Benedikt XVI Predigten 251

251

AN DIE BISCHÖFE AUS DEM IRAN

ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES Freitag, 16. Januar 2009


Liebe und verehrte Mitbrüder im Bischofsamt!

Mit Freude und Zuneigung empfange ich euch am heutigen Vormittag. Besonders begrüße ich Seine Exzellenz Ramzi Garmou, den chaldäischen Erzbischof von Teheran und Präsidenten der iranischen Bischofskonferenz, der in eurem Namen freundliche Worte an mich gerichtet hat. Ihr seid die Ordinarien der armenischen, der chaldäischen und der lateinischen Kirche. Ihr repräsentiert also, liebe Mitbrüder, den Reichtum der Einheit in der Vielfalt, der sich im Schoß der katholischen Kirche findet und den ihr täglich in der Islamischen Republik Iran bezeugt. Ich ergreife diese Gelegenheit, um dem ganzen iranischen Volk meinen herzlichen Gruß auszusprechen und ihn durch euch euren Gemeinschaften zu übermitteln. Heute wie ehedem ermutigt die katholische Kirche unermüdlich all jene, denen das Gemeinwohl und der Friede unter den Nationen am Herzen liegen. Der Iran seinerseits, als Brücke zwischen dem Nahen Osten und dem subkontinentalen Asien, wird sicher ebenfalls dazu beitragen, diese Berufung umzusetzen.

Ich freue mich besonders, daß ich euch persönlich meine herzliche Wertschätzung für den Dienst zum Ausdruck bringen kann, den ihr in einem Land leistet, in dem das Christentum seit langem beheimatet ist und wo es sich im Laufe der verschiedenen Geschehnisse der iranischen Geschichte entwickelt und erhalten hat. Meine Dankbarkeit richtet sich in gleicher Weise an die Priester und an die Ordensleute, die in diesem weiten und schönen Land tätig sind. Ich weiß, wie notwendig ihre Präsenz ist und wie wertvoll der geistliche und menschliche Beistand ist, den sie den Gläubigen durch den direkten und täglichen Kontakt leisten und der allen ein schönes Zeugnis bietet.

Ich denke vor allem an die Pflege der alten Menschen sowie an die Hilfe für die gesellschaftlichen Gruppen, die besondere Not leiden. Durch euch grüße ich auch die Personen, die in den kirchlichen Werken tätig sind. Ich möchte zudem den großen Beitrag erwähnen, den die katholische Kirche vor allem durch die Caritas beim Wiederaufbau nach dem schrecklichen Erdbeben geleistet hat, das die Region Bam heimgesucht hatte. Außerdem möchte ich nicht die Gesamtheit der katholischen Gläubigen vergessen, deren Präsenz im Land ihrer Vorfahren an das biblische Bild vom Sauerteig (vgl. Mt Mt 13,33) erinnert, der das Brot aufgehen läßt und ihm Geschmack und Festigkeit verleiht. Durch euch, liebe Mitbrüder, möchte ich ihnen allen für ihre Beständigkeit und ihr Durchhaltevermögen danken und sie ermutigen, dem Glauben ihrer Väter treu und ihrem Land verbunden zu bleiben, um zur Entwicklung der Nation beizutragen.

Auch wenn eure verschiedenen Gemeinschaften in unterschiedlichen Kontexten leben, haben sie teilweise dieselben Probleme. Sie müssen harmonische Beziehungen zu den öffentlichen Institutionen entwickeln, die sich gewiß – mit der Gnade Gottes – allmählich verbessern und ihnen ermöglichen werden, ihren kirchlichen Auftrag im gegenseitigen Respekt und zum Wohle aller aufs beste auszuführen. Ich ermutige euch, alle Initiativen zu fördern, die ein besseres gegenseitiges Verständnis begünstigen. Zwei Wege können beschritten werden: der Weg des kulturellen Dialogs – ein jahrtausendealter Reichtum des Iran – und der Weg der Nächstenliebe.

Letzterer wird ersteren erleuchten und ihn voranbringen. »Die Liebe ist langmütig; die Liebe ist gütig… Die Liebe hört niemals auf« (1Co 13,4 1Co 13,8). Um dieses Ziel zu erreichen und vor allem für den geistlichen Fortschritt eurer jeweiligen Gläubigen, sind Arbeiter notwendig, die säen und ernten: Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen. Eure zahlenmäßig kleinen Gemeinschaften erlauben nicht das Entstehen von vielen lokalen Berufungen – zu denen dennoch ermutigt werden muß. Zudem sind die Priester und Ordensleute bei der Erfüllung ihres schwierigen Auftrags gezwungen, viel auf Reisen zu gehen, um die verschiedenen christlichen Gemeinschaften zu erreichen, die im gesamten Land verstreut sind. Um diese konkrete Schwierigkeit sowie andere Schwierigkeiten zu überwinden, wird die Bildung einer bilateralen Kommission mit euren Behörden untersucht, die auch die Beziehungen und das gegenseitige Verständnis zwischen der Islamischen Republik Iran und der katholischen Kirche fördern soll.

Ich möchte einen weiteren Aspekt eures Alltags erwähnen. Manchmal suchen die Christen eurer Gemeinschaften andernorts nach Möglichkeiten, die für ihr Berufsleben und für die Ausbildung ihrer Kinder vorteilhafter sind. Dieser legitime Wunsch ist bei den Menschen vieler Länder anzutreffen, und er ist im Menschsein verankert, das immer nach Besserem strebt. Eine solche Situation drängt euch als Hirten eurer Herde dazu, besonders den Gläubigen zu helfen, die im Iran bleiben, und sie zu ermutigen, den Kontakt mit den Mitgliedern ihrer Familie aufrechtzuerhalten, die sich für ein anderes Schicksal entschieden haben.

So werden diese imstande sein, ihre Identität und ihren ursprünglichen Glauben zu bewahren. Vor euch liegt ein langer Weg. Er erfordert viel Geduld und Beständigkeit. Das Beispiel Gottes, der sich seinem Volk gegenüber barmherzig und geduldig zeigt, sei euer Vorbild und helfe euch, den notwendigen Weg zum Dialog zurückzulegen.

Eure Kirchen sind Erben einer edlen Tradition und einer langen christlichen Präsenz im Iran. Sie haben jede auf ihre Weise zum Leben und zum Aufbau des Landes beigetragen. Sie möchten ihre Arbeit im Iran fortsetzen und dabei ihre eigene Identität beibehalten und ihren Glauben in Freiheit leben. In meinen Gebeten vergesse ich euer Land und die dort lebenden katholischen Gemeinschaften nicht, und ich bitte Gott, sie zu segnen und ihnen beizustehen.

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, ich möchte euch meiner Zuneigung und meiner Unterstützung versichern. Ich wäre euch dankbar, wenn ihr nach eurer Rückkehr in den Iran euren Priestern, euren Ordensmännern und Ordensfrauen sowie allen euren Gläubigen sagt, daß der Papst ihnen nahe steht und für sie betet. Möge euch die mütterliche Zärtlichkeit der Jungfrau Maria bei eurer apostolischen Mission begleiten, und möge die Mutter Gottes ihrem göttlichen Sohn alle Anliegen, Sorgen und Freuden der Gläubigen eurer verschiedenen Gemeinschaften vorbringen! Ich erteile euch in diesem Jahr, das dem hl. Paulus, dem Völkerapostel geweiht ist, meinen besonderen Segen.


252

KONZERT DER REGENSBURGER DOMSPATZEN

ANLÄSSLICH DES 85. GEBURTSTAGS VON

MSGR. GEORG RATZINGER

WORTE VON BENEDIKT XVI.

Sixtinische Kapelle

Samstag, 17. Januar 2009



Liebe Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
verehrter Bischof Gerhard Ludwig,
sehr geehrte Gäste aus Regensburg,
geschätzte Musiker und liebe Domspatzen,
lieber Georg!

... auf italienisch:

Liebe italienischsprachige Freunde!

Während ich eben der C-Moll Messe von Mozart zuhörte, dachte ich daran, wie wir im weit zurückliegenden Jahr 1941 auf Initiative meines lieben Bruders Georg zusammen die Salzburger Festspiele besucht haben. Damals konnten wir einige herausragende Konzerte hören und unter diesen in der Abteikirche Sankt Peter die Aufführung der C-Moll Messe. Es war ein unvergeßlicher Augenblick, der spirituelle Höhepunkt unseres kulturellen Ausflugs würde ich sagen. Gerade deshalb war es für uns ein besonderer Grund zur Freude, aus Anlaß des Geburtstags meines Bruders erneut diese großartige und tiefgründige Sakralmusik des großen Sohnes von Salzburg, Wolfgang Amadeus Mozart, hören zu können. Auch im Namen meines Bruders danke ich für dieses wundervolle Geschenk, das es uns erlaubt hat, geistlich und künstlerisch außerordentliche Momente zu erleben.

auf deutsch:

Lieber Georg, liebe Freunde,

es sind also jetzt fast 70 Jahre, daß Du die Initiative ergriffen hast und wir miteinander nach Salzburg gefahren sind und in der herrlichen Abteikirche Sankt Peter die C-Moll Messe von Mozart gehört haben. Obwohl ich damals noch ein ziemlich einfältiger Bub war, habe ich doch mit Dir begriffen, daß wir mehr als irgendein Konzert erlebt hatten, daß es gebetete Musik, daß es Gottesdienst war, in dem wir etwas von der Herrlichkeit und der Schönheit Gottes selbst angerührt hatten, von ihr berührt worden waren. Nach dem Krieg sind wir noch wiederholt nach Salzburg gefahren, um die C-Moll Messe zu hören, und so ist sie tief in unsere innere Biographie eingeschrieben. Die Überlieferung erzählt, daß Mozart diese Messe in Einlösung eines Gelübdes komponiert hat: als Dank für seine Hochzeit mit Constanze Weber. Und so erklären sich auch die großen Sopransoli, in denen Constanze dann dazu berufen war, dem Dank und der Freude Stimme zu geben – gratias agimus Tibi propter magnam gloriam tuam – Dank für Gottes Güte, die sie berührt hatte. Vom streng liturgischen Standpunkt her kann man einwenden, daß diese großen Soli die Nüchternheit der römischen Liturgie etwas verlassen, aber man kann auch dagegen fragen: Hören wir darin nicht die Stimme der Braut, der Kirche, wovon uns gerade Bischof Gerhard Ludwig gesprochen hat? Ist es nicht eben die Stimme der Braut, die ihre Freude über das Geliebtsein durch Christus und ihre Liebe darin zum Klingen bringt und somit uns als lebendige Kirche vor Gott hin trägt, in ihrem Dank und in ihrer Freude? Mozart hat in die alles Individuelle überschreitende Größe dieser Musik und der heiligen Messe seinen ganz persönlichen Dank hineingelegt. In dieser Stunde haben wir mit Dir, lieber Georg, Gott gedankt im Erklingen dieser Messe für die 85 Jahre Leben, die er Dir nun geschenkt hat. Professor Hummes hat in dem Programmheft eindringlich dargestellt, daß der Dank dieser Messe nicht etwa ein oberflächlicher und leicht hingeworfener Dank eines Rokokomenschen ist, sondern daß in dieser Messe auch die ganze Tiefe seines Ringens, seines Suchens nach Vergebung, nach der Erbarmung Gottes zum Ausdruck kommt, und dann aus diesen Tiefen heraus umso strahlender sich die Freude über Gott erhebt.

Die 85 Jahre Deines Lebens sind auch nicht immer leicht gewesen. Als Du zur Welt kamst, war die Inflation kaum zu Ende, und die Menschen, auch unsere Eltern, hatten alles verloren, was sie gespart hatten. Dann kam die Weltwirtschaftskrise, die Nazidiktatur, der Krieg, die Gefangenschaft… Und dann haben wir mit neuer Hoffnung und Freude in einem zerschlagenen und ausgebluteten Deutschland unseren Weg begonnen. Und auch da haben immer wieder schwierige Steilwände, dunkle Passagen nicht gefehlt, aber immer wieder war von neuem die Güte Gottes zu spüren, die Dich gerufen und geführt hat. Von Anfang an, sehr früh, ist bei Dir diese doppelte Berufung sichtbar geworden, zur Musik und zum Priestertum, beides ineinandergreifend; und so bist Du Deine Wege geführt worden und gegangen, bis Dir die Vorsehung die Stelle in Regensburg bei den Regensburger Domspatzen geschenkt hat, in der Du priesterlich der Musik dienen konntest und der Welt und den Menschen die Freude an Gott durch die Schönheit der Musik und des Gesanges vermitteln durftest. Auch da gab es Mühsal genug – jede Probe ist eine Mühsal, wir ahnen es und wissen es, auch andere Mühsal... Aber dann war es immer wieder groß und schön, wenn der Chor leuchtend ertönte und in die weite Welt hinein die Freude, die Schönheit Gottes getragen hat. Dafür danken wir dem lieben, gütigen Gott heute mit Dir und danken Dir selber, daß er es so geführt hat, daß Du Deine ganze Kraft, Deine Disziplin, Deine Freude, Deine Phantasie und Deine Kreativität in diese 30 Jahre mit den Regensburger Domspatzen hineingelegt hast und uns so immer wieder zu Gott hin geführt hast.

Aber natürlich und vor allem freuen wir uns in dieser Stunde auch, daß dieser Chor, der seit über 1.000 Jahren ohne Unterbrechung in der Kathedrale zu Regensburg das Lob Gottes singt, obwohl er der älteste Kirchenchor der Welt ist, der ununterbrochen so besteht, auch heute jung ist und mit junger Kraft und Schönheit uns das Lob Gottes gesungen hat. Euch, liebe Domspatzen, ein herzliches „Vergelt’s Gott“, dem Domkapellmeister, allen, besonders auch dem Orchester und den Solisten, die uns den Originalklang der Mozartzeit wieder geschenkt haben. Ein herzliches „Vergelt’s Gott“ Ihnen allen!

Weil menschliches Leben immer unvollendet bleibt, solange wir auf dem Wege sind, daher ist in allem menschlichen Dank auch immer wieder Erwartung, Hoffnung und Bitte enthalten; und so bitten wir heute den gütigen Gott, daß er Dir, lieber Georg, noch einige gute Jahre schenken möge, in denen Dir weiterhin Freude an Gott und durch die Musik geschenkt ist und Du den Menschen als Priester dienen darfst; und wir bitten ihn, daß wir einmal alle in das himmlische Konzert hineingehen dürfen und dort endgültig Gottes Freude erfahren.

