Katechismus KK 1997 2746

DAS HOHEPRIESTERLICHE GEBET JESU


2746 Da seine Stunde gekommen ist, betet Jesus zum Vater (Vgl. Jn 17). Sein Gebet ist das längste, das im Evangelium weitergegeben wird, es umfaßt die ganze Ökonomie der Schöpfung und des Heiles wie auch Tod und Auferstehung Jesu. Das Gebet der Stunde Jesu bleibt immer sein Beten, so wie sein "ein für allemal" geschehenes Pascha in der Liturgie seiner Kirche gegenwärtig bleibt (Vgl. dazu auch CEC 1085).

2747 Die christliche Überlieferung nennt es mit Recht das "hohepriesterliche" Gebet Jesu. Es ist das Gebet unseres Hohenpriesters; es läßt sich nicht von seinem Opfer trennen, von seinem "Gehen zum Vater" (Pascha), durch das er dem Vater ganz "geweiht" wird (Vgl. Jn 17,11 Jn 17,13 Jn 17,19).

2748 In diesem österlichen Opfergebet wird in Jesus alles unter ein Haupt zusammengefaßt (Vgl. Ep 1,10): Gott und die Welt; das Wort und das Fleisch; das ewige Leben und die Zeit; die Liebe, die sich hingibt und die Sünde, welche die Liebe verrät; die Jünger, die anwesend sind, und die Menschen, die auf deren Wort hin an ihn glauben werden; die Erniedrigung und die Erhöhung. Es ist das Gebet der Einheit (Vgl. dazu auch CEC 518 CEC 820).

2749 Jesus hat das Werk des Vaters ganz erfüllt, und wie sein Opfer währt auch sein Gebet bis zum Ende der Zeit. Das Gebet der Stunde erfüllt die letzten Zeiten und bringt sie ihrer Vollendung entgegen. Jesus ist der Sohn, dem der Vater alles gegeben hat und der sich ganz dem Vater überantwortet hat. Zugleich spricht er mit einer erhabenen Freiheit (Vgl. Jn 17,11 Jn 17,13 Jn 17,19 Jn 17,24), die aus der Macht kommt, die der Vater ihm über alles Fleisch gegeben hat. Der Sohn, der sich zum Diener gemacht hat, ist der Herr, der Pantokrator (Allherrscher). Unser Hoherpriester, der für uns betet, ist auch der, der in uns betet; er ist der Gott, der uns erhört (Vgl. dazu auch CEC 2616).

2750 Wenn wir in den heiligen Namen Jesu, des Herrn, eindringen, können wir das Vaterunser, das Gebet, das er uns lehrt, von innen her empfangen. Sein priesterliches Gebet erfüllt die großen Bitten des Vaterunsers von innen her mit Geist: die Sorge um den Namen des Vaters (Vgl. Jn 17,6 Jn 17,11 Jn 17,12 Jn 17,26), die Leidenschaft für sein Reich und seine Herrlichkeit (Vgl. Jn 17,1 Jn 17,5 Jn 17,10 Jn 17,23-26), die Erfüllung des Willens des Vaters, seines Heilsratschlusses (Vgl. Jn 17,2 Jn 17,4 Jn 17,6 Jn 17,9 Jn 17,11 Jn 17,12 Jn 17,24) und die Befreiung vom Bösen (Vgl. Jn 17,15) (Vgl. dazu auch CEC 2815).

2751 In diesem Gebet offenbart und schenkt uns Jesus eine untrennbare "Erkenntnis" des Vaters und des Sohnes (Vgl. Jn 17,3 Jn 17,6-10 Jn 17,25). Diese Erkenntnis ist das Geheimnis des Gebetslebens (Vgl. dazu auch CEC 240).



KURZTEXTE



2752 Das Gebet setzt ein Mühen und einen Kampf gegen uns selbst und gegen die List des Versuchers voraus. Der Kampf des Gebetes ist nicht vom geistlichen Kampf zu trennen, der notwendig ist, um mit innerer Beständigkeit aus dem Geiste Christi zu handeln. Wir beten, wie wir leben, weil wir leben, wie wir beten.

2753 Im Kampf des Gebetes müssen wir uns falschen Vorstellungen, verschiedenen gängigen Geisteshaltungen und der Erfahrung unseres Scheiterns stellen. Es ist angebracht, diesen Versuchungen, die den Nutzen oder die Möglichkeit des Betens in Zweifel ziehen, mit Demut, Vertrauen und Ausdauer zu widerstehen.

2754 Die Hauptschwierigkeiten im Gebetleben sind Zerstreuung und Trockenheit. Glaube, Umkehr und Wachsamkeit des Herzens sind die Heilmittel dagegen.

2755 Zwei häufige Versuchungen bedrohen das Gebet: der Mangel an Glauben und der Überdruß an geistlichen Dingen, eine Art Depression, die durch das Nachlassen in der Askese ausgelöst wird und zur Entmutigung führt.

2756 Das kindliche Vertrauen wird auf die Probe gestellt, wenn wir das Gefühl haben, nicht immer erhört zu werden. Das Evangelium lädt ein, uns zu fragen, ob unser Gebet dem Verlangen des Geistes entspricht.

2757 "Betet ohne Unterlaß!" (1Th 5 1Th 17) Beten ist immer möglich, es ist lebensnotwendig. Gebet und christliches Leben lassen sich nicht trennen.

2758 Das Gebet der Stunde Jesu (Vgl. Jn 17), das zu Recht das "hohepriesterliche Gebet" genannt wird, faßt die ganze Ökonomie der Schöpfung und des Heiles zusammen. Sein Geist erfüllt die großen Bitten des Vaterunsers.





