Katechismus KK 1997 2616

Jesus erhört das Gebet

2616 Das an Jesus gerichtete Gebet wird schon während seines Wirkens von ihm erhört durch Zeichen, die die Wirkkraft seines Todes und seiner Auferstehung vorwegnehmen. Jesus erhört das gläubige Gebet, das in Worte gefaßt ist (die Bitten des Aussätzigen (Vgl. Mc 1,40-41), des Jaïrus (Vgl. Mc 5,36), der kanaanäischen Frau (Vgl. Mc 7,29) und des guten Schächers (Vgl. Lc 23,39-43)), aber auch unausgesprochene Bitten (die der Träger des Lahmen (Vgl. Mc 2,5); der blutflüssigen Frau, die sein Gewand berührt (Vgl. Mc 5,28); die Tränen und das Salböl der Sünderin (Vgl. Lc 7,37-38)). Die eindringliche Bitte der Blinden: "Hab Erbarmen mit uns, Sohn Davids!" (Mt 9,27); "Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!" (Mc 10,48) wurde in die Überlieferung des Jesusgebetes übernommen: "Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, hab Erbarmen mit mir Sünder!" Jesus erhört stets das Gebet, das ihn gläubig um die Heilung von Krankheiten oder die Vergebung der Sünden anfleht: "Geh im Frieden; dein Glaube hat dir geholfen." (Vgl. dazu auch CEC 548 CEC 2667)

Der hl. Augustinus faßt die drei Dimensionen des Betens Jesu großartig zusammen: "Er betet für uns als unser Priester; er betet in uns als unser Haupt; wir beten zu ihm als unserem Gott. Vernehmen wir also unsere Stimme in ihm, und seine Stimme in uns" (Psal. 85, 1) (Vgl. IGLH 7).



Das Gebet der Jungfrau Maria

2617 Das Gebet Marias wird uns beim Anbruch der Fülle der Zeiten geoffenbart. Vor der Menschwerdung des Sohnes Gottes und der Ausgießung des Heiligen Geistes wirkt ihr Gebet einzigartig am gnädigen Ratschluß des Vaters mit: für die Empfängnis Christi bei der Verkündigung (Vgl. Lc 1,38) und für die Entstehung der Kirche, des Leibes Christi, zu Pfingsten (Vgl. Ac 1,14). Im Glauben seiner demütigen Magd findet die Gabe Gottes die Aufnahme, auf die sie seit dem Anfang der Zeiten wartete. Vom Allmächtigen "mit Gnade erfüllt", antwortet Maria durch die Hingabe ihres ganzen Wesens: "Siehe ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort". Fiat! - das ist das christliche Gebet: ganz ihm gehören, weil er ganz uns gehört (Vgl. dazu auch CEC 148 CEC 494 CEC 490).

2618 Das Evangelium offenbart uns, wie Maria gläubig betet und Fürbitte einlegt: In Kana (Vgl. Jn 2,1-12) bittet die Mutter Jesu ihren Sohn um das Nötige für das Hochzeitsmahl. Dieses Mahl ist Zeichen eines anderen Mahles: jenes der Hochzeit des Lammes, in dem Christus auf die Bitte der Kirche als seiner Braut Leib und Blut hingibt. Zur Stunde des Neuen Bundes wird Maria zu Füßen des Kreuzes (Vgl. Jn 19,25-27) erhört. Denn sie ist die Frau, die neue Eva, die wahre "Mutter aller Lebendigen" (Vgl. dazu auch CEC 2674 CEC 726).

2619 Deshalb ist der Lobgesang Marias (Vgl. Lc 1,46-55) (lateinisch: "Magnificat", byzantinisch: "Megalinárion") zugleich das Loblied der Gottesmutter und der Kirche, der Lobgesang der Tochter Zion und des neuen Gottesvolkes. Er ist ein Danklied für die Fülle der Gnaden, die in der Heilsökonomie gespendet werden, ein Lied der "Armen", deren Hoffnung überreich erfüllt wird, gehen doch die Verheißungen in Erfüllung, die "Abraham und seinen Nachkommen auf ewig" gegeben worden sind (Vgl. dazu auch CEC 724).



KURZTEXTE



2620 Im Neuen Testament ist das Gebet Jesu, des Sohnes Gottes, das vollkommene Vorbild des Betens. Das Gebet Jesu - oft in Einsamkeit und im Verborgenen - besteht in der liebenden Zustimmung zum Willen des Vaters bis hin zum Kreuz und im absoluten Vertrauen, erhört zu werden.

2621 In seiner Unterweisung lehrt Jesus die Jünger, mit geläutertem Herzen, mit lebendigem und beharrlichem Glauben, sowie mit kindlicher Kühnheit zu beten. Er fordert sie zur Wachsamkeit auf und lädt sie ein, in seinem Namen Gott ihre Bitten vorzubringen. Jesus Christus selbst erhört die Gebete, die an ihn gerichtet werden.

2622 Das Gebet der Jungfrau Maria in ihrem "Fiat" und im "Magnificat" ist durch die großmütige Hingabe ihres ganzen Wesens im Glauben gekennzeichnet.




ARTIKEL 3 IN DER ZEIT DER KIRCHE



2623 Am Pfingsttag wurde der Geist der Verheißung über die Jünger ausgegossen. Sie "befanden sich alle am gleichen Ort" (Ac 2,1), "verharrten dort einmütig im Gebet" (Ac 1,14) und erwarteten den Heiligen Geist. Der Geist, der die Kirche lehrt und sie an alles erinnert, was Jesus gesagt hat (Vgl. Jn 14 Jn 26), wird sie auch zu einem Leben des Gebetes heranbilden (Vgl. dazu auch CEC 731).

