Benedikt XVI Predigten 284

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BESUCH IM ERDBEBENGEBIET IN DEN ABRUZZEN

UND GEBET FÜR DIE OPFER Zeltstadt von Onna

Dienstag, 28. April 2009




Liebe Freunde!

Ich bin persönlich hierhergekommen in euren schönen und verwundeten Landstrich, der Tage großen Schmerzes und großer Unsicherheit erlebt, um euch auf direktem Weg meine von Herzen kommende Nähe zum Ausdruck zu bringen. Ich bin euch vom ersten Augenblick an nahe gewesen, als ich die Nachricht von jenem verheerenden Erdbeben erfahren habe, das in der Nacht des 6. April fast 300 Opfer und zahlreiche Verletzte gefordert sowie gewaltige materielle Schäden an euren Häusern verursacht hat. Mit Sorge habe ich die Nachrichten verfolgt und dabei eure Erschütterung und eure Tränen um die Toten geteilt, ebenso wie eure bangen Sorgen um all das, was ihr von einem Augenblick zum anderen verloren habt. Nun bin ich hier bei euch: Ich möchte euch voll Zuneigung umarmen, einen nach dem anderen. Die ganze Kirche ist mit mir hier, ist euren Leiden nahe, teilt euren Schmerz über den Verlust von Angehörigen und Freunden und will euch beim Wiederaufbau der vom Erdbeben zerstörten oder schwer beschädigten Häuser, Kirchen und Betriebe helfen. Ich habe den Mut, die Würde und den Glauben bewundert – und tue das noch immer –, mit dem ihr auch diese harte Prüfung auf euch genommen habt: Ihr habt den großartigen Willen bekundet, euch von dem Unglück nicht unterkriegen zu lassen. Es war ja nicht das erste Erdbeben, das eure Region erlebt hat, und wie in der Vergangenheit habt ihr auch diesmal nicht kapituliert; ihr habt den Mut nicht verloren. In euch ist eine Seelenstärke vorhanden, die Hoffnung weckt. Sehr bezeichnend ist diesbezüglich ein bei euren Alten beliebter Ausspruch: »Es gibt noch so viele Tage hinter dem Gran Sasso.«

Da ich nun hierher nach Onna gekommen bin, eines der Zentren, das einen hohen Preis an Menschenleben gezahlt hat, kann ich mir die ganze Trauer und das Leiden vorstellen, das ihr in diesen Wochen ertragen habt. Wenn es möglich wäre, würde ich mich gern in jedes Dorf und in jedes Wohnviertel begeben, in alle Zeltstädte kommen und mit allen zusammentreffen. Ich bin mir wohl bewußt, daß es trotz der von allen Seiten bekundeten engagierten Solidarität täglich viele Beschwernisse und Entbehrungen gibt, die das Leben außerhalb eines Hauses – in Fahrzeugen oder in Zelten – mit sich bringt, noch zusätzlich verschlimmert durch Kälte und Regen. Ich denke sodann an die vielen Jugendlichen, die sich jäh auf eine harte Wirklichkeit einstellen müssen; ich denke an die Kinder, die die Schule mit allem, was damit an Beziehungen verbunden ist, unterbrechen mußten; ich denke an die alten Menschen, die ihrer Lebensgewohnheiten beraubt wurden.

Liebe Freunde, man könnte sagen, ihr befindet euch in gewisser Weise im Seelenzustand der beiden Emmausjünger, von denen der Evangelist Lukas spricht. Nach dem tragischen Geschehen der Kreuzigung gingen sie enttäuscht und schmerzerfüllt über das »Ende« Jesu wieder nach Hause. Es schien, als gebe es keine Hoffnung mehr, als sei Gott verborgen und nicht mehr in der Welt gegenwärtig. Doch unterwegs kam er hinzu und begann sich mit ihnen zu unterhalten. Auch wenn sie ihn mit den Augen nicht erkannten, erwachte wieder etwas in ihren Herzen: Die Worte jenes »Unbekannten« entfachten in ihnen von neuem jene Glut und jenes Vertrauen, das die Erfahrung von Golgota ausgelöscht hatte. Ja, liebe Freunde: Meine arme Anwesenheit unter euch will ein greifbares Zeichen dafür sein, daß der gekreuzigte Herr lebt, daß er bei uns ist, daß er wirklich auferstanden ist und uns nicht vergißt und euch nicht verläßt; er wird eure Fragen bezüglich der Zukunft nicht unerhört lassen, er ist nicht taub gegenüber dem besorgten Schrei so vieler Familien, die alles verloren haben: Häuser, Ersparnisse, Arbeit und manchmal auch Menschenleben. Seine konkrete Antwort nimmt sicher den Weg über unsere Solidarität, die sich aber nicht auf den anfänglichen Notstand beschränken darf, sondern ein in der Zeit dauerhaftes und konkretes Projekt werden muß.

