Katechismus KK 1997 490

Die unbefleckte Empfängnis

490 Da Maria zur Mutter des Erlösers ausersehen war, "ist sie von Gott mit den einer solchen Aufgabe entsprechenden Gaben beschenkt worden" (LG 56). Bei der Verkündigung grüßt sie der Engel als "voll der Gnade" (Lc 1,28). Um zur Ankündigung ihrer Berufung ihre freie Glaubenszustimmung geben zu können, mußte sie ganz von der Gnade Gottes getragen sein (Vgl. dazu auch CEC 2676 CEC 2853 CEC 2001).

491 Im Laufe der Jahrhunderte wurde sich die Kirche bewußt, daß Maria, von Gott "mit Gnade erfüllt" (Lc 1,28), schon bei ihrer Empfängnis erlöst worden ist. Das bekennt das Dogma von der unbefleckten Empfängnis, das 1854 von Papst Pius IX. verkündigt wurde (Vgl. dazu auch CEC 411):

"... daß die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch die einzigartige Gnade und Bevorzugung des allmächtigen Gottes im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, von jeglichem Makel der Urschuld unversehrt bewahrt wurde"(DS 2803).

492 Daß sie "vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an im Glanz einer einzigartigen Heiligkeit" erstrahlt (LG 56), kommt ihr nur Christi wegen zu: Sie wurde im "Hinblick auf die Verdienste ihres Sohnes auf erhabenere Weise erlöst" (LG 53). Mehr als jede andere erschaffene Person hat der Vater sie "mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch (die) Gemeinschaft mit Christus im Himmel" (Ep 1,3). Er hat sie erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit sie in Liebe heilig und untadelig vor ihm lebe (Vgl. Ep 1,4) (Vgl. dazu auch CEC 2011 CEC 1077).

493 Die ostkirchlichen Väter nennen die Gottesmutter "die Ganzheilige" (Panhagia); sie preisen sie als "von jeder Sündenmakel frei, gewissermaßen vom Heiligen Geist gebildet und zu einer neuen Kreatur gemacht" (LG 56). Durch die Gnade Gottes ist Maria während ihres ganzen Lebens frei von jeder persönlichen Sünde geblieben.



"Mir geschehe nach deinem Wort ...

494 Auf die Ankündigung, daß sie durch die Kraft des Heiligen Geistes den "Sohn des Höchsten" gebären werde, ohne einen Mann zu erkennen (Vgl. Lc 1,28-37), antwortete Maria im "Gehorsam des Glaubens" (Rm 1,5), in der Gewißheit, daß "für Gott nichts unmöglich" ist: "Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort" (Lc 1,37-38). Indem Maria dem Worte Gottes ihre Zustimmung gab, wurde sie zur Mutter Jesu. Sie machte sich aus ganzem Herzen, ohne daß eine Sünde sie davon abgehalten hätte, den göttlichen Heilswillen zu eigen und gab sich ganz der Person und dem Werk ihres Sohnes hin, um mit der Gnade Gottes in Abhängigkeit vom Sohn und in Verbundenheit mit ihm dem Erlösungsgeheimnis zu dienen (Vgl. LG 56) (Vgl. dazu auch CEC 2617 CEC 148 CEC 968).

"Der hl. Irenäus sagt, daß sie ,in ihrem Gehorsam für sich und das ganze Menschengeschlecht Ursache des Heils geworden ist'. Deshalb sagen nicht wenige der alten Väter gern, ,daß der Knoten des Ungehorsams der Eva gelöst worden sei durch den Gehorsam Marias; und was die Jungfrau Eva durch den Unglauben gebunden hat, das habe die Jungfrau Maria durch den Glauben gelöst'. Im Vergleich mit Eva nennen sie Maria ,die Mutter der Lebendigen' und öfters betonen sie: ,Der Tod kam durch Eva, das Leben durch Maria"' (LG 56) (Vgl. dazu auch CEC 726).



Die Gottesmutterschaft Marias

495 In den Evangelien wird Maria "die Mutter Jesu" genannt (Jn 2,1 Jn 19,25) (Vgl. Mt 13,55 u.a). Weil der Heilige Geist dazu anregt, wird sie schon vor der Geburt ihres Sohnes als "die Mutter meines Herrn" bejubelt (Lc 1,43). Der, den sie durch den Heiligen Geist als Menschen empfangen hat und der dem Fleische nach wirklich ihr Sohn geworden ist, ist ja kein anderer als der ewige Sohn des Vaters, die zweite Person der heiligsten Dreifaltigkeit. Die Kirche bekennt, daß Maria wirklich Mutter Gottes (Theotokos, Gottesgebärerin) ist (Vgl. DS 251) (Vgl. dazu auch CEC 466 CEC 2677).





Die Jungfräulichkeit Marias

496 Schon in den ersten Formulierungen des Glaubens (Vgl. DS 10-64) hat die Kirche bekannt, daß Jesus einzig durch die Kraft des Heiligen Geistes im Schoß der Jungfrau Maria empfangen wurde. Auch der leibliche Aspekt dieses Geschehens wurde mitausgesagt: Sie hat Jesus "ohne Samen aus Heiligem Geist empfangen" (Syn. im Lateran 649: DS 503). Die Väter sehen in der jungfräulichen Empfängnis das Zeichen dafür, daß wirklich der Sohn Gottes in eine uns gleiche menschliche Natur kam.

