Benedikt XVI Predigten 241

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AN DIE TEILNEHMER DER INTERNATIONALEN TAGUNG

DER PÄPSTLICHEN LATERANUNIVERSITÄT

ZUM 10. JAHRESTAG DER ENZYKLIKA "FIDES ET RATIO" Donnerstag, 16. Oktober 2008



Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist mir eine Freude, Sie anläßlich der Tagung zu empfangen, die zum 10. Jahrestag der Enzyklika Fides et ratio stattfindet. Ich danke vor allem Erzbischof Rino Fisichella für die herzlichen Worte, die er heute zu Beginn dieser Begegnung an mich gerichtet hat. Ich freue mich, daß die Studientage im Rahmen Ihres Kongresses unter der Zusammenarbeit der Lateran-Universität, der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und der Weltkonferenz der Katholischen Philosophischen Universitätseinrichtungen stattfinden. Eine solche Zusammenarbeit ist immer wünschenswert, vor allem wenn man aufgefordert ist, über den eigenen Glauben Rechenschaft abzulegen angesichts der immer schwierigeren Herausforderungen, die heute auch die Gläubigen in der Welt betreffen.

Ein aufmerksamer Blick auf die Enzyklika Fides et ratio erlaubt es mir, im Abstand von zehn Jahren voll Bewunderung ihre bleibende Aktualität zu erfassen: In ihr wird die weit vorausblickende Tiefe meines unvergeßlichen Vorgängers offenbar. Denn die Enzyklika zeichnet sich durch ihre weite Offenheit gegenüber der Vernunft aus, vor allem in einer Zeit, in der Theorien über ihre Schwäche aufgestellt werden. Johannes Paul II. hingegen unterstreicht die Bedeutung, Glaube und Vernunft in ihrer wechselseitigen Beziehung miteinander zu verbinden, stets unter Achtung der jeweiligen eigenen Autonomiesphäre. Mit dieser Lehre hat sich die Kirche zur Wortführerin eines steigenden Anspruchs im derzeitigen kulturellen Kontext gemacht. Sie wollte die Kraft der Vernunft und ihre Fähigkeit der Wahrheitsfindung verteidigen, indem sie erneut den Glauben als eine besondere Form der Erkenntnis darstellt, dank derer man sich der Wahrheit der Offenbarung öffnet (vgl. Fides et ratio, 13). In der Enzyklika ist zu lesen, daß man Vertrauen haben muß in die Fähigkeiten der menschlichen Vernunft und sich nicht zu bescheidene Ziele setzen soll: »Es ist der Glaube, der die Vernunft dazu herausfordert, aus jedweder Isolation herauszutreten und für alles, was schön, gut und wahr ist, etwas zu riskieren. So wird der Glaube zum überzeugten und überzeugenden Anwalt der Vernunft« (Nr. 56). Im übrigen zeigt sich im Laufe der Zeit, welche Ziele die aus Leidenschaft zur Wahrheit bewegte Vernunft erreichen konnte. Wer könnte den Beitrag leugnen, den die großen philosophischen Systeme zur Entwicklung der Selbsterkenntnis des Menschen und zum Fortschritt der einzelnen Kulturen geleistet haben? Diese bringen Frucht, wenn sie sich der Wahrheit öffnen, indem sie denen, die daran teilhaben, ermöglichen, Ziele zu erreichen, die das soziale Leben immer menschenwürdiger machen. Augustinus hat geschrieben: »Was man mit dem Verstand besitzt, das hat man, weil man es erkannt hat, aber es wird nicht vollkommen erkannt, wenn man es nicht vollkommen liebt« (De diversis quaestionibus, 35,2).

Wir können jedoch nicht verschweigen, daß eine Verlagerung von einem vorrangig spekulativen zu einem hauptsächlich experimentellen Denken stattgefunden hat. Die Forschung hat sich vor allem der Beobachtung der Natur gewidmet und versucht, ihre Geheimnisse zu entdecken. Der Wunsch, die Natur kennenzulernen, hat sich dann in den Willen, sie zu reproduzieren, verwandelt. Dieser Wandel ging jedoch nicht schmerzlos vonstatten: Die Entwicklung der Begriffe hat die Beziehung zwischen dem Glauben und der Vernunft beeinträchtigt mit der Folge, daß der eine wie die andere unterschiedliche Wege gingen. Die wissenschaftliche und technologische Entwicklung, mit der sich der Glaube immer mehr auseinandersetzen muß, hat den althergebrachten Begriff der »ratio« verändert; sie hat in gewisser Weise die Vernunft, die die letzte Wahrheit der Dinge suchte, an den Rand gedrängt und will einer Vernunft Raum geben, die eingesetzt wird, um die unvorhersehbare Wahrheit der Naturgesetze zu entdecken. Die wissenschaftliche Forschung hat sicher ihren positiven Wert. Die Entdeckungen und das Wachstum der mathematischen, physischen und chemischen Wissenschaften und die der angewandten Wissenschaften sind Frucht der Vernunft und Ausdruck des Denkens, mit dem der Mensch in die Tiefen der Schöpfung vorzudringen vermag. Der Glaube seinerseits fürchtet den Fortschritt der Wissenschaft und die Entwicklungen nicht, zu denen seine Errungenschaften führen, wenn diese den Menschen, sein Wohl und den Fortschritt der ganzen Menschheit zum Ziel haben. Wie der unbekannte Autor des Briefes an Diognet schrieb: »Nicht der Baum der Erkenntnis tötet, sondern der Ungehorsam. Es gibt kein Leben ohne Erkenntnis, und es gibt keine sichere Erkenntnis ohne wahres Leben« (XII, 2,4).

Allerdings kommt es vor, daß die Wissenschaftler ihre Forschungen nicht immer auf diese Ziele ausrichten. Der leichte Verdienst oder, noch schlimmer, die Überheblichkeit, sich an die Stelle des Schöpfers zu setzen, spielen manchmal eine entscheidende Rolle. Es ist eine Form der »hybris« der Vernunft, die auf die Menschheit selbst gefährliche Auswirkungen haben kann. Anderseits ist die Wissenschaft nicht imstande, ethische Prinzipien zu entwickeln: sie kann diese nur in sich aufnehmen und sie als notwendig für die Bekämpfung ihrer eventuellen Pathologien erkennen. Die Philosophie und die Theologie werden in diesem Zusammenhang unerläßliche Hilfen, mit denen man sich auseinandersetzen muß, um zu vermeiden, daß die Wissenschaft allein einen schwierigen Weg einschlägt, der nicht vorherzusehen und nicht ohne Risiken ist. Das heißt aber nicht, die wissenschaftliche Forschung zu begrenzen oder die Technik daran zu hindern, Mittel für die Entwicklung zu schaffen; es heißt vielmehr, das Verantwortungsbewußtsein wach zu halten, das die Vernunft und der Glaube gegenüber der Wissenschaft haben, damit sie dem Menschen dient.

Die Lehre des hl. Augustinus ist auch in diesem Zusammenhang sehr bedeutsam: »Wohin, wenn nicht zur Wahrheit gelangt derjenige«, fragte sich der heilige Bischof von Hyppo, »der seine Vernunft gut gebrauchen kann? Nicht die Wahrheit ist es, die durch die Überlegung zu sich selbst gelangt; aber die Wahrheit ist es, die jene suchen, die die Vernunft gebrauchen … Bekenne, daß du nicht das bist, was die Wahrheit ist, denn sie sucht nicht sich selbst; du bist hingegen zu ihr gelangt, nicht weil du von einem Ort zum andern gegangen bist, sondern indem du sie mit der Bereitschaft des Verstandes gesucht hast« (De vera religione, 39,72). Er will damit sagen: Von welcher Seite auch die Wahrheitssuche kommen mag, sie besteht als Faktum, das angeboten wird und schon in der Natur als vorhanden erkannt werden kann. Denn die Verständlichkeit der Schöpfung ist nicht Frucht der Anstrengung des Wissenschaftlers, sondern die ihm gebotene Bedingung, die ihm erlaubt, die in ihr enthaltene Wahrheit zu entdecken. »Das gedankliche Überlegen erschafft diese Wahrheiten nicht«, schreibt Augustinus weiter, »sondern es findet sie. Sie bestehen also von sich aus, noch bevor sie entdeckt werden, und nachdem sie entdeckt sind und uns erneuern« (ebd., 39,73). Also muß die Vernunft ihren Weg vollständig gehen, gestärkt durch ihre Unabhängigkeit und ihre reiche Tradition des Denkens.

Darüber hinaus fühlt und entdeckt die Vernunft, daß es über das von ihr Erreichte und Errungene hinaus eine Wahrheit gibt, die sie nie von sich aus finden, sondern nur als unentgeltliches Geschenk empfangen kann. Die Wahrheit der Offenbarung überschneidet sich nicht mit der von der Vernunft erlangten Wahrheit; sie reinigt vielmehr die Vernunft und erhöht sie, indem sie ihr so erlaubt, die eigenen Räume zu erweitern, um in einen undurchdringlichen Forschungsbereich, sozusagen in das Geheimnis selbst einzutreten. Die offenbarte Wahrheit hat »in der Fülle der Zeiten« (Ga 4,4) das Antlitz einer Person, Jesu von Nazaret, angenommen, der die letzte und endgültige Antwort auf die Frage nach dem Sinn jedes Menschen gibt. Die Wahrheit Christi, insofern sie jede Person berührt, die auf der Suche nach Freude, nach Glück und nach Sinn ist, übersteigt bei weitem jede andere Wahrheit, die die Vernunft finden kann. Und deshalb finden Glaube und Vernunft im Geheimnis die wirkliche Möglichkeit eines gemeinsamen Weges.

In diesen Tagen findet die Bischofssynode statt über das Thema: »Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche«. Wie könnte man das providentielle Zusammentreffen dieses Augenblicks mit eurer Tagung verkennen. Die Leidenschaft für die Wahrheit drängt uns, in uns hineinzuhören, um im Innersten des Menschen den tiefen Sinn unseres Lebens zu entdecken. Eine wahre Philosophie wird jede Person an der Hand führen müssen und sie entdecken lassen, wie grundlegend es für ihre eigene Würde ist, die Wahrheit der Offenbarung zu erkennen. Angesichts dieses Sinnanspruchs, der nicht nachläßt, solange er nicht in Jesus Christus mündet, offenbart das Wort Gottes seine Eigenschaft als endgültige Antwort. Ein Wort der Offenbarung, das leben wird und das verlangt, als unversiegbare Quelle der Wahrheit angenommen zu werden.

Während ich jedem einzelnen wünsche, in sich immer diese Leidenschaft für die Wahrheit zu spüren und sein Möglichstes zu tun, um die Ansprüche zu erfüllen, möchte ich Ihnen versichern, daß ich Ihr Bemühen mit Hochschätzung und Sympathie verfolge und Ihre Suche auch mit meinem Gebet begleite. Zum Zeichen dieser Empfindungen erteile ich den hier Anwesenden und allen, die ihnen nahestehen, gern den Apostolischen Segen.


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ERSTE VESPER VOM XXIX. SONNTAG IM JAHRESKREIS

MIT PAPST BENEDIKT XVI.

ANLÄSSLICH DER TEILNAHME DES

ÖKUMENISCHEN PATRIARCHEN BARTHOLOMAIOS I.

AN DER XII. GENERALVERSAMMLUNG DER BISCHOFSSYNODE

WORTE VON BENEDIKT XVI.

AN DEN ÖKUMENISCHEN PATRIARCHEN BARTHOLOMAIOS I. Sixtinische Kapelle

Samstag, 18. Oktober 2008




Eure Heiligkeit,

von ganzem Herzen möchte ich Ihnen für Ihre Worte danken. Der Applaus der Synodenväter war weit mehr als eine bloße Höflichkeitsbekundung. Er war Zeichen der tiefen geistlichen Freude darüber, daß wir diese lebendige Erfahrung unserer Gemeinschaft machen durften. In diesem Moment haben wir wirklich die »Synode « erlebt: Unter der Leitung Eurer Heiligkeit waren wir gemeinsam auf dem Weg im Land des göttlichen Wortes und durften dessen Schönheit genießen, erfüllt von der tiefen Freude, das Wort Gottes zu hören und uns mit dem Geschenk seines Wortes auseinandersetzen zu dürfen.

Ihre Worte waren zutiefst erfüllt vom Geist der Kirchenväter und von der heiligen Liturgie. Gerade deshalb waren sie auch fest verortet in unserer Zeit, mit jenem großen christlichen Realismus, der uns auch die Herausforderungen erkennen läßt. Dabei wurde uns folgendes deutlich: Wenn wir in die Herzmitte der Heiligen Schrift eindringen, in den Worten wirklich dem göttlichen Wort begegnen und uns ganz auf das Wort Gottes einlassen, dann werden sich unsere Augen auch öffnen für die Welt und für die heutige Wirklichkeit.

Auch dies war eine freudige Erfahrung – eine Erfahrung der vielleicht nicht vollkommenen, aber zumindest wahren und tiefen Einheit. Mir kam der Gedanke: Ihre Kirchenväter, die Sie so oft zitiert haben, sind auch unsere Väter, und die unsrigen sind auch die Ihrigen. Wenn wir also gemeinsame Väter haben, wie könnten wir dann nicht untereinander Brüder sein? Danke, Eure Heiligkeit! Ihre Worte werden uns bei den Arbeiten der kommenden Woche begleiten und erleuchten. Und auch in der kommenden Woche – und darüber hinaus – werden wir gemeinsam mit Ihnen auf dem Weg sein.

Danke, Eure Heiligkeit!




PASTORALBESUCH IM PÄPSTLICHEN HEILIGTUM VON POMPEJI

Sonntag, 19. Oktober 2008: ROSENKRANZGEBET, MEDITATION VON BENEDIKT XVI.

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Päpstliches Heiligtum von Pompeji





Verehrte Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
liebe Ordensmänner und Ordensfrauen,
liebe Brüder und Schwestern!

Bevor ich das Heiligtum betreten habe, um gemeinsam mit euch den Rosenkranz zu beten, habe ich kurz vor dem Schrein des sel. Bartolo Longo verweilt, und im Gebet habe ich mich gefragt: »Woher bekam dieser große Apostel Marias die notwendige Kraft und Ausdauer, um ein so beeindruckendes Werk zu vollbringen, das nunmehr auf der ganzen Welt bekannt ist? Bekam er sie nicht gerade aus dem Rosenkranz, den er als wahres Geschenk aus dem Herzen der Muttergottes annahm?« Ja, so war es in der Tat! Das bezeugt die Erfahrung der Heiligen: Dieses volkstümliche Mariengebet ist ein kostbares geistliches Mittel, um in der Vertrautheit mit Jesus zu wachsen und in der Schule der allerseligsten Jungfrau zu lernen, stets den göttlichen Willen zu tun. Es ist eine Betrachtung der Geheimnisse Christi in geistlicher Vereinigung mit Maria, wie der Diener Gottes Paul VI. im Apostolischen Schreiben Marialis cultus hervorgehoben hat (vgl. Nr. 46) und mein Vorgänger Johannes Paul II. später im Apostolischen Schreiben Rosarium Virginis Mariae ausführlich darlegte, das ich heute der Gemeinschaft von Pompeji und einem jeden von euch im Geiste noch einmal überreiche. Ihr, die ihr hier in Pompeji lebt und wirkt, besonders ihr, liebe Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien, die ihr in diesem einzigartigen Teil der Kirche wirkt, seid alle berufen, euch das Charisma des sel. Bartolo Longo zu eigen zu machen und in dem Maße und auf die Weise, wie Gott es euch gestattet, wahre Apostel des Rosenkranzes zu werden.

Aber um Apostel des Rosenkranzes zu sein, muß man die Schönheit und die Tiefe dieses einfachen und jedem Menschen zugänglichen Gebets persönlich erfahren. Vor allem muß man sich von der Jungfrau Maria an der Hand führen lassen, um das Antlitz Christi zu betrachten: ein freudenreiches, lichtreiches, schmerzhaftes und glorreiches Antlitz. Wer wie Maria und gemeinsam mit ihr die Geheimnisse Jesu bewahrt und sie unermüdlich betrachtet, der macht sich seine Empfindungen immer mehr zu eigen und wird ihm ähnlich. Ich möchte in diesem Zusammenhang einen schönen Gedanken des sel. Bartolo Longo zitieren. Er schreibt: »Wie zwei Freunde, die sich öfters besuchen, sich in ihren Gewohnheiten anzugleichen pflegen, so können auch wir, die wir in familiärer Vertrautheit mit Jesus und der Jungfrau in der Betrachtung der Rosenkranzgeheimnisse sprechen und gemeinsam ein und dasselbe Leben in der Kommunion vollziehen, ihnen gleich werden, soweit dies unsere Begrenztheit erlaubt: Von diesen höchsten Beispielen können wir das demütige, arme, verborgene, geduldige und vollkommene Leben erlernen« (I Quindici Sabati del Santissimo Rosario, 27. Aufl., Pompeji 1916, S. 27; zitiert in Rosarium Virginis Mariae, 15).

Der Rosenkranz ist Schule der Betrachtung und der Stille. Auf den ersten Blick mag er wie ein Gebet erscheinen, bei dem Worte aneinandergereiht werden und das daher schwer vereinbar ist mit der Stille, die zu Recht für die Meditation und die Betrachtung empfohlen wird. In Wirklichkeit stört das gleichmäßige Wiederholen des »Ave Maria« die innere Stille nicht, sondern erfordert sie vielmehr und nährt sie. Ähnlich wie bei den Psalmen im Stundengebet kommt die Stille durch die Worte und Sätze hindurch zum Vorschein – nicht als eine Leere, sondern als eine Anwesenheit des letzten Sinnes aller Dinge, der die Worte übersteigt und gemeinsam mit ihnen zum Herzen spricht. So müssen wir beim wiederholten Beten des »Ave Maria« darauf achtgeben, daß unsere Stimmen die Stimme Gottes nicht »überlagern «, denn er spricht immer durch die Stille, wie »ein sanftes, leises Säuseln« (
1R 19,12). Wie wichtig ist es also, sowohl im persönlichen als auch im gemeinschaftlichen Gebet diese Stille zu pflegen, die erfüllt ist von Gott! Auch wenn er so wie heute von einer großen Gemeinde gebetet wird, wie ihr es jeden Tag in diesem Heiligtum tut, muß der Rosenkranz als kontemplatives Gebet wahrgenommen werden, und das kann nicht geschehen, wenn eine Atmosphäre innerer Stille fehlt.

Ich möchte noch einen weiteren Gedanken hinzufügen, der das Wort Gottes im Rosenkranz betrifft. Er ist besonders angebracht in diesem Augenblick, in dem im Vatikan die Bischofssynode stattfindet, die unter dem Thema steht: »Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche«. Wenn die christliche Betrachtung nicht vom Wort Gottes absehen kann, dann muß auch der Rosenkranz, um ein kontemplatives Gebet zu sein, stets aus der Stille des Herzens als Antwort auf das Wort Gottes hervorkommen, nach dem Vorbild des Betens Marias. Bei genauerem Hinsehen ist der Rosenkranz ganz mit Elementen aus der Heiligen Schrift durchwirkt. Zunächst wird das Geheimnis formuliert, was möglichst, so wie heute, mit Worten geschehen sollte, die der Bibel entnommen sind. Dann folgt das »Vaterunser«: Es verleiht dem Gebet seine »vertikale« Ausrichtung und macht so das Herz dessen, der den Rosenkranz betet, offen für die rechte Haltung der Kindschaft, gemäß der Einladung des Herrn: »Wenn ihr betet, so sprecht: Vater…« (Lc 11,2). Der erste Teil des »Ave Maria« – auch er stammt aus dem Evangelium – läßt uns jedesmal wieder die Worte, die Gott durch den Engel an die Jungfrau Maria richtete, zusammen mit den Segensworten ihrer Kusine Elisabeth vernehmen. Der zweite Teil des »Ave Maria« ist die Antwort der Kinder, die sich bittend an die Mutter wenden und damit nichts anderes tun als ihre Zustimmung zum Heilsplan zum Ausdruck zu bringen, den Gott offenbart hat. So bleiben die Gedanken derer, die beten, stets in der Heiligen Schrift und in den Geheimnissen verankert, die in ihr aufgezeigt werden.

Abschließend möchte ich im Gedenken an den Weltmissionssonntag, den wir heute feiern, die apostolische Dimension des Rosenkranzes in Erinnerung rufen, eine Dimension, die der sel. Bartolo Longo sehr intensiv gelebt hat. Dadurch wurde er dazu inspiriert, in diesem Landstrich viele Werke der Nächstenliebe und der menschlichen und gesellschaftlichen Förderung ins Leben zu rufen. Darüber hinaus wollte er, daß dieses Heiligtum der ganzen Welt offensteht, als Zentrum der Verbreitung des Rosenkranzgebets und als Ort der Fürbitte für den Frieden unter den Völkern. Liebe Freunde, diese beiden Aufgaben, das Apostolat der Nächstenliebe und das Gebet für den Frieden, möchte ich bestätigen und sie erneut eurem geistlichen und pastoralen Einsatz anvertrauen. Nach dem Vorbild und mit dem Beistand eures verehrten Gründers sollt ihr niemals müde werden, mit Leidenschaft in diesem Teil des Weinbergs des Herrn zu arbeiten, dem die Muttergottes ihre besondere Liebe erwiesen hat.

Liebe Brüder und Schwestern, die Stunde meines Abschieds von euch und von diesem schönen Heiligtum ist gekommen. Ich danke euch für die herzliche Aufnahme und vor allem für euer Gebet. Ich danke dem Erzbischof-Prälaten und Päpstlichen Delegaten sowie seinen Mitarbeitern und allen, die dazu beigetragen haben, meinen Besuch aufs Beste vorzubereiten. Ich muß euch verlassen, aber mein Herz bleibt diesem Landstrich und dieser Gemeinschaft nahe. Ich vertraue euch alle der allerseligsten Jungfrau vom Heiligen Rosenkranz an und erteile jedem von Herzen den Apostolischen Segen.
* * *


Vor seiner Abreise aus Pompeji richtete der Papst einen Gruß an die vor dem Heiligtum versammelten Gläubigen.

Liebe Brüder und Schwestern!

Die Stunde meines Abschieds ist gekommen, aber wie gesagt bleibe ich mit dem Herzen euch und diesem wunderschönen Heiligtum, diesen Menschen voller Glauben, Begeisterung und Liebe stets nahe. Ich danke euch! Bleiben wir der Muttergottes treu, so bleiben wir der Liebe und dem Frieden treu. Ich segne euch alle im Namen des allmächtigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Auf Wiedersehen! Danke!



AN DIE TEILNEHMER DES 110. NATIONALEN KONGRESSES

DER ITALIENISCHEN GESELLSCHAFT FÜR CHIRURGIE Montag, 20. Oktober 2008



Sehr geehrte Damen und Herren!