Ich ermutige alle, Institutionen und Unternehmen, damit diese Stadt und diese Region wiedererstehen. Der Papst ist heute hier unter euch, um euch auch ein Wort des Trostes wegen eurer Toten zu sagen: Sie leben in Gott und erwarten von euch ein Zeugnis des Mutes und der Hoffnung. Sie warten darauf, diese ihre Region wiedererstehen zu sehen: Sie soll sich wieder mit schönen und solide gebauten Häusern und Kirchen schmücken. Gerade im Namen dieser Brüder und Schwestern muß man sich bemühen, von neuem zu leben, indem man das einsetzt, was nicht stirbt und was das Erdbeben nicht zerstört hat und nicht zerstören kann: die Liebe. Die Liebe bleibt auch jenseits des tiefen Grabens unseres unsicheren irdischen Daseins bestehen, weil die wahre Liebe Gott ist. Wer liebt, besiegt in Gott den Tod und weiß, daß er diejenigen, die er geliebt hat, nicht verliert.

Ich möchte meine Worte damit abschließen, daß ich ein besonderes Gebet für die Opfer des Erdbebens an den Herrn richte.

Wir vertrauen dir diese unsere Lieben an, Herr, wissend,
daß du deinen Gläubigen das Leben nicht nimmst, sondern es verwandelst und
daß du im selben Augenblick, in dem die Bleibe
dieses unseres Exils auf Erden zerstört wird, dafür sorgst,
eine ewige und unsterbliche Wohnstatt im Paradies zu bereiten.
Heiliger Vater, Herr des Himmels und der Erde,
höre den Schrei des Schmerzes und der Hoffnung,
der aus dieser vom Erdbeben so hart getroffenen Gemeinschaft aufsteigt!
Es ist der schweigende Schrei des Blutes von Müttern, Vätern, Jugendlichen
und auch unschuldigen kleinen Kindern, der von diesem Boden aufsteigt.
Sie sind der Zuneigung ihrer Lieben entrissen worden,
nimm sie alle in deinen Frieden auf, Herr, der du der Gott-mit-uns bist,
die Liebe, die fähig ist, das Leben ohne Ende zu schenken.
Wir brauchen dich und deine Kraft,
weil wir uns angesichts des Todes klein und schwach fühlen;
wir bitten dich, hilf uns, denn nur deine Hilfe
kann uns wieder aufrichten und uns dazu bringen,
miteinander den Weg des Lebens wieder aufzunehmen,
indem wir uns vertrauensvoll einander an der Hand nehmen.
Darum bitten wir dich durch Jesus Christus, unseren Heiland,
in dem die Hoffnung auf die selige Auferstehung erstrahlt.
Amen!

Beten wir jetzt mit dem Gebet, das der Herr uns gelehrt hat: »Vater unser …«

Mein Gebet begleitet euch; wir sind zusammen, und der Herr wird uns helfen. Danke für euren Mut, euren Glauben und eure Hoffnung!


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BESUCH IM ERDBEBENGEBIET IN DEN ABRUZZEN

BEGEGNUNG MIT DER BEVÖLKERUNG UND DEN HILFSKRÄFTEN

ANSPRACHE UND GEBET VON BENEDIKT XVI. Schule der Finanzpolizei, Coppito - L'Aquila

Dienstag, 28. April 2009




Liebe Brüder und Schwestern!

Danke für euren Empfang, der mich tief bewegt. Ich umarme euch alle voll Zuneigung im Namen Christi, unserer unerschütterlichen Hoffnung. Ich grüße euren geschätzten Erzbischof Giuseppe Molinari, der als Hirt diese harte Prüfung mit euch geteilt hat und weiter teilt; an ihn geht mein Dank für die ergreifenden, von Glauben und Treue zum Evangelium erfüllten Worte, mit denen er eure Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Ich grüße den Bürgermeister von L’Aquila, Herrn Massimo Cialente, der sich mit großem Engagement für den Wiederaufbau dieser Stadt einsetzt, sowie auch den Präsidenten der Region, Herrn Gianni Chiodi. Ich danke beiden für ihre tief empfundenen Worte. Ich grüße die Finanzpolizei, die uns hier aufgenommen hat. Ich grüße die Pfarrer, die anderen Priester und die Ordensfrauen. Ich grüße die Bürgermeister der von diesem Unglück betroffenen Dörfer und alle zivilen und militärischen Autoritäten: den Zivilschutz, die Feuerwehr, das Rote Kreuz, die Hilfsmannschaften und die zahlreichen Freiwilligen so vieler verschiedener Organisationen. Sie alle beim Namen zu nennen, wäre für mich schwierig, doch möchte ich jedem Einzelnen ein besonderes Wort der Wertschätzung zukommen lassen. Danke für das, was ihr getan habt und vor allem für die Liebe, mit der ihr es getan habt! Danke für das Beispiel, das ihr gegeben habt! Geht vereint und gut aufeinander abgestimmt voran, damit so bald wie möglich wirksame Lösungen für die Menschen gefunden werden, die jetzt in Zeltstädten wohnen. Das wünsche ich von Herzen und bete dafür.

