Benedikt XVI Predigten 146

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AN DIE BEAMTEN UND MITARBEITER DES

PÄPSTLICHEN RATES FÜR GERECHTIGKEIT UND FRIEDEN Apostolischer Palast in Castelgandolfo

Montag, 17. September 2007




Herr Kardinal,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Von Herzen heiße ich euch alle willkommen, die ihr euch hier versammelt habt, um des geschätzten Kardinals François-Xavier Nguyên Van Thuân zu gedenken, den der Herr am 16. September vor fünf Jahren zu sich gerufen hat. Im Geist und im Herzen all derer aber, die die edle Gestalt dieses treuen Dieners Gottes kannten, ist er weiterhin lebendig. Auch ich bewahre nicht wenige persönliche Erinnerungen an die Begegnungen mit ihm in meinem Gedächtnis, die während der Jahre seines Dienstes hier an der Römischen Kurie stattfanden.

Mein Gruß gilt Kardinal Renato Raffaele Martino und Bischof Giampaolo Crepaldi, Präsident bzw. Sekretär des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, und ihren Mitarbeitern. Ich grüße die Mitglieder der Stiftung »San Matteo«, die im Gedenken an Kardinal Van Thuân errichtet wurde, die Mitglieder des Internationalen Beobachtungszentrums, das seinen Namen trägt und zur Verbreitung der Soziallehre der Kirche geschaffen wurde, sowie die Angehörigen und die Freunde des verstorbenen Kardinals. Herrn Kardinal Martino danke ich auch herzlich für die Worte, die er im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet hat.

Ich ergreife gerne die Gelegenheit, um noch einmal das leuchtende Glaubenszeugnis herauszustellen, das uns dieser heldenhafte Hirte hinterlassen hat. Bischof Franz Xaver – so stellte er sich gerne vor – wurde im Herbst 2002 in das Haus des Vaters gerufen, nach einer langen leidvollen Krankheit, die er in der vollkommenen Hingabe an den Willen Gottes auf sich nahm. Einige Zeit zuvor war er von meinem verehrten Vorgänger Johannes Paul II. zum Vizepräsidenten des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden ernannt worden, als dessen Präsident er später die Veröffentlichung des Kompendiums der Soziallehre der Kirche einleitete. Wie könnte man die unverkennbaren Züge seiner einfachen und unmittelbaren Herzlichkeit vergessen? Wie sollte man nicht seine Fähigkeit zum Dialog ins Licht rücken sowie seine Fähigkeit, jedem nahe zu sein? Wir denken mit sehr viel Bewunderung an ihn, während wir uns an die großen, hoffnungsvollen Visionen erinnern, die ihn beseelten und die er auf einfache und überzeugende Weise darzustellen wußte; an seinen glühenden Einsatz für die Verbreitung der Soziallehre der Kirche unter den Armen der Welt und den brennenden Wunsch nach der Evangelisierung seines Kontinents Asien; wir denken an seine Fähigkeit, die karitativen Unternehmungen und die menschliche Förderung zu koordinieren, die er an den fernsten Orten der Erde unterstützte.

Kardinal Van Thuân war ein Mann der Hoffnung, er lebte von der Hoffnung und verbreitete sie unter allen, denen er begegnete. Dank dieser spirituellen Energie überwand er alle physischen und moralischen Schwierigkeiten. Die Hoffnung stütze ihn als Bischof, der 13 Jahre von seiner Diözesangemeinschaft isoliert war; die Hoffnung half ihm, in der Absurdität dessen, was ihm zustieß – es kam während seiner langen Gefangenschaft zu keiner einzigen Verhandlung –, ein Zeichen der göttlichen Vorsehung zu erahnen. Die Nachricht von seiner Krankheit, der Tumor, an dem er später starb, erreichte ihn fast gleichzeitig mit der Nachricht seiner Ernennung zum Kardinal durch Johannes Paul II., der für ihn große Wertschätzung und Zuneigung empfand. Kardinal Van Thuân pflegte gerne zu wiederholen, daß der Christ ein Mensch der Gegenwart, des »Jetzt« ist, des gegenwärtigen Augenblicks, der mit der Liebe Christi angenommen und gelebt werden soll. Diese Fähigkeit, im »Jetzt« der Gegenwart zu leben, läßt seine innerste Hingabe in die Hände Gottes durchscheinen sowie die dem Evangelium entsprechende Einfachheit, die wir alle an ihm bewundert haben. Ist es denn möglich, fragte er sich, daß derjenige, der auf den himmlischen Vater vertraut, sich dann sträubt, sich von ihm umarmen zu lassen?

Liebe Brüder und Schwestern, mit großer innerer Freude habe ich die Nachricht erhalten, daß das Seligsprechungsverfahren für diesen einzigartigen Propheten der christlichen Hoffnung eingeleitet wird. Während wir seine auserwählte Seele dem Herrn anvertrauen, bitten wir, daß sein Vorbild für uns eine echte Lehre sei. Mit diesem Wunsch segne ich euch alle von Herzen.

AN DIE BISCHÖFE VON BENIN

ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES Castelgandolfo

Donnerstag, 20. September 2007

Liebe Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt!


Ich freue mich, euch zu empfangen, während ihr euren »Ad-limina«-Besuch durchführt, der eine Bekundung der Gemeinschaft zwischen den Bischöfen und dem Stuhl Petri darstellt und ein wirksames Mittel ist, um das Erfordernis der gegenseitigen Kenntnis zu erfüllen, die aus der Realität eben dieser Gemeinschaft erwächst (vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Pastores gregis, 57). Der Vorsitzende eurer Bischofskonferenz, Msgr. Antoine Ganyé, hat mir in eurem Namen einige Fakten aus dem Leben der Kirche in Benin vorgetragen, wofür ich ihm herzlich danke. Durch euch möchte ich alle Mitglieder eurer Diözesangemeinschaften, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen, Seminaristen, Katecheten und alle Laien sehr herzlich grüßen und sie einladen, im Glauben an Jesus, den einzigen Retter der Menschen, zu wachsen. Überbringt bitte auch dem geschätzten Kardinal Bernardin Gantin meinen liebevollen Gruß. Schließlich richte ich an alle Bewohner von Benin von Herzen gute Wünsche, damit sie ihren Einsatz für den Aufbau einer immer brüderlicheren und jedem Menschen gegenüber respektvolleren Gesellschaft mutig fortsetzen.

