Katechismus KK 1997 1755

II Gute und schlechte Handlungen

1755 Die sittlich gute Handlung setzt voraus, daß sowohl das Objekt als auch die Absicht und die Umstände gut sind. Eine schlechte Absicht macht die Handlung zu etwas Schlechtem, selbst wenn ihr Gegenstand an sich gut ist (etwa beten und fasten, "um von den Menschen gesehen zu werden").

Das gewählte Objekt kann allein schon ein Handeln als Ganzes zu etwas Schlechtem machen. Es gibt konkrete Verhaltensweisen wie etwa die Unzucht, für die sich zu entscheiden stets falsch ist, weil in der Entscheidung für sie ein Fehlgriff des Willens liegt, das heißt etwas sittlich Schlechtes.

1756 Somit ist es falsch, bei der Beurteilung des sittlichen Charakters der menschlichen Handlungen einzig die ihr zugrunde liegende Absicht oder die sie begleitenden Umstände (wie Milieu, gesellschaftlicher Druck, Zwang oder Notwendigkeit zu handeln) zu beachten. Es gibt Handlungen, die wegen ihres Objekts in schwerwiegender Weise, unabhängig von den Umständen und den Absichten, aus sich und in sich schlecht sind, z. B. Gotteslästerung und Meineid, Mord und Ehebruch. Es ist nicht erlaubt, etwas Schlechtes zu tun, damit etwas Gutes daraus entsteht (Vgl. dazu auch CEC 1789).



KURZTEXTE



1757 Das Objekt, die Absicht und die Umstände bilden die drei Quellen der Sittlichkeit menschlicher Handlungen.

1758 Das gewählte Objekt bestimmt die Sittlichkeit des Willensaktes, je nachdem die Vernunft es als gut oder schlecht erkennt und beurteilt.

1759 "Keine in guter Absicht vollzogene schlechte Tat wird entschuldigt" (Thomas v. A., dec. praec. 1) Der Zweck rechtfertigt die Mittel nicht.

1760 Damit eine Handlung sittlich gut ist, müssen zugleich das Objekt, das Ziel und die Umstände gut sein.

1761 Es gibt konkrete Verhaltensweisen, die zu wählen immer falsch ist. Denn ein solcher Entschluß bedingt schon eine Ungeordnetheit des Willens, das heißt etwas sittlich Schlechtes. Es ist nicht erlaubt, etwas Schlechtes zu tun, damit dabei etwas Gutes entsteht.






ARTIKEL 5 DIE SITTLICHKEIT DER LEIDENSCHAFTEN



1762 Der Mensch richtet sich durch bewußte Handlungen auf die Seligkeit aus. Leidenschaften oder Gefühle, die er verspürt, können darauf vorbereiten und dazu beitragen.



I Die Leidenschaften

1763 Der Ausdruck "Leidenschaften" gehört zum christlichen Sprachgebrauch. Als Leidenschaften oder Gefühle bezeichnet man die Regungen und Bewegungen des Empfindungsvermögens. Sie drängen zum Handeln oder Nicht-Handeln, je nachdem, ob etwas als gut oder schlecht empfunden oder vorgestellt wird.

1764 Leidenschaften sind natürliche Regungen der menschlichen Seele. Sie bilden die Durchgangs- und Nahtstelle zwischen dem sinnenhaften und dem geistigen Leben. Unser Herr bezeichnet das Herz des Menschen als die Quelle, aus der die Regungen der Leidenschaften hervorgehen (Vgl. Mc 7,21) (Vgl. dazu auch CEC 368).

1765 Die Leidenschaften sind zahlreich. Die grundlegendste Leidenschaft ist die Liebe, hervorgerufen durch die Anziehungskraft des Guten. Liebe bewirkt das Verlangen nach dem nicht gegenwärtigen Gut und die Hoffnung, es zu erlangen. Diese Regung kommt zur Ruhe im Gefallen und in der Freude am Gut, das man besitzt. Die Wahrnehmung von etwas Schlechtem bewirkt Haß, Abneigung und Angst vor dem drohenden Übel. Diese Regung endet in Traurigkeit über das vorhandene Übel oder im Zorn, der sich dagegen aufbäumt.

1766 "Lieben heißt jemandem Gutes wollen" (Thomas v. A., s. th. I-II 26,4). Alle anderen Leidenschaften entspringen dieser Urbewegung des Menschenherzens zum Guten. Man liebt nur Gutes (Vgl. Augustinus, Trin. 8,3,4). "Die Gemütsbewegungen sind schlecht, wenn die Liebe schlecht ist, gut, wenn sie gut ist" (Augustinus, CIV 14,7).



II Leidenschaften und sittliches Leben

1767 Die Leidenschaften sind an sich weder gut noch böse. Sie werden nur in dem Maß sittlich bestimmt, als sie der Vernunft und dem Willen unterstehen. Leidenschaften werden als willentlich bezeichnet, "weil sie vom Willen angeregt oder vom Willen nicht verhindert werden" (Thomas v. A., s. th. I-II 24,1). Es gehört zur Vollkommenheit des sittlich oder menschlich Guten, daß die Leidenschaften durch die Vernunft geregelt werden (Vgl. Thomas v. A., s. th. I-II 24,3) (Vgl. dazu auch CEC 1860).

