Benedikt XVI Predigten 165

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AN DIE RÖMISCHE KURIE BEIM WEIHNACHTSEMPFANG Clementina-Saal

Freitag, 21. Dezember 2007




Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

In dieser Begegnung empfinden wir bereits die Freude des schon nahen Weihnachtsfestes. Ich bin Ihnen zutiefst dankbar für Ihre Teilnahme an diesem traditionellen Treffen, dessen besondere geistliche Atmosphäre der Kardinaldekan Angelo Sodano sehr schön wachgerufen hat, indem er das Zentralthema der jüngst erschienenen Enzyklika über die christliche Hoffnung ansprach. Ich danke ihm herzlich für die warmen Worte, mit denen er die Glückwünsche des Kardinalskollegiums, der Mitglieder der Römischen Kurie und des Governatorats sowie der Päpstlichen Vertreter in aller Welt zum Ausdruck gebracht hat. Unsere Gemeinschaft ist wirklich – wie Sie, Herr Kardinal, hervorgehoben haben – eine »Arbeitsgemeinschaft«, die zusammengehalten wird mit Banden der Geschwisterlichkeit, welche durch die weihnachtlichen Festlichkeiten erneut gestärkt werden. In diesem Geist haben Sie es sinnvollerweise nicht versäumt, die ehemaligen Mitglieder unserer Kurienfamilie zu erwähnen, die in den vergangenen Monaten die Schwelle der Zeit überschritten haben und in den Frieden Gottes eingegangen sind: Bei einem Anlaß wie diesem tut es dem Herzen wohl, die Nähe derjenigen zu spüren, die gemeinsam mit uns der Kirche gedient haben und nun am Thron Gottes für uns eintreten. Danke also, Herr Kardinaldekan, für Ihre Worte und danke an alle Anwesenden für den Beitrag, den jeder einzelne zur Erfüllung des Dienstes leistet, den der Herr mir aufgetragen hat.

Ein weiteres Jahr geht zu Ende. Als erstes herausragendes Ereignis dieses so schnell verflossenen Zeitabschnitts möchte ich die Reise nach Brasilien erwähnen. Ihr Ziel war die Begegnung mit der V. Generalkonferenz des Episkopats von Lateinamerika und den Karaiben und so überhaupt eine Begegnung mit der Kirche im weit erstreckten lateinamerikanischen Kontinent. Einige Höhepunkte dieser Reise möchte ich erwähnen, bevor ich zur Konferenz von Aparecida selbst komme. Zunächst bleibt mir der festliche Abend mit der Jugend im Stadion von São Paulo im Gedächtnis, an dem uns alle, trotz der kalten Temperaturen, eine große innere Freude, eine lebendige Erfahrung der Gemeinsamkeit und ein klarer Wille verband, aus dem Geist Jesu Christi heraus Diener der Versöhnung, Freunde der Armen und Leidenden, Boten des Guten zu sein, das uns im Evangelium aufgeleuchtet ist. Es gibt Massenkundgebungen, die nur wie eine Selbstbestätigung wirken; in denen man sich nur in den Taumel des Rhythmus und der Klänge einsinken läßt und dabei sich selbst genießt. Aber hier öffnete sich gerade das Selbst; das Miteinander, das sich an diesem Abend unter uns ganz spontan bildete, trug ein Füreinander in sich. Es war nicht Flucht vor dem Alltag, sondern wurde Kraft, ihn neu anzunehmen. Ich möchte jedenfalls den jungen Menschen herzlich danken, die diesen Abend gestaltet haben, für ihr Mitsein, für ihr Singen, Sprechen, Beten, das uns von innen her gereinigt, besser gemacht hat – besser auch für die anderen.

Unvergessen bleibt auch der Tag, an dem ich zusammen mit einer großen Zahl von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Gläubigen feierlich Frei Galvão, einen Sohn Brasiliens, kanonisieren, zum Heiligen der ganzen Kirche erklären durfte. Überall grüßten uns seine Bilder, aus denen die Güte des Herzens herausleuchtete, die er in der Begegnung mit Christus und in seiner Ordensgemeinschaft gefunden hatte. Über die endgültige Wiederkunft Christi in der Parusie ist uns gesagt, daß er nicht allein, sondern mit allen seinen Heiligen kommen wird. So ist jeder Heilige, der in die Geschichte hereintritt, schon ein Stück der Wiederkunft Christi, ein neues Ankommen des Herrn, das uns sein Bild auf neue Weise zeigt, uns seiner Gegenwart gewiß werden läßt. Jesus Christus gehört nicht der Vergangenheit an und ist nicht in eine weit entfernte Zukunft entrückt, um die wir gar nicht bitten mögen. Er kommt in einer großen Prozession von Heiligen. Er ist immer schon mit seinen Heiligen unterwegs zu uns, in unser Heute.

Besonders lebendig steht in meinem Gedächtnis der Tag in der Fazenda da Esperança, in der Menschen, die in die Knechtschaft der Droge geraten waren, wieder Freiheit und Hoffnung finden. Beim Ankommen dort ist mir als erstes die heilende Kraft der Schöpfung Gottes neu aufgegangen. Grüne Berge umstehen das weite Tal; sie weisen in die Höhe und geben zugleich ein Gefühl der Geborgenheit. Aus dem Tabernakel der kleinen Kirche der Karmelitinnen fließt eine Quelle reinen Wassers, die an die Ezechiel-Prophetie vom Wasser aus dem Tempel erinnert, das das salzige Land entgiftet und Bäume wachsen läßt, die Leben geben. Die Schöpfung müssen wir nicht nur unserer Zweckmäßigkeiten wegen schützen, sondern ihrer selbst wegen – als Botschaft des Schöpfers, als Geschenk der Schönheit, die Verheißung und Hoffnung ist. Ja, der Mensch braucht die Transzendenz. Gott allein genügt, hat Teresa von Avila gesagt. Wenn er ausfällt, dann muß der Mensch selber die Welt zu entgrenzen versuchen, sich den unendlichen Raum öffnen, für den er geschaffen ist. Die Droge wird ihm geradezu zur Notwendigkeit. Aber alsbald entdeckt er, daß dies nur eine Schein-Unendlichkeit ist – ein Spott des Teufels auf den Menschen, möchte man sagen. Dort, in der Fazenda der Hoffnung, wird die Welt wieder wirklich entgrenzt, der Blick auf Gott hin, auf die Weite unseres Lebens öffnet sich, und so geschieht Heilung. All denen, die dort wirken, gilt mein aufrichtiger Dank, und all denen, die dort Heilung suchen, mein herzlicher Segenswunsch.

Schließlich möchte ich an die Begegnung mit den brasilianischen Bischöfen in der Kathedrale von São Paulo erinnern. Die festliche Musik, die uns begleitet hat, bleibt unvergeßlich. Es hat sie besonders schön gemacht, daß sie von armen Jugendlichen jener Stadt dargeboten wurde, die sich zu Chor und Orchester zusammengefunden hatten. Sie haben uns so die Erfahrung der Schönheit geschenkt, die mit zu den Gaben gehört, durch die der Alltag der Welt entgrenzt wird und wir Größeres vernehmen, das uns der Schönheit Gottes gewiß werden läßt. Das Erlebnis der »effektiven und affektiven Kollegialität«, der brüderlichen Gemeinschaft im gemeinsamen Dienst hat uns die Freude der Katholizität spüren lassen: Über alle geographischen und kulturellen Grenzen hin sind wir Brüder mit dem auferstandenen Christus, der uns in seinen Dienst gerufen hat.

Schließlich Aparecida. Ganz besonders hat mich die kleine Figur der Madonna berührt. Arme Fischer, die immer wieder vergeblich ihre Netze auswarfen, haben sie aus dem Fluß gezogen; darauf folgte endlich dann auch der reiche Fischfang. Es ist die Madonna der Armen, die selbst arm und klein geworden ist. So ist gerade durch den Glauben und die Liebe der Armen um diese Figur herum die große Wallfahrtskirche geworden, die doch immer auf die Armut Gottes, auf die Demut der Mutter verweist und darum Tag um Tag Heimstatt und Zufluchtsort der Betenden und Hoffenden ist. Es war gut, daß wir uns dort versammelt haben und dort das Dokument dieser Generalversammlung erarbeitet haben, das unter dem Thema steht: »Discipulos e misioneros de Jesucristo, para que en Él tengan la vida.« Man könnte natürlich sofort fragen: War dies das rechte Thema in dieser unserer historischen Stunde? War es nicht zu sehr eine Wendung nach innen in einem Augenblick, in dem die großen Herausforderungen der Geschichte, die drängenden Fragen der Gerechtigkeit, des Friedens und der Freiheit den vollen Einsatz aller Menschen guten Willens, gerade auch der Christenheit und der Kirche verlangen? Hätte man sich nicht diesen Fragen stellen müssen, anstatt in die Innenwelt des Glaubens zurückzukehren?

Stellen wir diesen Einwand einstweilen zurück. Bevor wir darauf antworten, ist es notwendig, das Thema selbst in seiner wahren Bedeutung richtig zu verstehen; wenn dies geschieht, ergibt sich die Antwort auf den Einwand von selbst. Das Zielwort des Themas lautet: das Leben finden – das eigentliche Leben. Das Thema setzt dabei voraus, daß dieses Ziel, worin wohl alle übereinstimmen können, in der Jüngerschaft Jesu Christi sowie im Einsatz für sein Wort und seine Gegenwart erreicht wird. Die Christen in Lateinamerika und mit ihnen in der ganzen Welt werden also zuallererst eingeladen, wieder mehr »Jünger Jesu Christi« zu werden, was wir ja eigentlich durch die Taufe schon sind und doch immer wieder neu werden müssen in der lebendigen Aneignung des Geschenks dieses Sakramentes. Jünger Christi sein – was heißt das? Nun, das bedeutet zuerst: ihn kennenlernen. Wie geschieht das? Es ist eine Einladung, ihm zuzuhören, wie er im Wort der Heiligen Schrift zu uns spricht, wie er im gemeinsamen Beten der Kirche und in den Sakramenten, wie im Zeugnis der Heiligen uns anredet und auf uns zugeht. Christus kennenlernen kann man nie nur theoretisch. Man kann in großer Gelehrsamkeit alles wissen über die Heiligen Schriften, ohne ihm begegnet zu sein. Zum Kennenlernen gehört das Mitgehen mit ihm, das Eintreten in seine Gesinnungen, wie der Philipper-Brief sagt (2,5). Diese Gesinnungen beschreibt der heilige Paulus kurz so: Die Liebe haben, miteinander eine Seele sein (sympsychoi), einträchtig sein, nichts aus Ehrgeiz und Prahlerei tun, nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auf das des anderen bedacht sein (2,2–4). Katechese kann nie nur intellektuelle Belehrung sein, sie muß auch Einübung in die Lebensgemeinschaft mit Christus, Einübung in die Demut, in die Gerechtigkeit und in die Liebe werden. Nur so gehen wir mit Jesus Christus auf seinem Weg, nur so öffnet sich das Auge unseres Herzens; nur so lernen wir die Schrift zu verstehen und begegnen wir Ihm. Begegnung mit Jesus Christus verlangt das Zuhören, verlangt das Antworten im Gebet und im Tun dessen, was er uns sagt. Indem wir Christus kennenlernen, lernen wir Gott kennen, und nur von Gott her verstehen wir den Menschen und die Welt, die sonst ein sinnloses Fragen bleibt.

