Katechismus KK 1997 541

"Das Reich Gottes ist nahe"

541 "Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!" (Mc 1,14-15). "Um den Willen des Vaters zu erfüllen, hat Christus das Reich der Himmel auf Erden begründet" (LG 3). Nun aber ist es der Wille des Vaters, "die Menschen zur Teilhabe am göttlichen Leben zu erheben" (LG 2). Er tut das, indem er die Menschen um seinen Sohn, Jesus Christus, sammelt. Dieser Zusammenschluß ist die Kirche; sie stellt "Keim und Anfang" des Reiches Gottes auf Erden dar (LG 5) (Vgl. dazu auch CEC 2816 CEC 763 CEC 669 CEC 768 CEC 865).

542 Christus ist die Mitte, um die die Menschen zur "Familie Gottes" gesammelt werden. Er ruft sie zu sich durch sein Wort, durch seine Zeichen, die das Reich Gottes bekunden, und durch die Sendung seiner Jünger. Herbeiführen wird er sein Reich vor allem durch das große Mysterium seines Paschas: seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung. "Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen" (Jn 12,32). Zu dieser Vereinigung mit Christus sind alle Menschen berufen (Vgl. LG 3) (Vgl. dazu auch CEC 2233 CEC 789).



Die Verkündigung des Reiches Gottes

543 Alle Menschen sind berufen, in das Reich einzutreten. Dieses messianische Reich wird zunächst den Kindern Israels verkündet (Vgl. Mt 10,5-7), ist aber für die Menschen aller Völker bestimmt (Vgl. Mt 8,11 Mt 28,19). Wer in das Reich eintreten will, muß das Wort Jesu annehmen (Vgl. dazu auch CEC 764).

"Denn das Wort des Herrn wird mit einem Samen verglichen, der auf dem Acker gesät wird: die es im Glauben hören und der kleinen Herde Christi zugezählt werden, haben das Reich selbst angenommen; aus eigener Kraft keimt dann der Same und wächst bis zur Zeit der Ernte" (LG 5).

544 Das Reich gehört den Armen und Kleinen, das heißt denen, die es demütigen Herzens angenommen haben. Jesus ist gesandt, damit er "den Armen Frohbotschaft bringe" (Lc 4,18) (Vgl. Lc 7,22). Er preist sie selig, denn "ihnen gehört das Himmelreich" (Mt 5,3). Den "Kleinen" wollte der Vater offenbaren, was den Weisen und Klugen verborgen bleibt (Vgl. Mt 11,25). Von der Krippe bis zum Kreuz teilt Jesus das Leben der Armen; er kennt Hunger (Vgl. Mc 2,23-26 Mt 2l,18), Durst (Vgl. Jn 4,6-7 Jn 19,28) und Entbehrung (Vgl. Lc 9,58).Mehr noch: Er identifiziert sich mit den Armen aller Art und macht die tätige Liebe zu ihnen zur Voraussetzung für die Aufnahme in sein Reich (Vgl. Mt 25,31-46) (Vgl. dazu auch CEC 709 CEC 2443 CEC 2546).

545 Jesus lädt die Sünder zum Tisch des Gottesreiches: "Ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten" (Mc 2,17) (Vgl. 1Tm 1,15). Er fordert sie zur Bekehrung auf, ohne die man nicht in das Reich eintreten kann. Er zeigt ihnen aber in Wort und Tat das grenzenlose Erbarmen des Vaters (Vgl. Lc 15,11-32) und die gewaltige "Freude", die "im Himmel ... herrschen (wird) über einen einzigen Sünder, der umkehrt" (Lc 15,7). Der größte Beweis seiner Liebe ist die Hingabe seines Lebens "zur Vergebung der Sünden" (Mt 26,28) (Vgl. dazu auch1443, 588, 1846, 1439).

546 Jesus ruft durch Gleichnisse - ein typischer Zug seines Lehrens - dazu auf, in das Reich einzutreten (Vgl. Mc 4,33-34). Durch sie lädt er zum Festmahl des Reiches ein (Vgl. Mt 22,1-14), fordert aber auch eine radikale Entscheidung: Um das Reich zu erwerben, muß man alles aufgeben (Vgl. Mt 13,44-45); bloße Worte genügen nicht; Taten sind notwendig (Vgl. Mt 21,28-32). Die Gleichnisse halten dem Menschen gewissermaßen einen Spiegel vor, der ihn erkennen läßt: Nimmt er das Wort auf wie ein harter Boden oder wie die gute Erde ? (Vgl. Mt 13,3-9) Was tut er mit den Talenten, die er erhalten hat ? (Vgl. Mt 25,14-30) Jesus und die Gegenwart des Reiches auf Erden sind die Sinnmitte der Gleichnisse. Man muß in das Reich eintreten, das heißt Jünger Christi werden, um "die Geheimnisse des Himmelreichs zu erkennen" (Mt 13,11). Für die, "die draußen sind" (Mc 4,11), bleibt alles rätselhaft (Vgl. Mt 13,10-15) (Vgl. dazu auch CEC 2613 CEC 542).