1768 Starke Empfindungen sind weder für die sittliche Haltung noch für die Heiligkeit der Menschen entscheidend; sie sind aber die unerschöpfliche Vorratskammer von Bildern und Gemütsregungen, in denen sich das sittliche Leben äußert. Die Leidenschaften sind sittlich gut, wenn sie zu einer guten Handlung beitragen; schlecht, wenn das Gegenteil der Fall ist. Der rechte Wille ordnet die sinnlichen Regungen, die er sich zu eigen macht, auf das Gute und auf die Seligkeit hin; der schlechte Wille erliegt den ungeordneten Leidenschaften und steigert sie. Die Gemütsbewegungen und Gefühle können in die Tugendenaufgenommen oder durch die Laster verdorben werden (Vgl. dazu auch CEC 2005 CEC 1803 CEC 1865).

1769 Im christlichen Leben vollbringt der Heilige Geist sein Werk, indem er den ganzen Menschen mit all seinen Schmerzen, Ängsten und Traurigkeiten einsetzt, wie in der Todesangst und im Leiden des Herrn sichtbar wird. In Christus können die menschlichen Gefühle in der christlichen Liebe und göttlichen Seligkeit ihre Vollendung finden.

1770 Die sittliche Vollkommenheit besteht darin, daß der Mensch nicht nur durch seinen Willen zum Guten bewogen wird, sondern auch durch das sinnliche Strebevermögen, gemäß dem Psalmwort: "Mein Herz und mein Leib jauchzen ihm zu, ihm, dem lebendigen Gott" (Ps 84,3) (Vgl. dazu auch CEC 30).



KURZTEXTE



1771 Der Ausdruck "Leidenschaften" bezeichnet die Gemütsbewegungen oder Gefühle. Durch seine Gefühlsregungen erahnt der Mensch das Gute und argwöhnt das Böse.

1772 Die grundlegenden Leidenschaften sind Liebe und Haß, Verlangen und Furcht, Freude und Traurigkeit sowie Zorn.

1773 Als Regungen des Empfindungsvermögens sind die Leidenschaften weder sittlich gut noch schlecht; soweit sie jedoch der Vernunft und dem Willen unterstehen oder nicht, sind sie sittlich gut oder schlecht.

1774 Gemütsbewegungen und Gefühle können durch die Tugenden aufgenommen oder durch die Laster verdorben werden.

1775 Die sittliche Vollkommenheit besteht darin, daß der Mensch nicht allein durch seinen Willen, sondern auch durch sein "Herz" zum Guten bewogen wird.










ARTIKEL 6 DAS GEWISSEN



1776 "Im Innersten seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muß und dessen Stimme ihn immer anruft, das Gute zu lieben und zu tun und das Böse zu meiden und so, wo nötig, in den Ohren des Herzens tönt ... Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist... Und das Gewissen ist der verborgenste Kern und das Heiligtum des Menschen, in dem er allein ist mit Gott, dessen Stimme in seinem Innersten widerhallt" (GS 16) (Vgl. dazu auch CEC 1954).



I Das Gewissensurteil

1777 Im Innersten der Person wirkt das Gewissen (Vgl. Rm 2,14-16). Es gebietet zum gegebenen Zeitpunkt, das Gute zu tun und das Böse zu unterlassen. Es urteilt auch über die konkreten Entscheidungen, indem es den guten zustimmt, die schlechten mißbilligt (Vgl. Rm 1,32). Es bezeugt die Wahrheit im Hinblick auf das höchste Gut, auf Gott, von dem der Mensch angezogen wird und dessen Gebote er empfängt. Wenn er auf das Gewissen hört, kann der kluge Mensch die Stimme Gottes vernehmen, die darin spricht (Vgl. dazu auch CEC 1766 CEC 2071).

1778 Das Gewissen ist ein Urteil der Vernunft, in welchem der Mensch erkennt, ob eine konkrete Handlung, die er beabsichtigt, gerade ausführt oder schon getan hat, sittlich gut oder schlecht ist. Bei allem, was er sagt und tut, ist der Mensch verpflichtet, sich genau an das zu halten, wovon er weiß, daß es recht und richtig ist. Durch das Gewissensurteil vernimmt und erkennt der Mensch die Anordnungen des göttlichen Gesetzes (Vgl. dazu auch CEC 1749).

Das Gewissen ist "ein Gesetz des Geistes" und ist darüber hinaus "eine unmittelbare Einsprechung", die "auch den Begriff der Verantwortlichkeit, der Pflicht, einer Drohung und einer Verheißung" in sich schließt ... Es ist ein Bote dessen, der sowohl in der Natur als auch in der Gnade hinter einem Schleier zu uns spricht und uns durch seine Stellvertreter lehrt und regiert. Das Gewissen ist der ursprüngliche Statthalter Christi" (J. H. Newman, Brief an den Herzog von Norfolk 5).

