Benedikt XVI Predigten 272

272

APOSTOLISCHE REISE

VON PAPST BENEDIKT XVI.

NACH KAMERUN UND ANGOLA

(17.-23. MÄRZ 2009)

BEGEGNUNG MIT DEM SONDERRAT DER

BISCHOFSSYNODE FÜR AFRIKA


Apostolische Nuntiatur von Yaoundé
Donnerstag, 19. März 2009


Meine Herren Kardinäle, liebe Brüder im Bischofsamt! Mit großer Freude begrüße ich euch alle in diesem Land Afrikas. Für Afrika ist 1994 von meinem verehrten Vorgänger, dem Diener Gottes Johannes Paul II., eine Erste Sonderversammlung der Bischofssynode einberufen worden, als Zeichen der Hirtensorge für diesen Kontinent, der ebenso vielversprechend wie voller dringender menschlicher, kultureller und geistlicher Bedürfnisse ist. Ich habe ihn heute vormittag »den Kontinent der Hoffnung« genannt. Ich denke mit Dankbarkeit an die Unterzeichnung des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens Ecclesia in Africa, die eben hier vor 14 Jahren, am Fest der Kreuzerhöhung, dem 14. September 1995, stattgefunden hat.

Meine Dankbarkeit gilt Erzbischof Nikola Eterovic´, Generalsekretär der Bischofssynode, für die Worte, die er zur Einführung in diese Begegnung mit euch auf afrikanischem Boden in eurem Namen an mich gerichtet hat, und ich bin euch sehr dankbar für das, was ihr mir gesagt habt; das gibt mir eine realistischere Vorstellung von der Situation, über die wir bei der kommenden Synode vor allem sprechen und für die wir beten müssen, liebe Mitglieder des Sonderrates der Synode für Afrika. Die ganze Kirche schenkt unserer Begegnung Aufmerksamkeit im Hinblick auf die Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, die, so Gott will, im kommenden Oktober abgehalten werden wird. Ihr Thema lautet: »Die Kirche in Afrika im Dienst von Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden. Ihr seid das Salz der Erde… Ihr seid das Licht der Welt (Mt 5,13 Mt 5,14)«.

Ich danke den Kardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen, die Mitglieder des Sonderrates der Synode für Afrika sind, herzlich für ihre sachkundige Mitarbeit an der Abfassung der »Lineamenta« und des »Instumentum laboris«. Ich bin euch, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, dankbar dafür, daß ihr in euren Beiträgen auch wichtige Aspekte der aktuellen kirchlichen und sozialen Situation eurer Herkunftsländer und der Region dargelegt habt. Ihr habt die große Dynamik der Kirche in Afrika hervorgehoben, aber ebenso habt ihr auf die Herausforderungen, auf die großen Probleme Afrikas hingewiesen, die die Synode untersuchen soll, damit in der Kirche in Afrika nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Wachstum stattfindet.

Liebe Brüder, zur Eröffnung meiner Rede scheint es mir wichtig hervorzuheben, daß euer Kontinent von unserem Herrn Jesus Christus selbst geheiligt worden ist. Am Beginn seines Erdenlebens haben ihn traurige Umstände den Boden Afrikas betreten lassen. Gott hat euren Kontinent zur Wohnstatt seines Sohnes erwählt. Durch Jesus ist Gott gewiß allen Menschen, aber auch in besonderer Weise dem afrikanischen Menschen entgegengekommen. Afrika hat dem Sohn Gottes ein Land, das ihn nährte, und sicheren Schutz geboten. Durch Jesus hat Gott selbst schon vor zweitausend Jahren das Salz und das Licht nach Afrika gebracht. Seit damals hat sich der Same seiner Gegenwart tief in die Herzen dieses geliebten Kontinents eingesenkt und keimt allmählich weiter und quer durch die Wechselfälle der menschlichen Geschichte eures Kontinents. Aufgrund der Ankunft Christi, der es durch seine leibhaftige Anwesenheit geheiligt hat, hat Afrika eine besondere Aufforderung erhalten, Christus kennenzulernen. Mögen die Afrikaner darauf stolz sein! Wenn der Afrikaner über diese erste Etappe der Kenosis nachdenkt und sie geistlich und theologisch vertieft, wird er genügend Kraft finden, um seinen manchmal sehr harten Alltag zu bewältigen, und er wird nun unermeßliche Dimensionen des Glaubens und der Hoffnung entdecken können, die ihm helfen werden, in Gott zu wachsen.

Manche bedeutsamen Momente der christlichen Geschichte dieses Kontinents können uns an die enge Verbindung erinnern, die seit seinen Anfängen zwischen Afrika und dem Christentum besteht. Nach der ehrwürdigen Überlieferung der Kirchenväter kam der heilige Evangelist Markus, der »schriftlich weitergegeben hat, was von Petrus verkündet worden war« (Irenäus, Adversus haereses III, I, 1), nach Alexandrien, um die vom Herrn eingepflanzte Saat wiederzubeleben. Dieser Evangelist hat in Afrika Zeugnis gegeben vom Kreuzestod des Gottessohnes – dem letzten Augenblick der Kenosis – und von seiner erhabenen Erhöhung, damit »jeder Mund bekennt: ›Jesus Christus ist der Herr‹ – zur Ehre Gottes, des Vaters« (Ph 2,11). Die Frohe Botschaft von der Ankunft des Reiches Gottes hat sich im Norden eures Kontinents rasch verbreitet, wo sie berühmte Märtyrer und Heilige fand und von wo aus sie ausgezeichnete Theologen hervorgebracht hat.