So sagt der hl. Ignatius von Antiochien (zu Beginn des 2. Jahrhunderts): "Ihr seid vollkommen überzeugt von unserem Herrn, der wirklich aus dem Geschlecht Davids stammt nach dem Fleische (Vgl. Rm 1,3), Sohn Gottes nach Gottes Willen und Macht (Vgl. Jn 1,13), wirklich geboren aus einer Jungfrau ..., wirklich unter Pontius Pilatus ... angenagelt für uns im Fleische ..., und wirklich litt er, wie er sich auch wirklich auferweckte" (Smyrn. 1-2).

497 Die Berichte in den Evangelien (Vgl. Mt 1,18-25 Lc 1,26-38) fassen die jungfräuliche Empfängnis als ein Werk Gottes auf, das über jedes menschliche Verständnis und Vermögen hinausgeht (Vgl. Lc 1,34). Der Engel sagt zu Josef von Maria, seiner Braut: "Das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist" (Mt 1,20). Die Kirche erblickt darin die Erfüllung der Verheißung, die Gott durch den Propheten Jesaja gegeben hat: "Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären" (Is 7,14) (Nach der griechischen Übersetzung in Mt 1,23).

498 Man war manchmal verunsichert, weil das Markusevangelium und die Briefe des Neuen Testamentes nichts von der jungfräulichen Empfängnis Marias sagen. Man hat auch gefragt, ob es sich hier nicht um Legenden oder um theologische Konstrukte handelt, die nicht Anspruch auf Geschichtlichkeit erheben. Darauf ist zu antworten:

Der Glaube an die jungfräuliche Empfängnis ist bei Nichtchristen, Juden wie Heiden, auf lebhaften Widerspruch, Gespött und Unverständnis gestoßen (Vgl. etwa Justin, dial. 99,7; Origenes, Cels. 1,32.69); er war also nicht durch die heidnische Mythologie oder irgendeine Angleichung an zeitgenössische Ideen motiviert. Der Sinn dieses Geschehens ist nur für den Glauben erfaßbar, der es "aufgrund des Zusammenhanges der Geheimnisse selbst untereinander" (
DS 3016) im Ganzen der Mysterien Christi, von seiner Menschwerdung bis Ostern, sieht. Schon der hl. Ignatius von Antiochien bezeugt diesen Zusammenhang: "Es blieb dem Fürsten dieser Welt die Jungfrauschaft Marias und ihre Niederkunft verborgen, ebenso auch der Tod des Herrn - drei laut rufende Geheimnisse, die in Gottes Stille geschahen" (Ep 19,1) (Vgl. 1Co 2,8) (Vgl. dazu auch CEC 90 CEC 2717).



Maria - "allzeit Jungfrau"

499 Ein vertieftes Verständnis ihres Glaubens an die jungfräuliche Mutterschaft Marias führte die Kirche zum Bekenntnis, daß Maria stets wirklich Jungfrau geblieben ist (Vgl. DS 427), auch bei der Geburt des menschgewordenen Gottessohnes (Vgl. DS 291 DS 294 DS 442 DS 503 DS 571 DS 1880). Durch seine Geburt hat ihr Sohn "ihre jungfräuliche Unversehrtheit nicht gemindert, sondern geheiligt" (LG 57). Die Liturgie der Kirche preist Maria als die "allzeit Jungfräuliche" (Aeiparthenos) (Vgl. LG 52).

500 Man wendet manchmal dagegen ein, in der Schrift sei von Brüdern und Schwestern Jesu die Rede (Vgl. Mc 3,31-35 Mc 6,31 1Co 9,5 Ga 1,19). Die Kirche hat diese Stellen immer in dem Sinn verstanden, daß sie nicht weitere Kinder der Jungfrau Maria betreffen. In der Tat sind Jakobus und Josef, die als "Brüder Jesu" bezeichnet werden (Mt 13,55), die Söhne einer Maria, welche Jüngerin Jesu war (Vgl. Mt 27,56) und bezeichnenderweise "die andere Maria" genannt wird (Mt 28,1). Gemäß einer bekannten Ausdrucksweise des Alten Testamentes (Vgl. z.B. Gn 13,8 Gn 14,16 Gn 29,15) handelt es sich dabei um nahe Verwandte Jesu.

501 Jesus ist der einzige Sohn Marias. Die geistige Mutterschaft Marias aber (Vgl. Jn 19,26-27 Ap 12,17) erstreckt sich auf alle Menschen, die zu retten Jesus gekommen ist: "Sie gebar einen Sohn, den Gott zum ,Erstgeborenen unter vielen Brüdern' (Rm 8,29) gesetzt hat, den Gläubigen nämlich, bei deren Geburt und Erziehung sie in mütterlicher Liebe mitwirkt" (LG 63) (Vgl. dazu auch CEC 969 CEC 970).