Die Zeichen des Reiches Gottes

547 Jesus begleitet seine Worte durch zahlreiche "machtvolle Taten, Wunder und Zeichen" (Ac 2,22). Diese zeigen, daß das Reich in ihm gegenwärtig ist. Sie bezeugen, daß Jesus der angekündigte Messias ist (Vgl. Lc 7,18-23) (Vgl. dazu auch CEC 670 CEC 439).

548 Die von Jesus vollbrachten Zeichen bezeugen, daß der Vater ihn gesandt hat (Vgl. Jn 5,36 Jn 10,25). Sie laden ein, an ihn zu glauben (Vgl. Jn 10,38). Denen, die sich gläubig an ihn wenden, gibt er, was sie erbitten (Vgl. z. B. Mc 5,25-34 Mc 10,52). So stärken die Wunder den Glauben an ihn, der die Werke seines Vaters tut: sie bezeugen, daß er der Sohn Gottes ist (Vgl. Jn 10,31-38). Sie können aber auch Anlaß zum "Anstoß" sein (Mt 11,6). Sie wollen nicht Neugier und magische Wünsche befriedigen. Trotz seiner so offensichtlichen Wunder wird Jesus von einzelnen abgelehnt (Vgl. Jn 11,47-48); ja man bezichtigt ihn, mit Hilfe der Dämonen zu wirken (Vgl. Mc 3,22) (Vgl. dazu auch CEC 156 CEC 2616 CEC 574 CEC 447).

549 Indem er einzelne Menschen von irdischen Übeln: von Hunger (Vgl. Jn 6,5-15), Unrecht (Vgl. Lc 19,8), Krankheit und Tod (Vgl. Mt 11,5) befreit, setzt Jesus messianische Zeichen. Er ist jedoch nicht gekommen, um alle Übel auf Erden zu beheben (Vgl. Lc 12,13 Lc 12,14 Jn 18,36), sondern um die Menschen aus der schlimmsten Sklaverei, der Sünde, zu befreien (Vgl. Jn 8,34-36). Diese hindert sie an ihrer Berufung zu Kindern Gottes und bringt sie in vielerlei Abhängigkeiten (Vgl. dazu auch CEC 1503 CEC 440).

550 Das Kommen des Gottesreiches ist die Niederlage des Reiches Satans (Vgl. Mt 12,36): "Wenn ich aber die Dämonen durch den Geist Gottes austreibe, dann ist das Reich Gottes schon zu euch gekommen" (Mt 12,28). Die von Jesus vorgenommenen Exorzismen befreien die Menschen aus der Macht der Dämonen (Vgl. Lc 8,26-39). Sie nehmen den großen Sieg Jesu über den "Herrscher dieser Welt" (Jn 12,31) vorweg. Das Reich Gottes wird durch das Kreuz Christi endgültig errichtet: "Vom Holz herab herrscht unser Gott" (LH, Hymnus "Vexilla Regis") (Vgl. dazu auch CEC 394 CEC 1673 CEC 440 CEC 2816).



"Die Schlüssel des Reiches"

551 Gleich am Anfang seines öffentlichen Lebens wählt Jesus Männer, zwölf an der Zahl; diese sollen bei ihm sein und an seiner Sendung teilnehmen (Vgl. Mc 3,13-19). Er läßt sie an seiner Autorität teilhaben und sendet sie aus "mit dem Auftrag, das Reich Gottes zu verkünden und zu heilen" (Lc 9,2). Sie bleiben für immer mit dem Reiche Christi verbunden, denn Christus leitet durch sie die Kirche (Vgl. dazu auch CEC 858 CEC 765):

"Darum vermache ich euch das Reich, wie es mein Vater mir vermacht hat: Ihr sollt in meinem Reich mit mir an meinem Tisch essen und trinken, und ihr sollt auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten" (Lc 22,29-30).

552 Im Kollegium der Zwölf steht Simon Petrus an erster Stelle (Vgl. Mc 3,16 Mc 9,2 Lc 24,34 1Co 15,5). Jesus hat ihm eine einzigartige Sendung anvertraut. Dank einer Offenbarung, die Petrus vom Vater erhalten hatte, bekannte er: "Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes". Und unser Herr sagte zu ihm: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen" (Mt 16,16-18). Christus, "der lebendige Stein" (1P 2,4), sichert seiner auf Petrus gebauten Kirche den Sieg über die Mächte des Todes zu. Auf dem Grund des Glaubens, den er bekannt hat, bleibt Petrus der unerschütterliche Fels der Kirche. Er hat die Sendung, diesen Glauben vor allem Schwanken zu bewahren und seine Brüder darin zu bestärken (Vgl. Lc 22,32) (Vgl. dazu auch CEC 880 CEC 153 CEC 442 CEC 424).