1779 Um die Stimme des Gewissens vernehmen und ihr folgen zu können, muß man in sich gehen. Dieses Streben nach Innerlichkeit ist umso nötiger, als das Leben uns oft in Gefahr bringt, jegliche Überlegung, Selbstprüfung und Selbstbesinnnung zu unterlassen (Vgl. dazu auch CEC 1886).

"Halte Einkehr in dein Gewissen, dieses befrage! ... Haltet also Einkehr in euer Inneres, Brüder! Und in allem, was ihr tut, schaut, daß Gott euer Zeuge sei!" (Augustinus, ep. Jo. 8,9).

1780 Die Würde der menschlichen Person enthält und verlangt, daß das Gewissen richtig urteilt. Zum Gewissen gehören: die Wahrnehmung der Moralprinzipien (Synderesis), ihre Anwendung durch eine Beurteilung der Gründe und der Güter unter den gegebenen Umständen, und schließlich das Urteil über die auszuführenden oder bereits durchgeführten konkreten Handlungen. Das kluge Urteil des Gewissens anerkennt praktisch und konkret die Wahrheit über das sittlich Gute, die im Gesetz der Vernunft ausgedrückt ist. Als klug bezeichnet man den Menschen, der sich diesem Urteil gemäß entscheidet (Vgl. dazu auch CEC 1806).

1781 Das Gewissen ermöglicht es, für die vollbrachten Handlungen die Verantwortung zu übernehmen. Hat der Mensch Böses getan, kann das rechte Gewissensurteil in ihm immer noch Zeuge dafür sein, daß die moralische Wahrheit gilt, seine konkrete Entscheidung aber schlecht ist. Der Schuldspruch des schlechten Gewissens bleibt ein Unterpfand der Hoffnung und des Erbarmens. Indem er die begangene Verfehlung bezeugt, mahnt er, um Vergebung zu bitten, das Gute doch noch auszuführen und mit Hilfe der Gnade Gottes die Tugend unablässig zu pflegen (Vgl. dazu auch CEC 1731).

"Wir werden unser Herz in seiner Gegenwart beruhigen. Denn wenn das Herz uns auch verurteilt - Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles" (1Jn 3,19-20).

1782 Der Mensch hat das Recht, in Freiheit seinem Gewissen entsprechend zu handeln, und sich dadurch persönlich sittlich zu entscheiden. "Er darf also nicht gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln. Er darf aber auch nicht daran gehindert werden, gemäß seinem Gewissen zu handeln, besonders im Bereiche der Religion" (DH 3) (Vgl. dazu auch CEC 2106).



II Die Gewissensbildung

1783 Das Gewissen muß geformt und das sittliche Urteil erhellt werden. Ein gut gebildetes Gewissen urteilt richtig und wahrhaftig. Es folgt bei seinen Urteilen der Vernunft und richtet sich nach dem wahren Gut, das durch die Weisheit des Schöpfers gewollt ist. Für uns Menschen, die schlechten Einflüssen unterworfen und stets versucht sind, dem eigenen Urteil den Vorzug zu geben und die Lehren der kirchlichen Autorität zurückzuweisen, ist die Gewissenserziehung unerläßlich (Vgl. dazu auch CEC 2039).

1784 Die Erziehung des Gewissens ist eine lebenslange Aufgabe. Schon in den ersten Jahren leitet sie das Kind dazu an, das durch das Gewissen wahrgenommene innere Gesetz zu erkennen und zu erfüllen. Eine umsichtige Erziehung regt zu tugendhaftem Verhalten an. Sie bewahrt oder befreit vor Furcht, Selbstsucht und Stolz, falschen Schuldgefühlen und Regungen der Selbstgefälligkeit, die durch menschliche Schwäche und Fehlerhaftigkeit entstehen können. Gewissenserziehung gewährleistet die Freiheit und führt zum Frieden des Herzens (Vgl. dazu auch CEC 1742).

1785 Bei der Gewissensbildung ist das Wort Gottes Licht auf unserem Weg. Wir müssen es uns im Glauben und Gebet zu eigen machen und in die Tat umsetzen. Auch sollen wir unser Gewissen im Blick auf das Kreuz des Herrn prüfen. Wir werden dabei durch die Gaben des Heiligen Geistes und das Zeugnis und die Ratschläge anderer unterstützt und durch die Lehre der kirchlichen Autorität geleitet (Vgl. DH 14) (Vgl. dazu auch CEC 890).



III Nach dem Gewissen entscheiden

1786 Vor eine sittliche Entscheidung gestellt, kann das Gewissen in Übereinstimmung mit der Vernunft und dem göttlichen Gesetz richtig urteilen oder, falls es sich an beides nicht hält, irren.