2624 Die Gläubigen der ersten Gemeinde von Jerusalem "hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten" (Ac 2,42). Diese Reihenfolge ist bezeichnend: Das Gebet der Kirche gründet auf dem Glauben der Apostel, wird durch die Liebe beglaubigt und in der Eucharistie genährt (Vgl. dazu auch CEC 1342).

2625 Die Gläubigen halten sich zunächst an die Gebete, die sie in der Schrift hören und lesen. Sie beziehen diese jedoch auf die Gegenwart. Dies gilt insbesondere von den Psalmen, die ja in Christus erfüllt sind (Vgl. Lc 24,27 Lc 24,44). Der Heilige Geist, der seiner betenden Kirche Christus in Erinnerung ruft, führt sie auch in die ganze Wahrheit ein. Er regt an, das unergründliche Mysterium Christi, das im Leben, in den Sakramenten und in der Sendung der Kirche am Werk ist, neu in Worte zu fassen. Diese neuen Ausdrucksweisen entfalten sich in den großen liturgischen und geistlichen Überlieferungen. Die Gebetsformen, die in den kanonischen Schriften der Apostel weitergegeben werden, bleiben für das christliche Beten maßgebend (Vgl. dazu auch CEC 1092 CEC 1200).



I Segen und Anbetung

2626 Der Segen stellt die Grundbewegung des christlichen Betens dar: die Begegnung zwischen Gott und dem Menschen. Im Segen vereinen sich die Gabe Gottes und deren Annahme durch den Menschen im gegenseitigen Anruf. Das segnende Gebet ist Antwort des Menschen auf die Gaben Gottes. Weil Gott Segen spendet, kann das Herz des Menschen dafür den lobpreisen, der die Quelle allen Segens ist (Im Lateinischen hat das Wort "benedicere" die doppelte Bedeutung von "segnen" und preisen" (Anmerkung des Übersetzers)) (Vgl. dazu auch CEC 1078).

2627 Diese Bewegung hat im wesentlichen zwei Richtungen: Einerseits steigt sie - getragen vom Heiligen Geist - durch Christus zum Vater auf: wir preisen ihn, weil er uns gesegnet hat (Vgl. Ep 1,3-14 2Co 1,3-7,1 Petr 2Co 1,3-9). Andererseits fleht unser Gebet um die Gnade des Heiligen Geistes, die vom Vater durch Christus herabkommt: Gott segnet uns (Vgl. 2Co 13,13 Rm 15,5-6 Rm 15,13 Ep 6,23-24) (Vgl. dazu auch CEC 1083).

2628 Anbetung ist die erste Haltung des Menschen, der sich vor seinem Schöpfer als Geschöpf erkennt. Sie verherrlicht die Größe des Herrn, der uns geschaffen hat (Vgl. Ps 95,1-6), und die Allmacht des Retters, der uns vom Bösen befreit. In der Anbetung wirft sich der Geist vor dem "König der Herrlichkeit" (Ps 24,9-10) nieder und schweigt ehrfürchtig vor dem "je größeren Gott" (Augustinus, Psal. 62,16). Die Anbetung des dreimal heiligen und über alles zu liebenden Gottes erfüllt uns mit Demut und gibt unserem Bitten Zuversicht (Vgl. dazu auch CEC 2096-2097 CEC 2559).



II Bittgebet

2629 Bezeichnungen für die Bitte sind im Neuen Testament vielfältig: bitten, ersuchen, flehen, anrufen, schreien, laut schreien, ja sogar "im Gebet kämpfen" (Vgl. Rm 15,30 Col 4,12). Der gebräuchlichste und naheliegendste Ausdruck ist jedoch "bitten". Im Bittgebet spricht sich das Bewußtsein unserer Beziehung zu Gott aus. Wir sind Geschöpfe und darum weder unser eigener Ursprung, noch Herr über unsere Lage und sind auch nicht unser letztes Ziel. Als Sünder wissen wir Christen aber auch, daß wir uns immer wieder von unserem Vater abwenden. Die Bitte ist schon eine Rückkehr zu Gott (Vgl. dazu auch CEC 396).

2630 Das Neue Testament enthält kaum Klagegebete, wie sie im Alten Testament häufig vorkommen. Im auferstandenen Christus ist das Gebet der Kirche von Hoffnung getragen, auch wenn wir noch warten und uns Tag für Tag bekehren müssen. Das christliche Bitten entspringt einer größeren Tiefe. Der hl. Paulus nennt diesen Ursprungsort des Bittens Seufzen und meint damit die Schöpfung, die "seufzt und in Geburtswehen liegt" (Rm 8,22). Er meint auch uns, denn wir "seufzen in unserem Herzen und warten darauf, daß wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden. Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung" (Rm 8,23-24). Der hl. Paulus meint schließlich den Heiligen Geist, der für uns eintritt "mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können". Auf diese Weise nimmt sich "der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen" (Rm 8,26) (Vgl. dazu auch CEC 2090).

2631 Die Bitte um Vergebung ist die erste Regung des Bittgebetes. Sie findet sich etwa im Gebet des Zöllners: "Gott, sei mir Sünder gnädig!" (Lc 18,13). Sie ist die Voraussetzung zum rechtschaffenen und lauteren Beten. Vertrauensvolle Demut stellt uns wieder in das Licht der Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus und damit in die Gemeinschaft unter uns Menschen (Vgl. 1Jn 1,7-2,2). Dann "empfangen wir von ihm" all das, "was wir erbitten" (1Jn 3,22). Die Bitte um Vergebung muß der Eucharistiefeier und dem persönlichen Gebet vorausgehen (Vgl. dazu auch CEC 2838).