Nach den Heimsuchungen durch die Wechselfälle der Geschichte hat das Christentum fast ein Jahrtausend lang nur im nordöstlichen Teil eures Kontinents überlebt. Als im 15. und 16. Jahrhundert die Europäer eintrafen, die den Seeweg nach Indien suchten, sind die Völker südlich der Sahara Christus begegnet. Als erste empfingen die Küstenvölker die Taufe. Im 19. und 20. Jahrhundert erlebte Afrika südlich der Sahara die Ankunft von Missionaren, Männern und Frauen, die aus dem ganzen Abendland, aus Lateinamerika und sogar aus Asien kamen. Ihre hochherzige bedingungslose Antwort auf den Ruf des Herrn und ihren glühenden apostolischen Eifer möchte ich würdigend anerkennen. Hier möchte ich allerdings noch weiter gehen und von den afrikanischen Katechisten, den untrennbaren Gefährten der Missionare bei der Evangelisierung, sprechen. Gott hatte das Herz mancher afrikanischer Laien, Männer und Frauen, Junge und Ältere, vorbereitet, um seine Gaben zu empfangen und den Brüdern und Schwestern das Licht seines Wortes zu bringen. In einem von Laien geprägten Umfeld haben es die Laien verstanden, in der Sprache ihrer Väter die Worte Gottes zu finden, die das Herz ihrer Brüder und Schwestern berührten. Sie haben es verstanden, den Geschmack des Salzes des Wortes zu teilen und das Licht der Sakramente, die sie verkündeten, leuchten zu lassen. Sie haben die Familien in ihrem geistlichen Wachstum begleitet, haben zu Priester- und Ordensberufungen ermutigt und waren das feste Band zwischen ihren Gemeinschaften und den Priestern und Bischöfen. Auf natürliche Art haben sie eine gelungene Inkulturation vollbracht, die wunderbare Früchte getragen hat (vgl. Mk Mc 4,20). Es waren die Katechisten, die es möglich machten, daß »das Licht vor den Menschen leuchtet« (Mt 5,16), denn ganze Völker konnten, als sie sahen, was die Katechisten Gutes taten, unseren Vater im Himmel lobpreisen. Es sind also Afrikaner, die Afrikaner evangelisiert haben. Indem ich die ruhmreiche Erinnerung an sie wachrufe, grüße und ermutige ich ihre würdigen Nachfolger, die heute mit derselben Selbstlosigkeit, mit demselben apostolischen Mut und mit demselben Glauben wie ihre Vorgänger arbeiten. Möge Gott sie großzügig segnen! Während dieser Epoche war Afrika auch mit zahlreichen Heiligen gesegnet. Ich beschränke mich darauf, die Märtyrer von Uganda, die großen Missionare Anne-Marie Javouhey und Daniele Comboni, sowie Schwester Anuarite Nengapeta und den Katechisten Isidor Bakanja zu nennen, nicht zu vergessen die demütige Joséphine Bakhita.

Wir befinden uns gegenwärtig an einem geschichtlichen Zeitpunkt, der vom weltlichen Standpunkt her mit der wiedererlangten Unabhängigkeit und vom kirchlichen Standpunkt her mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zusammenfällt. Die Kirche in Afrika hat während dieser Periode den Aufbau der neuen nationalen Identitäten vorbereitet und begleitet und parallel dazu versucht, die Identität Christi auf ihre eigene Weise zum Ausdruck zu bringen. Während nach der Weihe von Bischöfen eures Kontinents durch Papst Pius XII. die Hierarchie nach und nach afrikanisiert wurde, begann der Aufschwung des theologischen Nachdenkens. Es wäre heute gut, wenn eure Theologen weiterhin die Tiefe des trinitarischen Geheimnisses und seine Bedeutung für den afrikanischen Alltag untersuchten. Vielleicht wird dieses Jahrhundert mit Gottes Gnade auf eurem Kontinent das Wiedererstehen – natürlich in anderer und neuer Gestalt – der berühmten Schule von Alexandrien ermöglichen. Warum soll man nicht hoffen, daß sie für die heutigen Afrikaner und für die gesamte Kirche große Theologen und geistliche Lehrer bereitstellen könnte, die zur Heiligung der Bewohner dieses Kontinents und der ganzen Kirche beitragen würden? Die Erste Sonderversammlung der Bischofssynode hat ermöglicht, die einzuschlagenden Richtungen anzugeben, und hat unter anderem die Notwendigkeit hervorgehoben, das Geheimnis einer Kirche als Familie zu vertiefen und zu verkörpern.

