren, stellt eine sehr schwere Verletzung der Würde des Menschen dar, der im Innersten des Herzens getroffen wird, wo Gott wohnt. Die Kultstätten irgendeiner Religion zu entweihen, zu zerstören und zu plündern, ist daher ein Akt gegen die Menschlichkeit und die Zivilisation der Völker.

5. Wir haben es nicht versäumt, über eine neue Gelegenheit nachzudenken, die sich für einen intensiveren Kontakt und eine konkretere Zusammenarbeit zwischen unseren Kirchen eröffnet. Der Aufbau der Europäischen Union kommt in der Tat voran, und Katholiken und Orthodoxe sind aufgerufen, zur Schaffung eines Klimas der Freundschaft und Zusammenarbeit beizutragen. In einer Zeit der zunehmenden Säkularisierung und des Relativismus sind Katholiken und Orthodoxe in Europa dazu aufgerufen, ein gemeinsames erneuertes Zeugnis der ethischen Werte zu bieten, immer dazu bereit, von ihrem Glauben an Jesus Christus, den Herrn und Retter, Rechenschaft abzulegen. Die Europäische Union, die sich nicht auf eine rein wirtschaftliche Zusammenarbeit beschränken darf, braucht feste kulturelle Grundlagen, gemeinsame ethische Bezugspunkte und eine Offenheit für die religiöse Dimension. Es gilt, die christlichen Wurzeln Europas, die seine Zivilisation in den Jahrhunderten groß gemacht haben, zu beleben und anzuerkennen, daß die christliche Tradition des Westens und jene des Ostens in diesem Sinn eine gemeinsame wichtige Aufgabe zu erfüllen haben.

6. Bei unserer Begegnung haben wir dann den langen geschichtlichen Weg unserer Kirchen und die große Tradition betrachtet: Sie reicht von der Verkündigung der ersten Jünger, die nach der Verfolgung des Stephanus aus Jerusalem nach Zypern kamen, und über die Fahrt des Paulus entlang der Küsten Zyperns nach Rom, wie die Apostelgeschichte erzählt (vgl. Apg Ac 11,19 27,4ff. ), bis in unsere Tage. Das reiche Glaubenserbe und die feste christliche Tradition unserer Länder müssen Katholiken und Orthodoxe zu einem erneuerten Elan bei der Verkündigung des Evangeliums an unsere Zeit anspornen, um unserer christlichen Berufung treu zu sein und den Erfordernissen der heutigen Welt zu entsprechen.

7. Ernstliche Sorge weckt die Art und Weise, wie mit den Problemen im Bereich der Bioethik umgegangen wird. Es besteht nämlich die Gefahr, daß gewisse Techniken, die in der Absicht konzipiert wurden, berechtigte Bedürfnisse zu erfüllen, im Fall, daß sie auf die Genetik angewandt werden, tatsächlich die Würde des nach Gottes Ebenbild geschaffenen Menschen angreifen. Die Ausbeutung des Menschen, mißbräuchliche Versuche und Experimente einer Biogenetik, die die ethischen Werte nicht respektiert, beleidigen das Leben, richten sich gegen die Unverletzlichkeit und Würde jeder menschlichen Person und können und dürfen in keinem Augenblick ihrer Existenz gerechtfertigt oder erlaubt werden.

8. Gleichzeitig veranlassen uns diese ethischen Überlegungen und die gemeinsame Sorge um das menschliche Leben, jene Nationen, die mit Gottes Gnade bedeutende Fortschritte in Wirtschaft und Technologie erreicht haben, zu ermahnen, ihre Brüder in den von Armut, Hunger und Krankheiten betroffenen Ländern nicht zu vergessen. Wir fordern daher die Verantwortlichen der Nationen auf, im Geist der Solidarität mit den Armen und mit allen Notleidenden der Welt eine gerechte Verteilung der Ressourcen der Erde zu unterstützen und zu fördern.

9. Als ebenso übereinstimmend haben sich unsere Sorgen angesichts der Gefahr der Zerstörung der Schöpfung erwiesen. Der Mensch hat sie empfangen, damit er mit ihr den Plan Gottes verwirklichen könne. Dadurch jedoch, daß sich der Mensch selbst zum Zentrum des Universums erhob, den Auftrag Gottes vergaß und sich in eine egoistische Suche nach dem eigenen Wohlergehen zurückzog, hat er die Umwelt, in der er lebt, verwaltet, indem er Entscheidungen traf, die deren Existenz in Gefahr bringen, während sie von seiten aller, die sie bewohnen, Respekt und Schutz verlangt.

10. Gemeinsam richten wir unser Gebet an den Herrn der Geschichte, daß er das Zeugnis unserer Kirchen stärke, damit die Heilsbotschaft des Evangeliums die jungen Generationen erreiche und zum Licht für alle Menschen werde. Dazu vertrauen wir unsere Wünsche und unsere Bemühungen der Theotokos [»Gottesgebärerin«] an, der Muttergottes Odigitria [»Wegweiserin«], die uns den Weg zu Unserem Herrn Jesus Christus weist.



Aus dem Vatikan, am 16. Juni 2007
Benedictus PP. XVI.


Chrysostomos II.


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PASTORALBESUCH

VON PAPST BENEDIKT XVI.

IN ASSISI

BEGEGNUNG MIT DEN BAYERISCHEN KAPUZINERINNEN

Sonntag, 17. Juni 2007



Liebe Schwestern,

als wir miteinander, Bischof Sorrentino und ich, diesen Besuch vereinbart haben, habe ich gleich gesagt: »Ich muß aber die bayerischen, die deutschen Kapuzinerinnen sehen.« Die gehören für mich ganz fest zu Assisi, und ich habe so viele schöne Erinnerungen an die Begegnungen in ihrem Haus, vor und nach dem Erdbeben, daß für mich ein Besuch in Assisi ohne Begegnung mit den Kapuzinerinnen, den deutschen, wirklich nur ein halbes Assisi-Erlebnis gewesen wäre. So freue ich mich: Wir sind hier beieinander, fast wie wenn wir in Ihrem eigenen Kloster wären. Ich bin sehr dankbar und glücklich, daß die Vorsehung vor Jahrhunderten dieses Kloster in Gang gebracht hat, daß es immer wieder lebt, daß aus den deutschen Landen, besonders aus den bayerischen Landen, immer wieder junge Menschen hierherkommen und in Gemeinschaft mit dem hl. Franziskus den Weg des Herrn gehen: den Weg der Armut, der Keuschheit, des Gehorsams, vor allem der Weg der Liebe zu Christus und zu seiner Kirche.

Ich weiß, daß Sie viel für mich und für die ganze Kirche beten. Das ist für mich ständig eine Stärkung, zu wissen, daß hinter mir so viele betende Menschen stehen, so viele liebe betende Schwestern stehen, die meine Arbeit von innen her mittragen. So ist es mir auch ein Bedürfnis, ein Wort des Dankes dafür zu sagen. Wir feiern in diesem Jahr die Konversion, die Bekehrung, des hl. Franziskus. Wir wissen, daß wir immer wieder der Bekehrung bedürfen, daß wir ein Leben lang in dem oft mühsamen, aber immer wieder auch schönen Aufstieg der Bekehrungen sind, daß wir so Tag um Tag dem Herrn näherkommen. Der hl. Franziskus zeigt es uns auch, wie er in seinem Leben von dieser ersten tiefen Begegnung mit dem Gekreuzigten in »San Damiano« an immer mehr hineingewachsen ist in die Gemeinschaft mit Christus, bis er in der Stigmatisierung völlig mit ihm eins geworden ist. Darum suchen wir, darum ringen wir, daß wir immer mehr seine Stimme hören, daß sie immer mehr in unser Herz eindringt, daß sie immer mehr unser Leben formt und daß wir so von innen her ihm ähnlich werden, daß in uns die Kirche lebendig sei. Wie Maria lebendige Kirche in Person war, so werdet Ihr durch Euer Beten, Glauben, Hoffen und Lieben lebendige Kirche und gerade so eins mit dem einen Herrn. Vergelt’s Gott für alles. Ich bin dem Herrn wirklich dankbar, daß wir uns hier sehen durften.

Wir haben auch ein kleines Geschenk. (Ich sage natürlich Vergelt’s Gott für die Blumen!) Wir haben ein Bild der Gottesmutter mitgebracht, das dann an den Besuch erinnern soll, bei dem wir uns hier begegnen durften.

Ich glaube ich darf noch ein Lied hören…(Gesang der Schwestern) Vergelt’s Gott! Das ist ein Lied, das wir im Traunsteiner Seminar auch oft gesungen haben und das mich wieder in meine frühe Jugend zurückversetzt und so die ganze Freude am Herrn und an der Muttergottes wieder spüren läßt, die wir damals und jetzt in uns getragen haben und tragen. Ich darf noch den Segen geben.


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PASTORALBESUCH VON PAPST BENEDIKT XVI.

IN ASSISI ANLÄSSLICH DER

800-JAHRFEIER DER BEKEHRUNG DES HL. FRANZISKUS

BEGEGNUNG MIT DEM KLERUS UND DEN ORDENSLEUTEN

Kathedrale von "San Rufino"
Sonntag, 17. Juni 2007

Liebe Priester und Diakone, Ordensmänner und Ordensfrauen!