2632 Gemäß der Lehre Jesu steht im Mittelpunkt des christlichen Bittens das Verlangen und die Suche nach dem Reich Gottes (Vgl. Mt 6,10 Mt 6,33 Lc 11,2 Lc 11,13). Dabei gibt es eine Rangordnung der Bitten: Zuerst erbitten wir das Reich und dann alles, was uns notwendig ist, um es aufzunehmen und an seinem Kommen mitzuarbeiten. Dieses Mitwirken an der Sendung Christi und des Heiligen Geistes, die nun die Sendung der Kirche ist, ist Gegenstand des Betens der apostolischen Gemeinde (Vgl. Ac 6,6 Ac 13,3). Das Gebet des Apostels Paulus zeigt uns, wie die göttliche Sorge um alle Kirchen das christliche Gebet beseelen soll (Vgl. Rm 10,1 Ep 1,16-23 Ph 1,9-11 Col 1,3-6 Col 4,3-4 Col 4,12). Durch das Gebet arbeitet jeder Getaufte am Kommen des Reiches Gottes mit (Vgl. dazu auch CEC 2816 CEC 1942 CEC 2854).

2633 Wer so an der rettenden Liebe Gottes teilnimmt, begreift, daß jedes Bedürfnis Gegenstand des Bittens werden kann. Christus, der alles angenommen hat, um alles zu erlösen, wird durch die Bitten, die wir in seinem Namen dem Vater darbringen, verherrlicht (Vgl. Jn 14,13). Mit dieser Zuversicht ermahnen uns Jakobus (Vgl. Jc 1,5-8) und Paulus (Vgl. Ep 5,20 Ph 4,6-7 Col 3,16-17 1Th 5,17-18), jederzeit zu beten (Vgl. dazu auch CEC 2830).



III Fürbittgebet

2634 Die Fürbitte ist ein Bittgebet, das uns dem Beten Jesu gleichförmig macht. Er ist der einzige Fürsprecher beim Vater für alle Menschen, vor allem für die Sünder (Vgl. Rm 8,34 1Jn 2,1 1Tm 2,5-8). Er kann "die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten; denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten" (He 7,25). Der Heilige "Geist selber tritt ... für uns ein ... Er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein" (Rm 8,26-27) (Vgl. dazu auch CEC 432).

2635 Jedes Herz, das in die Barmherzigkeit Gottes miteinstimmt, tritt, seit Abraham, für die anderen ein und bittet für sie. In der Zeit der Kirche hat die Fürbitte der Christen an der Fürbitte Christi teil; sie ist Ausdruck der Gemeinschaft der Heiligen. In der Fürsprache achtet jeder Beter "nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das der anderen" (Ph 2,4) - ja, er betet sogar für die, die ihm Böses zufügen (Vgl. den hl. Stephanus, der wie Jesus für seine Peiniger gebetet hat: Ac 7,60 Lc 23,28 Lc 23,34) (Vgl. dazu auch CEC 2571 CEC 2577).

2636 Die ersten christlichen Gemeinden haben in dieser ständigen gegenseitigen Anteilnahme im Gebet gelebt (Vgl. Ac 12,5 Ac 20,36 Ac 21,5 2Co 9,14): Der hl. Apostel Paulus läßt sie auf diese Weise an seinem Dienst am Evangelium teilnehmen (Vgl. Ep 6,18-20 Col 4,3-1 Thess Col 5,25), tritt aber auch für sie ein (Vgl. 2Th 1,11 Col 1,3 Ph 1,3-4). Die Fürbitte der Christen kennt keine Grenzen: sie gilt "für alle Menschen, für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben" (1Tm 2,1-2). Die Christen beten auch für die Verfolger (Vgl. Rm 12,14) und um das Heil derer, die das Evangelium zurückweisen (Vgl. Rm 10,1) (Vgl. dazu auch CEC 1900 CEC 1037).





IV Dankgebet

2637 Die Danksagung kennzeichnet das Gebet der Kirche, die in der Eucharistiefeier bezeugt, was sie ist, und wird, was sie bezeugt. Denn Christus befreit durch sein Heilswerk die Schöpfung von Sünde und Tod, um sie erneut zu weihen und zum Vater zurückzuführen, ihm zur Ehre. Die Danksagung der Glieder des Leibes nimmt an der Danksagung ihres Hauptes teil (Vgl. dazu auch CEC 224 CEC 1328 CEC 2603).

2638 Jedes Ereignis und jedes Bedürfnis können Opfer des Dankes werden, so wie sie auch Gegenstand des Bittgebetes werden können. Die Briefe des hl. Paulus beginnen und enden oft mit einer Danksagung, in der stets auf Jesus Bezug genommen wird. "Dankt für alles, denn das will Gott von euch, die ihr Christus Jesus gehört" (1Th 5,18). "Laßt nicht nach im Beten; seid dabei wachsam und dankbar" (Col 4,2).



V Lobgebet

2639 Das Lob ist die Gebetsform, die am unmittelbarsten Gott anerkennt. Das Lob besingt Gott um seiner selbst willen. Es erweist ihm Ehre, nicht nur wegen seiner Taten, sondern weil er ist. Wer Gott lobt, hat teil an der Seligkeit der reinen Herzen: er liebt Gott im Glauben, ehe er ihn in der Herrlichkeit schaut. Durch das Lobgebet vereint sich der Heilige Geist mit unserem Geist, um zu bezeugen, daß wir Kinder Gottes sind (Vgl. Rm 8,16). Er legt Zeugnis ab für den eingeborenen Sohn, in dem wir an Kindes Statt angenommen sind und durch den wir den Vater verherrlichen. Das Lob enthält die anderen Formen des Gebetes und trägt sie zu ihrer Quelle und ihrem Ziel: den "einen Gott, den Vater. Von ihm stammt alles und wir leben auf ihn hin" (1Co 8,6) (Vgl. dazu auch CEC 213).