1787 Der Mensch steht zuweilen vor Situationen, die das Gewissensurteil unsicher und die Entscheidung schwierig machen. Er soll jedoch stets nach dem Richtigen und Guten suchen und den Willen Gottes, der im göttlichen Gesetz zum Ausdruck kommt, erkennen (Vgl. dazu auch CEC 1955).

1788 Zu diesem Zweck bemüht sich der Mensch, seine Erfahrungen und die Zeichen der Zeit mit Hilfe der Tugend der Klugheit, der Ratschläge sachkundiger Menschen und mit Hilfe des Heiligen Geistes und seiner Gaben richtig zu deuten (Vgl. dazu auch CEC 1806).

1789 In allen Fällen gelten die folgenden Regeln:

- Es ist nie erlaubt, Böses zu tun, damit daraus etwas Gutes hervorgehe (Vgl. dazu auch
CEC 1756).

- Die "Goldene Regel": "Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen" (Mt 7,12) (Vgl. Lc 6,31 Tb 4,15) (Vgl. dazu auch CEC 1970).

- Die christliche Liebe achtet immer den Nächsten und sein Gewissen:

"Wenn ihr euch ... gegen eure Brüder versündigt und ihr ... Gewissen verletzt, versündigt ihr euch gegen Christus" (1Co 8,12). "Es ist nicht gut ... etwas zu tun, wenn dein Bruder daran Anstoß nimmt" (Rm 14,21) (Vgl. dazu auch CEC 1827 CEC 1971).



IV Das irrende Gewissen

1790 Dem sicheren Urteil seines Gewissens muß der Mensch stets Folge leisten. Würde er bewußt dagegen handeln, so verurteilte er sich selbst. Es kann jedoch vorkommen, daß das Gewissen über Handlungen, die jemand plant oder bereits ausgeführt hat, aus Unwissenheit Fehlurteile fällt.

1791 An dieser Unkenntnis ist der betreffende Mensch oft selbst schuld, z. B. dann, wenn er "sich zuwenig darum müht, nach dem Wahren und Guten zu suchen, und das Gewissen aufgrund der Gewöhnung an die Sünde allmählich fast blind wird" (GS 16). In diesem Fall ist er für das Böse, das er tut, verantwortlich (Vgl. dazu auch CEC 1704).

1792 Unkenntnis über Christus und sein Evangelium, schlechte Beispiele anderer Leute, Verstrickung in Leidenschaften, Anspruch auf eine falsch verstandene Gewissensautonomie, Zurückweisung der Autorität der Kirche und ihrer Lehre, Mangel an Umkehrwillen und christlicher Liebe können der Grund für Fehlurteile im sittlichen Verhalten sein (Vgl. dazu auch CEC 133).

1793 Wenn hingegen die Unkenntnis unüberwindlich oder der Betreffende für das Fehlurteil nicht verantwortlich ist, kann ihm seine böse Tat nicht zur Last gelegt werden. Trotzdem bleibt sie etwas Böses, ein Mangel, eine Unordnung. Aus diesem Grund müssen wir uns bemühen, Irrtümer des Gewissens zu beheben (Vgl. dazu auch CEC 1860).

1794 Das gute und reine Gewissen wird durch den wahren Glauben erleuchtet, denn die christliche Liebe geht gleichzeitig "aus reinem Herzen, gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben" hervor (1Tm 1,5) (Vgl. 1Tm 3,9 2Tm 1,3 1P 3,21 Ac 24,16).

"Je mehr also das rechte Gewissen sich durchsetzt, desto mehr lassen die Personen und Gruppen von der blinden Willkür ab und suchen sich nach den objektiven Normen der Sittlichkeit zu richten" (GS 16).



KURZTEXTE



1795 "Das Gewissen ist der verborgenste Kern und das Heiligtum des Menschen, in dem er allein ist mit Gott, dessen Stimme in seinem Innersten widerhallt" (GS 16).

1796 Das Gewissen ist ein Urteil der Vernunft, durch das der Mensch erkennt, ob eine bestimmte Tat gut oder schlecht ist.

1797 Für den Menschen, der etwas Schlechtes getan hat, bleibt das Urteil seines Gewissens ein Unterpfand der Bekehrung und der Hoffnung.

1798 Ein gut gebildetes Gewissen ist aufrecht und wahrhaftig. Es urteilt vernunftgemäß, dem wahren Guten entsprechend, das die Weisheit des Schöpfers gewollt hat. Ein jeder soll sich der Mittel zur Bildung seines Gewissens bedienen.

1799 Vor eine sittliche Entscheidung gestellt, kann das Gewissen entweder ein richtiges Urteil fallen, das mit der Vernunft und dem göttlichen Gesetz übereinstimmt, oder aber ein Fehlurteil, das beidem widerspricht.

1800 Der Mensch muß dem sicheren Urteil seines Gewissens stets folgen.

1801 Das Gewissen kann in Unkenntnis bleiben oder falsch urteilen. Solche Unkenntnis und Fehlurteile sind nicht immer frei von Schuld.