Ich kann aufrichtig sagen, daß es mein großer Wunsch war, euch in dieser altehrwürdigen Kathedrale zu begegnen, in der sich gewöhnlich die Diözesankirche um ihren Bischof versammelt. Heute morgen bin ich während der Eucharistiefeier bei der Basilika des hl. Franziskus inmitten des in seinen verschiedenen Teilen versammelten Gottesvolkes gewesen; es schien mir schön, euch eine besondere Begegnung vorzubehalten, dies auch angesichts der großen Zahl geweihter Personen in dieser Diözese. Ich danke Herrn Bischof Domenico Sorrentino, dem Hirten dieser Kirche, daß er eure Empfindungen der Gemeinschaft und der Zuneigung zum Ausdruck gebracht hat. Diese Zuneigung habe ich auch sofort gespürt. Ich danke sehr herzlich dem emeritierten Bischof Sergio Goretti, der über Jahre hinweg – 25 Jahre lang, wie wir gehört haben – diese Kirche geleitet hat, die sich durch eine lange Geschichte der Heiligkeit auszeichnet. Ich erinnere mich an viele schöne Begegnungen, die wir hier in Assisi hatten. Danke, Exzellenz!

Wie ihr wißt und wie Herr Bischof Sorrentino in Erinnerung gerufen hat, ist der Anlaß, der mich heute nach Assisi geführt hat, die 800-Jahr-Feier der Bekehrung des Franziskus. Auch ich habe mich als Pilger auf den Weg gemacht. Bereits als Student und als ich mich später auf einen Lehrstuhl vorbereitete, habe ich den hl. Bonaventura studiert und folglich auch den hl. Franziskus. Schon lange bevor ich Assisi tatsächlich besucht habe, bin ich im Geiste dorthin gepilgert. So freue ich mich, auf dieser langen Pilgerreise meines Lebens heute hier mit euch in der Kathedrale zu sein, mit euch Priestern, Ordensmännern und Ordensfrauen. Ich bin auf den Spuren des »Poverello« gekommen, und so wird er der hauptsächliche Bezugspunkt dessen sein, was ich sage. Aber gerade hier in dieser Kathedrale kann ich die anderen Heiligen nicht unerwähnt lassen, die das Leben dieser Kirche geprägt haben, angefangen bei ihrem Patron, dem hl. Rufinus, zu dem sich der hl. Rainald und der sel. Angelus gesellen. Neben Franziskus steht selbstverständlich Klara, deren Haus sich in der Nähe dieser Kathedrale befand. Ich durfte soeben das Taufbecken sehen, in dem der Überlieferung zufolge sowohl der hl. Franziskus als auch die hl. Klara die Taufe empfingen, ebenso wie später der hl. Gabriel von der Schmerzhaften Gottesmutter.

Diese Tatsache bietet mir den Ausgangspunkt für eine erste Überlegung. Wenn wir heute von der Bekehrung des Franziskus sprechen und dabei an die radikale Lebensentscheidung denken, die er als junger Mann traf, dann dürfen wir nicht vergessen, daß seine erste »Bekehrung« geschah, als er das Geschenk der Taufe empfing. Die vollgültige Antwort, die er als Erwachsener gab, war nichts anderes als der herangereifte Keim der Heiligkeit, den er damals erhalten hatte. Es ist wichtig, daß wir uns in unserem Leben und im seelsorglichen Angebot die mit der Taufe verbundene Dimension der Heiligkeit stärker zu Bewußtsein führen. Sie ist Geschenk und Aufgabe für alle Getauften. Auf diese Dimension nahm mein verehrter und geliebter Vorgänger im Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte Bezug, als er schrieb: »Einen Katechumenen fragen: ›Möchtest du die Taufe empfangen?‹, schließt gleichzeitig die Frage ein: ›Möchtest du heilig werden?‹« (Nr. 31).

Den Millionen von Pilgern, die, angezogen vom Charisma des Franziskus, durch diese Straßen gehen, muß man helfen, den wesentlichen Kernpunkt des christlichen Lebens zu erfassen und den »hohen Maßstab«, also die Heiligkeit, anzustreben. Es genügt nicht, daß sie Franziskus bewundern, sondern durch ihn müssen sie Christus begegnen können, um ihn zu bekennen und ihn »mit rechtem Glauben, gefestigter Hoffnung und vollendeter Liebe« zu lieben (Gebet vor dem Kreuzbild von »San Damiano«, 1: FF 276). Immer öfter müssen sich die Christen unserer Zeit der Tendenz entgegenstellen, ein verkürztes Christusbild zu akzeptieren, in dem Christus als außergewöhnlicher Mensch bewundert, aber im tiefen Geheimnis seiner Gottheit abgelehnt wird. Auch Franziskus erfährt eine Art Verkürzung, wenn man ihn als Zeugen für Werte heranzieht, die gewiß wichtig sind und von der heutigen Kultur geschätzt werden, dabei aber vergißt, daß die tiefste Entscheidung – man kann sagen das Herzstück seines Lebens – die Entscheidung für Christus war. In Assisi bedarf es mehr denn je einer pastoralen Linie von hohem Niveau. Dazu ist es notwendig, daß ihr, die Priester und Diakone, und ihr, die Personen des geweihten Lebens, sehr stark das Privileg und die Verantwortung wahrnehmt, an diesem Ort der Gnade zu leben. Es ist wahr, daß die Menschen, die in diese Stadt kommen, allein schon von ihren »Steinen« und von ihrer Geschichte eine Botschaft erhalten, die ihnen guttut. Die Steine sprechen wirklich, aber das entbindet nicht von einem soliden geistlichen Angebot, das auch hilft, den vielen Versuchungen des Relativismus, der die Kultur unserer Zeit prägt, zu begegnen.

Assisi besitzt die Gabe, Menschen vieler Kulturen und Religionen anzuziehen, im Namen eines Dialogs, der einen unverzichtbaren Wert darstellt. Johannes Paul II. hat seinen eigenen Namen mit diesem Bild von Assisi als Stadt des Dialogs und des Friedens verbunden. In diesem Zusammenhang begrüße ich es sehr, daß ihr seine besondere Beziehung zu dieser Stadt auch dadurch ehrt, daß ihr ihm neben der Kathedrale einen Saal mit Malereien, die ihn darstellen, gewidmet habt. Johannes Paul II. sah deutlich, daß die Berufung Assisis zum Dialog an die Botschaft des Franziskus gebunden ist und sich auf die tragenden Säulen seiner Spiritualität stützen muß. Bei Franziskus geht alles von Gott aus und kehrt zu Gott zurück. Sein Lobpreis Gottes offenbart ein Herz, das im ständigen Dialog mit der Dreifaltigkeit steht. Seine Beziehung zu Christus findet in der Eucharistie ihren bedeutendsten Ort. Auch die Nächstenliebe entfaltet sich von der Gotteserfahrung und von der Liebe Gottes her. Als er in seinem Testament sein Zugehen auf die Aussätzigen als das Ereignis darstellte, mit dem seine Bekehrung begann, hob er hervor, daß Gott selbst ihn zu jener barmherzigen Umarmung geführt hat (vgl. 2 Test 2: FF 110). Die verschiedenen biographischen Zeugnisse beschreiben seine Bekehrung übereinstimmend als eine allmähliche Öffnung gegenüber dem Wort, das vom Himmel kommt. Dieselbe Logik wird sichtbar, wenn er aus Liebe zu Gott um Almosen bittet und diese verteilt (vgl. 2 Cel 47,77: FF 665). Sein Blick auf die Natur ist in Wirklichkeit eine Kontemplation des Schöpfers in der Schönheit der Geschöpfe. Auch sein Friedensgruß wird zum Gebet, da ihm offenbart wurde, wie er ihn formulieren sollte: »Der Herr schenke dir den Frieden« (2 Test: FF 121). Franziskus ist ein Mensch, der für die anderen da ist, weil er bis auf den tiefsten Grund ein Mann Gottes ist. Wenn man versucht, in seiner Botschaft die »horizontale« von der »vertikalen« Dimension zu trennen, dann macht man Franziskus unkenntlich.

Ihr, Diener des Evangeliums und des Altars, und ihr, Ordensmänner und Ordensfrauen, habt die Aufgabe, eine Verkündigung des christlichen Glaubens zu entfalten, die den Herausforderungen der heutigen Zeit gewachsen ist. Ihr habt eine große Geschichte, und ich möchte euch meine Anerkennung aussprechen für das, was ihr bereits tut. Wenn ich heute als Papst nach Assisi zurückgekehrt bin, so wißt ihr dennoch, daß ich diese Stadt nicht zum ersten Mal besuche und daß sie mir stets einen wunderschönen Eindruck hinterlassen hat. Eure geistliche und pastorale Tradition muß fest in ihren ewigen Werten verankert bleiben und sich gleichzeitig erneuern, um auf die neuen Fragen eine echte Antwort zu geben. Ich möchte euch daher ermutigen, vertrauensvoll dem Pastoralplan zu folgen, den euer Bischof euch vorgelegt hat. In ihm werden die großen und anspruchsvollen Perspektiven der Gemeinschaft, der Nächstenliebe und der Sendung aufgezeigt, indem hervorgehoben wird, daß sie in einer echten Bekehrung zu Christus verwurzelt sind. Die »lectio divina«, die Zentralität der Eucharistie, das Stundengebet und die eucharistische Anbetung sowie die Betrachtung der Geheimnisse Christi aus der marianischen Sichtweise des Rosenkranzes heraus gewährleisten die Atmosphäre und die geistliche Spannung, ohne die alle pastoralen Initiativen, das Gemeinschaftsleben und selbst der Einsatz für die Armen Gefahr laufen würden, an unseren Schwächen und unserer Kraftlosigkeit zu scheitern.