2640 Der hl. Lukas erwähnt in seinem Evangelium oft das Erstaunen und den Lobpreis, die durch die Wundertaten Christi ausgelöst werden. Staunen und Loben rufen auch die Taten der Apostel hervor, die letztlich Taten des Heiligen Geistes sind: so etwa die Bildung der Gemeinde von Jerusalem (Vgl. Ac 2,47) und die Heilung des Gelähmten durch Petrus und Johannes (Vgl. Ac 3 Ac 9). Die Menge verherrlicht Gott wegen dieser Heilung (Vgl. Ac 4,21). Als den Heiden von Pisidien die Botschaft gebracht wurde, "freuten sie sich und priesen das Wort des Herrn" (Ac 13,48).

2641 "Laßt in eurer Mitte Psalmen, Hymnen und Lieder erklingen, wie der Geist sie eingibt. Singt und jubelt aus vollem Herzen zum Lob des Herrn!" (Ep 5,19) (Vgl. Col 3,16). Wie die inspirierten Verfasser des Neuen Testamentes lesen auch die ersten Christengemeinden das Buch der Psalmen neu: mit diesen Liedern besingen sie das Mysterium Christi. Sie verfassen in der neuen Kraft des Geistes selbst Hymnen und Lobgesänge. Sie gehen dabei von dem einzigartigen Ereignis aus, das Gott in seinem Sohn vollbracht hat: der Menschwerdung, dem Tod, der den Tod besiegt hat, der Auferstehung und dem Aufstieg zur Rechten des Vaters (Vgl. Phil Ph 2,6-11 Col 1 Col 15-20 Ep 5,14 1Tm 3,16 1Tm 6,15-16 2Tm 2,11-13). Aus diesem "Wunder aller Wunder" der Heilsökonomie steigt die Doxologie, das Lob Gottes empor (Vgl. Ep 1,3-14 Rm 16,25-27 Ep 3,20-21 Jud 24-25) (Vgl. dazu auch CEC 2587).

2642 Die Offenbarung dessen, "was bald geschehen muß" (Ap 1,1), die Apokalypse, ist von den Gesängen der himmlischen Liturgie (Vgl. Ap 4,8-11 Ap 5,9-14 Ap 7,10-12) und von der Fürbitte der "Zeugen" (Märtyrer) (Vgl. Ap 6,9) getragen. Die Propheten und die Heiligen, alle, die wegen des Zeugnisses für Jesus auf Erden hingeschlachtet wurden (Vgl. Ap 18,24), die ungeheure Menge derer, die aus der großen Bedrängnis kamen, sind uns ins Reich vorausgegangen. Sie besingen die Herrlichkeit dessen, der auf dem Thron sitzt, und die des Lammes (Vgl. Ap 19,1-8). In Gemeinschaft mit ihnen singt auch die Kirche auf Erden diese Lobgesänge im Glauben und in der Prüfung. In Bitte und Fürbitte hofft der Glaube gegen alle Hoffnung und dankt dem "Vater der Gestirne", von dem "jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt" (Jc 1,17). Auf diese Weise wird der Glaube reines Lob (Vgl. dazu auch CEC 1137).

2643 Die Eucharistie enthält alle diese Gebetsformen und bringt sie zum Ausdruck: sie ist "die reine Opfergabe" des ganzen Leibes Christi "zur Ehre seines Namens" (Vgl. Mal Ml 1,11); sie ist den Überlieferungen des Ostens und des Westens zufolge "das Lobopfer" schlechthin (Vgl. dazu auch CEC 1330).




KURZTEXTE



2644 Der Heilige Geist, der die Kirche lehrt und sie an alles erinnert, was Jesus gesagt hat, erzieht sie auch zum Gebetsleben. Innerhalb der gleichbleibenden Formen des Segens, des Bittens, der Fürbitte, der Danksagung und des Lobes erweckt der Geist neue Ausdrucksweisen.

2645 Weil Gott das Herz des Menschen segnet, kann dieses seinerseits Gott segnen und preisen, der die Quelle allen Segens ist.

2646 Das Bittgebet hat die Vergebung, die Suche nach dem Reich Gottes sowie jedes echte Bedürfnis zum Gegenstand.

2647 Das fürbittende Gebet besteht im Bitten zugunsten anderer. Es kennt keine Grenze und erstreckt sich auch auf Feinde.

2648 Jede Freude und jede Not, jedes Ereignis und jedes Bedürfnis können. Inhalt der Danksagung sein, die an der Danksagung Christi teil hat und das ganze Leben erfüllen soll: "Dankt für alles" (1Th 5 1Th 18).

2649 Das ganz uneigennützige Lobgebet richtet sich auf Gott. Es preist ihn um seiner selbst willen; es verherrlicht ihn nicht nur wegen seiner Taten, sondern weil er ist.



ZWEITES KAPITEL


DIE ÜBERLIEFERUNG DES GEBETES



2650 Das Gebet beschränkt sich nicht auf den unwillkürlichen Ausbruch eines inneren Antriebs; Beten muß gewollt sein. Es genügt auch nicht, zu wissen, was die Schrift über das Gebet offenbart; Beten will gelernt sein. Darum lehrt der Heilige Geist die Kinder Gottes das Gebet in der "glaubenden und betenden Kirche" (DV 8) durch lebendige Weitergabe, die heilige Überlieferung (Vgl. dazu auch CEC 75).