...auf italienisch: Während ich auch im Namen der italienischsprachigen Gäste all denen, die diese schöne Initiative gefördert und verwirklicht haben, von Herzen danke, möchte ich dem Wunsch Ausdruck verleihen, daß diese im einmaligen Kontext der Sixtinischen Kapelle gehörte wundervolle Musik dazu beitragen möge, unsere Beziehung zu Gott zu vertiefen. Sie möge dazu dienen, in unserem Herzen die Freude wiederzubeleben, die aus dem Glauben kommt, damit jeder von uns im alltäglichen Lebensumfeld mit Überzeugung von ihr Zeugnis geben kann. Und natürlich gilt mein herzlicher Dank auch dem Bischof und dem Domkapitel und allen, die zur Verwirklichung dieses Konzertes beigetragen haben. Mit diesen Empfindungen erteile ich allen voll Zuneigung den Apostolischen Segen.


253

VIDEOBOTSCHAFT ZUM VI. WELTFAMILIENTREFFEN

IN MEXIKO-STADT


Sonntag, 18. Januar 2009




Liebe Brüder und Schwestern!

1. Ich grüße euch alle ganz herzlich am Ende der festlichen Eucharistiefeier, mit der das VI. Weltfamilientreffen in Mexiko Stadt zu Ende geht. Ich danke Gott für so viele Familien, die sich, ohne Mühen zu scheuen, um den Altar des Herrn versammelt haben.

Insbesondere grüße ich Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der als mein Päpstlicher Legat dieser Feier vorstand. Ebenso gilt meine herzliche Verbundenheit und Dankbarkeit Kardinal Ennio Antonelli sowie den Mitgliedern des Päpstlichen Rats für die Familie, den er leitet, dem Erzbischof und Primas von Mexiko, Kardinal Norberto Rivera Carrera, und der Zentralkommission, die für die Organisation dieses VI. Weltfamilientreffens gesorgt hat. Meine Anerkennung bringe ich auch all jenen zum Ausdruck, die mit ihrem aufopferungsvollen Einsatz und ihrem Engagement dieses Treffen ermöglicht haben. Ich grüße schließlich die bei der Eucharistiefeier anwesenden Kardinäle und Bischöfe, insbesondere die Mitglieder der Mexikanischen Bischofskonferenz, sowie die staatlichen Autoritäten dieser geliebten Nation, die diese wichtige Veranstaltung großzügig aufgenommen und ermöglicht haben.

Die Mexikaner wissen, daß sie dem Herzen des Papstes sehr nahe sind. Ich denke an sie und bringe ihre Freuden und Hoffnungen, ihre Pläne und ihre Sorgen vor Gott, den Vater. In Mexiko hat das Evangelium tiefe Wurzeln geschlagen und hat seine Traditionen, seine Kultur und die Identität seines edlen Volkes geprägt. Dieses reiche Erbe muß gepflegt werden, damit es weiterhin die Quelle moralischer und geistlicher Kraft ist, um mutig und kreativ den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen und um diesen Reichtum als kostbares Geschenk den neuen Generationen übergeben zu können.

Ich habe mit Freude und Interesse an diesem Weltfamilientreffen Anteil genommen, vor allem durch mein Gebet sowie durch konkrete Orientierungen und aufmerksame Begleitung der Vorbereitung und des Verlaufs. Heute bin ich dank der modernen Kommunikationsmittel geistlich zu diesem Marienheiligtum gepilgert, das das Herz Mexikos und ganz Amerikas ist, um Unserer Lieben Frau von Guadalupe alle Familien der Welt anzuvertrauen.

2. Dieses Weltfamilientreffen wollte die christlichen Hausgemeinschaften ermutigen, auf daß in ihnen Menschen leben, die frei sind und reich sowohl an menschlichen Werten wie auch an den Werten des Evangeliums, Menschen auf dem Weg zur Heiligkeit; denn das ist der beste Dienst, den die Christen unserer heutigen Gesellschaft leisten können. Die Antwort der Christen auf die Herausforderungen, denen sich die Familie und das menschliche Leben im allgemeinen stellen müssen, besteht darin, das Vertrauen auf den Herrn zu stärken wie auch die Kraft, die der Glaube schenkt, der sich aus dem aufmerksamen Hören auf das Wort Gottes nährt.

Wie schön ist es, als Familie zusammenzukommen und Gott durch sein lebendiges und wirksames Wort zu den Herzen der Eltern und Kinder sprechen zu lassen. Im Gebet, besonders beim Rosenkranz, so wie er gestern gebetet wurde, betrachtet die Familie die Geheimnisse des Lebens Jesu, verinnerlicht die Werte, die sie meditiert, und fühlt sich berufen, sie im eigenen Leben umzusetzen.

3. Die Familie ist ein unverzichtbares Fundament für die Gesellschaft und die Nationen. Ebenso ist sie ein unersetzbares Gut für die Kinder, deren Würde es entspricht, als Frucht der Liebe auf die Welt zu kommen, als Frucht der großherzigen Ganzhingabe der Eltern. So wie es Jesus gezeigt hat, der die Jungfrau Maria und den hl. Josef ehrte, nimmt die Familie einen herausragenden Platz in der Erziehung des Menschen ein. Sie ist eine wirkliche Schule des Menschseins und der unvergänglichen Werte. Niemand hat sich seine Existenz selbst gegeben.

Wir haben das Leben von anderen empfangen, und es entfaltet sich und reift mit den Wahrheiten und Werten, die wir in Beziehung und in Gemeinschaft mit den anderen gelernt haben. In diesem Sinn bringt die Familie, die auf der unauflöslichen Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gründet, diese Dimension der Beziehung, des Kindseins und der Gemeinschaft zum Ausdruck und wird zum Ort, an dem der Mensch in Würde zur Welt kommen, wachsen und sich umfassend entfalten kann (vgl. Predigt bei der Eucharistiefeier des V. Weltfamilientreffens, Valencia, 9. Juli 2006).

Diese Erziehungstätigkeit wird jedoch durch eine irreführende Vorstellung von Freiheit erschwert, in der die Launen und subjektiven Neigungen des einzelnen derartig überbetont werden, daß am Ende jeder in seinem eigenen Ich gefangen ist. Die wahre Freiheit des Menschen kommt daher, daß er nach dem Bild Gottes und ihm ähnlich geschaffen wurde. Deshalb muß die Freiheit verantwortungsvoll gelebt werden, indem der Mensch sich stets für das wahre Gut entscheidet. So wird die Freiheit zur Liebe, zur Selbsthingabe. Um dies zu erreichen bedarf es nicht so sehr der Theorien, sondern der Nähe und Liebe, die die Familiengemeinschaft auszeichnen. Im eigenen Zuhause lernt man, wie man wirklich lebt, man lernt, das Leben und die Gesundheit zu schätzen, die Freiheit und den Frieden, die Gerechtigkeit und die Wahrheit, die Arbeit, die Eintracht und den Respekt.

4. Heute ist mehr denn je das Zeugnis und der öffentliche Einsatz aller Getauften erforderlich, um die Würde und den einzigartigen und unersetzlichen Wert der auf der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegründeten und für das Leben offenen Familie zu bekräftigen, sowie auch den Wert des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen.

Es müssen auch gesetzliche und administrative Maßnahmen gefördert werden, die die Familien in ihren unveräußerlichen Rechten unterstützen, die notwendig sind, damit sie ihre außerordentlich wichtige Aufgabe erfüllen können. Die Zeugnisse, die in der gestrigen Feier vorgestellt wurden, zeigen, daß die Familie auch heute in der Liebe Gottes standhalten und die Menschheit im neuen Jahrtausend erneuern kann.

5. All jene Familien, die in besonders schwierigen Umständen für die Treue Zeugnis ablegen, versichere ich meiner Nähe und meines Gebetes. Ich ermutige die kinderreichen Familien, die – manchmal trotz Hindernissen und Unverständnis – ein Beispiel der Großzügigkeit und des Gottvertrauens geben. Zugleich hoffe ich, daß es ihnen nicht an der nötigen Unterstützung fehlt. Ich denke auch an die Familien, die an Armut und Krankheit leiden, die ausgegrenzt werden oder auswandern mußten. Und ganz besonders denke ich an die christlichen Familien, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden. Der Papst ist euch allen sehr nahe und begleitet euch in euren täglichen Mühen.

6. Bevor dieses Treffen zu Ende geht, kündige ich gerne an, daß das VII. Weltfamilientreffen, so Gott will, im Jahr 2012 in Italien, in der Stadt Mailand, mit dem Thema »Die Familie, die Arbeit und das Fest« stattfinden wird. Ich danke Kardinal Dionigi Tettamanzi, dem Erzbischof von Mailand, herzlich, daß er diese wichtige Aufgabe angenommen hat.

7. Ich vertraue alle Familien der Welt dem Schutz der seligen Jungfrau Maria an, die in Mexiko unter der Anrufung »Unsere Liebe Frau von Guadalupe« so sehr verehrt wird. Zu ihr, die uns immer daran erinnert, daß wir unser Glück in der Erfüllung des Willens Christi finden (vgl. Joh Jn 2,5), möchte ich jetzt beten:

Heilige Mutter von Guadalupe, du hast den Völkern des amerikanischen Kontinents
deine Liebe und Zuneigung gezeigt,
erfülle alle Völker und Familien der Welt
mit Freude und Hoffnung.

Du gehst uns voran und führst uns auf unserem Weg des Glaubens
zur ewigen Heimat,
dir vertrauen wir die Freuden, die Pläne,
die Sorgen und die Sehnsüchte aller Familien an.

Oh Maria,
zu dir kommen wir voll Vertrauen auf deine mütterliche Liebe.
Höre auf die Gebete für die Familien der ganzen Welt,
die wir in dieser entscheidenden Etappe der Geschichte an dich richten;
schließe uns alle in dein mütterliches Herz
und begleite uns auf unserem Weg zur ewigen Heimat.

Amen.



AN EINE ÖKUMENISCHE DELEGATION AUS FINNLAND Montag, 19. Januar 2009

Liebe und verehrte Freunde aus Finnland!


Mit großer Freude heiße ich euch alle zu diesem jährlichen Besuch in Rom anläßlich des Festes eures Schutzpatrons, des hl. Henrik, willkommen, und ich danke Bischof Gustav Björkstrand für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat.

Diese Pilgerfahrten sind eine Gelegenheit zu gemeinsamem Gebet, zu Reflexion und Dialog im Dienst unseres Strebens nach voller Gemeinschaft. Euer Besuch findet während der Gebetswoche für die Einheit der Christen statt, deren Thema dieses Jahr dem Buch Ezechiel entnommen ist: »Damit sie eins werden in deiner Hand« (Ez 37,17). Die Vision des Propheten spricht von zwei Hölzern, welche die beiden Königreiche symbolisieren, in die das Volk Gottes geteilt worden war, und die wieder miteinander vereint werden sollen (vgl. Ez 37,15–23). Im Zusammenhang mit dem Ökumenismus spricht diese Vision zu uns von Gott, der uns ständig in eine tiefere Einheit in Christus zieht, indem er uns erneuert und uns von unseren Spaltungen befreit.

Die lutherisch-katholische Dialogkommission in Finnland und Schweden befaßt sich weiterhin mit der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre. In diesem Jahr begehen wir den zehnten Jahrestag dieser bedeutenden Erklärung, und die Kommission studiert nun deren Konsequenzen und die Möglichkeit ihrer Rezeption. Unter dem Thema »Rechtfertigung im Leben der Kirche« trägt der Dialog dem Wesen der Kirche als Zeichen und Werkzeug des in Jesus Christus verwirklichten Heils und nicht einfach als einer bloßen Versammlung von Gläubigen oder einer Institution mit verschiedenen Funktionen immer stärker Rechnung.

Eure Pilgerfahrt nach Rom findet im Paulusjahr statt – anläßlich des Zweitausendjahr-Jubiläums der Geburt des Völkerapostels, dessen Leben und Lehre unermüdlich der Einheit der Kirche galt. Der hl. Paulus erinnert uns an die wunderbare Gnade, die wir dadurch empfangen haben, daß wir durch die Taufe Glieder des Leibes Christi wurden (vgl. 1 Kor 12,12–31). Die Kirche ist der mystische Leib Christi und wird unablässig vom Heiligen Geist geleitet, dem Geist des Vaters und des Sohnes. Nur aufgrund dieser Wirklichkeit der Fleischwerdung kann der sakramentale Charakter der Kirche als Gemeinschaft in Christus verstanden werden. Ein Konsens hinsichtlich der tiefen christologischen und pneumatologischen Implikationen des Geheimnisses der Kirche würde sich als eine vielversprechende Grundlage für die Arbeit der Kommission erweisen. Von Paulus lernen wir auch, daß die Einheit, die wir suchen, nichts weniger ist als das Sichtbarwerden unserer vollen Eingliederung in den Leib Christi, wodurch »ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, Christus (als Gewand) angelegt habt…, denn ihr alle seid ›einer‹ in Christus Jesus« (Gal 3,27–28). Mit diesem Ziel, liebe Freunde, ist es meine inständige Hoffnung, daß euer Besuch in Rom die ökumenischen Beziehungen zwischen Lutheranern und Katholiken in Finnland, die seit vielen Jahren so positiv sind, weiter stärken werde. Laßt uns miteinander Gott für alles danken, was in den Beziehungen zwischen Katholiken und Lutheranern bisher erreicht worden ist, und laßt uns darum beten, daß uns der Geist der Wahrheit im Dienst des Evangeliums zu immer größerer Einheit führen möge.

Mit diesen Empfindungen der Zuneigung und am Beginn dieses neuen Jahres rufe ich auf euch und eure Familien Gottes Gaben der Freude und des Friedens herab.
254

VERLEIHUNG DER EHRENBÜRGERSCHAFT VON MARIAZELL

FÜR DEN HEILIGEN VATER

GRUSSWORTE VON BENEDIKT XVI.

Mittwoch, 21. Januar 2009

Exzellenz,

lieber Bischof Kapellari,
sehr verehrter Herr Bürgermeister,
lieber Pater Karl, verehrte Freunde,
ich kann jetzt nicht alle aufzählen, die ich nennen müsste…
Herr Botschafter, natürlich!