Nur Mut, meine Lieben! Aus allen Teilen der Erde blickt die Kirche mit besonderer Liebe auf diese Stadt, auf diese kirchliche Gemeinschaft. Der Name des Franziskus und neben ihm der Name der Klara verlangen danach, daß diese Stadt sich durch besonderen missionarischen Schwung auszeichnet. Aber gerade deshalb muß diese Kirche auch aus einer tiefen Erfahrung der Gemeinschaft heraus leben. Aus diesem Blickwinkel muß das Motu Proprio Totius Orbis betrachtet werden, durch das ich verfügt habe, wie euer Bischof bereits erwähnte, daß die großen Päpstlichen Basiliken »San Francesco« und »Santa Maria degli Angeli« auf pastoraler Ebene der Jurisdiktion des Bischofs dieser Kirche unterstellt werden, auch wenn der Heilige Stuhl ihnen durch den Päpstlichen Legaten weiterhin besondere Aufmerksamkeit widmen wird. Ich freue mich wirklich zu erfahren, daß der neue Weg im Zeichen einer großen Bereitschaft und Zusammenarbeit begonnen hat, und bin sicher, daß er reiche Früchte tragen wird.

Aus verschiedenen Gründen war es wirklich an der Zeit, diese Richtung einzuschlagen. Sie war angeraten durch die neue Bedeutung, die das Zweite Vatikanische Konzil der Theologie der Teilkirche gegeben hat, indem es zeigte, daß in der Teilkirche das Geheimnis der Gesamtkirche zum Ausdruck kommt. Die Teilkirchen sind nämlich »nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet … In ihnen und aus ihnen (›in quibus et ex quibus‹) besteht die eine und einzige katholische Kirche« (Konstitution Lumen gentium LG 23). Das Ganze und die einzelnen Teile verweisen gegenseitig aufeinander. Die einzelnen Kirchen leben ihre Identität als »Teile« des Gottesvolkes und bringen gerade so auch die Gemeinschaft und die »Diakonie« gegenüber der Gesamtkirche überall auf der Welt zum Ausdruck, die vom Heiligen Geist beseelt ist und der der Dienst der Einheit des Nachfolgers Petri gilt. Jede Diözese besitzt diese »katholische« Öffnung, die irgendwie alle Dimensionen ihres Lebens prägt. Sie wird jedoch stärker, wenn eine Kirche über ein Charisma verfügt, das über ihre eigenen Grenzen hinaus wirkt und die Menschen anzieht. Und wie sollte man bestreiten, daß das Charisma des Franziskus und seiner Botschaft eben das tut? Die vielen Pilger, die nach Assisi kommen, spornen diese Kirche an, über sich selbst hinauszugehen. Andererseits hat Franziskus unbestreitbar eine besondere Beziehung zu seiner Stadt. Assisi und der Weg der Heiligkeit des großen Sohnes dieser Stadt bilden in gewisser Weise ein Ganzes. Das zeigt auch meine heutige Pilgerreise, die mich an viele, wenn auch gewiß nicht an alle Orte der Lebensgeschichte des Franziskus in dieser Stadt führt. Ich möchte auch betonen, daß die Spiritualität des Franziskus von Assisi sowohl dabei helfen kann, die Universalität der Kirche zu erfassen, die er durch seine besondere Verehrung des Stellvertreters Christi zum Ausdruck brachte, als auch dabei, den Wert der Teilkirche zu begreifen, da seine Bindung an den Bischof von Assisi stark und der eines Sohnes gleich war. Man muß nicht nur den biographischen, sondern auch den »ekklesiologischen« Wert der Begegnung des jungen Franziskus mit dem Bischof Guido wiederentdecken, unter dessen Urteil er seine Lebensentscheidung für Christus stellte und in dessen Hände er sie legte – und so auf alles verzichtete (vgl. 1 Cel I,6,14–15: FF 343–344).

Auch durch den Bedarf nach einer besser koordinierten und wirksameren Pastoralarbeit war es angeraten, eine einheitliche Ordnung herzustellen, wie das Motu Proprio sie gewährleistet. Das Zweite Vatikanische Konzil und das darauf folgende Lehramt haben betont, daß die Personen und die Gemeinschaften des geweihten Lebens, auch die päpstlichen Rechts, sich auf organische Weise und nach Maßgabe ihrer Konstitutionen sowie der Gesetze der Kirche in das Leben der Teilkirche einfügen sollen (vgl. Dekret Christus Dominus, 33–35; CIC 678–680). Diese Gemeinschaften dürfen mit Recht die Annahme und die Achtung ihres Charismas erwarten, sie müssen es aber dennoch vermeiden, wie »Inseln « zu leben, sondern müssen sich mit Überzeugung und Großherzigkeit in den Dienst und in den Pastoralplan einfügen, den der Bischof für die ganze Diözesangemeinschaft aufgestellt hat.

Ich richte einen besonderen Gruß an euch, liebe Priester, die ihr gemeinsam mit den Diakonen Tag für Tag im Dienst des Gottesvolkes steht. Eure Begeisterung, eure Gemeinschaft, euer Gebetsleben und euer großherziger Dienst sind unverzichtbar. Es kann passieren, daß angesichts der neuen Herausforderungen und Schwierigkeiten etwas Ermüdung oder Angst sich einstellen, aber wir müssen darauf vertrauen, daß der Herr uns die notwendige Kraft geben wird, das zu tun, worum er uns bittet. Er wird es – darum beten wir und dessen sind wir gewiß – nicht an Berufungen fehlen lassen, wenn wir inständig im Gebet darum bitten und gleichzeitig Sorge tragen, sie zu suchen und zu bewahren durch eine Jugend und Berufungspastoral, die reich ist an Eifer und an Erfindungsgabe und die die Schönheit des Priesteramts aufzeigen kann. In diesem Zusammenhang grüße ich sehr herzlich auch die Oberen und Alumnen des »Pontificio Seminario Regionale Umbro«.

Ihr, die geweihten Personen, legt mit eurem Leben Zeugnis ab von der Hoffnung, die ihr in Christus gesetzt habt. Für diese Kirche seid ihr ein großer Reichtum, sowohl im Bereich der Gemeindepastoral als auch für die vielen Pilger, die euch oft um Gastfreundschaft bitten und die auch ein geistliches Zeugnis erwarten. Haltet besonders ihr, die Klausurschwestern, die Fackel der Kontemplation hoch. Jeder von euch möchte ich noch einmal wiederholen, was die hl. Klara in einem Brief an Agnes von Böhmen schrieb, als sie diese aufforderte, Christus zu ihrem »Spiegel« zu machen: »In diesen Spiegel schaue täglich, o Königin, Braut Jesu Christi, und spiegle stets in ihm dein Angesicht« (4 Agn 15: FF 2902). Euer verborgenes und dem Gebet geweihtes Leben entzieht euch nicht der missionarischen Dynamik der Kirche, sondern es stellt euch im Gegenteil in ihren Mittelpunkt. Je größer die apostolischen Herausforderungen sind, desto mehr bedarf es eures Charismas. Seid Zeichen der Liebe Christi, auf die alle anderen Brüder und Schwestern schauen können, die den Mühen ausgesetzt sind, die das apostolische Leben und der Einsatz der Laien in der Welt mit sich bringen.

Ich versichere euch voll Vertrauen meiner Zuneigung, und indem ich euch der Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria und eurer Heiligen anvertraue, angefangen bei Franziskus und Klara, erteile ich allen einen besonderen Apostolischen Segen.


AN SEINE HEILIGKEIT MAR DINKHA IV.,

KATHOLIKOS-PATRIARCH DER ASSYRISCHEN KIRCHE DES OSTENS Donnerstag, 21. Juni 2007

Heiligkeit!


Mit Freude begrüße ich Sie im Vatikan zusammen mit den Bischöfen und Priestern, die Sie bei diesem Besuch begleiten. Mein herzlicher Gruß gilt auch allen Mitgliedern des Heiligen Synod, den Priestern und den Gläubigen der assyrischen Kirche des Ostens. So wie der hl. Paulus bete auch ich: »Der Herr des Friedens aber schenke euch den Frieden zu jeder Zeit und auf jede Weise« (2Th 3,16).