553 Jesus hat Petrus eine besondere Autorität anvertraut: "Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein" (Mt 16,19). Die "Schlüsselgewalt" bedeutet die Vollmacht, das Haus Gottes, die Kirche, zu leiten. Jesus, "der gute Hirt" (Jn 10,11), hat diesen Auftrag nach seiner Auferstehung bestätigt: "Weide meine Schafe!" (Jn 21,15-17). Die Gewalt, zu "binden" und zu "lösen", besagt die Vollmacht, in der Kirche von Sünden loszusprechen, Lehrurteile zu fällen und disziplinarische Entscheide zu treffen. Jesus hat der Kirche diese Autorität durch den Dienst der Apostel (Vgl. Mt 18,18) und insbesondere des Petrus anvertraut, dem er als einzigem die Schlüssel des Reiches ausdrücklich übergeben hat (Vgl. dazu auch CEC 981 CEC 1445 CEC 641 CEC 881).



Eine Vorahnung des Reiches: die Verklärung

554 Von dem Tag an, an dem Petrus bekannt hatte, daß Jesus der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes ist, "begann Jesus, seinen Jüngern zu erklären, er müsse nach Jerusalem gehen und ... vieles erleiden; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen" (Mt 16,21). Petrus weist diese Ankündigung zurück (Vgl. Mt 16,22-23); auch die anderen können sie nicht begreifen (Vgl. Mt 17,23 Lc 9,45). In diesem Zusammenhang steht das geheimnisvolle Geschehen der Verklärung Jesu (Vgl. Mt 17,1-8 par.; 2P 1,16-18) auf einem hohen Berg vor drei von ihm ausgewählten Zeugen: Petrus, Jakobus und Johannes. Das Antlitz und die Kleider Jesu werden strahlend hell; Mose und Elija erscheinen und sprechen "von seinem Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte" (Lc 9,31). Eine Wolke überschattet sie und eine Stimme vom Himmel sagt: "Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören" (Lc 9,35) (Vgl. dazu auch CEC 697 CEC 2600 CEC 444).

555 Für einen Augenblick läßt Jesus seine göttliche Herrlichkeit aufleuchten und bestätigt so das Bekenntnis des Petrus. Er zeigt auch, daß er, um "in seine Herrlichkeit zu gelangen" (Lc 24,26), in Jerusalem den Tod am Kreuz erleiden muß. Mose und Elija hatten auf dem Berg die Herrlichkeit Gottes gesehen; das Gesetz und die Propheten hatten die Leiden des Messias angekündigt (Vgl. Lc 24,27). Die Passion Jesu ist der Wille des Vaters; der Sohn handelt als Gottesknecht (Vgl. Is 42,1); die Wolke ist ein Zeichen der Gegenwart des Heiligen Geistes: "Die ganze Dreifaltigkeit erschien: Der Vater in der Stimme, der Sohn als Mensch, der Heilige Geist in der leuchtenden Wolke" (Thomas v. A., s. th. III 45,4 ad 2) (Vgl. dazu auch CEC 2576 CEC 2583).

"Du wurdest auf dem Berg verklärt, und soweit sie dazu fähig waren, schauten deine Jünger deine Herrlichkeit, Christus Gott, damit sie, wenn sie dich gekreuzigt sehen werden, begreifen, daß dein Leiden freiwillig war, und damit sie der Welt verkünden, daß du wirklich der Abglanz des Vaters bist" (Byzantinische Liturgie, Kontakion am Fest der Verklärung).

556 Am Beginn des öffentlichen Lebens steht die Taufe, am Beginn des Pascha die Verklärung. Bei der Taufe Jesu wurde "das Geheimnis der ersten Neugeburt kundgetan": unsere Taufe; die Verklärung ist "das Sakrament der zweiten Wiedergeburt": unserer Auferstehung (Thomas v. A., s. th. III 45,4,ad 2). Schon jetzt haben wir an der Auferstehung des Herrn Anteil durch den Heiligen Geist, der in den Sakramenten der Kirche, des Leibes Christi wirkt. Die Verklärung gibt uns eine Vorahnung der Wiederkunft Christi in Herrlichkeit, "der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes" (Ph 3,21). Sie sagt uns aber auch, daß wir "durch viele Drangsale ... in das Reich Gottes gelangen" müssen (Ac 14,22) (Vgl. dazu auch CEC 1003):

"Das hatte Petrus noch nicht begriffen, als er mit Christus auf dem Berge zu leben wünschte (Vgl. Lc 9,33). Er hat dir, Petrus, das für die Zeit nach seinem Tod vorbehalten. Jetzt aber sagt er selbst: Steige hinab, um auf Erden dich abzumühen, auf Erden zu dienen, auf Erden verachtet, gekreuzigt zu werden. Das Leben steigt hinab, um sich töten zu lassen; das Brot steigt hinab, um zu hungern; der Weg steigt hinab, um auf dem Wege müde zu werden; die Quelle steigt hinab, um zu dürsten - und du weigerst dich, dich abzumühen?" (Augustinus, serm. 78,6).



Jesus geht hinauf nach Jerusalem

557 "Als die Zeit herankam, in der er (in den Himmell aufgenommen werden sollte, entschloß sich Jesus, nach Jerusalem zu gehen" (Lc 9,51) (Vgl. Jn 13,1). Durch diesen Entschluß deutete Jesus an, daß er bereit zum Sterben nach Jerusalem hinaufging. Dreimal hatte er sein Leiden und seine Auferstehung angekündigt (Vgl. Mc 8,31-33 Mc 9,31-32 Mc 10,32-34). Als er sich Jerusalem näherte, sagte er: "Ein Prophet darf nirgendwo anders als in Jerusalem umkommen" (Lc 13,33).