Jünger Jesu Christi werden ist also ein Weg der Erziehung zu unserem wahren Sein, zum rechten Menschsein. Im Alten Testament wurde die Grundhaltung des Menschen, der Gottes Wort lebt, in dem Begriff Zadik – der Gerechte – zusammengefaßt: Wer nach dem Wort Gottes lebt, wird ein Gerechter; er tut und lebt die Gerechtigkeit. Im Christentum ist die Haltung der Jünger Jesu Christi dann in einem anderen Wort formuliert worden: der Gläubige. Der Glaube umfaßt alles; das Mitsein mit Christus und mit seiner Gerechtigkeit wird in diesem Wort nun zusammen ausgesagt. Wir empfangen im Glauben Christi Gerechtigkeit und leben sie selbst, geben sie weiter. Das Dokument von Aparecida konkretisiert dies alles, indem es von der guten Botschaft über die Menschenwürde, über das Leben, über die Familie, über Wissenschaft und Technologie, über die menschliche Arbeit, über die universale Bestimmung der Güter der Erde und die Ökologie redet: Dimensionen, in denen sich unsere Gerechtigkeit entfaltet, Glaube gelebt und auf die Herausforderungen der Zeit geantwortet wird.

Der Jünger Jesu Christi muß auch »Missionar«, Bote des Evangeliums sein, so sagt uns dieses Dokument. Auch hier erhebt sich ein Einwand: Soll man heute noch »missionieren«? Sollen nicht lieber alle Religionen und Weltanschauungen friedlich zusammenleben und miteinander das Beste für die Menschheit zu tun versuchen, jeder auf seine eigene Art? Nun, daß wir alle in Toleranz und Respekt zusammenleben und zusammenwirken sollen, ist unbestritten. Die katholische Kirche setzt sich mit großem Nachdruck dafür ein und hat mit den beiden Begegnungen von Assisi auch deutliche Zeichen in diese Richtung gesetzt, die wir in diesem Jahr in der Begegnung in Neapel neu aufgegriffen haben. In diesem Zusammenhang möchte ich hier gerne das Schreiben erwähnen, das mir am vergangenen 13. Oktober 138 muslimische Religionsführer freundlicherweise zugesandt haben, um mir ihren gemeinsamen Einsatz für die Förderung des Friedens in der Welt zu bezeugen. Mit Freude habe ich in meiner Antwort meine volle Zustimmung zu diesen edlen Absichten bekundet und zugleich die Dringlichkeit einträchtiger Bemühungen zur Wahrung der Werte der gegenseitigen Achtung, des Dialogs und der Zusammenarbeit betont. Die einmütige Anerkennung der Existenz eines einzigen Gottes, der weiser Schöpfer und allgemeiner Richter über das Verhalten eines jeden ist, bildet die Voraussetzung für ein gemeinsames Handeln zum Schutz der effektiven Achtung der Würde jedes Menschen zum Aufbau einer gerechteren und solidarischeren Gesellschaft.

Aber bedeutet dieser Wille zu Dialog und Zusammenarbeit zugleich, daß wir die Botschaft von Jesus Christus nicht mehr weitergeben, nicht mehr den Menschen und der Welt diesen Anruf und seine Hoffnung vorlegen dürfen? Wer eine große Erkenntnis, wer große Freude gefunden hat, muß sie weitergeben, kann dies gar nicht für sich selbst behalten. Solche großen Gaben sind niemals für einen allein bestimmt. Uns ist in Jesus Christus ein großes Licht, das große Licht aufgegangen: Wir dürfen es nicht unter den Scheffel stellen, sondern müssen es auf den Leuchter heben, damit es allen im Haus leuchtet (Mt 5,15). Der heilige Paulus ist rastlos mit dem Evangelium unterwegs gewesen. Er wußte sich förmlich unter einem »Zwang«, das Evangelium zu verkünden (1Co 9,16) – nicht so sehr aus Heilsangst für die einzelnen Ungetauften, vom Evangelium noch nicht Erreichten, sondern weil er wußte, daß die Geschichte als ganze nicht zur Vollendung kommen konnte, solange nicht die Fülle (pléroma) der Völker eingetreten sein würde in das Evangelium (Rm 11,25). Die Geschichte braucht zu ihrer Vollendung die Verkündigung der Botschaft an alle Völker, an alle Menschen (vgl. Mk Mc 13,10). Und in der Tat: Wie wichtig ist es, daß in die Menschheit Kräfte der Versöhnung, Kräfte des Friedens, Kräfte der Liebe und Gerechtigkeit einströmen – daß im Haushalt der Menschheit gegenüber all den Gesinnungen und Wirklichkeiten der Gewalt und des Unrechts, von denen sie bedroht wird, die Gegenkräfte geweckt und gestärkt werden! Genau dies geschieht in der christlichen Mission: Dem Haushalt der Menschheit werden durch die Begegnung mit Jesus Christus und seinen Heiligen, durch die Begegnung mit Gott jene Kräfte des Guten zugeführt, ohne die all unsere Sozialordnungen nicht Wirklichkeit werden, sondern bloß abstrakte Theorie bleiben, angesichts des übermächtigen Drucks anderer Interessen, die dem Frieden und der Gerechtigkeit entgegenstehen.

So sind wir zu den zuerst gestellten Fragen zurückgekehrt: Hat Aparecida gut daran getan, der Jüngerschaft Jesu Christi und der Evangelisierung die Priorität zu geben auf der Suche nach Leben für die Welt? War es eine falsche Wendung nach innen? Nein! Aparecida hat richtig entschieden, weil gerade durch die neue Begegnung mit Jesus Christus und seinem Evangelium, nur so, die Kräfte geweckt werden, die uns instand setzen, auf die Herausforderungen der Zeit die rechte Antwort zu geben.

Ende Juni habe ich einen Brief an die Bischöfe, die Priester, die Personen gottgeweihten Lebens und an die gläubigen Laien der katholischen Kirche in der Volksrepublik China gesandt. Mit diesem Brief wollte ich sowohl meine tiefe geistliche Zuneigung zu allen Katholiken in China als auch herzliche Wertschätzung für das chinesische Volk zum Ausdruck bringen. Ich habe darin die bleibenden Grundsätze der katholischen Tradition und des Zweiten Vatikanischen Konzils auf dem Feld der Ekklesiologie in Erinnerung gerufen. Im Licht des »ursprünglichen Planes«, den Christus von seiner Kirche hatte, habe ich einige Orientierungen gegeben, um die heiklen und komplexen Problemkreise des Lebens der Kirche in China im Geist der Gemeinschaft und der Wahrheit anzugehen und zu lösen. Ich habe auch auf die Bereitschaft des Heiligen Stuhls zu einem sachlichen und konstruktiven Dialog mit den zivilen Autoritäten hingewiesen, damit eine Lösung für die verschiedenen Probleme gefunden werden kann, die die katholische Gemeinschaft betreffen. Der Brief wurde von den Katholiken in China mit Freude und Dankbarkeit aufgenommen. So wünsche ich mir, daß er mit Gottes Hilfe die erhofften Früchte bringen möge.

Auf die anderen Höhepunkte des Jahres kann ich leider nur noch kurz zu sprechen kommen. Tatsächlich waren es Ereignisse, die in dieselbe Richtung zielten, die gleiche Orientierung deutlich machen wollten. So der wundervolle Besuch in Österreich. Der Osservatore Romano hat mit einem schönen Wort den Regen, der uns begleitete, als »pioggia della fede« – Glaubensregen bezeichnet: Der Regen hat uns die Freude des Glaubens an Christus durch das Hinschauen auf seine Mutter nicht nur nicht gemindert, sondern sogar gestärkt. Diese Freude durchbrach den Schleier der Wolken, die uns umgaben. Mit Maria blickend auf Christus haben wir das Licht gefunden, das uns in allen Finsternissen der Welt den Weg weist. Den österreichischen Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und all den vielen Gläubigen, die in diesen Tagen mit mir auf dem Weg zu Christus waren, möchte ich herzlich danken für dieses ermutigende Zeichen des Glaubens, das sie uns geschenkt haben.

Auch die Begegnung mit der Jugend in der Agora von Loreto war ein großes Zeichen der Freude und der Hoffnung: Wenn so viele junge Menschen Maria und mit Maria Christus begegnen wollen und sich von der Freude des Glaubens anstecken lassen, dann können wir getrost der Zukunft entgegengehen. In diesem Sinn habe ich mich bei verschiedenen Gelegenheiten an die Jugendlichen gewandt: bei meinem Besuch im Institut für Minderjährige, Casal del Marmo, in den Ansprachen bei Audienzen und beim sonntäglichen Angelus-Gebet. Ich habe ihre Erwartungen und ihre großherzigen Vorsätze zur Kenntnis genommen, die Erziehungsfrage erneut aufgeworfen und die Ortskirchen zu einem verstärkten Engagement in der Berufungspastoral aufgefordert. Natürlich habe ich nicht versäumt, die Manipulationen anzuprangern, denen die jungen Menschen heute ausgesetzt sind, und die Gefahren aufzuzeigen, die sich daraus für die Gesellschaft der Zukunft ergeben.

Ganz kurz habe ich schon von dem Treffen in Neapel gesprochen. Auch da waren wir – ganz ungewohnt für die Stadt der Sonne und des Lichts – vom Regen umgeben, aber auch da hat die warme Menschlichkeit, der lebendige Glaube die Wolken durchbrochen und uns die Freude erleben lassen, die aus dem Evangelium kommt.

Natürlich dürfen wir uns keine Illusionen machen: Die Probleme, die der Säkularismus unserer Zeit stellt, und der Druck der ideologischen Anmaßungen, zu denen das säkularistische Bewußtsein mit seinem Alleinanspruch auf die endgültige Rationalität neigt, sind nicht gering. Wir wissen es und wissen um die Mühsale des Ringens, das uns in dieser Zeit auferlegt ist. Aber wir wissen auch, daß der Herr seine Verheißung einhält: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt (Mt 28,20). In dieser frohen Gewißheit nehmen wir den Gedankenanstoß von Aparecida auf, unser Mitsein mit Christus auch unsererseits zu erneuern, und gehen so zuversichtlich auf das neue Jahr zu. Gehen wir unter dem mütterlichen Blick der Aparecida, unter den Augen derer, die sich selbst als »die Magd des Herrn« bezeichnet hat. Ihr Schutz schenkt uns Sicherheit und erfüllt uns mit Hoffnung. In diesem Sinne erteile ich Ihnen allen, die Sie hier zugegen sind, sowie allen, die zur großen Familie der Römischen Kurie gehören, von Herzen den Apostolischen Segen.





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BESUCH IM HAUS "DONO DI MARIA" DER MISSIONARINNEN DER NÄCHSTENLIEBE


NACH SEINEM BESUCH Freitag, 4. Januar 2008

Liebe Freunde!

Zu Beginn des neuen Jahres, während wir noch die familiäre Atmosphäre von Weihnachten spüren, komme ich euch besuchen und nütze die Gelegenheit, um allen meine herzlichsten und besten Wünsche auszusprechen. Mit Zuneigung grüße ich euch hier Anwesende und alle, die dank der Fernsehübertragung aus den übrigen Räumen dieses »Dono di Maria« genannten Hauses mit uns verbunden sind und uns folgen. Viele Jahre lang habe ich als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre alltäglich mehrere Stunden neben eurer verdienstvollen Einrichtung verbracht, die von meinem verehrten Vorgänger, dem Diener Gottes Johannes Paul II., gewollt und der sel. Teresa von Kalkutta anvertraut worden war. So konnte ich den evangeliumsgemäßen großmütigen Liebesdienst würdigen, den die Missionarinnen der Nächstenliebe seit fast zwanzig Jahren mit der Hilfe und Mitarbeit vieler Menschen guten Willens ausüben. Heute bin ich unter euch, um den Schwestern, den Ehrenamtlichen und den verschiedenen Mitarbeitern meinen Dank auszusprechen. Ich bin vor allem hier, um euch, liebe Freunde, meine geistliche Nähe zu bekunden, die ihr in diesem Haus liebevolle Aufnahme, Gehör, Verständnis und tägliche materielle und geistliche Unterstützung findet. Ich bin hier, um euch zu sagen, daß der Papst euch gern hat und euch nahe ist. Ich danke der Oberin der Missionarinnen der Nächstenliebe, die ihren Dienst beendet; sie hat im Namen aller freundliche Worte des Willkommens an mich gerichtet und eure Gefühle zum Ausdruck gebracht. Ich grüße die neue Oberin, die die Leitung dieses Hauses mit dem Stil fügsamer Bereitschaft übernimmt, der die geistlichen Töchter von Mutter Teresa von Kalkutta auszeichnet.