Die jungfräuliche Mutterschaft Marias im Ratschluß Gottes

502 Im Zusammenhang mit der Gesamtheit der Offenbarung kann der Blick des Glaubens die geheimnisvollen Gründe dafür entdecken, warum Gott in seinem Heilsplan gewollt hat, daß sein Sohn von einer Jungfrau geboren werde. Diese Gründe betreffen sowohl die Person und die Erlösungssendung Christi als auch die Annahme dieser Sendung durch Maria für alle Menschen (Vgl. dazu auch CEC 90).

503 Die Jungfräulichkeit Marias zeigt, daß Gott bei der Menschwerdung die absolute Initiative hat. Jesus hat nur Gott zum Vater (Vgl. Lc 2,48-49). Er war "niemals wegen des Menschen, den er angenommen hat, dem Vater fremd ...: (Er ist) natürlicher (Sohn) dem Vater der Gottheit nach, natürlicher (Sohn) der Mutter der Menschheit nach, jedoch eigentlicher (Sohn) dem Vater in beidem" (Syn. v. Friaul 696: DS 619) (Vgl. dazu auch CEC 422)

504 Jesus ist im Schoß der Jungfrau Maria deshalb durch den Heiligen Geist empfangen, weil er der neue Adam (Vgl. 1Co 15,45) ist, der die neue Schöpfung eröffnet: "Der Erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde; der Zweite Mensch stammt vom Himmel" (1Co 15,47). Die menschliche Natur Christi ist von seiner Empfängnis an vom Heiligen Geist erfüllt, denn Gott "gibt den Geist unbegrenzt" (Jn 3,34). "Aus seiner Fülle" - des Hauptes der erlösten Menschheit (Vgl. Col 1,18) - "haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade" (Jn 1,16) (Vgl. dazu auch CEC 359

505 Jesus, der neue Adam, leitet durch seine jungfräuliche Empfängnis die neue Geburt ein, die im Heiligen Geist durch den Glauben Menschen zu Kindern Gottes macht. "Wie soll das geschehen?" (Lc 1,34) (Vgl. Jn 3,9). Die Teilhabe am göttlichen Leben kommt "nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott" (Jn 1,13). Dieses Leben wird jungfräulich empfangen, denn es wird dem Menschen gänzlich durch den Geist geschenkt. Der bräutliche Charakter der Berufung des Menschen zu Gott (Vgl. 2Co 11,2) ist in der jungfräulichen Mutterschaft Marias vollkommen verwirklicht (Vgl. dazu auch CEC 1265).

506 Maria ist Jungfrau, weil ihre Jungfräulichkeit Zeichen ihres Glaubens ist, "der durch keinen Zweifel verfälscht war" (LG 63), und wegen ihrer ungeteilten Hingabe an den Willen Gottes (Vgl. 1Co 7,34-35). Dank ihres Glaubens kann sie die Mutter des Erlösers werden: "Seliger ist Maria im Empfangen des Glaubens an Christus als in der Empfängnis des Fleisches Christi" (Augustinus, virg. 3) (Vgl. dazu auch CEC 148 CEC 1814).

507 Maria ist Jungfrau und Mutter zugleich, weil sie das Inbild der Kirche und Kirche im Vollsinn ist (Vgl. LG 63): Die Kirche wird "durch die gläubige Annahme des Wortes Gottes ... auch selbst Mutter: Denn durch Predigt und Taufe gebiert sie Kinder, die vom Heiligen Geist empfangen und aus Gott geboren sind, zu neuem und unsterblichem Leben. Auch sie selbst ist Jungfrau, die das Treuewort, das sie dem Bräutigam gegeben hat, unversehrt und rein hält" (LG 64) (Vgl. dazu auch CEC 967 CEC 149).





KURZTEXTE



508 Unter den Nachkommen Evas hat Gott die Jungfrau Maria zur Mutter seines Sohnes erwählt. "Voll der Gnade" ist sie "die erhabenste Frucht der Erlösung" (SC 103). Sie ist vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an von der Befleckung durch die Erbsünde gänzlich bewahrt worden und während ihres ganzen Lebens ohne jede persönliche Sünde geblieben.

509 Maria ist wahrhaft "Mutter Gottes", denn sie ist die Mutter des menschgewordenen ewigen Sohnes Gottes, der selbst Gott ist.

510 Maria "ist Jungfrau geblieben, als sie ihren Sohn empfing, Jungfrau, als sie ihn gebar, Jungfrau, als sie ihn trug, Jungfrau, als sie an ihrer Brust nährte. Allzeit Jungfrau" (Augustinus, serm. 186,1). Mit ihrem ganzen Wesen ist sie "die Magd des Herrn" (Lc 1,38).

511 Die Jungfrau Maria "hat in freiem Glauben und Gehorsam zum Heil der Menschen mitgewirkt" (LG 56). Sie hat "als Vertreterin der gesamten Menschennatur" (Thomas v. A., s. th. III 30,1) ihr Jawort gesprochen. Durch ihren Gehorsam ist sie zur neuen Eva, zur Mutter der Lebendigen geworden.