558 Jesus erinnert an das Martyrium der Propheten, die in Jerusalem umgebracht worden waren (Vgl. Mt 23,37). Dennoch fordert er Jerusalem beharrlich auf, sich um ihn zu sammeln: "Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt" (Mt 23,37). Als Jerusalem in Sicht ist, weint er über die Stadt und äußert noch einmal seine tiefste Sehnsucht: "Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was dir Frieden bringt! Jetzt aber bleibt es vor deinen Augen verborgen" (Lc 19,42).



Der messianische Einzug in Jerusalem

559 Wie wird Jerusalem seinen Messias aufnehmen? Jesus hatte sich den Bestrebungen des Volkes, ihn zum König zu machen, stets entzogen (Vgl. Jn 6,15). Jetzt wählt er den Zeitpunkt und trifft Vorkehrungen für seinen messianischen Einzug in die Stadt "seines Vaters David" (Lc 1,32) (Vgl. Mt 21,1-11). Er wird umjubelt als der Sohn Davids, als der, der das Heil bringt ("Hosanna" bedeutet "rette!", "gib Heil!"). Nun aber zieht der "König der Herrlichkeit" (Ps 24,7-10) "auf einem Esel reitend" (Za 9,9) in seine Stadt ein; er gewinnt die Tochter Zion, das Sinnbild seiner Kirche, nicht durch List und Gewalt für sich, sondern durch Demut, die für die Wahrheit Zeugnis ablegt (Vgl. Jn 18,37). Deshalb bilden an diesem Tag die Kinder (Vgl. Mt 21,15-16 Ps 8,3) sein Reich und auch die "Armen Gottes", die ihm so zurufen, wie ihn die Engel den Hirten verkündet haben (Vgl. Lc 19,38 Lc 2,14). Ihr Zuruf "Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn!" (Ps 118,26) ist von der Kirche in das Sanctus der Eucharistiefeier aufgenommen worden, um das Gedächtnis an das Pascha des Herrn zu eröffnen (Vgl. dazu auch CEC 333 CEC 1352).

560 Der Einzug Jesu in Jerusalem kündigt das Kommen des Reiches an, das der Messias-König durch das Pascha seines Todes und seiner Auferstehung herbeiführt. Mit der Feier dieses Einzugs am Palmsonntag eröffnet die Kirche die große Heilige Woche, die Karwoche (Vgl. dazu auch CEC 550 CEC 2816 CEC 1169).



KURZTEXTE



561 "Das ganze Leben Christi war ein beständiges Lehren. Die Momente des Schweigens, seine Wunder, seine Taten, sein Beten, seine Menschenliebe, seine Vorliebe für die Kleinen und Armen, die Annahme des letzten Opfers für die Erlösung der Welt am Kreuz und seine Auferstehung - dies alles macht sein Wort wirklich und wahr und vollendet seine Offenbarung" (CTR 9).

562 Die Jünger Christi müssen ihm gleichgestaltet werden, bis er in ihnen Gestalt gewonnen hat (Vgl. Ga 4,19). "Deshalb werden wir aufgenommen in die Mysterien seines Lebens, mit ihm gleichgestaltet. mit ihm gestorben und mit ihm auferweckt, bis wir mit ihm herrschen werden" (LG 7).

563 Ob einer nun Hirte oder Sterndeuter ist, er kann auf Erden nicht zu Gott kommen, es sei denn, er kniet vor der Krippe Betlehems nieder und betet ihn als den in der Schwäche eines Kindes Verborgenen an.

564 Durch seine Unterordnung unter Maria und Josef und seine schlichte Arbeit während der vielen Jahre in Nazaret gibt uns Jesus das Beispiel der Heiligkeit im Alltagsleben der Familie und der Arbeit.

565 Schon zu Beginn seines öffentlichen Lebens, bei seiner Taufe, ist Jesus der "Gottesknecht", der gänzlich dem Erlösungswerk geweiht ist, das sich in der "Taufe" seiner Passion vollenden wird.

566 Bei der Versuchung in der Wüste erweist sich Jesus als der demütige Messias, der durch seine völlige Treue zu dem vorn Vater gewollten Heilsplan über Satan siegt.

567 Durch Christus beginnt auf Erden das Himmelreich. Es "leuchtet im Wort, in den Werken und in der Gegenwart Christi den Menschen auf" (LG 5). Die Kirche ist der Keim und Anfang dieses Reiches. Dessen Schlüssel sind Petrus anvertraut.

568 Die Verklärung Christi will den Glauben der Apostel angesicht der kommenden Passion stärken. Der Aufstieg auf den "hohen Berg" bereitet auf den Aufstieg zum Kalvarienberg vor. Christus, das Haupt der Kirche, offenbart, was sein Leib enthält und in den Sakramenten ausstrahlt: "die Hoffnung auf Herrlichkeit" (KoI 1,27) (Vgl. Leo d. Gr. serm. 51,3).