Es freut mich, Sie in dieser Sonderaudienz zu empfangen, die anläßlich des Nationalen Kongresses der Italienischen Gesellschaft für Chirurgie stattfindet. Ich begrüße alle und jeden einzelnen sehr herzlich, während ich Prof. Gennaro Nuzzo vielmals danke für die Worte, mit denen er die gemeinsamen Gefühle ausgedrückt und die Arbeiten des Kongresses erläutert hat, die einem Thema von grundlegender Bedeutung gewidmet sind. Denn im Mittelpunkt Ihres Nationalen Kongresses steht das vielversprechende und anspruchsvolle Leitwort: »Für eine Chirurgie unter Achtung des Kranken.« Zu Recht ist heute in einer Zeit des großen technologischen Fortschritts die Rede davon, daß es notwendig ist, die Medizin menschlicher zu gestalten, indem jene Züge des ärztlichen Handelns entfaltet werden, die der Würde der kranken Person, für die man Dienst leistet, besser entsprechen. Die besondere Sendung, durch die sich Ihr ärztlicher und chirurgischer Beruf auszeichnet, hat drei Zielsetzungen: die kranke Person zu heilen oder zumindest die Entwicklung der Krankheit wirksam zu beeinflussen versuchen; die mit ihr verbundenen Schmerzsymptome vor allem im fortgeschrittenen Stadium zu lindern; für die kranke Person in allen ihren menschlichen Erwartungen Sorge zu tragen.

Früher gab man sich oft damit zufrieden, das Leiden der kranken Person zu lindern, weil man das Fortschreiten der Krankheit nicht aufhalten und sie in keiner Weise heilen konnte. Im vergangenen Jahrhundert haben die Entwicklungen der Wissenschaft und der chirurgischen Technik es möglich gemacht, das Leben des Kranken mit zunehmendem Erfolg zu beeinflussen. So ist die Heilung, die zuvor in vielen Fällen nur eine Möglichkeit am Rand gewesen war, heute eine Perspektive, die für gewöhnlich Wirklichkeit werden kann, bis zu dem Punkt, daß sie die Aufmerksamkeit der aktuellen Medizin fast ausschließlich auf sich zieht. Aus diesem Ansatz ergibt sich jedoch eine neue Gefahr: die Gefahr, den Patienten sich selbst zu überlassen in dem Augenblick, wo es unmöglich erscheint, gute Ergebnisse zu erzielen. Hingegen steht fest, daß man, auch wenn keine Aussicht mehr auf Genesung besteht, noch viel für den Kranken tun kann: Man kann sein Leiden erleichtern, vor allem kann man ihn auf seinem Weg begleiten und so weit wie möglich seine Lebensqualität verbessern. Das ist nicht zu unterschätzen, denn jeder einzelne Patient, auch der unheilbar kranke, hat einen unabdingbaren Wert, eine Würde, die geehrt werden muß, die das unauslöschliche Fundament jedes ärztlichen Handelns ist. Denn die Achtung der Menschenwürde erfordert die bedingungslose Achtung jedes einzelnen Menschen, geboren oder ungeboren, gesund oder krank, in welcher Situation auch immer er sich befindet.

In dieser Hinsicht erhält die Beziehung des gegenseitigen Vertrauens zwischen Arzt und Patient vorrangige Bedeutung. Dank einer solchen vertrauensvollen Beziehung kann der Arzt, wenn er dem Patienten zuhört, dessen Krankheitsgeschichte zurückverfolgen und verstehen, wie dieser mit seiner Krankheit lebt. Im Kontext dieser Beziehung kann auf der Grundlage des gegenseitigen Vertrauens und des gemeinsamen Nachdenkens über die realisierbaren Ziele, die zu verfolgen sind, der therapeutische Plan festgelegt werden: ein Plan, der zu kühnen lebensrettenden Operationen führen kann oder zu der Entscheidung, sich mit den gewohnten Mitteln zufriedenzugeben, die die Medizin bietet. Was der Arzt dem Patienten direkt oder indirekt, wörtlich oder nicht wörtlich mitteilt, hat auf ihn einen bemerkenswerten Einfluß: Es kann ihn motivieren, stützen, seine physischen und geistigen Kräfte mobilisieren und sogar stärken oder, im Gegenteil, seine Anstrengungen schwächen und beeinträchtigen und so die Wirksamkeit der angewandten Behandlungen vermindern. Das, worauf man abzielen muß, ist ein echter therapeutischer Bund mit dem Patienten, wobei man jene besondere klinische Vernünftigkeit nutzt, die es dem Arzt erlaubt, jene Art der Kommunikation herauszufinden, die dem Patienten am meisten entspricht. Diese kommunikative Strategie wird vor allem darauf abzielen, immer unter Achtung der Wahrheit der Fakten, die Hoffnung, das wesentliche Element im therapeutischen Kontext, zu stützen. Es darf dabei nie vergessen werden, daß es gerade diese menschlichen Eigenschaften sind, die der Patient am Arzt neben seiner professionellen Kompetenz schätzt. Er will mit Güte gesehen und nicht nur untersucht werden; er will angehört und nicht nur komplizierten Diagnosen unterzogen werden; er will mit Sicherheit spüren, im Geist und im Herzen des ihn behandelnden Arztes präsent zu sein.

Auch die Beharrlichkeit, mit der man heute die individuelle Autonomie des Patienten hervorhebt, muß darauf ausgerichtet sein, eine Annäherung an den Kranken zu fördern, die ihn mit Recht nicht als unbeteiligtes Gegenüber, sondern als aktiven und verantwortlichen Mitarbeiter der therapeutischen Behandlung betrachtet. Man muß mit Mißtrauen jeden Versuch der Einmischung von außen in diese schwierige Beziehung Arzt-Patient sehen. Einerseits ist nicht zu leugnen, daß man die Autonomie des Patienten achten muß, ohne jedoch zu vergessen, daß ihre individualistische Verherrlichung am Ende zu einer unrealistischen und sicher verkürzten Sicht der menschlichen Wirklichkeit führt. Anderseits soll die professionelle Verantwortung des Arztes dahingehen, daß er eine Behandlung vorschlägt, die auf das wahre Wohl des Patienten abzielt in dem Bewußtsein, daß seine besondere Kompetenz ihn im allgemeinen befähigt, die Situation besser einschätzen zu können als der Patient.

Die Krankheit tritt anderseits im Rahmen einer bestimmten menschlichen Geschichte zutage und beeinflußt die Zukunft des Patienten und seiner familiären Umgebung. In den hochtechnologischen Strukturen der heutigen Gesellschaft läuft der Patient Gefahr, in gewissem Maße zur »Sache« zu werden. Denn er wird von Regeln und Praktiken beherrscht, die oft seiner Lebensweise vollständig fremd sind. Im Namen der Anforderungen der Wissenschaft, der Technik und der Organisation der medizinischen Versorgung erscheint sein gewohnter Lebensstil völlig umgestürzt. Da ist es sehr wichtig, die Lebensumstände des Patienten, insbesondere seine Familie, nicht von der therapeutischen Beziehung auszuschließen. Deshalb ist es notwendig, das Verantwortungsbewußtsein der Verwandten gegenüber ihrem Angehörigen zu fördern: Es ist ein wichtiges Element, um eine weitere Entfremdung zu vermeiden, die dieser sozusagen unweigerlich erfährt, wenn er einer Medizin anvertraut wird, die hoch technologisiert, aber ohne wirksames menschliches Mitgefühl ist.

Auf Ihnen, liebe Chirurgen, lastet also in entscheidendem Maß die Verantwortung, eine Chirurgie anzubieten, die die Person des Kranken wirklich respektiert. Es ist eine faszinierende, aber auch sehr anspruchsvolle Aufgabe. Der Papst ist Ihnen gerade durch sein Hirtenamt nahe und begleitet Sie mit seinem Gebet. Mit diesen Empfindungen und den besten Wünschen für eine erfolgreiche Arbeit erteile ich Ihnen und Ihren Lieben den Apostolischen Segen.



AN FRAU CRISTINA CASTAÑER-PONCE ENRILE,

NEUE BOTSCHAFTERIN DER PHILIPPINEN BEIM HL. STUHL 27. Oktober 2008


Frau Botschafterin!

Ich freue mich, Sie heute zur Überreichung des Beglaubigungsschreibens zu empfangen, das Sie als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafterin der Republik der Philippinen beim Heiligen Stuhl akkreditiert. Ich erwidere die herzlichen Grüße, die Sie mir von seiten Ihrer Exzellenz der Staatspräsidentin, Frau Gloria Macapagal-Arroyo, überbracht haben, und ich möchte Sie bitten, auch meinerseits ihr und all Ihren Mitbürgern meine besten Wünsche für ihr Wohlergehen zu übermitteln.

Das philippinische Volk ist bekannt für seinen warmherzigen Großmut und den großen Wert, den es der Freundschaft und dem Familienleben zuerkennt. Die katholischen Gläubigen in Ihrem Land zeigen – durch ihr Verlangen nach Gebet, ihre aufrichtige Frömmigkeit und ihren Eifer, anderen zu dienen – festes Vertrauen in Gottes liebende Vorsehung. Ich bin für den einzigartigen Beitrag dankbar, den sie zum Leben der lokalen und universalen Kirche geleistet haben und auch weiterhin leisten, und ich ermutige alle Männer und Frauen guten Willens in Ihrer Nation, sich dafür einzusetzen, innerhalb der Landesgrenzen und auf der ganzen Welt Bande des Friedens und der sozialen Eintracht zu knüpfen.

Seinerseits sucht der Heilige Stuhl, besonders durch seine diplomatische Tätigkeit, stets den Dialog mit der Welt, um die universalen Werte zu fördern, die der Würde des Menschen entspringen, und die Menschheit auf dem Weg zur Gemeinschaft mit Gott und miteinander voranzubringen. Die katholische Kirche möchte gern den Reichtum der sozialen Botschaft des Evangeliums mit anderen teilen, denn sie erfüllt die Herzen mit einer Hoffnung auf die Vollendung der Gerechtigkeit und der Liebe, die alle Männer und Frauen zu wahren Brüdern und Schwestern in Jesus Christus macht. Dieser Sendung kommt sie im vollen Bewußtsein der gegenseitigen Unabhängigkeit und der jeweiligen Kompetenzen von Kirche und Staat nach. Man könnte sogar sagen, daß die Unterscheidung zwischen Religion und Politik eine besondere Errungenschaft des Christentums und einer seiner grundlegenden historischen und kulturellen Beiträge ist. Ebenso ist die Kirche überzeugt, daß Staat und Religion aufgerufen sind, einander zu unterstützen, da sie gemeinsam dem persönlichen und gesellschaftlichen Wohl aller dienen (vgl. Gaudium et spes GS 76). Für eine derartige einträchtige Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat müssen die kirchlichen und zivilen Führungskräfte bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Pflichten stets auf das Gemeinwohl bedacht sein. Wenn sie einen Geist der Aufrichtigkeit und der Unparteilichkeit pflegen und die Gerechtigkeit stets als Ziel vor Augen haben, gewinnen die zivilen und kirchlichen Führungskräfte das Vertrauen des Volkes und stärken das Bewußtsein für die gemeinsame Verantwortung aller Bürger, eine Zivilisation der Liebe zu fördern. Alle sollten viel mehr von dem Wunsch zu dienen getragen sein als von dem Wunsch nach einem Verdienst, der ihnen persönlich oder einigen wenigen Privilegierten zugute kommt. Ein jeder hat an der Aufgabe Anteil, die öffentlichen Einrichtungen zu stabilisieren, um sie vor der Korruption der Parteilichkeit und des Elitedenkens zu schützen. In diesem Zusammenhang ist es ermutigend, die vielen Initiativen zu sehen, die die philippinische Gesellschaft auf vielen Ebenen unternimmt, um die Schwachen zu schützen, besonders die Ungeborenen, die Kranken und die älteren Menschen.

Exzellenz, ich weiß die Sorge um das Wohl philippinischer Migranten aus Arbeitsgründen zu schätzen, die Sie im Namen Ihrer Regierung zum Ausdruck gebracht haben.

Das »Globale Forum über Migration und Entwicklung«, das in Manila abgehalten wurde, ist ein deutliches Zeugnis für die Besorgtheit der Philippinen um alle, die ihre Heimat verlassen, um in einem fremden Land Arbeit zu suchen. Initiativen wie das »Globale Forum« sind fruchtbar, wenn sie die Immigration als eine Chance und nicht als Hindernis für die Entwicklung betrachten. Gleichzeitig stehen die Regierenden zahlreichen Herausforderungen gegenüber, wenn sie sicherstellen wollen, daß die Immigranten so in die Gesellschaft integriert werden, daß ihre Menschenwürde anerkannt wird und sie Gelegenheit haben, einen angemessenen Lebensunterhalt zu verdienen, mit genügend Zeit zur Erholung und der entsprechenden Möglichkeit zum Gottesdienst. Die rechte Sorge um die Immigranten und der Aufbau einer Solidarität der Arbeit (vgl. Laborem exercens LE 8) erfordert die kluge, geduldige und entschlossene Zusammenarbeit von Regierungen, humanitären Einrichtungen, gläubigen Menschen und allen Bürgern. Eine Innen- und Außenpolitik, die auf die Regulierung der Immigration ausgerichtet ist, muß auf gerechten und ausgewogenen Kriterien basieren, und besonderer Sorge bedarf es, um Familienzusammenführungen zu erleichtern. Gleichzeitig müssen soweit wie möglich die Voraussetzungen geschaffen werden, den Menschen mehr Arbeitsmöglichkeiten in ihren Heimatländern zu geben (vgl. Gaudium et spes GS 66).

Diesbezüglich, Frau Botschafterin, haben die Führungskräfte Ihrer Nation Gesetze für eine umfassende Landreform mit dem Ziel erlassen, die Lebensbedingungen der Armen zu verbessern. Sorgfältig geplante Agrarreformen können einer Gesellschaft nützen, indem sie ein Bewußtsein für die gemeinsame Verantwortung schaffen sowie die persönliche Initiative anregen und es einer Nation auf diese Weise ermöglichen, ihren eigenen Markt zu versorgen und ihre Beteiligung an internationalen Märkten zu erweitern, um die Wachstumschancen im Globalisierungsprozeß zu vergrößern. Ich hoffe, daß durch die Umsetzung von Maßnahmen, die eine gerechte Verteilung des Reichtums und die nachhaltige Entwicklung natürlicher Ressourcen unterstützen, den philippinischen Bauern größere Chancen gegeben werden, um die Produktion zu steigern und den Ertrag zu bekommen, den sie brauchen, um sich selbst und ihre Familien zu unterhalten. Exzellenz, es ist ermutigend zu sehen, daß Ihre Nation sich auch weiterhin aktiv an internationalen Foren zur Förderung des Friedens, der menschlichen Solidarität und des interreligiösen Dialogs beteiligen wird. Sie haben darauf hingewiesen, daß diese edlen Ziele in enger Beziehung zur menschlichen Entwicklung und zur Sozialreform stehen. Im Licht des Evangeliums war die katholische Kirche schon immer überzeugt, daß der Übergang von weniger humanen zu humaneren Lebensbedingungen nicht nur auf rein wirtschaftliche oder technologische Dimensionen beschränkt ist, sondern für jede Person den Erwerb von Kultur, die Achtung für das Leben und die Würde anderer sowie »die Anerkennung letzter Werte … und die Anerkennung Gottes, ihrer Quelle und ihres Zieles« (Populorum progressio PP 21) bedeutet. Ich bin zuversichtlich, daß die Republik der Philippinen in den Weltforen auch weiterhin diese ganzheitliche Sichtweise der menschlichen Person vertreten wird, und ich schließe mich dem Gebet aller Philippiner an, daß der Friede Gottes in den Herzen und Häusern aller Menschen herrschen möge.

Frau Botschafterin, Ihre heutige Anwesenheit an diesem Ort ist ein Unterpfand dafür, daß die Bande der Freundschaft und der Zusammenarbeit zwischen Ihrer Nation und dem Heiligen Stuhl sich auch in den kommenden Jahren immer mehr festigen werden. Ich versichere Sie, daß die verschiedenen Einrichtungen und Dikasterien der Römischen Kurie stets bereit sein werden, ihnen bei der Erfüllung Ihrer Pflichten zur Seite zu stehen. Indem ich Ihnen meine besten Wünsche und meine Gebete für den Erfolg Ihrer Mission entbiete, rufe ich den Segen des allmächtigen Gottes auf Sie, Exzellenz, auf Ihre Familie und auf das geliebte Volk der Philippinen herab.



AM SCHLUSS DER HL. MESSE

ANLÄSSLICH DES 50. JAHRESTAGES DER WAHL DES

SEL. JOHANNES XXIII. ZUM PAPST Petersdom

Dienstag, 28. Oktober 2008




Herr Kardinalstaatssekretär,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich, zusammen mit euch teilhaben zu dürfen an dieser Geste der Verehrung für den sel. Johannes XXIII., meinen geliebten Vorgänger, am Jahrestag seiner Wahl auf den Stuhl Petri. Ich spreche euch für diese Initiative meine Glückwünsche aus und danke dem Herrn, daß er uns noch einmal die Verkündigung »großer Freude« (»gaudium magnum«) erleben läßt, die vor nunmehr 50 Jahren an diesem Tag und zu dieser Stunde von der Loggia der Vatikanischen Basilika erklang. Sie war der Auftakt und die Prophezeiung der Erfahrung der Vaterschaft, mit der Gott uns überreich beschenkt hat durch die Worte, die Taten und den kirchlichen Dienst des »guten Papstes«. Die Gnade Gottes bereitete eine Zeit vor, die mit großen Anstrengungen und Verheißungen für die Kirche und für die Gesellschaft verbunden war, und sie fand in der Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist, die das ganze Leben Johannes’ XXIII. auszeichnete, den guten Boden, um die Eintracht, die Hoffnung, die Einheit und den Frieden zum Wohl der ganzen Menschheit gedeihen zu lassen. Papst Johannes zeigte, daß der Glaube an Christus und die Zugehörigkeit zur Kirche, »Mutter und Lehrerin«, ein fruchtbares christliches Zeugnis in der Welt gewährleistet. So war der Papst in den starken Gegensätzen seiner Zeit ein Mann und Hirte des Friedens, der es verstand, im Osten und im Westen unerwartete Horizonte der Brüderlichkeit unter den Christen und des Dialogs mit allen Menschen zu öffnen.

Die Diözese Bergamo ist in festlicher Stimmung, und sie durfte nicht fehlen bei der geistlichen Begegnung mit ihrem berühmtesten Sohn, einem »Bruder, der durch den Willen unseres Herrn zum Vater geworden ist«, wie er selbst sagte. Bei der »Confessio« des Apostels Petrus ruhen seine verehrten sterblichen Überreste. Von diesem Ort aus, der allen Getauften lieb und teuer ist, sagt er immer wieder zu euch: »Ich bin Josef, euer Bruder.« Ihr seid gekommen, um erneut die gemeinsamen Bande zu bekräftigen, die der Glaube auf eine wirklich katholische Dimension hin öffnet. Daher wolltet ihr dem Bischof von Rom begegnen, dem universalen Vater. Es leitet euch euer Hirte, Bischof Roberto Amadei, in Begleitung des Weihbischofs. Ich danke Bischof Amadei für die liebenswürdigen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat, und jedem von euch gilt mein Dank für die Zuneigung und die Verehrung, die euch beseelen. Ich fühle mich ermutigt durch euer Gebet und bitte euch inständig, dem Vorbild und der Lehre des Papstes, eures Landsmannes, zu folgen. Der Diener Gottes Johannes Paul II. hat ihn seliggesprochen, in dem Bewußtsein, daß die Spuren seiner Heiligkeit als Vater und Hirte vor der gesamten Menschheitsfamilie auch weiterhin in hellem Glanz erstrahlen.

In der heiligen Messe unter dem Vorsitz des Herrn Kardinalstaatssekretärs hat das Wort Gottes euch empfangen und euch in die vollkommene Dankbarkeit Christi gegenüber dem Vater hineingenommen. In ihm begegnen wir den Heiligen und den Seligen und all jenen, die uns im Zeichen des Glaubens vorangegangen sind. Ihr Erbe wird in unsere Hände gelegt. Ein wirklich besonderes Geschenk, das der Kirche durch Johannes XXIII. gemacht wurde, war das Zweite Ökumenische Vatikanische Konzil, das von ihm beschlossen, vorbereitet und begonnen wurde. Wir alle bemühen uns, dieses Geschenk so anzunehmen, wie es ihm gebührt, indem wir auch weiterhin über seine Lehre nachdenken und sie verinnerlichen und seine Weisungen im Leben umsetzen. Das habt auch ihr in diesen Jahren versucht, als Einzelne und als Diözesangemeinschaft. Insbesondere habt ihr kürzlich die Diözesansynode abgehalten, die der Pfarrei gewidmet war: Ihr seid darin zur Quelle des Konzils zurückgekehrt, um dort jenes Mehr an Licht und Wärme zu finden, das notwendig ist, um die Pfarrei wieder zu einer lebendigen und dynamischen Ausdrucksform der Diözesangemeinschaft zu machen. In der Pfarrei lernt man, den eigenen Glauben konkret zu leben. So kann man die reiche Tradition der Vergangenheit lebendig erhalten und ihre Werte in einem säkularisierten gesellschaftlichen Umfeld, das sich oft feindselig oder gleichgültig zeigt, neu anbieten. Gerade im Hinblick auf Situationen dieser Art sagte Papst Johannes in der Enzyklika Pacem in terris: Für den Gläubigen »ziemt es sich besonders, in die menschliche Gesellschaft Licht und Liebe zu tragen, wie Sauerteig in der Masse zu wirken. Dies wird um so mehr der Fall sein, je enger sich das Herz eines jeden an Gott bindet« (Nr. 164). Das war das Lebensprogramm des großen Papstes, und das kann das Ideal jedes Gläubigen und jeder christlichen Gemeinschaft werden, die in der Eucharistiefeier aus der Quelle der ungeschuldeten, treuen und barmherzigen Liebe des auferstandenen Gekreuzigten zu schöpfen weiß.

Man gestatte mir einen besonderen Hinweis auf die Familie, das zentrale Subjekt des kirchlichen Lebens, Schoß der Erziehung zum Glauben und unersetzliche Keimzelle des gesellschaftlichen Lebens. Der spätere Papst Johannes schrieb diesbezüglich in einem Brief an seine Familienangehörigen: »Die Erziehung, die die tiefsten Spuren hinterläßt, ist stets die häusliche. Ich habe viel von dem vergessen, was ich in Büchern gelesen habe, aber ich erinnere mich noch sehr gut an all das, was ich von den Eltern und von den alten Leuten gelernt habe« (20. Dezember 1932). Insbesondere lernt man in der Familie, das christliche Grundgebot der Liebe im Alltag zu leben. Daher wird der Familie von seiten der Kirche ein so hoher Wert beigemessen, denn ihrer Sendung gemäß »verbreitet sie durch ihre Söhne überall die Fülle christlicher Liebe, die am besten jeden Streit überwindet und Einheit, gerechten Frieden wie die brüderliche Einheit aller bewirkt« (Gaudet Mater Ecclesia, 33).