Während der vergangenen Jahre habt ihr großen, dem Evangelium treuen Mut bewiesen bei der Führung des Volkes Gottes inmitten zahlreicher Schwierigkeiten, die eure Gesellschaft erlebt hat, und auf diese Weise euer pastorales Interesse für die großen Fragen gezeigt, mit denen sich diese Gesellschaft insbesondere im Bereich der Gerechtigkeit und der Menschenrechte auseinandersetzen mußte. In all diesen Situationen habt ihr unermüdlich die auf das Evangelium gegründete Lehre der Kirche vorgelegt und so im Herzen eures Volkes Hoffnung geweckt und zur Erhaltung der nationalen Einheit und Eintracht beigetragen. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen, die sich auch heute stellen, ermutige ich euch inständig, eine echte Spiritualität der Gemeinschaft zu entwickeln, um »die Kirche zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft zu machen« (Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Novo millennio ineunte, 43). Diese Gemeinschaft – die die Bischöfe als erstes untereinander zu leben aufgerufen sind, um darin Kraft und Stütze in ihrem Dienst zu finden – fördert in der Tat die missionarische Dynamik, indem sie »immer das Zeugnis der Einheit gewährleistet, damit die Welt glaubt, und die Räume der Liebe erweitert, damit alle zur trinitarischen Gemeinschaft gelangen, von der sie herkommen und für die sie bestimmt sind« (Pastores gregis, 22).

Ich fordere euch auch dazu auf, diese Gemeinschaft in eurer Priesterschaft zu entwickeln, indem ihr den Priestern durch die Qualität der Beziehungen, die ihr zu ihnen unterhaltet, helft, ihr Priesteramt voll anzunehmen. Ich möchte einen jeden von ihnen inständig dazu ermutigen, in seinem apostolischen Leben ein Gleichgewicht zu bewahren, das einem intensiven geistlichen Leben den ihm zustehenden Platz einräumt, um eine freundschaftliche Beziehung zu Christus herzustellen und zu stärken, damit er dem ihm anvertrauten Teil des Gottesvolkes sowie der Verkündigung des Reiches Gottes an alle dienen kann. Dann wird das Evangelium konkret in der Gesellschaft gegenwärtig gemacht werden. In Übereinstimmung mit der Weisheit der Kirche sollen sie auch in den »Traditionen« ihres Volkes das tatsächlich Gute unterscheiden, das erlaubt, im Glauben und in einer echten Erkenntnis Gottes zu wachsen, und das, was im Widerspruch zum Evangelium steht, zurückzuweisen.

Andererseits zeigen eure Fünfjahresberichte, wie stark der Einfluß der Traditionen im Leben der Gesellschaft noch immer vorhanden ist. Wenn ihre besten Aspekte gefördert werden sollen, ist es notwendig, Äußerungen zurückzuweisen, die Schaden anrichten, Angst schüren und den anderen ausschließen. Der christliche Glaube muß den Herzen die uns von Christus geschenkte innere Freiheit und Verantwortung gegenüber den Geschehnissen des Lebens einprägen. Eine solide christliche Bildung wird also eine unverzichtbare Stütze sein, um den Gläubigen zu helfen, den Glauben mit den überlieferten Glaubensvorstellungen der »Tradition« zu vergleichen. Diese Ausbildung muß es ihnen auch erlauben, vertrauensvoll beten zu lernen, um Christus immer nahe zu bleiben und in der Zeit der Bedrängnis in den christlichen Gemeinden eine Stütze zu finden durch die wirksamen Zeichen der Liebe Gottes, die frei macht. Bei dieser schweren Aufgabe ist die Mitwirkung der Katecheten eine wertvolle Hilfe. Ich weiß um deren Einsatzbereitschaft und um die Sorgfalt, die ihr auf ihre Ausbildung verwendet, um ihnen zu ermöglichen, ein würdiges Leben zu führen. Ich grüße sie herzlich und spreche ihnen die Anerkennung der Kirche für ihren Einsatz im Dienst an ihr aus.

Liebe Mitbrüder, in euren Diözesen leisten die Institute des geweihten Lebens einen großherzigen Beitrag zur Mission. Mögen die Ordensmänner und Ordensfrauen ihr Herz und ihren Blick immer auf Jesus gerichtet halten, damit sie durch ihr Wirken und durch ihre vollkommene Hingabe allen die Liebe Gottes vermitteln, die sie in ihrem Leben empfangen! Der Dienst an den Ärmsten der Gesellschaft ohne Unterschied, der eine Hauptaufgabe für die meisten von ihnen darstellt, darf niemals Gott und Christus unbeachtet lassen, der verkündet werden soll, ohne deshalb den Glauben der Kirche aufzwingen zu wollen. »Der Christ weiß, wann es Zeit ist, von Gott zu reden, und wann es recht ist, von ihm zu schweigen und nur einfach die Liebe reden zu lassen« (Deus Caritas Est 31). Ich lade auch die Mitglieder der kontemplativen Gemeinschaften ein, durch ihre unaufdringliche Anwesenheit ein ständiger Aufruf für alle Gläubigen zu sein, unablässig das Antlitz Gottes zu suchen und ihm für alle seine Wohltaten zu danken.