Bei verschiedenen Anlässen sind Eure Heiligkeit und mein geliebter Vorgänger Papst Johannes Paul II. zusammengetroffen. Ganz besonders bedeutsam war Ihr Besuch im November 1994, als Sie in Begleitung verschiedener Mitglieder des Heiligen Synods nach Rom kamen, um die Gemeinsame Erklärung zur Christologie zu unterzeichnen. Diese Erklärung beinhaltete auch den Beschluß, eine Gemeinsame Kommission für den Theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und der assyrischen Kirche des Ostens zu gründen. Die Gemeinsame Kommission widmete sich dem wichtigen Studium des sakramentalen Lebens in unseren jeweiligen Traditionen und konnte bezüglich der Anaphora der Apostel Addai und Mari eine Einigung herbeiführen. Mit tiefer Dankbarkeit anerkenne ich die Resultate dieses Dialogs, die im Hinblick auf andere umstrittene Fragen auf weitere Fortschritte hoffen lassen. Gewiß verdienen diese Erfolge besser bekannt und anerkannt zu werden, da sie verschiedene Formen pastoraler Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Gemeinschaften ermöglichen.

Die assyrische Kirche des Ostens ist in jenen alten Ländern verwurzelt, deren Namen mit der Geschichte des göttlichen Heilsplans für alle Menschen verbunden sind. In den frühen Jahren der Kirche haben die Christen dieser Länder vor allem durch ihre missionarische Aktivität in den abgelegenen Gebieten des Ostens auf bemerkenswerte Art und Weise zur Verbreitung des Evangeliums beigetragen. Tragischerweise leiden die Christen in dieser Region heute sowohl in materieller als auch in spiritueller Hinsicht. Vor allem im Irak, der Heimat zahlreicher assyrischer Gläubigen, spüren die christlichen Familien und Gemeinschaften in zunehmendem Maß den durch Unsicherheit, Aggression und das Gefühl der Verlassenheit verursachten Druck. Viele von ihnen sehen keine andere Möglichkeit als die, das Land zu verlassen und im Ausland eine neue Zukunft zu suchen. Diese Probleme bereiten mir große Sorge, und ich möchte meine Solidarität mit den Hirten und den Gläubigen jener christlicher Gemeinschaften ausdrücken, die oft zum Preis heroischer Opfer dort ausharren. In diesen bedrängten Gebieten müssen die Gläubigen, Katholiken wie Assyrer, zusammenarbeiten. Ich hoffe und bete, daß sie stets wirksamere Wege finden werden, sich gegenseitig für das Wohl aller zu stützen und zu helfen.

Infolge späterer Auswanderungswellen leben heute zahlreiche Christen der Ostkirchen im Westen. Diese neue Situation stellt ihre christliche Identität und ihr Leben als Gemeinschaft vor eine Reihe von Herausforderungen. Doch gleichzeitig, wenn Christen des Ostens und des Westens Seite an Seite leben, bietet sich ihnen eine wertvolle Gelegenheit der gegenseitigen Bereicherung und des volleren Verständnisses der Katholizität der Kirche, die, als Pilgerin in dieser Welt, in einer Vielfalt von kulturellen, gesellschaftlichen und menschlichen Kontexten lebt, betet und für Christus Zeugnis ablegt. Mit voller Achtung der lehramtlichen und disziplinären Traditionen sind katholische und assyrische Christen berufen, antagonistische Haltungen und polemische Stellungnahmen zurückzuweisen, ihren gemeinsamen christlichen Glauben stets eingehender zu verstehen und als Brüder und Schwestern Zeugnis zu geben für Jesus Christus, »Gottes Kraft und Gottes Weisheit« (1Co 1,24).

Neue Hoffnungen und Möglichkeiten wecken gelegentlich neue Ängste, und das trifft auch zu im Hinblick auf ökumenische Beziehungen. Gewisse jüngste Entwicklungen in der assyrischen Kirche des Ostens haben für die vielversprechende Arbeit der Gemeinsamen Kommission einige Hindernisse erbracht. Es ist zu hoffen, daß die fruchtbare Arbeit, die die Kommission im Laufe der Jahre geleistet hat, fortgesetzt werden kann, ohne jemals das eigentliche Ziel unseres gemeinsamen Wegs zur Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft aus den Augen zu verlieren.

Das Arbeiten für die christliche Einheit ist in der Tat eine Pflicht, die unserer Treue zu Christus, dem Hirten der Kirche, entspringt, der sein Leben hingegeben hat, um »die versprengten Kinder Gottes zu sammeln« (Joh 11,51–52). Wie lang und mühsam der Weg zur Einheit auch immer scheinen mag, der Herr fordert uns auf, unsere Hände und Herzen zu vereinen, damit wir ihn gemeinsam klarer und deutlicher bezeugen und unseren Brüdern und Schwestern besser dienen können, insbesondere in den notleidenden Regionen des Ostens, wo viele unserer Gläubigen voll Hoffnung und Erwartung auf uns, ihre Hirten, schauen.

Mit diesen Empfindungen möchte ich Eurer Heiligkeit nochmals danken für Ihre heutige Anwesenheit und Ihr Bestreben, den Weg des Dialogs und der Einheit weiterzugehen. Möge der Herr Ihr Amt reichlich segnen und Sie und die Gläubigen unterstützen, denen Sie mit seinen Gaben der Weisheit, der Freude und des Friedens dienen.

AN DIE TEILNEHMER DER JAHRESVERSAMMLUNG DER

UNION DER HILFSWERKE FÜR DIE ORIENTALISCHEN KIRCHEN (ROACO) Clementina-Saal

Donnerstag, 21. Juni 2007

Seligkeit,

verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Freunde der ROACO!

Die heutige Begegnung läßt mich mit Freude an meinen jüngsten Besuch in der Kongregation für die Orientalischen Kirchen anläßlich ihres 90jährigen Bestehens zurückdenken. Sie, Eminenz, haben mir bei dieser Gelegenheit im Namen der diesem Dikasterium angeschlossenen Einrichtungen einen besonderen Gruß übermittelt, und auch jetzt haben Sie erneut die herzlichen Wünsche aller zum Ausdruck gebracht. Gerne richte ich nun meinerseits meine Grüße an Seine Seligkeit Kardinal Ignace Moussa Daoud, an Erzbischof Antonio Maria Vegliò, an die Mitarbeiter der Kongregation, an die Verantwortlichen der zur ROACO (Union der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen) gehörenden Hilfswerke und nicht zuletzt an die Teilnehmer dieser Jahresversammlung.

Die Anwesenheit der verehrten Bischöfe der orientalischen Kirchen gibt mir die Möglichkeit, mit ihnen die Sorgen und Nöte zu teilen, die sie im Hinblick auf die heikle Situation vieler Gebiete des Nahen Ostens haben. Der so sehr erflehte und erwartete Frieden wird leider noch vielerorts mißachtet. Er wird mißachtet in den Herzen vieler einzelner Menschen und dies wiederum behindert die zwischenmenschlichen und gemeinschaftlichen Beziehungen. Hinzu kommen alte und neue Ungerechtigkeiten, welche die ohnehin geschwächte Position des Friedens weiterhin zuspitzen. Bis zu dem Punkt, an dem der Friede verschwindet und der Gewalt Platz macht, die oft in mehr oder weniger offen erklärte Kriege ausartet, die wiederum in der heutigen Zeit zum Brennpunkt internationaler Probleme werden. Gemeinsam mit jedem von euch und zusammen mit unseren Brüdern und Schwestern aller christlichen Kirchen und Gemeinschaften, aber auch mit denjenigen, die Gottes Namen ehren und die ihn mit aufrichtigem Gewissen suchen, sowie mit allen Menschen guten Willens möchte ich erneut an die Pforte des Herzens Gottes, des Schöpfers und Vaters, klopfen, um mit tiefem Vertrauen um das Geschenk des Friedens zu bitten. Ich klopfe auch an die Pforte des Herzens der Verantwortlichen, auf daß sie ihre wichtige Pflicht erfüllen, den Frieden für alle zu garantieren, ohne Unterschiede zu machen und indem sie ihn von der tödlichen Krankheit der religiösen, kulturellen, geschichtlichen und geographischen Diskriminierung befreien.

Durch den Frieden und dank der gemeinsamen Aufgabe eines stets aufrichtigen und verantwortungsvollen Dialogs möge die ganze Welt ihre eigentliche Berufung und Sendung wiederfinden, nämlich die des »gemeinsamen Hauses« aller Völker und Nationen. Ich möchte noch einmal zusichern, daß das Heilige Land, der Irak und der Libanon, mit all der Dringlichkeit und Beständigkeit, die ihnen zustehen, in den Taten und Gebeten des Apostolischen Stuhls und der Kirche stets präsent sind. Ich bitte daher die Kongregation für die Orientalischen Kirchen und alle ihr angeschlossenen Einrichtungen, diese Bemühungen ihrerseits zu bekräftigen mit dem Ziel, die Nähe und die Hilfe für unsere vielen Brüder und Schwestern zu intensivieren. Gerade sie sollen die kirchliche Brüderlichkeit verspüren, und, was wir mit unseren flehentlichen Gebeten herbeiwünschen, den baldigen Anbruch einer Zeit des Friedens sehen.