Um abschließend auf die Pfarrei zurückzukommen, und somit auf das Thema der Diözesansynode: Ihr wißt, welche Fürsorge Papst Johannes XXIII. diesem im kirchlichen Leben so wichtigen Organismus entgegenbrachte. Mit großem Vertrauen übertrug er der Pfarrei, Familie der Familien, die Aufgabe, Empfindungen der Gemeinschaft und der Brüderlichkeit unter den Gläubigen zu nähren. Wenn sie durch die Eucharistie geformt ist, dann kann die Pfarrei – davon war er überzeugt – zum Sauerteig gesunder Unruhe im weitverbreiteten Konsumismus und Individualismus unserer Zeit werden, indem sie die Solidarität wieder weckt und im Glauben das Auge des Herzens öffnet, damit es den Vater erkennt, der ungeschuldete Liebe ist und das Verlangen hat, seine eigene Freude mit den Kindern zu teilen.

Liebe Freunde, das Bild Unserer Lieben Frau, das Papst Johannes bei seinem Besuch in Loreto wenige Tage vor der Eröffnung des Konzils als Geschenk erhielt, hat euch nach Rom begleitet. Er wollte, daß diese Statue im nach ihm benannten Bischöflichen Seminar seiner Heimatdiözese aufgestellt wird, und ich sehe mit Freude die vielen Seminaristen, die von ihrer Berufung begeistert sind. Ich vertraue der Gottesmutter gern alle Familien und die Pfarreien an und stelle ihnen die Heilige Familie von Nazaret als Vorbild vor Augen: Mögen sie das erste Seminar sein und mögen in ihrem Umfeld Berufungen zum Priestertum, zur Mission, zum gottgeweihten Leben und zum Familienleben nach dem Herzen Christi heranwachsen. Bei einem berühmt gewordenen Besuch in den ersten Monaten seines Pontifikats fragte der Selige seine Zuhörer, welchen Sinn ihrer Meinung nach die Begegnung habe, und er gab sich selbst eine Antwort darauf: »Der Papst hat mit seinen Augen in eure Augen geschaut, und sein Herz ist euren Herzen nahe« (am ersten Weihnachtsfest als Papst, 1958). Ich bitte Papst Johannes darum, daß wir die Nähe seines Blickes und seines Herzens spüren dürfen, um uns wirklich als Familie Gottes zu fühlen.

Mit diesen Wünschen erteile ich sehr gern den Pilgern aus Bergamo und besonders jenen aus »Sotto il Monte« – dem Geburtsort des seligen Papstes, den zu besuchen ich vor einigen Jahren die Freude hatte – ebenso wie den Obrigkeiten, den hier anwesenden römischen und ostkirchlichen Gläubigen nebst allen Angehörigen von Herzen meinen Segen.



AN EINE DELEGATION DES INTERNATIONALEN JÜDISCHEN KOMITEES FÜR INTERRELIGIÖSE BEZIEHUNGEN Donnerstag, 30. Oktober 2008



Liebe Freunde!

Ich freue mich, diese Delegation des Internationalen Jüdischen Komitees für Interreligiöse Beziehungen willkommen zu heißen. Seit über 30 Jahren unterhalten Ihr Komitee und der Heilige Stuhl regelmäßige und fruchtbare Kontakte, die zu größerem Verständnis und größerer Bereitschaft zur gegenseitigen Annahme zwischen Katholiken und Juden geführt haben. Es freut mich, diese Gelegenheit wahrzunehmen, um noch einmal die Verpflichtung der Kirche zur Erfüllung der Prinzipien zu bekräftigen, die in der historischen Erklärung Nostra aetate des Zweiten Vatikanischen Konzils festgelegt worden sind. Diese Erklärung, die alle Formen von Antisemitismus entschieden verurteilte, stellte einen bedeutsamen Meilenstein in der langen Geschichte der katholisch-jüdischen Beziehungen und eine Aufforderung zu einem erneuerten theologischen Verständnis der Beziehungen zwischen der Kirche und dem jüdischen Volk dar.

Die Christen sind sich heute zunehmend des geistlichen Erbes bewußt, das sie mit dem Volk der Thora teilen, dem von Gott in seiner unaussprechlichen Barmherzigkeit erwählten Volk, ein Erbe, das zu größerer gegenseitiger Wertschätzung, Achtung und Liebe aufruft (vgl. Nostra aetate NAE 4). Auch die Juden sind dazu aufgerufen zu entdecken, was sie mit all denen gemeinsam haben, die an den Herrn glauben, an den Gott Israels, der sich zuerst durch sein machtvolles und lebenspendendes Wort offenbart hat. Gottes Wort ist, wie uns der Psalmist erinnert, unserem Fuß eine Leuchte, ein Licht für unsere Pfade; es belebt uns und schenkt uns neues Leben (vgl. Ps Ps 119,105). Jenes Wort spornt uns dazu an, gemeinsam Zeugnis für die Liebe, die Barmherzigkeit und die Wahrheit Gottes abzulegen. Das ist ein lebenswichtiger Dienst in unserer heutigen Zeit, die vom Verlust jener geistlichen und moralischen Werte bedroht ist, welche die Menschenwürde, die Solidarität, die Gerechtigkeit und den Frieden gewährleisten.

In unserer unruhigen Zeit, die so häufig von Armut, Gewalt und Ausbeutung gekennzeichnet ist, muß der Dialog zwischen den Kulturen und Religionen zunehmend als eine heilige Pflicht gesehen werden, die allen auferlegt ist, die sich für den Aufbau einer menschenwürdigen Welt einsetzen. Die Fähigkeit, einander zu akzeptieren und zu achten und die Wahrheit in Liebe auszusprechen, ist wesentlich, um Unterschiede zu überwinden, Mißverständnissen vorzubeugen und unnötige Auseinandersetzungen zu vermeiden. Wie Sie selbst im Laufe der Jahre bei den Treffen des »International Liaison Committee« erfahren haben, ist ein Dialog nur dann ernsthaft und ehrlich, wenn er die Unterschiede akzeptiert und die anderen gerade in ihrer Andersheit anerkennt. Ein aufrichtiger Dialog erfordert auf beiden Seiten sowohl Offenheit als auch ein festes Bewußtsein der eigenen Identität, damit jeder durch die Geschenke des anderen bereichert werden kann.

In den letzten Monaten konnte ich zu meiner Freude mit jüdischen Gemeinden in New York, Paris und hier im Vatikan zusammentreffen. Ich danke dem Herrn für diese Begegnungen und für den Fortschritt in den katholisch-jüdischen Beziehungen, die sie widerspiegeln. In diesem Geist ermutige ich Sie, in Ihrer wichtigen Arbeit mit Geduld und immer wieder neuem Engagement fortzufahren. Ich spreche Ihnen meine vom Gebet begleiteten guten Wünsche für das Treffen mit einer Delegation der Kommission des Heiligen Stuhls für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum aus, das Ihr Komitee für den nächsten Monat in Budapest vorbereitet, um über das Thema »Religion und Zivilgesellschaft heute« zu diskutieren.

Mit diesen Gedanken, liebe Freunde, bitte ich den Allmächtigen, Sie und Ihre Familien weiterhin zu beschützen und Ihre Schritte auf dem Weg des Friedens zu lenken.



NACH DER EUCHARISTIEFEIER FÜR DIE KIRCHLICHEN UNIVERSITÄTEN ROMS ANLÄSSLICH DER ERÖFFNUNG DES AKADEMISCHEN JAHRES 2008/2009 Petersdom

Donnerstag, 30. Oktober 2008




Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Diese traditionelle Begegnung mit den kirchlichen Universitäten Roms zu Beginn des akademischen Jahres ist für mich stets ein Anlaß zur Freude. Ich begrüße euch alle herzlich, angefangen bei Herrn Kardinal Zenon Grocholewski, dem Präfekten der Kongregation für das Katholische Bildungswesen, der der heiligen Messe vorgestanden hat und dem ich für die Worte danke, mit denen er mir eure Gefühle zum Ausdruck gebracht hat. Ich freue mich, die anderen hier anwesenden Kardinäle und Bischöfe zu begrüßen, so wie auch die Rektoren, die Professoren, die Verantwortlichen und die Oberen der Seminare und Kollegien, und natürlich euch, liebe Studenten, die ihr aus verschiedenen Ländern zum Studium nach Rom gekommen seid.

In diesem Jahr, in dem wir den zweitausendsten Jahrestag der Geburt des Apostels Paulus feiern, möchte ich kurz gemeinsam mit euch über einen Aspekt seiner Botschaft nachdenken, der mir besonders auf euch Wissenschaftler und Studenten zu passen scheint, und über den ich auch gestern bei der Katechese während der Generalaudienz gesprochen habe. Ich möchte mich also auf das beziehen, was der hl. Paulus über die christliche Weisheit schreibt, besonders in seinem ersten Brief an die Korinther, jener Gemeinde, in der Rivalitäten unter den Jüngern ausgebrochen waren. Der Apostel geht das Problem dieser Spaltungen innerhalb der Gemeinde an, indem er in ihnen ein Zeichen falscher Weisheit aufdeckt, also einer noch unreifen Mentalität, insofern sie fleischlich und nicht geistlich ist (vgl. 1 Kor 3,1–3). Indem er sich dann auf die eigenen Erfahrungen bezieht, erinnert Paulus die Korinther daran, daß Christus ihn gesandt hat, das Evangelium zu verkünden, »aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird« (1,17).

Hier hebt eine Überlegung über die »Weisheit des Kreuzes« an, das heißt über die Weisheit Gottes, die der Weisheit dieser Welt entgegensteht. Der Apostel betont die Verschiedenheit zwischen diesen beiden Formen der Weisheit, von denen nur eine, die göttliche, wahr ist, während die andere in Wirklichkeit »Torheit« ist. Nun, die erstaunliche Neuheit, die immer wieder neu entdeckt und gehört werden muß, besteht in der Tatsache, daß die göttliche Weisheit uns in Christus geschenkt worden ist, daß sie uns in ihm mitgeteilt worden sind. Am Ende des zweiten Kapitels des erwähnten Briefes faßt ein Begriff diese Neuheit zusammen, die uns immer wieder überrascht. Der hl. Paulus schreibt: »Wir aber haben den Geist Christi« – »?µei? de ???? ???st?? ???µe?« (2,16). Diese Gegenüberstellung der beiden Formen der Weisheit kann nicht mit dem Unterschied zwischen der Theologie auf der einen und der Philosophie und den Wissenschaften auf der anderen Seite gleichgesetzt werden. Es handelt sich vielmehr um zwei grundsätzliche Einstellungen. Die »Weisheit dieser Welt« bedeutet eine Art zu leben und die Dinge zu sehen, die auf Gott keine Rücksicht nimmt und den Maßstäben des Erfolgs und der Macht gehorchend der herrschenden Meinung folgt. Die »göttliche Weisheit« besteht darin, dem Geist Christi zu folgen – Christus öffnet uns die Augen des Herzens, um dem Weg der Wahrheit und der Liebe zu folgen.

Liebe Studenten, ihr seid nach Rom gekommen, um eure Kenntnisse im theologischen Bereich zu vertiefen, und auch wenn ihr ein anderes Fach als Theologie studiert, zum Beispiel Jura, Geschichte, Geisteswissenschaften, Kunst usw., so bleibt doch die geistliche Ausbildung entsprechend dem Geist Christi grundlegend für euch und ist die Perspektive eures Studiums. Daher sind die erwähnten Worte des Apostels Paulus für euch wichtig, sowie auch diejenigen, die wir gleich anschließend, ebenfalls im ersten Brief an die Korinther lesen: »Wer von den Menschen kennt den Menschen, wenn nicht der Geist des Menschen, der in ihm ist? So erkennt auch keiner Gott – nur der Geist Gottes. Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist« (2,11–12). Hier haben wir noch einmal das Schema der Gegenüberstellung von menschlicher und göttlicher Weisheit. Um die geistlichen Dinge zu erkennen und zu verstehen, müssen wir geistliche Männer und Frauen sein, denn wenn man fleischlich ist, fällt man unvermeidlich in die Torheit zurück, auch wenn man viel studiert und »ein Weiser« und »Wortführer in dieser Welt« (1,20) wird.

Wir können in diesem paulinischen Text eine besonders vielsagende Annäherung an die Verse aus dem Evangelium sehen, die den Dank Jesu an Gott Vater wiedergeben, »weil – so sagt der Herr – du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast« (Mt 11,25). Die »Weisen« von denen Jesus spricht, sind diejenigen, die Paulus als »Wortführer in dieser Welt« bezeichnet. Während die »Unmündigen« diejenigen sind, die der Apostel »töricht«, »schwach«, »niedrig in der Welt« und »verachtet« nennt (1,27–28), die jedoch in Wirklichkeit, wenn sie »das Wort vom Kreuz« (1,18) annehmen, die wahren Weisen werden. Das geht so weit, daß Paulus diejenigen, die sich für weise in der Welt halten, dazu auffordert, »töricht« zu werden, um wirklich weise zu werden vor Gott (3,18). Das ist keine anti-intellektuelle Einstellung, kein Widerspruch zur »recta ratio«. Paulus widersetzt sich – indem er Jesus folgt – jeder Form von intellektuellem Hochmut, in dem der Mensch, auch wenn er viel weiß, das Gefühl für die Wahrheit verliert sowie die Bereitschaft, sich der Neuheit des göttlichen Handelns zu öffnen.

Liebe Freunde, diese paulinische Überlegung will folglich sicher nicht dazu führen, das menschliche Bemühen um Erkenntnis abzuwerten, sondern sie steht auf einer anderen Ebene: Paulus will herausstellen – und das bringt er klar und deutlich zum Ausdruck –, was wirklich für das Heil wichtig ist und was hingegen Uneinigkeit und Verderben verursachen kann. Der Apostel weist also auf das Gift der falschen Weisheit hin, das der menschliche Hochmut ist. So ist es nicht die Erkenntnis selbst, die schlecht ist, sondern die Anmaßung, das »Angeben« mit dem, was man an Erkenntnis erreichtt hat – oder meint, geschafft zu haben. Gerade hieraus ergeben sich dann die Parteilichkeiten und die Zwietracht in der Kirche und auf analoge Weise in der Gesellschaft. Es geht also darum, nicht die Weisheit nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist zu pflegen. Wir wissen, daß der hl. Paulus sich mit den Worten »Fleisch, fleischlich« nicht auf den Leib bezieht, sondern auf eine Art und Weise, nur für sich selbst und nach den Maßstäben der Welt zu leben. Daher ist es nach Paulus stets notwendig, das eigene Herz vom Gift des Hochmuts zu reinigen, das in jedem von uns steckt. Auch wir müssen also mit dem heiligen Paulus ausrufen: »Wer wird mich erretten?« (Rm 7,24). Und auch wir müssen mit ihm die Antwort empfangen: die Gnade Jesu Christi, die der Vater uns durch den Heiligen Geist geschenkt hat (vgl. Röm Rm 7,25). Der »Geist Christi«, den wir durch Gnade empfangen haben, reinigt uns von der falschen Weisheit. Und diesen »Geist Christi« empfangen wir durch die Kirche und in der Kirche, indem wir uns vom Fluß ihrer lebendigen Tradition tragen lassen. Das bringt die Ikonographie sehr schön zum Ausdruck, die Jesus/die Weisheit im Schoß der Mutter Maria, dem Symbol der Kirche, darstellt: »In gremio Matris sedet Sapientia Patris«: im Schoß der Mutter sitzt die Weisheit des Vaters, das heißt Christus. Indem wir jenem Jesus treu bleiben, den die Mutter uns schenkt, dem Christus, den die Kirche uns zeigt, können wir uns intensiv unserer intellektuellen Arbeit widmen, innerlich frei von der Versuchung des Hochmuts sowie immer und ausschließlich im Herrn uns rühmend.

Liebe Brüder und Schwestern, diesen Wunsch richte ich zu Beginn des neuen akademischen Jahres an euch und erbitte dabei für euch alle den mütterlichen Beistand Mariens, »Sedes Sapientiae«, und des Apostels Paulus. Möge euch auch von Herzen mein Segen begleiten.



AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DER

PÄPSTLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN Freitag, 31. Oktober 2008

Sehr geehrte Damen und Herren!


Mit Freude grüße ich Sie, die Mitglieder der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, aus Anlaß Ihrer Vollversammlung, und ich danke Prof. Nicola Cabbibo für die freundlichen Worte, die er in Ihrer aller Namen an mich gerichtet hat.

Mit der Wahl des Themas »Wissenschaftliche Einblicke in die Evolution des Universums und des Lebens« verbinden Sie die Absicht, sich auf einen Forschungsbereich zu konzentrieren, der großes Interesse weckt. Denn viele unserer Zeitgenossen wollen heute über den letzten Ursprung der Lebewesen, über deren Ursache und Ziel, sowie über die Bedeutung der Geschichte des Menschen und des Universums nachdenken.

In diesem Kontext ergeben sich ganz von selbst einige Fragen hinsichtlich der Beziehung zwischen der wissenschaftlichen Lesart der Welt und der Deutung, die die christliche Offenbarung anbietet. Meine Vorgänger Papst Pius XII. und Papst Johannes Paul II. bekräftigten, daß zwischen dem vom Glauben bestimmten Verständnis der Schöpfung und der von den empirischen Wissenschaften vorgelegten Evidenz kein Widerspruch besteht. Die Philosophie hat sich in ihrer Anfangszeit der Bilder bedient, um den Ursprung des Kosmos auf der Grundlage eines oder mehrerer Elemente der materiellen Welt zu erklären. Diese Entwicklung wurde nicht als Schöpfung gesehen, sondern als Veränderung oder Umformung; dies schloß eine eher horizontale Interpretation des Ursprungs der Welt ein. Ein entscheidender Schritt im Verstehen des Ursprungs des Kosmos war die Betrachtung des Seins qua Sein und das Interesse der Metaphysik mit der grundlegenden Frage nach dem ersten oder transzendenten Ursprung des Seins durch Teilhabe. Um sich zu entwickeln und zu entfalten, muß die Welt zuerst da sein und folglich aus dem Nichts in das Sein gekommen sein. Mit anderen Worten, sie muß vom ersten Seienden, das wesenhaft ein solches ist, geschaffen worden sein.

Die Aussage, daß der Grund des Kosmos und seiner Entwicklungen die fürsorgliche Weisheit des Schöpfers ist, bedeutet nicht, daß die Schöpfung nur mit dem Beginn der Geschichte der Welt und des Lebens zu tun hat. Es bedeutet vielmehr, daß der Schöpfer diese Entwicklungen ins Leben ruft und sie beständig im Sein erhält, unterstützt, trägt und lenkt. Thomas von Aquin lehrte, daß der Schöpfungsbegriff den horizontalen Ursprung des Nacheinanders der Ereignisse, das heißt die Geschichte, übersteigen muß und folglich auch all unsere rein naturalistische Arten des Denkens und Sprechens über die Entstehung der Welt. Thomas sagt, daß Schöpfung weder Bewegung noch Veränderung ist. Es ist hingegen die grundlegende und fortdauernde Beziehung, die das Geschöpf mit dem Schöpfer verbindet, denn er ist die Ursache allen Seins und allen Werdens (vgl. Summa Theologiae, I, q. 45, a. 3).

»Entfalten« bedeutet im wörtlichen Sinn »eine Schriftrolle aufrollen«, das heißt ein Buch lesen. Das Bild von der Natur als Buch hat seine Wurzeln im Christentum und wurde von vielen Wissenschaftlern geschätzt. Galileo sah die Natur als ein Buch, dessen Autor Gott in derselben Weise ist, wie er der Autor der Heiligen Schrift ist. Sie ist ein Buch, dessen Geschichte, dessen Entwicklung, dessen »Schrift« und Bedeutung wir entsprechend der verschiedenen Herangehensweisen der Wissenschaften »lesen«, wobei immer die grundlegende Gegenwart des Autors vorausgesetzt wird, der sich darin selbst offenbaren wollte. Dieses Bild hilft uns auch zu verstehen, daß die Welt ihren Ursprung keineswegs im Chaos hat, sondern einem geordneten Buch ähnelt: sie ist ein Kosmos. Trotz der irrationalen, chaotischen und zerstörerischen Elemente im langen Prozeß der Evolution des Kosmos, ist die Materie als solche »lesbar«. Sie hat eine mathematische Struktur. Der menschliche Geist ist nicht nur fähig »Kosmographie« zu betreiben, indem er die meßbaren Phänomene studiert, sondern auch »Kosmologie«, wobei er die erkennbare innere Logik des Kosmos wahrnimmt. Wir mögen anfangs nicht in der Lage sein, die Harmonie sowohl des Ganzen als auch der Beziehungen der einzelnen Teile oder deren Beziehung zum Ganzen zu sehen. Doch bleibt immer noch ein weiter Bereich von intelligiblen Phänomenen, und der Prozeß ist insofern rational, als er eine Ordnung von offensichtlichen Entsprechungen und unleugbaren Finalitäten offenbart: in der anorganischen Welt zwischen Mikro- und Makrostruktur; in der organischen Welt und der Tierwelt zwischen Struktur und Funktion; und in der geistigen Welt zwischen Wahrheitserkenntnis und Streben nach Freiheit. Die experimentelle und philosophische Forschung entdeckt nach und nach diese Ordnungen; sie erkennt, daß sie aktiv sind, um sich selbst im Sein zu erhalten und sich dabei selbst gegen gestörtes Gleichgewicht zu schützen und Hindernisse zu überwinden. Und dank der Naturwissenschaften ist unser Verständnis von der einzigartigen Stellung, die die Menschheit im Kosmos einnimmt, außerordentlich gewachsen.

Der Unterschied zwischen einem einfachen Lebewesen und einem geistigen Wesen, das »capax Dei« ist, weist auf die Existenz einer vernünftigen Seele eines freien transzendenten Subjekts hin. So hat das kirchliche Lehramt stets bekräftigt, daß »jede Geistseele unmittelbar von Gott geschaffen wird – sie wird nicht von den Eltern ›hervorgebracht‹ – und daß sie unsterblich ist« (Katechismus der Katholischen Kirche, 366). Das weist auf das Besondere der Anthropologie hin und lädt zu einer Untersuchung durch das moderne Denken ein.

Verehrte Mitglieder der Akademie, zum Abschluß möchte ich an die Worte erinnern, die mein Vorgänger Papst Johannes Paul II. im November 2003 an Sie gerichtet hat: Die »wissenschaftliche Wahrheit, die selbst Teil der göttlichen Wahrheit ist, kann der Philosophie und Theologie zu einem stets tieferen Verständnis der menschlichen Person und der göttlichen Offenbarung über den Menschen verhelfen, einer Offenbarung, die in Jesus Christus ihre Vollendung und Vollkommenheit gefunden hat. Zusammen mit der ganzen Kirche bin ich zutiefst dankbar für diese wichtige gegenseitige Bereicherung in der Suche nach der Wahrheit und im Bemühen um die Förderung der Menschheit« (in O.R. dt., Nr. 48, 28.11.2003, S. 7).