ZWEITER ABSCHNITT

DAS GEBET DES HERRN:

"VATER UNSER!"




2759 "Jesus betete einmal an einem Ort; und als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie schon Johannes seine Jünger beten gelehrt hat" (Lc 11,1). Als Antwort auf diese Bitte vertraut Jesus seinen Jüngern und seiner Kirche das christliche Grundgebet an. Der hl. Lukas gibt eine kurze Fassung mit fünf Bitten (Vgl. Lc 11,2-4), der hl. Matthäus eine ausführlichere mit sieben Bitten (Vgl. Mt 6,9-13). Die liturgische Überlieferung der Kirche hat die Fassung des hl. Matthäus beibehalten.

Vater unser im Himmel,

geheiligt werde dein Name,

dein Reich komme,

dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

2760 Sehr früh hat die Liturgie das Gebet des Herrn mit einer Doxologie abgeschlossen. In der Didaché (8,2) lautet sie: "Denn dein ist die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit". Die Apostolischen Konstitutionen (7,24,1) fügen am Anfang hinzu: "das Reich". Diese Formulierung findet sich heute in der ökumenischen Fassung. Die byzantinische Tradition fügt nach "Herrlichkeit" "Vater, Sohn und Heiliger Geist" hinzu. Das römische Meßbuch führt die letzte Bitte (Vgl. MR, Embolismus) weiter in ausdrücklichem Warten auf "die selige Hoffnung" (Tt 2,13) und auf das Kommen Jesu Christi, unseres Herrn. Darauf folgt die Akklamation der Gemeinde, in der die Doxologie der Apostolischen Konstitutionen aufgenommen wird (Vgl. dazu auch CEC 2855 CEC 2854).




ARTIKEL 1 "DIE ZUSAMMENFASSUNG DES GANZEN EVANGELIUMS"

2761 "Das Gebet des Herrn ist die Zusammenfassung des ganzen Evangeliums" (Tertullian, or. 1). "Als der Herr uns diese Gebetsformel vermacht hatte, fügte er hinzu: ,Bittet, dann wird euch gegeben' (Lc 11,9). Jeder kann also seinen Bedürfnissen entsprechend verschiedene Gebete an den Himmel richten; er soll jedoch stets mit dem Gebet des Herrn beginnen, welches das Grundgebet bleibt" (Tertullian, or. 10).



I In der Mitte der Schrift

2762 Nachdem der hl. Augustinus festgestellt hat, daß die Psalmen die Hauptnahrung des christlichen Betens sind und in die Bitten des Vaterunsers einfließen, hält er fest:

"Geht sämtliche Gebete durch, die sich in der Schrift finden. Meines Erachtens könnt ihr darin nichts finden, was nicht im Gebet des Herrn enthalten wäre" (
Ep 130, 12, 22).

2763 Alle Schriften des Alten Testamentes (das Gesetz, die Propheten und die Psalmen) sind in Jesus Christus in Erfüllung gegangen (Vgl. Lc 24,44). Das Evangelium ist diese frohe Botschaft. Seine erste Verkündigung wird vom hl. Matthäus in der Bergpredigt zusammengefaßt (Vgl. Mt 5-7). Das Gebet zu unserem Vater steht in der Mitte dieser Verkündigung. Dieser Zusammenhang verdeutlicht jede Bitte des uns vom Herrn übergebenen Gebetes (Vgl. dazu auch CEC 102):

"Das Gebet des Herrn ist das vollkommenste ... In ihm wird nicht nur um alles gebeten, wonach wir in richtiger Weise verlangen können, sondern auch in derjenigen Reihenfolge, in der wir danach verlangen sollen; so lehrt uns dieses Gebet nicht bloß bitten, sondern formt auch unser ganzes Gemüt" (Thomas v. A., s. th. II-II 83,9) (Vgl. dazu auch CEC 2541).

2764 Die Bergpredigt ist Lebenslehre, das Vaterunser ist Gebet; in beiden formt der Geist des Herrn unser Verlangen, das heißt unsere inneren Regungen. Jesus leitet uns mit seinen Worten zu diesem neuen Leben an und lehrt uns, im Gebet darum zu bitten. Von der Richtigkeit unseres Betens hängt die Richtigkeit unseres Lebens in Christus ab (Vgl. dazu auch CEC 1965 CEC 1969).



II "Das Gebet des Herrn"

2765 Der überlieferte Ausdruck "Herrengebet" oder "Gebet des Herrn" bedeutet, daß Jesus, unser Herr, uns das Gebet zu unserem Vater gelehrt hat. Dieses von Jesus stammende Gebet ist wahrhaft einzigartig: es ist "vom Herrn". Zum einen gibt der eingeborene Sohn in den Worten dieses Gebetes uns die Worte, die der Vater ihm gegeben hat (Vgl. Jn 17,7): er ist der Lehrer unseres Betens. Zum andern kennt er als fleischgewordenes Wort in seinem Menschenherzen die Bedürfnisse seiner menschlichen Brüder und Schwestern und offenbart sie uns: er ist das Vorbild unseres Betens (Vgl. dazu auch CEC 2701).