Ich habe meinen Besuch in dem vom Erdbeben so schwer getroffenen Onna begonnen, wobei ich auch der anderen erdbebengeschädigten Gemeinden gedachte. Ich trage alle Opfer dieser Katastrophe im Herzen: Kinder, Jugendliche, Erwachsene, alte Menschen, seien sie Abruzzesen oder aus anderen Regionen Italiens oder auch aus anderen Nationen. Der kurze Aufenthalt in der Basilika von Collemaggio, um die sterblichen Überreste des heiligen Papstes Cölestin V. zu verehren, ließ mich das verwundete Herz dieser Stadt mit Händen greifen. Es sollte meinerseits ein Zeichen der Ehrerbietung gegenüber der Geschichte und dem Glauben eurer Stadt sein und gegenüber euch allen, die ihr euch mit diesem Heiligen identifiziert. An seiner Urne habe ich, wie Sie, Herr Bürgermeister, gesagt haben, als Zeichen meiner geistigen Anteilnahme das Pallium niedergelegt, das mir am Tag des Beginns meines Pontifikats übergeben worden war. Sehr ergreifend war es für mich zudem, vor dem Studentenheim zu beten, wo mehrere junge Menschenleben von der Gewalt des Erdbebens ausgelöscht worden sind. Während ich durch die Stadt fuhr, ist mir noch mehr bewußt geworden, wie schwer die Folgen des Erdbebens sind.

Nun bin ich hier auf diesem Platz, an dem die Schule der Finanzpolizei liegt, die praktisch vom ersten Augenblick an als Hauptquartier der gesamten Hilfsmaßnahmen dient. Dieser Ort, der vom Gebet und von den Tränen um die Opfer geweiht ist, stellt gleichsam das Symbol für euren beharrlichen Willen dar, euch nicht entmutigen zu lassen. »Nec recisa recedit«: Der Leitspruch des Korps der Finanzpolizei, den wir an der Fassade des Baus bewundern können, scheint mir gut das auszudrücken, was der Bürgermeister als die feste Absicht bezeichnet hat, mit der euch Abruzzesen eigenen festen Entschlossenheit die Stadt wiederaufzubauen. Dieser große Platz, der bei der von Kardinal Tarcisio Bertone, meinem Staatssekretär, geleiteten Trauermesse die Särge der vielen Opfer aufgenommen hatte, versammelt heute die Kräfte, die sich engagiert dafür einsetzen, L’Aquila und den Abruzzen zu helfen, aus den Trümmern des Erdbebens bald wiederzuerstehen. Wie der Erzbischof gesagt hat, will mein Besuch bei euch, der von mir vom ersten Augenblick an gewünscht war, ein Zeichen meiner Nähe zu jedem von euch und der brüderlichen Solidarität der ganzen Kirche sein. Als christliche Gemeinschaft bilden wir in der Tat einen einzigen geistlichen Leib, und wenn ein Teil leidet, leiden alle anderen Teile mit ihm; und wenn ein Teil sich anstrengt, sich wieder aufzurichten, nehmen alle an seiner Anstrengung teil. Ich muß euch sagen, daß mich Solidaritätsbekundungen für euch aus allen Teilen der Welt erreicht haben. Zahlreiche hochrangige Persönlichkeiten der orthodoxen Kirchen haben mir geschrieben, um mich ihres Gebets und ihrer geistlichen Nähe zu versichern, während sie gleichzeitig auch finanzielle Hilfen angeboten haben.

Ich möchte den Wert und die Bedeutung der Solidarität hervorheben, die, wenngleich sie sich besonders in Krisenzeiten zeigt, wie ein unter der Asche verborgenes Feuer ist. Die Solidarität ist ein höchst ziviles und christliches Gefühl, an dem sich die Reife einer Gesellschaft ermessen läßt. Sie zeigt sich in der tätigen Hilfeleistung, ist aber keineswegs nur eine funktionstüchtige Organisationsmaschinerie: Da ist eine Seele vorhanden, da gibt es eine Leidenschaft, die eben aus der großen bürgerlichen und christlichen Geschichte unseres Volkes stammt – und das gilt sowohl für den Einsatz in den institutionellen Formen wie im ehrenamtlichen Dienst. Und auch diesem möchte ich heute Anerkennung zollen.

Das tragische Ereignis des Erdbebens fordert die Zivilgesellschaft und die Kirche zu einem vertieften Nachdenken auf. Als Christen müssen wir uns fragen: »Was will uns der Herr durch dieses traurige Geschehen sagen?« Wir haben Ostern erlebt, während wir uns mit diesem Trauma auseinandersetzten, das Wort des Herrn befragten und von der Kreuzigung und Auferstehung des Herrn neues Licht empfingen. Wir haben den Tod und die Auferstehung Christi gefeiert, während wir im Geist und im Herzen euren Schmerz trugen und dafür beteten, daß in den so schwer heimgesuchten Menschen das Gottvertrauen und die Hoffnung nicht nachlassen mögen. Aber auch als Zivilgesellschaft gilt es, eine ernsthafte Gewissensprüfung vorzunehmen, damit das Verantwortungsbewußtsein keinen Augenblick nachlasse. Unter dieser Bedingung wird L’Aquila – »der Adler« –, auch wenn er verwundet ist, wieder fliegen können.

Ich lade euch, liebe Brüder und Schwestern, jetzt ein, den Blick auf die Statue der Gottesmutter von Roio zu richten, die in einem Heiligtum verehrt wird, das euch sehr teuer ist: Ihr, Unserer Lieben Frau vom Kreuz, vertrauen wir diese Stadt und alle anderen vom Erdbeben betroffenen Ortschaften an. Ihr schenke ich eine Goldene Rose als Zeichen meines Gebets für euch, während ich alle betroffenen Orte ihrem mütterlichen und himmlischen Schutz empfehle.