Auf Sie und Ihre Familien und alle, die mit den Arbeiten der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften verbunden sind, rufe ich von Herzen den Segen Gottes, seine Weisheit und seinen Frieden herab.



AN DIE TEILNEHMER AM XIII. INTERNATIONALEN KONGRESS DER «CATHOLIC FRATERNITY OF CHARISMATIC

COVENANT COMMUNITIES AND FELLOWSHIP» Petersdom

Freitag, 31. Oktober 2008




Verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit aufrichtiger Freude heiße ich euch alle herzlich willkommen und danke euch für euren Besuch anläßlich der 2. Internationalen Begegnung der Bischöfe, die die neuen Gemeinschaften der »Charismatischen Erneuerung in der Katholischen Kirche« begleiten, des Internationalen Rats der »Catholic Fraternity of Charismatic Covenant Communities and Fellowships« sowie des 13. Internationalen Kongresses, der in Assisi stattfindet – unter dem Thema »Wir verkündigen Christus als den Gekreuzigten, Gottes Kraft und Gottes Weisheit« (vgl. 1 Kor 1,23–24) – und an dem die wichtigsten Gemeinschaften der »Charismatischen Erneuerung« in der Welt teilnehmen. Ich begrüße euch, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, und euch alle, die ihr im Dienste der kirchlichen Bewegungen und der neuen Gemeinschaften tätig seid. Mein besonderer Gruß gilt Prof. Matteo Calisi, dem Präsidenten der »Catholic Fraternity«, der eure Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat.

Wie ich bereits bei anderen Gelegenheiten gesagt habe, sind die kirchlichen Bewegungen und neuen Gemeinschaften, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil vermehrt entstanden sind, ein einzigartiges Geschenk des Herrn und eine kostbare Bereicherung für das Leben der Kirche. Sie müssen vertrauensvoll angenommen werden und Wertschätzung erfahren in ihren verschiedenen Beiträgen, die in geordneter und fruchtbringender Weise in den Dienst des Gemeinwohls gestellt werden müssen. Von großem Interesse ist auch eure gegenwärtige Reflexion über die Zentralität Christi in der Verkündigung sowie über die Bedeutung der »Gnadengaben im Leben der Teilkirche«, mit Bezug auf die paulinische Theologie, auf das Neue Testament und auf die Erfahrung der »Charismatischen Erneuerung«. Was wir im Neuen Testament über die Gnadengaben lernen, die als sichtbare Zeichen des Kommens des Heiligen Geistes erschienen sind, ist kein historisches Ereignis der Vergangenheit, sondern eine stets lebendige Wirklichkeit: Der göttliche Geist selbst, die Seele der Kirche, wirkt jederzeit in ihr, und sein geheimnisvolles und wirksames Eingreifen offenbart sich in dieser unserer Zeit auf eine von der Vorsehung bestimmten Weise. Die Bewegungen und die neuen Gemeinschaften sind gleichsam immer wieder ein Hereinbrechen des Heiligen Geistes in die Kirche und in die gegenwärtige Gesellschaft. Wir können also gewiß sagen, daß eines der positiven Elemente und einer der positiven Aspekte der Gemeinschaften der »Charismatischen Erneuerung in der Katholischen Kirche« gerade die Bedeutung ist, die sie den Charismen oder Gaben des Heiligen Geistes beimessen. Und ihr Verdienst besteht darin, daß sie in der Kirche ihre Aktualität in Erinnerung gerufen haben.

Das Zweite Vatikanische Konzil nimmt in verschiedenen Dokumenten Bezug auf die Bewegungen und auf die neuen kirchlichen Gemeinschaften, besonders in der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium, wo es heißt: »Solche Gnadengaben, ob sie nun von besonderer Leuchtkraft oder aber schlichter und allgemeiner verbreitet sind, müssen mit Dank und Trost angenommen werden« (Nr. 12). Später hat auch der Katechismus der Katholischen Kirche den Wert und die Bedeutung der neuen Gnadengaben in der Kirche hervorgehoben. Ihre Authentizität jedoch wird gewährleistet durch die Bereitschaft, sich der Entscheidungsfindung der kirchlichen Autorität zu unterwerfen (vgl. Nr. 2003). Gerade weil wir eine verheißungsvolle Blüte der Bewegungen und kirchlichen Gemeinschaften erleben, ist es wichtig, daß die Hirten ihnen gegenüber eine kluge und weise Entscheidungsfindung ausüben. Ich wünsche von Herzen, daß der Dialog zwischen Hirten und kirchlichen Bewegungen auf allen Ebenen verstärkt werden möge: in den Pfarreien, in den Diözesen und mit dem Apostolischen Stuhl. Ich weiß, daß zur Zeit nach den geeigneten Modalitäten gesucht wird, um den neuen Bewegungen und kirchlichen Gemeinschaften die päpstliche Anerkennung zu geben, und nicht wenige haben sie bereits erhalten. Diese Tatsache – die Anerkennung oder die Errichtung internationaler Vereinigungen von seiten des Heiligen Stuhls für die Universalkirche – dürfen die Hirten, besonders die Bischöfe, bei der gebotenen Entscheidungsfindung, die ihnen zukommt, nicht außer Acht lassen (vgl. Kongregation für die Bischöfe, Direktorium für den pastoralen Dienst der Bischöfe Apostolorum Successores, Kap. 4,80).

Liebe Brüder und Schwestern, zu diesen neuen kirchlichen Realitäten, die vom Heiligen Stuhl anerkannt sind, gehört auch die eure, die »Catholic Fraternity of Charismatic Covenant Communities and Fellowships«, eine Internationale Vereinigung von Gläubigen, die innerhalb der »Charismatischen Erneuerung in der Katholischen Kirche« einer besonderen Sendung nachkommt (vgl. Dekret des Pästlichen Rats für die Laien vom 30. November 1990 Prot. 1585/ S-6//B-SO). Eines ihrer Ziele besteht darin, den Anweisungen meines verehrten Vorgängers Johannes Paul II. gemäß die katholische Identität der charismatischen Gemeinschaften zu wahren und sie zu ermutigen, stets in enger Verbindung zu bleiben mit den Bischöfen und mit dem Papst in Rom (vgl. Schreiben an die »Catholic Fraternity«, 1. Juni 1998). Darüber hinaus nehme ich mit Freude zur Kenntnis, daß sie die Absicht hat, ein Zentrum für die ständige Weiterbildung der Mitglieder und Verantwortlichen der charismatischen Gemeinschaften zu errichten. Dadurch wird die »Catholic Fraternity« in der Lage sein, ihre kirchliche Sendung, die auf die Evangelisierung, auf die Liturgie, auf die Anbetung, auf die Ökumene, auf die Familie, auf die Jugendlichen und auf die Berufungen zu einer besonderen Weihe ausgerichtet ist, besser hervorzuheben. Noch stärker wird diese Sendung unterstützt werden durch die Verlegung des internationalen Sitzes der Vereinigung nach Rom, wodurch die Möglichkeit bestehen wird zu einem engeren Kontakt mit dem Päpstlichen Rat für die Laien.

Liebe Brüder und Schwestern, durch die Wahrung der Treue zur katholischen Identität und der Kirchlichkeit von seiten einer jeden eurer Gemeinschaften werdet ihr überall ein lebendiges und gültiges Zeugnis vom tiefen Geheimnis der Kirche ablegen können. Und gerade das wird eure verschiedenen Gemeinschaften noch stärker befähigen, neue Mitglieder anzuziehen. Ich unterstelle die Arbeiten eurer jeweiligen Zusammenkünfte dem Schutz Marias, Mutter der Kirche und lebendiger Tempel des Heiligen Geistes, sowie der Fürsprache des hl. Franziskus und der hl. Klara von Assisi, Vorbilder der Heiligkeit und der geistlichen Erneuerung, und erteile euch und allen euren Gemeinschaften von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen.

                                                     November 2008

AN DIE NEUE BOTSCHAFTERIN DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN, FRAU ALY HAMADA MEKHEMAR Donnerstag, 6. November 2008



Frau Botschafter!

Ich freue mich, Eure Exzellenz zu empfangen und Sie anläßlich der Überreichung des Schreibens, mit dem Sie als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafterin der Arabischen Republik Ägypten beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden, willkommen zu heißen. Ich danke Ihnen für die freundlichen Grüße, die Sie im Namen Seiner Exzellenz Herrn Mohamed Hosni Mubarak, des Präsidenten der Republik, und seiner Gattin, Frau Suzanne Mubarak, der Sie viele Jahre gedient haben, an mich gerichtet haben. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihnen meinerseits die besten Wünsche für sie persönlich und für das ganze ägyptische Volk übermitteln.

Ägypten ist ein sehr altes Kulturland, das wegen seiner Baudenkmäler, seiner Kunst und seines uralten Wissens in der ganzen Welt bekannt ist. In Ihrem Land, Exzellenz, sind sich verschiedene Völker, Kulturen und Religionen begegnet, haben sich miteinander vermischt und im Laufe von Jahrtausenden die Identität eures Volkes aufgebaut, das für seine Weisheit und Besonnenheit berühmt ist und den Reichtum eurer Kultur ausmacht, die noch heute in der Lage ist, bei voller Wahrung ihrer besonderen Eigenart das Neue aufzunehmen.

Exzellenz, Sie haben mit Recht auf die guten Beziehungen hingewiesen, die seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Ägypten und dem Heiligen Stuhl vor mehr als sechzig Jahren bestehen. Und ich kann Gott nur danken, der sie gewährt und begünstigt hat. Ägypten war damals bereits Vorreiter bei der Suche nach Brücken zwischen den Völkern und Religionen. Solche Beziehungen beruhen gewiß auf dem tiefen gegenseitigen Respekt für die uns jeweils eigene Identität, aber auch und vor allem auf einem echten gemeinsamen Wunsch, sowohl innerhalb der Landesgrenzen als auch im internationalen Bereich Einheit und Frieden zu fördern sowie den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den Angehörigen der verschiedenen Kulturen und Religionen voranzubringen.

Sie haben auch die unzähligen schwerwiegenden internationalen Probleme erwähnt, die immer wieder und leider oft mit Einsatz von Gewalt die Grenzgebiete Afrikas und Asiens, vor allem im Nahen und Mittleren Osten, erschüttern. Die Bemühungen Ägyptens um Frieden, Harmonie und gerechte Lösungen, die die Staaten und die dort lebenden Menschen respektieren, sind zahllos und schließen sich jenen des Heiligen Stuhls an, der sich auch um deren wohlwollende Förderung bemüht. Nach und nach soll sich ein Klima des Dialogs und der Annäherung entwickeln, das in der Lage ist, eine Kultur des Friedens zu überwinden und die nationalen Egoismen auszuschalten oder wenigstens abzuschwächen und die privaten oder öffentlichen Interessen zu mäßigen. Die Religionen können und sollen Friedensstifter sein. Leider können sie auch falsch verstanden und mißbraucht werden, um Gewalt oder Tod auszulösen. Der Respekt für die jedem Land bzw. jeder menschlichen und religiösen Gemeinschaft eigene Sensibilität und Geschichte, die häufigen Beratungen und multilateralen Begegnungen und vor allem ein echter Wille zur Suche nach dem Frieden begünstigen die Versöhnung der Völker und das friedliche Zusammenleben zwischen ihnen. Das wünscht sich der Heilige Stuhl von Herzen und er weiß, daß dies auch der Wunsch Ägyptens ist. In diesem Zusammenhang möchte ich sämtliche Anstrengungen begrüßen, die von Ihrem Land und seinen Regierungen unternommen worden sind, um nach und nach dieses edle Ziel zu erreichen. Ägypten war immer bekannt als ein gastfreundliches Land für die zahllosen Flüchtlinge, Moslems und Christen, die auf seinem Territorium Sicherheit und Frieden gefunden haben. Möge diese edle Tradition zum Wohl aller weitergehen! Der aufgenommene Gast ist ein von Gott anvertrautes heiliges Gut, der sich im richtigen Augenblick seiner erinnern wird.

Ich habe gerade die wesentliche Rolle der Religionen bei der Verwirklichung der Eintracht zwischen den Völkern, Kulturen und den einzelnen Personen erwähnt. Seit Jahrzehnten versuchen die jährlichen Begegnungen zwischen dem Ständigen Komitee für den Dialog zwischen den monotheistischen Religionen an der Universität Al-Azhar al Sharif und dem Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog einen Weg zu gegenseitigem Verständnis und Respekt zwischen Islam und Christentum zu eröffnen. Ein Stück des Weges ist bereits zurückgelegt worden, aber es bleibt noch ein weiter Weg zu gehen.

Dieser Dialog, Exzellenz, ist eine Gelegenheit für die Welt, eine von Gott angebotene Gelegenheit, die man sofort ergreifen und bestmöglich leben muß. Es ist vor allem wichtig, ein echtes gegenseitiges Kennenlernen zu fördern, das sich nicht auf den engsten Kreis der Dialoginstanz beschränken kann, sondern nach und nach auf dessen Ränder ausstrahlen soll, auf die einzelnen Menschen, die Tag für Tag in den Städten und Dörfern eine Gesinnung der gegenseitigen Achtung entwickeln sollen, die zu einer gegenseitigen Wertschätzung werden könnte. Der einzelne und die Menschheit würden davon genauso profitieren wie die Religionen. Die in Ägypten ansässigen Forschungsinstitute der Ordensgemeinschaften der Dominikaner und der Franziskaner bieten auch Raum für interreligiöse Begegnungen. Ihre Anwesenheit und ihre Aktivitäten beweisen, daß es möglich ist, in einer geeinten und freundlichen Nation als Brüder zu leben.

Bitte übermitteln Sie, Frau Botschafter, auch der katholischen Gemeinschaft Ihres Landes meine Grüße. Auch wenn sie zahlenmäßig sehr klein ist, ist sie Ausdruck der großen Vielfalt, die in unserer Kirche besteht, und der Möglichkeit einer harmonischen Koexistenz zwischen den großen östlichen und abendländischen christlichen Traditionen. Ihr soziales und historisches Engagement unter dem ägyptischen Volk in den Bereichen der Erziehung, der Gesundheitsfürsorge und der karitativen Werke gibt Zeugnis von der unentgeltlichen Liebe, die keine religiöse Ausgrenzung kennt. Das wird von der ganzen ägyptischen Gesellschaft anerkannt und geschätzt. Darüber hinaus möchte die katholische Kirche in Ihrem Land auch die zahlreichen katholischen Touristen erreichen, die es besuchen und ihre Religion ausüben wollen. Ich bin überzeugt, daß man ihnen schon bald die Möglichkeit geben wird, in geeigneten Kultstätten in den neuen Tourismuszentren, die in den letzten Jahren entstanden sind, in würdiger Weise zu Gott zu beten. Das wäre ein schönes Zeichen, das Ägypten der Welt dadurch gäbe, daß es in vollem Einklang mit seiner alten und vornehmen Tradition die freundschaftlichen und brüderlichen Beziehungen zwischen den Religionen und Völkern fördert.

Da Sie nun Ihre Mission bei der Vertretung beim Heiligen Stuhl antreten, versichere ich Ihnen, daß Sie bei meinen Mitarbeitern stets freundliche Aufnahme und aufmerksames Verständnis finden werden, und spreche Ihnen, Frau Botschafter, meine herzlichen Wünsche für die glückliche Erfüllung Ihrer Sendung aus, damit die harmonischen Beziehungen, die zwischen der Arabischen Republik Ägypten und dem Heiligen Stuhl bestehen, weitergehen und sich vertiefen können. Auf Sie, Exzellenz, auf Ihre Familie und Ihre Mitarbeiter sowie auf die Verantwortlichen und auf alle Einwohner Ägyptens rufe ich aus ganzem Herzen die Fülle der Segnungen des Allmächtigen herab.



AN DIE TEILNEHMER AM ERSTEN SEMINAR DES

KATHOLISCH-MUSLIMISCHEN FORUMS Sala Clementina

Donnerstag, 6. November 2008

Liebe Freunde!


Ich freue mich, Sie heute vormittag zu empfangen, und begrüße Sie alle ganz herzlich. Ich danke besonders Kardinal Jean-Louis Tauran sowie Scheich Mustafa Ceric und Herrn Seyyed Hossein Nasr für ihre Worte. Unsere Begegnung findet zum Abschluß des wichtigen Seminars statt, das vom »Katholisch/Muslimischen Forum« veranstaltet wurde. Eingerichtet wurde dieses Forum vom Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog und Vertretern jener 138 muslimischen Religionsführer, die am 13. Oktober 2007 den an die christlichen Oberhirten gerichteten offenen Brief unterzeichnet hatten. Das jetzige Treffen ist ein klares Zeichen unserer gegenseitigen Achtung und unseres Wunsches, einander respektvoll zuzuhören. Ich kann Ihnen zusichern, daß ich den Verlauf Ihrer Tagung im Gebet begleitet habe, da ich mir bewußt bin, daß sie im Rahmen anderer, vom Heiligen Stuhl geförderter regelmäßiger Begegnungen mit verschiedenen muslimischen Gruppen einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einem größeren Verständnis zwischen Moslems und Christen darstellt. Der offene Brief »Ein gemeinsames Wort zwischen uns und euch« hat zahlreiche Antworten erhalten und zum Dialog, zu besonderen Initiativen und Begegnungen angeregt, die uns helfen sollen, einander genauer kennenzulernen und in der Achtung unserer gemeinsamen Werte zu wachsen. Das große Interesse, das dieses Seminar geweckt hat, ist für uns ein Ansporn sicherzustellen, daß die Überlegungen und die positiven Entwicklungen, die vom muslimischchristlichen Dialog ausgehen, nicht auf eine kleine Gruppe von Experten und Gelehrten beschränkt bleiben, sondern als ein kostbares Vermächtnis weitergegeben werden, damit sie in den Dienst aller gestellt werden und im Alltagsleben Früchte tragen. Das Thema, das Sie für Ihr Treffen gewählt haben – »Gottesliebe, Nächstenliebe: Die Würde des Menschen und die gegenseitige Achtung« – ist besonders bedeutsam. Es wurde dem offenen Brief entnommen, der die Gottes- und die Nächstenliebe als das Herzstück sowohl des Islam wie des Christentums darstellt. Dieses Thema beleuchtet klarer die theologischen und spirituellen Grundlagen einer zentralen Lehre unserer jeweiligen Religionen.

Die christliche Tradition verkündet, daß Gott die Liebe ist (vgl. 1Jn 4,16). Aus Liebe hat er das ganze Universum geschaffen und wird durch seine Liebe in der menschlichen Geschichte gegenwärtig. Die Liebe Gottes wurde sichtbar, sie offenbarte sich vollkommen und endgültig in Jesus Christus. So kam er herab, um dem Menschen zu begegnen, und während er Gott blieb, nahm er unsere Natur an. Er gab sich selbst hin, um jedem Menschen die volle Würde zurückzugeben und uns das Heil zu bringen. Wie könnten wir das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung jemals anders erklären als durch die Liebe? Diese unendliche und ewige Liebe ermöglicht es uns zu antworten, indem wir sie mit unserer ganzen Liebe erwidern: Gottesliebe und Nächstenliebe. Diese Wahrheit, die wir als grundlegend ansehen, wollte ich in meiner ersten Enzyklika Deus Caritas est herausstellen, da es sich um eine zentrale Lehre des christlichen Glaubens handelt. Es ist unsere Berufung und Sendung, die Liebe, mit der uns Gott ohne jedes Verdienst so reich beschenkt, frei mit anderen zu teilen.

Ich bin mir sehr wohl bewußt, daß Moslems und Christen unterschiedliche Zugänge zu den Dingen haben, die Gott betreffen. Dennoch können und müssen wir an den einen Gott glauben, der uns geschaffen hat und sich um jeden Menschen in jedem Winkel der Welt sorgt. Wir müssen durch unsere gegenseitige Achtung und Solidarität gemeinsam zeigen, daß wir uns selbst als Glieder einer Familie betrachten: der Familie, die Gott von der Schöpfung der Welt bis zum Ende der menschlichen Geschichte geliebt und um sich gesammelt hat.

Ich freute mich zu hören, daß Sie bei dieser Tagung bezüglich der Notwendigkeit, voll und ganz an Gott zu glauben und unsere Mitmenschen, Brüder und Schwestern, besonders die Notleidenden, unvoreingenommen zu lieben, zu einer gemeinsamen Position gelangt sind. Gott fordert uns auf, uns gemeinsam für die Opfer von Krankheit, Hunger, Armut, Ungerechtigkeit und Gewalt einzusetzen. Für die Christen ist die Gottesliebe untrennbar verbunden mit der Liebe unserer Brüder und Schwestern, aller Männer und Frauen, ohne Unterschied der Rasse und Kultur. Wie der hl. Johannes schreibt: »Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder haßt, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht« (1Jn 4,20).

Die muslimische Tradition ist auch ganz eindeutig, wenn sie zum praktischen Einsatz im Dienst an den Ärmsten ermuntert und bereitwillig in ihrer eigenen Version an die »Goldene Regel« erinnert: Euer Glaube wird nur dann vollkommen sein, wenn ihr den anderen das tut, was ihr für euch selbst wünscht. Wir sollten also zusammenarbeiten in der Förderung des echten Respekts vor der Würde der menschlichen Person und der menschlichen Grundrechte, auch wenn unsere anthropologischen Sichtweisen und unsere Theologien das unterschiedlich begründen. Es gibt ein großes und weites Feld, auf dem wir bei der Verteidigung und Förderung der moralischen Werte, die Teil unseres gemeinsamen Erbes sind, miteinander tätig werden können. Erst wenn wir uns anschicken, die zentrale Stellung der menschlichen Person und der Würde jedes Menschen anzuerkennen, das Leben zu respektieren und zu verteidigen, das Geschenk Gottes und deshalb sowohl für Christen als auch für Moslems heilig ist – nur auf der Grundlage dieser Anerkennung können wir eine gemeinsame Basis für den Aufbau einer brüderlicheren Welt finden, einer Welt, in der Auseinandersetzungen und Differenzen friedvoll beigelegt werden und die vernichtende Macht der Ideologien neutralisiert wird.

Noch einmal: Meine Hoffnung ist, daß diese grundlegenden Menschenrechte für alle Menschen überall geschützt werden. Politische und religiöse Führer haben die Pflicht, die freie Ausübung dieser Rechte in voller Achtung für die Gewissens- und Religionsfreiheit jedes einzelnen Menschen zu gewährleisten. Die Diskriminierung und Gewalt, die religiöse Menschen auch heute in vielen Teilen der Welt erfahren, und die oft gewalttätigen Verfolgungen, denen sie ausgesetzt sind, stellen inakzeptable und nicht zu rechtfertigende Akte dar, die um so schwerwiegender und beklagenswerter sind, wenn sie im Namen Gottes ausgeführt werden. Gottes Name kann nur ein Name des Friedens und der Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit und der Liebe sein. Wir sind aufgefordert, durch unsere Worte und vor allem durch unsere Taten zu zeigen, daß die Botschaft unserer Religionen unversiegbar eine Botschaft der Harmonie und des gegenseitigen Verständnisses ist. Es ist von wesentlicher Bedeutung, daß wir dies tun; andernfalls schwächen wir die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit nicht nur unseres Dialogs, sondern auch unserer Religionen selbst.