In dieser Stunde kann ich nur einfach von Herzen Dank sagen, „Vergelt’s Gott" erwidern; ich freue mich, daß ich jetzt ein „Mariazeller" bin und so ganz nah bei der Muttergottes wohnen darf. Mir sind natürlich wieder die zwei Besuche, die Sie erwähnt haben, in den Sinn gekommen: 2004 mit den europäischen Notaren , bei strahlendem Wetter. Wir haben damals miteinander gespürt, was Europa bauen kann, wovon her es gekommen ist, was seine Identität ist und wodurch es immer wieder es selbst werden kann: durch die Begegnung mit dem Herrn, zu der uns seine Mutter verhilft. Denn gerade in der Mutter spüren wir, daß Gott ein Mensch geworden ist. Und so haben wir die Freude des Gemeinsamseins, die Kraft unserer Wurzeln und damit auch die Möglichkeit einer neuen Zukunft miteinander verspürt.

Beim Pastoralbesuch, dann, hat es geregnet. Aber ich finde, daß wir gerade durch den Regen eigentlich noch nä her, noch fester beieinander gestanden sind: Der Regen hat uns zueinander geführt und uns dieses Gefühl des Miteinander und des Miteinander mit dem Herrn und seiner Mutter erst recht gegeben. Bischof Kapellari hat das Wort geprägt: „Katholiken sind wetterfest". Und daß das wahr ist, haben wir dann auch gesehen. Und so ist gerade im Regen Freude entstanden. Wir haben gemerkt, daß es manchmal auch gut sein kann, „im Regen zu stehen", daß Regen eine Gnade sein kann – der Direktor des Osservatore Romano hat dann das Wort geprägt, das sei eine „pioggia di grazie", ein „Gnadenregen" gewesen – und daß es vielleicht auch gut sein kann, manchmal in der Geschichte „im Regen zu stehen", daß man dann gerade am richtigen Ort ist und das Richtige tut.

Mariazell ist mehr als ein „Ort", es ist Gegenwart lebendiger Geschichte einer Pilgerschaft der Jahrhunderte des Glaubens und des Betens. Und mit dieser Pilgerschaft von Jahrhunderten des Betens, die man förmlich physisch wahrnimmt, ist nicht nur das Beten und Rufen der Menschen, sondern auch die Wirklichkeit einer Antwort gegenwärtig: Wir spüren, daß es Antwort gibt, daß wir nicht irgendwo ins Unbekannte ausgreifen, sondern da ß Gott da ist und daß er durch die Mutter uns besonders nahe sein will. Dieses Gefühl der Dankbarkeit überkommt einen dort, und deswegen freue ich mich eben, daß ich mit dem Herzen und nun auch „rechtlich", sozusagen, in Mariazell mit angesiedelt bin.

Aller Voraussicht nach werde ich in diesem Leben nicht mehr physisch dorthin wallfahren können, aber nun wohne ich ja richtig dort, und insofern bin ich doch immer mit dabei. Und bei den Wanderungen in den Landschaften der Erinnerungen mache ich auch immer wieder Halt in Mariazell, gerade auch weil ich spüre, wie hier die Mutter uns begegnet und uns zueinander führt. Die Muttergottes von Mariazell hat große Titel – Magna Mater Austriae, Domina Magna Hungarorum, Magna Mater gentium slavorum –, und in diesen großen Titeln kommt zum Ausdruck daß da, wo Menschen zur Mutter kommen – und zum Vater kommen –, daß sie da Geschwister werden, daß da Einheit entsteht, daß dies einheitsbildende Kraft hat und daß von da aus dann Gemeinschaft gebaut werden kann. Und vor allen Dingen: Maria ist sehr wohl Magna Mater, aber ihre Größe zeigt sich gerade darin, daß sie sich zu den Kleinen neigt und für die Kleinen da ist, daß man ohne Eintrittsbillet nur einfach mit dem Herzen immerfort zu ihr Zutritt hat. Und so lernen wir von ihr auch, was wahrhaft groß ist: nicht die Unnahbarkeit, nicht die äußere Hoheit, sondern gerade die Güte des Herzens, die allen das Miteinander eröffnet.

So sage ich am Schluß einfach nochmal ein herzliches „Vergelt’s Gott" und vielen Dank, daß ich ein Mariazeller bin! Das wird in meinem Herzen verankert bleiben. Lieber Bischof Kapellari, liebe Professoren, ich hätte vielleicht auch noch etwas zu dem Buch sagen sollen, aber die Muttergottes ist so groß, daß das Buch dann mit eingeschlossen ist. Herzlichen Dank für alles!



AN SEINE SELIGKEIT IGNACE YOUSSIF III. YOUNAN,

NEUER SYRISCH-KATHOLISCHER PATRIARCH VON ANTIOCHIEN Freitag, 23. Januar 2009



Eminenz,
Eure Seligkeiten,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Ich empfange euch mit Freude und richte an jeden von euch meinen herzlichen Willkommensgruß. Gleichzeitig danke ich unserem Herrn Jesus Christus am Ende der Synode der syrischkatholischen Kirche, die ihren neuen Patriarchen gewählt hat.

Mein brüderlicher Gruß gilt zunächst dem soeben gewählten Patriarchen, Ignace Youssif Younan, auf den ich reichen göttlichen Segen herabrufe. Der Herr gewähre Eurer Seligkeit die »Gnade des Apostolats«, damit Sie der Kirche dienen und seinen heiligen Namen vor der Welt verherrlichen können.

Ich begrüße Seine Eminenz Herrn Kardinal Leonardo Sandri, den Präfekten der Kongregation für die Orientalischen Kirchen, dem ich den Vorsitz eurer Synode anvertraut habe und dem ich aufrichtig danke.

Ebenso begrüße ich Seine Seligkeit Herrn Kardinal Ignace Moussa Daoud, den emeritierten Präfekten der Kongregation für die Orientalischen Kirchen, und Seine Seligkeit Ignace Pierre Abdel Ahad, den emeritierten Patriarchen, sowie euch alle, die ihr nach Rom gekommen seid, um die wichtigste Amtshandlung, die der synodalen Verantwortung zukommt, auszuführen.

Von den Anfängen des Christentums an waren die Apostel Petrus und Paulus eng mit Antiochien verbunden, wo man die Jünger Jesu zum erstenmal Christen nannte (vgl. Apg Ac 11,26). Eure berühmten Väter im Glauben sind für uns unvergeßlich: an erster Stelle der hl. Ignatius, Bischof von Antiochien, dessen Namen die syrisch-antiochenischen Patriarchen im Augenblick der Übernahme des Patriarchenamts traditionsgemäß annehmen, und der hl. Ephräm, gemeinhin der Syrer genannt, dessen geistliches Licht die Universalkirche auch weiterhin hell erleuchtet. Mit ihnen haben auch andere große Heilige, Söhne und Hirten eurer Kirche, das Heilsgeheimnis – und das mehr als einmal – durch die hohe Beredtheit des Martyriums wunderbar darlegt.

Der neue Patriarch ist der erste Hüter dieses Erbes; dennoch muß ein jeder als Bruder und Mitglied der Synode im Geiste wirklicher bischöflicher Kollegialität auch selbst dazu seinen Beitrag leisten. In die Hände des neuen Patriarchen und des syrisch-katholischen Episkopats lege ich zuallererst und vor allem die Aufgabe der Einheit unter den Hirten und innerhalb der kirchlichen Gemeinschaften.

Eure Seligkeit!

Bei dieser freudigen Gelegenheit haben Sie, den heiligen Kanones entsprechend, um die »ecclesiastica communio« gebeten, die ich Ihnen gerne gewährt und damit einen Aspekt des Petrusamtes erfüllt habe, der mir besonders am Herzen liegt. Die Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger des heiligen Apostels Petrus, den der Herr selbst als sichtbares Fundament der Einheit im Glauben und in der Liebe einsetzte, gewährleistet die Bindung an Christus, den Hirten, und fügt die Teilkirchen ein in das Geheimnis der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche.

Eure Seligkeit, Sie sind in Syrien geboren und aufgewachsen und kennen den Nahen Osten, die Wiege der syrisch-katholischen Kirche, sehr gut. Ihren bischöflichen Dienst haben Sie jedoch in Amerika ausgeübt, als erster Bischof der Eparchie »Our Lady of Deliverance in Newark« für die syrischen Gläubigen, die in den Vereinigten Staaten und in Kanada ansässig sind, und Sie haben auch das Amt des Apostolischen Visitators in Mittelamerika übernommen. Die orientalische Diaspora hat also dazu beigetragen, der syrischen Kirche ihren neuen Patriarchen zu geben. So werden die Bindungen an das Mutterland, das viele Orientalen verlassen müssen, um bessere Lebensbedingungen zu suchen, noch enger. Es ist mein Wunsch, daß im Orient, aus dem die Verkündigung des Evangeliums gekommen ist, die christlichen Gemeinschaften auch weiterhin am Leben bleiben und ihren Glauben bezeugen, wie sie es seit Jahrhunderten getan haben. Gleichzeitig wünsche ich, daß allen, die sich andernorts niedergelassen haben, die entsprechende pastorale Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, damit sie in fruchtbarer Weise mit ihren religiösen Wurzeln verbunden bleiben können. Ich bitte den Herrn, jeder orientalischen Gemeinschaft zu helfen, sich dort, wo sie sich befindet, in ihr neues soziales und kirchliches Umfeld einzufügen, ohne ihre eigene Identität zu verlieren und unter Bewahrung der Merkmale der orientalischen Spiritualität, damit die Kirche zum heutigen Menschen wirksam von Christus spricht, indem sie »die Worte des Orients und des Abendlandes« gebraucht. Auf diese Weise werden die Christen den dringendsten Herausforderungen der Menschheit begegnen, den Frieden und die weltweite Solidarität aufbauen und Zeugnis geben von der »großen Hoffnung«, deren unermüdliche Boten sie sind.

Eurer Seligkeit und der syrisch-katholischen Kirche spreche ich mit Freuden herzliche Glückwünsche aus.

Ich bitte den Friedensfürsten, euch als »caput et pastor« beizustehen, ebenso wie allen euren Brüdern und Söhnen, auf daß ihr Frieden säen möget vor allem im Heiligen Land, im Irak und im Libanon, wo die syrische Kirche für ihre historische Präsenz hochgeschätzt wird.

Indem ich euch alle der allerseligsten Muttergottes anvertraue, erteile ich dem neuen Patriarchen und einem jeden von euch sowie den Gemeinschaften, die ihr vertretet, von ganzem Herzen den Apostolischen Segen.



AN DIE BISCHÖFE DER CHALDÄISCHEN KIRCHE

ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES Samstag, 24. Januar 2009


Eure Seligkeit,
liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst!

Zum Abschluß eures »Ad-limina«-Besuches heiße ich euch, die Hirten der chaldäischen Kirche, mit eurem Patriarchen, Seiner Seligkeit Kardinal Emmanuel III. Delly, mit großer Freude willkommen; ihm danke ich für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Dieser Besuch ist ein wichtiger Augenblick, denn er ermöglicht, die Bande des Glaubens und der Gemeinschaft mit der Kirche von Rom und dem Nachfolger Petri zu festigen. Er bietet mir auch Gelegenheit, euch und durch euch alle Gläubigen eurer ehrwürdigen Patriarchalkirche sehr herzlich zu grüßen und euch in diesen schwierigen Momenten, die eure Region und besonders der Irak immer noch erleben, meines inständigen Gebetes und meiner geistlichen Nähe zu versichern.

Erlaubt mir, an dieser Stelle mit innerer Anteilnahme der Opfer der Gewalt der letzten Jahre im Irak zu gedenken. Ich denke dabei an den Erzbischof von Mossul, Paul Faraj Rahho, an den Priester Ragheed Aziz Ganni sowie an viele andere Priester und Gläubige eurer Patriarchalkirche. Ihr Opfer ist das Zeichen ihrer Liebe zur Kirche und zu ihrem Land. Ich bitte Gott, daß die friedliebenden Männer und Frauen in dieser geliebten Region ihre Kräfte vereinen, um der Gewalt Einhalt zu gebieten, damit alle in Sicherheit und Eintracht leben können! In diesem Zusammenhang nehme ich tief bewegt die Albe, die Erzbischof Faraj Rahho während der täglichen Meßfeier benutzte, als Geschenk entgegen, ebenso wie die Stola, die der Priester Ragheed Aziz Ganni benutzte. Dieses Geschenk spricht von ihrer großen Liebe zu Christus und zur Kirche.

Die chaldäische Kirche, deren Anfänge bis in die ersten Jahrhunderte der christlichen Zeit zurückreichen, hat eine lange und ehrwürdige Tradition. Diese bringt ihre Verwurzelung in den Regionen des Orients, in denen sie von ihren Anfängen an stets anwesend war, ebenso zum Ausdruck wie ihren unersetzlichen Beitrag für die Universalkirche, besonders durch ihre Theologen und geistlichen Lehrer. Ihre Geschichte zeigt auch, wie sehr sie sich stets aktiv und fruchtbar am Leben eurer Nationen beteiligt hat.

Heute muß die chaldäische Kirche, die unter den verschiedenen Komponenten eurer Länder einen wichtigen Platz einnimmt, diese Sendung im Dienst ihrer menschlichen und geistlichen Entwicklung fortsetzen. Daher ist es notwendig, ein hohes kulturelles Niveau der Gläubigen, besonders der Jugendlichen, zu fördern. Eine gute Ausbildung in den verschiedenen – sowohl religiösen als auch profanen – Wissensgebieten ist eine wertvolle Investition für die Zukunft.

Indem sie herzliche Beziehungen zu den Mitgliedern anderer Gemeinschaften unterhält, ist die chaldäische Kirche aufgerufen, eine wesentliche Rolle der Moderation im Hinblick auf den Aufbau einer neuen Gesellschaft zu spielen, in der alle in Eintracht und gegenseitiger Achtung leben können. Ich weiß, daß das Zusammenleben zwischen der muslimischen Gemeinschaft und der christlichen Gemeinschaft seit jeher Momente der Unsicherheit kennt. Die Christen, die seit alters her im Irak leben, sind dort vollberechtigte Bürger und teilen die Rechte und Pflichten aller, ohne Unterscheidung der Religion. Es ist mein Wunsch, eure Bemühungen um Verständigung und gute Beziehungen zu unterstützen, die ihr als gemeinsamen Weg gewählt habt, um in ein und demselben Land zu leben, das allen heilig ist.