2766 Doch Jesus hinterläßt uns nicht eine mechanisch zu wiederholende Formel (Vgl. Mt 6,7 1R 18,26-29). Im Herrengebet lehrt der Heilige Geist die Kinder Gottes durch das Wort Gottes zu ihrem Vater beten, wie dies bei jedem gesprochenen Gebet der Fall ist. Jesus gibt uns nicht nur die Worte zu unserem kindlichen Gebet, sondern gleichzeitig den Geist, durch den sie in uns "Geist ... und Leben" (Jn 6,63) werden. Der Vater sandte aber auch "den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater" (Ga 4,6). Dies ist der Beweis und gleichzeitig die Möglichkeit unseres Gebetes als Kinder. Unser Gebet legt Gott unser Verlangen dar. Darum weiß der Vater, "der die Herzen erforscht ... was die Absicht des Geistes ist: Er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein" (Rm 8,27). Auf diese Weise gehört das Gebet zu unserem Vater zum Mysterium der Sendung des Sohnes und des (Vgl. dazu auch CEC 690).



III Das Gebet der Kirche

2767 Seit ihrem Anfang empfängt die Kirche die untrennbar verbundene Gabe der Worte des Herrn und des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist gibt den Worten des Herrn im Herzen der Gläubigen Leben. Die ersten Gemeinden beteten das Gebet des Herrn "dreimal am Tag" (Didaché 8,3) anstelle der "achtzehn Preisungen", die in der jüdischen Liturgie üblich waren.

2768 Der apostolischen Überlieferung entsprechend ist das Gebet des Herrn seinem Wesen nach in der Liturgie verwurzelt.

"Der Herr lehrt uns, gemeinsam für unsere Brüder zu beten. Denn er sagt nicht: ,Mein Vater' im Himmel, sondern: ,Vater unser', damit unser Gebet wie aus einer Seele für den ganzen Leib der Kirche eintrete" (Johannes Chrysostomus, hom. in
Mt 19,4).

In allen liturgischen Überlieferungen ist das Gebet des Herrn ein wesentlicher Bestandteil der großen Horen des Stundengebetes. Vor allem aber tritt sein kirchlicher Charakter in den drei Sakramenten der christlichen Initiation zutage:

2769 Die Übergabe (traditio) des Herrengebetes bei der Taufe und der Firmung ist ein Zeichen der Wiedergeburt im göttlichen Leben. Das christliche Gebet bedeutet Reden zu Gott mit Gottes Wort. So lernen jene, die "neu geboren" wurden "aus Gottes Wort, das lebt" (1P 1,23), mit dem einzigen Wort, das ihr Vater stets erhört, ihn anzurufen. Und das können sie fortan, da das Siegel der Salbung mit dem Heiligen Geist unauslöschlich eingeprägt ist in ihrem Herzen, in ihren Ohren, auf ihren Lippen, in ihrem ganzen Sein als Söhne Gottes. Deshalb richten sich die meisten Kommentare der Kirchenväter zum Vaterunser an Katechumenen und Täuflinge. Wenn die Kirche mit den Worten des Herrn betet, ist es immer das "wiedergeborene" Volk, das betet und Barmherzigkeit erlangt (Vgl. 1P 2,1-10) (Vgl. dazu auch CEC 1243).

2770 In der Eucharistiefeier stellt das Herrengebet das Gebet der ganzen Kirche dar. Hier offenbart sich sein voller Sinn und seine Wirkkraft. Eingefügt zwischen Hochgebet (Anaphora) und Kommunionspendung faßt es einerseits alle Bitten und Fürbitten, die in der Epiklese geäußert werden, zusammen, andererseits bittet es um Einlaß zum himmlischen Hochzeitsmahl, welches in der sakramentalen Kommunion vorweggenommen wird (Vgl. dazu auch CEC 1350).

2771 In der Eucharistie bezeugt das Herrengebet auch die endzeitliche Eigenart seiner Bitten. Es ist das Gebet der "letzten Zeiten", der Zeiten des Heils, die mit der Ausgießung des Heiligen Geistes begonnen haben und sich mit der Wiederkunft des Herrn vollenden werden. Die Bitten des Vaterunsers stützen sich im Unterschied zu den Gebeten des Alten Bundes auf das Mysterium des Heiles, das sich im gekreuzigten und auferstandenen Christus ein für allemal verwirklicht hat (Vgl. dazu auch CEC 1403).

2772 Aus diesem unerschütterlichen Glauben entspringt die Hoffnung, die aus jeder der sieben Bitten spricht. Diese bringen das Seufzen der Gegenwart zum Ausdruck, dieser Zeit der Geduld und des Wartens, in der das, "was wir sein werden ... noch nicht offenbar geworden" (1Jn 3,2) (Vgl. Col 3,4) ist. Die Eucharistiefeier und das Vaterunser sind auf das Kommen des Herrn hin ausgerichtet, "bis er kommt" (1Co 11,26) (Vgl. dazu auch CEC 1820).



KURZTEXTE



2773 Auf die Bitte seiner Jünger hin "Herr, lehre uns beten" (Lc 11 Lc 1) vertraut Jesus diesen das christliche Grundgebet an, das Vaterunser.

2774 "Das Gebet des Herrn ist die Zusammenfassung des ganzen Evangeliums" (Tertullian or 1) und "das vollkommenste Gebet" (Thomas v. A. s. th. II-II 83,9) Es ist im Mittelpunkt der Heiligen Schrift.

2775 Es wird "Gebet des Herrn" genannt, da es von Jesus, dem Herrn stammt, dem Meister und Vorbild unseres Betens.

2776 Das Gebet des Herrn ist das eigentliche Gebet der Kirche. Es ist wesentlicher Bestandteil der großen Horen des Stundengebetes und der Sakramente der christlichen Initiation: Taufe, Firmung und Eucharistie. In die Eucharistie eingegliedert, bezeugt es die "endzeitliche" Eigenart der Bitten, in der Hoffnung auf den Herrn, "bis er kommt" (1Co 11,26).