1802 Das Wort Gottes ist ein Licht, das unsere Pfade erhellt. Wir müssen es uns im Glauben und im Gebet zu eigen machen und in die Tat umsetzen. Auf diese Weise wird das Gewissen gebildet.






ARTIKEL 7 DIE TUGENDEN



1803 "Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht!" (Ph 4,8).

Die Tugend ist eine beständige, feste Neigung, das Gute zu tun. Sie ermöglicht dem Menschen, nicht nur gute Taten zu vollbringen, sondern sein Bestes zu leisten. Mit all seinen sinnlichen und geistigen Kräften strebt der tugendhafte Mensch nach dem Guten. Er sucht es zu erreichen und entscheidet sich bei seinen konkreten Handlungen dafür (Vgl. dazu auch CEC 1733 CEC 1768).

"Das Ziel eines tugendhaften Lebens besteht darin, Gott ähnlich zu werden" (Gregor von Nyssa, beat. 1).



I Die menschlichen Tugenden

1804 Die menschlichen Tugenden sind feste Haltungen, verläßliche Neigungen, beständige Vollkommenheiten des Verstandes und des Willens, die unser Tun regeln, unsere Leidenschaften ordnen und unser Verhalten der Vernunft und dem Glauben entsprechend lenken. Sie verleihen dem Menschen Leichtigkeit, Sicherheit und Freude zur Führung eines sittlich guten Lebens. Der tugendhafte Mensch tut freiwillig das Gute (Vgl. dazu auch CEC 2500).

Die sittlichen Tugenden werden durch menschliches Bemühen erworben. Sie sind Früchte und zugleich Keime sittlich guter Taten; sie ordnen alle Kräfte des Menschen darauf hin, mit der göttlichen Liebe vereint zu leben (Vgl. dazu auch CEC 1827).



Die Kardinaltugenden

1805 Vier Tugenden sind Angelpunkte des sittlichen Lebens. Aus diesem Grund nennt man sie "Kardinal"-Tugenden; alle anderen sind rund um sie angeordnet. Es sind dies die Klugheit, die Gerechtigkeit, die Tapferkeit und die Mäßigung. "Wenn jemand Gerechtigkeit liebt, in ihren Mühen findet er die Tugenden. Denn sie lehrt Maß und Klugheit, Gerechtigkeit und Tapferkeit" (Sg 8,7). Auch unter anderen Bezeichnungen werden diese Tugenden in zahlreichen Texten der Schrift gelobt.

1806 Die Klugheit ist jene Tugend, welche die praktische Vernunft bereit macht, in jeder Lage unser wahres Gut zu erfassen und die richtigen Mittel zu wählen, um es zu erlangen. "Der Kluge achtet auf seinen Schritt" (Pr 14,15). "Seid also besonnen und nüchtern, und betet!" (1P 4,7). "Klugheit ist die rechte Vernunft als Grund des Handelns", schreibt der hl. Thomas (s. th. II-II 47,2, sc) im Anschluß an Aristoteles. Sie hat nichts mit Schüchternheit oder Ängstlichkeit, mit Doppelzüngigkeit oder Verstellung zu tun. Man nennt sie "auriga virtutum" (Lenkerin der Tugenden): sie steuert die anderen Tugenden, indem sie ihnen Regel und Maß gibt. Die Klugheit lenkt unmittelbar das Gewissensurteil. Der kluge Mensch bestimmt und ordnet sein Verhalten diesem Urteil gemäß. Dank dieser Tugend wenden wir die sittlichen Grundsätze irrtumslos auf die einzelnen Situationen an und überwinden die Zweifel hinsichtlich des Guten, das zu tun, und des Bösen, das zu meiden ist (Vgl. dazu auch CEC 1788 CEC 1780).

1807 Die Gerechtigkeit als sittliche Tugend ist der beständige, feste Wille, Gott und dem Nächsten das zu geben, was ihnen gebührt. Die Gerechtigkeit gegenüber Gott nennt man "Tugend der Gottesverehrung" (virtus religionis). Gerechtigkeit gegenüber Menschen ordnet darauf hin, die Rechte eines jeden zu achten und in den menschlichen Beziehungen jene Harmonie herzustellen, welche die Rechtschaffenheit gegenüber den Personen und dem Gemeinwohl fördert. Der gerechte Mensch, von dem in der Heiligen Schrift oft gesprochen wird, zeichnet sich durch die ständige Geradheit seines Denkens und die Richtigkeit seines Verhaltens gegenüber dem Nächsten aus. "Du sollst weder für einen Geringen noch für einen Großen Partei nehmen; gerecht sollst du deinen Stammesgenossen richten" (Lv 19,15). "Ihr Herren, gebt den Sklaven, was recht und billig ist; ihr wißt, daß auch ihr im Himmel einen Herrn habt" (Col 4,1) (Vgl. dazu auch CEC 2095 CEC 2401).