2651 Die christliche Gebetstradition ist eine der Formen, in denen sich die Überlieferung des Glaubens entfaltet. Dies geschieht besonders durch das Studium und die Betrachtung der Gläubigen, die in ihrem Herzen die Ereignisse und Worte der Heilsökonomie bewahren und die geistlichen Wirklichkeiten, die sie erfahren haben, tief durchdringen (Vgl. DV 8) (Vgl. dazu auch CEC 94).



ARTIKEL 4 AN DEN QUELLEN DES GEBETES



2652 Der Heilige Geist ist "das lebendige Wasser", das im betenden Herzen "zur sprudelnden Quelle" wird, "deren Wasser ewiges Leben schenkt" (Jn 4,14). Er lehrt uns, an eben dieser Quelle Christus zu empfangen. Im christlichen Leben gibt es Quellen, an denen Christus uns erwartet, um uns mit dem Heiligen Geist zu tränken (Vgl. dazu auch CEC 694).



Das Wort Gottes

2653 Die Kirche ermahnt alle Christgläubigen "besonders eindringlich, durch häufige Lesung der göttlichen Schriften ,die überragende Erkenntnis Christi' zu erlangen". Sie sollen daran denken, "daß Gebet die Lesung der Heiligen Schrift begleiten muß, damit sie zu einem Gespräch zwischen Gott und Mensch werde; denn ,ihn reden wir an, wenn wir beten; ihn hören wir, wenn wir die göttlichen Aussagen lesen'" (Ambrosius, off. 1,88) (DV 25) (Vgl. dazu auch CEC 133 CEC 1100).

2654 Die Väter des geistlichen Lebens fassen in ihrer Deutung von Matthäus 7,7 die Haltungen des Herzens, das im Gebet vom Wort Gottes genährt wird, zusammen: "Wenn ihr lest, sucht, und ihr werdet im Nachsinnen finden; wenn ihr betet, klopft an, und es wird euch durch die Betrachtung geöffnet" (Vgl. Guigo der Karthäuser, scala).



Die Liturgie der Kirche

2655 Die Sendung Christi und des Heiligen Geistes, der in der sakramentalen Liturgie der Kirche das Heilsmysterium verkündigt, vergegenwärtigt und mitteilt, setzt sich im betenden Herzen fort. Die geistlichen Väter vergleichen zuweilen das Herz mit einem Altar. Das Gebet nimmt die Liturgie während und nach ihrer Feier in sich auf und eignet sie sich an. Selbst wenn das Gebet "im Verborgenen" geschieht (Mt 6,6), bleibt es Gebet der Kirche und Gemeinschaft mit der heiligsten Dreifaltigkeit (Vgl. IGLH 9) (Vgl. dazu auch CEC 1073 CEC 368).



Die göttlichen Tugenden

(Vgl. dazu auch CEC 1812-1829)

2656 Wir treten in das Gebet ein wie in die Liturgie: durch die enge Pforte des Glaubens.In den Zeichen der Gegenwart des Herrn suchen und ersehnen wir sein Angesicht. In ihnen wollen wir sein Wort hören und es bewahren.

2657 Der Heilige Geist lehrt uns, die Liturgie in Erwartung der Wiederkunft Christi zu feiern; so erzieht er uns zum Gebet in der Hoffnung. Das Gebet der Kirche und das persönliche Gebet stärken in uns die Hoffnung. Besonders die Psalmen mit ihrer konkreten und reichen Sprache lehren uns, unsere Hoffnung auf Gott zu setzen: "Ich hoffte, ja ich hoffte auf den Herrn. Da neigte er sich mir zu und hörte mein Schreien" (Ps 40,2). "Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes" (Rm 15,13).

2658 "Die Hoffnung aber läßt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist" (Rm 5,5). Das Gebet, das vom liturgischen Leben geformt ist, schöpft alles aus der Liebe, mit der wir in Christus geliebt sind. Sie läßt uns darauf antworten, indem wir lieben, wie er uns geliebt hat. Die Liebe ist die Quelle des Gebetes; wer aus ihr schöpft, erreicht den Höhepunkt des Betens (Vgl. dazu auch CEC 826):

"Ich liebe dich, mein Gott, und mein einziger Wunsch ist, dich bis zum letzten Atemzug meines Lebens zu lieben. Ich liebe dich, o du mein unendlich liebenswürdiger Gott, und ich möchte lieber in Liebe zu dir sterben, als ohne Liebe zu dir leben. Ich liebe dich, Herr, und die einzige Gnade, um die ich dich bitte, ist die, dich ewig lieben zu dürfen ... Mein Gott, wenn meine Zunge nicht in jedem Augenblick sagen kann, daß ich dich liebe, so will ich, daß mein Herz es dir so viele Male wiederholt, wie ich atme" (Jean Marie Baptiste Vianney, Gebet).



"Heute"

2659 Wenn wir das Wort des Herrn hören und an seinem Pascha-Mysterium teilnehmen, lernen wir zu bestimmten Zeiten beten. Doch sein Geist wird uns zu jeder Zeit, in den Ereignissen eines jeden Tages, als Quelle des Gebetes geschenkt. Die Unterweisung Jesu über das Beten zu unserem Vater und über die Vorsehung (Vgl. Mt 6,11 Mt 6,34) liegen auf der gleichen Linie: Die Zeit liegt in den Händen des Vaters; wir begegnen ihm in der Gegenwart, nicht gestern oder morgen, sondern heute: "Ach, würdet ihr doch heute auf seine Stimme hören! Verhärtet euer Herz nicht!" (Ps 95,7-8) (Vgl. dazu auch CEC 1165 CEC 2837 CEC 305).