Und nun laßt uns beten:

O Maria, unsere geliebte Mutter!
Du, die du nahe bei unseren Kreuzen bist,
wie du neben dem Kreuz Jesu ausgeharrt hast,
stärke unseren Glauben, damit wir, wenngleich niedergeschlagen vom Schmerz,
immer den Blick auf das Antlitz Christi richten,
in dem sich im äußersten Leiden am Kreuz
die unendliche und reine Liebe Gottes gezeigt hat.
Mutter unserer Hoffnung, schenke uns deine Augen,
damit wir neben Leid und Tod das Licht der Auferstehung sehen;
schenke uns dein Herz,
damit wir auch in der Prüfung weiter lieben und dienen können.
O Maria, Gottesmutter von Roio,
Unsere Liebe Frau vom Kreuz, bitte für uns!

Regina Caeli…

AN DIE DRITTE GRUPPE DER ARGENTINISCHEN BISCHÖFE ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES


Donnerstag, 30. April 2009



Liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst!

1. Es ist für mich ein Grund zu großer Freude, mich mit dieser Gruppe von Bischöfen der Kirche in Argentinien zum Abschluß ihres »Ad-limina«- Besuches zu versammeln. Ich begrüße euch ganz herzlich und wünsche euch, daß diese brüderliche Begegnung mit dem Nachfolger Petri euch helfe, den Herzschlag der universalen Kirche zu spüren und die Bande des Glaubens, der Gemeinschaft und der Disziplin zu festigen, die eure Teilkirche mit dem Apostolischen Stuhl verbinden. Gleichzeitig danke ich dem Herrn für diese neuerliche Gelegenheit, meine Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk Lc 22,32) und an ihren Freuden und Sorgen, an ihren Erfolgen und Schwierigkeiten teilzunehmen.

Ich danke ganz herzlich für die liebenswürdigen Worte, die der Erzbischof von Tucumán und stellvertretende Vorsitzende der Argentinischen Bischofskonferenz, Luis Héctor Villalba, im Namen aller an mich gerichtet hat und mit denen er eure Gefühle der Liebe und Verbundenheit ebenso bekundete wie die der Priester, Ordensleute und gläubigen Laien eurer Gemeinden.

2. Liebe Brüder, Jesus, der Herr, hat uns ein Amt von höchster Bedeutung und Würde anvertraut, nämlich seine Botschaft des Friedens und der Versöhnung allen Völkern zu bringen, dem heiligen Volk Gottes mit väterlicher Liebe beizustehen und es auf dem Weg des Heils zu führen. Das ist eine Aufgabe, die zwar unsere persönlichen Verdienste und unsere armselige menschliche Fähigkeit bei weitem übersteigt, der wir uns aber mit Bescheidenheit und Hoffnung widmen, gestützt auf die Worte Christi: »Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt« (Jn 15,16). Jesus, der Meister, der mit der Liebe eines Bruders und Freundes auf euch blickt, hat euch dazu berufen, mit ihm vertraut zu werden, und durch eure Weihe mit dem heiligen Öl der priesterlichen Salbung hat er die erlösende Kraft seines Blutes in eure Hände gelegt, damit ihr mit der Gewißheit, stets »in persona Christi capitis« zu handeln, inmitten des Volkes, das euch anvertraut ist, »lebendiges Zeichen des Herrn Jesus, des Hirten und Bräutigams, Lehrers und Hohenpriesters der Kirche« seid (Johannes Paul II., Pastores gregis, 7).

Bei der Ausübung seines Bischofsamtes muß sich der Bischof unter seinen Gläubigen stets verhalten wie der Diener (vgl. Lumen gentium LG 27), wobei er sich ständig am Beispiel desjenigen inspiriert, der nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele (vgl. Mk Mc 10,45). Tatsächlich ist Bischofsein ein Ehrentitel, wenn man ihn mit diesem Geist des Dienstes an den anderen lebt und demütig und uneigennützig an der Sendung Christi teilnimmt. Die häufige kontemplative Vertiefung in das Bild vom Guten Hirten wird euch bei euren Bemühungen für die Verkündigung und Verbreitung des Evangeliums als Vorbild und Ermutigung dienen, sie wird euch Ansporn sein, euch liebevoll und barmherzig um die Gläubigen zu kümmern, die Schwachen zu verteidigen und in einer beständigen und hochherzigen Zuwendung zum Gottesvolk zu leben (vgl. Pastores gregis, 43).