ABSATZ 3 DIE MYSTERIEN DES LEBENS CHRISTI



512 Aus dem Leben Christi nennt das Glaubensbekenntnis nur die Mysterien der Menschwerdung (Empfängnis und Geburt) und des Pascha (Leiden, Kreuzigung, Tod, Begräbnis, Hinabstieg zu den Toten, Auferstehung, Himmelfahrt). Von den Mysterien des verborgenen und öffentlichen Lebens ist nicht ausdrücklich die Rede. Die Glaubensartikel aber, die die Menschwerdung und das Pascha Jesu betreffen, erhellen das ganze Erdenleben Christi; "alles ..., was Jesus von Anfang an getan und gelehrt hat, bis zu dem Tag, an dem er (in den Himmel) aufgenommen wurde" (Ac 1,1-2), ist im Licht des Weihnachts- und des Ostermysteriums zu sehen (Vgl. dazu auch CEC 1163).

513 Die Katechese soll, den jeweiligen Umständen entsprechend, den ganzen reichen Sinngehalt der Mysterien Jesu entfalten. Hier ist nur auf einzelne Elemente hinzuweisen, die allen Mysterien des Lebens Christi gemeinsam sind (I); dann werden die Hauptmysterien des verborgenen (II) und des öffentlichen (III) Lebens Jesu kurz dargelegt (Vgl. dazu auch CEC 426 CEC 561).



I Das ganze Leben Christi ist Mysterium

514 Vieles, was menschliche Wißbegierde von Jesus erfahren möchte, findet sich in den Evangelien nicht. Über sein Leben in Nazaret wird fast nichts gesagt, und selbst von einem großen Teil seines öffentlichen Lebens ist nichts berichtet (Vgl. Jn 20,30). Was in den Evangelien aufgezeichnet wurde, ist "aufgeschrieben, damit ihr glaubt, daß Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen" (Jn 20,31).

515 Die Evangelien sind von Menschen geschrieben, die unter den ersten Glaubenden waren (Vgl. Mc 1,1 Jn 21,24) und den Glauben anderen mitteilen wollten. Da sie im Glauben wußten, wer Jesus ist, konnten sie in seinem ganzen Erdenleben die Spuren seines innersten Geheimnisses sehen und andere darauf hinweisen. Im Leben Jesu ist alles - von den Windeln bei seiner Geburt (Vgl. Lc 2,7) bis zum Essig bei seinem Leiden (Vgl. Mt 27,48) und zum Grabtuch bei seiner Auferstehung (Vgl. Jn 20,7) - Zeichen seines innersten Geheimnisses. Durch seine Taten, seine Wunder, seine Worte wurde offenbar, daß in ihm "die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig" wohnt (Col 2,9). Sein Menschsein erscheint so als das "Sakrament", das heißt als Zeichen und Werkzeug seiner Gottheit und des Heils, das er bringt: Was in seinem Leben zu sehen war, verwies auf das unsichtbare Mysterium seiner Gottessohnschaft und seines Erlösungsauftrags (Vgl. dazu auch CEC 126 CEC 609 CEC 774 CEC 477).



Die gemeinsamen Grundzüge der Mysterien Jesu

516 Das ganze Leben Jesu - seine Worte und Taten, sein Schweigen und seine Leiden, seine Art, zu sein und zu sprechen - ist Offenbarung des Vaters. Jesus kann sagen: "Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen" (Jn 14,9), und der Vater: "Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören" (Mc 9,7). Da Christus Mensch geworden war, um den Willen des Vaters zu erfüllen (Vgl. He 10,5-7), offenbaren uns schon die geringsten Einzelheiten seines Daseins "die Liebe Gottes ... unter uns" (1Jn 4,9) (Vgl. dazu auch CEC 65 CEC 2708).

517 Das ganze Leben Christi ist Erlösungsgeheimnis.Die Erlösung wird uns vor allem durch das am Kreuz vergossene Blut zuteil (Vgl. Ep 1,7 Col 1,13-14 1P 1,18-19), aber dieses Mysterium ist im ganzen Leben Jesu am Werk: schon in seiner Menschwerdung, in der er arm wird, um uns durch seine Armut zu bereichern (Vgl. 2Co 8,9); in seinem verborgenen Leben, das durch seinen Gehorsam (Vgl. Lc 2,51) unseren Ungehorsam sühnt; in seinem Wort, das seine Zuhörer läutert (Vgl. Jn 15,3); in seinen Heilungen und Exorzismen, in denen er "unsere Leiden auf sich genommen und unsere Krankheiten getragen" hat (Mt 8,17) (Vgl. Is 53,4); in seiner Auferstehung, durch die er uns gerecht macht (Vgl. Rm 4,25) (Vgl. dazu auch CEC 606 CEC 115).

518 Das ganze Leben Christi ist ein Mysterium der erneuten Zusammenfassung von allem unter ein Haupt. Alles, was Jesus getan, gesagt und gelitten hat, war dazu bestimmt, den gefallenen Menschen wieder in seine ursprüngliche Berufung zu versetzen (Vgl. dazu auch CEC 668 CEC 2748):

"Indem er durch die Inkarnation Mensch wurde, faßte er die lange Entwicklung der Menschen in sich zusammen und gab uns in dieser Zusammenfassung das Heil, damit wir unser Sein nach dem Bilde und Gleichnis Gottes, das wir in Adam verloren hatten, in Christus Jesus wiedererlangen würden" (Irenäus, haer. 3,18,1). "Deshalb durchlief Christus auch jede Altersstufe, um für alle die Gemeinschaft mit Gott wiederherzustellen" (haer. 3,18,7) (Vgl. haer. 2,22,4).