2660 Eines der Geheimnisse des Reiches Gottes, die den "Kleinen", den Dienern Christi, den Armen der Seligpreisungen geoffenbart worden sind, ist es, in den Ereignissen jeden Tages und jeden Augenblickes zu beten. Es ist gut und richtig, dafür zu beten, daß das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens sich auf den Gang der Geschichte auswirkt; es ist ebenso wichtig, die schlichten und alltäglichen Situationen mit Hilfe des Gebetes zu durchdringen. Alle Gebetsformen können der Sauerteig sein, mit dem der Herr das Gottesreich vergleicht (Vgl. Lc 13,20-21) (Vgl. dazu auch CEC 2546 CEC 2632).





KURZTEXTE



2661 Durch eine lebendige Weitergabe, die Überlieferung, lehrt der Heilige Geist in der Kirche die Kinder Gottes beten.

2662 Das Wort Gottes, die Liturgie der Kirche, die Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe sind Quellen des Gebetes.





ARTIKEL 5 DER WEG DES GEBETES



2663 Jede Kirche bietet in der lebendigen Überlieferung des Gebetes dem geschichtlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld entsprechend ihren Gläubigen die Sprache des Betens in Worten, Gesängen, Gebetshaltungen und Bildern an. Das Lehramt (Vgl. DV 10) hat die treue Übereinstimmung dieser verschiedenen Wege des Betens mit dem überlieferten apostolischen Glauben zu beurteilen, und die Seelsorger und Katecheten haben deren Sinn zu erklären, der stets auf Christus bezogen ist (Vgl. dazu auch CEC 1201).



Gebet zum Vater

2664 Es gibt keinen anderen Weg christlichen Betens als Christus. Unser Gebet hat nur dann Zugang zum Vater, wenn wir "im Namen Jesu" beten, in Gemeinschaft oder allein, in gesprochener oder innerlicher Weise. Die heilige Menschheit Jesu ist der Weg, durch den der Heilige Geist uns zu Gott, unserem Vater, beten lehrt (Vgl. dazu auch CEC 2780).



Gebet zu Jesus

2665 Das Gebet der Kirche, das sich vom Wort Gottes und der Feier der Liturgie nährt, lehrt uns zu Jesus, unserem Herrn beten. Selbst wenn es sich vornehmlich an den Vater richtet, enthält es doch in allen liturgischen Überlieferungen Formen des Betens, die sich an Christus wenden. Manche im Gebet der Kirche aktualisierte Psalmen und das Neue Testament legen die Anrufungen dieses Betens zu Christus auf unsere Lippen und prägen sie in unsere Herzen ein (Vgl. dazu auch CEC 451):



Sohn Gottes

Wort Gottes

Unser Herr

Unser Heiland

Lamm Gottes

Unser König

Du vielgeliebter Sohn


Sohn der Jungfrau

Guter Hirt

Unser Leben

Unser Licht

Unsere Hoffnung

Unsere Auferstehung

Freund der Menschen ...




2666 Doch der Name, der alles enthält, ist der, den der Sohn Gottes bei seiner Menschwerdung erhält: Jesus. Der Name Gottes läßt sich von menschlichen Lippen nicht aussprechen (Vgl. Ex 3,14 Ex 33,19-23), aber das Wort Gottes offenbart ihn uns in der Menschwerdung; jetzt können wir ihn anrufen: "Jesus", "JHWH rettet" (Vgl. Mt 1,21). Der Name Jesu enthält alles: Gott und den Menschen und die ganze Ordnung der Schöpfung und Erlösung. "Jesus" beten heißt, ihn anrufen, ihn in uns rufen. Sein Name trägt als einziger Gottes Gegenwart in sich, die er bedeutet. Jesus ist auferstanden, und wer immer seinen Namen anruft, empfängt den Sohn Gottes, der ihn geliebt und sich für ihn hingegeben hat (Vgl. Rm 10,13 Ac 2,21 Ac 3,15-16 Ga 2,20) (Vgl. dazu auch CEC 432 CEC 435).

2667 Diese äußerst einfache Anrufung aus dem Glauben wurde in der Überlieferung des Gebetes des Ostens und des Westen in mancherlei Formen entfaltet. Die häufigste Fassung, die durch die geistlichen Väter auf dem Sinai, in Syrien und auf dem Berge Athos weitergegeben wurde, ist die Anrufung: "Jesus Christus, Sohn Gottes, Herr, hab Erbarmen mit uns Sündern!" Sie verbindet den christusbezogenen Hymnus aus dem Brief an die Gemeinde in Philippi (Ph 2,6-11) mit der Bitte des Zöllners und der Blinden (Vgl. Mc 10,46-52 Lc 18,13). Durch sie wird das Herz auf das Elend der Menschen und die Barmherzigkeit ihres Retters eingestimmt (Vgl. dazu auch CEC 2616).

2668 Die Anrufung des Namens Jesu ist der einfachste Weg des ständigen Betens. Von einem demütig aufmerksamen Herzen oft wiederholt, verliert sich dieses Gebet nicht in "vielen Worten" (Mt 6,7), sondern bewahrt das Wort und bringt in Ausdauer Frucht (Vgl. Lc 8,15). Es ist "allzeit" möglich, denn zu beten ist nicht eine Beschäftigung neben anderen, sondern die einzigartige Beschäftigung, Gott zu lieben, die in Christus Jesus alles Tun beseelt und verklärt (Vgl. dazu auch CEC 435).