Ich würde jetzt gern einige Überlegungen zum Thema der Zweiten Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika mit Bezug auf Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden anstellen.

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist »die Kirche in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit« (Lumen gentium LG 1). Um ihre Sendung gut zu erfüllen, muß die Kirche eine Gemeinschaft von Personen sein, die mit Gott und untereinander versöhnt sind. Auf diese Weise kann sie der heutigen Gesellschaft, die leider vielerorts Konflikte, Gewalttaten, Kriege und Haß erlebt, die Frohe Botschaft von der Versöhnung verkünden. Euer Kontinent ist davon leider nicht verschont geblieben und war und ist noch immer trauriger Schauplatz schwerwiegender Tragödien, die an eine Versöhnung zwischen den Völkern, den Ethnien und den Menschen appellieren. Für uns Christen hat diese Versöhnung ihre Wurzel in der erbarmenden Liebe Gottes des Vaters und verwirklicht sich durch die Person Jesu Christi, der im Heiligen Geist allen die Gnade der Versöhnung angeboten hat. Die Folgen werden dann durch die Gerechtigkeit und den Frieden offenbar werden, die für den Aufbau einer besseren Welt unerläßlich sind.

In der Tat: Gibt es in der heutigen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lage des afrikanischen Kontinents etwas Dramatischeres als den oft blutigen Kampf zwischen ethnischen Gruppen oder Brudervölkern? Und wenn die Synode von 1994 auf der Kirche als Familie Gottes bestanden hat, welcher Art kann dann der Beitrag der in diesem Jahr stattfindenden Synode zum Aufbau Afrikas sein, das nach Versöhnung dürstet und Gerechtigkeit und Frieden sucht? Die lokalen und regionalen Kriege, die Massaker und Völkermorde, die sich auf dem Kontinent abspielen, müssen uns in besonderer Weise auf den Plan rufen: Wenn es wahr ist, daß wir in Jesus Christus zur selben Familie gehören und am selben Leben teilhaben, da in unseren Adern dasselbe Blut Christi fließt, das uns zu Kindern Gottes, zu Gliedern der Familie Gottes macht, dürfte es also nicht mehr Haß, Ungerechtigkeiten und Kriege zwischen Brüdern geben.

Als Kardinal Bernardin Gantin seligen Angedenkens die Entwicklung der Gewalt und den Einzug des Egoismus in Afrika feststellte, rief er seit 1988 als Antwort auf die dringenden Appelle der Armen und Geringsten zu einer Theologie der Brüderlichkeit auf (Osservatore Romano, franz. Ausgabe, 12. April 1988, S. 4–5). Ihm kam vielleicht in Erinnerung, was der Afrikaner Lactantius am Beginn des 4. Jahrhunderts geschrieben hat: »Die erste Pflicht der Gerechtigkeit ist es, den Menschen als einen Bruder anzuerkennen. Denn wenn uns derselbe Gott gemacht und uns alle im Hinblick auf die Gerechtigkeit und das ewige Leben in derselben Verfassung hervorgebracht hat, sind wir mit Sicherheit alle durch die Bande der Brüderlichkeit verbunden: Wer sie nicht anerkennt, ist ungerecht« (Epitome institutionum divinarum, 54, 4–5; Sources Chrétiennes 335, S. 210). Die Kirche als Familie Gottes in Afrika hat seit der Ersten Sonderversammlung der Bischofssynode eine bevorzugte Option für die Armen verwirklicht. Sie bekundet auf diese Weise, daß die Situation der Entmenschlichung und Unterdrückung, die die afrikanischen Völker heimsucht, nicht unumkehrbar ist; im Gegenteil, sie stellt jeden vor eine Herausforderung, nämlich die Herausforderung der Umkehr, der Heiligkeit und der Rechtschaffenheit.

Der Sohn, durch den Gott zu uns spricht, ist selbst fleischgewordenes Wort. Das war das Thema der Reflexionen der jüngsten Zwölften Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode. Dieses fleischgewordene Wort steht am Anfang dessen, was wir sind und tun; es ist die Grundlage des ganzen Lebens. Ausgehend von diesem Wort sind daher die afrikanischen Traditionen zu bewerten und ihre Auffassung vom Leben, vom Menschen und von der Familie zu korrigieren und zu vervollkommnen. Jesus Christus, Wort des Lebens, ist Quelle und Erfüllung des Lebens eines jeden einzelnen von uns, denn der Herr Jesus ist der einzige Mittler und Erlöser.

Es ist dringend notwendig, daß die christlichen Gemeinschaften immer mehr zu Orten des vertieften Hörens auf das Wort Gottes und der betrachtenden Lesung der Heiligen Schrift werden. Durch diese betrachtende und gemeinschaftliche Lesung in der Kirche begegnet der Christ dem auferstandenen Christus, der zu ihm spricht und ihm die Hoffnung auf die Fülle des Lebens, die er der Welt schenkt, wiedergibt.