Unsere Teilhabe an den Mysterien Jesu

519 Der ganze "Reichtum Christi soll jedem Menschen zur Verfügung stehen und zum Besitz jedes einzelnen werden" (RH 11). Christus hat sein Leben nicht für sich gelebt, sondern für uns - von seiner Fleischwerdung "für uns Menschen und zu unserem Heil" bis zu seinem Tod "für unsere Sünden" (1Co 15,3) und seiner Auferstehung "wegen unserer Gerechtmachung" (Rm 4,25). Auch jetzt noch ist er unser "Beistand beim Vater" (1Jn 2,1), "denn er lebt allezeit, um für (uns) einzutreten" (He 7,25). Mit allem, was er ein für allemal für uns gelebt und gelitten hat, weilt er nun für immer "für uns vor Gottes Angesicht" (He 9,24) (Vgl. dazu auch CEC 793 CEC 602 CEC 1085).

520 In seinem ganzen Leben erweist sich Jesus als unser Vorbild (Vgl. Rm 15,5 Ph 2,5): Er ist der "vollkommene Mensch" (GS 38), der uns einlädt, seine Jünger zu werden und ihm nachzufolgen. Durch seinen demütigen Dienst hat er uns ein Beispiel zur Nachahmung gegeben (Vgl. Jn 13,15), durch sein Beten regt er uns zum Beten an (Vgl. Lc 11,1), durch seine Armut fordert er uns auf, Entbehrung und Verfolgungen bereitwillig auf uns zu nehmen (Vgl. Mt 5,11-12) (Vgl. dazu auch CEC 459 CEC 359 CEC 2607).

521 Alles, was Christus gelebt hat, läßt er uns in ihm leben, und er lebt es in uns. "Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Fleischwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt" (GS 22,2). Wir sollen mit ihm eines Wesens werden; er läßt uns als die Glieder seines Leibes an dem teilnehmen, was er in seinem Fleisch für uns und als unser Vorbild gelebt hat (Vgl. dazu auch CEC 2715 CEC 1391).

"Wir müssen die Zustände und Mysterien Jesu in uns weiter und zu Ende führen und ihn oft bitten, er solle sie in uns und in seiner ganzen Kirche vollenden und vollbringen ... Der Sohn Gottes hat nämlich vor, durch die Gnaden, die er durch diese Mysterien uns mitteilen, und durch die Wirkungen, die er durch sie in uns hervorbringen will, uns an seinen Mysterien teilhaben zu lassen, sie gleichsam auszudehnen und sie in uns und in seiner ganzen Kirche gewissermaßen weiterzuführen. Und auf diesem Weg will er sie in uns zu Ende führen" (Johannes Eudes, regn.).



II Die Mysterien der Kindheit und des Verborgenen Lebens Jesu



Die Vorbereitungen

522 Das Kommen des Gottessohnes auf die Erde ist ein so gewaltiges Ereignis, daß es Gott durch Jahrhunderte hindurch vorbereiten wollte. All die Riten und Opfer, die Gestalten und Sinnbilder des "ersten Bundes" (He 9,15) läßt er auf Christus zulaufen; er kündigt ihn an durch den Mund der Propheten, die in Israel aufeinander folgen. Zudem weckt er im Herzen der Heiden eine dunkle Ahnung dieses Kommens (Vgl. dazu auch CEC 711 CEC 762).

523 Der hl. Johannes der Täufer ist der unmittelbare Vorläufer (Vgl. Ac 13,24) des Herrn; er ist gesandt, um ihm den Weg zu bereiten (Vgl. Mt 3,3). Als "Prophet des Höchsten" (Lc 1,76) überragt er alle Propheten (Vgl. Lc 7,26). Er ist der letzte von ihnen (Vgl. Mt 11,13) und leitet zum Evangelium über (Vgl. Ac 1,22 Lc 16,16). Er frohlockt schon im Mutterschoß über das Kommen Christi (Vgl. Lc 1,41) und findet seine Freude darin, "der Freund des Bräutigams" zu sein (Jn 3,29), den er als "das Lamm Gottes" bezeichnet, "das die Sünde der Welt hinwegnimmt" (Jn 1,29). Er geht Jesus voran "mit dem Geist und mit der Kraft des Elija" (Lc 1,17) und legt durch seine Predigt, seine Bußtaufe und schließlich durch sein Martyrium (Vgl. Mc 6,17-29) für ihn Zeugnis ab (Vgl. dazu auch CEC 717-720).

524 In der alljährlichen Feier der Adventsliturgie läßt die Kirche diese Messiaserwartung wieder aufleben; die Gläubigen nehmen dadurch an der langen Vorbereitung auf das erste Kommen des Erlösers teil und erneuern in sich die Sehnsucht nach seiner zweiten Ankunft (Vgl. Ap 22,17) Durch die Feier der Geburt und des Martyriums des Vorläufers vereint sich die Kirche mit dessen Verlangen: "Er muß wachsen, ich aber muß kleiner werden" (Jn 3,30) (Vgl. dazu auch CEC 1171).