Als dieses Haus entstand, wollte die selige Mutter Teresa es »Dono di Maria« nennen, sozusagen mit dem Wunsch, daß hier immer die Liebe der Jungfrau Maria zu spüren sei. Für jeden, der an die Tür klopft, ist es tatsächlich ein Geschenk Marias, von den liebevollen Armen der Schwestern und der Ehrenamtlichen aufgenommen zu werden. Und ein weiteres Geschenk Marias ist die Anwesenheit derer, die sich Zeit nehmen, die Menschen in Not anzuhören und ihnen mit derselben Haltung zu dienen, die die Mutter des Herrn ohne Zögern zu Elisabeth hingezogen hat. Dieser Stil der evangeliumsgemäßen Liebe besiegle und kennzeichne immer eure Berufung, damit ihr neben der materiellen Hilfe allen, denen ihr täglich begegnet, die gleiche Leidenschaft für Christus und das strahlende »Lächeln Gottes« vermitteln könnt, die das Dasein von Mutter Teresa beseelt haben.

Mutter Teresa pflegte zu sagen: Weihnachten ist jedesmal, wenn wir es Jesus gestatten, die anderen durch uns zu lieben. Weihnachten ist Geheimnis der Liebe, das Geheimnis der göttlichen Liebe. Die Weihnachtszeit läßt uns erneut die Geburt Jesu in Betlehem betrachten und zeigt uns damit die unendliche Güte Gottes, der der Armut und Einsamkeit der Menschen entgegenkommen wollte, indem er Kind wurde; er hat es auf sich genommen, unter uns zu wohnen und unsere täglichen Schwierigkeiten zu teilen; er hat nicht gezögert, mit uns die Last des Daseins mit seinen Mühen und Sorgen zu tragen. Er wurde für uns geboren, um bei uns zu bleiben und jedem, der ihm die Tür des eigenen Herzens öffnet, das Geschenk seiner Freude, seines Friedens, seiner Liebe anzubieten. Indem er in einer Grotte geboren wurde, weil sonst kein Platz für ihn war, hat Jesus die Beschwernisse kennengelernt, die viele unter euch erfahren. Weihnachten hilft uns zu verstehen, daß Gott uns nie verläßt, uns immer entgegenkommt, uns schützt und daß er sich um jeden von uns sorgt, denn jeder Mensch, vor allem der kleinste und schutzloseste, ist wertvoll in den von Zärtlichkeit und Erbarmen erfüllten Augen des Vaters. Er hat für uns und zu unserem Heil seinen Sohn in die Welt gesandt, den wir im Geheimnis von Weihnachten als den Emmanuel, den Gott-mit-uns betrachten. Mit diesen Empfindungen erneuere ich meine herzlichsten Wünsche an euch für das soeben begonnene neue Jahr und versichere euch meines täglichen Gebetsgedenkens. Während ich den mütterlichen Schutz Marias erbitte, der Mutter Christi und unserer Mutter, erteile ich allen mit Zuneigung meinen Segen.


GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI.

Liebe Schwestern und Brüder,

ich grüße euch mit Zuneigung und danke euch für eure herzliche Aufnahme. Ich bitte euch, Schwester Nirmala meinen herzlichen Gruß zu überbringen und sie meines Gebetes für sie und für die Kongregation zu versichern. Es ist mir eine Freude, die Generaloberen der beiden männlichen Zweige der Familie zu treffen, die von der sel. Mutter Teresa gegründet wurden: die Missionare der Nächstenliebe und die kontemplativen Missionsbrüder der Nächstenliebe. Außerdem grüße ich mit aufrichtiger Herzlichkeit die Laien- Mitarbeiter und die hier anwesenden geladenen Gäste, wobei ich meine Hochschätzung all denen ausspreche, die an diesem Ort Dienst tun, damit diejenigen, die hier als Gäste aufgenommen werden, sich wie zu Hause fühlen können. Ihr alle zusammen bildet eine Kette christlicher Nächstenliebe, ohne die dieses Haus wie jedes ehrenamtliche Werk nicht bestehen und den vielen Formen der Not und Entbehrung nicht abhelfen könnte. Deshalb gilt jedem von euch meine Anerkennung und meine Ermutigung, denn ich weiß, daß ihr das, was ihr hier für jeden Bruder und jede Schwester tut, für Christus selbst tut.

Der Besuch, den ich heute abstatten wollte, knüpft an die vielen Besuche meines geliebten Vorgängers, des Dieners Gottes Johannes Paul II., an. Er wollte unbedingt dieses Haus der Aufnahme für die Ärmsten gerade hier, wo die Mitte der Kirche ist, neben Petrus, der Jesus, den Herrn, liebte, ihm diente und nachfolgte. Diese unsere Begegnung findet fast zwanzig Jahre nach dem Bau und der Eröffnung dieses Hauses innerhalb der Leoninischen Mauern statt. Denn es war der 21. Mai 1988, als der geliebte Johannes Paul II. das Haus »Dono di Maria« eröffnet hat. Wie viele Gesten des Teilens, der konkreten Nächstenliebe wurden in diesen Jahren in diesen Mauern vollbracht! Sie sind ein Zeichen und ein Beispiel für die christlichen Gemeinden, daß sie sich bemühen, immer aufnahmebereite und offene Gemeinschaften zu sein.

Der schöne Name dieses Hauses: »Dono di Maria – Geschenk Marias« lädt uns am Jahresbeginn ein, unser Leben unermüdlich zu verschenken. Die Jungfrau Maria, die sich dem Allmächtigen ganz überlassen hat und durch die Ankunft des Sohnes Gottes mit allen Gnaden und Segen erfüllt worden ist, lehre uns, unser Dasein zu einem täglichen Geschenk an Gottvater zu machen, im Dienst an den Brüdern und Schwestern und im Hören seines Wortes und seines Willens. Geht auch ihr, liebe Brüder und Schwestern, durch die Straßen der Welt, wie die Heiligen Drei Könige, die aus der Ferne gekommen sind, um den König und Messias anzubeten. Folgt dabei dem Beispiel der Mutter Teresa; gebt mit Freude immer Zeugnis von der Liebe Jesu, besonders gegenüber den Letzten und den Armen, und eure selige Gründerin begleite und schütze euch vom Himmel aus. Euch Anwesenden, den Gästen des Hauses und allen Mitarbeitern erteile ich erneut von Herzen den Apostolischen Segen.
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BEIM NEUJAHRSEMPFANG FÜR DAS BEIM HL. STUHL AKKREDITIERTE DIPLOMATISCHE KORPS "Sala Regia"

Montag, 7. Januar 2008


Eccellenze,
Signore e Signori!

Exzellenzen,
meine Damen und Herren!

1. Herzlich begrüße ich Ihren Doyen, Herrn Botschafter Giovanni Galassi, und danke ihm für die freundlichen Worte, die er im Namen des akkreditierten Diplomatischen Korps an mich gerichtet hat. An jeden von Ihnen ergeht mein ehrerbietiger Gruß, besonders an diejenigen, die zum ersten Mal an dieser Begegnung teilnehmen. Durch Sie spreche ich den Völkern und Regierungen, die Sie mit Würde und Kompetenz vertreten, meine herzlichen Glückwünsche aus. Vor einigen Wochen hat ein Trauerfall Ihre Gemeinschaft getroffen: Der Botschafter Frankreichs, Herr Bernard Kessedjian, hat seine irdische Pilgerschaft beendet; möge ihn der Herr in seinen Frieden aufnehmen! In gleicher Weise gilt heute ein besonderer Gedanke den Nationen, die noch keine diplomatischen Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl unterhalten: Auch sie haben einen Platz im Herzen des Papstes. Die Kirche ist zutiefst davon überzeugt, daß die Menschheit eine Familie ist, wie ich in der diesjährigen Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages hervorgehoben habe.

2. In einem familiären Geist wurden die diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgenommen und sind die Besuche in Ländern verlaufen, an denen mir sehr viel liegt. Den begeisterten Empfang durch die Brasilianer spüre ich noch immer in meinem Herzen! In diesem Land konnte ich zu meiner Freude den Vertretern der großen Familie der Kirche in Lateinamerika und in der Karibik begegnen, die sich in Aparecida zur V. Generalversammlung der Bischofskonferenzen von Lateinamerika und der Karibik (CELAM) versammelt hatten. Im wirtschaftlichen und sozialen Bereich konnte ich deutliche Hoffnungszeichen für diesen Kontinent wahrnehmen, zugleich aber auch Dinge, die Anlaß zur Sorge geben. Wie sollte man sich nicht eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Völkern Lateinamerikas und in jedem seiner Länder den Abbau der inneren Spannungen wünschen, damit sie sich auf die großen, vom Evangelium inspirierten Werte konzentrieren können? Erwähnen möchte ich Kuba, das sich anschickt, den zehnten Jahrestag des Besuchs meines verehrten Vorgängers zu feiern. Papst Johannes Paul II. wurde von den Obrigkeiten und von der Bevölkerung voll Liebe empfangen und ermutigte alle Kubaner, für eine bessere Zukunft zusammenzuarbeiten. Es sei mir gestattet, diese Botschaft der Hoffnung, die nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat, wieder aufzunehmen.

3. Meine Gedanken und mein Gebet sind vor allem auf die Bevölkerungen gerichtet, die von schrecklichen Naturkatastrophen heimgesucht wurden. Ich denke an die Hurrikans und die Überschwemmungen, die einige Regionen Mexikos und Mittelamerikas sowie Länder in Afrika und Asien, besonders Bangladesch und Teile Ozeaniens, verwüstet haben; erwähnt werden müssen auch die Großbrände. Der Kardinalstaatssekretär ist Ende August nach Peru gereist und hat mir als Augenzeuge von den durch das schreckliche Erdbeben verursachten Zerstörungen und der Verzweiflung, aber auch von dem Mut und dem Glauben der betroffenen Bevölkerung berichtet. Angesichts derartiger tragischer Ereignisse ist ein gemeinsames und starkes Engagement notwendig. Wie ich in der Enzyklika über die Hoffnung geschrieben habe, »bestimmt sich das Maß der Humanität ganz wesentlich im Verhältnis zum Leid und zum Leidenden. Das gilt für den einzelnen wie für die Gesellschaft« (Enzyklika Spe salvi, 38).