Was die Eucharistie betrifft, so macht sie den Herrn in der Welt wirklich gegenwärtig. Durch die Wirklichkeit seines Leibes und seines Blutes wird der ganze Christus wesenhaft in unserem Leben gegenwärtig. Er ist bei uns alle Tage bis ans Ende der Zeiten (vgl. Mt Mt 28,20) und verweist uns auf die Alltagswirklichkeit, damit wir sie mit seiner Gegenwart erfüllen können. In der Eucharistie wird deutlich sichtbar, daß das Leben eine Beziehung der Gemeinschaft mit Gott, mit unseren Brüdern und Schwestern und mit der ganzen Schöpfung ist. Die Eucharistie ist Quelle der im Frieden versöhnten Einheit.

Das Wort des Lebens und das Brot des Lebens bieten uns Licht und Nahrung als Arznei und Wegzehrung in der Treue zum Lehrer und Hirten unserer Seelen, damit die Kirche in Afrika den Dienst der Versöhnung, der Gerechtigkeit und des Friedens gemäß dem ihr vom Herrn selbst zugewiesenen Lebensplan verwirklicht: »Ihr seid das Salz der Erde… Ihr seid das Licht der Welt« (Mt 5,13 Mt 5,14). Um es wirklich zu sein, müssen sich die Gläubigen bekehren und Jesus Christus folgen, seine Jünger werden, um Zeugen seiner rettenden Kraft zu sein. Während seines Erdenlebens war Jesus »mächtig in Wort und Tat« (Lc 24,19). Durch seine Auferstehung hat er jede Obrigkeit und Macht, jede Macht des Bösen bezwungen (vgl. Kol Col 2,15), um jene, die in seinem Namen getauft wurden, zu befreien. »Zur Freiheit hat uns Christus befreit« (Ga 5,1). Die christliche Berufung besteht darin, sich von Jesus Christus befreien zu lassen. Er hat die Sünde und den Tod besiegt und bietet allen die Fülle des Lebens an. In Jesus, dem Herrn, gibt es nicht mehr Juden oder Heiden, weder Mann noch Frau (vgl. Gal Ga 3,28). In seinem Fleisch hat er alle Völker versöhnt. Mit der Kraft des Heiligen Geistes richte ich an alle den Aufruf: »Laßt euch versöhnen!« (2Co 5,20). Keine ethnische oder kulturelle Verschiedenheit, kein Unterschied nach Rasse, Geschlecht oder Religion darf zum Anlaß einer Konfrontation zwischen euch werden. Ihr seid alle Kinder des einen Gottes, unseres Vaters im Himmel. Mit dieser Überzeugung wird es dann möglich sein, ein gerechteres und friedlicheres Afrika auf der Höhe der berechtigten Erwartungen aller seiner Söhne und Töchter aufzubauen.

Schließlich lade ich euch ein, zur Vorbereitung der Abhaltung der Synode zu ermutigen, indem ihr auch mit den Gläubigen das Gebet für das gute Gelingen der Synodenversammlung sprecht, mit dem das »Instumentum laboris« schließt, das ich heute vormittag übergeben habe. Beten wir also, liebe Brüder, gemeinsam:

»Heilige Maria, Mutter Gottes, Beschützerin Afrikas, du hast der Welt das wahre Licht gegeben, Jesus Christus. Durch deinen Gehorsam gegenüber dem Vater und durch die Gnade des Heiligen Geistes hast du uns die Quelle unserer Versöhnung und unserer Gerechtigkeit geschenkt, Jesus Christus, unser Friede und unsere Freude.

Mutter voll Zärtlichkeit und Weisheit, zeige uns Jesus, deinen Sohn und Sohn Gottes, stehe uns bei auf unserem Weg der Umkehr, damit Jesus an allen Orten unseres persönlichen, familiären und sozialen Lebens seine Herrlichkeit über uns erstrahlen lasse.

Mutter, voller Erbarmen und Gerechtigkeit, erwirb uns durch deine Gefügigkeit gegenüber dem Tröstergeist die Gnade, Zeugen des auferstandenen Herrn zu sein, damit wir immer mehr Salz der Erde und Licht der Welt werden.

Mutter der immerwährenden Hilfe, deiner mütterlichen Fürsprache vertrauen wir die Vorbereitung und die Früchte der Zweiten Synode für Afrika an. Königin des Friedens, bitte für uns! Unsere Liebe Frau von Afrika, bitte für uns!«
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APOSTOLISCHE REISE

VON PAPST BENEDIKT XVI.

NACH KAMERUN UND ANGOLA

(17.-23. MÄRZ 2009)

ABSCHIEDSZEREMONIE

Internationaler Flughafen Nsimalen, Yaoundé
Freitag, 20. März 2009



Herr Staatspräsident,
Vertreterinnen und Vertreter der zivilen Obrigkeiten,
Herr Kardinal,
liebe Mitbrüder im Bischofsamt,
liebe Brüder und Schwestern!