Im kulturellen Umfeld eures Landes ist es notwendig, daß die Präsenz der Kirche in äußeren Zeichen sichtbar wird, die auf den wahren Sinn ihrer Sendung unter den Menschen hinweisen. Unter diesen Zeichen nehmen die eifrigen und begeisterten liturgischen Feiern einen herausragenden Platz ein. Sie sind mitten in der Gesellschaft ein von euren Gemeinden erbrachtes beredtes Glaubenszeugnis. Es ist daher wichtig, daß die Gläubigen ganz, aktiv und fruchtbringend an der Liturgie teilnehmen. Um diese Teilnahme zu fördern, ist es berechtigt, bestimmten Gestaltungsformen, die den verschiedenen kulturellen Umfeldern angepaßt sind, unter Respektierung der von der Kirche festgelegten Normen stattzugeben. Damit jedoch nicht kulturelle Elemente, die mit dem christlichen Glauben unvereinbar sind, oder Handlungen, die Verwirrung stiften, in die Liturgie eingeführt werden, muß für die Seminaristen und Priester eine solide liturgische Ausbildung gewährleistet sein, die eine tiefere Kenntnis der Grundlagen, des Sinns und der theologischen Bedeutung der liturgischen Riten gestattet.

Die Präsenz der Kirche in der Gesellschaft kommt zudem auch durch die öffentlichen Interventionen ihrer Bischöfe zum Ausdruck. In verschiedenen Situationen habt ihr mutig die Werte der Familie und die Achtung vor dem Leben verteidigt, als diese von Ideologien bedroht waren, die Modelle und Verhaltensweisen vorlegten, die zu einer glaubwürdigen Auffassung vom menschlichen Leben im Widerspruch stehen. Ich ermutige euch, diesen Einsatz fortzusetzen, der ein Dienst an der ganzen Gesellschaft ist. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Bildung der Jugendlichen auch eine eurer pastoralen Prioritäten. Ich möchte hier meine Anerkennung aussprechen für die Arbeit, die all jene leisten, die zur menschlichen und religiösen Erziehung der jungen Menschen beitragen, besonders im katholischen Schulunterricht, dessen Qualität weithin anerkannt ist. Laßt die jungen Menschen, indem ihr ihnen helft, eine menschliche und geistliche Reife zu erlangen, Gott entdecken! Laßt sie entdecken, daß es die Selbsthingabe im Dienst an den anderen ist, die sie freier und reifer macht! Außerdem erfordern die Hindernisse, denen sie begegnen, wenn sie eine christliche Ehe eingehen und in Treue zu den übernommenen Verpflichtungen leben wollen – Hindernisse, die häufig mit der Kultur und den Traditionen zusammenhängen –, nicht nur eine ernsthafte Vorbereitung auf dieses Sakrament, sondern auch eine ständige Begleitung der Familien, besonders in den schwierigsten Augenblicken.

Schließlich möchte ich euch meine Zufriedenheit darüber aussprechen, daß sich im allgemeinen die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen in einer Atmosphäre gegenseitigen Verständnisses entwickeln. Um das Entstehen jeder Form von Intoleranz zu vermeiden und jeder Gewalt zuvorzukommen, muß zu einem aufrichtigen Dialog ermutigt werden, der auf einer immer echteren gegenseitigen Kenntnis beruht, vor allem durch respektvolle menschliche Beziehungen, durch ein Einvernehmen über die Werte des Lebens und durch eine Zusammenarbeit in allem, was das Gemeinwohl fördert. Ein solcher Dialog erfordert auch die entsprechende Vorbereitung sachkundiger Menschen, die dazu beitragen, die religiösen Werte, die wir gemeinsam haben, kennenzulernen und zu verstehen und die Unterschiede in Redlichkeit zu respektieren.

Liebe Mitbrüder, während unsere Begegnung zu Ende geht, ermutige ich euch, in eurer Sendung im Dienst am Volk Gottes in Benin fortzufahren und dabei das Geheimnis Christi immer tiefer zu leben. Habt keine Angst, das radikal Neue des von Christus gebrachten Lebens vor Augen zu stellen, das jedem Menschen zur Verwirklichung seiner vollen Berufung angeboten wird! Ich vertraue jeden von euch der mütterlichen Fürsprache Mariens, Königin von Afrika, an. Sie möge für die Priester, die Ordensmänner, Ordensfrauen, Seminaristen, Katecheten und die Gläubigen jeder eurer Diözesen eintreten. Allen erteile ich von Herzen und voll Zuneigung den Apostolischen Segen.

AN DIE TEILNEHMER EINER TAGUNG DES WELTVERBANDES DER CHRISTLICH-DEMOKRATISCHEN UND ZENTRISTISCHEN PARTEIEN "CENTRIST DEMOCRAT INTERNATIONAL" Saal der Schweizer, Apostolischer Palast Castelgandolfo

Freitag, 21. September 2007



Herr Präsident,
verehrte Abgeordnete,
sehr geehrte Damen und Herren!

Ich freue mich, Sie im Rahmen der Arbeiten des Exekutivausschusses des Verbandes »Centrist Democrat International« zu empfangen und möchte zunächst einen herzlichen Gruß an die zahlreichen anwesenden Delegationen aus vielen Nationen der Welt richten. Mein besonderer Gruß gilt dem Präsidenten, Herrn Abgeordneten Pier Ferdinando Casini, dem ich für die freundlichen Worte danke, die er im Namen der Anwesenden an mich gerichtet hat. Ihr Besuch gibt mir Gelegenheit, Ihrer Aufmerksamkeit einige Überlegungen zu Werten und Idealen zu unterbreiten, die von der christlichen Tradition in Europa und in der ganzen Welt geprägt oder entscheidend vertieft worden sind.