ARTIKEL 2 "VATER UNSER IM HIMMEL"



I "Wir wagen uns voll Vertrauen zu nähern"

2777 In der römischen Liturgie wird die eucharistische Gemeinde eingeladen, das Vaterunser mit kindlicher Kühnheit zu sprechen. Die östlichen Liturgien verwenden ähnliche Ausdrücke: "voll Vertrauen wagen" und "mach uns würdig". Aus dem brennenden Dornbusch wurde zu Mose gesagt: "Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab!" (Ex 3,5). Allein Jesus konnte diese Schwelle der göttlichen Heiligkeit überschreiten. Er führt uns, nachdem er "die Reinigung von den Sünden bewirkt" hat (He 1,3), vor das Angesicht des Vaters: "Seht, ich und die Kinder, die Gott mir geschenkt hat" (He 2,13).

"Uns zu verkriechen geböte uns das Bewußtsein, bloß Sklaven zu sein, zu Staub werden müßte das Geschöpf aus Erde, wenn nicht des Vaters Machtgebot, wenn nicht der Geist des Sohnes selbst uns zu diesem Rufe auffordern würde ,Abba, Vater!' (Rm 8,15) ... Wann würde wohl ein sterbliches Wesen es wagen, Gott Vater zu nennen, wenn nicht Kräfte des Himmels das Innere des Menschen belebten?" (Petrus Chrysologus, serm. 71) (Vgl. dazu auch CEC 270).

2778 Diese Macht des Geistes, die uns zum Gebet des Herrn hinführt, wird in den Liturgien des Ostens und des Westens mit dem schönen, ausgesprochen christlichen Ausdruck parrhesia umschrieben, der soviel bedeutet wie Einfachheit ohne Umweg, kindliches Vertrauen, freudige Zuversicht, demütige Kühnheit und Gewißheit, geliebt zu sein (Vgl. Ep 3,12 He 3,6 He 4,16 He 10,19 1Jn 2,28 1Jn 3,21 1Jn 5,14) (Vgl. dazu auch CEC 2828).



II "Vater!"

2779 Bevor wir uns diesen ersten Ruf des Herrengebetes zu eigen machen, sollten wir unser Herz demütig von falschen Bildern "dieser Welt" reinigen. Die Demut läßt uns erkennen: "Niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will"; das sind die "Unmündigen" (Mt 11,25-27). DieReinigung des Herzens betrifft die Bilder von Vater und Mutter, die aus unserer persönlichen und der kulturellen Entwicklung hervorgegangen sind und unsere Beziehung zu Gott beeinflussen. Gott unser Vater steht über den Begriffen dieser geschaffenen Welt. Wer in diesem Bereich seine eigenen Vorstellungen auf Gott überträgt oder ihm entgegenstellt, schafft sich damit Götzen, die er entweder anbetet oder verwirft. Zum Vater beten heißt in sein Mysterium eintreten, so wie er ist und wie der Sohn ihn uns geoffenbart hat (Vgl. dazu auch CEC 239).

"Der Ausdruck ,Gott Vater' war nie jemandem geoffenbart worden. Als Mose selbst Gott fragte, wie er heiße, bekam er einen anderen Namen zu hören. Uns ist dieser Name geoffenbart worden im Sohn, denn im Namen ,Sohn' liegt bereits der neue Name ,Vater'" (Tertullian, or. 3).

2780 Wir können Gott als "Vater" anrufen, weil sein menschgewordener Sohn ihn uns geoffenbart hat und weil sein Geist ihn uns zu erkennen gibt. Wir glauben, daß Jesus der Christus ist und daß wir aus Gott geboren (Vgl. 1Jn 5,1) sind. Dadurch läßt uns der Geist des Sohnes an der persönlichen Beziehung des Sohnes zum Vater (Vgl. Jn 1,1) teilhaben. Menschen können sich das nicht vorstellen, die Engel es nicht erahnen (Vgl. dazu auch CEC 240).

2781 Wenn wir zum Vater beten, sind wir in Gemeinschaft mit ihm und mit seinem Sohn Jesus Christus (Vgl. 1Jn 1,3). Dabei kennen und erkennen wir ihn mit immer neuem Staunen. Das erste Wort im Gebet des Herrn ist eine lobpreisende Anbetung, noch bevor es zu einem flehenden Ruf wird. Denn es ist zur Ehre Gottes, daß wir ihn als "Vater" und als wahren Gott bekennen. Wir danken ihm, daß er uns seinen Namen geoffenbart hat und daß er uns geschenkt hat, an ihn zu glauben und Wohnstätte seiner Gegenwart zu sein (Vgl. dazu auch CEC 2565).

2782 Wir können den Vater anbeten, weil er uns durch die Annahme an Kindes Statt in seinem eingeborenen Sohn die Wiedergeburt zu seinem Leben geschenkt hat. Durch die Taufe gliedert er uns dem Leib seines Christus, des Gesalbten, ein, und durch die Salbung mit seinem Geist, die sich vom Haupt über die Glieder ergießt, macht er auch uns zu "Gesalbten" (Vgl. dazu auch CEC 1267).

"Da uns Gott zur Annahme an Kindes Statt vorherbestimmt hat, hat er uns dem verherrlichten Leibe Christi gleichförmig gemacht. Nachdem ihr nun an dem Gesalbten Anteil erhalten habt, werdet ihr mit Recht Gesalbte genannt" (Cyrill v.Jerusalem, catech. myst. 3,1).

"Der neue, wiedergeborene und seinem Gott durch dessen Gnade wiedergegebene Mensch sagt zuerst ,Vater', weil er sein Sohn geworden ist" (Cyprian, Dom. orat. 9).