Um ihre Sendung zu erfüllen, muß die Kirche ihre Bande der Gemeinschaft mit ihrem Herrn festigen, der sie versammelt und sie zu den Menschen sendet. Diese Gemeinschaft muß vor allem innerhalb der Kirche gelebt werden, damit ihr Zeugnis glaubhaft ist, wie Jesus selbst gesagt hat: »Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast« (Jn 17,21). Daher möge das Wort Gottes stets im Mittelpunkt eurer Pläne und eurer Seelsorgetätigkeit stehen! Auf der Treue zu diesem Wort wird die Einheit unter allen Gläubigen aufgebaut, in Gemeinschaft mit ihren Hirten. Aus dieser Perspektive heraus geben die Richtlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Liturgie auch allen die Möglichkeit, die Gaben, die der Herr seiner Kirche in der Liturgie und in den Sakramenten macht, immer fruchtbringender anzunehmen.

Im übrigen ist in eurer Patriarchalkirche die Synodenversammlung ein unleugbarer Reichtum. Sie muß ein vorrangiges Mittel sein, um dazu beizutragen, die Bande der Gemeinschaft fester und wirksamer zu machen und die gegenseitige Liebe unter den Bischöfen zu leben. Sie ist der Ort, an dem die Mitverantwortung tatsächlich durch eine echte Zusammenarbeit ihrer Mitglieder sowie durch regelmäßige, gut vorbereitete Begegnungen verwirklicht wird, die es gestatten, gemeinsame pastorale Leitlinien zu erarbeiten. Ich bitte den Heiligen Geist, die Einheit und das gegenseitige Vertrauen unter euch immer mehr wachsen zu lassen, damit der Hirtendienst, mit dem ihr betraut seid, zum größeren Wohl der Kirche und ihrer Glieder vollkommen verwirklicht wird. Andererseits trägt – vor allem im Irak – die chaldäische Kirche, der die Mehrheit der Gläubigen angehört, eine besondere Verantwortung, die Gemeinschaft und die Einheit des mystischen Leibes Christi zu fördern. Ich ermutige euch, eure Begegnungen mit den Hirten der verschiedenen Kirchen »sui iuris« wie auch mit den Verantwortlichen der anderen christlichen Kirchen fortzusetzen, um dem Ökumenismus Impulse zu verleihen.

In jeder Eparchie sind die verschiedenen pastoralen, verwaltungstechnischen und wirtschaftlichen Strukturen, die das Recht vorsieht, auch für euch wertvolle Hilfen, um die Gemeinschaft innerhalb der Gemeinden tatsächlich zu verwirklichen und die Zusammenarbeit zu fördern.

Unter den Notständen, denen ihr abhelfen müßt, befindet sich auch die Situation der Gläubigen, die täglich der Gewalt gegenüberstehen. Ich verneige mich vor ihrem Mut und ihrer Beharrlichkeit angesichts der Prüfungen und der Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind, besonders im Irak. Das Zeugnis, das sie vom Evangelium geben, ist ein beredtes Zeichen für die Lebendigkeit ihres Glaubens und für die Kraft ihrer Hoffnung. Ich ermutige euch nachdrücklich, die Gläubigen dabei zu unterstützen, die gegenwärtigen Schwierigkeiten zu überwinden und ihre Präsenz zu stärken, indem ihr besonders von den verantwortlichen Obrigkeiten die Anerkennung ihrer Menschen- und Bürgerrechte fordert und sie anspornt, das Land ihrer Vorfahren zu lieben, dem sie sich tief verbunden fühlen.

Die Zahl der Gläubigen der Diaspora steigt ständig an, besonders infolge der Ereignisse der letzten Zeit. Ich danke allen, die in verschiedenen Ländern an der brüderlichen Aufnahme von Personen beteiligt sind, die den Irak leider vorübergehend verlassen mußten. Es wäre gut, wenn die chaldäischen Gläubigen, die außerhalb der Landesgrenzen leben, ihre Bindung an ihr Patriarchat erhalten und vertiefen, damit sie nicht vom Mittelpunkt ihrer Einheit getrennt werden. Die Gläubigen müssen unbedingt ihre kulturelle und religiöse Identität wahren, und die jüngeren unter ihnen müssen den Reichtum des Erbes ihrer Patriarchalkirche entdecken und wertschätzen. Unter diesem Gesichtspunkt müssen die Hirten dem geistlichen und moralischen Beistand, dessen die in alle Welt verstreuten Gläubigen bedürfen, sorgfältige Beachtung schenken, in brüderlichem Verhältnis zu den Bischöfen der Ortskirchen, in denen sie sich aufhalten. Sie sollen auch darauf achten, daß die zukünftigen Priester, die auch in der Diaspora ausgebildet werden, die Bindung an ihre Patriarchalkirche wertschätzen und festigen.

Zum Abschluß möchte ich die Priester, die Diakone, die Seminaristen, die Ordensmänner und Ordensfrauen sowie alle Menschen herzlich grüßen, die mit euch darum bemüht sind, das Evangelium zu verkünden. Unter eurer väterlichen Leitung mögen alle ein lebendiges Zeugnis von ihrer Einheit und von der Brüderlichkeit geben, die sie zusammenführt!

Ich weiß um ihre Liebe zur Kirche und um ihren apostolischen Eifer. Ich lade sie ein, ihre Liebe zu Christus immer mehr zu entfalten und ihren Einsatz im Dienst der Kirche und ihrer Sendung mutig fortzusetzen. Seid euren Priestern Väter, Brüder und Freunde. Tragt besondere Sorge dafür, ihnen eine solide anfängliche Ausbildung und ständige Weiterbildung zu geben, und fordert sie durch euer Wort und euer Vorbild auch auf, den Menschen in Not und Schwierigkeiten, den Kranken und den Leidenden stets nahe zu sein.

Das Zeugnis der uneigennützigen Liebe der Kirche zu allen Notleidenden, ohne Unterscheidung von Herkunft oder Religion, muß alle Menschen guten Willens anspornen, Solidarität zu zeigen. Daher ist es wichtig, die Werke der Nächstenliebe auszubauen, damit sich die größtmögliche Zahl der Gläubigen konkret im Dienst an den Ärmsten einsetzen kann. Ich weiß, daß im Irak, trotz der schrecklichen Augenblicke, die ihr durchgemacht habt und die ihr noch immer erlebt, kleine Werke einer außerordentlichen Nächstenliebe entstanden sind, die Gott, der Kirche und dem irakischen Volk Ehre machen. Eure Seligkeit, liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst, ich wünsche euch, daß ihr mit Mut und Hoffnung eure Sendung im Dienst des euch anvertrauten Gottesvolkes fortsetzt. Das Gebet und die Unterstützung eurer Brüder im Glauben und zahlreicher Menschen guten Willens in der ganzen Welt mögen euch begleiten, damit das Antlitz der Liebe Gottes auch weiterhin über dem irakischen Volk leuchten möge, das so viel Leid erfahren hat. In den Augen des Gläubigen wird das Leiden, vereint mit dem Opfer Christi, zu einem Element der Einheit und der Hoffnung. Ebenso ist das Blut der Märtyrer dieser Erde eine beredte Fürbitte vor Gott. Überbringt den Mitgliedern eurer Diözesen den Gruß und die liebevolle Ermutigung des Nachfolgers Petri. Ich empfehle jeden von euch der mütterlichen Fürsprache der Jungfrau Maria, Mutter der Hoffnung, und erteile euch und euren Priestern und Diakonen sowie den geweihten Personen und allen Gläubigen der chaldäischen Kirche von ganzem Herzen einen besonderen Apostolischen Segen.



AN HERRN STANISLAS LEFEBVRE DE LABOULAYE,

NEUER BOTSCHAFTER VON FRANKREICH BEIM HL. STUHL Montag, 26. Januar 2009


Herr Botschafter!

Mit Freude empfange ich Eure Exzellenz zu dieser feierlichen Amtshandlung der Überreichung des Beglaubigungsschreibens, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Französischen Republik beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Zunächst wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie Seiner Exzellenz Nicolas Sarkozy, Präsident der Französischen Republik, meine Grüße übermitteln würden, verbunden mit herzlichen Wünschen für seine Person und sein Wirken im Dienst Ihres Landes sowie für das gesamte französische Volk.

Es erfüllt mich mit lebhafter Freude, daß ich mich im letzten Jahr nach Paris und Lourdes begeben konnte, um den 150. Jahrestag der Erscheinungen der Jungfrau Maria vor Bernadette Soubirous zu begehen. Ich möchte dem Präsidenten der Republik erneut meine Dankbarkeit bezeugen für seine Einladung wie auch den politischen, zivilen und militärischen Autoritäten, die das gute Gelingen dieser Reise ermöglicht haben. Mein Dank gilt auch den Hirten und den katholischen Gläubigen, die diese großen Versammlungen ermöglicht haben. Sie haben bezeugt, daß der Glaube fähig ist, den »Raum der Innerlichkeit «, den es im Menschen gibt, friedlich offen zu halten und in brüderlicher und freudiger Weise große Menschenmengen zu versammeln, die sich aus sehr unterschiedlichen Männern und Frauen zusammensetzen.

Diese Momente haben – falls das überhaupt notwendig gewesen sein sollte – gezeigt, daß die katholische Gemeinschaft zu den lebendigen Kräften Ihres Landes gehört. Die Gläubigen haben die Worte Ihres Präsidenten mit Interesse und Befriedigung gehört und angenommen. Er hat unterstrichen, daß der Beitrag der großen spirituellen Familien für das Leben der Nation einen »großen Reichtum« darstellt, auf den zu verzichten, »verrückt« wäre. Die Kirche ist bereit, auf diese Einladung zu antworten und im Hinblick auf das Gemeinwohl tätig zu sein.

In diesem Jahr wird in Frankreich eine große Debatte in bezug auf die Bioethik stattfinden.

Mit Freude stelle ich fest, daß der Parlamentsausschuß zu Fragen hinsichtlich des Lebensendes weise und menschliche Schlüsse gezogen hat, indem er vorschlägt, den Einsatz für eine bessere Begleitung der Kranken zu verstärken. Ich wünsche, daß eben diese Weisheit, die die Unantastbarkeit jedes menschlichen Lebens anerkennt, auch bei der Revision der Gesetze im Bereich der Bioethik Anwendung findet. Die Hirten der Kirche Frankreichs haben viel gearbeitet und sind bereit, einen qualitätvollen Beitrag zur kommenden öffentlichen Debatte zu leisten. Auch das kirchliche Lehramt seinerseits hat im kürzlich von der Päpstlichen Kongregation für die Glaubenslehre veröffentlichten Dokument Dignitas personae betont, daß die großen wissenschaftlichen Fortschritte immer geleitet werden müssen von der Sorge, dem Wohl und der unveräußerlichen Würde des Menschen zu dienen.

Wie überall auf der Welt muß auch die Regierung Ihres Landes sich der Wirtschaftskrise stellen. Ich wünsche, daß die geplanten Maßnahmen insbesondere zum Ziel haben, den sozialen Zusammenhalt zu fördern, die schwächsten Teile der Bevölkerung zu schützen und vor allem der größtmöglichen Zahl von Menschen die Fähigkeit und die Möglichkeit wiederzugeben, aktive Teilnehmer einer Wirtschaft zu werden, die wirklich Dienste und wahre Reichtümer schafft. Diese Schwierigkeiten sind für viele eine schmerzliche Quelle von Sorge und Leid, aber sie stellen zugleich eine Gelegenheit für die Sanierung der finanziellen Mechanismen dar sowie für einen Fortschritt im Hinblick auf das Funktionieren der Wirtschaft in Richtung auf eine größere Sorge um den Menschen und den Abbau der alten und neuen Formen der Armut (vgl. Ansprache im Élysée- Palast, 12. September 2008).

Der Wunsch der Kirche ist es, Zeugnis abzulegen für Christus, indem sie sich in den Dienst aller Menschen stellt. Aus diesem Grund freue ich mich über die von Ihnen selbst soeben erwähnte Übereinkunft hinsichtlich der Anerkennung der von den Päpstlichen Universitäten und den katholischen Instituten ausgestellten Abschlüsse, die vor kurzem zwischen Frankreich und dem Heiligen Stuhl unterzeichnet wurde. Von diesem Abkommen, das sich in den Rahmen des Bologna- Prozesses einfügt, werden zahlreiche französische und ausländische Studenten profitieren.

Es stellt insbesondere im Bereich der Erziehung und Ausbildung den bedeutenden Beitrag der Kirche heraus, die sich für die Bildung der Jugend einsetzt, damit diese sich die technischen Kompetenzen aneignet, die nötig sind, um in der Zukunft ihre Fähigkeiten auszuüben, und auch eine Erziehung empfängt, die zur Wachsamkeit aufruft, um sich der ethischen Dimension jeder Verantwortung zu stellen.

Vor kurzem haben die französischen Behörden erneut ihre entschiedene Absicht bezeugt, Diskussionsmechanismen und Vertretungsorgane der Glaubensgemeinschaften einzurichten. In dieser Hinsicht konnte ich mich bei meiner Frankreichreise glücklich schätzen über die Stellung, die das offizielle Organ für den Dialog zwischen der französischen Regierung und der katholischen Kirche einnimmt. Zudem weiß ich um die beständige Sorge der Bischöfe Frankreichs, die Bedingungen für einen friedlichen und ständigen Dialog mit allen Religionsgemeinschaften und Denkrichtungen zu schaffen. Ich danke ihnen dafür, daß sie darüber wachen, die Grundlagen für einen interkulturellen und interreligiösen Dialog zu sichern, wo den verschiedenen Religionsgemeinschaften die Gelegenheit gegeben wird zu zeigen, daß sie Faktoren des Friedens sind. Denn indem sie – wie ich bereits in der Rede vor der UNO unterstrichen habe – den transzendenten Wert jedes Menschen anerkennen, richten sie keineswegs die Menschen gegeneinander, sondern begünstigen die Umkehr des Herzens, »die dann zu einem Verhalten führt, Gewalt, Terrorismus und Krieg zu widerstehen und Gerechtigkeit und Frieden zu fördern« (18. April 2008).

In diesem Zusammenhang haben Sie, Herr Botschafter, an die zahlreichen Krisen erinnert, die heute die internationale Bühne beherrschen. Es ist bekannt – und ich hatte Gelegenheit in meiner letzten Ansprache an das Diplomatische Korps daran zu erinnern –, daß der Heilige Stuhl mit beständiger Sorge die Konfliktsituationen und Fälle von Menschenrechtsverletzungen verfolgt, aber er zweifelt nicht daran, daß die internationale Gemeinschaft, in der Frankreich eine große Rolle spielt, einen immer gerechteren und wirksameren Beitrag zugunsten des Friedens und der Eintracht zwischen den Nationen und zur Entwicklung jedes Landes leisten kann.