3. Als wesentlichen Teil eures bischöflichen Dienstes in der Kirche – ein wahres »amoris officium« (vgl. hl. Augustinus, In Io. EV 123,5) – möchte ich euch herzlich auffordern, in euren Diözesangemeinden die Übung der Nächstenliebe zu fördern, besonders gegenüber den bedürftigsten Menschen. Mit eurer Nähe und eurem Wort, mit der materiellen Hilfe und dem Gebet, mit der Aufforderung zu Dialog und Verständnis und mit dem Licht, das aus dem Evangelium kommt, sollt ihr ein konkretes und sichtbares Zeugnis der Liebe Christi unter den Menschen geben, um unablässig die Kirche als Familie Gottes aufzubauen, die stets gastfreundlich und barmherzig gegenüber den Ärmsten ist, so daß in allen Diözesen bei der Erfüllung des Auftrags Christi die Liebe vorherrsche (vgl. Christus Dominus CD 16). Außerdem möchte ich angesichts des Aktivismus oder einer säkularisierten Sicht der karitativen Arbeit der Christen auch die Bedeutung des Gebetes bekräftigen (vgl. Deus caritas Est 37). Dieser ständige Kontakt mit Christus im Gebet verwandelt das Herz der Gläubigen dadurch, daß er es für die Bedürfnisse der anderen öffnet, ohne sich jedoch »nach den Ideologien der Weltverbesserung zu richten, sondern sich von dem Glauben führen zu lassen, der in der Liebe wirksam wird« (ebd., 33).

4. In besonderer Weise möchte ich euch die Priester, eure engsten Mitarbeiter, anvertrauen. Möge die Umarmung im Geiste des Friedens, mit der ihr sie am Tag ihrer Priesterweihe aufnehmt, tagtäglich lebendige Wirklichkeit sein und zur immer weiteren Vertiefung der Bande der Liebe, der Achtung und des Vertrauens beitragen, die euch kraft des Weihesakraments mit ihnen verbinden. Während ich die Opferbereitschaft und die Hingabe eurer Priester an ihren Dienst anerkenne, möchte ich auch sie auffordern, sich immer mehr dadurch mit dem Herrn zu identifizieren, daß sie sich durch ihre Tugenden und das gute Beispiel als wahre Vorbilder der Herde erweisen und die Herde Gottes liebevoll weiden (vgl. 1 Petr 5,2–3).

5. Ihre besondere Berufung läßt die gläubigen Laien danach trachten, das soziale Leben richtig zu gestalten und die irdischen Realitäten mit dem Licht des Evangeliums zu erleuchten. Mögen die Laien im Bewußtsein der in der Taufe übernommenen Verpflichtungen und von der Liebe Christi beseelt aktiv an der Sendung der Kirche wie auch am sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben ihres Landes teilnehmen! In diesem Sinn sollen sich die Katholiken unter ihren Mitbürgern durch die vorbildliche Erfüllung ihrer Bürgerpflichten sowie durch die Übung der menschlichen und christlichen Tugenden auszeichnen, die zur Verbesserung der persönlichen, sozialen und beruflichen Beziehungen beitragen. Ihr Engagement wird sie auch dazu veranlassen, besonders jene Werte zu fördern, die für das Gemeinwohl der Gesellschaft wesentlich sind: den Frieden, die Gerechtigkeit, die Solidarität, das Wohl der auf die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegründeten Familie, den Schutz des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod und das Recht und die Pflicht der Eltern, ihre Kinder entsprechend ihren eigenen moralischen und religiösen Überzeugungen zu erziehen.

Abschließend möchte ich euch bitten, allen Mitgliedern eurer Diözesankirchen meinen herzlichen Gruß zu überbringen. Sagt den Altbischöfen, den Priestern, den Seminaristen, den Ordensmännern und Ordensfrauen und allen gläubigen Laien, daß der Papst ihnen für ihr Wirken für den Herrn und die Sache des Evangeliums dankt, daß er auf ihre Treue zur Kirche hofft und vertraut. Liebe Bischöfe Argentiniens, ich danke euch für eure Hirtensorge und versichere euch meiner geistlichen Nähe und meines ständigen Gebets. Ich vertraue euch aus ganzem Herzen dem Schutz Unserer Lieben Frau von Luján (Nuestra Señora de Luján) an und erteile euch einen besonderen Apostolischen Segen.

Mai 2009


AN DIE MITGLIEDER DER "PAPAL FOUNDATION"


Samstag, 2. Mai 2009



Lieber Kardinal Keeler,
liebe Brüder im bischöflichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Es ist mir eine große Freude, die Mitglieder der »Papal Foundation« bei ihrem jährlichen Rombesuch erneut zu begrüßen. In diesem Paulusjahr heiße ich euch mit den Worten des Völkerapostels willkommen: »Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus« (Rm 1,7).

Der hl. Paulus erinnert uns daran, wie sehr sich das ganze Menschengeschlecht nach der göttlichen Gabe des Friedens sehnt. Die Welt von heute braucht wirklich diesen Frieden, besonders dort, wo sie den Tragödien des Krieges, der Spaltung, der Armut und der Verzweiflung gegenübersteht. In nur wenigen Tagen werde ich die Ehre haben, das Heilige Land zu besuchen. Ich werde mich als Pilger des Friedens aufmachen. Wie ihr wißt, wird diese Region – wo der Herr geboren wurde, gestorben und auferstanden ist; ein heiliger Ort für alle drei großen monotheistischen Weltreligionen – seit mehr als 60 Jahren von Gewalt und Unrecht heimgesucht. Das hat zu einer generellen Atmosphäre des Mißtrauens, der Unsicherheit und Angst geführt, wo sich häufig Nachbarn und Brüder feindlich gegenüberstehen. Während ich mich auf diese bedeutsame Reise vorbereite, bitte ich euch besonders, daß ihr euch meinem Gebet für alle Menschen des Heiligen Landes und der Region anschließt. Mögen sie die Gaben der Versöhnung, der Hoffnung und des Friedens erlangen.