Ich bete dafür, daß das »Katholisch/Muslimische Forum«, das nun zuversichtlich seine ersten Schritte tut, immer mehr zu einem Ort des Dialogs werden und uns helfen wird, wenn wir miteinander den Weg zu einer immer volleren Erkenntnis der Wahrheit einschlagen. Die heutige Begegnung ist auch eine vorzügliche Gelegenheit, uns selber zu einem immer aufrichtigeren Streben nach der Gottesliebe und Nächstenliebe zu verpflichten: das ist die unerläßliche Voraussetzung, um den Männern und Frauen unserer Zeit einen glaubwürdigen Dienst der Versöhnung und des Friedens anzubieten.

Liebe Freunde, lassen Sie uns unsere von gutem Willen beseelten Anstrengungen vereinen, um alle Mißverständnisse und Meinungsverschiedenheiten zu überwinden! Lassen Sie uns den Entschluß fassen, Vorurteile aus der Vergangenheit auszuräumen und die oft verzerrten Bilder vom anderen zu korrigieren, die noch heute Schwierigkeiten in unseren Beziehungen hervorrufen können! Lassen Sie uns miteinander für die Bildung aller Menschen, besonders der Jugendlichen, arbeiten, um eine gemeinsame Zukunft aufzubauen! Möge uns Gott in unseren guten Absichten stärken und unseren Gemeinden ermöglichen, konsequent die Wahrheit der Liebe zu leben, die das Herz des religiösen Menschen und die Grundlage für die Achtung vor der Würde jedes Menschen darstellt. Möge Gott, der eine, barmherzige und mitleidsvolle, uns bei dieser anspruchsvollen Aufgabe beistehen, uns schützen, uns segnen und uns immer mit der Kraft seiner Liebe erleuchten.

AN HERRN VYTAUTAS ALIŠAUSKAS,

NEUER BOTSCHAFTER DER REPUBLIK LITAUEN

BEIM HL. STUHL Freitag, 7. November 2008

Exzellenz!


Ich freue mich, Sie zu Beginn Ihrer Mission willkommen zu heißen und das Schreiben entgegenzunehmen, das Sie als außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Republik Litauen beim Heiligen Stuhl akkreditiert. Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Worte und für die Grüße von seiten des Staatspräsidenten, Herrn Valdas Adamkus. Bitte übermitteln Sie ihm meine hochachtungsvollen guten Wünsche und die Versicherung meines Gebets für alle Menschen Ihrer Nation.

Besonders ermutigen mich Ihre Worte bezüglich der Notwendigkeit für das moderne Europa, aus der Überlieferung zu schöpfen, die der Lehre des Evangeliums entspringt. Ihr Land hat eine lange und edle christliche Geschichte, die bis zu den Tagen des hl. Kasimir und noch weiter zurückreicht. In den letzten Jahrhunderten hat der Glaube das litauische Volk durch Zeiten der Fremdherrschaft und der Unterdrückung hindurch getragen und ihm geholfen, seine Identität zu wahren und zu festigen. Jetzt, da die Republik ihre Unabhängigkeit wiedererlangt hat, kann sie ein bewegendes Zeugnis von den Werten geben, die ihr Volk befähigt haben, diese schwierigen Jahre zu überstehen.

Wie mein Vorgänger Johannes Paul II. aus eigener Erfahrung wußte, ist der gemeinsame Glaube eine wunderbare Quelle der Kraft und der Einheit in der Not. Gemeinschaften, die unter solchen Umständen gelebt haben, kommen zu der tiefen Überzeugung, daß man das wahre Glück nur in Gott findet. Sie wissen, daß jede Gesellschaft, die den Schöpfer verleugnet, unweigerlich beginnt, ihr Bewußtsein für das Schöne, das Wahre und das Gute des menschlichen Lebens zu verlieren.

Wie Sie, Exzellenz, jedoch angemerkt haben, ist jetzt eine neue Generation in den ehemaligen Ostblockländern herangewachsen – eine Generation, die jene Erfahrung der totalitären Herrschaft nicht geteilt hat und daher dazu neigt, ihre politische Freiheit als selbstverständlich hinzunehmen. Infolgedessen besteht die Gefahr, daß einige der Früchte, die in Zeiten der Prüfung herangereift sind, beginnen könnten, verloren zu gehen. Sie, Exzellenz, wissen sehr gut, welchen Gefahren die heutige Gesellschaft gegenübersteht, die zwar frei ist, aber immer mehr unter Zersplitterung und sittlicher Verwirrung leidet. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, daß Litauen und mit ihm ganz Europa die Erinnerung an die Geschichte aufrechterhält, die es geprägt hat, um seine wahre Identität zu wahren und so in der Welt des 21. Jahrhunderts zu überleben und zu gedeihen.

Es ist ein Widerspruch und eine Tragödie, daß in der heutigen Zeit der Globalisierung, in der die Möglichkeiten, mit anderen zu kommunizieren und zu interagieren, in einem Grad zugenommen haben, der für frühere Generationen kaum vorstellbar gewesen wäre, so viele Menschen sich isoliert und voneinander getrennt fühlen. Daraus entstehen viele gesellschaftliche Probleme, die auf politischer Ebene allein nicht gelöst werden können, denn »auch die besten Strukturen funktionieren nur, wenn in einer Gemeinschaft Überzeugungen lebendig sind, die die Menschen zu einer freien Zustimmung zur gemeinschaftlichen Ordnung motivieren können« (Spe salvi, 24). Die Kirche spielt hier durch die Botschaft der Hoffnung, die sie verkündet, eine lebenswichtige Rolle. Sie strebt danach, eine Zivilisation der Liebe aufzubauen, indem sie lehrt, daß Gott Liebe ist und die Menschen guten Willens aufruft, in eine Liebesbeziehung zu ihm einzutreten. »Aus der Liebe zu Gott folgt die Teilnahme an Gottes Gerechtigkeit und Güte den anderen gegenüber« (ebd., 28), und daher führt die christliche Praxis ganz natürlich zur Solidarität mit den Mitbürgern und mit der ganzen Menschheitsfamilie. Sie führt zu einer Entschlossenheit, dem Gemeinwohl zu dienen und Verantwortung für die schwächeren Glieder der Gesellschaft zu übernehmen, und zügelt das Verlangen, Reichtum nur für sich allein anzuhäufen. Unsere Gesellschaft muß über die Verlockungen materieller Güter erhaben sein und vielmehr die Werte in den Mittelpunkt stellen, die wirklich das Wohl der menschlichen Person fördern.

Der Heilige Stuhl mißt den diplomatischen Beziehungen zu Ihrem Land, das durch ein jahrhundertealtes christliches Zeugnis geprägt ist, großen Wert bei. Durch unsere Zusammenarbeit können wir dazu beitragen, ein Europa aufzubauen, in dem die Verteidigung der Ehe und des Familienlebens, der Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod und die Förderung gesunden ethischen Handelns in der medizinischen und wissenschaftlichen Forschung an erster Stelle stehen: eines Handelns, das wirklich die Würde der menschlichen Person achtet. Wir können wahre Solidarität mit den Armen, den Kranken, den Schwachen und all jenen fördern, die am Rande der Gesellschaft stehen. Diese Werte werden bei all jenen Anklang finden – und besonders bei den jungen Menschen –, die nach Antworten auf ihre tiefen Fragen nach dem Sinn und Zweck des Lebens suchen. Sie werden für all jene Bedeutung haben, die danach trachten, die Wahrheit zu entdecken, die so oft durch die oberflächlichen Botschaften verdunkelt wird, die durch die postmoderne Gesellschaft verbreitet werden. Sie werden an alle appellieren, die kritisch genug sind, eine auf Relativismus und Säkularismus gründende Weltsicht abzulehnen, und vielmehr nach einem Leben entsprechend dem wahren Adel des menschlichen Geistes streben.

Exzellenz, ich hoffe, daß die diplomatische Mission, die Sie heute antreten, die Bande der Freundschaft, die zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Litauen bestehen, weiter festigen möge. Ich versichere Ihnen, daß die verschiedenen Abteilungen der Römischen Kurie stets bereit sind, Ihnen bei der Erfüllung Ihrer Pflichten Hilfe und Unterstützung anzubieten. Mit meinen aufrichtigen guten Wünschen rufe ich auf Sie, Ihre Familie und Ihre Mitbürger überreichen Segen, Frieden und Wohlergehen herab. Gott segne Litauen!

AN DIE TEILNEHMER AM INTERNATIONALEN KONGRESS DER PÄPSTLICHEN AKADEMIE FÜR DAS ZUM THEMA:

"EIN GESCHENK FÜR DAS LEBEN.

ÜBERLEGUNGEN ZUM PROBLEM DER ORGANSPENDE" Freitag, 7. November 2008



Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt,
sehr geehrte Damen und Herren!

Die Organspende ist eine besondere Form des Zeugnisses der Nächstenliebe. In einer Zeit wie der unseren, die häufig von verschiedenen Formen von Egoismus gekennzeichnet ist, wird es immer dringender zu verstehen, wie entscheidend es für eine richtige Auffassung vom Leben ist, in eine Logik der Unentgeltlichkeit einzutreten. Es gibt in der Tat eine Verantwortung der Liebe und der Barmherzigkeit, die einen verpflichtet, das eigene Leben zu einem Geschenk für die anderen zu machen, wenn man sich wirklich selbst verwirklichen will. Wie Jesus, der Herr, uns gelehrt hat, wird nur derjenige sein Leben retten können, der es hingibt (vgl. Lk Lc 9,24). Während ich alle Anwesenden begrüße, gilt ein besonderer Gruß dem Senator Maurizio Sacconi, dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Sozialpolitik. Des weiteren danke ich Erzbischof Rino Fisichella, dem Präsidenten der Päpstlichen Akademie für das Leben, für die an mich gerichteten Worte, mit denen er die tiefe Bedeutung dieser Begegnung deutlich machte und eine Zusammenfassung der Kongreßarbeiten vorlegte. Gemeinsam mit ihm danke ich auch dem Präsidenten der »International Federation of Catholic Medical Associations« und dem Direktor des »Centro Nazionale Trapianti« und unterstreiche dabei voll Anerkennung den Wert der Zusammenarbeit dieser Einrichtungen in einem Bereich wie der Organtransplantation, die, verehrte Damen und Herren, Gegenstand Ihrer Studien- und Diskussionstage gewesen ist.

Die Geschichte der Medizin zeigt klar und deutlich die großen Fortschritte, die erzielt werden konnten, um jedem Menschen, der leidet, ein immer würdigeres Leben zu ermöglichen. Die Gewebe- und Organtransplantationen stellen eine große Errungenschaft der medizinischen Wissenschaft dar und sind sicher für zahlreiche Menschen, die sich in schweren und manchmal extremen klinischen Situationen befinden, ein Zeichen der Hoffnung. Wenn sich unser Blick auf die ganze Welt ausweitet, können wir leicht die vielen und komplexen Fälle erkennen, in denen dank der Technik der Organtransplantation viele Menschen äußerst kritische Phasen überwunden haben und ihnen die Freude zu leben wiedergegeben wurde. Das hätte niemals geschehen können, wenn das Bemühen der Ärzte und die Kompetenz der Forscher nicht auf die Großmut und den Altruismus all derer hätten zählen können, die ihre Organe gespendet haben. Das Problem der Verfügbarkeit von lebenswichtigen Organen für die Transplantation ist leider kein theoretisches, sondern ein in dramatischer Weise praktisches Problem; das zeigt sich in den langen Wartelisten vieler Kranker, deren einzige Überlebenschance mit den geringen Angeboten verbunden ist, die dem tatsächlichen Bedarf nicht genügen.

Es ist vor allem im heutigen Kontext angebracht, wieder über diese Errungenschaft der Wissenschaft nachzudenken, damit es nicht dazu kommt, daß die anwachsende Nachfrage nach Transplantationen die ethischen Prinzipien untergräbt, die ihre Grundlage bilden. Wie ich in meiner ersten Enzyklika gesagt habe, wird der Leib niemals nur als reines Objekt angesehen werden können (vgl. Deus caritas Est 5); andernfalls würde die Logik des Marktes die Oberhand gewinnen. Der Leib jedes Menschen stellt zusammen mit dem Geist, der jedem Einzelnen geschenkt ist, eine untrennbare Einheit dar, in die das Bild Gottes selbst eingeprägt ist. Von dieser Dimension abzusehen führt zu Perspektiven, die nicht in der Lage sind, die Gesamtheit des in jedem Menschen gegenwärtigen Geheimnisses zu erfassen. Es ist daher notwendig, daß die Achtung der Würde des Menschen und der Schutz seiner persönlichen Identität an die erste Stelle gesetzt werden. Im Hinblick auf die Technik der Organtransplantation bedeutet dies, daß eine Organspende nur möglich ist, wenn niemals eine ernsthafte Gefahr für die eigene Gesundheit und die eigene Identität besteht, und immer nur aus einem moralisch gültigen und angemessenen Grund. Etwaige Vorstellungen von einem Handel mit Organen sowie auch die Anwendung diskriminierender oder utilitaristischer Kriterien stünden in derartigem Widerspruch zur Bedeutung, die der Spende zugrunde liegt, daß sie sich von selbst als moralisch unzulässige Handlungen ausschließen. Diesen Mißbräuchen bei den Transplantationen und dem Organhandel, die häufig unschuldige Menschen wie Kinder betreffen, müssen die Wissenschaftler und Ärzte bei der Ablehnung derartiger inakzeptabler Praktiken gemeinsam entgegentreten. Sie müssen daher entschieden als verabscheuungswert verurteilt werden. Das gleiche ethische Prinzip muß festgeschrieben werden, wenn man die Schaffung und Zerstörung menschlicher Embryonen vornehmen will, die für therapeutische Zwecke bestimmt sind. Die bloße Vorstellung, den Embryo als »therapeutisches Material« zu betrachten, widerspricht den kulturellen, zivilen und ethischen Grundlagen, auf die sich die Würde des Menschen stützt.

Es kommt häufig vor, daß die Technik der Organtransplantation durch eine Geste vollkommener Unentgeltlichkeit seitens der Verwandten von Patienten erfolgt, deren Tod festgestellt worden ist. In diesen Fällen ist der informierte Konsens die Vorbedingung der Freiheit, damit die Transplantation das Wesensmerkmal einer Spende hat und nicht als eine erzwungene Handlung oder als ein Akt der Ausnutzung ausgelegt werden kann. Es ist auf jeden Fall notwendig, daran zu erinnern, daß die einzelnen lebenswichtigen Organe ausschließlich »ex cadavere« entnommen werden können, der im übrigen auch seine Würde besitzt, die respektiert werden muß. Die Wissenschaft hat in diesen Jahren weitere Fortschritte bei der Feststellung des Todes des Patienten gemacht. Es ist also gut, daß die erreichten Ergebnisse die Zustimmung der gesamten wissenschaftlichen Gemeinschaft erhalten, um so die Suche nach Lösungen zu begünstigen, die allen Sicherheit geben sollen. In einem Bereich wie diesem darf es nicht den geringsten Verdacht auf Willkür geben, und wo die Gewißheit noch nicht erreicht sein sollte, muß das Prinzip der Vorsicht vorherrschen. Dafür ist es angezeigt, die Forschung und das interdisziplinäre Denken so zu fördern, daß sich die öffentliche Meinung vor die klarste Wahrheit über die anthropologischen, sozialen, ethischen und rechtlichen Implikationen der Transplantationspraxis gestellt sieht. In diesen Fällen muß auf jeden Fall immer die Achtung vor dem Leben des Spenders als Hauptkriterium gelten, so daß die Organentnahme nur im Falle seines tatsächlichen Todes erlaubt ist (vgl. Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche, 476). Der Akt der Liebe, der durch die Spende der eigenen lebenswichtigen Organe zum Ausdruck kommt, bleibt als ein echtes Zeugnis der Nächstenliebe, die über den Tod hinaus zu blicken weiß, damit immer das Leben siegt. Des Wertes dieser Geste sollte sich der Empfänger sehr wohl bewußt sein; er ist der Empfänger einer Spende, die über den therapeutischen Nutzen hinausgeht. Was er noch vor einem Organ empfängt, ist in der Tat ein Zeugnis der Liebe, das eine ebenso großzügige Antwort hervorrufen soll, um auf diese Weise die Kultur des Spendens und der Unentgeltlichkeit zu fördern.

Der Königsweg, der zu befolgen ist, bis die Wissenschaft mögliche neue und fortschrittlichere Therapieformen entdeckt, wird die Bildung und Verbreitung eine Kultur der Solidarität sein müssen, die sich allen öffnet und niemanden ausschließt. Eine Organtransplantationsmedizin, die einer Ethik des Spendens entspricht, erfordert von seiten aller das Bemühen, jede mögliche Anstrengung in der Ausbildung und Information zu unternehmen, um so die Gewissen immer mehr für eine Problematik zu sensibilisieren, die direkt das Leben zahlreicher Personen betrifft. Es wird daher notwendig sein, Vorurteile und Mißverständnisse zu beseitigen, Mißtrauen und Ängste zu zerstreuen, um sie durch Gewißheiten und Garantien zu ersetzen, um so in allen ein immer weiter verbreitetes Bewußtsein des großen Geschenks des Lebens zu ermöglichen.

Mit diesen Gefühlen rufe ich, während ich jedem wünsche, mit der gebührenden Kompetenz und Professionalität weiterhin seine Pflicht zu erfüllen, die Hilfe Gottes auf die Arbeiten des Kongresses herab und erteile allen von Herzen meinen Segen.

AN DIE TEILNEHMER DES KONGRESSES

"DAS ERBE DES LEHRAMTES PIUS' XII.

UND DAS II. VATIKANISCHE KONZIL" Samstag, 8. November 2008



Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich, Sie anläßlich des Kongresses über »Das Erbe des Lehramtes Pius’ XII. und das II. Vatikanische Konzil« zu empfangen, der von der Päpstlichen Lateranuniversität gemeinsam mit der Päpstlichen Universität Gregoriana veranstaltet wurde. Es ist ein wichtiger Kongreß, sowohl wegen des Themas, das er aufgreift, als auch wegen der Wissenschaftler aus verschiedenen Nationen, die daran teilnehmen. Während ich jeden herzlich begrüße, danke ich besonders Erzbischof Rino Fisichella, Rektor der Lateranuniversität, und P. Gianfranco Ghirlanda, Rektor der Universität Gregoriana, für die freundlichen Worte, mit denen sie die gemeinsamen Gefühle aller zum Ausdruck gebracht haben.

Ich bin sehr erfreut über das anspruchsvolle Thema, auf das Sie Ihre Aufmerksamkeit konzentriert haben. Wenn in den letzten Jahren von Pius XII. gesprochen wurde, galt die Aufmerksamkeit in überzogener Weise zumeist nur einer Problematik, die zudem ziemlich einseitig behandelt wurde. Das erschwerte, abgesehen von jeder anderen Überlegung, eine angemessene Annäherung an eine Gestalt von so großer historisch-theologischer Bedeutung, wie Papst Pius XII. es war. Die eindrucksvolle Aktivität, die dieser Papst insgesamt entfaltet hat, und ganz besonders sein Lehramt, mit dem Sie sich in diesen Tagen befaßt haben, sind ein beredter Beweis für das, was ich eben gesagt habe. Sein Lehramt zeichnet sich nämlich ebenso durch eine umfassende und positive Breite wie durch seine außerordentliche Qualität aus, weshalb man mit Recht behaupten kann, daß es ein wertvolles Erbe darstellt, aus dem die Kirche geschöpft hat und dies weiterhin tut.

Ich habe von der »umfassenden und positiven Breite« dieses Lehramtes gesprochen. Diesbezüglich genügt es, auf die Enzykliken und die unzähligen Ansprachen und Radiobotschaften hinzuweisen, die in den zwanzig Dokumentationsbänden – den »Insegnamenti« – seines Pontifikats enthalten sind. Von ihm wurden mehr als vierzig Enzykliken veröffentlicht. Darunter ragt die Enzyklika Mystici Corporis heraus, in der sich der Papst mit dem Thema des wahren und innersten Wesens der Kirche auseinandersetzt. Durch seine umfassende Untersuchung bringt er Licht in unsere tiefe ontologische Verbundenheit mit Christus und – in Ihm, durch Ihn und mit Ihm – mit allen anderen, von seinem Geist beseelten Gläubigen, die sich von seinem Leib nähren und, nachdem sie in Ihm verwandelt wurden, Ihm die Möglichkeit zur Fortsetzung und Ausweitung seines Heilswerkes in der Welt geben. Eng verbunden mit Mystici Corporis sind zwei andere Enzykliken: Divino afflante Spiritu über die Heilige Schrift und Mediator Dei über die heilige Liturgie. In ihnen werden die beiden Quellen vorgestellt, aus denen diejenigen stets schöpfen müssen, die zu Christus gehören, dem Haupt jenes mystischen Leibes, der die Kirche ist.

In diesem umfassenden Kontext hat Pius XII. über die verschiedenen Personengruppen gesprochen, die nach dem Willen des Herrn – wenn auch mit unterschiedlichen Berufungen und Aufgaben – zur Kirche gehören: die Priester, die Ordensleute und die Laien. So hat er weise Vorschriften für die Ausbildung der Priester erlassen, die sich durch die persönliche Liebe zu Christus auszeichnen sollen sowie durch ein einfaches, anspruchsloses Leben, durch die Treue gegenüber ihren Bischöfen und durch die Verfügbarkeit für jene, die ihrer pastoralen Sorge anvertraut sind. In der Enzyklika Sacra Virginitas und in anderen Dokumenten über das Ordensleben hat Pius XII. sodann die Vortrefflichkeit des »Geschenks« klar herausgestellt, das Gott gewissen Menschen mit dem Ruf gewährt, sich in der Kirche ganz dem Dienst an Ihm und am Nächsten zu weihen. Aus dieser Sicht besteht der Papst nachdrücklich auf der Rückkehr zum Evangelium und zum authentischen Charisma der Gründer und Gründerinnen der verschiedenen Orden und Ordenskongregationen, wobei er auch die Notwendigkeit einiger heilsamer Reformen anspricht. Außerdem gab es unzählige Anlässe, bei denen Pius XII. die Verantwortung der Laien in der Kirche behandelt hat. Im besonderen nutzte er die Gelegenheit der großen internationalen Kongresse, die dieser Thematik gewidmet waren. Gern setzte er sich mit den Problemen der einzelnen Berufe auseinander und wies zum Beispiel auf die Aufgaben und Pflichten der Richter, der Rechtsanwälte, der Sozialarbeiter und der Ärzte hin: Diesen letzteren widmete der Papst zahlreiche Ansprachen, in denen er die deontologischen Normen erläuterte, die sie bei ihrer Tätigkeit befolgen sollen. In der Enzyklika Miranda prorsus ging der Papst dann auf die große Bedeutung der modernen Kommunikationsmedien ein, die auf immer stärkere Weise die öffentliche Meinung zu beeinflussen begannen. Gerade deshalb unterstrich dieser Papst, der die neue Erfindung des Radios in höchstem Maße zur Geltung brachte, die Pflicht der Journalisten, wahrheitsgetreue und den sittlichen Normen entsprechende Informationen weiterzugeben.