2783 Im Gebet des Herrn werden wir uns selbst geoffenbart (Vgl. GS 22,1), weil uns zugleich der Vater geoffenbart wird (Vgl. dazu auch CEC 1701).

"0 Mensch, du wagtest nicht, das Antlitz zum Himmel zu erheben, du senktest den Blick zur Erde, und plötzlich hast du die Gnade Christi erhalten: alle deine Sünden wurden dir vergeben. Aus einem schlimmen Knecht bist du ein guter Sohn geworden ... Erhebe also deinen Blick zum Vater, ... der dich durch seinen Sohn erlöst hat, und sage: ,Vater unser' ... Berufe dich aber auf kein Vorrecht. Eigentlicher Vater ist er nur in bezug auf Christus, während wir von ihm erschaffen sind. Sage also aus Gnade auch du: ,Vater unser', um zu verdienen, sein Sohn zu sein" (Ambrosius, sacr. 5,19).

2784 Dieses Geschenk der Gnade der Annahme an Kindes Statt verlangt von uns eine fortwährende Bekehrung und ein neues Leben. Das Gebet des Vaterunsers soll zwei Grundhaltungen in uns entwickeln (Vgl. dazu auch CEC 1428).

Das Verlangen und der Wille, uns ihm anzugleichen. Da wir nach seinem Bild geschaffen sind, wurde uns aus Gnade die Ähnlichkeit mit ihm wieder verliehen. Ihr sollen wir entsprechen (Vgl. dazu auch CEC 1997).

"Wenn wir Gott unsern Vater nennen, müssen wir uns auch als Söhne Gottes verhalten" (Cyprian, Dom. orat. 11).

"Ihr könnt euren Vater nicht den Gott alles Guten nennen, wenn ihr ein unmenschliches und grausames Herz behaltet. Denn in diesem Fall habt ihr nicht mehr das Kennzeichen der Güte des himmlischen Vaters in euch" (Johannes Chrysostomus, hom. in MT 7,14 3).

"Wir sollen unablässig die Schönheit des Vaters betrachten und unsere Seele von ihr durchdringen lassen" (Gregor v. Nyssa, or. dom. 2).

2785 Ein demütiges und vertrauendes Herz. Dieses läßt uns wieder "wie die Kinder" werden (Mt 18,3), denn der Vater offenbart sich den "Unmündigen" (Mt 11,25) (Vgl. dazu auch CEC 2562).

"(Das Vaterunser) ist ein Aufblick zu Gott allein, ein großes Feuer der Liebe. Die Seele schmilzt darin, versinkt in die heilige Liebe und unterhält sich mit Gott wie mit dem eigenen Vater, sehr vertraut, in ganz besonderer, zärtlicher Kindesliebe" (Johannes Cassian, coll. 9,18).

"Vater unser: Dieser Name weckt in uns beim Beten gleichzeitig Liebe, Zuneigung ... und auch die Hoffnung, zu erlangen, um was wir bitten ... Was kann er denn dem Gebet seiner Kinder verweigern, wenn er ihnen schon zuvor gestattet hat, seine Kinder zu sein?" (Augustinus, serm. Dom. 2,4,16).



III Vater "unser"

2786 Die Anrede Vater "unser" richtet sich an Gott. Dieses Pronomen drückt unsererseits nicht ein Besitzen, sondern eine ganz neue Beziehung zu Gott aus (Vgl. dazu auch CEC 443).

2787 Wenn wir Vater "unser" sagen, bekennen wir zunächst, daß alle seine Verheißungen der Liebe, die Propheten angekündigt haben, im neuen und ewigen Bund in Christus in Erfüllung gegangen sind: Wir sind nun "sein" Volk geworden und er "unser" Gott. Diese neue Beziehung ist ein Geschenk gegenseitiger Zugehörigkeit. In Liebe und Treue (Vgl. Os 2,21-22 Os 6,1-6) haben wir nun auf "die Gnade und die Wahrheit" (Jn 1,17), die uns in Jesus Christus geschenkt worden sind, zu antworten (Vgl. dazu auch CEC 782).

2788 Weil das Gebet des Herrn das Gebet seines Volkes in den "letzten Zeiten" ist, drückt dieses "unser" auch die Sicherheit unserer Hoffnung auf die letzte Verheißung Gottes aus. Er wird im neuen Jerusalem zum Sieger sagen: "Ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein" (Ap 21,7).

2789 Wenn wir Vater "unser" beten, wenden wir uns persönlich an den Vater unseres Herrn Jesus Christus. Wir teilen die Gottheit nicht auf, denn der Vater ist "ihre Quelle und ihr Ursprung". Vielmehr bekennen wir damit, daß der Sohn von Ewigkeit her von ihm gezeugt wird und der Heilige Geist aus ihm hervorgeht. Wir vermischen auch nicht die Personen, denn wir bekennen, daß wir Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn Jesus Christus in ihrem einzigen Heiligen Geist haben. Die heiligste Dreifaltigkeit ist eines Wesens und unteilbar. Wenn wir zum Vater beten, beten wir ihn an und verherrlichen ihn zusammen mit dem Sohn und dem Heiligen Geist (Vgl. dazu auch CEC 245 CEC 253).