2669 Das Gebet der Kirche ehrt und verehrt das Herz Jesu, wie es seinen heiligsten Namen anruft. Die Kirche betet das menschgewordene Wort und sein Herz an, das sich aus Liebe zu den Menschen von unseren Sünden durchbohren ließ. Das christliche Beten folgt im Kreuzweg gern dem Erlöser nach. Die Stationen vom Prätorium bis Golgota und bis zum Grab kennzeichnen den Weg Jesu, der durch sein heiliges Kreuz die Welt erlöst hat (Vgl. dazu auch CEC 478 CEC 1674).



"Komm, Heiliger Geist!"

2670 "Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet" (1Co 12,3). Jedesmal, wenn wir beginnen zu Jesus zu beten, lockt uns der Heilige Geist durch seine zuvorkommende Gnade auf den Weg des Betens. Er lehrt uns beten, indem er uns an Christus erinnert; wie sollten wir dann nicht auch zu ihm selbst beten? Deshalb lädt uns die Kirche ein, jeden Tag um den Heiligen Geist zu flehen, besonders zu Beginn und am Ende jeder wichtigen Tätigkeit (Vgl. dazu auch CEC 683 CEC 2001 CEC 1310):

"Wenn der Geist nicht angebetet werden soll, wie vergöttlicht er mich dann durch die Taufe? Und wenn er angebetet werden soll, muß er dann nicht Gegenstand einer besonderen Verehrung sein?" (Gregor v. Nazianz, or. theol. 5,28).

2671 Die übliche Form der Bitte um den Geist besteht in der Anrufung des Vaters durch Christus, unseren Herrn, uns den Tröstergeist zu geben (Vgl. Lc 11,13). Als Jesus den Geist der Wahrheit verheißt (Vgl. Jn 14,17 Jn 15,26 Jn 16,13), betont er die Notwendigkeit, in seinem Namen um den Geist zu bitten. Ebenfalls üblich ist das einfachste und unmittelbarste Gebet: "Komm, Heiliger Geist!". Jede liturgische Überlieferung entfaltet es in ihren Antiphonen und Hymnen:

"Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen, und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe!" (Vgl. die Pfingstsequenz).

"Himmlischer König, Geist des Trostes, Geist der Wahrheit, allgegenwärtig und alles erfüllend, Schatz alles Guten und Quell des Lebens, komm, wohne in uns, läutere und rette uns, du, der du gut bist" (Byzantinische Liturgie, Tropar der Pfingstvesper).

2672 Der Heilige Geist, dessen Salbung unser ganzes Wesen erfüllt, ist der innere Lehrmeister des christlichen Betens. Er ist der Urheber der lebendigen Überlieferung des Gebetes. Es lassen sich wohl ebensoviele Wege des Betens finden, wie es betende Menschen gibt, doch wirkt in allen und mit allen der gleiche Geist. In der Gemeinschaft des Heiligen Geistes ist das christliche Beten Gebet in der Kirche (Vgl. dazu auch CEC 695).



In Gemeinschaft mit der heiligen Gottesmutter

2673 Im Gebet vereint uns der Heilige Geist mit der Person des eingeborenen Sohnes in dessen verherrlichter Menschennatur. Durch diese und in ihr ist unser Gebet als Söhne Gottes in der Kirche mit der Mutter Jesu vereint (Vgl. Ac 1,14) (Vgl. dazu auch CEC 689).

2674 Seit ihrer Zustimmung, die sie bei der Verkündigung gläubig gab und an der sie unter dem Kreuz ohne Zögern festhielt, erstreckt sich die Mutterschaft Marias fortan auf die Brüder und Schwestern ihres Sohnes, "die noch auf der Pilgerschaft sind und in Gefahren und Bedrängnissen weilen" (LG 62). Jesus, der einzige Mittler, ist der Weg unseres Gebetes. Maria, seine und unsere Mutter, verstellt ihn nicht. Sie ist vielmehr nach der herkömmlichen bildlichen Darstellung im Osten und Westen "Wegweiserin" (Hodegetria) und "Wegzeichen" Christi (Vgl. dazu auch CEC 494).

2675 Ausgehend von dieser einzigartigen Mitwirkung Marias am Wirken des Heiligen Geistes haben die Kirchen das Gebet zur heiligen Mutter Gottes entfaltet. Sie richteten dieses Gebet ganz auf Christus aus, wie er sich in seinen Mysterien zeigt. In den unzähligen Hymnen und Antiphonen, die dieses Gebet ausdrücken, wechseln einander für gewöhnlich zwei Bewegungen ab: Die eine preist den Herrn für die "großen Dinge", die er an seiner demütigen Magd, und durch sie für alle Menschen, getan hat (Vgl. Lc 1,46-55); die andere vertraut der Mutter Jesu die Bitten und das Lob der Kinder Gottes an, weil sie die menschliche Natur kennt, mit der sich der Sohn Gottes in ihr vermählt hat (Vgl. dazu auch CEC 970 CEC 512 CEC 2619).

2676 Diese doppelte Bewegung des Gebetes zu Maria hat im "Ave Maria" einen herrlichen Ausdruck gefunden:

Gegrüßt seist du, Maria. Wörtlich: "Freue dich, Maria". Der Gruß des Engels Gabriel eröffnet das Ave. Gott selbst grüßt Maria durch seinen Engel. Unser Gebet wagt den Gruß an Maria aufzunehmen, indem es wie Gott auf die niedrige Magd schaut (Vgl.
Lc 1,48), und an der Freude, die Gott an Maria hat (Vgl. So 3,17), teilzunehmen (Vgl. dazu auch CEC 722).