Das Weihnachtsmysterium

525 Jesus kam in der Armseligkeit eines Stalles zur Welt, in einer unbegüterten Familie (Vgl. Lc 2,6-7); schlichte Hirten sind die ersten Zeugen des Ereignisses. In dieser Armut erstrahlt die Herrlichkeit des Himmels (Vgl. Lc 2,8-20). Die Kirche wird nicht müde, die Herrlichkeit dieser Nacht zu besingen (Vgl. dazu auch CEC 437 CEC 2443):

Die Jungfrau bringt heute den Ewigen zur Welt,

und die Erde bietet dem Unzugänglichen eine Höhle.

Die Engel und die Hirten preisen ihn

und die Weisen nahen sich mit dem Stern,

denn du bist für uns geboren,

du kleines Kind, du ewiger Gott!

(Kontakion von Romanos dem Meloden)

526 Vor Gott "Kind zu werden" ist die Voraussetzung, um in das Gottesreich einzutreten (Vgl. Mt l8,3-4). Dazu muß man sich erniedrigen (Vgl. Mt 23,12), kleinwerden; mehr noch: man muß "von neuem geboren werden" (Jn 3,7), "aus Gott geboren" werden (Jn 1,13), um "Kind Gottes zu werden" (Jn 1,12). Das Weihnachtsgeheimnis vollzieht sich in uns, wenn Christus in uns "Gestalt annimmt" (Ga 4,19). Weihnachten ist das Mysterium des "wundersamen Tausches":

"O wunderbarer Tausch! Der den Menschen erschuf, nimmt menschliches Leben an und wird aus der Jungfrau geboren. Von keinem Mann gezeugt, kommt er in die Welt und schenkt uns göttliches Leben" (LH Antiphon der Vespern vom 1. Januar).



Die Mysterien der Kindheit Jesu

527 Die Beschneidung Jesu am achten Tag nach seiner Geburt (Vgl. Lc 2,21) ist Zeichen dafür, daß er in die Nachkommenschaft Abrahams, in das Bundesvolk eingegliedert, dem Gesetz unterworfen (Vgl. Ga 4,4) und zum Kult Israels bestellt ist, an dem er während seines ganzen Lebens teilnehmen wird. Sie ist ein Vorzeichen der "Beschneidung, die Christus gegeben hat": "der Taufe" (Col 2,11-12) (Vgl. dazu auch CEC 580 CEC 1214).

528 Die Epiphanie (Erscheinung des Herrn) ist die Offenbarung Jesu als Messias Israels, als Sohn Gottes und Erlöser der Welt bei seiner Taufe im Jordan, bei der Hochzeit von Kana und bei der Anbetung Jesu durch die "Sterndeuter aus dem Osten" (Mt 2,1) (Vgl. LH, Antiphonen vom Benedictus der Laudes und vom Magnificat der 2. Vesper von Epiphanie). In diesen "Weisen", den Vertretern der heidnischen Religionen der Umwelt, sieht das Evangelium die Erstlinge der Nationen, welche die frohe Botschaft vom Heilsereignis der Menschwerdung empfangen. Daß die Weisen nach Jerusalem kommen, "um (dem König der Juden) zu huldigen" (Mt 2,2), zeigt, daß sie im messianischen Licht des Davidsterns (Vgl. Num Nb 24,17 Ap 22,16) in Israel nach dem suchen, der König der Völker sein wird (Vgl. Num Nb 24,17-19). Ihr Kommen bedeutet, daß die Heiden nur dann Jesus entdecken und ihn als Sohn Gottes und Heiland der Welt anbeten können, wenn sie sich an die Juden wenden (Vgl. Jn 4,22) und von ihnen die messianische Verheißung empfangen, wie sie im Alten Testament enthalten ist (Vgl. Mt 2,4-6). Die Epiphanie bekundet, daß "alle Heiden in die Familie der Patriarchen eintreten" (Leo d. Gr., serm. 23) und die "Würde Israels" erhalten sollen (MR, Osternacht 26: Gebet nach der 3. Lesung) (Vgl. dazu auch CEC 439 CEC 711-716 CEC 122).

529 Die Darstellung Jesu im Tempel (Vgl. Lc 2,22-29) zeigt ihn als den Erstgeborenen, der dem Herrn gehört (Vgl. Ex 13,12-13). In Simeon und Anna kommt es zur Begegnung (so nennt die byzantinische Tradition dieses Fest) der ganzen Erwartung Israels mit seinem Erlöser. Jesus wird als der langerwartete Messias, als "Licht der Völker" und "Herrlichkeit Israels" erkannt, aber auch als "Zeichen, dem widersprochen wird". Das Schwert des Schmerzes, das Maria vorausgesagt wird, kündigt jene andere, vollkommene und einzigartige "Darbringung" am Kreuz an, die das Heil schenken wird, "das Gott vor allen Völkern bereitet hat" (Vgl. dazu auch CEC 583 CEC 439 CEC 614).