Ich möchte bei unserer Begegnung die Gelegenheit ergreifen, um durch Sie von Herzen die Gemeinschaften der katholischen Gläubigen zu grüßen, die in Frankreich leben. Ich weiß, daß ihre Freude groß sein wird, wenn in diesem Jahr die sel. Jeanne Jugan heiliggesprochen wird, die Gründerin der Kongregation der »Kleinen Schwestern der Armen«. Viele Franzosen sind in der Tat dem demütigen und starken Zeugnis der Nächstenliebe gegenüber zu Dank verpflichtet, das die Schwestern auf den Spuren ihrer Gründerin abgelegt haben, um insbesondere den Armen und Kranken zu dienen.

Dieses Ereignis wird erneut bezeugen, wie sehr der lebendige Glaube reich ist an guten Werken und wie sehr die Heiligkeit ein wohltuender Balsam für die Wunden der Menschheit ist.

In dem Augenblick, in dem Sie Ihre edle Mission der Repräsentation beim Heiligen Stuhl beginnen, möchte ich das Andenken Ihres Vorgängers, Seiner Exzellenz Bernard Kessedjian, ehren, indem ich seinen menschlichen Qualitäten, die er in der Mission im Dienst der Beziehungen zwischen Frankreich und dem Heiligen Stuhl eingesetzt hat, meine Anerkennung ausspreche. Mit Dankbarkeit empfehle ich ihn und seine Familie der Zärtlichkeit des Herrn.

Herr Botschafter, ich bringe Ihnen meine besten Wünsche für ein gutes Gelingen Ihrer Mission zum Ausdruck. Seien Sie versichert, daß Sie bei meinen Mitarbeitern Aufnahme und Verständnis finden, wenn Sie es benötigen. Auf Ihre Exzellenz, Ihre Familie und Mitarbeiter sowie auf das ganze französische Volk und die leitenden Persönlichkeiten rufe ich von Herzen die Fülle des göttlichen Segens herab.



AN DIE BISCHÖFE VON RUSSLAND

ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES Donnerstag, 29. Januar 2009


Liebe und verehrte Brüder!

Im Rahmes des Paulusjahres, das wir gegenwärtig feiern, ist mir euer Besuch besonders willkommen, und mit Freude begrüße ich euch mit den Worten des Apostels: »Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus« (1Co 1,3). Ihr seid nach Rom gekommen, um die heiligen Orte zu verehren, an denen der hl. Petrus und der hl. Paulus ihr Leben im Dienst des Evangeliums mit dem Martyrium besiegelt haben, und eben das ist die vorrangige Bedeutung des Besuchs »ad limina Apostolorum«. Als Nachfolger der Apostel begegnet ihr dem Nachfolger Petri und hebt so die Gemeinschaft hervor, die euch an ihn bindet. Durch die Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom, dem Garanten der kirchlichen Einheit, können die eurer Seelsorge anvertrauten Gemeinden, obgleich sie eine Minderheit sind, sich »cum Petro« und »sub Petro« fühlen, als lebendiger Teil des über die ganze Erde verbreiteten Leibes Christi. Die Einheit, ein Geschenk Christi, wächst und entfaltet sich nämlich in den konkreten Situationen der verschiedenen Teilkirchen. In diesem Zusammenhang ruft das Zweite Vatikanische Konzil in Erinnerung: »Die Einzelbischöfe hinwiederum sind sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen, die nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche« (Konstitution Lumen gentium LG 23). Euch, den Hirten der Kirche, die in Rußland lebt, bringt der Nachfolger Petri erneut seine Fürsorge und seine geistliche Nähe zum Ausdruck, mit der Ermutigung, die Pastoralarbeit vereint fortzusetzen und sich dabei auch die Erfahrung der Universalkirche zunutze zu machen.

Ich habe mit großem Interesse angehört, was ihr mir berichtet habt über eure Gemeinden, die einen Reifeprozeß durchmachen und gemeinsam ihr »Antlitz« als katholische Teilkirche vertiefen. Darauf ist im übrigen auch euer Bemühen um eine Inkulturation des Glaubens ausgerichtet. Ich bringe gern meine Anerkennung zum Ausdruck für euer Bemühen, durch das ihr Sorge tragt für eine verstärkte Teilnahme an der Liturgie und an den Sakramenten, für die Stärkung der Katechese, der Priesterausbildung sowie der Heranbildung reifer und verantwortungsbewußter Laien als Sauerteig des Evangeliums in den Familien und in der Zivilgesellschaft. Leider ist auch in Rußland, ebenso wie in anderen Teilen der Welt, die Krise der Familie und ein daraus folgender demographischer Rückgang zu verzeichnen, zusammen mit anderen Problematiken, die die heutige Gesellschaft schwer belasten. Bekanntlich bereiten diese Problematiken auch den staatlichen Autoritäten Sorgen. Es ist daher angebracht, zum Wohl aller auch weiterhin mit ihnen zusammenzuarbeiten. In diesem Zusammenhang ist eure Aufmerksamkeit zu Recht besonders auf die Jugendlichen gerichtet, und die katholische Gemeinschaft in Rußland ist aufgerufen, in Treue zum »Gedächtnis« ihrer Zeugen und Märtyrer und unter Anwendung angemessener Mittel und eines entsprechenden Sprachgebrauchs, das Erbe der Heiligkeit und der Treue zu Christus unverändert weiterzugeben, ebenso wie die menschlichen und geistlichen Werte, die einer wirksamen Förderung des Menschen, die dem Evangelium entspricht, zugrunde liegen.

Liebe Brüder im Bischofsamt, ihr habt täglich nicht wenige Sorgen zu bewältigen. Ich ermahne euch daher, nicht den Mut zu verlieren, wenn die kirchlichen Wirklichkeiten euch manchmal bescheiden vorkommen und die Ergebnisse, die ihr in der Seelsorge erzielt, den aufgebotenen Kräften nicht zu entsprechen scheinen. Nährt vielmehr in euch und in euren Mitarbeitern einen wahren Geist des Glaubens, im Bewußtsein, das ganz dem Evangelium entspricht: daß Jesus Christus euren Dienst durch die Gnade seines Geistes zu Ehren des Vaters fruchtbar machen wird, gemäß den Zeiten und Weisen, die nur er kennt. Fördert und pflegt auch weiterhin mit anhaltendem Bemühen und unter ständiger Aufmerksamkeit die Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben: Die Berufungspastoral ist in unseren Zeiten besonders notwendig. Tragt Sorge, die Priester mit demselben Eifer auszubilden, den Paulus gegenüber seinem Schüler Timotheus zeigte, damit sie wirkliche »Männer Gottes« seien (vgl. 1Tm 6,11). Seid ihnen Väter und Vorbilder im Dienst an den Brüdern; ermutigt ihre Brüderlichkeit und Freundschaft und Zusammenarbeit; unterstützt ihre ständige Weiterbildung in der Lehre und im geistlichen Leben. Betet für die Priester und gemeinsam mit ihnen, im Wissen, daß nur derjenige, der von Christus und in Christus lebt, sein treuer Diener und Zeuge sein kann. Ebenso muß euch die Ausbildung der geweihten Personen und das geistliche Wachstum der gläubigen Laien am Herzen liegen, damit sie ihr Leben als eine Antwort auf die allgemeine Berufung zur Heiligkeit verstehen, die ihren Ausdruck finden muß in einem konsequenten Zeugnis vom Evangelium in allen Situationen des Alltags.

Ihr lebt in einem besonderen kirchlichen Kontext, in einem Land, das, was die Mehrheit der Bevölkerung betrifft, von einer tausendjährigen orthodoxen Tradition mit einem reichen religiösen und kulturellen Erbe geprägt ist. Es ist sehr wichtig, sich die Notwendigkeit eines erneuerten Bemühens um den Dialog mit unseren orthodoxen Brüdern und Schwestern vor Augen zu halten; wir wissen, daß dieser Dialog trotz der Fortschritte, die gemacht wurden, noch immer einige Schwierigkeiten kennt. In diesen Tagen fühle ich mich den geliebten Brüdern und Schwestern der russisch-orthodoxen Kirche geistlich nahe, in ihrer Freude über die Wahl des Metropoliten Kyrill zum neuen Patriarchen von Moskau und ganz Rußland. Ihm spreche ich meine herzlichsten Wünsche aus für die schwierige kirchliche Aufgabe, die ihm anvertraut worden ist. Ich bitte den Herrn, uns alle zu bestätigen in unserem Bemühen, zusammen den Weg der Versöhnung und der brüderlichen Liebe zu gehen.

Eure Anwesenheit in Rußland möge auch ein Aufruf und ein Ansporn zum persönlichen Dialog sein. Wenn auch in den verschiedenen Begegnungen nicht immer grundlegende Fragen behandelt werden können, so tragen diese Kontakte dennoch dazu bei, einander besser kennenzulernen. Dadurch ist es möglich, in Bereichen zusammenzuarbeiten, die für die Erziehung und Bildung der neuen Generationen von gemeinsamem Interesse sind. Es ist wichtig, daß die Christen vereint den großen kulturellen und ethischen Herausforderungen der Gegenwart begegnen, in bezug auf die Würde der menschlichen Person und ihre unveräußerlichen Rechte, die Verteidigung des Lebens in jeder Phase, den Schutz der Familie und andere dringende wirtschaftliche und soziale Fragen.

Liebe Brüder, ich lobe den Herrn und bin euch zutiefst dankbar für das Gute, das ihr tut, indem ihr euren bischöflichen Dienst in voller Treue zum Lehramt erfüllt. Ich versichere euch eines täglichen Gebetsgedenkens. Durch euch möge mein Dank die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien erreichen, die mit euch im Dienst Christi und seines Evangeliums zusammenarbeiten. Ich rufe die mütterliche Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria und der Apostel Petrus und Paulus auf euch und eure apostolischen Pläne herab und erteile jedem von euch von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen, in den ich gern die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und die gesamte katholische Gemeinschaft einschließe, die Zeugnis gibt von Christus unter den Völkern der Russischen Föderation.



AN DIE MITGLIEDER DER GERICHTSHOFES DER RÖMISCHEN ROTA ANLÄSSLICH DER ERÖFFNUNG DES GERICHTSJAHRES Donnerstag, 29. Januar 2009



Verehrte Richter, Offiziale und Mitarbeiter
des Gerichtshofes der Römischen Rota!

Zum feierlichen Beginn der richterlichen Tätigkeit eures Gerichtshofes habe ich auch dieses Jahr die Freude, dessen würdige Mitglieder zu empfangen: den hochwürdigsten Herrn Dekan, dem ich für die freundliche Grußadresse danke, das Kollegium der Prälaten-Auditoren, die Offizialen des Gerichtshofes und die Anwälte des »Studio Rotale«. Ich begrüße euch alle herzlich mit dem Ausdruck meiner Wertschätzung für die wichtigen Aufgaben, die ihr als treue Mitarbeiter des Papstes und des Heiligen Stuhls erfüllt.

Ihr erwartet zu Beginn eures Arbeitsjahres vom Papst ein Wort, das für euch bei der Erfüllung eurer heiklen Aufgaben Licht und Orientierung sein soll. Es gäbe wohl eine Vielzahl von Themen, bei denen wir uns aus diesem Anlaß aufhalten könnten, doch zwanzig Jahre nach den Ansprachen von Johannes Paul II. über die psychische Unfähigkeit in den Ehenichtigkeitsprozessen vom 5. Februar 1987 (in O.R. dt., Nr. 8, 20.2.1987, S. 10) und vom 25. Januar 1988 (in O.R. dt., Nr. 7, 12.2.1988, S. 9–11), scheint es angebracht sich zu fragen, in welchem Maße diese Ansprachen bei den kirchlichen Gerichtshöfen eine angemessene Rezeption gefunden haben. Das ist nicht der Augenblick, um Bilanz zu ziehen, aber allen steht die Tatsache eines Problems vor Augen, das nach wie vor von großer Aktualität ist. In manchen Fällen kann man leider spüren, daß die Forderung, von der mein verehrter Vorgänger sprach, nach wie vor besteht: nämlich daß die kirchliche Gemeinschaft »vor dem Ärgernis bewahrt wird, durch die übermäßige und fast automatische Zunahme der Nichtigkeitserklärungen – dann nämlich, wenn die Ehe mißlingt und man irgendeine Unreife oder psychische Schwäche der Partner zum Vorwand nimmt –, den Wert der christlichen Ehe praktisch vernichtet zu sehen« (Ansprache an die Rota Romana Am 5 Am 1987,9 in O.R. dt., Nr. Dt 8,20 Dt 8,2 Dt 8, S. Dt 10).

Bei unserer heutigen Begegnung ist mir daran gelegen, die Aufmerksamkeit der gerichtlichen Mitarbeiter auf das Erfordernis zu lenken, die Fälle mit der gebührenden Tiefe und Gründlichkeit zu behandeln, wie sie vom Dienst der Wahrheit und der Liebe, der gerade der Römischen Rota eigen ist, gefordert wird. Was das Erfordernis der Verfahrensstrenge betrifft, liefern in der Tat die oben genannten Ansprachen anhand der Prinzipien der christlichen Anthropologie die grundlegenden Kriterien nicht nur für die Prüfung der psychiatrischen und psychologischen Gutachten, sondern auch für die richterliche Entscheidung der Fälle. Diesbezüglich ist es angebracht, noch an einige Unterscheidungen zu erinnern, die die unterscheidende Trennlinie vor allem zwischen »einer psychischen Reife, die das Ziel der menschlichen Entwicklung wäre«, und »der kanonischen Reife…, die hingegen der minimale Ausgangspunkt für die Gültigkeit der Ehe ist« (ebd., Nr. 6), festlegen; zweitens die Unterscheidung zwischen Unfähigkeit und Schwierigkeit, da »nur die Unfähigkeit, und nicht schon die Schwierigkeit, das Jawort zu geben und eine echte Lebens- und Liebesgemeinschaft zu verwirklichen, die Ehe nichtig macht« (ebd., Nr. 7); drittens die Unterscheidung zwischen der kirchenrechtlichen Dimension der Normalität, die sich an der vollen Sicht der Person orientiert und deshalb »auch mäßige Formen psychologischer Schwierigkeiten einschließt«, und der klinischen Dimension, die aus dem Begriff der Normalität jede Einschränkung von Reife und »jede Form der Psychopathologie« ausschließt (Ansprache an die Römische Rota, 25.1.1988, a.a.O., Nr. 5, S. 10); schließlich die Trennlinie zwischen der »minimal ausreichenden Fähigkeit, einen gültigen Ehekonsens abzugeben« und der idealisierten Fähigkeit »der vollen Reife hinsichtlich eines glücklichen Ehelebens« (ebd., Nr. 9, S. 10).