Ich weiß, daß Sie trotz Ihrer unterschiedlichen Herkunft nicht wenige Grundsätze dieser Tradition teilen, wie zum Beispiel die Zentralität der Person und die Achtung der Menschenrechte, den Einsatz für den Frieden und die Förderung der Gerechtigkeit für alle. Ihr gemeinsamer Bezugspunkt sind daher grundlegende Prinzipien, die zueinander in Wechselbeziehung stehen, wie die Erfahrung der Geschichte zeigt. Wenn nämlich die Menschenrechte verletzt werden, dann wird auch die Würde der Person verletzt; wenn die Gerechtigkeit ins Wanken kommt, dann ist der Friede gefährdet. Andererseits kann nur dann von einer wirklich menschlichen Gerechtigkeit die Rede sein, wenn im Mittelpunkt der ethischen und moralischen Anschauung, auf der sie gründet, die Person und ihre unveräußerliche Würde steht.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, Ihre Arbeit, die sich an diesen Grundsätzen orientiert, wird heute, in einer Atmosphäre tiefgreifender Wandlungen, die unsere Gemeinschaften erleben, noch erschwert. Daher möchte ich Sie noch mehr ermutigen, Ihre Bemühungen, dem Gemeinwohl zu dienen, fortzusetzen und dafür zu sorgen, daß Ideologien, die die Gewissen verdunkeln oder verwirren und die eine illusorische Auffassung vom Wahren und Guten vertreten, keine Verbreitung finden mögen. Zum Beispiel gibt es im wirtschaftlichen Bereich eine Tendenz, die das Wohl mit dem Profit gleichsetzt. Auf diese Weise zersetzt sie die Kraft des Ethos von innen her und bringt am Ende den Profit selbst in Gefahr. Einige meinen, daß die menschliche Vernunft nicht in der Lage sei, die Wahrheit zu erfassen, und daher unfähig, das Wohl anzustreben, das der Würde der Person entspricht. Einige halten auch die Zerstörung des menschlichen Lebens in seiner vorgeburtlichen Phase oder in seiner Endphase für rechtmäßig. Besorgniserregend ist darüber hinaus die Krise, in der sich die Familie befindet, die Keimzelle der Gesellschaft, die auf der unauflöslichen Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gründet. Die Erfahrung zeigt: Wenn die Wahrheit des Menschen verletzt wird, wenn die Fundamente der Familie untergraben werden, dann ist der Friede selbst gefährdet, dann droht das Recht Schaden zu nehmen und man geht, als logische Folge daraus, Ungerechtigkeiten und Gewalt entgegen.

Ein weiterer Bereich, der euch am Herzen liegt, ist die Verteidigung der Religionsfreiheit, eines unaufhebbaren, unveräußerlichen und unverletzlichen Grundrechts, das in der Würde jedes Menschen verwurzelt und durch mehrere internationale Dokumente anerkannt ist, vor allem durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Die Ausübung dieser Freiheit umfaßt auch das Recht, die Religion zu wechseln, das nicht nur juridisch, sondern auch in der täglichen Praxis gewährleistet sein muß. Die Religionsfreiheit entspricht nämlich der dem menschlichen Geschöpf innewohnenden Öffnung zu Gott hin, der die Fülle der Wahrheit und das höchste Gut ist, und ihre Wertschätzung ist ein wesentlicher Ausdruck für die Achtung der menschlichen Vernunft und ihrer Fähigkeit zur Wahrheit. Die Öffnung zur Transzendenz ist eine unverzichtbare Gewährleistung der Würde des Menschen, weil es im Herzen jedes Menschen Sehnsüchte und Wünsche gibt, die nur in Gott Verständnis und Antwort finden. Daher kann man Gott nicht aus dem Horizont des Menschen und der Geschichte ausschließen! Aus diesem Grund muß dem gemeinsamen Wunsch aller echten religiösen Traditionen, die eigene Identität öffentlich zu zeigen, ohne gezwungen zu sein, sie zu verstecken oder zu tarnen, entsprochen werden.

Die Achtung der Religion trägt außerdem dazu bei, den wiederholten Vorwurf zu widerlegen, Gott vergessen zu haben. Unter diesem Vorwand versuchen einige terroristische Netze, die Bedrohung der Sicherheit der westlichen Gesellschaften von ihrer Seite zu rechtfertigen. Der Terrorismus ist ein sehr ernstzunehmendes Phänomen, das oft soweit geht, Gott zu instrumentalisieren und das menschliche Leben in nicht zu rechtfertigender Weise zu verachten. Sicher hat die Gesellschaft das Recht, sich zu verteidigen, aber dieses Recht muß, wie jedes andere Recht auch, stets unter voller Achtung der moralischen und juridischen Normen ausgeübt werden, auch was die Wahl der Ziele und der Mittel angeht. In demokratischen Systemen rechtfertigt die Anwendung von Gewalt niemals den Verzicht auf die rechtsstaatlichen Grundsätze. Kann man denn die Demokratie schützen, indem man ihre Grundlagen gefährdet? Es ist daher notwendig, die Sicherheit der Gesellschaft und ihrer Mitglieder mutig zu verteidigen, die unveräußerlichen Rechte jeder Person müssen dabei aber gewahrt bleiben. Der Terrorismus muß entschlossen und wirksam bekämpft werden – im Bewußtsein, daß das Böse ein durchdringendes Geheimnis ist, die Solidarität der Menschen im Guten aber ein Geheimnis, das noch stärker ausstrahlt und sich verbreitet.