2790 Das Wort "unser" kennzeichnet etwas mehreren Gemeinsames. Es gibt nur einen Gott, und er wird als Vater bekannt von jenen, die durch den Glauben an den eingeborenen Sohn aus dem Wasser und dem Heiligen Geist wiedergeboren sind (Vgl. 1Jn 5,1 Jn 3,5). Die Kirche ist diese neue Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen. Mit dem eingeborenen Sohn vereint, der der "Erstgeborene von vielen Brüdern" (Rm 8,29) geworden ist, steht sie in Gemeinschaft mit einem einzigen, ein und demselben Vater in einem einzigen, ein und demselben Heiligen Geist (Vgl. Ep 4,4-6). Jeder Getaufte, der Vater "unser" betet, betet in dieser Gemeinschaft: "Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele" (Ac 4,32) (Vgl. dazu auch CEC 787).

2791 Deshalb bleibt, trotz der Trennungen unter den Christen, das Gebet zu "unserem" Vater das Gemeingut aller Getauften und ein dringlicher Aufruf an sie. Durch den gemeinsamen Glauben an Christus und durch die Taufe verbunden, sollen sie mit Jesus für die Einheit seiner Jünger beten (Vgl. UR 822) (Vgl. dazu auch CEC 821).

2792 Wenn wir das Vaterunser aufrichtig beten, geben wir den Individualismus auf, denn die Liebe, die wir empfangen, befreit uns davon. Das "unser" zu Beginn des Herrengebetes wie das "wir" der letzten vier Bitten schließt niemanden aus. Damit es aufrichtig gebetet wird (Vgl. Mt 5,23-24 Mt 6,14-16), müssen unsere Spaltungen und Gegensätze überwunden werden.

2793 Die Getauften können nicht zu "unserem" Vater beten, ohne alle, für die er seinen geliebten Sohn hingegeben hat, vor Gott zu tragen. Gottes Liebe ist grenzenlos, und unser Gebet soll es ebenfalls sein (Vgl. NA Na 5). Das Vaterunser öffnet uns für das gesamte Ausmaß der in Christus sichtbar gewordenen Liebe des Vaters. Wir beten mit allen und für alle Menschen, die den Vater noch nicht kennen, um "die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln" (Jn 11,52). Diese göttliche Sorge um alle Menschen und um die ganze Schöpfung hat alle großen Beter beseelt; sie soll unser Gebet zu einer weitherzigen Liebe führen, wenn wir zu sprechen wagen: Vater "unser" (Vgl. dazu auch CEC 604).



IV "Im Himmel"

2794 Dieser biblische Ausdruck bezeichnet nicht einen Ort (Raum), sondern eine Daseinsweise; nicht ein Fernsein Gottes, sondern seine Erhabenheit. Unser Vater ist nicht "anderswo", sondern er ist "jenseits von allem", was wir über seine Heiligkeit denken können. Gerade weil er der dreimal Heilige ist, ist er dem demütigen und reuevollen Herzen nahe (Vgl. dazu auch CEC 326).

"Mit Recht werden die Worte ,Vater unser im Himmel' vom Herz der Gerechten verstanden, in dem Gott wie in seinem Tempel wohnt. Darum auch wird der Beter wünschen und sich danach sehnen, daß der, den er anruft, in ihm wohnt" (Augustinus, serm. Dom. 2,5,17).

"Himmel könnten sehr wohl auch die sein, die das Abbild der himmlischen Welt in sich tragen und in denen Gott wohnt und wandelt" (Cyrill v. Jerusalem, catech. myst. 5,11).

2795 Das Zeichen der Himmel verweist uns auf das Mysterium des Bundes, das wir leben, wenn wir zu unserem Vater beten. Er ist im Himmel, dieser ist seine Wohnstätte. Das Haus des Vaters ist also auch unsere "Heimat". Die Sünde hat uns von der Erde des Bundes vertrieben (Vgl. Gn 3), und die Bekehrung des Herzens läßt uns zum Vater im Himmel zurückkehren (Vgl. Jer 3,19-4,1a; Lc 15,18 Lc 15,21). In Christus sind Himmel und Erde miteinander versöhnt worden (Vgl. Is 45,8 Ps 85,12), denn allein der Sohn ist "vom Himmel hinabgestiegen", und nur er läßt uns durch sein Kreuz, seine Auferstehung und Himmelfahrt mit ihm wieder zum Himmel hinaufsteigen (Vgl. Jn 12,32 Jn 14,2-3 Jn 16,28 Jn 20,17 Ep 4,9-10 He 1,3 He 2,13) (Vgl. dazu auch CEC 1024).

2796 Wenn die Kirche "Vater unser im Himmel" betet, bekennt sie, daß wir das Volk Gottes sind, das "mit Christus verborgen in Gott" (Col 3,3) schon "einen Platz im Himmel" hat (Vgl. Ep 2,6). Sie bekennt auch, daß von uns gleichzeitig gilt: "Im gegenwärtigen Zustand seufzen wir und sehnen uns danach, mit dem himmlischen Haus überkleidet zu werden" (2Co 5,2) (Vgl. Ph 3,20 He 13,14) (Vgl. dazu auch CEC 1003).

"Im Fleisch befinden sie (die Christen) sich, aber sie leben nicht nach dem Fleisch. Auf Erden weilen sie, aber im Himmel sind sie Bürger" (Diognet 5,8-9).



KURZTEXTE



2797 Einfaches und ergebenes Vertrauen, demütige und frohe Zuversicht sind die Haltung, in der wir das Vaterunser beten sollen.

2798 Wir können Gott als "Vater" anrufen, weil der menschgewordene Sohn Gottes ihn uns geoffenbart hat. Wir sind durch die Taufe in den Sohn Gottes eingegliedert und an Sohnes Statt angenommen.

2799 Das Gebet des Herrn führt uns in die Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus ein. Gleichzeitig werden wir in diesem Gebet uns selbst geoffenbart (Vgl. GS 22,1).