4. Die besondere Sorge der internationalen Gemeinschaft gilt weiterhin dem Nahen Osten. Ich freue mich, daß die Konferenz von Annapolis Zeichen gesetzt hat auf dem Weg zur Überwindung von einseitigen Lösungen oder Teillösungen zugunsten einer umfassenden Annäherung, die die Rechte und Interessen der Völker der Region respektiert. Ich appelliere erneut an Israelis und Palästinenser, ihre Kräfte auf die Umsetzung der bei dieser Gelegenheit eingegangenen Verpflichtungen zu konzentrieren und den glücklich in Gang gesetzten Prozeß nicht aufzuhalten. Ich lade zudem die internationale Gemeinschaft ein, diese beiden Völker mit Entschlossenheit und mit Verständnis für die Leiden und Befürchtungen beider Seiten zu unterstützen. Wie könnte ich dem Libanon nicht nahe sein in den Prüfungen und Gewaltakten, die dieses geliebte Land nach wie vor erschüttern? Ich wünsche, daß die Libanesen frei über ihre Zukunft entscheiden können, und bitte den Herrn, sie zu erleuchten, angefangen bei den Verantwortlichen für das öffentliche Leben, damit sie persönliche Interessen hintanstellen und bereit sind, sich auf den Weg des Dialogs und der Versöhnung einzulassen. Nur so wird das Land Fortschritte im Hinblick auf die Stabilität machen und aufs neue ein Vorbild für das Miteinander zwischen den Gemeinschaften sein können. Auch im Irak ist die Versöhnung dringlich! Derzeit kommt es weiterhin zu Terrorakten, Bedrohungen und Gewalt besonders gegen die christliche Gemeinschaft, und die Nachrichten, die uns gestern erreichten, bestätigen unsere Sorge; es ist offensichtlich, daß der Knoten gewisser politischer Fragen noch gelöst werden muß. In diesem Rahmen wird eine angemessene Verfassungsreform die Rechte der Minderheiten schützen müssen. Für die vom Krieg betroffene Bevölkerung sind beträchtliche humanitäre Hilfsmaßnahmen erforderlich; ich denke besonders an die Vertriebenen innerhalb des Landes und an alle, die ins Ausland geflohen sind, wovon zahlreiche Christen betroffen sind. Ich fordere die internationale Gemeinschaft auf, sich großzügig zu zeigen gegenüber ihnen und gegenüber den Ländern, in denen sie Zuflucht finden und deren Aufnahmekapazitäten einer harten Belastungsprobe ausgesetzt sind. Ich möchte auch meine Ermutigung dazu aussprechen, daß weiterhin unermüdlich der Weg der Diplomatie eingeschlagen werde, um die Frage des iranischen Nuklearprogramms dadurch zu lösen, daß man aufrichtig verhandelt, Maßnahmen anwendet, die die Transparenz und das gegenseitige Vertrauen erhöhen sollen, und immer die echten Bedürfnisse der Völker und des Gemeinwohls der Menschheitsfamilie berücksichtigt.

5. Während wir unseren Blick auf den ganzen asiatischen Kontinent ausweiten, möchte ich eure Aufmerksamkeit auf einige weitere Krisensituationen lenken. An erster Stelle auf Pakistan, das in den letzten zehn Monaten schwer von Gewalt heimgesucht wurde. Ich wünsche, daß sich alle politischen und sozialen Kräfte um den Aufbau einer friedlichen Gesellschaft bemühen, die die Rechte aller respektiert. In Afghanistan kommen zur Gewalt weitere schwerwiegende soziale Probleme hinzu, wie die Herstellung von Drogen; es ist notwendig, noch mehr Unterstützung für die Entwicklungsbemühungen anzubieten und noch intensiver für den Aufbau einer friedlichen Zukunft zu arbeiten. In Sri Lanka dürfen die maßgeblichen Anstrengungen zur Behebung der von dem andauernden Konflikt verursachten unermeßlichen Leiden nicht mehr auf später verschoben werden. Und ich bitte den Herrn, daß sich in Myanmar mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft eine Zeit des Dialogs zwischen der Regierung und der Opposition öffnen möge, der eine wirkliche Achtung aller Rechte und grundlegenden Freiheiten des Menschen sicherstellt.

6. Während ich mich jetzt Afrika zuwende, möchte ich vor allem wieder mein tiefes Mitgefühl zum Ausdruck bringen, wenn ich feststelle, wie in Darfur angesichts der düsteren Abfolge von Hunger und Tod die Hoffnung beinahe ausgelöscht zu sein scheint. Ich wünsche von ganzem Herzen, daß die gemeinsame Aktion der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union, deren Einsatz eben begonnen hat, der leidgeprüften Bevölkerung Hilfe und Trost bringe. Der Friedensprozeß in der demokratischen Republik Kongo stößt in der Nähe der Großen Seen, vor allem in den östlichen Regionen, auf starken Widerstand, und Somalia, insbesondere Mogadischu, wird weiter von Gewalt und Armut heimgesucht. Ich appelliere an die Konfliktparteien, die militärischen Handlungen einzustellen, damit die Weiterleitung humanitärer Hilfsgüter erleichtert und auf die Zivilpersonen Rücksicht genommen werden kann. Kenia hat in den letzten Tagen einen plötzlichen Gewaltausbruch erlebt. Ich schließe mich dem Appell der Bischöfe vom 2. Januar an und fordere alle Einwohner, besonders die politisch Verantwortlichen auf, im Dialog nach einer friedlichen Lösung zu suchen, die auf Gerechtigkeit und Brüderlichkeit beruht. Die katholische Kirche steht dem schmerzvollen Klagen und Seufzen, das aus diesen Regionen aufsteigt, nicht gleichgültig gegenüber. Sie macht sich die Bitten der Flüchtlinge und der Vertriebenen um Hilfe zu eigen und setzt sich für die Förderung von Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden ein. Äthiopien feiert in diesem Jahr den Eintritt in das dritte christliche Jahrtausend, und ich bin sicher, daß die aus diesem Anlaß veranstalteten Feierlichkeiten auch dazu beitragen werden, an die immense soziale und apostolische Arbeit zu erinnern, die von den Christen in Afrika geleistet worden ist.

7. Während ich abschließend von Europa spreche, freue ich mich über die Fortschritte, die in den verschiedenen Ländern der Balkanregion erreicht worden sind, und verleihe noch einmal meinem Wunsch Ausdruck, daß der definitive Status des Kosovo die legitimen Ansprüche der beteiligten Parteien berücksichtige und Sicherheit und Respekt für die Rechte derer gewährleiste, die in diesem Land leben, damit das Gespenst der gewaltsamen Konfrontationen endgültig verschwinde und die Stabilität Europas gestärkt werde. Gleichfalls erwähnen möchte ich Zypern, wobei ich mich mit Freude an den Besuch von Seiner Seligkeit Erzbischof Chrysostomos II. im vergangenen Juni im Vatikan erinnere. Ich bringe den Wunsch zum Ausdruck, daß man im Rahmen der Europäischen Union keine Anstrengung scheuen möge, um eine Lösung für eine Krise zu finden, die schon zu lange dauert. Im vergangenen September habe ich einen Besuch in Österreich absolviert, der auch den wesentlichen Beitrag unterstreichen sollte, den die katholische Kirche zur Vereinigung Europas leisten kann und will. Und was Europa betrifft, möchte ich Ihnen versichern, daß ich aufmerksam die Etappe verfolge, die sich mit der Unterzeichnung des »Vertrags von Lissabon« eröffnet. Diese Etappe bringt den Aufbauprozeß des »Hauses Europa« wieder in Schwung, das »nur dann ein für alle gut bewohnbarer Ort sein wird, wenn es auf einem soliden kulturellen und moralischen Fundament von gemeinsamen Werten aufbaut, die wir aus unserer Geschichte und unseren Traditionen gewinnen« (Ansprache bei der Begegnung mit führenden Vertretern des politischen und öffentlichen Lebens sowie dem Diplomatischen Korps, Wien, 7. September 2007; O.R. dt., Nr. 37, 14.9.2007, S. 8), und wenn es seine christlichen Wurzeln nicht verleugnet.

8. Aus diesem kurzen Überblick läßt sich klar erkennen, daß die Sicherheit und die Stabilität der Welt brüchig bleiben. Die Faktoren, die zur Sorge Anlaß geben, sind verschieden; sie bezeugen jedoch alle, daß die menschliche Freiheit nicht absolut ist, sondern daß es sich um ein Gut handelt, das miteinander geteilt wird und für das allen die Verantwortung obliegt. Daher sind die Ordnung und das Recht Elemente, die sie garantieren. Aber das Recht kann nur dann eine wirksame Kraft des Friedens sein, wenn seine Grundlagen fest in dem vom Schöpfer gegebenen Naturrecht verankert sind. Auch aus diesem Grund darf man niemals Gott aus dem Horizont des Menschen und der Geschichte ausschließen. Der Name Gottes ist ein Name für Gerechtigkeit; er stellt einen dringenden Appell zum Frieden dar.

9. Diese Bewußtmachung könnte unter anderem bei der Ausrichtung der Initiativen zum interkulturellen und interreligiösen Dialog helfen. Diese Initiativen werden immer zahlreicher und können die Zusammenarbeit über Themen von gegenseitigem Interesse anregen: die Würde der menschlichen Person, die Suche nach dem Gemeinwohl, der Aufbau des Friedens und die Entwicklung. In dieser Hinsicht hat der Heilige Stuhl seiner Teilnahme an dem anspruchsvollen Dialog über das Verständnis zwischen den Religionen und Kulturen und die Zusammenarbeit für den Frieden im Rahmen der 62. Generalversammlung der Vereinten Nationen (4. bis 5. Oktober 2007) besondere Bedeutung beigemessen. Um echt zu sein, muß dieser Dialog klar sein, indem er Relativismus und Synkretismus vermeidet, aber von einem ehrlichen Respekt für die anderen und von einem Geist der Versöhnung und der Brüderlichkeit beseelt ist. Die katholische Kirche ist hier stark engagiert, und gern möchte ich erneut den Brief erwähnen, den mir am 13. Oktober letzten Jahres 138 muslimische Persönlichkeiten geschrieben haben, und erneut meine Dankbarkeit für die edlen Gedanken, die darin zum Ausdruck kommen, aussprechen.

10. Unsere Gesellschaft hat mit Recht die Größe und Würde der menschlichen Person in die verschiedenen Rechtsdeklarationen eingebracht, die seit der vor nunmehr 60 Jahren verabschiedeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte formuliert worden sind. Dieser feierliche Akt war nach den Worten Papst Pauls VI. einer der größten Ruhmestitel der Vereinten Nationen. In allen Kontinenten setzt sich die katholische Kirche dafür ein, daß die Menschenrechte nicht nur verkündet, sondern umgesetzt werden. Es ist zu wünschen, daß die Einrichtungen, die für die Verteidigung und Förderung der Menschenrechte geschaffen wurden, alle ihre Kräfte dieser Aufgabe widmen und daß insbesondere der UNO-Menschenrechtsrat den durch seine Errichtung geweckten Erwartungen zu entsprechen vermag.

11. Der Heilige Stuhl wird jedenfalls nicht aufhören, immer wieder für diese Prinzipien und Rechte einzutreten, die auf das gegründet sind, was das Bleibende und Wesentliche an der menschlichen Person ist. Das ist ein Dienst, den die Kirche der wahren Würde des nach dem Ebenbild Gottes geschaffenen Menschen leisten will. Und genau von diesen Überlegungen ausgehend kann ich nicht umhin, erneut die auf allen Kontinenten begangenen ständigen Angriffe auf das menschliche Leben zu beklagen. Ich möchte, zusammen mit vielen Forschern und Wissenschaftlern, daran erinnern, daß die neuen Grenzbereiche der Bioethik nicht mehr eine Wahl zwischen Wissenschaft und Moral auferlegen, sondern vielmehr einen moralischen Gebrauch der Wissenschaft verlangen. Anderseits freue ich mich in Erinnerung an den Appell von Papst Johannes Paul II. anläßlich des Großen Jubiläums des Jahres 2000 darüber, daß die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 18. Dezember eine Resolution angenommen hat, die die Staaten zu einem Moratorium über die Anwendung der Todesstrafe aufruft, und wünsche mir, daß diese Initiative die öffentliche Debatte über die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens anregen möge. Ich bedauere einmal mehr die besorgniserregenden Angriffe auf die Integrität der auf die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegründeten Familie. Die politisch Verantwortlichen, welcher Seite sie auch angehören, müßten diese fundamentale Einrichtung, die die Grundzelle der Gesellschaft ist, verteidigen. Was wäre da noch alles zu sagen! Selbst die Religionsfreiheit, »unveräußerliches Erfordernis der Würde jedes Menschen und Eckstein im Gebäude der Menschenrechte« (Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 1988, Einleitung), wird oft beeinträchtigt. Es gibt tatsächlich viele Orte, wo sie nicht voll ausgeübt werden kann. Der Heilige Stuhl verteidigt sie und fordert ihre Achtung für alle. Er ist besorgt wegen der Diskriminierungen gegen die Christen und gegen die Gläubigen anderer Religionen.