Am Ende der ersten Etappe meiner Apostolischen Reise nach Afrika angelangt schicke ich mich an, Kamerun zu verlassen, und ich möchte euch allen für die herzliche Aufnahme danken, die ihr mir in diesen Tagen gewährt habt. Die Wärme der afrikanischen Sonne spiegelte sich gleichsam in der Wärme der Gastfreundschaft wider, die ihr mir habt zuteil werden lassen. Ich danke zunächst dem Herrn Staatspräsidenten und den Regierungsmitgliedern für die freundliche Aufnahme. Ich danke meinen Mitbrüdern im Bischofsamt und der Gesamtheit der katholischen Gläubigen, die in unseren gemeinsamen liturgischen Feiern ein so eindrucksvolles Beispiel für einen frohen und lebendigen Gottesdienst gegeben haben. Ich freue mich auch, daß die Angehörigen anderer kirchlicher Gemeinschaften bei einigen unserer Versammlungen anwesend sein konnten, und ich spreche ihnen und ihren Verantwortlichen erneut meine ehrerbietigen Grüße aus. Ich möchte hervorheben, wie sehr ich die wichtige Arbeit zu schätzen weiß, die die zivilen Obrigkeiten geleistet haben, um den reibungslosen Ablauf meines Besuchs zu gewährleisten. Aber vor allem möchte ich all jenen meinen Dank aussprechen, die inständig dafür gebetet haben, daß dieser Pastoralbesuch für das Leben der Kirche in Afrika Früchte tragen möge. Und ich bitte euch, auch weiterhin dafür zu beten, daß die Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika eine Zeit der Gnade für die Kirche auf dem ganzen Kontinent sein möge, eine Zeit der Erneuerung und der erneuten Hingabe an die Sendung, einer verwundeten Welt die Heilsbotschaft des Evangeliums zu bringen.

Viele der Szenen, die ich hier erlebt habe, haben sich tief in mein Gedächtnis eingeprägt. Im »Centre Cardinal Léger« war es äußerst bewegend zu sehen, welche Fürsorge den Kranken und den Behinderten entgegengebracht wird. Sie gehören zu den verletzlichsten Mitgliedern unserer Gesellschaft. Dieses Erbarmen, das der barmherzigen Liebe Christi entspricht, ist ein sicheres Zeichen der Hoffnung für die Zukunft der Kirche und für die Zukunft Afrikas.

Meine Begegnung mit Angehörigen der muslimischen Gemeinschaft hier in Kamerun war ein weiterer Höhepunkt, an den ich mich stets erinnern werde. Während wir auf unserem Weg zu größerem gegenseitigen Verständnis voranschreiten, bete ich darum, daß wir auch in unserer Achtung und Wertschätzung füreinander wachsen und unsere Entschlossenheit festigen mögen, zusammenzuarbeiten, um die gottgegebene Würde des Menschen zu verkündigen – eine Botschaft, die eine zunehmend säkularisierte Welt hören muß.

Der Hauptgrund für meine Reise nach Kamerun war natürlich der Besuch bei der hiesigen katholischen Gemeinschaft. Ich habe mich sehr darüber gefreut, einige brüderliche Augenblicke mit den Bischöfen zu verbringen und die Liturgie der Kirche mit so vielen Gläubigen zu feiern. Insbesondere bin ich hierhergekommen, um mit euch den historischen Augenblick der Promulgation des »Instrumentum laboris« für die Zweite Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika zu teilen. Dies ist wirklich ein Augenblick großer Hoffnung für Afrika und für die ganze Welt. Einwohner von Kamerun, ich fordere euch auf, den Augenblick, den Gott euch geschenkt hat, wahrzunehmen! Entsprecht seinem Ruf, Versöhnung, Heilung und Frieden in eure Gemeinschaften und in eure Gesellschaft zu bringen! Bemüht euch, Ungerechtigkeit, Armut und Hunger zu beseitigen, wo auch immer ihr ihnen begegnet! Und Gott segne dieses wunderbare Land, ein »Afrika in Miniatur«, ein Land der Verheißung und ein Land von strahlender Schönheit. Gott segne euch alle!


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APOSTOLISCHE REISE

VON PAPST BENEDIKT XVI.

NACH KAMERUN UND ANGOLA

(17.-23. MÄRZ 2009)

BEGRÜSSUNGSZEREMONIE

Internationaler Flughafen "4 de Fevereiro", Luanda
Freitag, 20. März 2009

Sehr geehrter Herr Präsident,

verehrte zivile und militärische Autoritäten,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen Dienst,
liebe angolanische Freunde!

Mit aufrichtigen Gefühlen der Hochachtung und der Freundschaft betrete ich den Boden dieser edlen und jungen Nation im Rahmen eines Pastoralbesuchs, bei dem ich im Geist den gesamten afrikanischen Kontinent im Blick habe, wenn ich auch persönlich nur in Yaoundé und Luanda anwesend sein kann. Alle sollen jedoch wissen, daß in meinem Herzen und meinem Gebet ganz Afrika und insbesondere das angolanische Volk gegenwärtig sind, das ich von Herzen ermutigen möchte, voranzuschreiten auf dem Weg der Versöhnung und beim Wiederaufbau des Landes und der Institutionen.