Unsere Begegnung findet in diesem Jahr zu einem Zeitpunkt statt, wo die ganze Welt mit einer sehr besorgniserregenden wirtschaftlichen Situation zu kämpfen hat. In solchen Augenblicken besteht die Versuchung, diejenigen zu übersehen, die keine Stimme haben, und nur an unsere eigenen Schwierigkeiten zu denken. Als Christen sind wir uns aber bewußt, daß wir uns gerade in schwierigen Zeiten noch mehr dafür einsetzen müssen, sicherzustellen, daß die tröstende Botschaft unseres Herrn gehört wird. Wir dürfen uns nicht auf uns selbst beschränken, sondern müssen leuchtende Zeichen der Hoffnung, Stärke und Unterstützung für andere sein, besonders für all jene, die niemanden haben, der sich um sie kümmert und ihnen beisteht. Aus diesem Grund freue ich mich, daß ihr heute hier seid. Ihr seid das Beispiel von guten Christen, Frauen und Männern, die sich den vor uns liegenden Herausforderungen weiterhin mutig und vertrauensvoll stellen. Denn die »Papal Foundation« selbst ermöglicht durch die Großzügigkeit vieler die Durchführung wertvoller Hilfsmaßnahmen im Namen Christi und seiner Kirche. Ich bin euch für eure Opfer und eure Hingabe sehr dankbar: aufgrund eurer Unterstützung kann die österliche Botschaft der Freude, Hoffnung, Versöhnung und des Friedens in einem weiteren Umfeld verkündet werden.

Euch alle vertraue ich der liebevollen Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, die immer bei uns bleibt als unsere Mutter, als Mutter der Hoffnung (vgl. Spe salvi, 50), und erteile euch und euren Familien von Herzen den Apostolischen Segen als Unterpfand der Freude und des Friedens im auferstandenen Erlöser.
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AN DIE TEILNEHMER DER VOLLVERSAMMLUNG DER

PÄPSTLICHEN AKADEMIE FÜR SOZIALWISSENSCHAFTEN Montag, 4. Mai 2009


Liebe Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
sehr verehrte Damen und Herren!

Ich freue mich, Sie zur 15. Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften begrüßen zu dürfen und möchte Sie bei dieser Gelegenheit ermutigen, die Soziallehre der Kirche in den Bereichen des Rechts, der Wirtschaft, der Politik und der verschiedenen anderen Sozialwissenschaften zu erläutern und zu unterstützen. Ich danke Frau Professor Mary Ann Glendon für ihre herzlichen Grußworte und versichere Sie meines Gebets, daß die Frucht Ihrer Beschlüsse weiterhin Zeugnis ablegen möge für die anhaltende Bedeutung der katholischen Soziallehre in einer sich rasch verändernden Welt.

Nachdem Ihre Akademie die Themen Arbeit, Demokratie, Globalisierung, Solidarität und Subsidiarität in ihrer Beziehung auf die Soziallehre der Kirche studiert hat, will sie nun wieder auf die zentrale Frage der Würde der menschlichen Person und der Menschenrechte zurückkommen, einen Punkt der Begegnung zwischen der Lehre der Kirche und der Gesellschaft unserer Zeit.

Die großen Religionen und Philosophien unserer Welt haben einige Aspekte dieser Menschenrechte herausgestellt, die die »goldene Regel« des Evangeliums wie folgt auf den Punkt bringt: »Was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen« (Lc 6,31 vgl. Mt Mt 7,12). Die Kirche hat stets bekräftigt, daß die Grundrechte, unabhängig davon, wie man sie formuliert oder welchen Wichtigkeitsgrad man ihnen in den verschiedenen kulturellen Kontexten beimessen mag, hochgehalten und als universal anerkannt betrachtet werden müssen. Sie wohnen nämlich der Natur des Menschen selbst inne, der nach dem Ebenbild Gottes, ihm ähnlich, geschaffen wurde. Wenn alle Menschen nach dem Ebenbild Gottes und ihm ähnlich geschaffen sind, dann besitzen sie eine gemeinsame Natur, die sie miteinander verbindet und universale Achtung erfordert. Die Kirche, die sich die Lehre Christi zueigen macht, betrachtet die Person als das »Wertvollste in der ganzen Natur« (Hl. Thomas von Aquin, De potentia, 9,3) und lehrt, daß die ethische und politische Ordnung, die die Beziehungen zwischen Personen regelt, ihren Ursprung in der Struktur des menschlichen Seins hat. Die Entdeckung Amerikas und die darauffolgende anthropologische Debatte im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts bewirkten, daß man sich der Menschenrechte als solchen und deren Universalität (ius gentium) stärker bewußt wurde. In der Neuzeit konnte dann der Gedanke Gestalt annehmen, daß die Botschaft Christi, laut der Gott alle Menschen liebt und jeder Mensch gerufen ist, Gott aus freien Stücken zu lieben, zeigt, daß jeder, unabhängig von seiner sozialen und kulturellen Befindlichkeit, von Natur aus Freiheit verdient. Gleichzeitig dürfen wir aber auch nie vergessen, daß »die Freiheit also befreit werden muß. Christus ist ihr Befreier« (Veritatis splendor VS 86).