12. Der Friede darf nicht ein bloßes Wort oder eine illusorische Erwartung sein. Der Friede ist eine Verpflichtung und eine Lebensweise, die verlangen, daß man die berechtigten Erwartungen aller zufriedenstellt, wie den Zugang zu Nahrung, Wasser, Energie, Medizin und Technologie, oder auch die Überwachung des Klimawandels. Nur so kann man die Zukunft der Menschheit aufbauen; nur so begünstigt man die ganzheitliche Entwicklung für heute und für morgen. Mit einer besonders gelungenen Formulierung unterstrich Papst Paul VI. vor 40 Jahren in der Enzyklika Populorum progressio, daß »die Entwicklung der neue Name für Friede ist«. Um den Frieden zu sichern, müssen daher die von zahlreichen Entwicklungsländern im Jahr 2007 erzielten positiven makroökonomischen Ergebnisse von wirksamen sozialpolitischen Maßnahmen und von der Durchführung der Hilfsverpflichtungen der reichen Länder unterstützt werden.

13. Schließlich möchte ich die internationale Gemeinschaft zu einem globalen Einsatz für die Sicherheit auffordern. Eine gemeinsame Anstrengung von seiten der Staaten, um alle unterzeichneten Verpflichtungen zu erfüllen und Terroristen den Zugang zu Massenvernichtungswaffen zu verwehren, würde zweifellos die Regelung der Nichtverbreitung von Nuklearwaffen stärken und wirksamer machen. Ich begrüße die getroffene Vereinbarung für den Abbau des nuklearen Waffenprogramms in Nordkorea und ermutige zur Annahme geeigneter Maßnahmen für die Beschränkung der konventionellen Waffen und für die Auseinandersetzung mit dem humanitären Problem, das der Einsatz von Streubomben darstellt.

Meine Damen und Herren Botschafter!

14. Die Diplomatie ist in gewisser Weise die Kunst der Hoffnung. Sie lebt von der Hoffnung und versucht, selbst deren kleinste Zeichen zu entdecken. Die Diplomatie muß Hoffnung geben. Die Feier von Weihnachten erinnert uns jedes Jahr daran, daß damals, als Gott zu einem kleinen Kind geworden ist, die Hoffnung gekommen ist, um in der Welt, im Herzen der Menschheitsfamilie zu wohnen. Diese Gewißheit wird heute zum Gebet: Möge Gott das Herz derer, die die Völkerfamilie regieren, für die Hoffnung öffnen, die niemals enttäuscht! Von diesen Gedanken beseelt, richte ich an jeden von Ihnen meine besten Wünsche, auf daß Sie selbst, Ihre Mitarbeiter und die Völker, die Sie vertreten, von der Gnade und dem Frieden erleuchtet werden, die uns von dem Kind von Betlehem zukommen.

AN DIE POLITISCHEN VERTRETER UND MITARBEITER DER VERWALTUNGSEINRICHTUNGEN DER REGION LATIUM

SOWIE DER STADT UND DER PROVINZ ROM Donnerstag, 10. Januar 2008



Sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist mir eine Freude, Sie zu Beginn des neuen Jahres zum traditionellen Austausch der Glückwünsche zu empfangen, und ich danke Ihnen für Ihre Anwesenheit. Mein ehrerbietiger und herzlicher Gruß gilt dem Präsidenten der Region Latium, Herrn Pietro Marrazzo, dem Bürgermeister von Rom, Herrn Abgeordneten Walter Veltroni, sowie dem Präsidenten der Provinz Rom, Herrn Enrico Gasbarra, denen ich aufrichtig für die freundlichen Worte danke, die sie auch im Namen der von ihnen geleiteten Verwaltungsbehörden an mich gerichtet haben. Mit ihnen grüße ich die Präsidenten der jeweiligen Ratsversammlungen und alle, die sich hier eingefunden haben.

Diese alljährliche Begegnung gibt uns Gelegenheit, über einige Themen von allgemeinem Interesse und von großer Bedeutung und Aktualität nachzudenken, die das Leben der Einwohner von Rom und von Latium aus nächster Nähe betreffen. Ihnen, jedem einzelnen und jeder Familie, sende ich durch euch einen herzlichen Gruß als Zeichen der Ermutigung und der pastoralen Aufmerksamkeit. So bringe ich jene Empfindungen und Bande zum Ausdruck, die über die Jahrhunderte hinweg die Nachfolger des Apostels Petrus mit der Stadt Rom, mit ihrer Provinz und mit der ganzen Region Latium vereint haben. Die Zeiten und die Verhältnisse ändern sich, aber die Liebe und Fürsorge des Papstes für all jene, die in dieser Region leben, die so tief geprägt ist vom großen und lebendigen Erbe des Christentums, wird nicht weniger und läßt nicht nach.

Ein grundlegendes Kriterium, über das wir uns bei der Erfüllung unserer verschiedenen Aufgaben leicht einig sind, ist die Zentralität der menschlichen Person. Wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt, ist der Mensch auf Erden »die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur« (Gaudium et spes GS 24). Mein geliebter Vorgänger, der Diener Gottes Johannes Paul II., schrieb seinerseits zu Recht in der Enzyklika Centesimus annus, daß »die wichtigste Ressource des Menschen … der Mensch selbst« ist (Nr. 32). Aus all dem ergibt sich als deutliche Konsequenz die entscheidende Bedeutung der Erziehung und Ausbildung der Person, vor allem im ersten Lebensabschnitt, aber dann auch das ganze Leben hindurch. Wenn wir jedoch unsere Lebenswirklichkeit betrachten, dann können wir nicht leugnen, daß wir einem wahren und großen »Erziehungsnotstand « gegenüberstehen, wie ich am 11. Juni vergangenen Jahres in meiner Ansprache zur Eröffnung der Pastoraltagung der Diözese Rom hervorgehoben habe. Es erscheint in der Tat immer schwieriger, den jungen Generationen solide Gewißheiten und Kriterien, auf denen sie ihr Leben aufbauen können, überzeugend zu vermitteln. Das wissen sowohl die Eltern als auch die Lehrer sehr gut, und sie sind auch aus diesem Grunde oft versucht, sich von ihrem Erziehungsauftrag zurückzuziehen. Im gegenwärtigen sozialen und kulturellen Kontext, der vom Relativismus und auch vom Nihilismus geprägt ist, gelingt es übrigens auch ihnen selbst kaum, sichere Bezugspunkte zu finden, die sie stützen und leiten können in ihrer Sendung als Erzieher und in ihrer ganzen Lebensführung.

Ein solcher Notstand, verehrte Vertreter der Verwaltungsbehörden von Rom und von Latium, kann weder die Kirche noch eure Verwaltungsorgane unberührt lassen, denn mit der Ausbildung der Personen stehen natürlich die Grundlagen des Zusammenlebens und die Zukunft der Gesellschaft auf dem Spiel. Die Diözese Rom ihrerseits widmet dieser schwierigen Aufgabe eine wirklich besondere Aufmerksamkeit, die in den verschiedenen Erziehungsbereichen zur Entfaltung kommt, von der Familie und der Schule über die Pfarreien, Vereine und Bewegungen bis hin zu den Jugendzentren, den kulturellen Initiativen, dem Sport und den Freizeitangeboten. In diesem Zusammenhang danke ich der Region Latium aufrichtig für ihre Unterstützung der von den Pfarreien und kirchlichen Gemeinschaften unterhaltenen Jugendzentren und Kindertagesstätten, ebenso wie für die Beiträge zur Errichtung neuer Gemeindezentren in den Gegenden Latiums, in denen noch keine vorhanden sind. Vor allem möchte ich jedoch zu einem einmütigen und breit anlegten Einsatz ermutigen, durch den die zivilen Einrichtungen, jede gemäß ihrer eigenen Zuständigkeiten, die Bemühungen vervielfachen, um dem gegenwärtigen Erziehungsnotstand auf den verschiedenen Ebenen entgegenzutreten, wobei sie sich stets am maßgeblichen Kriterium der Zentralität der Person ausrichten müssen.

Hier sind natürlich die Achtung und die Unterstützung der auf die Ehe gegründeten Familie von erstrangiger Bedeutung, wie ich kürzlich in der Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages schrieb: »Die auf die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegründete natürliche Familie als innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe ist der ›erste Ort der Humanisierung der Person und der Gesellschaft‹, die ›Wiege des Lebens und der Liebe‹« (Nr. 2). Wir sehen leider jeden Tag, wie anhaltend und bedrohlich die Angriffe auf diese grundlegende menschliche und soziale Wirklichkeit und das Unverständnis ihr gegenüber sind. Es ist daher äußerst notwendig, daß sich die öffentlichen Verwaltungsbehörden derartigen negativen Tendenzen nicht beugen, sondern im Gegenteil den Familien überzeugte und konkrete Unterstützung anbieten, in der Gewißheit, auf diese Weise für das Gemeinwohl zu wirken.

Ein weiterer Notstand, der sich verschlimmert, ist die Armut: Sie nimmt vor allem in den großen urbanen Randgebieten zu, ist aber auch schon in anderen Umgebungen und Situationen vorhanden, die davor geschützt zu sein schienen. Die Kirche beteiligt sich von ganzem Herzen an den Bemühungen, sie zu mildern, und arbeitet gern mit den zivilen Einrichtungen zusammen, aber die Steigerung der Lebenshaltungskosten, insbesondere der Wohnraumpreise, der anhaltende Mißstand des Arbeitsmangels und auch die oft unzureichenden Löhne und Renten machen die Lebensumstände vieler Personen und Familien wirklich schwierig.

Ein tragisches Ereignis wie die Ermordung von Giovanna Reggiani in »Tor di Quinto« hat außerdem unsere Einwohnerschaft nicht nur mit dem Problem der Sicherheit, sondern auch mit dem gravierenden Verfall einiger Stadtteile von Rom sehr heftig konfrontiert: Besonders hier ist, weit über die Aufregung des Augenblicks hinaus, ein ständiger und konkreter Einsatz notwendig, mit dem zweifachen, aber in sich unteilbaren Ziel, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten und allen, insbesondere den Immigranten, wenigstens das Notwendigste für ein rechtschaffenes und menschenwürdiges Leben zuzusichern. Die Kirche widmet sich durch die Caritas und viele andere Freiwilligendienste, in denen Laien, Ordensmänner und Ordensfrauen aktiv sind, auch diesem schwierigen Bereich, in dem die Verantwortlichkeiten und die Möglichkeiten der öffentlichen Hand für ein Eingreifen natürlich unersetzlich sind.

Eine weiteres Anliegen, das sowohl die Kirche als auch Ihre Verwaltungsbehörden betrifft, ist die Krankenfürsorge. Wir wissen gut, wie ernsthaft die Schwierigkeiten sind, denen die Region Latium im Gesundheitswesen gegenübersteht, aber dennoch müssen wir feststellen, daß die Situation der katholischen Gesundheitseinrichtungen – auch sehr renommierter und landesweit als hervorragend anerkannter – nicht selten dramatisch ist. Ich muß daher die Bitte aussprechen, sie bei der Verteilung der Gelder nicht zu benachteiligen – nicht um die Interessen der Kirche zu wahren, sondern um einen unverzichtbaren Dienst an unserer Bevölkerung nicht zu gefährden.