1808 Die Tapferkeit ist jene sittliche Tugend, die in Schwierigkeiten standhalten und im Erstreben des Guten durchhalten läßt. Sie festigt die Entschlossenheit, Versuchungen zu widerstehen und im sittlichen Leben Hindernisse zu überwinden. Die Tugend der Tapferkeit befähigt, die Angst, selbst die vor dem Tod, zu besiegen und allen Prüfungen und Verfolgungen die Stirn zu bieten. Sie macht bereit, für eine gerechte Sache auch das eigene Leben zu opfern. "Meine Stärke und mein Lied ist der Herr" (Ps 118,14). "In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt" (Jn 16,33) (Vgl. dazu auch CEC 2848 CEC 2473).

1809 Die Mäßigung ist jene sittliche Tugend, welche die Neigung zu verschiedenen Vergnügungen zügelt und im Gebrauch geschaffener Güter das rechte Maß einhalten läßt. Sie sichert die Herrschaft des Willens über die Triebe und läßt die Begierden die Grenzen des Ehrbaren nicht überschreiten. Der maßvolle Mensch richtet sein sinnliches Strebevermögen auf das Gute, bewahrt ein gesundes Unterscheidungsvermögen und richtet sich nach dem Wort: "Folg nicht deinem Herzen und deinen Augen, um nach dem Begehren deiner Seele zu leben" (Si 5,2) (Vgl. Si 37,27-31). Die Tugend des Maßhaltens wird im Alten Testament oft gelobt: "FoIg nicht deinen Begierden, von deinen Gelüsten halte dich fern!" (Si 18,30). Im Neuen Testament wird sie "Besonnenheit" oder "Nüchternheit" genannt. Wir sollen "besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben" (Tt 2,12) (Vgl. dazu auch CEC 2341 CEC 2517).

"Ein gutes Leben führen ist nichts anderes, als Gott aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und aus ganzem Sinn zu lieben. Man bewahrt ihm (durch die Mäßigung) eine ganze Liebe, die kein Unglück erschüttern kann (was Sache der Tapferkeit ist), die einzig ihm gehorcht (das ist die Gerechtigkeit) und die wachsam ist, um alle Dinge zu besehen aus Angst, man könnte sich von List und Lüge überraschen lassen (und das ist Klugheit)" (Augustinus, mor. eccl. 1,25,46).



Die Tugenden und die Gnade

1810 Die menschlichen Tugenden, die man durch Erziehung, durch bewußte Taten und durch Ausdauer in Anstrengungen erlangt, werden durch die göttliche Gnade geläutert und erhoben. Mit der Hilfe Gottes schmieden sie den Charakter und geben Leichtigkeit im Tun des Guten. Der tugendhafte Mensch freut sich am guten Tun (Vgl. dazu auch CEC 1266).

1811 Für den durch die Sünde verwundeten Menschen ist es nicht leicht, das sittliche Gleichgewicht zu bewahren. Das durch Christus geschenkte Heil gibt uns die notwendige Gnade, im Streben nach Tugend auszuharren. Jeder muß stets um diese Gnade des Lichtes und der Kraft bitten, in den Sakramenten Hilfe suchen, mit dem Heiligen Geist mitwirken und dessen Anruf folgen, das Gute zu lieben und sich vor dem Bösen zu hüten (Vgl. dazu auch CEC 2015).



II Die göttlichen Tugenden

(Vgl. dazu auch CEC 2086-2094 CEC 2656-2658)

1812 Die menschlichen Tugenden wurzeln in den göttlichen Tugenden, welche den menschlichen Fähigkeiten die Teilnahme an der göttlichen Natur ermöglichen (Vgl. 2P 1,4). Denn die göttlichen Tugenden beziehen sich unmittelbar auf Gott. Sie befähigen die Christen, in Verbindung mit der heiligsten Dreifaltigkeit zu leben. Sie haben den einen, dreieinigen Gott zum Ursprung, zum Beweggrund und zum Gegenstand (Vgl. dazu auch CEC 1266).

1813 Die göttlichen Tugenden sind Grundlage, Seele und Kennzeichen des sittlichen Handelns des Christen. Sie gestalten und beleben alle sittlichen Tugenden. Sie werden von Gott in die Seele der Gläubigen eingegossen, um sie fähig zu machen, als seine Kinder zu handeln und das ewige Leben zu verdienen. Sie sind das Unterpfand dafür, daß der Heilige Geist in den menschlichen Fähigkeiten wirkt und gegenwärtig ist. Es gibt drei göttliche Tugenden: den Glauben, die Hoffnung und die Liebe (Vgl. 1Co 13,13) (Vgl. dazu auch CEC 2008).



Glaube

(Vgl. dazu auch CEC 142-175)

1814 Der Glaube ist jene göttliche Tugend, durch die wir an Gott und an all das glauben, was er uns gesagt und geoffenbart hat und was die heilige Kirche uns zu glauben vorlegt. Denn Gott ist die Wahrheit selbst. Im Glauben "überantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit" (DV 5). Darum ist der gläubige Mensch bestrebt, den Willen Gottes zu erkennen und zu tun. "Der aus Glauben Gerechte wird leben" (Rm 1,17). Der lebendige Glaube ist "in der Liebe wirksam" (Ga 5,6) (Vgl. dazu auch CEC 506).