Mitte des vergangenen Jahrhunderts, nachdem zwei schreckliche Weltkriege und die unbeschreiblichen Verbrechen totalitärer Ideologien unsägliches Leid verursacht hatten, übernahm die internationale Gemeinschaft ein neues, auf Menschenrechten basierendes Völkerrechtssystem. Ein Handeln, das mit dem Appell meines Vorgängers Benedikt XV. im Einklang steht, der die kriegführenden Mächte des Ersten Weltkriegs aufforderte, »die materielle Stärke der Waffen in die moralische Stärke des Rechtes zu verwandeln« (Note an die Oberhäupter der kriegführenden Völker, 1. August 1917).

Die Menschenrechte wurden – zumindest dem Wunsch nach – für den Großteil der Menschheit zum Bezugspunkt eines gemeinsamen universalen »Ethos«. Fast jeder Staat der Welt hat diese Rechte ratifiziert. In der Erklärung Dignitatis humanae verwies das Zweite Vatikanische Konzil – ebenso wie meine Vorgänger Paul VI. und Johannes Paul II. – nachdrücklich darauf, daß das Recht auf Leben und das Recht auf Religions- und Gewissensfreiheit im Mittelpunkt jener Rechte steht, die der menschlichen Natur selbst entspringen. Genau genommen sind diese Menschenrechte keine Glaubenswahrheiten, wenngleich sie in der Botschaft Christi, der »dem Menschen den Menschen selbst voll kund macht« (Gaudium et spes GS 22), durchscheinen, ja in ihr vollkommen zutage treten. Weitere Bestätigung erhalten sie durch den Glauben. Dennoch kann man nicht leugnen, daß Männer und Frauen, die in der materiellen Welt als geistige Wesen leben und handeln, die durchdringende Präsenz eines »Logos« feststellen können, der sie befähigt, nicht nur zwischen wahr und falsch zu unterscheiden, sondern auch zwischen Gut und Böse, besser und schlechter, gerecht und ungerecht. Diese Unterscheidungsfähigkeit – dieses radikale Handeln – befähigt jede Person, die Bedeutung des »Naturrechts« zu erfassen, das nichts anderes ist als eine Teilhabe am ewigen Gesetz: »unde…lex naturalis nihil aliud est quam participatio legis aeternae in rationali creatura« (Hl. Thomas von Aquin, ST I-II, 91,2). Das Naturrecht ist ein für jeden erkennbarer universaler Bezugspunkt, auf dessen Grundlage alle Menschen einander verstehen und lieben können. Die Menschenrechte sind daher letztendlich in einer Teilhabe an Gott verwurzelt, der einen jeden Menschen mit Intelligenz und Freiheit ausgestattet geschaffen hat. Wird diese solide ethische und politische Grundlage ignoriert, bleiben die Menschenrechte brüchig, da sie ihrer festen Grundlage beraubt sind.

Der Einsatz der Kirche für die Förderung der Menschenrechte stützt sich folglich auf von der Vernunft geleitete Überlegungen, damit diese Rechte allen Menschen guten Willens unterbreitet werden können, unabhängig von deren Religionszugehörigkeit. Dennoch muß die menschliche Vernunft, wie ich in meinen Enzykliken herausgestellt habe, immer wieder durch den Glauben geläutert werden, weil sie einerseits stets von einer gewissen von ungeordneten Leidenschaften und Sünde verursachten ethischen Blindheit bedroht ist; und weil sich andererseits jede Generation, jeder Mensch, die Menschenrechte immer wieder neu aneignen muß. Die menschliche Freiheit, die sich über frei getroffene Entscheidungen realisiert, ist nämlich stets brüchig, weshalb die menschliche Person auch die bedingungslose Hoffnung und Liebe braucht, die wir nur bei Gott finden und die zur Teilhabe an der Gerechtigkeit und Großzügigkeit Gottes den anderen gegenüber führt (vgl. Deus caritas Est 18 und Spe salvi, 24).

Diese Perspektive lenkt unsere Aufmerksamkeit auf einige der schlimmsten sozialen Probleme der letzten Jahrzehnte, wie das – zum Teil mit der Globalisierung und der derzeitigen Wirtschaftskrise zusammenhängende – wachsende Bewußtsein um den krassen Gegensatz zwischen der gerechten Gewährung von Rechten und dem ungleichen Zugang zu den Mitteln, in den Genuß dieser Rechte zu kommen. Für die Christen, die Gott für gewöhnlich bitten: »Unser tägliches Brot gib uns heute«, ist es eine schändliche Tragödie, daß ein Fünftel der Weltbevölkerung immer noch Hunger leidet. Um einen ausreichenden Vorrat an Nahrungsmitteln und den Schutz lebensnotwendiger Ressourcen wie Wasser und Energie gewährleisten zu können, müssen alle internationalen Verantwortlichen zusammenarbeiten. Gefordert ist die Disponibilität aller, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln, das Naturrecht zu respektieren und die Solidarität und Subsidiarität mit den schwächsten Regionen und Bevölkerungen unseres Planeten zu fördern. Darin besteht die wirksamste Strategie für die Ausrottung sozialer Ungleichheiten zwischen Ländern und Gesellschaften und für die Gewähr einer größeren Sicherheit auf unserem Planeten.