Verehrte Obrigkeiten, ich danke Ihnen noch einmal für Ihren freundlichen und willkommenen Besuch und versichere Sie meiner herzlichen Nähe und meines Gebets für Sie und für die verantwortungsvolle Arbeit, die Ihnen anvertraut ist. Der Herr möge Ihre Bemühungen unterstützen und Ihre guten Vorsätze erleuchten. Mit diesen Empfindungen erteile ich von Herzen jedem von Ihnen den Apostolischen Segen, in den ich gern Ihre Familien einschließe sowie alle, die in der Stadt und in der Provinz Rom und in ganz Latium leben und arbeiten.

AN DIE ANGEHÖRIGEN DES SICHERHEITSINSPEKTORATS BEIM VATIKAN Freitag, 11. Januar 2008

Liebe Freunde!


Die Begegnung mit euch, den Beamten des Sicherheitsinspektorats beim Vatikan, ist bereits zu einer erwarteten und ersehnten Zusammenkunft zum Beginn des neuen Jahres geworden. Ich freue mich, euch zu empfangen und begrüße euch von Herzen. Gleichzeitig nehme ich die Gelegenheit wahr, euch erneut meine Wertschätzung und meine Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen für den Dienst, den ihr täglich verrichtet. Ich grüße zunächst den Präfekten Salvatore Festa, den Polizeipräsidenten von Rom, Marcello Fulvi, sowie Dr. Vincenzo Caso, dem ich für die freundlichen Worte danke, die er an mich gerichtet hat, und dem ich meine Dankbarkeit bekunde für die Arbeit, die er in diesen Jahren als Generalinspektor geleistet hat. Mein besonderer und ehrerbietiger Gruß gilt auch dem Polizeipräsidenten, Präfekt Antonio Manganelli. Außerdem wende ich mich freundschaftlich an die übrigen Beamten des Inspektorats der Polizei des italienischen Staates beim Vatikan, die heute nicht bei uns sein konnten, die aber bei diesem so tiefempfundenen Ereignis im Geiste mit uns vereint sind. Ich freue mich, allen und jedem meine besten Wünsche für das soeben begonnene Jahr zum Ausdruck zu bringen, und in diese Wünsche schließe ich die jeweiligen Familien mit ein.

Gerade an die Familien habe ich in diesem Jahr bei der Vorbereitung der Botschaft zum Weltfriedenstag gedacht, der am 1. Januar gefeiert wird. In diesem Text – er steht unter dem Thema: »Die Menschheitsfamilie, eine Gemeinschaft des Friedens« – habe ich gesagt: »Die auf die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegründete natürliche Familie als innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe ist der ›erste Ort der Humanisierung der Person und der Gesellschaft‹, die ›Wiege des Lebens und der Liebe‹. Zu Recht wird darum die Familie als die erste natürliche Gesellschaft bezeichnet, als ›eine göttliche Einrichtung, die als Prototyp jeder sozialen Ordnung das Fundament des Lebens der Personen bildet‹« (Nr. 2).

Ihr, liebe Verantwortliche und Beamte des Inspektorats, begegnet beim Wachdienst, den ihr tagtäglich ausübt, nicht wenigen Familien. Sie kommen aus allen Teilen der Welt hierher, um den Aposteln ihre Ehrerbietung zu erweisen, besonders dem hl. Petrus, auf dessen Glauben Christus die Kirche gegründet hat; sie kommen, um gemeinsam das Bekenntnis dieses Glaubens zu erneuern, um den Vatikan in seinen verschiedenen Bereichen zu besuchen und mit ihnen in Kontakt zu kommen und um an den Audienzen und Feiern teilzunehmen, denen der Nachfolger des Apostels Petrus vorsteht. Ich bin euch dankbar für euren Dienst, der durch Einsatzbereitschaft und Professionalität gekennzeichnet ist, von ständiger Aufmerksamkeit gegenüber den Personen und den Absichten, die sie beseelen, und gleichzeitig von Hilfsbereitschaft, Geduld und Opfergeist. Zusammen mit den Obrigkeiten, die dafür Sorge tragen, die Stadt Rom immer schöner und einladender zu machen, leistet auf diese Weise auch ihr euren Beitrag zu einer fruchtbaren Begegnung und einem harmonischen Zusammenleben zwischen den Einwohnern von Rom und den Gästen, die aus verschiedenen Ländern der Erde kommen!

Wie zahlreich sind die Pilger, denen ihr im Laufe des Jahres begegnet! Ich möchte euch einladen, in jedem von ihnen das Antlitz eines Bruders oder einer Schwester zu erblicken, die Gott auf euren Weg stellt – einen Freund, der euch zwar unbekannt ist, der aber Aufnahme und Hilfe erfahren muß durch geduldiges Zuhören, im Wissen, daß wir alle zu der einen großen Menschheitsfamilie gehören. Ist es etwa nicht wahr, daß wir, wie ich in der soeben erwähnten Botschaft geschrieben habe, nicht zufällig nebeneinander leben? Sind wir etwa nicht als Menschen alle auf demselben Weg und gehen ihn darum als Brüder und Schwestern? Deshalb ist es wesentlich, daß jeder sich bemüht, sein Leben verantwortungsvoll vor Gott zu leben, indem er in ihm den Urquell der eigenen Existenz wie auch jener der anderen erkennt. In Rückbesinnung auf diesen höchsten Ursprung können der unbedingte Wert eines jeden Menschen wahrgenommen und so die Voraussetzungen für den Aufbau einer versöhnten Menschheit geschaffen werden. Es muß ganz deutlich sein: Ohne dieses transzendente Fundament läuft die Gesellschaft Gefahr, nur eine Ansammlung von Nachbarn zu werden, und sie hört auf, eine Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern zu sein, die berufen sind, eine große Familie zu bilden (vgl. Nr. 6).

Liebe Freunde, der Herr helfe euch, euren Beruf auszuüben und dabei immer den Idealen treu zu bleiben, an denen er stets ausgerichtet sein muß. Die Gesellschaft braucht Menschen, die ihre Pflicht erfüllen, im Bewußtsein, daß jede Arbeit, jeder Dienst, der gewissenhaft erfüllt wird, zum Aufbau einer gerechteren und wirklich freien Gesellschaft beiträgt. Ich vertraue euch der allerseligsten Jungfrau an, und während ich jedem erneut meinen aufrichtigen Dank ausspreche für den freundlichen Besuch, erteile ich euch und euren Angehörigen gern meinen besonderen Segen.



VORLESUNG VON BENEDIKT XVI.

FÜR DIE RÖMISCHE UNIVERSITÄT "LA SAPIENZA"




Text der Vorlesung, die Papst Benedikt XVI. anlässlich seines Besuches an der Universität "La Sapienza" von Rom am 17. Januar 2008 hätte halten sollen. Der Besuch wurde kurzfristig am 15. Januar 2008 abgesagt.



Magnifizenz,
verehrte Vertreter des politischen und gesellschaftlichen Lebens,
sehr geehrte Dozenten und Verwaltungsangestellte,
liebe Studenten!

Es ist für mich ein Grund zu großer Freude, anläßlich der Eröffnung des akademischen Jahres die Gemeinschaft der Römischen Universität „Sapienza“ zu besuchen. Schon seit Jahrhunderten prägt diese Universität den Weg und das Leben der Stadt Rom, indem sie in allen Wissensgebieten die besten intellektuellen Kräfte Früchte tragen läßt. Sowohl in der Zeit, als die Einrichtung nach der von Papst Bonifatius VIII. gewollten Gründung unmittelbar der kirchlichen Autorität unterstand, als auch später, als das Studium Urbis sich zu einer Institution des italienischen Staates entwickelte, hat Ihre akademische Gemeinschaft ein hohes wissenschaftliches und kulturelles Niveau bewahrt, das sie unter die renommiertesten Universitäten der Welt einreiht. Von jeher betrachtet die Kirche von Rom dieses Universitätszentrum mit Sympathie und Bewunderung und zollt ihm Anerkennung für seine bisweilen schwierige und mühevolle Aufgabe der Forschung und der Ausbildung der jungen Generationen. So hat es auch in den letzten Jahren nicht an bedeutsamen Momenten der Zusammenarbeit und des Dialogs gefehlt. Besonders möchte ich an das weltweite Rektoren-Treffen anläßlich des Jubiläums für die Universitäten erinnern, bei dem Ihre Gemeinschaft nicht nur die Aufnahme und die Organisation übernommen, sondern vor allem den prophetischen und umfassenden Vorschlag der Erarbeitung eines „neuen Humanismus für das dritte Jahrtausend“ vorgelegt hat.

Gerne möchte ich bei dieser Gelegenheit meine Dankbarkeit darüber ausdrücken, daß Ihre Universität mich zu Besuch und Vortrag eingeladen hat. Im Hinblick darauf habe ich mir zuallererst die Frage gestellt: Was kann und soll ein Papst bei einer solchen Gelegenheit sagen? Bei meiner Vorlesung in Regensburg habe ich, gewiß als Papst, aber vor allem auch als ehemaliger Hochschullehrer an meiner eigenen Universität gesprochen und dabei Erinnerungen und Gegenwart miteinander zu verknüpfen versucht. Aber an der „Sapienza“, der alten Universität von Rom, bin ich gerade als Bischof von Rom eingeladen und muß daher als solcher sprechen. Gewiß, die „Sapienza“ war einmal Universität des Papstes, aber heute ist sie eine säkulare Universität mit der Autonomie, welche von ihrer Gründungsidee her immer zum Wesen der Universität gehörte, die allein der Autorität der Wahrheit verpflichtet sein soll. In ihrer Freiheit von politischen und kirchlichen Autoritäten kommt der Universität ihre besondere Funktion gerade auch für die moderne Gesellschaft zu, die einer solchen Institution bedarf.

Ich komme auf meine Ausgangsfrage zurück: Was kann und soll der Papst bei der Begegnung mit der Universität seiner Stadt sagen? Beim Bedenken dieser Frage schien mir, sie schließe zwei andere Fragen ein, deren Klärung von selbst zur Antwort führen müßte. Es ist nämlich zu fragen: Was ist Wesen und Auftrag des Papsttums? Und: Was ist Wesen und Auftrag der Universität? Ich möchte Sie und mich an dieser Stelle nicht mit langen Erörterungen über das Wesen des Papsttums hinhalten. Ein kurzer Hinweis mag genügen. Der Papst ist zuallererst Bischof von Rom und als solcher in der Nachfolge des heiligen Petrus mit einer bischöflichen Verantwortung für die ganze katholische Kirche ausgestattet. Das Wort Bischof – Episkopos, das zunächst so viel wie Aufseher bedeutet, ist schon im Neuen Testament mit dem biblischen Begriff des Hirten verschmolzen worden: Er ist der, der von einem Übersichtspunkt aus aufs Ganze sieht, sich um den rechten Weg und den Zusammenhalt des Ganzen müht. Insofern ist mit dieser Berufsbezeichnung zunächst der Blick aufs Innere der gläubigen Gemeinschaft gerichtet. Der Bischof – der Hirte – ist der Mann, der sich um diese Gemeinschaft kümmert; der sie dadurch beieinanderhält, daß er sie auf dem Weg zu Gott hält, wie ihn dem christlichen Glauben gemäß Christus gezeigt hat - und nicht nur gezeigt hat; Er ist selbst für uns der Weg. Aber diese Gemeinschaft, um die sich der Bischof sorgt, lebt – ob sie nun groß oder klein ist – in der Welt; ihr Zustand, ihr Weg, ihr Beispiel und ihr Wort wirkt sich unweigerlich aufs Ganze der übrigen menschlichen Gemeinschaft aus. Je größer sie ist, desto mehr wird ihr rechter Zustand oder ihr eventueller Verfall sich aufs Ganze der Menschheit auswirken. Wir sehen es heute sehr deutlich, wie der Zustand der Religionen und wie die Situation der Kirche, ihre Krisen und ihre Erneuerungen aufs Ganze der Menschheit einwirken. So ist der Papst gerade als Hirte seiner Gemeinschaft immer mehr auch zu einer Stimme der moralischen Vernunft der Menschheit geworden.