Mit diesen Gedanken erneuere ich das Beileid des Papstes an Seine Seligkeit den chaldäischen Patriarchen, der heute unter uns ist, anläßlich der barbarischen Ermordung eines wehrlosen Priesters und von drei Subdiakonen, zu der es am 3. Juni im Irak nach dem sonntäglichen Gottesdienst kam. Die gesamte Kirche begleitet mit Zuneigung und Bewunderung alle ihre Söhne und Töchter und steht ihnen in dieser schweren Stunde des Martyriums für den Namen Christi bei. Meine Umarmung gilt mit der gleichen Intensität auch dem päpstlichen Vertreter und den Priestern, die aus Israel und Palästina angereist sind. Sie sollen diese Umarmung an die Gläubigen weitergeben und somit ihre erprobte Hoffnung stärken. Meine herzlichen Grüße gelten auch dem Apostolischen Nuntius und den lieben Bischöfen aus der Türkei. Es ist mir eine Freude, in Erinnerung an meine Apostolische Reise festzustellen, welche Wertschätzung dieser geliebten kirchlichen Gemeinschaft entgegengebracht wird.

Liebe Freunde! Bei meinem bereits zuvor erwähnten Besuch im Dikasterium für die Orientalischen Kirchen habe ich folgendes zur Tätigkeit der ROACO gesagt: »Fortgesetzt und weiter ausgebaut werden muß die karitative Initiative, die von der Kongregation im Auftrag des Papstes durchgeführt wird, damit das Heilige Land und die übrigen ostkirchlichen Gebiete in geordneter und angemessener Weise die notwendige geistliche und materielle Unterstützung erhalten, um das normale kirchliche Leben führen und besonderen Bedürfnissen abhelfen zu können« (O.R. dt., Nr. 25, 22.6.2007, S. 10). Ich danke euch, daß ihr eine lobenswerte Art der Zusammenarbeit mit der Kongregation aufgebaut habt. Ich ermutige euch, weiter darauf hinzuarbeiten, daß dieser unersätzliche Beitrag, den ihr für das Zeugnis kirchlicher Nächstenliebe leistet, seine volle Entfaltung in der gemeinschaftlichen Form finde, in der er ausgeübt wird. Eure Anwesenheit bekräftigt den Willen, eine individualistische Planung der Hilfsmaßnahmen und der Verteilung der lobenswerterweise von der Nächstenliebe der Gläubigen bereitgestellten Mittel zu verhindern. Denn wie ihr bereits wißt, kann die Illusion, daß man alleine fruchtbringender handeln kann, sehr schädlich sein: die Mühen der Konfrontation und der Zusammenarbeit sind immer Garantie für einen geordneten und gerechten Einsatz. Und es ist erwiesen, daß nicht die einzelnen Menschen, sondern vielmehr die Kirche in der Lage ist, die Gaben, die uns der Herr in seiner unendlichen Güte gegeben hat, an alle gerecht zu verteilen.

Hinsichtlich der unumkehrbaren Entscheidung für die Ökumene und der unumkehrbaren Entscheidung für den interreligiösen Dialog, die von mir mehrmals bekräftigt wurden, liegt es mir bei dieser Gelegenheit sehr am Herzen, zu unterstreichen, wie sehr diese beiden Bestrebungen von der Bewegung der kirchlichen Nächstenliebe genährt werden. Gerade diese beiden Entscheidungen sind nichts anderes als der Ausdruck eben dieser Nächstenliebe, die allein es vermag, den Dialog zu fördern und unerwartete Horizonte zu eröffnen. Während wir den Herrn anflehen, daß er bald den Tag der vollen Einheit der Christen und das viel erwartete und von respektvollem Einvernehmen beseelte friedliche Zusammenleben der Religionen herbeiführen möge, bitten wir Ihn auch, unsere Bemühungen zu segnen und uns zu erleuchten, daß unsere Werke niemals zum Nachteil, sondern nur zum Aufbau der kirchlichen Gemeinschaft dienen. Er möge unsere Aufmerksamkeit dahingehend richten, daß wir nicht jeglicher Art von Gleichgültigkeit verfallen und wir in der Ausübung der Nächstenliebe niemals die Mission der ansässigen katholischen Gemeinschaft mißachten. Mit ihrer Hilfe und dank der Achtung, die wir den verschiedenen rituellen Ausdrucksformen entgegenbringen, soll unsere ökumenische und interreligiöse Sensibilität konkrete Gestalt annehmen.

Eingedenk des Wortes des hl. Paulus: »So ist weder der etwas, der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott, der wachsen läßt« (1 Kor 3,7, werden wir immer im Gebet den eigentlichen Ursprung der Verpflichtung zur Nächstenliebe finden und im Gebet werden wir auch ihre Authentizität wiederfinden. Sehr deutlich ist auch die Mahnung des Apostels: »Der Gnade Gottes entsprechend, die mir geschenkt wurde, habe ich wie ein guter Baumeister den Grund gelegt; ein anderer baut darauf weiter. Aber jeder soll darauf achten, wie er weiterbaut. Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus« (1 Kor 3,10–11). Es ist unerläßlich, daß unsere Taten in der Eucharistie verwurzelt sind. Auf der Grundlage dieses »eucharistischen Maßstabes« müssen sich die Perspektiven für die Bewegung der kirchlichen Nächstenliebe entwickeln: nur das, was nicht im Widerspruch steht zum Mysterium der eucharistischen Liebe und zur ihr entspringenden Sicht des Kosmos, des Menschen und der Geschichte, sondern was sich vielmehr in ihr wiederfindet und aus ihr nährt, ist Garantie für die Echtheit unseres Glaubens und sichere Grundlage für unser zukünftiges Handeln. Eben dies habe ich im Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Sacramentum caritatis hervorgehoben: »Die Speise der Wahrheit drängt uns, die menschenunwürdigen Situationen anzuprangern, in denen man wegen des von Ungerechtigkeit und Ausbeutung verursachten Nahrungsmangels stirbt, und gibt uns neue Kraft und neuen Mut, ohne Unterlaß am Aufbau der Zivilisation der Liebe zu arbeiten« (Nr. 90). Aber gerade diese eucharistische Inspiration unseres Handelns wird der Mensch tiefgehend hinterfragen, der vom Brot allein nicht leben kann (vgl. Lk Lc 4,4), um ihm das Mahl des ewigen Lebens anzukündigen, das Gott durch seinen Sohn Jesus bereitet hat.

Ich vertraue euch diese Aufgaben und Einsichten mit großer Zuversicht an und erneuere meinen tief empfundenen Dank an Seine Seligkeit Kardinal Ignace Moussa Daoud, der sich in den vergangenen Jahren auch als Vorsitzender der ROACO aufopferungsvoll eingesetzt hat. Ich rufe auf eure Arbeiten die Fürbitte der allerseligsten Gottesmutter Maria herab und erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen.

AN DIE TEILNEHMER DER ERSTEN BEGEGNUNG

DER DOZENTEN DER EUROPÄISCHEN UNIVERSITÄTEN Audienzenhalle

Samstag, 23. Juni 2007




Eminenz,
verehrte Damen und Herren,
liebe Freunde!

Mit besonderer Freude empfange ich euch im Rahmen der ersten Begegnung der Dozenten der europäischen Universitäten, die vom Rat der Europäischen Bischofskonferenzen gefördert, von Dozenten der römischen Universitäten organisiert und vom Büro für die Hochschulseelsorge des Vikariats von Rom koordiniert worden ist.

Die Begegnung findet am 50. Jahrestag des Abschlusses der Römischen Verträge statt, durch die die heutige Europäische Union ins Leben gerufen wurde. Unter ihren Teilnehmern befinden sich Hochschuldozenten aus allen Ländern des Kontinents, einschließlich des Kaukasus: Armenien, Georgien und Aserbaidschan. Ich danke dem Vorsitzenden des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen, Herrn Kardinal Péter Erdö, für seine freundlichen einleitenden Worte. Ich begrüße die Vertreter der italienischen Regierung, insbesondere diejenigen vom Ministerium für Universität und Forschung und vom Ministerium für die Kulturgüter und die kulturellen Aktivitäten, ebenso wie die Vertreter der Region Latium und der Provinz sowie der Stadt Rom. Mein Gruß richtet sich auch an die anderen zivilen und religiösen Obrigkeiten, die Rektoren und Dozenten der verschiedenen Universitäten, ebenso wie an die anwesenden Hochschulseelsorger und Studenten.