2800 Das Gebet zu unserem Vater soll in uns den Willen wecken, ihm ähnlich zu werden, und unser Herz demütig und vertrauensvoll machen.

2801 Wenn wir Gott "unseren" Vater nennen, berufen wir uns auf den Neuen Bund in Jesus Christus, auf die Gemeinschaft mit der heiligsten Dreifaltigkeit und auf die göttliche Liebe, die sich durch die Kirche über die ganze Erde ausbreitet.

2802 "Im Himmel" bezeichnet keinen Ort, sondern die Erhabenheit Gottes und seine Gegenwart im Herzen der Gerechten. Der Himmel, das Haus des Vaters, ist die wahre Heimat, nach der wir streben und der wir jetzt schon angehören.






ARTIKEL 3 DIE SIEBEN BITTEN



2803 Nachdem wir uns in die Gegenwart Gottes, unseres Vaters, begeben haben, um ihn anzubeten, zu lieben und zu preisen, läßt der Geist der Kindschaft sieben Bitten, sieben Preisungen aus unseren Herzen emporsteigen. Die drei ersten sind mehr auf Gott bezogen und ziehen uns hin zur Herrlichkeit des Vaters; die folgenden vier sind wie Wege zu Gott und bieten unser Elend seiner Gnade dar. "Flut ruft der Flut zu" (Ps 42,8) (Vgl. dazu auch CEC 2627).

2804 Die ersten drei Bitten tragen uns zu Gott, um seiner selbst willen: dein Name, dein Reich und dein Wille Es gehört wesentlich zur Liebe, zuerst an den Geliebten zu denken. In jeder der drei Bitten reden wir nicht von uns, sondern wir lassen uns vom "glühenden Verlangen" und der "Angst" des geliebten Sohnes für die Herrlichkeit seines Vaters ergreifen (Vgl. Lc 22,15 Lc 12 Lc 50): "geheiligt werde ... komme ... geschehe ...". Diese drei Bitten sind im Opfer Christi, des Erlösers, schon erfüllt; jetzt aber, solange Gott noch nicht alles in allen ist (Vgl. 1Co 15,28), werden sie durch die Hoffnung auf ihre endgültige Erfüllung ausgerichtet.

2805 Die folgenden Bitten verlaufen in der Richtung mancher eucharistischer Epiklesen: sie bringen unsere Erwartungen dar und ziehen den Blick des Vaters der Barmherzigkeit auf sich. Sie steigen aus uns empor und betreffen uns schon jetzt, in dieser Welt: "gib uns ... vergib uns ... führe uns nicht ... erlöse uns ...". Die vierte und fünfte Bitte beziehen sich auf unser Leben: wir sollen ernährt und von der Sünde geheilt werden. Die zwei letzten Bitten betreffen den Kampf des Gebetes: unseren Kampf um den Sieg des Lebens (Vgl. dazu auch CEC 1105).

2806 Durch die drei ersten Bitten werden wir im Glauben gestärkt, von Hoffnung erfüllt und durch die Liebe entflammt. Da wir Geschöpfe und noch Sünder sind, müssen wir auch für uns beten: Wir bieten uns, die wir den Grenzen von Welt und Geschichte unterworfen sind, der grenzenlosen Liebe unseres Gottes dar. Denn durch den Namen Christi und das Reich seines Geistes vollendet unser Vater seinen Ratschluß des Heiles für uns und die ganze Welt (Vgl. dazu auch CEC 2656-2658).



I "Geheiligt werde dein Name"

(Vgl. dazu auch CEC 2142-2159)

2807 Das Wort "heiligen" ist hier zunächst nicht so sehr im verursachenden (Gott allein heiligt, macht heilig), sondern vor allem im einschätzenden Sinn zu verstehen: etwas als heilig anerkennen und es so behandeln. Daher wird die Anrufung "Geheiligt werde ..." bei der Anbetung manchmal als Lob und Danksagung verstanden (Vgl. Ps 111,9 Lc 1,49). Doch diese Bitte wird uns von Jesus in Wunschform gelehrt: es ist eine Bitte, ein Verlangen und ein Warten, an denen Gott und der Mensch beteiligt sind. Schon die erste Bitte des Vaterunsers nimmt uns in das innerste Mysterium der Gottheit und in die Taten des Heiles für die Menschheit hinein. Unsere Bitte, daß sein Name geheiligt werde, schließt uns in den "im voraus gefaßten gnädigen Ratschluß" mit ein, "daß wir in Liebe heilig und untadelig vor Gott leben" (Vgl. Ep 1,9 Ep 1,4) (Vgl. dazu auch CEC 2097 CEC 51).

2808 Gott offenbart seinen Namen in den entscheidenden Ereignissen seiner Heilsökonomie, in denen er sein Werk vollendet. Dieses Werk vollzieht sich aber für uns und in uns nur dann, wenn sein Name durch uns und in uns geheiligt wird (Vgl. dazu auch CEC 203 CEC 432).

2809 Die Heiligkeit Gottes ist der unzugängliche Brennpunkt seines ewigen Mysteriums. Was in der Schöpfung und Geschichte von ihm offenbar ist, nennt die Schrift die Herrlichkeit, das Erstrahlen seiner Majestät (Vgl. Ps 8 Is 6,3). Gott krönt den Menschen "mit Herrlichkeit" (Ps 8,6), indem er ihn als sein "Abbild", ihm "ähnlich" (Gn 1,26) erschafft. Durch die Sünde hat der Mensch jedoch "die Herrlichkeit Gottes verloren" (Rm 3,23). Somit zeigt Gott seine Heiligkeit, indem er seinen Namen offenbart und kundtut, um den Menschen "nach dem Bild seines Schöpfers" (Col 3,10) neu zu schaffen (Vgl. dazu auch CEC 293 CEC 705).