Hier ergibt sich freilich sofort der Einwand, daß der Papst eben doch nicht wirklich von der moralischen Vernunft her spreche, sondern seine Urteile aus dem Glauben beziehe und daher keine Gültigkeit für diejenigen beanspruchen könne, die diesen Glauben nicht teilen. Auf diese Frage wird zurückzukommen sein, denn dabei ergibt sich die ganz grundsätzliche Frage: Was ist Vernunft? Wie weist sich eine Aussage – vor allem eine moralische Norm – als „vernünftig“ aus? An dieser Stelle möchte ich vorerst nur ganz kurz darauf hinweisen, daß John Rawls, obwohl er umfassenden religiösen Lehren den Charakter der „öffentlichen“ Vernunft abspricht, in deren „nicht öffentlicher“ Vernunft immerhin Vernunft sieht, die ihren Trägern nicht einfach im Namen einer säkularistisch verhärteten Rationalität abgesprochen werden dürfe. Ein Kriterium dieser Vernünftigkeit sieht er unter anderem darin, daß solche Lehren aus einer verantworteten und doktrinellen Tradition heraus stammen, in der über lange Zeiträume hinweg hinreichend gute Gründe für die jeweilige Lehre entwickelt wurden. An dieser Aussage erscheint mir wichtig, daß die Erfahrung und Bewährung über Generationen hin – der historische Fundus menschlicher Weisheit – auch ein Zeichen ihrer Vernünftigkeit und ihrer weiter reichenden Bedeutung ist. Gegenüber einer a-historischen Vernunft, die sich nur in einer a-historischen Rationalität selber zu konstruieren versucht, ist die Weisheit der Menschheit als solche – die Weisheit der großen religiösen Traditionen – als Realität zur Geltung zu bringen, die man nicht ungestraft in den Papierkorb der Ideengeschichte werfen kann.

Kehren wir zurück zur Ausgangsfrage. Der Papst spricht als Vertreter einer gläubigen Gemeinschaft, in welcher in den Jahrhunderten ihres Bestehens Weisheit des Lebens gereift ist; als Vertreter einer Gemeinschaft, die zumindest einen Schatz an moralischer Erkenntnis und Erfahrung in sich verwahrt, der für die ganze Menschheit von Bedeutung ist: Er spricht in diesem Sinn als Vertreter moralischer Vernunft.

Aber nun ist zu fragen: Und was ist die Universität? Was ist ihre Aufgabe? Eine gewaltige Frage, zu der ich wiederum nur im Telegrammstil die ein oder andere Anmerkung versuchen kann. Ich denke, man dürfe sagen, der eigentliche innere Ursprung der Universität liege in dem Drang des Menschen nach Erkenntnis. Er will wissen, was das alles ist, was ihn umgibt. Er will Wahrheit. In diesem Sinn kann man das Fragen des Sokrates als den Impuls sehen, aus dem die abendländische Universität geboren wurde. Ich denke etwa – um nur einen Text zu nennen – an das Streitgespräch mit Eutyphron, der dem Sokrates gegenüber die mythische Religion und ihre Frömmigkeit verteidigt. Dem stellt Sokrates die Frage entgegen: „Du glaubst, daß wirklich unter den Göttern gegenseitiger Krieg bestehe und furchtbare Feindschaften und Schlachten... Sollen wir wirklich sagen, Eutyphron, das alles sei wahr?“ (6 b – c). In dieser scheinbar unfrommen Frage, die bei Sokrates freilich aus einer tieferen und reineren Frömmigkeit, aus der Suche nach dem göttlichen Gott kam, haben die Christen der ersten Jahrhunderte sich und ihren Weg wiedererkannt. Sie haben ihren Glauben nicht positivistisch aufgenommen, nicht als Ausweg unerfüllter Wünsche, sondern als den Durchbruch aus dem Nebel der mythologischen Religion zu dem Gott verstanden, der schöpferische Vernunft und zugleich Vernunft als Liebe ist. Deswegen war das Fragen der Vernunft nach dem größeren Gott und nach dem, was der Mensch wirklich ist und soll, für sie nicht eine bedenkliche Form von Unfrömmigkeit, sondern gehörte zum Wesen ihrer Weise der Frömmigkeit. Sie brauchten daher das sokratische Fragen nicht aufzulösen oder beiseite zu schieben, sondern durften, ja mußten es aufnehmen und das Ringen der Vernunft um Erkenntnis der ganzen Wahrheit als Teil ihrer eigenen Identität erkennen. So konnte, mußte im Raum des christlichen Glaubens, in der christlichen Welt die Universität entstehen.

Ein weiterer Schritt ist nötig. Der Mensch will erkennen – er will Wahrheit. Wahrheit ist zunächst eine Sache des Sehens, des Verstehens, dertheoría, wie die griechische Tradition es nennt. Aber Wahrheit ist nie bloß theoretisch. Augustinus hat in seiner Zuordnung der Seligpreisungen der Bergpredigt und der Geistesgaben von Jes 11 scientia und tristitia aufeinander bezogen: Bloßes Wissen, so meint er, macht traurig. Und in der Tat – wer nur alles ansieht und erfährt, was in der Welt geschieht, wird traurig werden. Aber Wahrheit meint mehr als Wissen: Die Erkenntnis der Wahrheit zielt auf die Erkenntnis des Guten. Das ist auch der Sinn des sokratischen Fragens: Was ist das Gute, das uns wahr macht? Die Wahrheit macht uns gut, und das Gute ist wahr: Dies ist der Optimismus, der im christlichen Glauben lebt, weil er des Logos, der schöpferischen Vernunft ansichtig geworden ist, die sich in der Menschwerdung Gottes zugleich als das Gute, als die Güte selbst gezeigt hat.

In der mittelalterlichen Theologie hat es einen eingehenden Disput über das Verhältnis von Theorie und Praxis, über den rechten Zusammenhang von Erkennen und Tun gegeben, den wir hier nicht aufzurollen brauchen. Faktisch stellt die mittelalterliche Universität mit ihren vier Fakultäten diesen Zusammenhang dar. Beginnen wir mit der nach damaligem Verständnis vierten Fakultät, derjenigen der Medizin. Sie wurde zwar mehr als „Kunst“ denn als Wissenschaft betrachtet, aber ihre Einfügung in den Kosmos der Universitas bedeutete doch klar, daß sie im Raum der Rationalität angesiedelt war, daß die Kunst des Heilens unter der Leitung der Vernunft stand und dem Bereich des Magischen entzogen wurde. Heilen ist eine Aufgabe, die immer mehr als den bloßen Verstand verlangt, aber gerade so die Verbindung von Wissen und Können, die Zugehörigkeit zum Raum der Ratio braucht. Unvermeidlich erscheint die Frage nach dem Zusammenhang von Praxis und Theorie, von Erkenntnis und Handeln, in der juristischen Fakultät. Es geht um die rechte Gestaltung der menschlichen Freiheit, die immer Freiheit im Miteinander ist: Das Recht ist Voraussetzung der Freiheit, nicht ihr Gegenspieler. Aber hier erhebt sich sofort die Frage: Wie findet man die Maßstäbe der Gerechtigkeit, die gemeinsam gelebte Freiheit ermöglichen und dem Gutsein des Menschen dienen? An dieser Stelle drängt sich ein Sprung in die Gegenwart auf - die Frage, wie eine Rechtsordnung, die eine Ordnung der Freiheit, der Menschenwürde und der Menschenrechte darstellt, gefunden werden kann. Es ist die Frage, die uns heute in den demokratischen Meinungsbildungen bewegt und die uns zugleich als Frage für die Zukunft der Menschheit bedrängt. Jürgen Habermas drückt, wie mir scheint, einen weitgehenden Konsens des heutigen Denkens aus, wenn er sagt, die Legitimität einer Verfassung als Voraussetzung der Legalität gehe aus zwei Quellen hervor: aus der gleichmäßigen politischen Beteiligung aller Bürger und aus der vernünftigen Form, in der die politischen Auseinandersetzungen ausgetragen werden. Zu dieser „vernünftigen Form“ stellt er fest, daß sie nicht bloß ein Kampf um arithmetische Mehrheiten sein könne, sondern als ein „wahrheitssensibles Argumentationsverfahren“ zu charakterisieren sei. Das ist gut gesagt, aber sehr schwer in politische Praxis umzusetzen. Denn die Vertreter dieses öffentlichen „Argumentationsverfahrens“ sind nun einmal überwiegend die Parteien als Träger der politischen Willensbildung. Faktisch werden sie unausweichlich vor allem auf das Gewinnen von Mehrheiten bedacht sein und damit fast unvermeidlich auf Interessen achten, denen sie Befriedigung versprechen, die aber häufig partikulär sind und nicht wirklich dem Ganzen dienen. Die Wahrheits-Sensibilität wird immer wieder überlagert von der Interessen-Sensibilität. Ich finde es bedeutsam, daß Habermas von der Sensibilität für die Wahrheit als notwendigem Element im politischen Argumentationsprozeß spricht und so den Begriff der Wahrheit wieder in die philosophische und in die politische Debatte einführt.

Aber die Pilatus-Frage wird da unausweichlich: Was ist Wahrheit? Und wie erkennt man sie? Wenn man dafür auf die „öffentliche Vernunft“ verweist, wie Rawls es tut, dann folgt unausweichlich noch einmal die Frage: Was ist vernünftig? Wie weist sich Vernunft als wirkliche Vernunft aus? Jedenfalls wird von da aus sichtbar, daß andere Instanzen in der Suche nach dem Recht der Freiheit, nach der Wahrheit des rechten Miteinander zu Gehör kommen müssen als Parteien und Interessengruppen, deren Bedeutung damit nicht im mindesten bestritten werden soll. So kommen wir auf die Struktur der mittelalterlichen Universität zurück. Neben der Rechtswissenschaft standen da die Fakultäten für Philosophie und Theologie, denen die Suche nach dem Ganzen des Menschseins und so das Wachhalten der Sensibilität für die Wahrheit aufgetragen war. Man könnte geradezu sagen, daß dies der bleibende, wahre Sinn beider Fakultäten ist: Hüter der Sensibilität für die Wahrheit zu sein, den Menschen nicht von der Suche nach der Wahrheit abbringen zu lassen. Aber wie können sie dieser Aufgabe gerecht werden? Das ist eine Frage, um die immer neu gerungen werden muß und die nie einfach zu Ende gestellt und beantwortet ist. So kann auch ich an dieser Stelle nicht eigentlich eine Antwort anbieten, sondern viel eher eine Einladung, mit dieser Frage unterwegs zu bleiben – unterwegs mit den großen Ringenden und Suchenden der ganzen Geschichte, mit ihren Antworten und ihrer über jede einzelne Antwort immer neu hinweisenden Unruhe für die Wahrheit.