Das Thema eurer Begegnung – »Ein neuer Humanismus für Europa. Die Rolle der Universitäten « – lädt zu einer aufmerksamen kritischen Betrachtung der gegenwärtigen Kultur des Kontinents ein. In Europa herrscht zur Zeit eine gewisse soziale Instabilität und ein gewisses Mißtrauen gegenüber den traditionellen Werten, aber dennoch können seine herausragende Geschichte und seine bewährten akademischen Einrichtungen viel zum Aufbau einer hoffnungsvollen Zukunft beitragen. Die »Frage nach dem Menschen«, die im Mittelpunkt eurer Gespräche steht, ist grundlegend für ein korrektes Verständnis der gegenwärtigen kulturellen Entwicklungen. Sie bietet auch einen festen Ausgangspunkt für die Bemühungen der Universitäten, eine neue kulturelle Präsenz und neue Initiativen im Dienst eines stärker geeinten Europa zu schaffen. Die Förderung eines neuen Humanismus verlangt nämlich eine klare Vorstellung davon, worin diese »Neuheit« wirklich besteht. Weit davon entfernt, Frucht eines oberflächlichen Verlangens nach Neuem zu sein, muß das Streben nach einem neuen Humanismus ernsthaft der Tatsache Rechnung tragen, daß Europa heute große kulturelle Veränderungen erlebt, in denen die Männer und Frauen sich immer mehr bewußt werden, daß sie aufgerufen sind, sich aktiv an der Gestaltung ihrer eigenen Geschichte zu beteiligen. Historisch hat sich der Humanismus in Europa entwickelt, dank des fruchtbaren Austauschs zwischen den verschiedenen Kulturen seiner Völker und dem christlichen Glauben. Das heutige Europa muß seine wahre Tradition schützen und wieder von ihr Besitz ergreifen, wenn es seiner Berufung als Wiege des Humanismus treu bleiben will.

Die gegenwärtigen kulturellen Veränderungen werden oft als »Herausforderung« für die Hochschulkultur und für das Christentum selbst betrachtet und nicht als »Horizont«, vor dem kreative Lösungen gefunden werden können und müssen. Als Männer und Frauen mit höherer Bildung seid ihr berufen, euch an dieser schwierigen Aufgabe zu beteiligen, die eine tiefes Nachdenken über einige grundlegende Probleme erfordert.

An erster Stelle möchte ich hier die Notwendigkeit einer eingehenden Untersuchung der Krise der Moderne erwähnen. Die europäische Kultur wurde in den letzten Jahrhunderten stark vom Begriff der Moderne geprägt. Die gegenwärtige Krise hat jedoch weniger damit zu tun, daß die Moderne die Zentralität des Menschen und seiner Belange hervorhebt, als vielmehr mit den Problemen, die durch einen »Humanismus« entstehen, der den Anspruch erhebt, ein »regnum hominis« aufzubauen, das von seiner notwendigen ontologischen Grundlage losgelöst ist. Eine falsche Dichotomie zwischen Theismus und echtem Humanismus, die bis zu dem Extrem geführt wird, einen unlösbaren Konflikt zwischen dem göttlichen Gesetz und der menschlichen Freiheit zu postulieren, hat zu einer Situation geführt, in der die Menschheit sich trotz all ihrer wirtschaftlichen und technischen Fortschritte zutiefst bedroht fühlt. Wie mein Vorgänger, Papst Johannes Paul II., sagte, müssen wir uns fragen: »Wird der Mensch als Mensch im Zusammenhang mit diesem Fortschritt wirklich besser, das heißt geistig reifer, bewußter in seiner Menschenwürde, verantwortungsvoller, offener für den Mitmenschen?« (Redemptor hominis RH 15). Der Anthropozentrismus, der die Moderne kennzeichnet, darf niemals losgelöst werden von der vollen Wahrheit über den Menschen; und diese schließt seine transzendente Berufung ein.

Ein zweites Problem hängt mit der Erweiterung unseres Rationalitätsbegriffs zusammen. Um die Herausforderungen, die die gegenwärtige Kultur stellt, richtig zu verstehen und angemessene Antworten darauf zu finden, ist es notwendig, eine kritische Haltung einzunehmen gegenüber einengenden und letztlich irrationalen Versuchen, den Bereich der Vernunft einzuschränken. Der Vernunftbegriff muß im Gegenteil »geweitet« werden, damit man jene Aspekte der Wirklichkeit untersuchen und erfassen kann, die über das rein Empirische hinausgehen. Das ermöglicht einen fruchtbareren und komplementären Zugang zur Beziehung zwischen Glauben und Vernunft. Der Aufstieg der europäischen Universitäten wurde durch die Überzeugung gefördert, daß Glaube und Vernunft bei der Suche nach der Wahrheit zusammenwirken müssen – unter Achtung des Wesens und der rechtmäßigen Autonomie des anderen und dennoch in harmonischer und kreativer Zusammenarbeit, um der Erfüllung des Menschen in Wahrheit und Liebe zu dienen.

Ein drittes Problem, das untersucht werden muß, betrifft die Frage, welchen Beitrag das Christentum zum Humanismus der Zukunft leisten kann. Die Frage nach dem Menschen, und daher die Frage der Moderne, fordert die Kirche heraus, nach überzeugenden Wegen zu suchen, um der gegenwärtigen Kultur den »Realismus« ihres Glaubens an das Heilswerk Christi zu verkünden. Das Christentum darf nicht in die Welt des Mythos und der Gefühle verbannt werden, sondern es muß in seinem Anspruch respektiert werden, die Wahrheit über den Menschen ans Licht zu bringen und die Kraft zu besitzen, Männer und Frauen geistlich umzuwandeln, so daß sie ihrer Sendung in der Geschichte nachkommen können. Bei meinem jüngsten Besuch in Brasilien habe ich folgende Überzeugung zum Ausdruck gebracht: »Wenn wir nicht Gott in Christus und durch Christus kennen, verwandelt sich die ganze Wirklichkeit in ein unerforschliches Rätsel« (Ansprache bei der Eröffnung der Arbeiten der V. Generalversammlung der Bischofskonferenzen von Lateinamerika und der Karibik, 3; in O.R. dt., Nr. 20, 18.5.2007, S. 5). Das Wissen kann niemals auf den rein intellektuellen Bereich beschränkt werden; es schließt auch die Fähigkeit ein, die Dinge immer wieder aufs Neue vorurteilsfrei und ohne vorgefaßte Meinungen zu betrachten und »staunend« vor der Wirklichkeit zu stehen, deren Wahrheit durch das Zusammenspiel von Vernunft und Liebe entdeckt werden kann. Nur der Gott, der ein menschliches Antlitz hat und der in Jesus Christus offenbar wurde, kann uns davon abhalten, die Wirklichkeit gerade in dem Augenblick einzuschränken, in dem sie immer neuere und komplexere Verständnisebenen verlangt. Die Kirche ist sich ihrer Verantwortung bewußt, diesen Beitrag zur gegenwärtigen Kultur zu leisten.

In Europa wie überall auf der Welt braucht die Gesellschaft dringend den Dienst an der Weisheit durch die Hochschulgemeinschaft. Dieser Dienst beinhaltet auch praktische Aspekte: die Ausrichtung von Forschung und Arbeit auf die Förderung der Würde des Menschen und die schwierige Aufgabe, die Zivilisation der Liebe aufzubauen. Besonders die Hochschulprofessoren sind dazu berufen, die Tugend der intellektuellen Nächstenliebe zu verkörpern. Sie müssen ihre ursprüngliche Berufung wiederentdecken, die zukünftigen Generationen nicht nur durch die Weitergabe von Wissen, sondern auch durch das prophetische Zeugnis ihres eigenen Lebens zu unterweisen. Die Universität wiederum darf niemals ihre besondere Berufung aus den Augen verlieren, eine »universitas« zu sein, in der die verschiedenen Fächer, jedes nach seiner Art, als Teil eines größeren »unum« betrachtet werden. Wie dringend notwendig ist es doch, die Einheit des Wissens wiederzufinden und der Tendenz zur Zersplitterung und zu mangelnder Mitteilbarkeit, die in unseren Schulen nur allzu oft vorherrscht, entgegenzuwirken! Das Bemühen um einen Ausgleich zwischen dem Streben nach Spezialisierung und der Notwendigkeit, die Einheit des Wissens zu bewahren, kann die Einheit Europas fördern und dem Kontinent helfen, seine besondere kulturelle »Berufung« in der heutigen Welt wiederzuentdecken. Nur ein Europa, das sich seiner eigenen kulturellen Identität bewußt ist, kann einen spezifischen Beitrag zu anderen Kulturen leisten und gleichzeitig offen bleiben für den Beitrag anderer Völker.

Liebe Freunde, ich hoffe, daß die Hochschulen immer mehr zu Gemeinschaften werden, die sich unermüdlich für die Suche nach der Wahrheit einsetzen, »Werkstätten der Kultur«, in denen Dozenten und Studenten gemeinsam Fragen nachgehen, die für die Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind. Dabei müssen interdisziplinäre Methoden angewandt werden und darf man auf die Mitarbeit der Theologen zählen. Das ist in Europa, wo es so viele namhafte katholische Einrichtungen und theologische Fakultäten gibt, einfach zu bewerkstelligen. Ich bin überzeugt, daß eine engere Zusammenarbeit und neue Formen des Miteinanders zwischen den verschiedenen akademischen Gemeinschaften die katholischen Hochschulen befähigen werden, Zeugnis zu geben von der historischen Fruchtbarkeit der Begegnung zwischen Glauben und Vernunft. Das Ergebnis wird konkret zur Erreichung der Ziele des Bologna-Prozesses beitragen und ein Ansporn sein, ein angemessenes Hochschulapostolat in den Ortskirchen zu entwickeln. Eine konkrete Unterstützung dieser Bemühungen, die die Europäischen Bischofskonferenzen zunehmend beschäftigen (vgl. Ecclesia in Europa, 58–59), kann von seiten jener kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen kommen, die bereits im Hochschulapostolat tätig sind.