Herr Präsident, ich danke Ihnen zunächst für die von Ihnen ausgesprochene liebenswürdige Einladung, Ihr Land zu besuchen, und für die herzlichen Worte des Willkommens, die Sie eben an mich gerichtet haben. Nehmen Sie meine ehrerbietigen Grüße und besten Wünsche entgegen, in die ich auch die anderen Autoritäten einschließe, die freundlicherweise zu meiner Begrüßung hier zusammengekommen sind. In der Person ihrer hier anwesenden Bischöfe grüße ich die gesamte katholische Kirche in Angola und danke allen angolanischen Freunden für den herzlichen Empfang, den sie mir bereitetet haben. Allen, die mir über Radio und Fernsehen folgen, übermittle ich gleichermaßen den Ausdruck meiner Freundschaft, in der Gewißheit des himmlischen Wohlwollens für die uns anvertraute gemeinsame Sendung: zusammen eine freiere, friedlichere und solidarischere Gesellschaft aufzubauen.

Wie sollte man nicht an jenen illustren Besucher denken, der im Juni 1992 Angola gesegnet hat: meinen geschätzten Vorgänger Johannes Paul II.?

Als unermüdlicher Missionar Jesu Christi bis an die Enden der Erde zeigte er den Weg zu Gott und lud alle Menschen guten Willens ein, auf ihr in rechter Weise gebildetes Gewissen zu hören und im Geist der Liebe und der Vergebung eine Gesellschaft der Gerechtigkeit, des Friedens und der Solidarität aufzubauen. Was mich betrifft, möchte ich daran erinnern, daß ich aus einem Land stamme, in dem Frieden und Brüderlichkeit den Herzen aller Einwohner teuer sind, insbesondere denen, die – wie ich – den Krieg und die Spaltungen erlebt haben, die unter Brüdern ein- und derselben Nation herrschten aufgrund von verheerenden und unmenschlichen Ideologien, die unter dem falschen Schein der Wunschträume und Illusionen die Menschen mit dem Joch der Unterdrückung belasteten. So könnt ihr verstehen, wie sehr mir der Dialog zwischen den Menschen am Herzen liegt, als Mittel, um jede Form des Konflikts und der Spannung zu überwinden und aus jeder Nation – also auch aus eurer Heimat – ein Haus des Friedens und der Brüderlichkeit zu machen. Im Hinblick auf dieses Ziel müßt ihr die besten Werte eures spirituellen und kulturellen Erbes, dessen Träger Angola ist, aufgreifen, einander ohne Angst begegnen und aufeinander zugehen, indem ihr bereit seid, die geistigen und materiellen Güter zum Wohl aller miteinander zu teilen.

Wie sollte man hier nicht an die Bevölkerung der Provinz Kunene denken, die von starken Regenfällen und Überschwemmungen schwer geprüft wird? Diese Naturkatastrophen haben zahlreiche Tote gefordert und viele Familien durch die Zerstörung ihrer Häuser obdachlos gemacht? Der leidgeprüften Bevölkerung möchte ich in diesem Augenblick meine Solidarität zusichern und sie zur Hoffnung ermutigen, um mit der Hilfe aller neu anzufangen.

Liebe angolanische Freunde, euer Land ist ein reiches Territorium; eure Nation ist stark. Nutzt diese Gaben, um den Frieden und die Verständigung zwischen den Völkern auf der Grundlage von Loyalität und Gleichberechtigung zu fördern, die in Afrika jene friedliche und solidarische Zukunft begünstigen, nach der sich alle sehnen und auf die alle ein Recht haben. Daher bitte ich euch: Gebt nicht dem Gesetz des Stärkeren nach! Denn Gott hat es den Menschen gegeben, daß sie sich mit den »Flügeln« der Vernunft und des Glaubens über ihre natürlichen Neigungen erheben können. Wenn ihr euch von diesen Flügeln tragen laßt, wird es euch nicht schwerfallen, im anderen den Bruder zu erkennen, der mit den gleichen Grundrechten geboren wurde. Leider gibt es innerhalb der Grenzen eures Landes noch sehr viele arme Menschen, die die Achtung ihrer Rechte fordern. Man darf die vielen Angolaner nicht vergessen, die weit unterhalb der Armutsgrenze leben. Enttäuscht ihre Erwartungen nicht!

Es handelt sich um eine gewaltige Aufgabe, die eine größere Beteiligung aller Bürger erfordert. Die gesamte angolanische Zivilgesellschaft muß darin einbezogen werden; diese jedoch muß dafür gefestigter und besser geordnet sein sowohl in den Komponenten, aus denen sie sich zusammensetzt, als auch im Dialog mit der Regierung. Damit eine Gesellschaft entstehen kann, die wirklich Sorge trägt für das Gemeinwohl, sind Werte notwendig, die von allen geteilt werden. Ich bin überzeugt, daß Angola sie auch heute im Evangelium Jesu Christi finden kann, so wie es vor langer Zeit bei einem eurer berühmten Vorfahren geschah: Dom Afonso I. Mbemba-a-Nzinga. Durch sein Wirken entstand vor 500 Jahren in Mbanza Kongo ein christliches Reich, das bis zum 18. Jahrhundert existierte. Aus seiner Asche konnte um 1900 eine erneuerte Kirche erstehen, die bis in unsere Tage nicht aufgehört hat zu wachsen. Gott sei dafür gedankt! Das ist der erste Grund, der mich nach Angola geführt hat: einer der ältesten katholischen Gemeinschaften im Afrika südlich des Äquators zu begegnen, um sie in ihrem Glauben an den Auferstandenen zu bestärken und mich den Bittgebeten ihrer Söhne und Töchter anzuschließen, damit die Zeit des Friedens, der Gerechtigkeit und der Brüderlichkeit in Angola nicht aufhört und es ihnen möglich ist, die Sendung zu erfüllen, die Gott ihnen zum Wohl des Volkes und im Konzert der Nationen anvertraut hat. Gott segne Angola!