530 Die Flucht nach Ägypten und die Ermordung der unschuldigen Kinder (Vgl. Mt 2,13-18) zeigen den Widerstand der Finsternis gegen das Licht: "Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf" (Jn 1,11). Das ganze Leben Christi wird unter dem Zeichen der Verfolgung stehen. Seine Jünger teilen dieses Los (Vgl. Jn 15,20). Seine Rückkehr (Vgl. Mt 2,15) erinnert an den Auszug aus Ägypten (Vgl. Os 11,1) und stellt Jesus als den endgültigen Befreier vor (Vgl. dazu auch CEC 574).



Die Mysterien des verborgenen Lebens Jesu

531 Während des größten Teils seines Lebens hat Jesus das Los der meisten Menschen geteilt: ein alltägliches Leben ohne äußere Größe, ein Handwerkerleben, ein jüdisch religiöses Leben, das dem Gesetz Gottes unterstand (Vgl. Ga 4,4), ein Leben in einer Dorfgemeinschaft. Von dieser ganzen Periode ist uns nur das geoffenbart, daß Jesus seinen Eltern "untertan" war und zunahm "an Weisheit und Alter und Gnade vor Gott und den Menschen" (Lc 2,51-52) (Vgl. dazu auch CEC 2427).

532 In seiner Unterordnung unter seine Mutter und seinen Pflegevater erfüllte Jesus das vierte Gebot voll und ganz. Sie war das irdische Bild seines Sohnesgehorsams gegenüber seinem himmlischen Vater. Die alltägliche Unterwerfung Jesu unter Josef und Maria kündigte seine Unterwerfung am Gründonnerstag an und nahm sie vorweg: "Nicht mein Wille ..." (Lc 22,42). Mit dem Gehorsam Christi im Alltag des verborgenen Lebens begann schon die Wiederherstellung dessen, was der Ungehorsam Adams zerstört hatte (Vgl. Rm 5,19) (Vgl. dazu auch CEC 2214-2220 CEC 612).

533 Das verborgene Leben in Nazaret ermöglicht jedem Menschen, in den alltäglichsten Dingen in Gemeinschaft mit Jesus zu sein:

"Das Haus von Nazaret ist eine Schule, in der man beginnt, das Leben Christi zu verstehen. Es ist die Schule des Evangeliums ... Sie lehrt zunächst das Schweigen. Möge in uns eine große Wertschätzung des Schweigens lebendig werden ... dieser bewundernswerten und notwendigen Geisteshaltung ... Hier lernen wir, wie wichtig das häusliche Leben ist. Nazaret gemahnt uns an das, was eine Familie ist, an ihre Gemeinschaft in Liebe, an ihre Würde, ihre strahlende Schönheit, ihre Heiligkeit und Unverletzlichkeit ... Schließlich lernen wir hier die zuchtvolle Ordnung der Arbeit.0 Lehrstuhl von Nazaret, Haus des Handwerkersohnes! Hier möchte ich das strenge, aber erlösende Gesetz menschlicher Arbeit erkennen und feiern ... Schließlich möchte ich hier den Arbeitern der ganzen Welt Segen wünschen und ihnen das große Vorbild zeigen, den göttlichen Bruder" (Paul VI., Ansprache vom 5. Januar 1964 in Nazaret) (Vgl. dazu auch
CEC 2717 CEC 2204 CEC 2427).

534 Das Wiederfinden Jesu im Tempel (Vgl. Lc 2,41-52) ist das einzige Ereignis, das das Schweigen der Evangelien über die verborgenen Jahre Jesu unterbricht. Jesus läßt darin das Mysterium seiner ganzen Hingabe an die Sendung erahnen, die sich aus seiner Gottessohnschaft ergibt: "Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist?" Maria und Josef verstanden diesen Ausspruch nicht, aber sie nahmen ihn im Glauben an, und Maria "bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen" - während all der Jahre, in denen Jesus in der Stille eines gewöhnlichen Lebens verborgen blieb (Vgl. dazu auch CEC 583 CEC 2599 CEC 964).



III Die Mysterien des öffentlichen Lebens Jesu



Die Taufe Jesu

535 Zu Beginn (Vgl. Lc 3,23) seines öffentlichen Lebens ließ sich Jesus von Johannes im Jordan taufen (Vgl. Ac 1,22). Johannes verkündete "Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden" (Lc 3,3). Eine Menge von Sündern: Zöllner und Soldaten (Vgl. Lc 3,10-14), Pharisäer und Sadduzäer (Vgl. Mt 3,7) und Dirnen (Vgl. Mt 21,32) ließen sich von ihm taufen. "Da kam Jesus." Der Täufer zögert, doch Jesus beharrt und empfängt die Taufe. In Gestalt einer Taube kommt der Heilige Geist auf Jesus herab und eine Stimme vom Himmel verkündet: "Das ist mein geliebter Sohn" (Vgl. Mt 3,13-17). Es ist die Erscheinung (Epiphanie) Jesu als Messias Israels und Sohn Gottes (Vgl. dazu auch CEC 719 CEC 720 CEC 701 CEC 438).