Du bist voll der Gnade; der Herr ist mit dir. Die beiden Teile des Engelsgrußes erhellen sich gegenseitig. Maria ist voll der Gnade, weil der Herr mit ihr ist. Die Gnade, die sie ganz erfüllt, ist die Gegenwart dessen, der die Quelle aller Gnaden ist. "Freu dich, und frohlocke von ganzem Herzen, Tochter Jerusalem! ... Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte" (So 3,14 So 3,17). Maria, in der der Herr selbst Wohnung nimmt, ist in Person die Tochter Zion, die Bundeslade und der Ort, wo die Herrlichkeit des Herrn thront. Sie ist "die Wohnung Gottes unter den Menschen" (Ap 21,3). "Voll der Gnade" ist Maria gänzlich dem hingegeben, der in ihr Wohnung nimmt und den sie der Welt geben wird (Vgl. dazu auch CEC 490).

Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Nach dem Gruß des Engels machen wir uns die Anrede Elisabets zu eigen. "Vom Heiligen Geist erfüllt" (Lc 1,41) ist Elisabet die Erste einer langen Reihe von Geschlechtern, die Maria selig preisen (Vgl. Lc 1,48): "Selig ist die, die geglaubt hat" (Lc 1,45). Maria ist "gesegnet ... mehr als alle anderen Frauen" (Lc 1,42), weil sie geglaubt hat, daß das Wort des Herrn in Erfüllung gehen wird. Aufgrund des Glaubens konnten durch Abraham "alle Geschlechter der Erde Segen erlangen" (Gn 12,2-3). Aufgrund des Glaubens ist Maria zur Mutter der Glaubenden geworden. Ihr verdanken alle Geschlechter der Erde, daß sie den, der der Segen Gottes selbst ist, empfangen dürfen: "Jesus, die gebenedeite Frucht deines Leibes" (Vgl. dazu auch CEC 435 CEC 146).

2677 Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns ... Mit Elisabet staunen wir: "Wer hin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?" (Lc 1,43). Weil Maria uns ihren Sohn Jesus gibt, ist sie, die Mutter Gottes, auch unsere Mutter. Wir können ihr alle unsere Sorgen und Bitten anvertrauen. Sie betet für uns, wie sie für sich selbst gebetet hat: "Mir geschehe nach deinem Wort" (Lc 1,38). Wenn wir uns ihrem Gebet anvertrauen, überlassen wir uns mit ihr dem Willen Gottes: "Dein Wille geschehe!" (Vgl. dazu auch CEC 495)

Bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Wenn wir Maria bitten, für uns zu beten, bekennen wir uns als arme Sünder und wenden uns an die "Mutter der Barmherzigkeit", an die ganz Heilige. Wir vertrauen uns ihr "jetzt" an, im Heute unseres Lebens. Und unser Vertrauen weitet sich, so daß wir ihr jetzt schon "die Stunde unseres Todes" anvertrauen. Möge sie dann zugegen sein, wie beim Tod ihres Sohnes am Kreuz, und uns in der Stunde unseres Hinübergangs als unsere Mutter aufnehmen (Vgl. Jn 19,27), um uns zu ihrem Sohn Jesus in das Paradies zu geleiten. (Vgl. dazu auch CEC 1020)

2678 In der mittelalterlichen Frömmigkeit des Westens entstand das Gebet des Rosenkranzes als volkstümlicher Ersatz für das Stundengebet. Im Osten haben die Litaneien des Akáthistos und der Paráklisis mehr Ähnlichkeit mit dem Chorgebet in den byzantinischen Kirchen bewahrt, während die armenische, die koptische und syrische Überlieferung Hymnen und Volkslieder zur Mutter Gottes bevorzugt haben. Doch die Überlieferung des Gebetes ist im Ave Maria, in den Theotokia, den Hymnen des hl. Ephrem und des hl. Gregor von Narek im Grunde die gleiche geblieben (Vgl. dazu auch CEC 971 CEC 1674).

2679 Maria ist die vollkommene Orante und das Bild der Kirche. Wenn wir zu ihr beten, stimmen wir mit ihr in den Ratschluß des Vaters ein, der seinen Sohn sendet, um alle Menschen zu retten. Wie der Jünger, den Jesus geliebt hat, nehmen wir die Mutter Jesu, die zur Mutter aller Lebendigen geworden ist, bei uns auf (Vgl. Jn 19,27). Wir können mit ihr beten und sie bitten. Das Gebet der Kirche ist durch das Gebet Marias wie getragen; es ist mit Maria in der Hoffnung vereint (Vgl. LG 68-69) (Vgl. dazu auch CEC 1368 CEC 967 CEC 972).





KURZTEXTE



2680 Das Gebet ist vor allem an den Vater gerichtet und ebenso an Jesus, besonders durch die Anrufung seines heiligen Namens: "Jesus Christus, Sohn Gottes, Herr, hab Erbarmen mit uns Sündern!"

2681 "Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet" (1Co 12,3). Die Kirche lädt uns ein, den Heiligen Geist als den inneren Lehrmeister des christlichen Betens anzurufen.

2682 Aufgrund der einzigartigen Mitwirkung der Jungfrau Maria am Handeln des Heiligen Geistes betet die Kirche gern in Gemeinschaft mit ihr, um mit ihr die großen Dinge zu preisen, die Gott an ihr getan hat und um Maria Bitten und Lobpreisungen anzuvertrauen.






Katechismus KK 1997 2616