569 Jesus ist freiwillig nach Jerusalem hinaufgezogen im Bewußtsein, daß er dort wegen des Widerstandes von seiten der Sünder (Vgl. He 12,3) eines gewaltsamen Todes sterben werde.

570 Der Einzug Jesu in Jerusalem bezeugt das Kommen des Gottesreiches. Der Messias-König, von den Kindern und den demütig gesinnten Menschen in seiner Stadt empfangen, wird es durch das Pascha seines Todes und seiner Auferstehung herbeiführen.







ARTIKEL 4 "JESUS CHRISTUS ... GELITTEN

UNTER PONTIUS PILATUS,

GEKREUZIGT, GESTORBEN UND BEGRABEN"




571 Das Pascha-Mysterium des Kreuzes und der Auferstehung Christi ist das Herz der Frohbotschaft, welche die Apostel und in ihrer Nachfolge die Kirche der Welt verkünden sollen. Im Erlösungstod seines Sohnes Jesus Christus ging der Heilsplan Gottes "ein für allemal" in Erfüllung (He 9,26) (Vgl. dazu auch CEC 1067).

572 Die Kirche bleibt der Auslegung "der gesamten Schrift" treu, die Jesus selbst vor und nach seinem Pascha gegeben hat: "Mußte nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?" (Lc 24,26) (Vgl. Lc 24,44-45). Die Leiden Christi erhielten ihre konkrete geschichtliche Gestalt dadurch, daß er "von den Ältesten den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen" wurde (Mc 8,31), die ihn "den Heiden übergaben, damit er verspottet, gegeißelt und gekreuzigt" werde (Mt 20,19) (Vgl. dazu auch CEC 599).

573 Um den Sinn der Erlösung tiefer zu erfassen, kann der Glaube versuchen, in die Umstände des Todes Jesu einzudringen, die durch die Evangelien treu überliefert (Vgl. DV 19) und durch weitere Geschichtsquellen erhellt werden (Vgl. dazu auch158).




ABSATZ 1 JESUS UND ISRAEL

574 Schon zu Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu kamen Pharisäer und Anhänger des Herodes mit Priestern und Schriftgelehrten überein, ihn umzubringen (Vgl. Mc 3,6). Manche seiner Taten (Dämonenaustreibungen (Vgl. Mt 12,24), Sündenvergebungen (Vgl. Mc 2,7), Heilungen am Sabbat (Vgl. Mc 3,1-6), eigenständige Auslegung der Reinheitsvorschriften des Gesetzes (Vgl. Mc 7,14-23), vertrauter Umgang mit Zöllnern und öffentlichen Sündern (Vgl. Mc 2,14-17)) erweckten bei einigen Übelgesinnten den Verdacht, er sei besessen (Vgl. Mc 3,22 Jn 8,48 Jn 10,20). Man warf ihm vor, er lästere Gott (Vgl. Mc 2,7 Jn 5,18 Jn 10,33) und sei ein falscher Prophet (Vgl. Jn 7,12 Jn 7,52) - zwei Verbrechen gegen die Religion, für die das Gesetz die Todesstrafe der Steinigung vorsah (Vgl. Jn 8,59 Jn 10,31) (Vgl. dazu auch CEC 530 CEC 591).

575 Für die religiösen Autoritäten Jerusalems, die das Johannesevangelium oft einfachhin als "die Juden" bezeichnet (Vgl. Jn 1,19 Jn 2,18 Jn 5,10 Jn 7,13 Jn 9,22 Jn 18,12 Jn 19,38 Jn 20,19), waren viele Worte und Taten Jesu somit ein "Zeichen, dem widersprochen wird" (Lc 2,34), noch mehr als für das gewöhnliche Gottesvolk (Vgl. Jn 7,48-49). Zwar waren die Beziehungen Jesu zu den Pharisäern nicht nur polemisch. So sind es Pharisäer, die ihn vor der ihm drohenden Gefahr warnen (Vgl. Lc 13,31). Jesus lobt einzelne von ihnen, z. B. den Schriftgelehrten in Mk 12,34, und ist wiederholt bei Pharisäern zu Gast (Vgl. Lc 7,36 Lc 14,1). Jesus bekräftigt Lehren, die von dieser religiösen Elite des Gottesvolkes geteilt werden: die Auferstehung der Toten (Vgl. Mt 22,23-34 Lc 20,39), die Frömmigkeitsformen (Almosengeben, Fasten und Gebet (Vgl. Mt 6,2-18)) und den Brauch, sich an Gott als den Vater zu wenden sowie die zentrale Stellung des Gebotes der Liebe zu Gott und zum Nächsten (Vgl. Mc 12,28-34) (Vgl. dazu auch CEC 993).

576 In den Augen vieler in Israel scheint Jesus gegen die wesentlichen Institutionen des auserwählten Volkes zu verstoßen:

- gegen den Gehorsam dem Gesetz gegenüber, in ausnahmslos allen schriftlich niedergelegten Geboten, und, für die Pharisäer, in der von der mündlichen Überlieferung gegebenen Auslegung;

- gegen die zentrale Stellung des Tempels von Jerusalem als des heiligen Ortes, der besonderen Wohnstätte Gottes;

- gegen den Glauben an den einzigen Gott, an dessen Herrlichkeit kein Mensch teilhaben kann.