1815 Das Geschenk des Glaubens bleibt in dem, der nicht gegen ihn sündigt (Vgl. K. v. Trient: DS 1545). Aber "der Glaube (ist) tot ohne Werke" (Jc 2,26). Der Glaube ohne Hoffnung und Liebe vereint den Gläubigen nicht voll mit Christus und macht ihn nicht zu einem lebendigen Glied seines Leibes.

1816 Der Jünger Christi muß den Glauben bewahren und aus ihm leben, ihn bekennen, mutig bezeugen und weitergeben: Alle müssen "bereit sein, Christus vor den Menschen zu bekennen und ihm in den Verfolgungen, die der Kirche nie fehlen, auf dem Weg des Kreuzes zu folgen" (LG 42 Dienst und das Zeugnis für den Glauben sind heilsnotwendig: "Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen" (Mt 10, 32-33) (Vgl. dazu auch KKK 2471).



Hoffnung

1817 Die Hoffnung ist jene göttliche Tugend, durch die wir uns nach dem Himmelreich und dem ewigen Leben als unserem Glück sehnen, indem wir auf die Verheißungen Christi vertrauen und uns nicht auf unsere Kräfte, sondern auf die Gnadenhilfe des Heiligen Geistes verlassen. "Laßt uns an dem unwandelbaren Bekenntnis der Hoffnung festhalten, denn er, der die Verheißung gegeben hat, ist treu" (He 10,23). Gott hat den Heiligen Geist "in reichem Maß über uns ausgegossen durch Jesus Christus, unseren Retter, damit wir durch seine Gnade gerecht gemacht werden und das ewige Leben erben, das wir erhoffen" (Tt 3,6-7) (Vgl. dazu auch CEC 1024).

1818 Die Tugend der Hoffnung entspricht dem Verlangen nach Glück, das Gott in das Herz jedes Menschen gelegt hat. Sie nimmt in sich die Hoffnungen auf, die das Handeln der Menschen beseelen; sie läutert sie, um sie auf das Himmelreich auszurichten; sie bewahrt vor Entmutigung, gibt Halt in Verlassenheit; sie macht das Herz weit in der Erwartung der ewigen Seligkeit. Der Schwung, den die Hoffnung verleiht, bewahrt vor Selbstsucht und führt zum Glück der christlichen Liebe (Vgl. dazu auch CEC 27).

1819 Die christliche Hoffnung übernimmt und erfüllt die Hoffnung des auserwählten Volkes, die ihren Ursprung und ihr Vorbild in der Hoffnung Abrahams hat. Dieser wird durch die Erfüllung der Verheißungen Gottes in Isaak überreich beschenkt und durch die Prüfung des Opfers geläutert (Vgl. Gn 17,4-8 Gn 22,1-18). "Gegen alle Hoffnung hat er voll Hoffnung geglaubt, daß er der Vater vieler Völker werde" (Rm 4,18) (Vgl. dazu auch CEC 146).

1820 Die christliche Hoffnung wird gleich zu Beginn der Predigt Jesu in den Seligpreisungen entfaltet. Die Seligpreisungen richten unsere Hoffnung auf den Himmel als das neue verheißene Land; sie weisen den Weg durch die Prüfungen, die auf die Jünger Jesu warten. Aber durch die Verdienste Jesu Christi und seines Leidens bewahrt uns Gott in der Hoffnung; "die Hoffnung aber läßt nicht zugrunde gehen" (Rm 5,5). "In ihr haben wir einen sicheren und festen Anker der Seele", der dort hinreicht, wohin "Jesus für uns als unser Vorläufer hineingegangen" ist (He 6,19-20). Sie ist auch eine Waffe, die uns im Kampf um das Heil schützt: Wir wollen "uns rüsten mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil" (1Th 5,8). Sie verschafft uns selbst in der Prüfung Freude: "Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis!" (Rm 12,12). Sie äußert und nährt sich im Gebet, insbesondere im Vaterunser, der Zusammenfassung all dessen, was die Hoffnung uns ersehnen läßt (Vgl. dazu auch CEC 1716 CEC 2772).

1821 Wir dürfen also die Herrlichkeit des Himmels erhoffen, die Gott denen verheißen hat, die ihn lieben (Vgl. Rm 8,28-30) und seinen Willen tun (Vgl. Mt 7,21). In jeder Lage sollen wir hoffen, mit der Gnade Gottes "bis zum Ende auszuharren" (Vgl. Mt 10,22 K. v. Trient: DS 1541) und die Freude des Himmels zu erlangen: die von Gott geschenkte ewige Vergeltung der guten Werke, die mit der Gnade Christi getan wurden. Voller Hoffnung betet die Kirche, daß "alle Menschen gerettet werden" (1Tm 2,4). Sie sehnt sich danach, in der Herrlichkeit des Himmels mit Christus, ihrem Bräutigam, vereint zu sein (Vgl. dazu auch CEC 2016 CEC 1037).