In Anbetracht der Einbeziehung der Verstandes- und Willensfähigkeiten bei der Entstehung des Ehekonsenses bestätigte Papst Johannes Paul II. in der erwähnten Ansprache vom 5. Februar 1987 noch einmal den Grundsatz, wonach eine wirkliche Unfähigkeit »nur anzunehmen ist, wenn eine schwere Form von Anomalie vorliegt, die, wie auch immer man sie definieren will, die Fähigkeit des Partners, zu verstehen und/oder zu wollen, wesentlich beeinträchtigen muß« (Ansprache an die Römische Rota, a.a.O., Nr. 7, S. 10). Diesbezüglich scheint es mir angebracht, daran zu erinnern, daß die Norm des Codex über die psychische Unfähigkeit hinsichtlich ihrer Anwendung durch die jüngste Instruktion Dignitas connubii vom 25. Januar 2005 bereichert und ergänzt worden ist. Sie verlangt nämlich für die Erfüllung des Bestehens dieser Unfähigkeit, daß bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung eine besondere psychische Anomalie vorhanden ist (Art. 209, § 1), die den Vernunftgebrauch (Art. 209, § 2, Nr. 1; can. 1095, Nr. 1) oder die Kritik- und Wahlfähigkeit zum Fällen gewichtiger Entscheidungen, insbesondere im Hinblick auf die freie Wahl des Lebensstandes, schwerwiegend beeinträchtigt (Art. 209, § 2, Nr. 2; can. 1095, Nr. 2) oder die im Betroffenen nicht nur eine ernste Schwierigkeit, sondern auch die Unmöglichkeit hervorruft, die Aufgaben zu erfüllen, die den ehelichen Pflichten wesenhaft innewohnen (Art. 209, § 2, Nr. 3; can. 1095, Nr. 3).

Bei dieser Gelegenheit möchte ich jedoch das Thema der Unfähigkeit, eine Ehe zu schließen, von der Canon 1095 handelt, noch einmal im Licht der Beziehung zwischen der menschlichen Person und der Ehe betrachten und an einige Grundprinzipien erinnern, die die gerichtlichen Mitarbeiter beachten müssen. Es ist vor allem nötig, die Fähigkeit positiv wieder neu zu entdecken, die im Prinzip jeder Mensch besitzt, nämlich aufgrund seiner Natur als Mann oder Frau zu heiraten. Wir laufen nämlich Gefahr, in einen anthropologischen Pessimismus zu verfallen, der es im Licht der heutigen kulturellen Situation für nahezu unmöglich hält sich zu verheiraten. Abgesehen davon, daß die Situation in den verschiedenen Regionen der Welt nicht gleich ist, darf die wahre Ehekonsensunfähigkeit nicht mit den realen Schwierigkeiten verwechselt werden, in denen sich viele, besonders die jungen Menschen, befinden, die deshalb zur Ansicht gelangen, die Ehe sei normalerweise undenkbar und unpraktizierbar. Ja, die Bekräftigung der angeborenen Fähigkeit des Menschen zur Ehe ist gerade der Ausgangspunkt, um den Eheleuten zu helfen, die natürliche Wirklichkeit der Ehe und die Bedeutung zu entdecken, die sie auf der Ebene des Heils hat. Was schließlich auf dem Spiel steht ist die Wahrheit über die Ehe und über die ihr innewohnende rechtliche Natur (vgl. Benedikt XVI., Ansprache an die Römische Rota, 27.1.2007, in O.R. dt., Nr. 6, 9.2.2007, S. 7), was die unabdingbare Voraussetzung ist, um die geforderte Fähigkeit zur Eheschließung erfassen und beurteilen zu können.

In diesem Sinn muß die Fähigkeit mit dem in Zusammenhang gebracht werden, was die Ehe ihrem Wesen nach ist, nämlich »die innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe, vom Schöpfer begründet und mit eigenen Gesetzen geschützt« (II. Vat. Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et spes GS 48), und in besonderer Weise mit den ihr innewohnenden wesentlichen Verpflichtungen, die von den Eheleuten übernommen werden müssen (Can. 1095, Nr. 3). Diese Fähigkeit wird nicht in bezug auf einen bestimmten Grad der existentiellen oder wirksamen Verwirklichung des Ehebundes durch die Erfüllung der wesentlichen Pflichten bemessen, sondern in bezug auf den wirksamen Willen jedes der Eheleute, der diese Verwirklichung schon im Augenblick der Eheschließung möglich und wirksam macht. Das Reden über die Fähigkeit oder Unfähigkeit zur Ehe hat also in dem Maße Sinn, in dem es den Akt der Eheschließung selbst betrifft, denn das vom Willen der Partner hervorgerufene Eheband stellt die juristische Wirklichkeit der biblischen Aussage, »die beiden werden ein Fleisch sein« (Gn 2,24 Mc 10,8 Ep 5,31 vgl. Ep 1061, § Ep 1), dar, deren Gültigkeit nicht vom späteren Verhalten der Eheleute während ihres Ehelebens abhängt. Andernfalls wird in der reduktionistischen Optik, die die Wahrheit über die Ehe nicht anerkennt, die tatsächliche – auf einer Ebene rein menschlichen Wohlergehens idealisierte – Verwirklichung einer wahren Lebens- und Liebesgemeinschaft im wesentlichen nur von nebensächlichen Faktoren abhängig gemacht, nicht jedoch von der Ausübung der menschlichen Freiheit, die von der Gnade unterstützt wird. Es stimmt, daß diese Freiheit der menschlichen Natur, die »in ihren natürlichen Kräften verletzt ist« und »zur Sünde neigt« (Katechismus der Katholischen Kirche, 405), begrenzt und unvollkommen ist , aber sie ist deshalb nicht unecht und unzureichend, um jenen Akt der Selbstbestimmung der Ehepartner zu verwirklichen, den Eheschließungsakt, der die Ehe und die auf ihr gegründete Familie ins Leben ruft.

Offensichtlich idealisieren einige anthropologische »humanistische« Strömungen, die auf die Selbstverwirklichung und egozentrische Selbsttranszendenz ausgerichtet sind, den Menschen und die Ehe so sehr, daß sie schließlich die psychische Fähigkeit vieler Menschen leugnen und sie auf Elemente gründen, die den wesentlichen Erfordernissen des Ehebandes nicht entsprechen. Diesen Auffassungen gegenüber müssen die Vertreter des Kirchenrechts dem gesunden Realismus Rechnung tragen, auf den mein verehrter Vorgänger hingewiesen hat (vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Römische Rota, 27.1.1997, 4; in O.R. dt., Nr. 9, 28.2.1997, S. 7), weil sich die Ehefähigkeit auf die notwendige Mindestanforderung bezieht, damit die Brautleute ihr Sein als Mann und Frau hingeben können, um jenes Band zu begründen, zu dem die große Mehrheit der Menschen berufen ist. Daraus folgt, daß die Ehe-Nichtigkeitsverfahren wegen psychischer Unfähigkeit prinzipiell erfordern, daß sich der Richter der Hilfe von Sachverständigen bedient, um das Vorhandensein einer wahren Unfähigkeit festzustellen (vgl. Can. 1680; Dignitas connubii, Art. 203, § 1), die immer eine Ausnahme vom natürlichen Prinzip der notwendigen Fähigkeit des Verstehens, des Entscheidens und des Sich-Selbstschenkens darstellt, aus dem das Eheband entsteht.

Das, liebe Mitglieder des Gerichtshofs der Römischen Rota, wollte ich euch bei diesem feierlichen und mir immer willkommenen Anlaß darlegen. Während ich euch auffordere, mit hohem christlichem Gewissen in der Ausübung eures Amtes fortzufahren, dessen große Bedeutung für das Leben der Kirche auch aus den eben gemachten Ausführungen hervorgeht, wünsche ich euch, daß euch der Herr bei eurer heiklen Arbeit stets mit dem Licht seiner Gnade begleite, dessen Unterpfand der Apostolische Segen sein soll, den ich einem jeden aus tiefstem Herzen erteile.



AN DIE MITGLIEDER DER GEMISCHTEN INTERNATIONALEN KOMMISSION FÜR DEN THEOLOGISCHEN DIALOG ZWISCHEN

DER KATHOLISCHEN KIRCHE UND DEN ORIENTALISCHEN ORTHODOXEN KIRCHEN Freitag, 30. Januar 2009



Liebe Brüder in Christus!

Ich heiße euch, die Mitglieder der Gemischten Internationalen Kommission für den Theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den orientalischen orthodoxen Kirchen, herzlich willkommen. Am Ende dieser Woche engagierter Arbeit können wir gemeinsam dem Herrn für euer standhaftes Bemühen um die Suche nach Versöhnung und Gemeinschaft im Leib Christi danken, der die Kirche ist.

In der Tat bringt jeder von euch in diese Aufgabe nicht nur den Reichtum der eigenen Überlieferung ein, sondern auch das Bemühen der Kirchen, die an diesem Dialog beteiligt sind, um die Spaltungen der Vergangenheit zu überwinden und das gemeinsame Zeugnis der Christen angesichts der enormen Herausforderungen, denen die Gläubigen heute gegenüberstehen, zu stärken.

Die Welt braucht ein sichtbares Zeichen für das Geheimnis der Einheit, das die drei göttlichen Personen verbindet und das uns vor 2000 Jahren durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes offenbart wurde. Die Greifbarkeit der Botschaft des Evangeliums wird von Johannes ganz deutlich dargelegt, als er seine Absicht kundtut, das zu verkünden, was er gehört und mit seinen Augen gesehen hat und was seine Hände angefaßt haben, damit alle Gemeinschaft haben mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus (vgl. 1 Joh 1,1–4). Unsere Gemeinschaft durch die Gnade des Heiligen Geistes in dem Leben, das den Vater und den Sohn vereint, besitzt eine spürbare Dimension in der Kirche, dem Leib Christi: Sie »wird von ihm erfüllt, der das All ganz und gar beherrscht« (Ep 1,23).

Eure sechste Versammlung hat wichtige Schritte gerade in bezug auf das Studium der Kirche als Gemeinschaft unternommen. Schon allein die Tatsache, daß der Dialog beständig weitergeführt wurde und jedes Jahr von einer der verschiedenen Kirchen, die ihr vertretet, ausgerichtet wird, ist ein Zeichen der Hoffnung und Ermutigung. Wir brauchen nur an den Nahen Osten zu denken – aus dem viele von euch kommen –, um zu sehen, daß wahre Samenkörner der Hoffnung dringend notwendig sind in einer Welt, die durch die Tragödie der Spaltung, des Konflikts und enormen menschlichen Leidens verwundet ist.

Die Gebetswoche für die Einheit der Christen hat soeben mit der Feier in der Basilika ihren Abschluß gefunden, die dem großen Apostel Paulus geweiht ist. Viele von euch waren dabei anwesend. Paulus war der erste große Meister und Theologe der Einheit der Kirche. Seine Bemühungen und Kämpfe waren von dem dauerhaften Bestreben inspiriert, eine sichtbare, nicht nur äußerliche, sondern wirkliche und volle Gemeinschaft unter den Jüngern des Herrn zu erhalten. Daher bitte ich durch die Fürsprache des Paulus um Gottes Segen für euch alle sowie für die Kirchen und Völker, die ihr vertretet.



AN DIE MITGLIEDER DER FÜHRUNGSGRUPPE DER

ITALIENISCHEN GEWERKSCHAFT

"CONFEDERAZIONE ITALIANA SINDACATI LAVORATORI" (CISL) ANLÄSSLICH IHRES 60. GRÜNDUNGSJUBILÄUMS Samstag, 31. Januar 2009



Sehr geehrte Damen und Herren!

Mit großer Freude empfange ich euch heute, die Mitglieder der Führungsgruppe der »Confederazione Italiana Sindacale Lavoratori« [CISL: einer der großen italienischen Gewerkschaftsverbände], und grüße euch herzlich: Mein Gruß geht vor allem an den Generalsekretär, und ich danke ihm für die Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. Er hat daran erinnert, daß die CISL vor genau 60 Jahren ihre ersten Schritte unternommen und sich aktiv an der Gründung der internationalen freien Gewerkschaftsbewegung beteiligt sowie dafür gesorgt hat, die entstehende Einrichtung in den Prinzipien der kirchlichen Soziallehre zu verankern und die Praxis eines freien und von Parteien und politischen Gruppierungen unabhängigen Gewerkschaftswesens einzuführen. Ihr wollt diese Orientierungslinien heute bekräftigen und es ist euer Wunsch, weiterhin aus dem sozialen Lehramt der Kirche Anregungen für euer Wirken zu ziehen, das darauf ausgerichtet ist, die Interessen der Arbeiter und Arbeiterinnen sowie der Rentenempfänger in Italien zu wahren. Wie euer Generalsekretär zu Recht in Erinnerung gerufen hat, bestehen die große Herausforderung und die Gelegenheit, die durch die derzeitige besorgniserregende Wirtschaftskrise entstanden sind, darin, eine neue Synthese von Gemeinwohl und Markt, von Kapital und Arbeit zu finden. Und in diesem Bereich ist der Beitrag von Bedeutung, den die Gewerkschaftsorganisationen leisten können.

Die Kirche, die in Fragen, die den Menschen betreffen, erfahren ist, bietet unter voller Achtung der legitimen Autonomie jeder Institution denjenigen, die dem Menschen, der Arbeit und dem Fortschritt, der sozialen Gerechtigkeit und dem Frieden dienen wollen, stets den Beitrag ihrer Lehre und ihrer Erfahrung an. Ihre Aufmerksamkeit gegenüber sozialen Fragestellungen hat im Laufe des letzten Jahrhunderts zugenommen. Gerade daher haben es meine verehrten Vorgänger mit Blick auf die Zeichen der Zeit nicht versäumt, den Gläubigen und Menschen guten Willens angemessene Hinweise zu geben und sie in ihrem Bemühen zu erleuchten, die Würde des Menschen zu wahren und sich für die wirklichen Bedürfnisse der Gesellschaft einzusetzen.