Die Soziallehre der Kirche bietet in diesem Zusammenhang Elemente zur Reflexion, die nützlich sind, um Sicherheit und Gerechtigkeit sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene zu fördern – ausgehend von der Vernunft, vom Naturrecht und auch vom Evangelium, also von dem, was der Natur des Menschen entspricht und diese auch übersteigt. Die Kirche weiß, daß es nicht ihr Auftrag ist, selbst diese Lehre politisch durchzusetzen: Im Übrigen will sie der Gewissensbildung in der Politik dienen und helfen, daß die Hellsichtigkeit für die wahren Ansprüche der Gerechtigkeit wächst und zugleich auch die Bereitschaft, von ihnen her zu handeln, selbst wenn das verbreiteten Interessenlagen widerspricht (vgl. Deus caritas Est 28). In ihrer Sendung wird die Kirche bewegt von der Liebe zu Gott und zum Menschen sowie von dem Wunsch, mit allen Menschen guten Willens zusammenzuarbeiten, um eine Welt aufzubauen, in der die Würde und die unveräußerlichen Rechte aller Personen gewahrt werden. Diejenigen, die an Christus glauben, bittet die Kirche, diesen Glauben heute zu bezeugen, mit noch mehr Mut und Großherzigkeit. Die Konsequenz der Christen ist nämlich auch im politischen Leben unverzichtbar, damit das »Salz« des apostolischen Einsatzes seinen »Geschmack« nicht verliert und das »Licht« der Ideale des Evangeliums in ihrem täglichen Handeln nicht verdunkelt wird.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich danke Ihnen noch einmal für Ihren willkommenen Besuch. Während ich meine besten Wünsche für Ihre Arbeit zum Ausdruck bringe, versichere ich Sie eines Gebetsgedenkens, auf daß Gott Sie und Ihre Familien segnen und Ihnen Weisheit, Konsequenz und moralische Stärke gewähren möge für den Dienst an der großen und edlen Sache des Menschen und des Gemeinwohls.



AN DIE TEILNEHMER DER TAGUNG

FÜR DIE NEUERNANNTEN BISCHÖFE Saal der Schweizer, Apostolischer Palast in Castelgandolfo

Samstag, 22. September 2007



Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Bereits seit mehreren Jahren ist es Brauch, daß die neuernannten Bischöfe in Rom zu einer Begegnung zusammenkommen, die als Pilgerfahrt zum Grab des hl. Petrus gelebt wird. Ich heiße euch besonders herzlich willkommen. Die Erfahrung, die ihr zur Zeit macht, regt euch zum Nachdenken über die Verantwortungen und Aufgaben eines Bischofs an. Darüber hinaus ermöglicht sie euch, in euren Herzen das Bewußtsein neu zu entfachen, daß ihr nicht allein seid in der Leitung der Kirche Gottes, sondern daß ihr, zusammen mit dem Beistand der Gnade, die Unterstützung des Papstes und die eurer Mitbrüder habt. Eure Anwesenheit im Mittelpunkt der Katholizität, hier in der Kirche von Rom, öffnet eure Herzen für eine lebendigere Wahrnehmung der Universalität des Gottesvolkes und läßt den Eifer für die ganze Kirche in euch wachsen. Ich danke Herrn Kardinal Giovanni Battista Re für die Worte, mit denen er eure Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat, und begrüße besonders Erzbischof Leonardo Sandri, den Präfekten der Kongregation für die Orientalischen Kirchen. Darüber hinaus begrüße ich jeden von euch, während meine Gedanken zu euren Diözesen gehen.

Am Tag der Bischofsweihe verlangt die Kirche vor der Handauflegung vom Kandidaten, daß er bestimmte Pflichten übernimmt. Zu diesen gehört außer der Verpflichtung, das Evangelium treu zu verkünden und den Glauben zu bewahren, auch die Aufgabe, »im Gebet an den allmächtigen Gott zu verharren zum Wohl seines heiligen Volkes«. Ich möchte jetzt mit euch etwas beim apostolischen und seelsorglichen Charakter des Gebets des Bischofs verweilen.

Der Evangelist Lukas schreibt, daß Jesus Christus die zwölf Apostel auswählte, nachdem er die ganze Nacht auf dem Berg im Gebet zu Gott verbracht hatte (Lc 6,12). Und der Evangelist Markus stellt genauer heraus, daß die Zwölf ausgewählt wurden, weil er sie »bei sich haben und … dann aussenden wollte« (Mc 3,14). Liebe Mitbrüder, wie die Apostel so sind auch wir als ihre Nachfolger vor allem berufen worden, bei Christus zu sein, um ihn tiefer kennenzulernen und an seinem Geheimnis der Liebe und seiner vertrauensvollen Beziehung zum Vater teilzuhaben. Im vertrauten und persönlichen Gebet ist der Bischof wie alle Gläubigen und noch mehr als sie berufen, im Geist der Kindschaft gegenüber Gott zu wachsen, indem er von Jesus selbst die Zuversicht, das Vertrauen und die Treue lernt – Haltungen, die Christus in der Beziehung zum Vater zu eigen sind.

Und die Apostel hatten gut verstanden, daß das Hören im Gebet und die Verkündigung des Gehörten den Vorrang haben mußten vor all den vielen Dingen, die zu tun waren, denn sie faßten den Entschluß: »Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben« (Ac 6,4). Dieser apostolische Plan ist äußerst aktuell. Im Dienst eines Bischofs nehmen heute die organisatorischen Aspekte breiten Raum ein, die Verpflichtungen sind zahlreich, und immer gibt es Vieles, was notwendig ist, aber der erste Platz im Leben eines Nachfolgers der Apostel muß Gott vorbehalten sein. Bereits der hl. Gregor der Große mahnte in der Pastoralregel, daß der Hirte »auf einzigartige Weise in der Lage sein muß, sich von allen anderen abzuheben durch das Gebet und die Kontemplation« (II, 5). Das hat die Überlieferung dann bekanntermaßen so formuliert: »Contemplata aliis tradere« (vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, IIa-IIae, q. 188, Art. 6).