Liebe Freunde, mögen eure Gespräche in diesen Tagen fruchtbar sein und dabei helfen, ein aktives Netzwerk von Hochschuldozenten aufzubauen, die darum bemüht sind, der heutigen Kultur das Licht des Evangeliums zu bringen. Ich versichere euch und eure Familien eines besonderen Gebetsgedenkens und rufe auf euch und auf die Universitäten, in denen ihr arbeitet, den mütterlichen Schutz Mariens, Sitz der Weisheit, herab. Jedem von euch erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.

BESUCH DER VATIKANISCHEN APOSTOLISCHEN BIBLIOTHEK

UND DES VATIKANISCHEN GEHEIMARCHIVS


Montag, 25. Juni 2007



Herr Kardinal,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit Freude habe ich die Einladung zum Besuch der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek und des Vatikanischen Geheimarchivs angenommen, die Herr Kardinal Jean-Louis Tauran, Archivar und Bibliothekar der Heiligen Römischen Kirche, an mich gerichtet hat. Aufgrund des wichtigen Dienstes, den sie für den Heiligen Stuhl und für die kulturelle Welt leisten, verdienen diese beiden Institutionen seitens des Papstes besondere Aufmerksamkeit. Deshalb bin ich gern gekommen, um mit euch zusammentreffen. Ich danke für den herzlichen Empfang und grüße euch alle von Herzen. An erster Stelle grüße ich Herrn Kardinal Jean-Louis Tauran und danke ihm für die Grußworte, die er an mich gerichtet und für die Empfindungen, die er in eurem Namen zum Ausdruck gebracht hat. Mit gleicher Zuneigung grüße ich Bischof Raffaele Farina und den Präfekten des Vatikanischen Geheimarchivs, P. Sergio Pagano, sowie euch alle, die ihr hier anwesend seid, und alle Mitarbeiter, die in der Bibliothek und im Archiv mit verschiedenen Aufgaben betraut sind. Liebe Freunde, eure Tätigkeit ist nicht nur eine Arbeit, sondern, wie ich schon sagte, ein einzigartiger Dienst, den ihr für die Kirche und insbesondere für den Papst leistet.

Im übrigen ist ja bekannt, daß die Vatikanische Bibliothek, in der – wie Kardinal Tauran angekündigt hat – demnächst umfangreiche Restaurierungsarbeiten durchgeführt werden, nicht rein zufällig den Beinamen »Apostolisch« trägt. Sie wird nämlich seit ihrer Gründung als »Bibliothek des Papstes« betrachtet, die ihm direkt unterstellt ist. Der Diener Gottes Johannes Paul II. wollte auch in jüngerer Zeit an dieses Band erinnern, das die Apostolische Bibliothek mit dem Nachfolger Petri verbindet; ein Band, das ihre außerordentliche Sendung ins Licht stellt, die schon Papst Sixtus IV. herausgestellt hat: »Ad decorem militantis Ecclesiae et fidei augmentum – Zur Zierde der streitenden Kirche und zur Verbreitung des Glaubens.« Noch ein anderer meiner Vorgänger, Papst Nikolaus V., griff dies auf und wies auf ihre Zielsetzung hin mit den Worten: »Pro communi doctorum virorum commodo – Zum Nutzen und zum allgemeinem Interesse der Wissenschaftler.« Die Vatikanische Bibliothek hat sich diesen Auftrag im Laufe der Jahrhunderte durch eine unvergleichliche Profilierung zu eigen gemacht und hat ihn verfeinert, so daß sie heute ein gastfreundliches Haus der Wissenschaft, der Kultur und der Menschlichkeit ist, das seine Türen für Gelehrte aus allen Teilen der Welt öffnet, ohne Unterschied von Herkunft, Religion und Kultur. Eure Aufgabe, liebe Freunde, die ihr hier täglich arbeitet, ist es, die Synthese zwischen Kultur und Glauben zu bewahren, die von den wertvollen Dokumenten ausgeht, von den Schätzen, die ihr hütet, von den Mauern, die euch umgeben, von den Museen in der Nähe und von der herrlichen Basilika, die vor euren Fenstern zu sehen ist.

Ich kenne die Arbeit gut, die im schlichten und beinahe verborgenen täglichen Einsatz im Geheimarchiv geleistet wird, das das Ziel so vieler Forscher aus aller Welt ist: In den Handschriften, die nicht so prächtig wie die reichgeschmückten Kodizes der Apostolischen Bibliothek sind, aber nicht weniger bedeutsam für das geschichtliche Interesse, suchen die Forscher nach den Wurzeln vieler kirchlicher und ziviler Institutionen. Sie erforschen die Geschichte längst vergangener und auch jüngerer Zeiten; sie können die Züge berühmter Gestalten der Kirche und der Gesellschaften nachzeichnen und das vielseitige Werk der römischen Päpste und vieler Hirten besser bekannt machen. Das Vatikanische Archiv, das durch den klugen Weitblick Leos XIII. im Jahr 1881 zur Konsultation der Gelehrten geöffnet wurde, hat ganzen Generationen von Historikern, ja selbst den europäischen Nationen als Bezugspunkt gedient, so daß sie in der Ewigen Stadt eigene Kulturinstitute errichtet haben, um die Forschungen in einem so alten und reichhaltigen »scrinium« [Schrein] der Kirche von Rom zu fördern. Heute zieht man das Geheimarchiv nicht nur bei gelehrten Forschungen zu Rate, die durchaus wertvoll, ehrenvoll und fernen Zeiten gewidmet sind, sondern auch aus Interesse für Epochen und Zeiten, die uns näher und auch sehr nahe sind. Das beweisen die ersten Früchte, welche die jüngste von mir im Juni 2006 beschlossene Öffnung der Akten des Pontifikats von Papst Pius XI. bis heute für die Forscher erbracht hat. Forschungen, Studien und Veröffentlichungen können manchmal neben einem rein geschichtlichen Interesse auch gewisse Polemiken hervorrufen. In dieser Hinsicht kann ich nicht umhin, die Haltung des selbstlosen und unvoreingenommenen Dienstes zu loben, die das Vatikanische Geheimarchiv eingenommen hat, indem es sich von sterilen und oft schwachen parteiischen Sichtweisen der Geschichte ferngehalten und den Forschern ohne Hindernisse oder Vorbehalte das dokumentarische Material angeboten hat, das, mit Ernsthaftigkeit und Kompetenz geordnet, in seinem Besitz ist.

Das Geheimarchiv und die Apostolische Bibliothek erhalten von vielen Seiten Zeichen der Würdigung und Hochschätzung von Kulturinstituten und privaten Gelehrten aus verschiedenen Nationen. Mir scheint, daß dies die beste Anerkennung ist, die sich die beiden Institutionen wünschen können. Und ich möchte beiden, ihren Leitern und dem gesamten Personal aller Stufen meinen aufrichtigen Dank und meine Verbundenheit aussprechen. Ich gestehe, daß ich mir bei der Vollendung des 70. Lebensjahres sehr gewünscht habe, der geliebte Papst Johannes Paul II. würde mir erlauben, daß ich mich dem Studium und der Erforschung interessanter Dokumente und Fundstücke widmen kann, die von euch sorgfältig gehütet werden; wahre Meisterwerke, die uns helfen, die Geschichte der Menschheit und des Christentums zu überschauen. Der Herr hatte in seinem providentiellen Ratschluß ein anderes Programm für meine Person vorgesehen, und da bin ich nun heute unter euch, nicht als leidenschaftlicher Forscher von alten Texten, sondern als Hirte, berufen, alle Gläubigen zu ermutigen, am Heil der Welt mitzuwirken, indem wir den Willen Gottes dort erfüllen, wo er uns zu arbeiten berufen hat.

Für euch, liebe Freunde, gilt es, im Kontakt mit den reichen Zeugnissen der Kultur, der Wissenschaft und der Spiritualität eure christliche Berufung zu verwirklichen, indem ihr eure Tage und schließlich einen guten Teil eures Lebens mit Studien und Veröffentlichungen, im Dienst an der Öffentlichkeit und insbesondere an den Organen der Römischen Kurie verbringt. Bei dieser vielseitigen Tätigkeit nutzt ihr die modernsten Techniken im Bereich Informatik, der Katalogisierung, der Restaurierung, der Fotografie und überhaupt bei allem, was den Schutz und die Verwendung des überaus reichen Erbes betrifft, das ihr aufbewahrt. Ich spreche euch für euren Einsatz mein Lob aus und ermutige euch, eure Arbeit immer als eine wahre Sendung zu verstehen, die mit Hingabe und Geduld, Freundlichkeit und Glaubensgeist auszuüben ist. Sorgt dafür, daß immer ein gastfreundliches Bild des Apostolischen Stuhls abgegeben wird in dem Bewußtsein, daß die Botschaft des Evangeliums auch über euer treues christliches Zeugnis vermittelt wird.