I Jesus und das Gesetz

577 In der Bergpredigt nahm Jesus im Licht der Gnade des Neuen Bundes Stellung zum Gesetz, das beim ersten Bundesschluß am Sinai von Gott gegeben worden war. Er begann mit einer feierlichen Warnung (Vgl. dazu auch CEC 1965):

"Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich" (Mt 5,17-19) (Vgl. dazu auch CEC 1967).

578 Für Jesus, den Messias Israels, somit für den Größten im Himmelreich, geziemte es sich nach seinen eigenen Worten, das Gesetz in vollem Umfang, selbst die geringsten Gebote, zu erfüllen. Er ist sogar der einzige, der das vollkommen zu tun vermochte (Vgl. Jn 8,46). Wie die Juden selber zugaben, waren sie nie imstande, das Gesetz ganz zu erfüllen, ohne das geringste Gebot zu verletzen (Vgl. Jn 7,19 Ac 13,38-41 Ac 15,10). Darum bitten am jährlichen Versöhnungsfest die Kinder Israels Gott für ihre Gesetzesübertretungen um Vergebung. Das Gesetz bildet ja ein Ganzes, und, wie der hl. Jakobus in Erinnerung ruft: "Wer das ganze Gesetz hält und nur gegen ein einziges Gebot verstößt, der hat sich gegen alle verfehlt" (Jc 2,10)(Vgl. Ga 3,10 Ga 5,3) (Vgl. dazu auch CEC 1953).

579 Dieser Grundsatz, daß das Gesetz in vollem Umfang und zwar nicht nur dem Buchstaben sondern auch seinem Geiste nach zu halten sei, war den Pharisäern teuer. Indem sie ihn für Israel hervorhoben, brachten sie viele Juden der Zeit Jesu zu einem gewaltigen religiösen Eifer (Vgl. Rm 10,2). Sollte dieser Eifer nicht in eine "scheinheilige" Kasuistik (Vgl. Mt 15,3-7 Lc 11,39-54) ausarten, mußte er das Volk auf das unerhörte Eingreifen Gottes vorbereiten: daß nämlich der einzige Gerechte an Stelle aller Sünder das Gesetz vollkommen erfüllt (Vgl. Is 53,11 He 9,15).

580 Die vollkommene Erfüllung des Gesetzes konnte somit nur das Werk des göttlichen Gesetzgebers selbst sein, der in der Person des Sohnes als dem Gesetz unterstellt geboren wurde (Vgl. Ga 4,4). In Jesus erscheint das Gesetz nicht mehr auf Steintafeln geritzt, sondern in das "Herz" (Jr 31,33) des Gottesknechtes geschrieben. Dieser "bringt wirklich das Recht" (Is 42,3) und ist darum zum "Bund für das Volk" (Is 42,6) geworden. Jesus geht bei der Erfüllung des Gesetzes so weit, daß er sogar den "Fluch des Gesetzes" (Ga 3,13) auf sich nimmt, den jeder auf sich zieht, "der sich nicht an alles hält, was zu tun das Buch des Gesetzes vorschreibt" (Ga 3,10). Der Tod Christi hat so "die Erlösung von den im ersten Bund begangenen Übertretungen bewirkt" (He 9,15) (Vgl. dazu auch CEC 527).

581 Jesus galt den Juden und ihren geistigen Führern als ein "Rabbi" (Vgl. Jn 11,28 Jn 3,2 Mt 22,23-24,34-36). Er argumentierte oft im Rahmen der rabbinischen Gesetzesauslegung (Vgl. Mt 12,5 Mt 9,12 Mc 2,23-27 Lk 6,6-9;Joh Lc 7,22-23). Jesus mußte aber die Gesetzeslehrer unwillkürlich vor den Kopf stoßen, denn er bot seine Auslegung nicht bloß als einer von ihnen dar, sondern "lehrte ... wie einer, der (göttliche) Vollmacht hat, und nicht wie die Schriftgelehrten" (Mt 7,28-29). In ihm ist das gleiche Gotteswort, das am Sinai erklungen war, um Mose das schriftliche Gesetz zu geben, auf dem Berg der Seligpreisungen aufs neue zu vernehmen (Vgl. Mt 5,1). Jesus schafft das Gesetz nicht ab, sondern erfüllt es, indem er von Gott her dessen endgültige Auslegung bietet: "Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist ... Ich aber sage euch" (Mt 5,33-34). Mit der gleichen göttlichen Autorität stellt er gewisse "Überlieferungen der Menschen" (Mc 7,8) - das heißt die der Pharisäer - bloß, die "Gottes Wort außer Kraft" setzen (Mc 7,13) (Vgl. dazu auch CEC 2054).