In der Enzyklika Deus caritas est habe ich Bezug genommen auf die biblische Erzählung von der Jakobsleiter und wollte dadurch hervorheben, daß der Hirte gerade durch das Gebet einfühlsam und barmherzig gegenüber allen Menschen wird (vgl. Nr. 7). Und ich habe an den hl. Gregor den Großen erinnert, der sagte, daß der in der Kontemplation verwurzelte Hirte die Nöte der anderen aufzunehmen vermag, so daß sie im Gebet zu seinen eigenen Nöten werden: »Per pietatis viscera in se infirmitatem caeterorum transferat« (Pastoralregel, ebd.). Das Gebet erzieht zur Liebe und öffnet das Herz für die Hirtenliebe, um all diejenigen aufzunehmen, die sich an den Bischof wenden. Innerlich geformt durch den Heiligen Geist tröstet er mit dem Balsam der göttlichen Gnade, erhellt er mit dem Licht des göttlichen Wortes, schenkt er Versöhnung und Erbauung in der brüderlichen Gemeinschaft. In eurem Gebet, liebe Mitbrüder, sollen eure Priester einen besonderen Platz haben, damit sie stets in ihrer Berufung verharren und treu sind gegenüber der priesterlichen Sendung, die ihnen anvertraut ist. Es ist äußerst erbauend für jeden Priester zu wissen, daß der Bischof, von dem er das Geschenk des Priestertums empfangen hat oder der auf jeden Fall sein Vater und Freund ist, ihm im Gebet und im Herzen nahe ist und stets bereit, ihn aufzunehmen, ihn anzuhören, ihn zu unterstützen und zu ermutigen. Ebenso darf im Gebet des Bischofs niemals die Bitte um neue Berufungen fehlen. Sie müssen inständig von Gott erbeten werden, damit er »diejenigen, die er will« zum heiligen Priesteramt berufe.

Das munus sanctificandi, das ihr empfangen habt, verpflichtet euch darüber hinaus, Förderer des Gebets in der Gesellschaft zu sein. In den Städten, in denen ihr lebt und arbeitet, die oft hektisch und laut sind, in denen der Mensch es eilig hat und verloren geht, wo man so lebt, als existiere Gott nicht, sollt ihr in der Lage sein, Orte und Gelegenheiten zum Gebet zu schaffen, wo der Mensch in der Stille, im Hören auf Gott durch die lectio divina, im persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet Gott begegnen und die lebendige Erfahrung Jesu Christi machen kann, der das wahre Antlitz des Vaters offenbart. Werdet nicht müde, dafür zu sorgen, daß die Pfarreien und die Heiligtümer, die Orte der Erziehung und des Leidens, aber auch die Familien zu Orten der Gemeinschaft mit dem Herrn werden. Insbesondere möchte ich euch ermutigen, die Kathedrale zu einem vorbildlichen Haus des Gebetes zu machen, vor allem des liturgischen Gebetes, wo die Diözesangemeinschaft zusammen mit ihrem Bischof Gott für das Heilswerk loben und ihm danken und wo sie Fürsprache halten kann für alle Menschen. Der hl. Ignatius von Antiochien ruft uns die Kraft des gemeinschaftlichen Gebetes in Erinnerung: »Wenn das Gebet eines oder zweier Menschen soviel Kraft besitzt, wieviel mehr Kraft hat dann das Gebet des Bischofs und der ganzen Kirche!« (Brief an die Epheser, 5).

Kurz gesagt, liebe Bischöfe, seid Männer des Gebets! Im Direktorium für den pastoralen Dienst der Bischöfe heißt es: Die »geistliche Fruchtbarkeit des Dienstes eines Bischofs hängt von der Tiefe seiner Vereinigung mit dem Herrn ab. Aus dem Gebet muß ein Bischof Licht, Kraft und Trost schöpfen in seiner Hirtentätigkeit« (Apostolorum successores, 36). Wenn ihr euch für euch selbst und für eure Gläubigen an Gott wendet, dann tut dies mit dem Vertrauen eines Kindes, mit dem Mut eines Freundes, mit der Beharrlichkeit Abrahams, der unermüdlich war in der Fürbitte. Haltet wie Mose die Hände zum Himmel erhoben, während eure Gläubigen den guten Kampf des Glaubens kämpfen. Wie Maria sollt ihr in der Lage sein, jeden Tag Gott zu loben für das Heil, das er in der Kirche und in der Welt wirkt, in der Überzeugung, daß für Gott nichts unmöglich ist (Lc 1,37).

Mit diesen Empfindungen erteile ich euch, euren Priestern, den Ordensmännern und Ordensfrauen, den Seminaristen und den Gläubigen eurer Diözesen einen besonderen Apostolischen Segen.

AN HERRN JOSÉ CUADRA CHAMORRO,

NEUER BOTSCHAFTER NIKARAGUAS BEIM HL. STUHL Montag, 24. September 2007

Herr Botschafter!


1. Mit Freude nehme ich aus Ihren Händen das Schreiben entgegen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Nicaragua beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen für die freundlichen Worte, die Sie soeben an mich gerichtet haben, und heiße Sie herzlich willkommen zu diesem feierlichen Akt, mit dem die Ihnen von Ihrer Regierung übertragene Mission beginnt, die Sie schon einmal, zwischen 1997 und 1998, ausgeübt haben.

Ich bitte Sie, Herrn Daniel Ortega Saavedra, dem Präsidenten der Republik, meine besten Wünsche für Frieden, Glück und Wohlergehen für seine geliebte Nation zu überbringen, die von dem jüngsten Hurrikan »Felix« so schwer heimgesucht wurde. Wie ich dies schon damals getan habe, richte ich erneut mein Gebet für die Opfer an den Allmächtigen und bringe den zahlreichen Geschädigten, die ihre Wohnung oder ihre Arbeitsgeräte verloren haben, meine geistliche Nähe zum Ausdruck. Es bleibt zu hoffen, daß sie neben der inländischen Hilfe großzügige Unterstützung von seiten der internationalen Gemeinschaft erhalten.