536 Die Taufe ist für Jesus die Annahme und der Beginn seiner Sendung als leidender Gottesknecht. Er läßt sich unter die Sünder rechnen (Vgl. Is 53,12). Er ist schon "das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt" (Jn 1,29). Er nimmt schon die "Taufe" seines blutigen Todes vorweg (Vgl. Mc 10,38 Lc 12,50). Er kommt, um "alle Gerechtigkeit zu erfüllen" (Mt 3,15), das heißt er unterwirft sich ganz dem Willen seines Vaters: er nimmt aus Liebe die Taufe des Todes zur Vergebung unserer Sünden auf sich (Vgl. Mt 26,39). Auf diese Bereitschaft antwortet die Stimme des Vaters, der an seinem Sohn Gefallen gefunden hat (Vgl. Lc 3,22 Is 42,1). Der Geist, den Jesus schon seit seiner Empfängnis in Fülle besitzt, kommt herab, um auf ihm zu "ruhen" (Jn 1,32-33) (Vgl. Is 11,2). Jesus wird für die ganze Menschheit der Quell des Geistes sein. Bei seiner Taufe "öffnete sich der Himmel" (Mt 3,16), den die Sünde Adams verschlossen hatte, und da Jesus und der Geist sich in das Wasser hineinbegeben, wird es geheiligt - dies ist das Vorspiel der neuen Schöpfung (Vgl. dazu auch CEC 606 CEC 1224 CEC 444 CEC 727 CEC 739).

537 Durch die Taufe wird der Christ sakramental Jesus gleichgestaltet, der in seiner Taufe seinen Tod und seine Auferstehung vorwegnimmt. Der Christ muß in dieses Mysterium demütiger Selbsterniedrigung und Buße eintreten, mit Jesus in das Wasser hinabsteigen, um mit ihm wieder emporzusteigen. Er muß aus dem Wasser und dem Geist wiedergeboren werden, um im Sohn selbst zu einem geliebten Sohn des Vaters zu werden und "in einem neuen Leben zu wandeln" (Rm 6,4) (Vgl. dazu auch CEC 1262).

"Lassen wir uns mit Christus durch die Taufe begraben, um mit ihm aufzuerstehen; lassen wir uns mit ihm hinab, um mit ihm erhoben zu werden; steigen wir wieder mit ihm hinauf, um in ihm verherrlicht zu werden" (Gregor v. Nazianz, or. 40,9) (Vgl. dazu auch CEC 628).

"Alles, was an Christus geschehen ist, läßt uns erkennen, daß nach dem Bad der Taufe der Heilige Geist vom Himmel auf uns herabschwebt und daß wir, durch die Stimme des Vaters adoptiert, Söhne Gottes werden" (Hilarius, MT 2).



Die Versuchung Jesu

538 Die Evangelien sprechen von einer Zeit der Einsamkeit, die Jesus gleich nach seiner Taufe durch Johannes in der Einöde verbracht hat: Vom Geist in die Wüste "getrieben", bleibt Jesus vierzig Tage lang dort, ohne zu essen. Er lebt bei den wilden Tieren, und die Engel dienen ihm (Vgl. Mc 1,12-13). Am Ende dieser Zeit versucht ihn Satan dreimal, indem er Jesu Sohneshaltung Gott gegenüber ins Wanken zu bringen sucht. Jesus weist diese Angriffe zurück, in denen die Versuchungen Adams im Paradies und Israels in der Wüste nochmals aufgegriffen werden, und der Teufel läßt von ihm ab, um - "zu seiner Zeit" zurückzukehren (Lc 4,13).

539 Die Evangelisten weisen auf die Heilsbedeutung dieses geheimnisvollen Geschehens hin. Jesus ist der neue Adam, der treu bleibt, während der erste Adam der Versuchung erlag. Jesus erfüllt die Sendung Israels vollkommen. Im Gegensatz zu denen, die einst in der Wüste vierzig Jahre lang Gott herausforderten (Vgl. Ps 95,10), erweist sich Christus als der Gottesknecht, der dem Willen Gottes gänzlich gehorsam ist. So ist Jesus Sieger über den Teufel: er hat "den Starken gefesselt", um ihm seine Beute wieder zu entreißen (Vgl. Mc 3,27). Der Sieg Jesu über den Versucher in der Wüste nimmt den Sieg der Passion vorweg, den höchsten Gehorsamserweis seiner Sohnesliebe zum Vater (Vgl. dazu auch CEC 394 CEC 518 CEC 397 CEC 385 CEC 609).

540 Die Versuchung zeigt, auf welche Weise der Sohn Gottes Messias ist, im Gegensatz zu der Rolle, die Satan ihm vorschlägt und in der die Menschen (Vgl. Mt 16,21-23) ihn gerne sehen möchten. Darum hat Christus den Vesucher für uns besiegt. "Wir haben ja nicht einen Hohenpriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat" (He 4,15). Durch die vierzigtägige Fastenzeit vereint sich die Kirche jedes Jahr mit dem Mysterium Jesu in der Wüste (Vgl. dazu auch CEC 2119 CEC 519 CEC 2849 CEC 1438).




Katechismus KK 1997 490