582 Noch mehr: Das Gesetz über die Reinheit der Speisen, das im jüdischen Leben eine so große Rolle spielte, erfüllte Jesus, indem er dessen "erzieherischen" Sinn (Vgl. Ga 3,24) durch göttliche Auslegung offenbarte: "daß das, was von außen in den Menschen hineinkommt, ihn nicht unrein machen kann ... Damit erklärte Jesus alle Speisen für rein ... Was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken" (Mc 7,18-21). Jesus bot in göttlicher Autorität die endgültige Gesetzesinterpretation. Dabei stieß er auf den Widerstand gewisser Gesetzeslehrer, die seine Gesetzesauslegung nicht annahmen, obwohl sie durch begleitende göttliche Zeichen beglaubigt wurde (Vgl. Jn 5,36 Jn 10,25 Jn 10,37-38 Jn 12,37). Das gilt insbesondere auch von der Sabbatfrage: Jesus erinnert daran, oft mit rabbinischen Argumenten (Vgl. Mc 2,25-27 Jn 7,22-24), daß die Sabbatruhe weder durch den Dienst für Gott (Vgl. Mt 12,5 Nb 28,9) noch durch den Dienst am Nächsten (Vgl. Lc 13,15-16 Lc 14,3-4) - und darum auch nicht durch seine Heilungen - verletzt wird (Vgl. dazu auch CEC 368 CEC 548 CEC 2173).



II Jesus und der Tempel

583 Wie schon die Propheten vor ihm, erwies Jesus dem Tempel von Jerusalem tiefste Ehrfurcht. Vierzig Tage nach seiner Geburt wurde er darin von Josef und Maria Gott dargestellt (Vgl. Lc 2,22-39). Im Alter von zwölf Jahren entschloß er sich, im Tempel zu bleiben, um seine Eltern daran zu erinnern, daß er für die Sache seines Vaters da sei (Vgl. Lc 2,46-49). Während seines verborgenen Lebens begab er sich Jahr für Jahr wenigstens am Paschafest zum Tempel hinauf (Vgl. Lc 2,41). Sein öffentliches Wirken vollzog sich im Rhythmus seiner Pilgerfahrten nach Jerusalem zu den großen jüdischen Festen (Vgl. Jn 2,13-14 Jn 5,1 Jn 5,14 Jn 7,1 Jn 7,10 Jn 7,14 Jn 8,2 Jn 10,22-23) (Vgl. dazu auch CEC 529 CEC 534).

584 Jesus steigt zum Tempel hinauf als dem vorzüglichen Ort der Begegnung mit Gott. Der Tempel ist für ihn die Wohnung seines Vaters, ein Haus des Gebetes, und er empört sich darüber, daß dessen Vorhof zu einem Marktplatz gemacht wird (Vgl. Mt 21,13). Aus eifernder Liebe zu seinem Vater vertreibt er die Händler aus dem Tempel: "Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle! Seine Jünger erinnerten sich an das Wort der Schrift: ,Der Eifer für dein Haus verzehrt mich' (Ps 69,10)" (Jn 2,16-17). Nach seiner Auferstehung behielten die Apostel eine ehrerbietige Haltung zum Tempel bei (Vgl. z.B. Ac 2,46 Ac 3,1 Ac 5,20 Ac 5,21) (Vgl. dazu auch CEC 2599).

585 Vor seiner Passion kündigte Jesus jedoch die Zerstörung dieses herrlichen Gebäudes an, von dem kein Stein mehr auf dem anderen bleiben werde (Vgl. Mt 24,1-2). Darin liegt ein Zeichen der Endzeit, die mit seinem Pascha beginnt (Vgl. Mt 24,3 Lc 13,35). Diese Weissagung aber wurde bei seinem Verhör vor dem Hohenpriester von falschen Zeugen entstellt wiedergegeben (Vgl. Mc 14,57-58) und dann dem ans Kreuz Genagelten spöttisch entgegengehalten (Vgl. Mt 27,39-40).

586 Jesus legte seine Lehre zum großen Teil im Tempel dar (Vgl. Jn 18,20) und war diesem keineswegs feind (Vgl. Mt 8,4 Mt 23,21 Lc 17,14 Jn 4,22). Er war gewillt, die Tempelsteuer zu zahlen, und entrichtete sie auch für Petrus (Vgl. Mt 17,24-27), den er eben zum Grundstein seiner künftigen Kirche gemacht hatte (Vgl. Mt 16,18). Er identifizierte sich sogar mit dem Tempel, indem er sich selbst als die endgültige Wohnung Gottes unter den Menschen bezeichnete (Vgl. Jn 2,21 Mt 12,6). Darum kündigt die Hinrichtung seines Leibes (Vgl. Jn 2,18-22) die Zerstörung des Tempels an, mit der eine neue Epoche der Heilsgeschichte anbricht: "Die Stunde kommt, zu der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet" (Jn 4,21) (Vgl. Jn 4,23-24 Mt 27,51 He 9,11 Ap 21,22) (Vgl. dazu auch CEC 797 CEC 1179).



III Jesus und der Glaube Israels an den einzigen rettenden Gott

587 Das Gesetz und der Tempel von Jerusalem konnten also für die religiösen Autoritäten Israels Anlaß geben, Jesus zu "widersprechen" (Vgl. Lc 2,34). Der eigentliche Stein des Anstoßes (Vgl. Lc 20,17-18 Ps 118,22) war für sie jedoch seine Rolle in der Sündenvergebung, dem göttlichen Werk schlechthin.