2. Nicaragua muß sich wie viele andere Länder auch mit verschiedenen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Problemen auseinandersetzen. Die Mittel für deren Lösung zu finden, ist keine leichte Aufgabe, da man auf die Bereitwilligkeit und Mitwirkung nicht nur der Bürger, sondern vor allem der Verantwortlichen der verschiedenen politischen und unternehmerischen Instanzen bauen muß. Unverzichtbar ist daher die Bündelung der Kräfte und der vielfältigen Einsatzbereitschaft, um angesichts der Herausforderungen einer globalisierten Welt, die mit einem Geist echter Solidarität angegangen werden müssen, ein entschlossenes Vorgehen der Regierenden zu ermöglichen.

Diese christliche und auch menschliche Tugend – sagte mein Vorgänger Johannes Paul II. – muß das Handeln der einzelnen, der Regierungen, der internationalen Körperschaften und Institutionen sowie aller Glieder der Zivilgesellschaft inspirieren, die sich dazu verpflichtet fühlen müssen, für eine echte Entwicklung der Völker und Nationen zu arbeiten, wobei sie das Wohl aller und jedes einzelnen zum Ziel haben, wie die katholische Soziallehre lehrt (vgl. Enzyklika Sollicitudo rei socialis, SRS 40-41).

3. In Ihren Worten haben Sie, Herr Botschafter, auf die von Ihrer Regierung ausgegebenen Prioritäten hingewiesen: Erreichung des sogenannten Ziels »Hambre cero« (Null Hunger), Bekämpfung des Drogenproblems, Voranbringen der Alphabetisierung und Überwindung der Armut. Um diese Ziele zu erreichen und so die Ungleichheit zwischen denen, die alles haben, und jenen, denen es an grundlegenden Gütern, wie Erziehung, Gesundheit und Wohnung, fehlt, abzubauen, kommt es wesentlich auf die Transparenz und Redlichkeit in der öffentlichen Verwaltung an, die entgegen jeder Form von Korruption die Glaubwürdigkeit der Behörden vor den Bürgern fördern und für eine gerechte Entwicklung ausschlaggebend sind.

Angesichts dieser Ziele werden die Verantwortlichen der staatlichen Behörden in der Kirche von Nicaragua ungeachtet der Knappheit ihrer finanziellen Mittel, jedoch mit der Kraft der am Evangelium inspirierten Grundsätze, eine ehrliche Mitwirkung bei der Suche nach gerechten Lösungen finden. Anzuerkennen sind auch ihre Bemühungen, das Gewissen und die Verantwortlichkeit der Bürger zu entwickeln durch Förderung ihrer Beteiligung und ihres Bemühens, sich um die Bedürfnisse derjenigen zu kümmern, die oft in die Armut und Ausgrenzung abgedrängt werden.

Die Bischöfe Ihres Landes mit seinen nationalen und diözesanen Strukturen zeigen in Treue zu ihrem strikt pastoralen Auftrag ihre Bereitschaft, einen Dialog und eine beständige und aufrichtige Kommunikation mit der Regierung aufrechtzuerhalten, wodurch sie zur Schaffung der notwendigen Bedingungen beitragen, die eine echte Versöhnung begünstigen, sowie eines Klimas des Friedens und echter sozialer Gerechtigkeit. »Die unmittelbare Aufgabe, für eine gerechte Ordnung in der Gesellschaft zu wirken, kommt dagegen eigens den gläubigen Laien zu« (Deus Caritas Est, Nr. 29), die ihre politische Tätigkeit als »soziale Liebe« entfalten. In diesem Sinn wandte ich mich in einer Ansprache »an die Apostolischen Nuntien in Lateinamerika« während meiner Begegnung mit ihnen am 17. Februar dieses Jahres (vgl. O.R. dt., Nr. 9, 2.3.2007, S. 10). 4.

Der Heilige Stuhl möchte Nicaragua auch seine Anerkennung aussprechen für seine Position bei den multilateralen Foren über soziale Themen, besonders die Achtung vor dem Leben, die oft großem internem und internationalem Druck ausgesetzt sind. In dieser Hinsicht ist es als sehr positiv zu sehen, daß die Nationalversammlung im vergangenen Jahr die Abschaffung der therapeutischen Abtreibung gebilligt hat. Diesbezüglich ist es unerläßlich, die Hilfe des Staates und der Gesellschaft für die Frauen zu verstärken, die ernste Probleme mit ihrer Schwangerschaft haben.

Neben dem unausweichlichen Thema des Lebens und seines Schutzes besteht angesichts so vieler Formen von Gewalt, auch innerhalb der häuslichen Umgebung – sie sind oft die Folge des Zerfalls der Familie oder sittlichen Verfalls –, eine dringende Notwendigkeit, die menschlichen und moralischen Werte wiederzubeleben und zu fördern. Die Kirche in Nicaragua ist sich dieser traurigen Realität sehr wohl bewußt und sucht sich ihr mit ihren pastoralen Unterweisungen und Programmen zu stellen; es ist jedoch auch erforderlich, daß sich die staatlichen Institutionen mit angemessenen Erziehungsprogrammen an der Gestaltung des sozialen Lebens beteiligen.

5. Herr Botschafter, am Ende dieser Begegnung möchte ich Ihnen meine besten Wünsche für die glückliche Erfüllung Ihrer Aufgaben aussprechen, die helfen, die traditionellen Bande des guten Einvernehmens und der Zusammenarbeit zwischen Nicaragua und dem Heiligen Stuhl zu stärken. Ich bitte Sie, dem Herrn Präsidenten der Republik meine Grüße zu übermitteln, während ich in meinem Gebet durch die Fürsprache von Schwester Maria Romero, der ersten und geliebten Seligen Ihres Landes, des ganzen Volkes von Nicaragua gedenke. Ich bitte Gott, daß er Ihnen in der Mission, die Sie heute beginnen, beistehe, und rufe zugleich auf Sie und auf Ihre Mitarbeiter sowie auf die Regierenden und Bürger von Nicaragua reichen Segen herab.