Auch den Wissenschaften und den von ihnen erzielten außerordentlichen Fortschritten widmete Pius XII. seine Aufmerksamkeit. Trotz aller Bewunderung für die auf diesen Gebieten erreichten Errungenschaften versäumte es der Papst nicht, vor den Gefahren zu warnen, die eine Forschung, die sich nicht um die moralischen Werte kümmert, zur Folge haben kann. Ein Beispiel soll genügen: seine berühmte Ansprache über die Kernspaltung. Mit außerordentlichem Weitblick hat der Papst allerdings warnend auf die Notwendigkeit hingewiesen, mit allen Mitteln zu verhindern, daß diese genialen wissenschaftlichen Fortschritte für den Bau von tödlichen Waffen eingesetzt werden, die schreckliche Katastrophen und sogar die völlige Zerstörung der Menschheit auslösen könnten. Zu erwähnen sind ferner die langen, erleuchteten Ansprachen, welche die gewünschte Neuordnung der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft betreffen, als deren unverzichtbares Fundament er die Gerechtigkeit nannte, die Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben zwischen den Völkern ist: »opus iustitiae pax! – Das Werk der Gerechtigkeit ist der Friede«. Besonders erwähnenswert ist auch die Lehre Pius’ XII. über Maria, die ihren Höhepunkt in der Verkündigung des Dogmas von der Aufnahme Mariens in den Himmel gefunden hat, mit dem der Heilige Vater die eschatologische Dimension unseres Daseins hervorheben und außerdem die Würde der Frau ehren wollte.

Was läßt sich über die Qualität des Lehramtes Pius’ XII. sagen? Er war gegen jede Art von Improvisation: Er schrieb jede Ansprache mit größter Sorgfalt, wobei er jeden Satz und jedes Wort abwog, bevor er es öffentlich aussprach. Er studierte aufmerksam die verschiedenen Sachverhalte und hatte die Gewohnheit, sich mit herausragenden Experten zu beraten, wenn es sich um Themen handelte, die eine spezielle Sachkenntnis erforderten. Von seiner Natur und seinem Wesen her war Pius XII. ein maßvoller Mensch und ein Realist, dem ein leichtfertiger Optimismus fremd war, aber er war ebenso immun gegenüber der Gefahr jenes Pessimismus, der nicht zu einem Gläubigen paßt. Fruchtlose Polemiken widerstrebten ihm, und er mißtraute zutiefst jedem Fanatismus und Sentimentalismus.

Diese inneren Haltungen geben Rechenschaft vom Wert und der Tiefe sowie auch von der Zuverlässigkeit seiner Lehre und erklären die vertrauensvolle Zustimmung zu ihr, die nicht allein auf die Gläubigen beschränkt war, sondern auch von vielen Menschen kam, die nicht zur Kirche gehörten. Angesichts der großen Breite und hohen Qualität des Lehramtes Pius’ XII. muß man sich fragen, wie er das alles zu leisten vermochte, da er sich ja auch den zahlreichen anderen Aufgaben widmen mußte, die mit seinem Papstamt verbunden waren: die tägliche Leitung der Kirche, die Ernennungen und Besuche der Bischöfe, die Besuche von Staatsoberhäuptern und Diplomaten, die zahllosen Audienzen, die er Privatpersonen und ganz unterschiedlichen Gruppen gewährte.

Alle anerkennen in Pius XII. einen Mann von außergewöhnlicher Intelligenz, mit einem ausgezeichneten Gedächtnis, einer einzigartigen Vertrautheit mit den Fremdsprachen und einer bemerkenswerten Sensibilität. Man sagt von ihm, er sei ein höflicher Diplomat, ein hervorragender Jurist, ein ausgezeichneter Theologe gewesen. Das alles trifft zu, aber es erklärt nicht alles. Es gab darüber hinaus in ihm das ständige Bemühen und den festen Willen, sich selbst Gott zu schenken, ohne sich etwas zu ersparen und ohne Rücksicht auf seine schwache Gesundheit. Die eigentliche Triebfeder seines Verhaltens war folgende: Alles erwuchs aus der Liebe zu seinem Herrn Jesus Christus und aus der Liebe zur Kirche und zur Menschheit. Er war nämlich vor allem der Priester in ständiger, inniger Verbundenheit mit Gott, der Priester, der in langen Gebetszeiten vor dem Allerheiligsten, im stillen Gespräch mit seinem Schöpfer und Erlöser die Kraft für seine enorme Arbeit fand. Darin hatte sein Lehramt seinen Ursprung und erhielt von daher, wie übrigens jede andere seiner Tätigkeiten, seinen Antrieb.

Es braucht deshalb nicht zu verwundern, daß seine Lehre auch heute weiterhin Licht in der Kirche verbreitet. Fünfzig Jahre sind seit seinem Tod vergangen, aber sein vielseitiges und fruchtbares Lehramt bleibt auch für die heutigen Christen von unschätzbarem Wert. Gewiß ist die Kirche, der Mystische Leib Christi, ein lebender und lebendiger Organismus, der nicht starr an dem festhält, was vor fünfzig Jahren war. Aber die Entwicklung vollzieht sich in Kontinuität. Deshalb ist das Erbe des Lehramtes Pius’ XII. vom Zweiten Vatikanischen Konzil gesammelt und den nachfolgenden christlichen Generationen neu vorgelegt worden. In den von den Konzilsvätern des Zweiten Vatikanums eingebrachten mündlichen und schriftlichen Beiträgen finden sich bekanntlich mehr als tausend Bezugnahmen auf das Lehramt Pius’ XII. Nicht alle Konzilsdokumente haben einen Anmerkungsapparat, aber in den Dokumenten, die ihn haben, taucht über zweihundert Mal der Name Pius XII. auf. Das heißt: Mit Ausnahme der Heiligen Schrift ist dieser Papst die am häufigsten zitierte maßgebliche Quelle. Man weiß außerdem, daß die den Dokumenten angefügten Anmerkungen im allgemeinen nicht bloße erklärende Hinweise sind, sondern daß in ihnen oft wesentliche Bestandteile der Konzilstexte enthalten sind; sie sind nicht nur Anmerkungen zur Bekräftigung dessen, was im Text gesagt wurde, sondern sie bieten einen Interpretationsschlüssel dafür.

Wir können also sagen, daß der Herr in der Person Papst Pius’ XII. seiner Kirche ein außerordentliches Geschenk gemacht hat, für das wir alle Ihm dankbar sein müssen. Ich spreche daher noch einmal meine Anerkennung für die wichtige Arbeit aus, die Sie in der Vorbereitung und Durchführung dieses Internationalen Symposions über das Lehramt Pius’ XII. geleistet haben, und wünsche mir, daß man weiter über das wertvolle Erbe, das von dem unsterblichen Papst der Kirche hinterlassen wurde, nachdenkt, um daraus nützliche Anwendungen auf die heute auftauchenden Probleme zu gewinnen. Mit diesem Wunsch rufe ich auf Ihre Arbeit die Hilfe des Herrn herab und erteile jedem von Ihnen von Herzen meinen Segen.



AN DIE BISCHÖFE VON BOLIVIEN

ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES Montag, 10. November 2008



Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Ich freue mich, euch, die Bischöfe von Bolivien, zu empfangen. Ihr seid zum »Ad-limina«-Besuch nach Rom gekommen, um an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus zu beten und die Bande der Einheit, der Liebe und des Friedens mit dem Nachfolger Petri zu erneuern (vgl. Lumen gentium LG 22). Ich danke Herrn Kardinal Julio Terrazas Sandoval, dem Erzbischof von Santa Cruz de la Sierra und Vorsitzenden der Bischofskonferenz, für die freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Vor allem möchte ich euch für euren großherzigen Dienst in der wichtigen Aufgabe, den Glauben des Volkes Gottes zu erhalten und zu nähren, meine Wertschätzung zum Ausdruck bringen und meine Ermutigung zusichern.

Ich weiß sehr wohl um die schwierigen Umstände, von denen die Gläubigen und die Einwohner eures Landes seit einiger Zeit betroffen sind und die sich gegenwärtig noch zu verschärfen scheinen. Sicher sind sie für die Kirche ein Grund zu Besorgnis und zu besonderem pastoralen Eifer. Die Kirche hat es verstanden, allen Bolivianern in schwierigen Situationen sehr nahe zu sein und sie zu begleiten, mit dem einzigen Ziel, die Hoffnung aufrechtzuerhalten, den Glauben zu beleben, die Einheit zu fördern, zur Versöhnung aufzurufen und den Frieden zu wahren. Die Bemühungen der Hirten bei dieser Aufgabe, die sie brüderlich, einträchtig und auf koordinierte Weise durchführen, lassen an das Gleichnis vom Sämann im Evangelium denken, der den Samen überreich und unermüdlich aussät, ohne vorher zu berechnen, welche Frucht seine Arbeit für ihn selbst bringen kann (vgl. Lk 8,4ff.).

Auch fehlt es nicht an weiteren Herausforderungen bei eurer pastoralen Aufgabe, denn der in die bolivianische Erde eingepflanzte Glaube muß stets genährt und gestärkt werden, besonders dann, wenn Anzeichen für eine gewisse Schwächung des christlichen Lebens vorhanden sind. Dafür kann es verschiedene Gründe geben, wie eine mangelnde Übereinstimmung zwischen dem Glauben, den man bekennt, und den Richtlinien für das persönliche oder gesellschaftliche Leben oder eine oberflächliche Unterweisung, die zur Folge hat, daß die Getauften empränglich bleiben für Versprechungen, die anziehend erscheinen, aber leer sind.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, zählt die Kirche in Bolivien auf ein machtvolles Mittel wie die Volksfrömmigkeit, diesen wertvollen Schatz, der sich dank der Arbeit mutiger Missionare über Jahrhunderte angesammelt hat und über Generationen hinweg mit großer Treue in den bolivianischen Familien bewahrt wurde. Er ist ein Geschenk, das heute gewiß erhalten und gefördert werden muß, und ich weiß, daß dies mit Sorgfalt und Hingabe getan wird. Es bedarf jedoch ständiger Bemühungen, damit die Bedeutung der Zeichen tief in das Herz eindringt und stets durch das Wort Gottes erleuchtet und zu festen Glaubensüberzeugungen wird. Und der Glaube muß durch die Sakramente und die Treue gegenüber den sittlichen Werten gefestigt sein. In der Tat ist es notwendig, einen reifen Glauben zu haben und »eine feste Hoffnung …, um den Glauben verantwortungsvoll und mit Freude zu leben und ihn so in die Umgebung ausstrahlen zu lassen« (Eröffnungsansprache der Arbeiten der V. Generalkonferenz der Bischofskonferenzen von Lateinamerika und der Karibik, Aparecida, 13. Mai 2007; in O.R. dt. Nr. 20 v. 18.5.2007, S. 4).

Um das zu erreichen, bedarf es einer systematischen, verbreiteten und eindringlichen Katechese, die den katholischen Glauben deutlich und unverkürzt vermittelt. Das Paulusjahr, das wir gegenwärtig feiern, ist eine günstige Gelegenheit, um die apostolische und missionarische Kraft dieses großen Apostels nachzuahmen, der sich niemals entzog, wenn es darum ging, den ganzen Plan Gottes zu verkünden, wie er zu den Hirten der Kirche von Milet sagte (vgl. Apg Ac 20,27). Eine partielle oder unvollständige Unterweisung in der Botschaft des Evangeliums entspricht nämlich nicht der Sendung der Kirche und kann nicht fruchtbar sein.

Auch eine gute allgemeine Erziehung und Bildung, die die geistliche und religiöse Dimension der Person mit einbezieht, trägt sehr stark dazu bei, dem Wachstum im Glauben feste Grundlagen zu geben. Die Kirche in Bolivien besitzt zahlreiche Bildungseinrichtungen, von denen einige großes Ansehen genießen. Sie müssen auch weiterhin auf die Aufmerksamkeit ihrer Hirten zählen können, damit ihre Identität erhalten bleibt und geachtet wird. »Alle Christen, die, durch die Wiedergeburt aus dem Wasser und dem Heiligen Geist zu einer neuen Schöpfung geworden, Söhne Gottes heißen und es auch sind, haben das Recht auf eine christliche Erziehung« (Gravissimum educationis GE 2) – das darf man auf keinen Fall vergessen.

Ich freue mich über eure Bemühungen, den Seminaristen eine solide menschliche, geistliche, intellektuelle und pastorale Ausbildung anzubieten, indem ihr ihnen Priester zur Seite stellt, die in der Lage sind, sie bei der Entscheidungsfindung hinsichtlich ihrer Berufung zu begleiten und darauf zu achten, daß sie mit Sicherheit entsprechende Eignung und Fähigkeiten besitzen. Diese stets notwendigen Richtlinien sind in der heutigen Zeit noch dringender, in der die Tendenz besteht, sich in der Informationsflut zu verlieren und tief im Innern, wo der Mensch ein von Gott eingeschriebenes Gesetz hat (vgl. Gaudium et spes GS 16), zersplittert zu sein. Daher ist es nötig, auch später weiterhin für sie Sorge zu tragen und die ständige Weiterbildung des Klerus und der anderen Mitarbeiter in der Pastoral zu gewährleisten, um ihr geistliches Leben ständig zu nähren und ihre Arbeit nicht zur Routine oder oberflächlich werden zu lassen. Sie sind dazu berufen, den Gläubigen aus ihrer eigenen Erfahrung heraus zu zeigen, daß die Worte Jesu Geist und Leben sind (vgl. Joh Jn 6,63), »denn wie sollten sie eine Botschaft verkünden, deren Inhalt und Geist sie nicht gründlich kennen«? (Eröffnungsansprache der Arbeiten der V. Generalkonferenz der Bischofskonferenzen von Lateinamerika und der Karibik, Aparecida, 13. Mai 2007; in O.R. dt., Nr. 20 v. 18.5.2007, S. 5).

In der kürzlich abgehaltenen Versammlung der Bischofssynode wurde hervorgehoben, daß »die Hauptaufgabe der Kirche am Beginn des neuen Jahrtausends vor allem darin besteht, sich vom Wort Gottes zu ernähren, um den Einsatz in der Neuevangelisierung, der Verkündigung in unserer Zeit wirksam werden zu lassen« (Predigt in der Eucharistiefeier zum Abschluß der Versammlung der Bischofssynode, 26. Oktober 2008; in O.R. dt., Nr. 44 v. 31.10.2008, S. 11). Ich fordere euch also nachdrücklich auf, in den Predigten, Katechesen und Eucharistiefeiern in den Pfarreien ebenso wie in vielen kleinen Gemeinden – die zwar verstreut liegen, aber bedeutende Kapellen besitzen, wie man sie in eurer Gegend häufig findet – die treue Verkündigung, das Hören und die Betrachtung der Schrift stets in den Vordergrund zu stellen, denn darin findet das Volk Gottes seinen Seinsgrund, seine Berufung und seine Identität.

Aus dem fügsamen Hören auf Gottes Wort entsteht die Nächstenliebe und mit ihr der uneigennützige Dienst an den Brüdern (vgl. ebd.). Dieser Aspekt nimmt in der Pastoralarbeit in Bolivien angesichts der Armut, der Ausgrenzung und der Verlassenheit eines großen Teils der Bevölkerung einen sehr wichtigen Platz ein. Die kirchliche Gemeinschaft hat bewiesen, daß sie wie der gute Samariter ein großes »sehendes Herz« besitzt, ein Herz, das den notleidenden Bruder sieht, und ihm durch zahllose Werke und Projekte bereitwillig zu Hilfe eilt. Sie weiß, daß »die Liebe in ihrer Reinheit und Absichtslosigkeit das beste Zeugnis für den Gott ist, dem wir glauben und der uns zur Liebe treibt« (Deus caritas ). In diesem Sinne ist es sozusagen auch ein »sprechendes Herz«, das das Wort in sich trägt, das tief in seinem Innern wohnt und auf das sie nicht verzichten kann, auch wenn sie manchmal schweigen muß. Wenn die Brüderlichkeit gegenüber den notleidenden Brüdern uns zu vorzüglichen Jüngern des Meisters macht, so macht uns die besondere Hingabe und Fürsorge für sie zu Missionaren der Liebe.

Zum Abschluß dieser Begegnung möchte ich euch noch einmal für die Sendung, die ihr als Hirten der Kirche in Bolivien erfüllt, meine Ermutigung aussprechen, ebenso wie für den Geist der Gemeinschaft und der Eintracht unter euch. Diese Gemeinschaft wird durch die brüderlichen Bande mit anderen Teilkirchen bereichert. Einige von ihnen liegen in fernen Ländern, haben jedoch den Wunsch, mit euch die Freuden und Hoffnungen der Evangelisierung in diesem Land zu teilen. Übermittelt meinen Gruß den emeritierten Bischöfen, den Priestern und Seminaristen, den zahlreichen Ordensmännern und Ordensfrauen, die eure christlichen Gemeinden bereichern und beleben, den Katecheten und allen anderen Mitarbeitern an der Aufgabe, den Bolivianern das Licht des Evangeliums zu bringen.

Ich vertraue eure Anliegen der allerseligsten Jungfrau Maria an, die vom bolivianischen Volk in zahlreichen Marienheiligtümern so sehr verehrt wird, und erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen.

AN HERRN SANTE CANDUCCI,

BOTSCHAFTER DER REPUBLIK SAN MARINO

BEIM HL. STUHL Donnerstag, 13. November 2008

Herr Botschafter!


Ich freue mich, Sie herzlich willkommen zu heißen, um aus Ihren Händen das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der alten und berühmten Republik San Marino hier beim Heiligen Stuhl akkredidiert werden. Mein erster und ehrerbietiger Gedanke gilt den durchlauchten Regierungshauptleuten, deren hoher Repräsentant Sie sind, und der ganzen Bevölkerung von San Marino, die dem Nachfolger Petri seit jeher teuer ist. Tatsächlich hat die Republik am Monte Titano seit ihrer Entstehung freundliche und nutzbringende Beziehungen zum Apostolischen Stuhl unterhalten, die im Jahr 1926 offiziell aufgenommen wurden, mit Banden gegenseitiger und respektvoller Zusammenarbeit. Es ist mir daher willkommen, den Ausdruck meiner geistigen Nähe zu dem Volk zu erneuern, mit dessen Vertretung Sie ab heute beauftragt sind: gemessen an der Ausdehnung des Territoriums, auf dem es wohnt, ein kleines Volk, das aber auf Grund seiner an kulturellen und religiösen Traditionen reichen Geschichte jeder Aufmerksamkeit und aller Achtung würdig ist.

Während ich Sie mit lebhafter Freude begrüße, möchte ich mit aufrichtiger Dankbarkeit an Ihren verdienstvollen Vorgänger, Professor Giovanni Galassi, erinnern, der viele Jahre lang in lobenswerter Weise das Amt des Vertreters der Republik San Marino und das des Dekans des hier akkreditierten Diplomatischen Korps ausgeübt hat. Die Sensibilität, der menschliche Takt und die Kompetenz, die sein Wirken kennzeichneten, haben ihm die Wertschätzung seiner Kollegen im diplomatischen Dienst eingebracht und vor allem zur weiteren Intensivierung der bereits herzlichen Beziehungen zwischen der Republik San Marino und dem Heiligen Stuhl beigetragen. In Anbetracht dessen bin ich sicher, daß Sie die bereits gut angelaufene Arbeit fortsetzen werden, damit die Festigung fruchtbarer gegenseitiger Beziehungen – abgesehen von der Förderung des Dialogs und der Erleichterung der Verständigung zwischen den Autoritäten und der katholischen Gemeinschaft von San Marino – sich auch für ein gemeinsames Vorgehen zugunsten der Solidarität und des Friedens in Europa und in der Welt als nützlich erweisen wird.

Jede Nation und jede Institution, sei sie groß oder klein, ist heute dazu aufgerufen, aktiv am Aufbau einer internationalen Gemeinschaft mitzuwirken, die sich auf gemeinsame menschliche und geistige Werte stützt. Die Republik San Marino wird es gewiß nicht versäumen, zu diesem Vorhaben von universaler Tragweite ihren Beitrag zu leisten, indem sie die Erfahrung einer geschichts- und kulturträchtigen Vergangenheit, in welcher der Schutz der Familie, Grundzelle jeder Gemeinschaft, die erste Stelle einnimmt, allen zur Verfügung stellt. Das Land, das als der »Sporn des Monte Titano« bekannt ist, zeichnet sich durch eine besondere Identität aus, die sich in den kulturellen und geistigen Reichtum der italienischen Halbinsel einfügt. Wichtiger Punkt dieser Identität ist das alte Erbe von Werten, das großenteils aus dem christlichen Glauben lebt, der das Leben und die Geschichte der Menschen und der Institutionen von San Marino geprägt hat. Zu Recht haben Sie daher in Ihren Worten an diese alten Wurzeln erinnert und sich dabei auch auf den Besuch meines verehrten Vorgängers Johannes Paul II. am 28. April 1982 bezogen, der von der Bevölkerung San Marinos begeistert aufgenommen wurde. Ich spreche von Herzen den Wunsch aus, daß es auf der Linie dieser jahrhundertealten kulturellen und geistlichen Traditionen und durch Fortsetzung des Einsatzes, der bis heute von so vielen Menschen guten Willens entfaltet worden ist, der heutigen zivilen und religiösen Gemeinschaft von San Marino gelingen möge, gemeinsam ein neues Kapitel des Fortschritts und der Kultur zu beginnen und insofern die unverzichtbare Rolle anzuerkennen, die jede Familie bei der Ausbildung der neuen Generationen als Ort der Erziehung zum Frieden zu erfüllen berufen ist.

Das Hervorheben des griechisch-römischen Erbes, das durch die Begegnung mit dem Christentum bereichert worden ist, stellt daher auch für die Republik San Marino zweifellos eine Gelegenheit dar, dazu beizutragen, daß Europa zum Land des Dialogs und »gemeinsamen Haus« von Nationen mit ihren spezifischen kulturellen und religiösen Besonderheiten wird. Die Umweltverhältnisse und die sozialen Bedingungen, unter denen wir heute leben, haben sich natürlich verändert; unverändert bleibt jedoch das letzte Ziel unseres tagtäglichen persönlichen und gemeinschaftlichen Einsatzes: Die Suche nach dem wahren Wohl des Menschen und der Aufbau einer Gesellschaft, die für die Aufnahme aller offen ist und sich ihrer realen Bedürfnisse annimmt. Das einheitliche Ganze von Werten und Gesetzen, das gemeinsame geistliche »Alphabet «, das es unseren Völkern in den vergangenen Jahrhunderten ermöglicht hat, edle Seiten ziviler und religiöser Geschichte zu schreiben, stellt ein wertvolles Erbe dar, das nicht vergeudet werden darf, ein Erbe, das durch den Beitrag der modernen Entdeckungen in Wissenschaft, Technik und Kommunikation vergrößert werden soll, insofern diese in den Dienst des wahren Wohls des Menschen gestellt werden.