588 Es war für die Pharisäer ein Skandal, daß Jesus mit Zöllnern und Sündern ebenso vertraut Mahl hielt (Vgl. Lc 5,30), wie mit ihnen selbst (Vgl. Lc 7,36 Lc 11,37 Lc 14,1). Gegenüber solchen, "die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten" (Lc 18,9) (Vgl. Jn 7,49 Jn 9,34), sagte Jesus: "Ich bin gekommen, um die Sünder zur Umkehr zu rufen, nicht die Gerechten" (Lc 5,32). Ja, er erklärte den Pharisäern gegenüber, alle seien in Sünde (Vgl. Jn 8,33-36), und wer sich nicht als heilsbedürftig ansehe, sei mit Blindheit geschlagen (Vgl. Jn 9,40-41) (Vgl. dazu auch CEC 545).

589 Vor allem aber erregte Jesus deswegen Anstoß, weil er sein barmherziges Verhalten zu den Sündern mit der Haltung Gottes diesen gegenüber gleichsetzte (Vgl. Mt 9,13 Os 6,6). Indem er sich mit Sündern zu Tische setzte (Vgl. Lc 15,1-2), gab er sogar zu verstehen, daß er sie zum messianischen Mahl zulasse (Vgl. Lc 15,23-32). Ganz besonders aber brachte er die religiösen Autoritäten Israels dadurch in Verlegenheit, daß er Sünden vergab. Fragten sie in ihrem Entsetzen nicht zurecht: "Wer kann Sünden vergeben außer dem einen Gott?" (Mc 2,7). Entweder lästert Jesus Gott, indem er Sünden vergibt, da er sich dann als Mensch Gott gleichsetzt (Vgl. Jn 5,18 Jn 10,33), oder er spricht die Wahrheit und seine Person vergegenwärtigt und offenbart den Namen Gottes (Vgl. Jn 17,6 Jn 17,26) (Vgl. dazu auch CEC 431 CEC 1441 CEC 432).

590 Einzig die göttliche Identität der Person Jesu kann einen so absoluten Anspruch rechtfertigen wie den folgenden: "Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich" (Mt 12,30), oder Aussagen wie: "Hier aber ist einer, der mehr ist als Jona ..., mehr ist als Salomo" (Mt 12,41-42), "größer ist als der Tempel" (Mt 12,6). Oder daß er es auf sich bezieht, wenn David den Messias seinen Herrn genannt hat (Vgl. Mt 12,36 Mt 12,37), oder behauptet: "Noch ehe Abraham wurde, bin ich" (Jn 8,58), und sogar: "Ich und der Vater sind eins" (Jn 10,30) (Vgl. dazu auch CEC 253).

591 Jesus hat die religiösen Autoritäten Jerusalems aufgefordert, an ihn zu glauben, weil er die Werke seines Vaters vollbringe (Vgl. Jn 10,36-38). Ein solcher Glaubensakt erfordert jedoch ein geheimnisvolles Sich-selbst-Absterben, um, durch die göttliche Gnade angezogen (Vgl. Jn 6,44), "von oben her geboren" zu werden (Jn 3,7). Eine solche Umkehrforderung zu stellen, obwohl die Verheißungen auf so unerwartete Weise in Erfüllung gehen sollten (Vgl. Is 53,1), macht verständlich, daß der Hohe Rat dem tragischen Irrtum erliegen konnte, Jesus sei ein Gotteslästerer und verdiene als solcher den Tod (Vgl. Mc 3,6 Mt 26,64-66). Seine Mitglieder handelten zugleich aus "Unwissenheit" (Vgl. Lc 23,34 Ac 3,17-18) und aus "Verstocktheit" (Mc 3,5 Rm 11,25) im "Unglauben" (Rm 11,20) (Vgl. dazu auch CEC 526 CEC 574).



KURZTEXTE



592 Jesus hat das Gesetz vom Sinai nicht abgeschafft, sondern erfüllt (Vgl. Mt 5,17-19) und zwar so vollkommen (Vgl. Jn 8,46), daß er dessen letzten Sinn enthüllt (Vgl. Mt 5,33) und von dessen Übertretungen freikauft (Vgl. He 9,15).

593 Jesus hat den Tempel verehrt: an den jüdischen Pilgerfesten suchte er ihn auf und er liebte diese Wohnung Gottes unter den Menschen mit eifersüchtiger Liebe. Der Tempel deutet im voraus sein Mysterium an. Wenn er dessen Zerstörung ankündigt, bekundet er darin seinen gewaltsamen Tod und den Eintritt in eine neue Epoche der Heilsgeschichte, in der sein Leib der endgültige Tempel sein wird.

594 Jesus hat Taten gesetzt - wie z. B. die Sündenvergebung -, die ihn als den rettenden Gott selbst offenbaren (Vgl. Jn 5,16-18). Gewisse Juden erkannten in ihm nicht den menschgewordenen Gott (Vgl. Jn 1,14), sondern sahen in ihm "einen Menschen", der sich "selbst zu Gott" macht (Jn 10 Jn 33). und verurteilten ihn als einen Gotteslästerer.






Katechismus KK 1997 541