Zu meiner Freude gebe ich am Ende die Ernennung von Herrn Kardinal Jean-Louis Tauran zum Präsidenten des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog bekannt. Zum Archivar und Bibliothekar der Heiligen Römischen Kirche an seiner Stelle habe ich Msgr. Raffaele Farina ernannt und ihm zugleich die Erzbischofswürde verliehen. Für die Aufgabe des Präfekten der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek habe ich Msgr. Cesare Pasini, bisher Präfekt der altehrwürdigen Ambrosianischen Bibliothek, berufen. Jedem von ihnen entbiete ich schon jetzt meine besten Wünsche für einen fruchtbaren Verlauf der neuen Aufgaben.

Ich danke euch allen nochmals für den wertvollen Dienst, den ihr in der Apostolischen Bibliothek und im Vatikanischen Archiv leistet. Ich versichere euch meines Gedenkens im Gebet und erteile jedem einzelnen von Herzen und mit besonderer Zuneigung meinen Segen, in den ich gern eure Familien und eure Lieben einschließe.

AN EINE DELEGATION DES

ÖKUMENISCHEN PATRIARCHATS VON KONSTANTINOPEL Freitag, 29. Juni 2007



Liebe Brüder in Christus!

Mit großer Freude und aufrichtiger Hochachtung empfange ich euch und grüße euch mit den Worten, die der hl. Paulus an die Christen in Ephesus richtet: »Friede sei mit den Brüdern, Liebe und Glaube von Gott, dem Vater, und Jesus Christus, dem Herrn« (Ep 6,23). Es ist ein Gruß des Friedens, der Nächstenliebe und des Glaubens. Willkommen unter uns, liebe Brüder, anläßlich des Festes der Schutzpatrone dieser unserer Stadt, der hll. Petrus und Paulus! Durch ihr Martyrium haben sie den Glauben an Christus, den Erlöser, und die Liebe zu Gott, dem Vater, bezeugt. Dank eurer geschätzten Anwesenheit und durch die Bedeutung, die ihr zukommt, wird unser Fest noch freudiger, weil es schön ist, gemeinsam Gott die Ehre zu erweisen, der uns mit seiner Gnade erfüllt.

Die Erinnerung an den herzlichen Empfang im Phanar, der mir anläßlich des Festes des hl. Andreas im Rahmen meiner Apostolischen Reise in die Türkei im vergangenen November bereitet wurde, ist in meinen Gedanken und in meinem Herzen noch sehr lebendig und noch viel mehr ist es das unvergeßliche Treffen mit Seiner Heiligkeit Patriarch Bartholomaios I., mit dem Heiligen Synod und den Gläubigen. All dies erfüllt mich noch immer mit tiefer Bewegung und Dankbarkeit. Der Friedensgruß, den wir während der Göttlichen Liturgie ausgetauscht haben, bleibt ein Siegel und eine Verpflichtung für unser Leben als Hirten der Kirche, weil wir alle überzeugt sind, daß die gegenseitige Liebe die notwendige Voraussetzung ist, um zu jener vollen Einheit im Glauben und im kirchlichen Leben zu gelangen, zu der wir voller Vertrauen auf dem Weg sind. Darauf zielen in Wahrheit unsere gemeinsamen Initiativen ab: nämlich die Gefühle und die Beziehungen der Nächstenliebe zwischen unseren Kirchen und zwischen den einzelnen Gläubigen zu intensivieren, so daß wir jene Vorurteile und Mißverständnisse überwinden, die aus der jahrhundertelangen Trennung hervorgehen, um in der Wahrheit, aber in brüderlichem Geiste den Schwierigkeiten entgegenzutreten, die uns noch immer daran hindern, zum selben eucharistischen Tisch zu treten. In diesem Zusammenhang spielt das Gebet eine unerläßliche Rolle, weil nur der Herr unsere Schritte lenken und führen kann. Die Einheit ist vor allem ein Geschenk Gottes, das wir im gemeinsamen Gebet erflehen und in demütigem Gehorsam empfangen können, im Wissen um die Opfer, die der Weg der Annäherung an die Einheit mit sich bringt.

Daß es derzeit nicht möglich ist, gemeinsam die eine Eucharistie des Herrn zu feiern, ist ein Zeichen für die noch nicht voll wiederhergestellte Einheit: Wir wollen versuchen, diese Situation mit Entschlossenheit und Redlichkeit zu überwinden. Wir sind daher froh, daß der theologische Dialog mit neuem Geist und neuer Kraft seinen Weg wiederaufgenommen hat. Im kommenden Herbst wird sich die zuständige Gemischte Internationale Kommission treffen, um die Studien über eine zentrale und entscheidende Frage fortzuführen, nämlich über die ekklesiologischen und kanonischen Konsequenzen der sakramentalen Struktur der Kirche, im besonderen im Hinblick auf die Kollegialität und die Autorität innerhalb der Kirche. Wir alle wollen diese Arbeiten mit unserem ausdauerndem Gebet begleiten. Möge der Herr die katholischen und orthodoxen Mitglieder erleuchten, damit sie, auf der Grundlage der Heiligen Schrift und der Tradition der Kirche, Lösungsvorschläge finden, die dazu geeignet sind, wichtige Schritte in Richtung auf eine volle Gemeinschaft hin zu tun. Ich bin sehr froh, zu wissen, daß das Ökumenische Patriarchat und Patriarch Bartholomaios I. selbst mit ähnlichen Empfindungen die Aktivitäten dieser Kommission verfolgen.

Die Suche nach der vollen Einheit kann sich nicht auf die brüderlichen Beziehungen zwischen den Hirten und ebensowenig auf die sehr anspruchsvolle Arbeit der Gemischten Kommission für den theologischen Dialog beschränken; die Erfahrungen der Geschichte und der aktuellen Situation lehren uns, daß in verschiedenen Formen eine Einbeziehung des gesamten Leibes unserer Kirchen notwendig ist. Auf diesem geistlichen Weg spielen die theologischen Fakultäten und die Forschungs- und Lehrinstitute eine bevorzugte Rolle. Dies hatte bereits das Dekret über den Ökumenismus des Zweiten Vatikanischen Konzils gezeigt, als es mit Klarheit unterstrich: »Die Unterweisung in der heiligen Theologie und in anderen, besonders den historischen Fächern muß auch unter ökumenischem Gesichtspunkt geschehen, damit sie um so genauer der Wahrheit und Wirklichkeit entspricht«. Und das Konzilsdokument hat daraus folgenden Schluß gezogen: »Denn es liegt viel daran, daß die zukünftigen Hirten und Priester über eine Theologie verfügen, die ganz in diesem Sinne […] erarbeitet wurde« (Unitatis redintegratio UR 10). Wie wichtig sind die persönlichen und kulturellen Kontakte zwischen den jungen Studenten gerade in dieser Hinsicht! Ihr Austausch während der Spezialisierung nach der Universität ist ein fruchtbares Feld, wie uns die Erfahrungen des Katholischen Komitees für die Kulturelle Zusammenarbeit zeigen. Es sollte dann auch die katechistische Ausbildung der neuen Generationen unterstützt werden, damit sie ein volles Bewußtsein der eigenen kirchlichen Identität und der bestehenden Bande der Gemeinschaft mit den anderen Brüdern in Christus haben, ohne die Probleme und Hindernisse zu vergessen, die immer noch eine volle Gemeinschaft zwischen uns verhindern.

Liebe Brüder in Christus, eure Anwesenheit unter uns anläßlich des Festes der hll. Petrus uns Paulus bezeugt den Wunsch dieser gemeinsamen Suche. Ein Wunsch, der auch durch andere Treffen und Veranstaltungen, die von Katholiken und Orthodoxen auf lokaler Ebene veranstaltet wurden, zutage getreten ist. Außerdem fällt euer Besuch in diesem Jahr mit der von mir gemachten Ankündigung des »Paulus-Jahres« zusammen, einer wichtigen Initiative der katholischen Kirche. Es ist ein Jubiläumsjahr, das der Erinnerung an den hl. Paulus zur Zweitausendjahrfeier seiner Geburt gewidmet ist. Auch dies, dessen bin ich sicher, wird eine überaus günstige Gelegenheit sein, um Momente des Gebets, Studientreffen und Gesten der Brüderlichkeit zwischen Katholiken und Orthodoxen anzuregen. Möge der hl. Paulus, dieser große Künder des Evangeliums und unermüdlicher Baumeister der Einheit, uns helfen, der Stimme des Geistes zu folgen und die missionarische Glut zu erhalten, die seine gesamte Existenz entflammte. Mit diesen Empfindungen danke ich erneut einem jeden von euch für den Besuch und, während ich meinen Ausdruck der Zuneigung und der Wertschätzung an Seine Heiligkeit Bartholomaios I. erneuere, wünsche ich mir, daß wir gemeinsam jede nur mögliche Mühe intensivieren, die uns auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft einander näherbringt. Hierzu erbitte ich für unsere Kirchen den reichen Segen Unseres Herrn Jesus Christus.


AN DIE METROPOLITAN-ERZBISCHÖFE,

DIE AM HOCHFEST PETER UND PAUL

DAS PALLIUM EMPFANGEN HABEN Audienzenhalle

Samstag, 30. Juni 2007

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Benedikt XVI Predigten 128