Herr Botschafter, der Heilige Stuhl bekundet erneut seine volle Bereitschaft zur Zusammenarbeit, um diese gemeinsam vertretenen Ziele zu verfolgen, denn er ist sich dessen bewußt, daß für ein so umfassendes Vorhaben die Zusammenarbeit aller erforderlich ist: Es bedarf auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene des Beitrags jedes einzelnen in seinem Bereich und mit seiner spezifischen Aufgabe, und das stets in gegenseitigem Respekt und ständigem Dialog. Das sind die Bedingungen für jene »gesunde« Laizität, die für den Aufbau einer Gesellschaft unverzichtbar ist, in der unterschiedliche Traditionen, Kulturen und Religionen friedlich zusammenleben. Eine vollständige Trennung des öffentlichen Lebens von jedem Wert der Traditionen würde bedeuten, sich in eine Sackgasse zu begeben. Deshalb ist es notwendig, den Sinn einer Laizität neu zu bestimmen, die den wahren Unterschied und die Autonomie zwischen den verschiedenen Elementen der Gesellschaft unterstreicht, aber auch die spezifischen Kompetenzen in einem Rahmen gemeinsamer Verantwortung bewahrt. Gewiß bringt diese »gesunde« Laizität des Staates mit sich, daß jede zeitliche Gegebenheit entsprechend den ihr eigenen Normen existiert, die jedoch die grundlegenden ethischen Instanzen nicht vernachlässigen dürfen, deren Fundament in der Natur des Menschen liegt und die gerade deshalb letzten Endes auf den Schöpfer verweisen. Wenn die katholische Kirche durch ihre rechtmäßigen Hirten an den Wert appelliert, den einige grundlegende ethische Prinzipien, die im christlichen Erbe Europas verwurzelt sind, für das private und noch mehr für das öffentliche Leben haben, ist sie einzig und allein von dem Wunsch bewegt, die unverletzliche Würde des Menschen und das wahre Wohl der Gesellschaft zu gewährleisten und zu fördern.

Herr Botschafter, das sind die Gedanken, die mir in diesem Augenblick spontan in den Sinn kommen. Während ich Ihnen für Ihre freundlichen Worte danke und Ihnen die volle Verfügbarkeit meiner Mitarbeiter zusichere, wünsche ich Ihnen, daß Sie Ihre hohe Aufgabe bestmöglich erfüllen können. An die erlauchten Regierungshauptleute und an das Volk der geliebten Republik San Marino, das Sie hier vertreten, richte ich noch einmal herzlich meinen Gruß, verbunden mit meinem Gebet, daß Gott alle und jeden einzelnen stets schützen und segnen möge.

AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DES

PÄPSTLICHEN RATES FÜR DIE LAIEN Samstag, 15. November 2008

Meine Herren Kardinäle,

verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich, heute mit euch allen, den Mitgliedern und Konsultoren des Päpstlichen Rates für die Laien, anläßlich eurer Vollversammlung zusammenzutreffen. Ich begrüße Herrn Kardinal Stanislaw Rylko und Bischof Josef Clemens – den Präsidenten bzw. den Sekretär des Dikasteriums – und zusammen mit ihnen alle weiteren hier anwesenden Prälaten. Besonders willkommen heiße ich die gläubigen Laien, die aus verschiedenen Feldern des Apostolats und aus unterschiedlichsten sozialen und kulturellen Bereichen kommen. Das für eure Versammlung gewählte Thema – »Zwanzig Jahre nach Christifideles laici: Erinnerung, Entwicklung, neue Herausforderungen und Aufgaben« – führt uns direkt in den Dienst ein, den euer Dikasterium seinem Auftrag entsprechend der Kirche zum Wohl der Laien auf der ganzen Welt anbietet.

Das Apostolische Schreiben Christifideles laici, das als »Magna Charta« des katholischen Laientums in unserer Zeit gilt, ist die reife Frucht der Überlegungen und des Austauschs von Erfahrungen und Vorschlägen bei der VII. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, die im Oktober 1987 zum Thema »Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt« stattfand. Es handelt sich um eine systematische Wiederaufnahme der Lehren des II. Vatikanischen Konzils, die die Laien betreffen – ihre Würde als Getaufte, ihre Berufung zur Heiligkeit, ihre Zugehörigkeit zur kirchlichen Gemeinschaft, ihre Teilhabe am Aufbau der christlichen Gemeinden und am Sendungsauftrag der Kirche, ihr Zeugnis in allen gesellschaftlichen Bereichen und ihren Einsatz im Dienst am Menschen für dessen ganzheitliches Wachstum und für das Gemeinwohl der Gesellschaft –, Themen, die vor allem in den Konstitutionen Lumen gentium und Gaudium et spes sowie auch in dem Dekret Apostolicam actuositatem behandelt werden.

Indem Christifideles laici die Lehren des Konzils aufnimmt, bietet es eine Neuorientierung für die Beurteilung, Vertiefung und Ausrichtung des Engagements der Laien in der Kirche angesichts der sozialen Veränderungen dieser Jahre. In vielen Ortskirchen hat sich dank der Pastoralräte auf Diözesan- und Pfarreiebene die Teilnahme der Laien gut entwickelt und erweist sich immer dann als sehr positiv, wenn sie von einem echten »sensus Ecclesiae« beseelt ist. Das lebendige Bewußtsein der charismatischen Dimension der Kirche hat dazu geführt, daß die unscheinbareren Charismen, mit denen Gottes Vorsehung die Menschen ausstattet, in gleicher Weise anerkannt und geschätzt werden wie jene Gaben, die große geistliche, erzieherische und missionarische Fruchtbarkeit erbringen. Nicht zufällig erkennt das Dokument »eine neue Zeit der Zusammenschlüsse von Laien« als Zeichen des »Reichtums und der Vielseitigkeit der Gaben, die der Geist in der Kirche lebendig erhält« (Nr. 29), unter Hinweis auf jene »Kriterien der Kirchlichkeit «, die einerseits für das Unterscheidungsvermögen der Hirten und andererseits für das Wachstum des Lebens der Zusammenschlüsse von Gläubigen, der kirchlichen Bewegungen und der neuen Gemeinschaften notwendig sind. In diesem Zusammenhang möchte ich dem Päpstlichen Rat für die Laien ganz besonders für die Arbeit danken, die er während der letzten Jahrzehnte dadurch geleistet hat, daß er diese Gegebenheiten der kirchlichen Wirklichkeit angenommen, begleitet, beurteilt, anerkannt und ermutigt hat, indem er ihre katholische Identität förderte, ihnen half, sich vollkommener in die große Tradition und in das lebendige Gefüge der Kirche einzubringen, und ihre missionarische Entwicklung unterstützte.

Wenn vom katholischen Laientum die Rede ist, bezieht man sich damit auf unzählige getaufte Personen, die sich in vielfältigen und ganz verschiedenen Situationen engagieren, um als Jünger und Zeugen des Herrn zu wachsen und die Schönheit der Wahrheit und die Freude am Christsein wiederzuentdecken und zu erfahren. Die heutige kulturelle und soziale Lage macht dieses apostolische Wirken noch dringlicher, um den Schatz an Gnade und Heiligkeit, Nächstenliebe, Lehre, Kultur und Werken, aus denen sich der Strom der katholischen Tradition zusammensetzt, mit vollen Händen zu verteilen. Die neuen Generationen sind nicht nur die bevorzugten Adressaten dieser Weitergabe und dieses Miteinander- Teilens, sondern auch Subjekte, die in ihrem Herzen Angebote der Wahrheit und des Glücks erwarten, um davon ein christliches Zeugnis geben zu können, wie es bereits auf wunderbare Weise geschieht. Davon bin ich selber in Sydney beim letzten Weltjugendtag von neuem Zeuge geworden. Und daher ermuntere ich den Päpstlichen Rat für die Laien, das Werk dieser von der Vorsehung bestimmten weltweiten Pilgerschaft der Jugendlichen im Namen Christi fortzusetzen und sich überall für die Förderung einer echten Erziehung und Jugendpastoral zu engagieren.

Ich weiß auch um euren Einsatz für Probleme von besonderer Wichtigkeit, wie die Frage der Würde der Frauen und deren Beteiligung am Leben der Kirche und der Gesellschaft. Ich hatte bereits Gelegenheit, den Kongreß zu würdigen, der aus Anlaß des 20. Jahrestages der Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens Mulieris dignitatem über das Thema »Frau und Mann – das humanum in seiner Ganzheit« von euch ausgerichtet wurde. Der Mann und die Frau sind in ihrer Würde gleich und dazu berufen, sich in Gemeinschaft und Zusammenarbeit gegenseitig zu bereichern, und das nicht nur in Ehe und Familie, sondern auch innerhalb der Gesellschaft in allen ihren Dimensionen. Den christlichen Frauen wird Bewußtheit und Mut abverlangt, um sich anspruchsvollen Aufgaben zu stellen; dafür fehlt ihnen allerdings nicht die Stütze einer ausgeprägten Neigung zur Heiligkeit, eines besonderen Scharfsinns bei der Unterscheidung der kulturellen Strömungen unserer Zeit und der besonderen Leidenschaft bei der Sorge um das Humanum, das sie kennzeichnet. Man wird nie genug darüber sagen können, wie sehr die Kirche die Teilnahme der Frauen an ihrer Mission des Dienstes an der Verbreitung des Evangeliums anerkennt, schätzt und würdigt.

Erlaubt mir, liebe Freunde, eine letzte Überlegung zu dem Weltcharakter, der für die Laien charakteristisch ist. Die Welt im Modell des Familien-, Arbeits- und gesellschaftlichen Lebens ist theologischer Ort, Umfeld und Mittel für die Verwirklichung ihrer Berufung und Sendung (vgl. Christifideles laici, 15–17). Jeder Bereich, jeder Umstand und jede Aktivität, wo man erwartet, daß in ihnen die Einheit zwischen Glaube und Leben erstrahlen könne, ist der Verantwortung der Laien anvertraut, die von dem Wunsch beflügelt sind, das Geschenk der Begegnung mit Christus und die Gewißheit der Würde der menschlichen Person zu vermitteln. Ihre Aufgabe ist es, sich um das Zeugnis der Nächstenliebe besonders gegenüber den Ärmsten, den Leidenden und Bedürftigen zu kümmern, aber auch jedes christliche Bemühen auf sich zu nehmen, das der Schaffung von immer gerechteren und friedlicheren Verhältnissen im menschlichen Zusammenleben gilt, um so für das Evangelium neue Grenzen zu öffnen! Ich bitte deshalb den Päpstlichen Rat für die Laien, sich mit gewissenhafter pastoraler Sorge um die Ausbildung, das Zeugnis und die Mitarbeit der Laien in den unterschiedlichsten Situationen zu kümmern, in denen die wahre menschliche Lebensqualität in der Gesellschaft auf dem Spiel steht. Dabei unterstreiche ich besonders die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Ausbildung gemäß dem Evangelium und der pastoralen Begleitung einer neuen Generation von Katholiken, die sich in der Politik engagieren: Sie sollen in Übereinstimmung mit ihrem Glauben handeln und sich durch hohe Sittlichkeit, kulturelle Urteilsfähigkeit, professionelle Kompetenz und Leidenschaft für den Dienst am Gemeinwohl auszeichnen.

Die Arbeit im großen Weinberg des Herrn braucht »christifideles laici« – christliche Laien –, die wie die allerseligste Jungfrau Maria das »fiat« zu Gottes Plan in ihrem Leben sprechen und leben sollen. In diesem Sinne danke ich euch daher für euren wertvollen Beitrag zu einem so edlen Anliegen und erteile euch und euren Lieben von Herzen den Apostolischen Segen.



AN DIE TEILNEHMER AM 23. INTERNATIONALEN KONGRESS

DES PÄPSTLICHEN RATS FÜR DIE

PASTORAL IM KRANKENDIENST Samstag, 15. November 2008

Herr Kardinal,

verehrte Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt,
sehr geehrte Professoren,
liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich, euch im Rahmen der Internationalen Konferenz zu begegnen, die jährlich vom Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst veranstaltet wird und nunmehr zum 23. Mal stattfindet. Sehr herzlich begrüße ich Kardinal Javier Lozano Barragán, den Präsidenten des Dikasteriums, und danke ihm für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Mein Dank gilt auch dem Sekretär, den Mitarbeitern dieses Päpstlichen Rates, den Referenten, den akademischen Autoritäten, den Persönlichkeiten, den Verantwortlichen der Gesundheitseinrichtungen, den Mitarbeitern im Gesundheitswesen und jenen, die durch ihre Mitarbeit auf verschiedene Weise zur Verwirklichung der Konferenz beigetragen haben, die in diesem Jahr unter dem Thema steht: »Die Pastoral in der Kinderkrankenpflege«. Ich bin sicher, daß diese Tage der Reflexion und des Austauschs über ein so aktuelles Thema dazu beitragen werden, die öffentliche Meinung für die Pflicht zu sensibilisieren, den Kindern alle Aufmerksamkeit zu schenken, die für ihre harmonische körperliche und geistige Entwicklung notwendig ist. Das gilt für alle Kinder, besonders aber für jene, die krank sind und besonderer medizinischer Betreuung bedürfen.

Durch das Thema eurer Konferenz, die heute zu Ende geht, konntet ihr dank des Beitrags von Fachleuten von Weltruf und von Personen, die in direktem Kontakt mit notleidenden Kindern stehen, die schwierige Situation deutlich machen, in der sich eine immer noch sehr erhebliche Zahl von Kindern in großen Teilen der Erde befindet. Außerdem konntet ihr darlegen, welche Eingriffe notwendig, ja dringend notwendig sind, um ihnen zu Hilfe zu kommen. Die Medizin hat in den letzten 50 Jahren gewiß beachtliche Fortschritte gemacht: Dadurch ist die Kindersterblichkeit erheblich zurückgegangen, auch wenn in dieser Hinsicht noch viel zu tun bleibt. Wie ihr selbst gesagt habt, braucht man nur daran zu denken, daß jedes Jahr vier Millionen Neugeborene im Alter von weniger als 26 Tagen sterben.

In diesem Zusammenhang ist die Kinderkrankenpflege ein Thema, das bei allen, die sich der Pastoral im Krankendienst widmen, großes Interesse wecken muß. Eine genaue Untersuchung der aktuellen Lage ist unverzichtbar, um ein entschlossenes Handeln in die Wege zu leiten oder weiterzuführen, das darauf ausgerichtet ist, Krankheiten soweit wie möglich vorzubeugen und dort, wo diese bereits ausgebrochen sind, die kleinen Kranken durch die modernsten Errungenschaften der Medizin zu versorgen. Ebenso muß es darauf abzielen, bessere hygienische und gesundheitliche Bedingungen zu fördern, vor allem in den benachteiligten Ländern. Die Herausforderung liegt heute darin, den Ausbruch nicht weniger einst typischer Kinderkrankheiten zu verhindern und allgemein das Wachstum, die Entwicklung und einen guten Gesundheitszustand aller Kinder zu fördern.

An diesem Handeln auf breiter Ebene sind alle beteiligt: Familien, Ärzte sowie Mitarbeiter im Sozial- und Gesundheitswesen. Die medizinische Forschung steht manchmal vor schweren Entscheidungen, zum Beispiel wenn es darum geht, das richtige Gleichgewicht zwischen Weiterführung und Nichtanwendung einer Therapie zu finden, um die Behandlung zu gewährleisten, die den wirklichen Bedürfnissen der kleinen Patienten entspricht, ohne der Versuchung zum übertriebenen Experimentieren nachzugeben. Es ist nicht überflüssig, daran zu erinnern, daß im Mittelpunkt eines jeden medizinischen Eingriffs stets die Erlangung des wahren Wohls des Kindes stehen muß, und dieses muß in seiner Würde als vollberechtigtes menschliches Subjekt betrachtet werden. Für das Kind muß man daher stets liebevoll Sorge tragen, um ihm zu helfen, dem Leiden und der Krankheit zu begegnen, auch vor der Geburt, in dem Maße wie die Situation es verlangt.

Aufgrund der emotionalen Auswirkungen der Krankheit und der Behandlungen, denen das Kind unterzogen wird und die nicht selten als besonders invasiv wahrgenommen werden, ist es wichtig, ihm eine ständige Kommunikation mit den Angehörigen zu gewährleisten. Wenn schon die Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die Ärzte und das Pflegepersonal die schwere Last spüren, die das Leiden der kleinen Patienten, denen sie beistehen, bedeutet, dann kann man sich wohl vorstellen, wieviel stärker noch der Schmerz ist, den die Eltern erleiden! Der gesundheitliche und der menschliche Aspekt dürfen niemals voneinander getrennt werden, und jede Pflege- und Gesundheitseinrichtung, besonders wenn sie vom wahren christlichen Geist beseelt ist, hat die Pflicht, im Hinblick auf Fachkenntnisse und Menschlichkeit ihr Bestes zu geben. Der Kranke, und ganz besonders das Kind, versteht in erster Linie die Sprache der Zärtlichkeit und der Liebe, die durch einen fürsorglichen, geduldigen und großherzigen Dienst zum Ausdruck gebracht wird, der in den Gläubigen von dem Wunsch beseelt ist, dieselbe Liebe zu zeigen, die Jesus besonders für die Kleinen empfand.

»Maxima debetur puero reverentia« (Juvenal, Satire XIV, V. 479): Schon die Menschen der Antike erkannten, wie wichtig es ist, das Kind zu achten, ein Geschenk und kostbares Gut für die Gesellschaft, dem jene menschliche Würde zuerkannt werden muß, die es bereits dann in vollem Ausmaß besitzt, wenn es noch nicht geboren, sondern noch im Mutterleib ist. Jeder Mensch hat in sich selbst einen Wert, weil er als Gottes Ebenbild geschaffen ist, in dessen Augen er desto kostbarer ist, je schwächer er dem menschlichen Blick erscheint. Mit wieviel Liebe muß daher auch ein Kind angenommen werden, das noch nicht geboren und bereits von Erkrankungen betroffen ist! »Sinite parvulos venire ad me«, sagt Jesus im Evangelium (vgl. Mk Mc 10,14). So zeigt er uns, mit welcher Achtung und Annahme wir für jedes Kind Sorge tragen müssen, besonders dann, wenn es schwach und in Not ist, wenn es leidet und wehrlos ist. Ich denke besonders an die kleinen Waisen oder an jene, die aufgrund von Elend oder dem Auseinanderbrechen von Familien verlassen wurden; ich denke an die Kinder, die unschuldige Opfer von Aids oder des Krieges und der vielen bewaffneten Konflikte in verschiedenen Teilen der Welt sind; ich denke an die Kinder, die aufgrund von Elend, Dürre und Hunger sterben. Die Kirche vergißt diese Kinder, ihre kleinsten Söhne und Töchter, nicht, und wenn sie einerseits die Initiativen der reicheren Nationen zur Verbesserung ihrer Entwicklungslage gutheißt, so verspürt sie andererseits sehr stark die Pflicht, dazu aufzurufen, diesen unseren Brüdern und Schwestern größere Aufmerksamkeit zu schenken, damit sie dank unserer gemeinsamen Solidarität dem Leben mit Zuversicht und Hoffnung begegnen können.

Liebe Brüder und Schwestern, ich wünsche, daß die vielen Situationen des Ungleichgewichts, die noch gegeben sind, möglichst schnell durch ein entschiedenes Eingreifen zugunsten dieser kleinsten unserer Brüder und Schwestern beseitigt werden. Dabei bringe ich jenen meine aufrichtige Anerkennung zum Ausdruck, die persönliche Kräfte und materielle Mittel in ihren Dienst stellen. Mit besonderer Dankbarkeit denke ich an unser Krankenhaus »Bambin Gesù« und an die zahlreichen katholischen Sozial- und Gesundheitseinrichtungen, die – nach dem Vorbild Jesu, des guten Samariters, und beseelt von seiner Liebe – so vielen leidenden Kindern, die von Gott ganz besonders geliebt sind, menschliche, moralische und geistliche Unterstützung und Trost geben. Die allerseligste Jungfrau, Mutter eines jeden Menschen, wache über die kranken Kinder und schütze jene, die sich mit menschlicher Fürsorge und im Geist des Evangeliums aufopfernd um sie kümmern. Mit diesen Empfindungen und indem ich meine aufrichtige Anerkennung für die Arbeit der Sensibilisierung zum Ausdruck bringe, die diese internationale Konferenz geleistet hat, versichere ich ein ständiges Gebetsgedenken und erteile allen den Apostolischen Segen.

AN HERRN GEORGES CHAKIB EL KHOURY,

NEUER BOTSCHAFTER DER LIBANESISCHEN REPUBLIK

BEIM HL. STUHL Montag, 17. November 2008



Herr Botschafter!

Mit Freude empfange ich Sie zur Überreichung des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Libanesischen Republik beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen für die freundlichen Worte und die herzlichen Grüße, die Sie mir von seiten des Präsidenten der Republik, Seiner Exzellenz Herrn Michel Sleiman, überbracht haben, den ich zu meiner großen Freude vor kurzem im Vatikan empfangen konnte. Meinerseits möchte ich Sie bitten, ihm herzlich zu danken und ihm meine tiefempfundene Zuneigung und mein Vertrauen, das ich gegenüber dem ganzen libanesischen Volk hege, zu übermitteln. Ich wünsche, daß es sich auch weiterhin mutig für den Aufbau einer geeinten und solidarischen Gesellschaft einsetzen möge.

Wie Sie, Herr Botschafter, hervorgehoben haben, ist der Libanon die Wiege einer alten Kultur, die auf den gesamten Mittelmeerraum und über seine Grenzen hinaus ausgestrahlt hat, sowie ein Land mit vielen religiösen Bekenntnissen, die gezeigt haben, daß sie in Brüderlichkeit und Zusammenarbeit miteinander leben können. Bereichert durch diese Verschiedenheit, hegt das libanesische Volk eine tiefe Liebe zu seinem Land, seiner Kultur und seinen Traditionen, wobei es seiner Berufung zu universaler Offenheit treu bleibt. Ihr Land hat aufgrund seiner jahrtausendealten Geschichte sowie seiner Lage inmitten eines komplexen regionalen Kontextes die grundlegende Aufgabe, zum Frieden und zur Eintracht zwischen allen beizutragen.

Der Libanon ist angesichts seiner Erfahrung in den Bereichen des Zusammenlebens und der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Gemeinschaften und Kulturen ein »Schatz«, der allen Libanesen anvertraut ist. Sie haben somit die Pflicht, ihn für das Wohl der gesamten Nation zu bewahren und ihn Ertrag bringen zu lassen. Zugleich wünsche ich, daß die internationale Gemeinschaft den Libanon schützen und aufwerten und durch ihr tatkräftiges Engagement verhindern möge, daß er zu einem Austragungsort regionaler oder internationaler Konflikte wird. Der Libanon sollte daher gleichsam ein Laboratorium sein zur Suche nach wirksamen Lösungen für die Konflikte, die den Nahen Osten seit langem in Unruhe versetzen.