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APOSTOLISCHE REISE

VON PAPST BENEDIKT XVI.

NACH KAMERUN UND ANGOLA

(17.-23. MÄRZ 2009)

BEGEGNUNG MIT DEN POLITISCHEN UND ZIVILEN AUTORITÄTEN

UND DEM DIPLOMATISCHEN KORPS


Ehrensaal des Präsidentenpalastes von Luanda
Freitag, 20. März 2009



Herr Staatspräsident,
verehrte Autoritäten,
sehr geehrte Botschafter,
verehrte Mitbrüder im Bischofsamt,
meine Damen und Herren!

Mit einer Geste herzlicher Gastfreundschaft hat uns der Herr Staatspräsident in seiner Residenz empfangen, und so habe ich die Freude, Ihnen zu begegnen, um Sie zu begrüßen. Ich wünsche Ihnen guten Erfolg bei der Wahrnehmung Ihrer großen Verantwortung im Bereich der Regierung, der Zivilverwaltung und der Diplomatie, in dem ein jeder der eigenen Nation zum Wohl der ganzen Menschheitsfamilie dient. Herr Staatspräsident, ich danke Ihnen für den Empfang und für die Worte, die Sie soeben an mich gerichtet haben – Worte voller Hochachtung gegenüber der Person des Nachfolgers Petri und voller Vertrauen in die Arbeit der katholischen Kirche zum Wohl dieser geliebten Nation.

Meine Freunde, Sie sind Erbauer und Zeugen eines Angolas, das sich im Wiederaufbau befindet. Nachdem der Bürgerkrieg 27 Jahre lang dieses Land verwüstet hat, hat der Friede begonnen, Wurzeln zu schlagen, und er hat als Früchte Stabilität und Freiheit mit sich gebracht. Die sichtbaren Bemühungen der Regierung um den Ausbau der Infrastruktur und die Wiederherstellung der Einrichtungen, die für die Entwicklung und das Wohlergehen der Gesellschaft grundlegend sind, haben die Hoffnung unter den Bürgern der Nation wieder aufleben lassen. Diese Hoffnung wird auch durch verschiedene Initiativen multilateraler Einrichtungen gestützt, die den Entschluß gefaßt haben, Einzelinteressen außen vor zu lassen, um für das Gemeinwohl zu arbeiten. Überall gibt es Beispiele für Lehrer und Angestellte im Gesundheitswesen oder in der öffentlichen Verwaltung, die gegen geringen Lohn mit Integrität und Hingabe ihren Mitmenschen dienen; und es gibt immer mehr Personen, die ehrenamtliche Tätigkeiten im Dienst der Notleidenden übernehmen. Möge Gott diesen guten Willen und diese wohltätigen Initiativen segnen und vermehren!

Angola weiß, daß für Afrika die Zeit der Hoffnung gekommen ist. Jedes redliche Verhalten des Menschen ist Hoffnung, die handelt. Unser Handeln ist niemals gleichgültig – weder vor Gott, noch für den Fortgang der Geschichte. Meine Freunde, gerüstet mit einem redlichen, großmütigen und erbarmungsvollen Herzen können Sie diesen Kontinent verwandeln und Ihr Volk von der Geißel der Habgier, der Gewalt und der Unruhen befreien. Sie können es auf dem Weg der Grundsätze führen, die für jede moderne bürgerliche Demokratie unverzichtbar sind: die Achtung und Förderung der Menschenrechte, eine transparente Regierung, eine unabhängige Gerichtsbarkeit, Freiheit der sozialen Kommunikationsmittel, eine redliche öffentliche Verwaltung, ein Netz gut funktionierender Schulen und Krankenhäuser und der feste, in der Umkehr der Herzen verankerte Entschluß, der Korruption ein für allemal ein Ende zu setzen. In der diesjährigen Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages habe ich auf die Notwendigkeit einer ethischen Sichtweise der Entwicklung hingewiesen. Die Menschen in diesem Kontinent fordern nämlich zu Recht nicht nur Pläne und Protokolle, sondern vielmehr eine dauerhafte Umkehr der Herzen zur Brüderlichkeit, die tiefer Überzeugung entspringt (vgl. Nr. 13). Sie bitten jene, die in der Politik, in der öffentlichen Verwaltung, in internationalen Einrichtungen und in multinationalen Konzernen dienen, vor allem um eines: Steht uns auf wirklich menschliche Weise bei; begleitet uns, unsere Familien und unsere Gemeinschaften.

Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Afrikas verlangt die Koordinierung der nationalen Regierung mit regionalen Initiativen und internationalen Entscheidungen. Eine solche Koordinierung setzt voraus, daß die afrikanischen Nationen nicht nur als Empfänger von Plänen und Lösungen betrachtet werden, die von anderen erstellt worden sind. Die Afrikaner selbst müssen Hauptakteure ihrer Entwicklung sein, indem sie zusammen für das Wohl ihrer Gemeinschaften arbeiten. In diesem Zusammenhang gibt es eine wachsende Zahl erfolgreicher Initiativen, die es verdienen, unterstützt zu werden. Zu ihnen gehören die »New Partnership for Africa’s Development« (NEPAD) und der Pakt für Sicherheit, Stabilität und Entwicklung in der Region der Großen Seen ebenso wie der »Kimberley Process«, die »Publish What You Pay Coalition« und die »Extractive Industries Transparency Initiative«: Sie alle fördern die Transparenz, die Integrität im Geschäftsleben und die gute Regierung. Was die internationale Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit betrifft, so bedarf es dringend einer Koordinierung der Kräfte, um die Frage des Klimawandels in Angriff zu nehmen, ebenso wie die volle und ehrliche Umsetzung der Verpflichtungen zugunsten der Entwicklung, die von der Doha-Runde aufgezeigt wurden, und die Erfüllung des oft wiederholten Versprechens der Industrienationen, 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die offizielle Entwicklungshilfe einfließen zu lassen. Eine solche Unterstützung ist heute, aufgrund der weltweiten Finanzkrise, notwendiger denn je; sie darf dieser keinesfalls zum Opfer fallen.

Liebe Freunde, zum Abschluß meiner Überlegungen möchte ich Ihnen anvertrauen, daß mein Besuch in Kamerun und Angola in mir die tiefe menschliche Freude weckt, die man empfindet, wenn man nach Hause kommt, wenn man in der Familie ist. Ich glaube, daß genau diese Erfahrung das gemeinsame Geschenk Afrikas an all jene ist, die aus anderen Kontinenten hierher kommen, denn hier »stellt die Familie einen Stützpfeiler dar, auf dem das Gebäude der Gesellschaft errichtet ist« (Ecclesia in Africa, 80). Dennoch lastet, wie wir alle wissen, auch hier ein großer Druck auf den Familien: durch Armut verursachte Angst und Erniedrigung, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Vertreibung, um nur einige zu nennen. Besonders beunruhigend ist das bedrückende Joch der Diskriminierung, das auf Frauen und Mädchen lastet, ganz zu schweigen von jener unsäglichen Praxis der Gewalt und der sexuellen Ausbeutung, die bei ihnen so viele Erniedrigungen und Traumata hervorruft. Ich muß auch noch auf ein neues Gebiet hinweisen, das schwere Sorge bereitet: die Politik jener, die sich den Anschein geben, die »Sozialstruktur « zu festigen, in Wirklichkeit aber deren Grundlagen bedrohen. Welch bittere Ironie besitzen jene, die die Abtreibung als »mütterliche« Gesundheitsvorsorge fördern! Wie erschütternd ist die These jener, die die Vernichtung von Leben als eine Frage reproduktiver Gesundheit verteidigen (vgl. Maputo-Protokoll, Art. 14)!

Die Kirche, meine Damen und Herren, werden Sie – gemäß dem Willen ihres göttlichen Gründers – stets bei den Ärmsten dieses Kontinents finden. Ich kann Ihnen versichern, daß sie durch diözesane Initiativen und durch zahllose Werke der verschiedenen Ordensgemeinschaften im Bereich von Erziehung und Bildung sowie im Gesundheits- und Sozialwesen auch weiterhin alles tun wird, was in ihrer Macht steht, um die Familien zu unterstützen – insbesondere jene, die von den tragischen Auswirkungen der Aids-Krankheit betroffen sind – und um die Gleichheit der Würde von Mann und Frau auf der Grundlage harmonischer gegenseitiger Ergänzung zu fördern. Der geistliche Weg des Christen ist der Weg täglicher Umkehr; auf diesen Weg lädt die Kirche alle Verantwortungsträger der Menschheit ein, damit diese auf dem Weg der Wahrheit, der Integrität, der Achtung und der Solidarität voranschreiten kann.

Herr Staatspräsident, ich möchte Ihnen noch einmal meinen aufrichtigen Dank für den Empfang zum Ausdruck bringen, den Sie uns in Ihrer Residenz gewährt haben. Ich danke allen und einem jeden von Ihnen für Ihre Anwesenheit und für Ihre Aufmerksamkeit. Sie können auf mein Gebet zählen – für sich und für Ihre Familien sowie für alle Einwohner dieses wunderbaren Afrikas! Der Gott des Himmels sei Ihnen gnädig und segne alle!
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