Liebe Freunde, liebe Mitglieder der Akademie, ich bitte Sie, bei Ihrer Forschungsarbeit und in Ihren Beschlüssen stets glaubwürdige und loyale Zeugen des Schutzes und der Förderung dieser nicht verhandelbaren Menschenrechte zu sein, die im göttlichen Gesetz gründen. Gerne erteile ich Ihnen meinen Apostolischen Segen.



AN DIE PÄPSTLICHE SCHWEIZERGARDE 7. Mai 2009


Sehr geehrter Herr Kommandant, hochwürdiger Herr Kaplan,
liebe Schweizergardisten, sehr geehrte Familienangehörige!

Ich freue mich, Sie alle aus Anlaß der Vereidigung der Rekruten der Schweizergarde im Apostolischen Palast begrüßen zu können. Ganz besonders heiße ich heute die neuen Gardisten mit ihren Eltern, Angehörigen und Freunden willkommen. Mein herzlicher Gruß geht an den neuen Kommandanten Oberst Anrig, und ich danke ihm vielmals für den verantwortungsvollen Einsatz zugunsten des Nachfolgers Petri und der Kirche. In gleicher Weise danke ich auch dem Gardekaplan Monsignore de Raemy, der das tägliche Miteinander der Gardisten und den persönlichen Glaubensweg jedes einzelnen in einfühlsamer Weise begleitet.

Liebe Gardisten, Euer Dienst, den Ihr Tag und Nacht im Apostolischen Palast und an den Außenposten der Vatikanstadt leistet, ist überschaubar und doch auch universal. Ihr werdet schnell die drei Dimensionen kennenlernen, die sich gleichsam wie konzentrische Kreise um Euch bilden: Eure Aufgabe ist es, den Nachfolger des Apostels Petrus zu schützen. Ihr tut diesen Dienst vor allem im Haus des Papstes. Ihr tut ihn in Rom, einer Stadt, die von alters her die „Ewige Stadt“ genannt wird. Und hier bei den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus, wo der Papst wohnt, befindet sich das Herz der katholischen Kirche; und wo das Herz und die Mitte ist, da ist auch die ganze Welt zugegen.

... auf französisch: Schauen wir zunächst auf das Haus des Papstes, den Apostolischen Palast. Ihr sollt auf dieses Haus achtgeben, doch nicht allein auf das Gebäude und seine ehrwürdigen Räume, sondern vor allem auf die Menschen, denen ihr begegnet und denen ihr mit eurer Freundlichkeit und eurer Aufmerksamkeit Gutes tut. Das gilt in erster Linie für den Papst selber, für seine Mitbewohner und Mitarbeiter im Palast sowie für seine Gäste. Das betrifft auch das Zusammenleben mit den Kameraden, mit denen ihr den gleichen Dienst verrichtet und dem gleichen Ziel nachstrebt, dem Heiligen Vater »treu, redlich und ehrenhaft« zu dienen, euch mit ganzer Kraft für ihn einzusetzen und, »wenn es erheischt sein sollte«, selbst euer Leben für ihn hinzugeben.

Sodann richten wir unser Augenmerk auf Rom, die Ewige Stadt, die sich durch ihre reiche Geschichte und ihre Kultur auszeichnet. Nicht nur die Zeugen der Antike verdienen unsere Bewunderung. Auch das Glauben und Beten der Jahrhunderte ist hier gewissermaßen zu Stein und Form geworden. Diese Umgebung nimmt uns auf und inspiriert uns, die vielen Heiligen, die hier gelebt haben, zum Vorbild zu nehmen und so auf unserem Lebensweg im Glauben voranzuschreiten.

... auf italienisch: In der Stadt Rom schließlich, in der sich das Zentrum der Weltkirche befindet, begegnen uns Christen aus dem ganzen Erdkreis. Die katholische Kirche ist international. Aber in ihrer Vielfalt ist sie doch eine Kirche, die sich im gleichen Glaubensbekenntnis ausdrückt und auch ganz praktisch in ihrer Bindung an Petrus und an seine Nachfolger, den Papst, geeint ist. Die Kirche führt Menschen ganz verschiedener Kulturen zusammen; sie bilden eine Gemeinschaft, in der man miteinander lebt und glaubt und sich in den wesentlichen Dingen des Lebens versteht. Das ist eine sehr wichtige Erfahrung, die euch die Kirche hier schenken will und die ihr euch aneignen und die ihr weitergeben sollt, daß eben so verschiedene Welten im Glauben an Jesus Christus und an seine Liebe zu uns Menschen eins werden und damit Brücken des Friedens und der Solidarität unter den Völkern geschaffen werden.

In der Hoffnung, daß Eure Zeit hier in Rom Euch geistlich und menschlich vorangehen läßt, versichere ich Euch meines Gebets und vertraue Euch der Fürsprache der Seligen Jungfrau Maria und Eurer Patrone, der Heiligen Martin und Sebastian, sowie des Schutzheiligen Eurer Heimat, Bruder Klaus von der Flüe, an. Von Herzen erteile ich Euch, Euren Familien und Freunden, sowie allen, die anläßlich der Vereidigung nach Rom gekommen sind, den Apostolischen Segen.
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