2810 Durch die Verheißung an Abraham und den bekräftigenden Eid (Vgl. He 6,13) verpflichtet sich Gott, ohne jedoch seinen Namen zu enthüllen. Erst Mose beginnt er, diesen zu offenbaren (Vgl. Ex 3,14), und er bezeugt ihn vor den Augen des ganzen Volkes, indem er es vor den Ägyptern rettet: "Er ist hoch und erhaben" (Ex 15,1). Seit dem Bund am Sinai gehört dieses Volk ihm; es ist berufen, ein "heiliges" (oder "geweihtes" - im Hebräischen steht dafür das gleiche Wort) (Vgl. Ex 19,5-6) Volk zu sein, denn der Name Gottes wohnt in ihm (Vgl. dazu auch CEC 63).

2811 Gott, der Heilige (Vgl. Lv 19,2, "Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, hin heilig."), gibt dem Volk immer wieder neu das heilige Gesetz und übt in Rücksicht auf seinen eigenen Namen immer wieder Geduld. Dennoch wendet sich das Volk vom Heiligen Israels ab und entweiht seinen Namen unter den Völkern (Vgl. Ex 20 Ex 36). Darum sind die Gerechten des Alten Bundes, die aus der Verbannung zurückgekehrten Armen und die Propheten von glühendem Eifer für seinen Namen erfüllt (Vgl. dazu auch CEC 2143).

2812 Endlich wird uns in Jesus der Name des heiligen Gottes im Fleisch als Retter (Vgl. Mt 1,21 Lc 1,31) geoffenbart und geschenkt. Er wird geoffenbart durch das, was er ist, durch sein Wort und sein Opfer (Vgl. Jn 8,28 Jn 17,8 Jn 17,17-19). Dieses ist das Herz des hohenpriesterlichen Gebetes: Heiliger Vater, "ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind" (Jn 17,19). Weil Jesus selbst seinen eigenen Namen "heiligt" (Vgl. Ex 20,39 Ex 36,20-21), "offenbart" er uns den Namen des Vaters (Jn 17,6). Am Ende seines Pascha verleiht ihm der Vater den Namen, der größer ist als alle Namen: Jesus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters (Vgl. Phil Ph 2,9-11) (Vgl. dazu auch CEC 434).

2813 Im Wasser der Taufe sind wir reingewaschen, geheiligt und "gerecht geworden im Namen Jesu Christi, des Herrn, und im Geist unseres Gottes" (1Co 6,11). Gott hat uns berufen, in unserem ganzen Leben "heilig zu sein" (1Th 4,7): "Von ihm her seid ihr in Christus Jesus, den Gott für uns zur Heiligung ... gemacht hat" (1Co 1,30). In der Bitte, daß sein Name in uns und durch uns geheiligt werde, geht es um seine Ehre und um unser Leben. Darum ist die erste Bitte so dringlich (Vgl. dazu auch CEC 2013).

"Von wem könnte Gott geheiligt werden, der doch selbst heiligt? Aber weil er selbst gesagt hat: ,Seid heilig, weil auch ich heilig bin' (Lv 20,26), flehen wir darum, daß wir, in der Taufe geheiligt, an dem festhalten, was wir zu sein angefangen haben. Und um das bitten wir Tag für Tag; denn uns tut tägliche Heiligung not, damit wir, die täglich sündigen, unsere Sünden durch beständige Reinigung wieder reinwaschen ... Wir beten, damit diese Heiligung in uns bleibe" (Cyprian, Dom. orat. 12).

2814 Es hängt zugleich von unserem Leben und von unserem Gebet ab, ob sein Name unter den Völkern geheiligt wird (Vgl. dazu auch CEC 2045):

"Wir bitten, daß Gott seinen Namen heilige, der durch seine Heiligkeit die ganze Schöpfung rettet und heiligt ... Das ist der Name, der der verlorenen Welt das Heil wiedergibt. Aber wir bitten, daß der Name Gottes durch unser Leben in uns geheiligt werde. Handeln wir gut, so wird der Name Gottes gepriesen; handeln wir schlecht, so wird er gelästert dem Wort des Apostels gemäß: ,Der Name Gottes wird durch uns gelästert unter den Heiden' (Rm 2,24 Ez 36,20-22). Wir bitten deshalb darum, in unseren Seelen ebensoviel Heiligkeit zu verdienen, wie der Name unseres Gottes heilig ist" (Petrus Chrysologus, serm.71).

"Wenn wir sagen: ,Geheiligt werde dein Name', bitten wir, daß er in uns geheiligt werde, die wir ihm angehören, sowie auch in den andern, auf welche die Gnade Gottes noch wartet, so daß wir also auch der Vorschrift gehorchen, für alle, auch für unsere Feinde zu beten. Deshalb bitten wir nicht ausdrücklich ,Geheiligt werde dein Name in uns', denn wir bitten, daß er in allen Menschen geheiligt werde" (Tertullian, or. 3).

2815 Diese erste Bitte, die alle anderen enthält, wird, wie die sechs weiteren Bitten, durch das Gebet Christi erhört. Das Gebet zu unserem Vater ist unser Gebet, wenn es im Namen Jesu gebetet wird (Vgl. Jn 14,13 Jn 15,16 Jn 16,24 Jn 16,26). Jesus betet in seinem hohepriesterlichen Gebet: "Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast" (Jn 17,11).




Katechismus KK 1997 2746