AN DIE ERSTE GRUPPE DER BISCHÖFE DES LATEINISCHEN RITUS DER UKRAINE ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHS Castelgandolfo - Montag, 24. September 2007



Meine Herren Kardinäle,
liebe und verehrte Mitbrüder im Bischofsamt!

Ich freue mich besonders, euch zu empfangen, und heiße zu Beginn des »Ad-limina«-Besuchs der Bischöfe des lateinischen Ritus jeden von euch herzlich willkommen. Mit großer Freude begrüße ich die griechisch-katholischen Bischöfe, die meine Einladung zur Teilnahme an dieser Begegnung angenommen haben. Heute sind alle Hirten der geliebten Kirche in der Ukraine im Geiste um den Nachfolger Petri versammelt. Es handelt sich um eine Geste kirchlicher Gemeinschaft, ein beredtes Zeugnis jener brüderlichen Liebe, die Jesus seinen Jüngern als Kennzeichen hinterlassen hat. Wir machen uns die Worte des Psalmisten zu eigen: »Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen!« Und weiter: Denen, die in seiner Liebe wohnen, »spendet der Herr Segen und Leben in Ewigkeit« (Ps 133,1–3). In diesem Bewußtsein und mit Gefühlen der Wertschätzung und lebendigen Herzlichkeit danke ich einem jeden von euch für die pastorale Arbeit, die ihr täglich im Dienst am Volk Gottes vollbringt.

Ich weiß, mit welchem Eifer ihr euch bemüht, im geliebten Land der Ukraine das Evangelium zu verkünden und zu bezeugen, wobei ihr mitunter auf nicht geringe Schwierigkeiten stoßt, aber immer getragen von dem Bewußtsein seid, daß Christus mit fester Hand seine Herde leitet, jene Herde, die er selbst euren Händen als seinen Dienern anvertraut hat. Der Papst und die Mitarbeiter der Römischen Kurie sind euch nahe und verfolgen voll Liebe den Weg jeder eurer Ortskirchen und sind im vollen Bewußtsein, vom Herrn zum Dienst an der Einheit und Gemeinschaft der Kirche berufen zu sein, in jeder Situation bereit, euch ihre Hilfestellung anzubieten.

Die heutige Begegnung rückt die Schönheit und den Reichtum des Geheimnisses der Kirche ins Licht. Die Kirche ist – daran erinnert das Zweite Vatikanische Konzil – »Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe«; als solche hat sie »der einzige Mittler Christus … hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfaßt. … Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird« (Lumen gentium LG 8). In der Vielfalt ihrer Riten und historischen Traditionen verkündet und bezeugt die eine katholische Kirche in jedem Winkel der Erde denselben Jesus Christus, Wort des Heils für jeden Menschen und für den ganzen Menschen. Deshalb besteht das Geheimnis der Wirksamkeit aller unserer pastoralen und apostolischen Pläne vor allem in der Treue zu Christus. Von uns Hirten wie von allen Gläubigen wird gefordert, mit ihm im Gebet und im fügsamen Hören auf sein Wort eine tiefe und beständige Vertraulichkeit mit ihm zu leben: Das ist der einzige Weg, den wir gehen müssen, um in jedem Bereich Zeichen seiner Liebe und Werkzeuge seines Friedens und seiner Eintracht zu werden.

Ich bin sicher, daß es euch, liebe und verehrte Brüder, beseelt von diesem Geist, nicht schwer fällt, zwischen den lateinischen und den griechisch- katholischen Bischöfen eine herzliche Zusammenarbeit zu intensivieren, zum Wohl des ganzen christlichen Volkes. So könnt ihr eure Pastoralpläne und eure apostolischen Aktivitäten koordinieren und damit immer das Zeugnis jener kirchlichen Gemeinschaft geben, die auch unverzichtbare Voraussetzung für den ökumenischen Dialog mit unseren orthodoxen Brüdern und denen der anderen Kirchen ist. Insbesondere erlaube ich mir, euch den Vorschlag für wenigstens ein jährliches Treffen zu machen, bei dem die Bischöfe des lateinischen Ritus mit denen des griechisch-katholischen Ritus zu einer passenden Aussprache zusammenkommen, um die Seelsorgearbeit immer harmonischer und wirksamer zu gestalten. Ich bin überzeugt, daß die brüderliche Zusammenarbeit zwischen den Bischöfen Ermutigung und Ansporn sein wird, in der Einheit und im apostolischen Enthusiasmus zu wachsen, und auch einen nützlichen ökumenischen Dialog fördern wird.

Liebe und verehrte Brüder, ich danke euch nochmals dafür, daß ihr meine Einladung zur Teilnahme an diesem brüderlichen Treffen angenommen habt. Auf jeden von euch und auf eure Gemeinden rufe ich den mütterlichen Schutz der Gottesmutter herab, die die lateinische Liturgie am heutigen Tag als selige Jungfrau vom Loskauf der Gefangenen verehrt. Sie möge euch im täglichen Dienst stützen und ihn reich an geistlichen Früchten machen; sie tröste und stärke euch in den Schwierigkeiten und in der Stunde der Prüfung; um für euch die Freude einer immer tieferen Gemeinschaft mit ihrem göttlichen Sohn zu erlangen und die Brüderlichkeit unter euch, Nachfolgern der Aposteln, noch mehr zu festigen. Maria vertrauen wir in besonderer Weise den heute beginnenden »Ad-limina«-Besuch der Bischöfe des lateinischen Ritus und die Pastoralpläne aller eurer Gemeinden an. Während ich mit diesen Wünschen eine reiche Fülle himmlischer Gnaden und Tröstungen auf euch persönlich und auf eure jeweiligen kirchlichen Aktivitäten herabrufe, erteile ich einem jeden einen besonderen Segen, den ich gern auf die eurem bischöflichen Dienst anvertrauten Gläubigen sowie auf das ganze geliebte Volk der Ukraine ausweite.
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