In dieser Hinsicht freue ich mich sehr über die mutigen Anstrengungen, die im Laufe der vergangenen Monate vom gesamten Land und dessen Verantwortlichen unternommen wurden, um durch das geduldige Mitwirken aller das politische Leben und die Tätigkeit der Institutionen des Landes wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Die Wahl des Präsidenten der Republik, die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und die Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes werden die nationale Einheit mit Sicherheit fördern und zur echten Koexistenz der verschiedenen Teile der Nation beitragen. Zudem wird der »nationale Dialog«, der seit einigen Wochen geführt wird, sicherlich Gelegenheit geben, die Herausforderungen zu untersuchen, vor denen das Land derzeit steht, und nach den notwendigen Übereinkünften für deren angemessene Bewältigung zu suchen. Ich wünsche daher, daß sich alle tatkräftig auf dem Weg des Dialogs und der Wiederversöhnung engagieren mögen, um dem Land eine stabile Fortentwicklung zu ermöglichen. Hierbei sollten die Eigeninteressen beiseite gelassen und die Wunden der Vergangenheit geheilt werden.

Die Spannungen, die bedauerlicherweise noch immer fortbestehen, zeigen jedoch die Notwendigkeit, mit Entschlossenheit auf dem Weg voranzugehen, der vor einigen Monaten durch das Abkommen von Doha eröffnet wurde, mit dem Ziel, gemeinsam die libanesischen Institutionen einzurichten. Die Grundhaltung, von der ein jeder bei seinem Einsatz für das Gemeinwohl geprägt sein sollte, bleibt unveränderlich: jedes Mitglied des libanesischen Volkes soll sich im Libanon wirklich heimisch fühlen und sehen, daß seine berechtigten Sorgen und Erwartungen im gegenseitigen Respekt vor den Rechten der anderen berücksichtigt werden. Daher muß eine wahre Erziehung der Gewissen zum Frieden, zur Wiederversöhnung und zum Dialog gefördert und entwickelt werden, insbesondere im Hinblick auf die jungen Generationen. Mein verehrter Vorgänger Papst Johannes Paul II. hat diesbezüglich geschrieben: »Es darf niemals vergessen werden, daß eine Geste des Friedens den Gegner entwaffnen kann und ihn oft dazu einlädt, positiv auf die ihm gereichte Hand zu antworten, denn der Friede, der ein Gut par excellence ist, muß an die anderen weitergegeben werden (Apostolisches Schreiben, Eine neue Hoffnung für den Libanon, 98). Dieser dauerhafte Frieden, nach dem sich alle Libanesen zutiefst sehnen, ist in dem Maße möglich, in dem bei allen der aufrichtige Wille überwiegt, gemeinsam auf der einen Erde zu leben und die Gerechtigkeit, die Wiederversöhnung und den Dialog als den geeigneten Rahmen zur Lösung der Probleme von Einzelpersonen und Gruppen anzusehen. Um eine Gesellschaft aufzubauen, die allen ihren Mitgliedern ein würdiges und freies Dasein zusichert, muß eine immer tiefere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Teilen der Nation entwickelt werden, die auf den vertrauensvollen Beziehungen zwischen den Einzelpersonen und zwischen den Gemeinschaften gründet.

Herr Botschafter, auf dieser wichtigen Etappe, in der sich Ihr Land befindet, verfolgt der Heilige Stuhl auch weiterhin mit großer Aufmerksamkeit die Entwicklung der Lage und interessiert sich in besonderer Weise für die ergriffenen Maßnahmen zur endgültigen Lösung der Fragen, denen sich der Libanon stellen muß. Mit besonderer Sensibilität gegenüber den Leiden, denen die Bevölkerung des Nahen Ostens seit langem ausgesetzt ist, setzt sich der Heilige Stuhl auch weiterhin entschlossen ein für den Frieden und die Wiederversöhnung im Libanon und in der gesamten Region, die dem Herzen der Gläubigen so nahe steht.

Herr Botschafter, gestatten Sie mir am Ende dieser Begegnung, daß ich durch Sie meinen herzlichen Gruß an die Bischöfe und die katholischen Gemeinden Ihres Landes richte. Im Anschluß an die vor kurzem in Beirut vorgenommene Seligsprechung von Pater Jacques Haddad, Abouna Yaacoub, jenes Apostels der Barmherzigkeit und leidenschaftlichen Boten des Wortes Gottes, lade ich alle Katholiken dazu ein, unter ihren Landsleuten – in enger Gemeinschaft mit ihren Hirten – zu eifrigen Bauleuten der Einheit und Brüderlichkeit zu werden. Dieser eindrucksvolle Moment, bei dem Libanesen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher religiöser Bekenntnisse vereint waren, möge in Anerkennung der so weisen Persönlichkeit und des bewundernswerten Werkes eines Ihrer Landsmänner, seine Fortsetzung finden im gemeinsamen Engagement im Dienst am Frieden und an der Einheit der Nation!

Herr Botschafter, Sie beginnen heute Ihre edle Mission als Repräsentant des Libanons beim Heiligen Stuhl, dem die Pflege der hervorragenden Beziehungen zwischen Ihrem Land und dem Apostolischen Stuhl anvertraut ist. Nehmen Sie bitte meine herzlichen Segenswünsche entgegen, die ich Ihnen für ein gutes Gelingen Ihrer Mission ausspreche, und seien Sie sich dessen gewiß, daß Sie bei meinen Mitarbeitern stets das nötige Verständnis und die nötige Unterstützung finden werden.

Auf Sie, auf Ihre Familie, auf Ihre Mitarbeiter an der Botschaft, auf alle Libanesen und alle Verantwortungsträger in Ihrem Land rufe ich von Herzen den reichen göttlichen Segen herab.

AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DER KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE GEWEIHTEN LEBENS UND

FÜR DIE GESELLSCHAFTEN APOSTOLISCHEN LEBENS Donnerstag, 20. November 2008

Meine Herren Kardinäle,

verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

Mit Freude begegne ich euch aus Anlaß der Vollversammlung der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens, die den 100. Jahrestag ihres Bestehens und ihrer Tätigkeit begeht. Denn vor einem Jahrhundert hat mein verehrter Vorgänger, der hl. Pius X., mit der Apostolischen Konstitution Sapienti Consilio vom 29. Juni 1908 eurem Dikasterium als »Congregatio negotiis religiosorum sodalium praeposita« Unabhängigkeit verliehen; diese Bezeichnung wurde später mehrmals geändert. Zur Erinnerung an dieses Ereignis habt ihr für den kommenden 22. November einen Kongreß geplant mit dem bedeutsamen Titel: »Hundert Jahre im Dienst des geweihten Lebens«. Ich wünsche deshalb dieser angemessenen Initiative viel Erfolg.

Die Begegnung heute ist für mich eine sehr günstige Gelegenheit, all diejenigen, die in eurem Dikasterium arbeiten, zu grüßen und ihnen zu danken. An erster Stelle grüße ich den Präfekten Kardinal Franc Rodé, dem ich auch dafür danke, daß er die gemeinsamen Gefühle zum Ausdruck gebracht hat. Mit ihm grüße ich die Mitglieder des Dikasteriums, den Sekretär, die Untersekretäre und die übrigen Offiziale, die mit verschiedenen Aufgaben betraut sind und ihren Dienst mit Sachkunde und Weisheit leisten, um die Praxis der evangelischen Räte in den verschiedenen Formen des geweihten Leben zu »fördern und zu regeln«, ebenso die Tätigkeit der Gesellschaften apostolischen Lebens (vgl. Apost. Konstitution Pastor bonus, 105). Die geweihten Personen sind ein auserwählter Teil des Volkes Gottes: Deren Treue zum Ruf Gottes zu unterstützen und zu bewahren, liebe Brüder und Schwestern, ist das grundlegende Bemühen, das ihr umsetzt gemäß den nunmehr gut erprobten Modalitäten und dank der Erfahrung, die in diesen hundert Jahren der Aktivität gesammelt wurde. Dieser Dienst der Kongregation wurde in den Jahrzehnten nach dem II. Vatikanischen Konzil noch verstärkt, in denen die Anstrengung zur Erneuerung aller Ordens- und Säkularinstitute und der Gesellschaften apostolischen Lebens sowohl im Leben als auch in der Rechtsordnung unternommen wurden. Während ich zusammen mit euch Gott, dem Geber alles Guten, für die guten Früchte danke, die euer Dikasterium in diesen Jahren hervorgebracht hat, denke ich dankbar an alle, die im Laufe dieser hundertjährigen Tätigkeit ihre Kräfte zum Wohl der geweihten Männer und Frauen eingesetzt haben.

Die Vollversammlung eurer Kongregation hat in diesem Jahr ihre Aufmerksamkeit einem Thema gewidmet, das mir besonders lieb ist: dem Mönchtum, »forma vitae«, die sich immer an der Urkirche inspiriert, welche am Pfingsttag geboren wurde (vgl. Apg 2,42–47; 4,32–35). Aus den Ergebnissen eurer Arbeiten, die sich besonders mit dem monastischen Leben der Frauen befaßt haben, können nützliche Hinweise entstehen für die Mönche und Ordensschwestern, die »Gott suchen «, indem sie diese ihre Berufung zum Wohl der ganzen Kirche verwirklichen. Erst kürzlich (vgl. Ansprache an die Welt der Kultur, Paris, 12. September 2008) wollte ich auf die Beispielhaftigkeit des monastischen Lebens in der Geschichte hinweisen, indem ich sein einfaches und wesentliches Ziel unterstrichen habe: »quaerere Deum«, Gott suchen und ihn durch Jesus Christus suchen, der ihn offenbart hat (vgl. Joh Jn 1,1), ihn suchen und dabei den Blick auf die unsichtbaren Wirklichkeiten richten, die ewig sind (vgl. 2Co 4,18), in der Erwartung der Erscheinung der Herrlichkeit des Retters (vgl. Tit Tt 2,13).

»Christo omnino nihil praeponere« (vgl. RB 72,11; Augustinus, Enarr. in Ps 29,9 Cyprian, Ad Fort Ps 4). Dieser Satz, den die Regel des hl. Benedikt von der vorhergehenden Tradition übernimmt, bringt den wertvollen Schatz des monastischen Lebens, wie es bis heute im christlichen Westen und Osten praktiziert wird, gut zum Ausdruck. Er ist eine dringende Einladung, das monastische Leben auszuformen, bis es dem Evangelium gemäßes Gedächtnis der Kirche und – wenn wahrhaftig gelebt – »Vorbildlichkeit für das getaufte Leben« wird (vgl. Johannes Paul II., Orientale lumen, 9). Kraft des absoluten Primats Christi sind die Klöster berufen, Orte zu sein, wo der Feier der Herrlichkeit Gottes Raum gegeben wird, wo die geheimnisvolle, aber reale Gegenwart Gottes in der Welt angebetet und besungen wird: wo man versucht, das neue Gebot der Liebe und des Dienstes am Nächsten zu leben und so die endgültige »Offenbarung der Kinder Gottes« (Rm 8,19) vorzubereiten. Wenn die Mönche das Evangelium in radikaler Weise leben, wenn diejenigen, die sich ganz dem kontemplativen Leben weihen, im Innern die bräutliche Vereinigung mit Christus pflegen, von der die Instruktion dieser Kongregation, Verbi Sponsa (13. Mai 1999), eingehend gesprochen hat, kann das Mönchtum für alle Formen des Ordens- und des geweihten Lebens ein Gedächtnis dessen sein, was wesentlich ist und was den Vorrang in jedem getauften Leben hat: Christus suchen und seiner Liebe nichts vorziehen.

Der Weg, auf den Gott für diese Suche und diese Liebe hinweist, ist sein Wort, das in den Büchern der Heiligen Schrift die Menschen in Fülle zum Nachdenken anregt. Sehnsucht nach Gott und Liebe zu seinem Wort nähren sich gegenseitig und wecken im monastischen Leben die nicht zu unterdrückende Erfordernis des »opus Dei«, des »studium orationis« und der »lectio divina«, was Hören des Wortes Gottes ist, begleitet von den bedeutenden Stimmen der Tradition der Väter und der Heiligen, sowie Gebet, das an diesem Wort ausgerichtet und von ihm gestützt wird. Die jüngste Generalversammlung der Bischofssynode wurde im vergangenen Monat abgehalten und hatte zum Thema: »Das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche«. Sie hat alle Christen erneut aufgerufen, ihr Dasein im Hören des Wortes Gottes zu verwurzeln, das in den Heiligen Schriften enthalten ist; sie hat besonders die Ordensgemeinschaften und alle geweihten Männer und Frauen eingeladen, das Wort Gottes zur täglichen Speise zu machen, insbesondere durch die Praxis der »lectio divina« (vgl. Elenchus praepositionum, 4).

Liebe Brüder und Schwestern, wer ins Kloster eintritt, sucht eine geistliche Oase, wo man lernen kann, als wahre Jünger Jesu in froher und ständiger geschwisterlicher Gemeinschaft zu leben, wobei auch eventuelle Gäste wie Christus selbst aufgenommen werden (vgl. RB 53,1). Dieses Zeugnis ist es, das die Kirche auch in unserer Zeit vom Mönchtum erbittet. Rufen wir Maria an, die Mutter des Herrn, die »hörende Frau«, die der Liebe des aus ihr geborenen Sohnes Gottes nichts voranstellt. Bitten wir sie, sie möge den Gemeinschaften des geweihten Lebens und besonders den monastischen Gemeinschaften helfen, ihrer Berufung und Sendung treu zu bleiben. Mögen die Klöster immer mehr Oasen des asketischen Lebens sein, wo man die Faszination der bräutlichen Einheit mit Christus spürt und wo die Wahl des Absoluten Gottes in eine beständige Atmosphäre der Stille und Kontemplation gehüllt ist. Dafür versichere ich euch meines Gebets und erteile euch, die ihr an der Vollversammlung teilnehmt, von Herzen den Apostolischen Segen, in den auch alle, die in eurem Dikasterium arbeiten, und die Mitglieder der verschiedenen Institute des geweihten Lebens, besonders die des rein kontemplativen Lebens, eingeschlossen sind. Der Herr gieße auf jeden die Fülle seines Trostes aus.

AN DIE TEILNEHMER DER PILGERFAHRT AUS DER ERZDIÖZESE AMALFI-CAVA DE’ TIRRENI

(ITALIEN) Samstag, 22. November 2008



Liebe Brüder und Schwestern!

Seid willkommen im Haus des Nachfolgers Petri: ich empfange euch mit Zuneigung und richte meinen herzlichen Gruß an euch alle. An erster Stelle geht mein Gruß an den Hirten eurer kirchlichen Gemeinschaft, Erzbischof Orazio Soricelli, dem ich für die Worte danke, die er in euer aller Namen an mich gerichtet hat. Sodann grüße ich die Priester, die Diakone und die Seminaristen, die Ordensmänner und -frauen, die mit unterschiedlichen pastoralen Aufgaben betrauten Laien, die Jugendlichen, die Mitglieder des Chors sowie die Kranken mit den freiwilligen Helfern der UNITALSI. Mein Gruß geht des weiteren an die zivilen Autoritäten und an die Bürgermeister der verschiedenen Gemeinden der Erzdiözese, die mit ihren Städtebannern hier anwesend sind. Schließlich richte ich meinen Gruß an die ganze Erzdiözese Amalfi-Cava de’ Tirreni, die sich zu dieser Pilgerfahrt nach Rom zum Grab des Apostels Petrus aufgemacht hat, begleitet von den verehrten Reliquien des hl. Andreas, eures erhabenen Schutzpatrons, die seit dem 4. Jahrhundert in der Krypta eurer Kathedrale aufbewahrt werden. Diese Pilgerfahrt findet ja gerade im Namen des Apostels Andreas statt, aus Anlaß des 800. Jahrestages der Übertragung seiner Reliquien aus dem großen Konstantinopel in eure Stadt Amalfi, die flächenmäßig zwar klein, aufgrund ihrer zivilen und religiösen Geschichte aber ebenfalls sehr bedeutend ist, wie euer Erzbischof vor kurzem in Erinnerung gerufen hat. Vor diesem wertvollen Reliquiar konnte auch ich anläßlich des Festes des hl. Andreas am 30. November 1996 im Gebet verweilen, und ich denke noch immer gern an diesen Besuch zurück.

An diesem nunmehr unmittelbar bevorstehenden Gedenktag wird das Jubiläumsjahr im Rahmen einer Meßfeier abgeschlossen werden, die mein Staatssekretär, Kardinal Tarcisio Bertone, in eurer Kathedrale zelebrieren wird. Es ist ein einzigartiges Jahr gewesen, dessen Höhepunkt die Gedenkfeier am vergangenen 8. Mai war, die Kardinal Walter Kasper als mein Sondergesandter leitete. Indem ihr auf das Vorbild des hl. Andreas schaut und ihn um seine Fürsprache anruft, wollt ihr eurer apostolischen und missionarischen Berufung neuen Schwung verleihen. Auf diese Weise könnt ihr auch die Horizonte eures Herzens im Hinblick auf die Friedenserwartungen der Völker erweitern und eure Gebete für die Einheit aller Christen vermehren. »Berufung«, »Mission« und »Ökumene« sind daher die drei Schlüsselwörter, die euch Orientierung geschenkt haben bei diesem geistlichen und seelsorglichen Engagement. Der Papst ermutigt euch, es mit Großherzigkeit und Enthusiasmus fortzuführen. Der hl. Andreas, der als erster der Apostel von Jesus am Ufer des Flusses Jordan berufen wurde (vgl. Joh 1,35–40), helfe euch, immer mehr die Bedeutung und die Dringlichkeit eures Zeugnisses für das Evangelium in jedem Bereich der Gesellschaft wiederzuentdecken. Eure ganze Diözesangemeinschaft soll auf den Spuren der Urkirche im Glauben wachsen und allen die christliche Hoffnung vermitteln.

Liebe Brüder und Schwestern, unsere heutige Begegnung findet genau am Tag vor dem Hochfest Christkönig statt. Ich lade euch daher ein, den Blick eures Herzens auf unseren Herrn Jesus Christus, den König des Universums, zu richten. Auf dem Antlitz des »Pantokrators« erkennen wir, wie es Papst Paul VI. während des Zweiten Vatikanischen Konzils mit wunderschönen Worten zum Ausdruck gebracht hat, »Christus, unseren Anfang! Christus, unseren Weg und unseren Führer! Christus, unsere Hoffnung und unser Ziel!« (Ansprache bei der Eröffnung der II. Session, 29.9.1963). Das Wort Gottes, das wir morgen hören werden, wird uns erneut daran erinnern, daß sein Antlitz – jene Offenbarung des unsichtbaren Geheimnisses des Vaters – das Antlitz des guten Hirten ist, der bereit ist, sich um die verstreuten Schafe zu kümmern und sie zusammenzuführen, um sie zu weiden und sie wohlbehütet ruhen zu lassen. Geduldig sucht er nach dem verirrten Schaf und nimmt sich des kranken Schafes an (vgl. Ez 34,11–12.15–17). Allein in ihm können wir jenen Frieden finden, den er um den Preis seines Blutes erworben hat, indem er die Sünden der Welt auf sich genommen und uns die Versöhnung erwirkt hat.

Das Wort Gottes wird uns auch daran erinnern, daß das Antlitz Christi, des Königs des Universums, auch das Antlitz des Richters ist, da Gott zugleich guter und barmherziger Hirt wie auch gerechter Richter ist. Vor allem wird uns der Abschnitt aus dem Evangelium (Mt 25,31–46) das große Bild vom Weltgericht vor Augen stellen. In diesem Gleichnis tritt der Menschensohn in seiner Herrlichkeit, umgeben von seinen Engeln, als der Hirte in Erscheinung, der die Schafe von den Böcken scheidet und die Gerechten zu seiner Rechten, die Verfluchten aber zu seiner Linken sammelt. Er lädt die Gerechten ein, das Reich in Besitz zu nehmen, das seit der Erschaffung der Welt für sie bestimmt war, wohingegen er die Verfluchten zum ewigen Feuer verdammt, das für den Teufel und die anderen gefallenen Engel bestimmt ist. Entscheidend ist das Kriterium, das beim Gericht angewandt wird. Dieses Kriterium ist nämlich die Liebe, die praktizierte Nächstenliebe besonders gegenüber den »Geringen« und den Menschen, die sich in großen Schwierigkeiten befinden: die Hungernden, Dürstenden, Fremden, Nackten, Kranken und Gefangenen. Der König verkündet feierlich allen, daß sie das, was sie füreinander getan oder nicht getan haben, sie ihm selbst getan oder nicht getan haben. Christus identifiziert sich also mit den »Geringsten «, und das Weltgericht wird gleichsam der Rechenschaftsbericht über all das sein, was sich bereits im irdischen Leben ereignet hat.

Liebe Brüder und Schwestern, genau das ist es, wofür sich Gott interessiert. Für ihn hat das historische Königtum keine Bedeutung, aber er will in den Herzen der Menschen herrschen und von dort aus in der Welt: Er ist der König des Universums, doch der kritische Punkt, der Bereich, in dem sein Reich in Gefahr geraten kann, ist unser Herz, denn dort trifft Gott auf unsere Freiheit. Wir – und nur wir – können ihn daran hindern, über uns seine Herrschaft auszuüben, und auf diese Weise können wir zum Hindernis für seine Königsherrschaft über die Welt werden: über die Familie, die Gesellschaft, die Geschichte. Wir Männer und Frauen können frei wählen, mit wem wir uns verbünden wollen: mit Christus und seinen Engeln oder aber mit dem Teufel und seinen Anhängern, um mit den Worten des Evangeliums zu sprechen. An uns liegt es, zu entscheiden, ob wir Gerechtigkeit üben oder Böses tun wollen, ob wir Liebe und Verzeihung bringen wollen oder aber Rache und mörderischen Haß. Hiervon hängt unser persönliches Heil ab, aber auch das Heil der Welt. Aus diesem Grund will Jesus uns in sein Königreich aufnehmen; deswegen lädt er uns ein, am Kommen seines Reiches der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens mitzuarbeiten. Es liegt an uns, ob wir ihm antworten, nicht mit Worten, sondern mit Taten: wenn wir uns für den Weg der tatkräftigen und großherzigen Liebe gegenüber dem Nächsten entscheiden, erlauben wir ihm, seine Herrschaft in Zeit und Raum auszuweiten. Der hl. Andreas helfe euch, mutig eure Entscheidung zu erneuern, Christus anzugehören und euch in den Dienst an seinem Reich zu stellen, und die Jungfrau Maria, die Mutter Jesu, unseres Königs, beschütze stets eure Gemeinschaften. Während ich euch meinerseits erneut für euren Besuch danke, versichere ich euch meines Gedenkens im Gebet und segne euch alle von Herzen.
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Benedikt XVI Predigten 241