Unmittelbar vor dem Anbruch des 20. Jahrhunderts hat Papst Leo XIII. mit seiner Enzyklika Rerum novarum die unveräußerliche Würde der Arbeiter eindringlich verteidigt. Die ideellen Richtlinien dieses Dokuments haben dazu beigetragen, die christliche Einwirkung auf das soziale Leben zu stärken; das übertrug sich unter anderem auf das Entstehen und die Konsolidierung nicht weniger Initiativen von gesellschaftlichem Interesse, wie die sozialen Studienzentren, die Arbeitergesellschaften, die Genossenschaften und die Gewerkschaften. Es wurde ein beachtlicher Impuls für eine Arbeitsgesetzgebung gegeben, die die legitimen Erwartungen der Arbeiter – vor allem der Frauen und der Minderjährigen – berücksichtigt, und es kam ebenfalls zu einer spürbaren Verbesserung der Löhne sowie der Arbeitsbedingungen. Johannes Paul II. hat den 100. Jahrestag dieser Enzyklika, die »das Privileg« hatte, daß mehrere spätere päpstliche Dokumente an sie erinnert haben, durch die Veröffentlichung der Enzyklika Centesimus annus feierlich begehen wollen; in dieser stellt er fest, daß die Soziallehre der Kirche vor allem in diesem unserem geschichtlichen Zeitabschnitt den Menschen als in das komplizierte Beziehungsgeflecht eingebunden betrachtet, das für die modernen Gesellschaften typisch ist. Die Humanwissenschaften tragen ihrerseits dazu bei, ihn in die Lage zu versetzen, sich selbst immer besser als soziales Wesen zu begreifen. »Allein der Glaube«, so merkt mein verehrter Vorgänger an, »enthüllt ihm voll seine wahre Identität. Von dieser Identität geht die Soziallehre der Kirche aus. Ihr Ziel ist es, unter Zuhilfenahme sämtlicher Beiträge der Wissenschaften und der Philosophie dem Menschen auf dem Weg zu seinem Heil beizustehen« (Nr. 54).

In seiner vorhergehenden, dem Thema der Arbeit gewidmeten Enzyklika Laborem exercens aus dem Jahr 1981 hatte Papst Johannes Paul II. hervorgehoben, daß die Kirche niemals davon abgelassen hat, die Probleme der Arbeit innerhalb einer sozialen Frage zu betrachten, die immer mehr weltweite Dimensionen angenommen hat. Die Arbeit – so betont er – ist der »wesentliche Schlüssel« der gesamten sozialen Frage, da sie nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die kulturelle und moralische Entwicklung der Personen, der Familien, der Gemeinschaften und der gesamten Menschheit beeinflußt (vgl. Nr. 1). In diesem wichtigen Schreiben werden auch die Rolle und die strategische Bedeutung der Gewerkschaften hervorgehoben, die als ein »unentbehrliches Element des sozialen Lebens, vor allem in den modernen Industriegesellschaften« (vgl. Nr. 20), bezeichnet werden.

Es gibt ein weiteres Element, das häufig im Lehramt der Päpste des 20. Jahrhunderts wiederkehrt: der Aufruf zu Solidarität und Verantwortung. Wir wissen, daß es, um die wirtschaftliche und soziale Krise zu überwinden, die wir derzeit erleben, eines freien und verantwortlichen Bemühens seitens aller bedarf; es ist also notwendig, partikularistische und einzelne Sektoren betreffende Interessen zu überwinden, um gemeinsam und vereint die Schwierigkeiten anzugehen, von denen jeder Bereich der Gesellschaft und vor allem die Welt der Arbeit betroffen sind. Nie war dies dringender zu verspüren als heute; die Schwierigkeiten, unter denen die Arbeitswelt leidet, drängen zu einem effizienteren und rascheren gemeinsamen Vorgehen der vielfältigen und verschiedenen Komponenten der Gesellschaft. Die Mahnung zur Zusammenarbeit findet sich auch in der Bibel. So lesen wir etwa im Buch Kohelet: »Zwei sind besser als einer allein, falls sie nur reichen Ertrag aus ihrem Besitz ziehen. Denn wenn sie hinfallen, richtet einer den anderen auf. Doch wehe dem, der allein ist, wenn er hinfällt, ohne daß einer bei ihm ist, der ihn aufrichtet« (Koh 4,9–10). Der Wunsch lautet schließlich, daß aus der derzeitigen weltweiten Krise der gemeinsame Wille hervorgehen möge, eine neue Kultur der Solidarität und der Mitverantwortung entstehen zu lassen; es sind dies unerläßliche Bedingungen für die gemeinsame Gestaltung der Zukunft unseres Planeten.

Liebe Freunde, möge die Feier des 60. Jahrestages der Gründung eurer Gewerkschaftsorganisation ein Anlaß sein, die anfängliche Begeisterung zu erneuern und noch stärker euer ursprüngliches Charisma wiederzuentdecken. Die Welt braucht Menschen, die sich selbstlos der Sache der Arbeit widmen, in voller Achtung der menschlichen Würde und des Gemeinwohls. Die Kirche, die die fundamentale Rolle der Gewerkschaften schätzt, ist euch heute wie gestern nahe und bereit, euch zu helfen, damit ihr aufs beste eure Aufgabe in der Gesellschaft erfüllen könnt. Am heutigen Festtag des hl. Don Bosco möchte ich schließlich eure Aktivitäten und Vorhaben diesem Apostel der Jugend anvertrauen, der mit großem sozialen Gespür die Arbeit zu einem wertvollen Instrument der Ausbildung und der Erziehung der neuen Generationen gemacht hat. Ich rufe außerdem den Schutz der Muttergottes und des hl. Josef auf euch herab, des guten Vaters und erfahrenen Arbeiters, der täglich für die Familie von Nazaret gesorgt hat. Meinerseits versichere ich euch meines Gedenkens im Gebet und segne euch herzlich, die ihr hier anwesend seid, sowie alle Mitglieder, die eurem Verband angehören.



Februar 2009


AN HERRN JÁNOS BALASSA,

NEUER BOTSCHAFTER DER REPUBLIK UNGARN BEIM HL. STUHL Montag, 2. Februar 2009



Exzellenz!

Ich freue mich, Sie zu Beginn Ihrer Mission willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, durch das Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Ungarn beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Worte und für die Grüße von seiten des Staatspräsidenten, Herrn László Sólyom. Bitte übermitteln Sie ihm meine hochachtungsvollen guten Wünsche und die Versicherung meines Gebets für das ganze Volk Ihrer Nation.

Die Wiederaufnahme der vollen diplomatischen Beziehungen zu den Ländern des ehemaligen Ostblocks nach den einschneidenden Ereignissen von 1989 hat neue Horizonte der Hoffnung für die Zukunft eröffnet. In den 20 Jahren, die seitdem vergangen sind, hat Ungarn große Fortschritte gemacht beim Aufbau der Strukturen einer freien und demokratischen Gesellschaft, die in der Lage und bereit ist, in einer zunehmend globalisierten Weltgemeinschaft ihren Beitrag zu leisten. Wie Sie gesagt haben, müssen die Kräfte, die Wirtschaft und Politik in der modernen Welt lenken, die richtige Ausrichtung erhalten. Mit anderen Worten, sie müssen auf eine ethische Grundlage gestellt werden, die der Würde und den Rechten der menschlichen Person sowie dem Gemeinwohl der Menschheit Priorität gibt. Angesichts seines starken christlichen Erbes, das über 1000 Jahre zurückreicht, besitzt Ungarn gute Voraussetzungen, um zur Förderung dieser humanen Ideale in der Europäischen Gemeinschaft und in der größeren Weltgemeinschaft beizutragen, und ich hoffe, daß unsere diplomatischen Beziehungen dazu dienen werden, diese lebenswichtige Dimension des Beitrags Ihres Landes zu den internationalen Angelegenheiten zu unterstützen.

Die Wiedererlangung der Freiheit hat manchmal die Gefahr mit sich gebracht, daß diese christlichen und menschlichen Ideale, die in der Geschichte und Kultur einzelner Völker sowie des ganzen europäischen Kontinents so tief verwurzelt sind, durch andere ersetzt werden, die auf falschen Vorstellungen vom Menschen und seiner Würde gründen und für die Entwicklung einer wirklich gedeihenden Gesellschaft schädlich sind. In meiner Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 2008 habe ich die grundlegende Bedeutung der Familie für den Aufbau friedlicher gemeinschaftlicher Beziehungen auf jeder Ebene hervorgehoben.

In großen Teilen des modernen Europa wird die entscheidende Rolle, die die Familie für das menschliche Zusammenleben spielt, durch falsche Denkweisen in Frage gestellt oder sogar gefährdet, was manchmal in aggressiven Strategien im sozialen und politischen Bereich zum Ausdruck kommt. Ich hoffe ernsthaft, daß Wege gefunden werden, um diesen Grundbaustein unserer Gesellschaft, das Herzstück jeder Kultur und Nation, zu schützen. Insbesondere kann die Regierung die Familie unterstützen, indem sie sicherstellt, daß die Eltern ihr Grundrecht wahrnehmen können, die ersten Erzieher ihrer Kinder zu sein, was die Möglichkeit einschließt, ihre Kinder in Konfessionsschulen zu schicken, wenn sie es wünschen.

Die katholische Kirche in Ungarn hat den Übergang von der Zeit der totalitären Herrschaft zur Freiheit, die Ihr Land jetzt genießt, besonders intensiv erlebt. Nach jahrzehntelanger Unterdrückung, getragen vom heroischen Zeugnis so vieler Christen, ist sie hervorgetreten, um in einer veränderten Gesellschaft ihren Platz einzunehmen, wieder in der Lage, frei das Evangelium zu verkünden. Sie sucht keine Privilegien für sich selbst, sondern ist darauf bedacht, ihre Rolle im Leben der Nation zu spielen, getreu ihrem Wesen und ihrer Sendung. Der Prozeß zur Umsetzung der Vereinbarungen zwischen Ungarn und dem Heiligen Stuhl geht weiter – ich denke an das kürzlich unterzeichnete Memorandum über die religiöse Betreuung der Streitkräfte und der Grenzpolizei –, und ich bin zuversichtlich, daß alle noch ungeklärten Fragen, die das Leben der Kirche in Ihrem Land betreffen, im Geist des Wohlwollens und des fruchtbaren Dialogs gelöst werden, der unsere diplomatischen Beziehungen seit ihrer so glücklichen Wiederherstellung geprägt hat.

Exzellenz, ich hoffe, daß die diplomatische Mission, die Sie heute antreten, die bereits bestehenden Bande der Freundschaft zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Ungarn weiter festigen möge. Ich versichere Ihnen, daß die verschiedenen Ämter der Römischen Kurie stets bereit sind, Hilfe und Unterstützung bei der Erfüllung Ihrer Pflichten anzubieten. Mit meinen aufrichtigen guten Wünschen rufe ich auf Sie, Ihre Familie und alle Ihre Mitbürger reichen Segen des Friedens und des Wohlergehens herab. Gott segne Ungarn!



AN DIE BISCHÖFE AUS DER TÜRKEI

ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES Montag, 2. Februar 2009



Liebe Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt!

Ich freue mich, euch heute vormittag im Rahmen eurer Pilgerreise zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus zu empfangen, die ihr als beredtes Zeichen eurer Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri durchführt. Ich danke dem Vorsitzenden eurer Bischofskonferenz, Erzbischof Luigi Padovese, Apostolischer Vikar von Anatolien, für die liebenswürdigen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Durch eure Anwesenheit begegnen auch eure vielfältigen Gemeinschaften der Kirche von Rom und zeigen so die tiefe Einheit, durch die sie verbunden sind. Grüßt die Priester, die Ordensleute und alle Gläubigen eurer Diözesen herzlich in meinem Namen, wenn ihr nach Hause zurückkehrt. Sagt ihnen, daß der Papst in der Erinnerung an seine Pilgerreise in die Türkei, die ihm in seinen Gedanken immer noch gegenwärtig ist, jedem von ihnen in seinen Sorgen und in seinen Hoffnungen nahe bleibt.

Euer Besuch, der nach göttlichem Ratschluß in diesem Jahr stattfindet, das dem hl. Paulus geweiht ist, erhält eine besondere Bedeutung für euch, die ihr die Hirten der katholischen Kirche in der Türkei seid, dem Land, in dem der Völkerapostel geboren wurde und in dem er mehrere Gemeinden gegründet hat. Wie ich in der Basilika erklärt habe, in der sich sein Grab befindet, wollte ich dieses Paulusjahr ausrufen, »damit wir ihm zuhören und von ihm als unserem Lehrer jetzt ›den Glauben und die Wahrheit‹ erlernen, in denen die Gründe für die Einheit unter den Jüngern Christi verwurzelt sind« (O.R. dt., Nr. 27; 4.7.2008; S. 7). Ich weiß, daß ihr diesem Jubiläumsjahr in eurem Land einen besonderen Glanz verleihen wolltet und daß zahlreiche Pilger die Stätten besuchen, die der christlichen Tradition so teuer sind. Ich wünsche, daß der Zugang zu diesen für den christlichen Glauben wichtigen Orten sowie die Feier des Gottesdienstes den Pilgern immer weiter erleichtert werden. Im übrigen freue ich mich sehr über die ökumenische Dimension, die dieses Paulusjahr erhalten hat, das somit die Bedeutung dieser Initiative für die anderen Kirchen und christlichen Gemeinschaften zeigt. Möge dieses Jahr neue Fortschritte auf dem Weg zur Einheit aller Christen möglich machen!

Das Leben eurer Ortskirchen in all ihrer Vielfalt stellt die Fortsetzung einer reichen Geschichte dar, die durch die Entwicklung der ersten christlichen Gemeinden geprägt ist. Zahlreiche Namen, die den Jüngern Christi so sehr am Herzen liegen, bleiben seit dem hl. Johannes, dem hl. Ignatius von Antiochien, dem hl. Polykarp von Smyrna und vielen anderen berühmten Kirchenvätern mit eurem Land verbunden, ohne das Konzil von Ephesus zu vergessen, wo die Jungfrau Maria zur »Theotokos« erklärt wurde. In jüngerer Zeit haben Papst Benedikt XV. und der sel. Johannes XXIII. ebenfalls den Weg der Nation und der Kirche in der Türkei geprägt.