Theologie und Philosophie bilden dabei ein eigentümliches Zwillingspaar, in dem keines vom anderen gänzlich zu lösen ist und doch jedes seinen eigenen Auftrag und seine besondere Identität wahren muß. Es ist das geschichtliche Verdienst des heiligen Thomas von Aquin, daß er gegenüber der von ihrem geschichtlichen Kontext anders gearteten Antwort der Väter die Eigenständigkeit der Philosophie und mit ihr das Eigenrecht und die Eigenverantwortung der von ihren Kräften her fragenden Vernunft herausgestellt hat. Die Väter hatten gegenüber den neuplatonischen Philosophien, in denen Religion und Philosophie untrennbar verflochten waren, den christlichen Glauben als die wahre Philosophie dargestellt und dabei auch betont, daß dieser Glaube den Ansprüchen der nach Wahrheit suchenden Vernunft entspricht; daß er das Ja zur Wahrheit gegenüber den zu bloßer Gewohnheit gewordenen mythischen Religionen war. Aber nun, im Zeitpunkt der Entstehung der Universität, gab es im Abendland diese Religionen nicht mehr, sondern nur noch das Christentum, und so mußte nun auf neue Weise die Eigenverantwortung der Vernunft herausgestellt werden, die nicht vom Glauben absorbiert wird. Thomas wirkte in einem privilegierten Zeitpunkt: Die philosophischen Schriften des Aristoteles waren erstmals in ihrer Ganzheit zugänglich geworden; die jüdischen und arabischen Philosophien als je eigene Anverwandlungen und Weiterführungen der griechischen Philosophie standen im Raum. Das Christentum mußte so in einem neuen Dialog mit der ihr begegnenden Vernunft der anderen um seine eigene Vernünftigkeit ringen. Die philosophische Fakultät, die als sogenannte Artisten-Fakultät bisher nur eine Vorschule für die Theologie gewesen war, wurde zur eigentlichen Fakultät, zum eigenständigen Partner der Theologie und des von ihr reflektierten Glaubens. Über das spannende Ringen, das sich dabei ergab, kann hier nicht gehandelt werden. Ich würde sagen, daß die Vorstellung des heiligen Thomas über das Verhältnis von Philosophie und Theologie sich in der Formel ausdrücken lasse, die das Konzil von Chalzedon für die Christologie gefunden hatte: Philosophie und Theologie müssen zueinander im Verhältnis des „Unvermischt und Ungetrennt“ stehen. Unvermischt, das will sagen, daß jede der beiden ihre eigene Identität bewahren muß. Die Philosophie muß wirklich Suche der Vernunft in ihrer Freiheit und ihrer eigenen Verantwortung bleiben; sie muß ihre Grenze und gerade so auch ihre eigene Größe und Weite sehen. Die Theologie muß dabei bleiben, daß sie aus einem Schatz von Erkenntnis schöpft, den sie nicht selbst erfunden hat und der ihr vorausbleibt, nie ganz von ihrem Bedenken eingeholt wird und gerade so das Denken immer neu auf den Weg bringt. Mit diesem „Unvermischt“ gilt auch zugleich das „Ungetrennt“: Die Philosophie beginnt nicht immer neu vom Nullpunkt des einsam denkenden Subjekts her, sondern sie steht im großen Dialog der geschichtlichen Weisheit, die sie kritisch und zugleich hörbereit immer neu aufnimmt und weiterführt; sie darf sich aber auch nicht demgegenüber verschließen, was die Religionen und was besonders der christliche Glaube empfangen und der Menschheit als Wegweisung geschenkt haben. Manches, was von Theologen im Laufe der Geschichte gesagt oder auch von kirchlicher Autorität praktiziert wurde, ist von der Geschichte falsifiziert worden und beschämt uns heute. Aber zugleich gilt, daß die Geschichte der Heiligen, die Geschichte der vom christlichen Glauben her gewachsenen Menschlichkeit diesen Glauben in seinem wesentlichen Kern verifiziert und damit auch zu einer Instanz für die öffentliche Vernunft macht. Gewiß, vieles von dem, was Theologie und Glaube sagen, kann nur im Inneren des Glaubens angeeignet werden und darf daher nicht als Anspruch an diejenigen auftreten, denen dieser Glaube unzugänglich bleibt. Aber zugleich gilt, daß die Botschaft des christlichen Glaubens nie nur eine „comprehensive religious doctrine“ im Sinn von Rawls ist, sondern eine reinigende Kraft für die Vernunft selbst, die ihr hilft, mehr sie selbst zu sein. Die christliche Botschaft sollte von ihrem Ursprung her immer Ermutigung zur Wahrheit und so eine Kraft gegen den Druck von Macht und Interessen sein.

Nun, ich habe bisher nur von der mittelalterlichen Universität gesprochen, dabei freilich versucht, das bleibende Wesen der Universität und ihres Auftrags durchscheinen zu lassen. In der Neuzeit haben sich neue Dimensionen des Wissens eröffnet, die in der Universität vor allem in zwei großen Bereichen zur Geltung kommen: in der Naturwissenschaft, die aus der Verbindung von Experiment und vorausgesetzter Rationalität der Materie sich gebildet hat; in den Geschichts- und Humanwissenschaften, in denen der Mensch sich im Spiegel seiner Geschichte und im Ausleuchten der Dimensionen seines Wesens besser zu verstehen sucht. Bei dieser Entwicklung hat sich der Menschheit nicht nur ein ungeheures Maß von Wissen und Können erschlossen; auch Erkenntnis und Anerkenntnis von Menschenrechten und Menschenwürde sind gewachsen, und dafür können wir nur dankbar sein. Aber der Weg des Menschen ist nie einfach zu Ende, und die Gefahr des Absturzes in die Unmenschlichkeit nie einfach gebannt: Wie sehr erleben wir das im Panorama der gegenwärtigen Geschichte: Die Gefahr der westlichen Welt – um nur davon zu sprechen – ist es heute, daß der Mensch gerade angesichts der Größe seines Wissens und Könnens vor der Wahrheitsfrage kapituliert. Und das bedeutet zugleich, daß die Vernunft sich dann letztlich dem Druck der Interessen und der Frage der Nützlichkeit beugt, sie als letztes Kriterium anerkennen muß. Von der Struktur der Universität her gesagt: Die Gefahr ist, daß die Philosophie sich ihre eigentliche Aufgabe nicht mehr zutraut und in Positivismus abgleitet; daß die Theologie mit ihrer an die Vernunft gewandten Botschaft ins Private einer mehr oder weniger großen Gruppe abgedrängt wird. Aber wenn die Vernunft aus Sorge um ihre vermeintliche Reinheit taub wird für die große Botschaft, die ihr aus dem christlichen Glauben und seiner Weisheit zukommt, dann verdorrt sie wie ein Baum, dessen Wurzeln nicht mehr zu den Wassern hinunterreichen, die ihm Leben geben. Sie verliert den Mut zur Wahrheit und wird so nicht größer, sondern kleiner. Auf unsere europäische Kultur angewandt heißt dies: Wenn sie sich nur selbst aus ihrem Argumentationszirkel und dem ihr jetzt Einleuchtenden konstruieren will und sich aus Furcht um ihre Säkularität von den Wurzeln abschneidet, von denen sie lebt, dann wird sie nicht vernünftiger und reiner, sondern zerfällt.

Damit kehre ich zum Ausgangspunkt zurück. Was hat der Papst an der Universität zu tun oder zu sagen? Er darf gewiß nicht versuchen, andere in autoritärer Weise zum Glauben zu nötigen, der nur in Freiheit geschenkt werden kann. Über seinen Hirtendienst in der Kirche hinaus und vom inneren Wesen dieses Hirtendienstes her ist es seine Aufgabe, die Sensibilität für die Wahrheit wachzuhalten; die Vernunft immer neu einzuladen, sich auf die Suche nach dem Wahren, nach dem Guten, nach Gott zu machen und auf diesem Weg die hilfreichen Lichter wahrzunehmen, die in der Geschichte des christlichen Glaubens aufgegangen sind und dabei dann Jesus Christus wahrzunehmen als Licht, das die Geschichte erhellt und den Weg in die Zukunft zu finden hilft.

Aus dem Vatikan, am 17. Januar 2008



BENEDICTUS XVI


AN EINE ÖKUMENISCHE DELEGATION AUS FINNLAND

ANLÄSSLICH DES FESTES DES HL. HENRIK Freitag, 18. Januar 2008

Verehrte Freunde aus Finnland!


Ich freue mich, eure ökumenische Delegation im Rahmen eures traditionellen jährlichen Besuchs in Rom zum Fest des hl. Henrik, des Schutzpatrons von Finnland, zu begrüßen. Mein herzlicher Willkommensgruß gilt Bischof Mäkinen und Bischof Wróbel sowie allen Mitgliedern eurer Gruppe. Euer Besuch fällt mit dem Beginn der Gebetswoche für die Einheit der Christen zusammen. In diesem Jahr begehen wir den 100. Jahrestag ihrer Einführung durch P. Paul Wattson als »Gebetsoktav für die Einheit der Kirche«.

In gewissem Sinn gehen die Ursprünge der Gebetswoche auf den Vorabend des Leidens und des Todes Jesu zurück, als er für seine Jünger betete: »Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast« (Jn 17,21). Die Einheit der Christen ist ein Geschenk des Himmels, das der Liebesgemeinschaft mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist entspringt und zu ihr heranreift. Das gemeinsame Gebet von Lutheranern und Katholiken aus Finnland ist eine demütige, aber treue Teilhabe am Gebet Jesu, der verheißen hat, daß jedes Gebet, das in seinem Namen an den Vater gerichtet würde, erhört wird (vgl. Joh Jn 15,7). In der Tat ist dies der Königsweg des Ökumenismus: Ein solches Gebet läßt uns das Reich Gottes und die Einheit der Kirche mit neuen Augen betrachten; es stärkt unsere Bande der Gemeinschaft; und es macht uns fähig, den schmerzhaften Erinnerungen, den gesellschaftlichen Bürden und den menschlichen Schwächen, die so sehr Teil unserer Spaltungen sind, mutig zu begegnen.

»Betet ohne Unterlaß!« (1Th 5,17): Dieser Aufruf, der im Mittelpunkt der Lesungen der diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christen steht, erinnert uns auch daran, daß ein echtes Leben in Gemeinschaft nur dann möglich ist, wenn lehrmäßige Vereinbarungen und offizielle Erklärungen beständig vom Licht des Heiligen Geistes geleitet werden. Wir müssen dankbar sein für die Früchte des nordisch-lutherisch/ katholischen theologischen Dialogs in Finnland und Schweden über zentrale Fragen des christlichen Glaubens, einschließlich des Problems der Rechtfertigung im Leben der Kirche. Möge der ständige Dialog zu praktischen Ergebnissen führen, zu einem Handeln, das unsere Einheit in Christus zum Ausdruck bringt und aufbaut und so die Beziehungen zwischen den Christen festigt.

Im vergangenen Jahr beging Finnland den 450. Todestag des Theologen Mikael Agricola, dessen Bibelübersetzung sehr großen Einfluß auf die finnische Sprache und Literatur hatte. Dieses Ereignis hob erneut die Bedeutung der Heiligen Schrift für die Kirche, für die einzelnen Christen und für die ganze Gesellschaft hervor. Das Wort Gottes ist wirklich die Grundlage unseres Lebens. Der hl. Hieronymus sagte: »Unkenntnis der Schriften ist Unkenntnis Christi« (Comm. in Isaias, Prol.).

Die Begegnung mit dem Wort Gottes, besonders in der Kirche und in ihrer Liturgie, ist somit wichtig für unseren ökumenischen Weg. Wie das Zweite Vatikanische Konzil erklärte, gewinnt die heilige Theologie im Wort »sichere Kraft und verjüngt sich ständig, wenn sie alle im Geheimnis Christi beschlossene Wahrheit im Lichte des Glaubens durchforscht« (Dei Verbum DV 24).

Liebe Freunde, ich hoffe aufrichtig, daß euer Besuch in Rom euch viel Freude bringen wird, während ihr des Zeugnisses der ersten Christen gedenkt und insbesondere des Martyriums von Petrus und Paulus, der Gründerapostel der Kirche von Rom. Der hl. Henrik folgte ihren Spuren und brachte die Botschaft des Evangeliums und seine rettende Kraft in das Leben der nordischen Völker. In den neuen Situationen und Herausforderungen des heutigen Europa und in eurem eigenen Land gibt es viel, was Lutheraner und Katholiken gemeinsam tun können im Dienst des Evangeliums und der Ausbreitung des Reiches Gottes.

Mit diesen Empfindungen und mit Zuneigung im Herrn rufe ich auf euch und eure Angehörigen Gottes Segen der Freude und des Friedens herab.
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Benedikt XVI Predigten 165