"Hoffe, meine Seele, hoffe! Du weißt nicht den Tag und die Stunde. Wache aufmerksam. Alles geht rasch vorbei, obwohl deine Ungeduld das, was sicher ist, zweifelhaft und eine recht kurze Zeit lang macht. Denk daran: Je mehr du kämpfst, desto mehr wirst du deine Liebe zu Gott beweisen und desto mehr wirst du dich eines Tages mit deinem Geliebten freuen in einem Glück und einem Entzücken, die nie enden können" (Theresia v. Jesus, excl. 15,3).



Liebe

1822 Die Liebe ist jene göttliche Tugend, kraft derer wir Gott um seiner selbst willen über alles lieben und aus Liebe zu Gott unseren Nächsten lieben wie uns selbst (Vgl. dazu auch CEC 1723).

1823 Jesus macht die Liebe zum neuen Gebot (Vgl. Jn 13,34). Da er die Seinen "bis zur Vollendung" liebt (Jn 13,1), offenbart er die Liebe, die er vom Vater empfängt. Die Jünger ahmen durch die Liebe zueinander die Liebe Jesu nach, die sie von ihm empfangen. Darum sagt Jesus: "Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!" (Jn 15,9). Und auch: "Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe" (Jn 15,12) (Vgl. dazu auch CEC 1970).

1824 Als Frucht des Geistes und Vollendung des Gesetzes hält die Liebe die Gebote Gottes und Christi. "Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben" (Jn 15,9-10) (Vgl. Mt 22,40 Rm 13,8-10) (Vgl. dazu auch CEC 735).

1825 Christus ist aus Liebe zu uns gestorben, als wir noch "Feinde" waren (Rm 5,10). Der Herr verlangt von uns, nach seinem Beispiel unsere Feinde zu lieben (Mt 5,44), uns dem Fernsten als Nächste zu erweisen (Vgl. Lc 10,27-37), die Kinder (Vgl. Mc 9,37) und die Armen (Vgl. Mt 25,40 Mt 25,45) zu lieben (Vgl. dazu auch CEC 604).

Der hl. Apostel Paulus hat ein unvergleichliches Bild der Liebe entworfen: "Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, läßt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand" (1Co 13,4-7).

1826 Der Apostel sagt auch: Wenn ich alles hätte und könnte, "hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts"; und wenn ich alles, was Vorrecht, Dienst und selbst Tugend ist, besäße, "hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts" (1Co 13,1-4). Die Liebe steht über allen Tugenden. Sie ist die erste der göttlichen Tugenden: "Es bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe" (1Co 13,13).

1827 Die Übung aller Tugenden wird von der Liebe beseelt und angeregt. Diese ist "das Band der Vollkommenheit" (Col 3,14); sie ist die Form der Tugenden; sie gliedert und ordnet diese untereinander; sie ist Ursprung und Ziel des christlichen Tugendlebens. Die christliche Liebe sichert und läutert unsere menschliche Liebeskraft. Sie erhebt sie zu übernatürlicher Vollkommenheit, zur göttlichen Liebe (Vgl. dazu auch CEC 815 CEC 826).

1828 Das von der Liebe beseelte sittliche Leben gibt dem Christen die Freiheit der Kinder Gottes. Er verhält sich vor Gott nicht mehr wie ein Sklave, in knechtischer Furcht, und auch nicht wie ein Tagelöhner, der entlohnt werden will, sondern wie ein Sohn, der auf die Liebe dessen antwortet, der "uns zuerst geliebt hat" (1Jn 4,19) (Vgl. dazu auch CEC 1972).

"Entweder wenden wir uns vom Bösen ab aus Furcht vor Bestrafung, und dann verhalten wir uns wie ein Sklave. Oder wir sind auf den Vorteil der Belohnung bedacht und erfüllen die Gebote, weil daraus Vorteil entspringt; dann gleichen wir den Tagelöhnern. Oder wir gehorchen um des Guten selbst willen und aus Liebe zu dem, der uns das Gesetz gegeben hat ... dann verhalten wir uns wie Söhne" (Basilius, reg. fus. prol. 3).

1829 Die Frucht der Liebe sind Freude, Friede und Barmherzigkeit; die Liebe verlangt Wohltätigkeit und brüderliche Zurechtweisung; sie ist Wohlwollen; sie will gegenseitig sein; sie bleibt uneigennützig und großzügig; sie ist Freundschaft und Gemeinschaft (Vgl. dazu auch CEC 2540).

"Die Vollendung all unserer Werke ist die Liebe. Das ist das Ziel, um dessentwillen wir laufen, dem wir zueilen und in dem wir, wenn wir es erreicht haben, ruhen werden" (Augustinus, ep. Jo. 10,4).



Katechismus KK 1997 1755