Ich möchte auch noch an alle Christen – Priester und Laien – erinnern, die manchmal bis zur höchsten Hingabe ihres Lebens Zeugnis für die Liebe Christi abgelegt haben, wie etwa der Priester Andrea Santoro. Möge diese wunderbare Geschichte für eure Gemeinden, deren Glaubenskraft und Opferbereitschaft in Situationen der Prüfung ich kenne, nicht nur die Erinnerung an eine ruhmreiche Vergangenheit darstellen, sondern die Ermutigung, den vorgezeichneten Weg großherzig weiterzuverfolgen und unter ihren Brüdern die Liebe Gottes zu jedem Menschen zu bezeugen.

Liebe Brüder, die Konzile von Nizäa und von Konstantinopel haben dem Glaubensbekenntnis seinen endgültigen Ausdruck verliehen. Möge dies für euch und für eure Gläubigen ein drängender Ansporn sein, den Glauben der Kirche zu vertiefen und mit immer größerem Eifer die Hoffnung zu leben, die daraus hervorgeht. Das Volk Gottes wird in einer wirklichen kirchlichen Gemeinschaft eine wirksame Stütze für seinen Glauben und seine Hoffnung finden. In der Tat: »Die Kirche ist eine organische Gemeinschaft, die sich in der Koordinierung der verschiedenen Charismen, Ämter und Dienste im Hinblick auf die Erreichung des gemeinsamen Zieles, des Heils nämlich, verwirklicht« (Pastores gregis, 44), und die Bischöfe sind die ersten Verantwortlichen der konkreten Verwirklichung dieser Einheit. Die tiefe Gemeinschaft, die unter ihnen – in der Verschiedenheit der Riten – herrschen muß, kommt besonders in einer wirklichen Brüderlichkeit und in gegenseitiger Zusammenarbeit zum Ausdruck, die es ihnen erlaubt, ihr Amt in einem kollegialen Geist auszuüben und die Einheit des Leibes Christi zu stärken.

Diese Einheit findet eine lebendige Quelle im Wort Gottes, dessen Bedeutung im Leben und in der Sendung der Kirche die jüngste Bischofssynode erneut herausgestellt hat. Ich lade euch also dazu ein, die Gläubigen eurer Diözesen auszubilden, damit die Heilige Schrift nicht ein Wort der Vergangenheit ist, sondern ihr Leben erhellt und ihnen einen wirklichen Zugang zu Gott eröffnet. In diesem Zusammenhang möchte ich gerne daran erinnern, daß die Meditation des ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., über das Wort Gottes ein wichtiger Moment dieser synodalen Versammlung war.

Gestattet mir auch, die Priester und Ordensleute zu grüßen, die mit euch bei der Verkündigung des Evangeliums zusammenarbeiten. Da sie zu einem großen Teil aus anderen Ländern kommen, ist ihre Aufgabe häufig eine sehr schwere Prüfung. Ich ermutige sie dazu, sich immer besser in eure Ortskirchen einzufügen, damit sie allen Mitgliedern der katholischen Gemeinschaft die notwendige pastorale Aufmerksamkeit schenken können, unter Berücksichtigung der schwächsten und einsamsten Menschen. Die kleine Zahl von Priestern, die angesichts des Arbeitsumfangs häufig nicht ausreichend ist, kann euch nur dazu anregen, eine starke Berufungspastoral zu entwickeln.

Die Jugendpastoral ist eines eurer Hauptanliegen. Tatsächlich ist es wichtig, daß die jungen Menschen eine christliche Ausbildung erhalten können, die ihnen hilft, ihren Glauben zu festigen und in einem häufig schwierigen Umfeld zu leben.

In derselben Perspektive muß auch die Ausbildung der Laien diesen ermöglichen, kompetent und effizient die Verantwortung zu übernehmen, die ihnen in der Kirche abverlangt wird.

Die christliche Gemeinschaft eures Landes lebt in einer Nation, die über eine Verfassung verfügt, welche die Laizität des Staates erklärt, deren Einwohner jedoch mehrheitlich Moslems sind. Es ist also äußerst wichtig, daß Christen und Moslems sich gemeinsam für den Menschen, für das Leben sowie für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen können. Im übrigen ist die Unterscheidung in einen bürgerlichen und in einen religiösen Bereich sicherlich ein Wert, der geschützt werden muß. Jedenfalls kommt es in diesem Rahmen dem Staat zu, den Bürgern und den religiösen Gemeinschaften auf wirksame Weise die Kultus- und Religionsfreiheit zu gewährleisten und jede Gewalt gegenüber Gläubigen – gleich welcher Religion – zu verurteilen. In diesem Zusammenhang kenne ich euren Wunsch und eure Bereitschaft zu einem aufrichtigen Dialog mit den Behörden, um eine Lösung für die verschiedenen Probleme zu finden, die sich für eure Gemeinschaften stellen, darunter etwa das der rechtlichen Anerkennung der katholischen Kirche und ihrer Güter.

Eine solche Anerkennung kann für alle nur positive Konsequenzen haben.

Es ist wünschenswert, daß ständige Verbindungen eingerichtet werden können, etwa durch eine bilaterale Kommission, um noch ungelöste Fragen zu untersuchen.

Liebe Mitbrüder, am Ende unserer Begegnung möchte ich euch die Worte der Hoffnung wiederholen, die im Buch der Offenbarung an die Kirchen von Ephesus und von Smyrna gerichtet werden: »Du hast ausgeharrt und um meines Namens willen Schweres ertragen und bist nicht müde geworden … Sei treu bis in den Tod; dann werde ich dir den Kranz des Lebens geben« (Ap 2,3 Ap 2,10). Mögen die Fürsprache des hl. Paulus und der Theotokos euch gewähren, in dieser Hoffnung zu leben, die von Christus kommt, der auferstanden ist und unter uns lebt. Von Herzen erteile ich euch sowie auch den Priestern, den Ordensleuten und den Gläubigen eurer Diözesen den Apostolischen Segen.


AN HERRN LUIZ FELIPE DE SEIXAS CORRÊA,

NEUER BOTSCHAFTER BRASILIENS BEIM HL. STUHL Montag, 9. Februar 2009



Exzellenz!

1. Mit dankbarer Genugtuung heiße ich Sie hier im Vatikan willkommen zur Überreichung Ihres Beglaubigungsschreibens als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Föderativen Republik Brasilien beim Heiligen Stuhl.

Dieser glückliche Umstand gibt mir die Gelegenheit, noch einmal die Gefühle geistlicher Nähe festzustellen, die das brasilianische Volk für den Nachfolger Petri hegt; gleichzeitig ist er für mich Anlaß, den Ausdruck meiner aufrichtigen Liebe und großen Wertschätzung für Ihre edle Nation zu wiederholen.

Ich danke Ihnen herzlich für die freundlichen Worte, die Sie an mich gerichtet haben. Besonders danke ich für die ehrerbietigen Gedanken und den Gruß, die der Präsident der Republik, Herr Luiz Inácio Lula da Silva, mir übermitteln ließ. Ich bitte Eure Exzellenz um die Freundlichkeit, meinerseits den Gruß zu erwidern und ihm zusammen mit den besten Glückwünschen die Zusicherung meiner Gebete für sein Land und sein Volk zu übermitteln.

Gern nehme ich die Gelegenheit wahr, mit Dankbarkeit an den Pastoralbesuch zu erinnern, den ich im Jahr 2007 dank der Vorsehung Brasilien abstatten konnte, um bei der V. Generalversammlung der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik den Vorsitz zu führen, sowie an die Begegnungen mit dem Staatsoberhaupt sowohl in São Paulo als auch vor kurzem hier in Rom. Mögen diese Ereignisse einmal mehr Zeugnis geben von den engen Banden der Freundschaft und der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Ihrem Land und dem Heiligen Stuhl.

2. Die Ziele – das Ziel der Kirche in ihrem religiösen und geistlichen Sendungsauftrag und das Ziel des Staates – laufen trotz Unterschieden in einem Konvergenzpunkt zusammen: dem Wohl des einzelnen Menschen und dem Gemeinwohl der Nation. Mein verehrter Vorgänger Papst Johannes Paul II. sagte in diesem Zusammenhang: »Einvernehmen und Achtung, der gegenseitige Respekt für die jeweilige Unabhängigkeit und das Prinzip, dem Menschen im Rahmen einer christlichen Auffassung nach besten Kräften zu dienen, werden Faktoren der Eintracht sein, die dem Volk zugute kommen« (Ansprache an den Präsidenten Brasiliens, 14. Oktober 1991, Nr. 2). Brasilien ist ein Land, das in seiner großen Mehrheit den christlichen Glauben bewahrt hat, der seit den Ursprüngen seines Volkes von der vor mehr als fünf Jahrhunderten einsetzenden Evangelisierung weitergegeben worden ist.

So möchte ich gern die Übereinstimmung von Prinzipien sowohl des Apostolischen Stuhls wie Ihrer Regierung hinsichtlich der Bedrohungen für den Weltfrieden betrachten, wenn dieser durch das Fehlen einer Sicht, die den Nächsten in seiner menschlichen Würde respektiert, untergraben wird. Der jüngste Konflikt im Nahen Osten beweist die Notwendigkeit, Initiativen zu unterstützen, die auf die friedliche Lösung der aufgebrochenen Gegensätze ausgerichtet sind, und ich wünsche mir, daß Ihre Regierung weiter in dieser Richtung vorangeht. Andererseits möchte ich hier die Hoffnung wiederholen, daß gemäß den Prinzipien, die über die Menschenwürde wachen und für die Brasilien stets Vorkämpfer gewesen ist, die menschlichen Grundwerte weiter gefördert und verbreitet werden, vor allem wenn es darum geht, die Heiligkeit des Familienlebens und den Schutz des Ungeborenen vom Augenblick der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende ausdrücklich anzuerkennen. In gleicher Weise fördert der Heilige Stuhl hinsichtlich der biologischen Experimente stets die Verteidigung einer Ethik, die die Existenz des Embryos und sein Recht, geboren zu werden, nicht schädigt, sondern schützt.

3. Ich sehe mit Genugtuung, daß die brasilianische Nation in einem Klima zunehmenden Wohlstands zu einem anspornenden Faktor für die Entwicklung in den benachbarten Regionen und in verschiedenen Ländern des afrikanischen Kontinents wird. In einem Klima der Solidarität und des gegenseitigen Verständnisses versucht die Regierung, Initiativen zu unterstützen, die darauf ausgerichtet sind, sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene den Kampf gegen Armut und technologische Rückständigkeit zu fördern.

Andererseits hat die Politik der Einkommensumverteilung einen größeren Wohlstand unter der Bevölkerung erleichtert; in diesem Sinn wünsche ich mir, daß man weiterhin zu einer besseren Einkommensverteilung ermutigen und sich um größere soziale Gerechtigkeit zum Wohl der Bevölkerung bemühen möge. Es muß jedoch hervorgehoben werden, daß sich außer der materiellen Armut in erheblichem Maße die moralische Armut auswirkt, die in der ganzen Welt, auch dort, wo kein Mangel an materiellen Gütern besteht, um sich greift. In der Tat macht die Gefahr des Konsumdenkens und des Hedonismus, die mit dem Fehlen fester moralischer Prinzipien, die das Leben des einfachen Bürgers leiten, einhergeht, die Struktur der Gesellschaft und der Familie in Brasilien verwundbar. Deshalb kann man nie genug auf der Dringlichkeit einer soliden Bildung auf allen Ebenen, auch im politischen Bereich, bestehen, gerade angesichts der ständigen Bedrohungen, die aus den noch immer herrschenden materialistischen Ideologien hervorgehen, und vor allem angesichts der Versuchung der Korruption bei der Verwaltung von öffentlichem und privatem Geld. Zur Erreichung dieses Zieles kann das Christentum – wie ich unlängst gesagt habe – einen gültigen Beitrag anbieten, denn es ist »eine Religion der Freiheit und des Friedens und steht im Dienst am wahren Wohl der Menschheit« (Ansprache an das Diplomatische Korps, 8. Januar 2009). In Anbetracht dieser Werte bietet die Kirche weiterhin diesen Dienst von tiefer evangeliumsgemäßer Bedeutung an, um die Erreichung des Friedens und der Gerechtigkeit unter allen Völkern zu fördern.

4. Das vor kurzem unterzeichnete Abkommen, welches den zivilrechtlichen Status der katholischen Kirche in Brasilien neu definiert und Fragen von gegenseitigem Interesse zwischen den beiden Partnern regelt, ist ein bedeutsames Zeichen dieser aufrichtigen Zusammenarbeit, die die Kirche in dem ihr eigenen Sendungsauftrag mit der brasilianischen Regierung aufrechterhalten möchte. In diesem Sinn gebe ich der Hoffnung Ausdruck, daß dieses Abkommen, wie ich bereits deutlich machen konnte, »die freie Ausübung des Evangelisierungsauftrags der Kirche erleichtern und ihre Zusammenarbeit mit den zivilen Einrichtungen für die ganzheitliche Entwicklung der Person stärken möge« (ebd.). Der Glaube und die Zugehörigkeit zu Jesus Christus verlangen, daß die katholischen Gläubigen auch in Brasilien Werkzeuge der Versöhnung und Brüderlichkeit in der Wahrheit, in der Gerechtigkeit und in der Liebe werden. So wünsche ich mir, dieses feierliche Dokument bald ratifiziert zu sehen, damit die kirchliche organisatorische Gestaltung des Lebens der Katholiken erleichtert wird und einen hohen Wirksamkeitsgrad erreicht.

Herr Botschafter,

zum Abschluß dieser Begegnung erneuere ich die Bitte, dem Herrn Präsidenten der Republik meine besten Glück- und Friedenswünsche zu übermitteln. Ich versichere Eurer Exzellenz, daß Sie bei der Erfüllung Ihrer Mission, von der ich mir wünsche, daß sie glücklich und reich an Früchten und Freuden sein möge, immer die wohlwollende Aufnahme und Unterstützung des Apostolischen Stuhls finden werden. Meine Gedanken gehen in dieser Stunde zu allen Brasilianern und zu allen, die ihr Schicksal leiten. Ich wünsche allen Glück mit wachsendem Fortschritt und Harmonie. Ich bin gewiß, daß Sie, Herr Botschafter, sich beim Staatsoberhaupt zum Sprachrohr dieser meiner Gefühle und Hoffnungen machen werden. Auf die Fürsprache Unserer Lieben Frau von Aparecida erflehe ich für Sie persönlich, für ihren Auftrag und für Ihre Angehörigen sowie für alle geliebten Brasilianer den reichen Segen des allmächtigen Gottes.


Benedikt XVI Predigten 251