Christifideles laici DE 56

FÜNFTES KAPITEL


DAMIT IHR MEHR FRUCHT BRINGT


Erziehung und Ausbildung der Laien

Ständiges Reifen

57 Das biblische Bild des Weinstocks und der Reben enthüllt uns einen anderen wesentlichen Aspekt des Lebens und der Sendung der Laien: die Berufung, zu wachsen und ständig zu reifen, immer mehr Frucht zu bringen.

Als wachsamer Winzer sorgt der Vater für seinen Weinberg. Die sorgende Gegenwart Gottes wird von Israel innig erfleht, wenn es betet: »Gott der Heerscharen, wende dich uns wieder zu! Blicke vom Himmel herab, und sieh auf uns! Sorge für diesen Weinstock und für den Garten, den deine Rechte gepflanzt hat« (
Ps 80,15-16). Jesus selbst spricht vom Werk des Vaters: »Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab, und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt« (Jn 15,1-2).

Die Lebendigkeit der Reben ist gegeben mit ihrer Verwurzelung im Weinstock, der Jesus Christus ist: »Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen« (Jn 15,5).

Der Mensch wird in seiner Freiheit vom Ruf Gottes getroffen, zu wachsen, zu reifen, Frucht zu bringen. Er kommt nicht umhin, zu antworten und seine persönliche Verantwortung zu übernehmen. Es ist eine schwere und faszinierende Verantwortung, auf die sich die ernsten Worte Jesu beziehen: »Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen, und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen« (Jn 15,6).

Aus diesem Dialog zwischen Gott, der ruft, und dem Menschen, der angerufen wird, ergibt sich die Möglichkeit, ja die Notwendigkeit einer umfassenden, ständigen Erziehung und Ausbildung der Laien. Sie stellte berechtigterweise einen wesentlichen Teil der Arbeit der Synodenväter dar.

Nachdem sie die christliche Erziehung und Ausbildung als »einen ständigen persönIichen Prozeß der Ausreifung im Glauben und der Gleichförmigkeit mit Christus nach dem Willen des Vaters und unter Führung des Heiligen Geistes« beschrieben hatten, erklärten die Synodenväter ausdrücklich, daß »die Erziehung und Ausbildung der Laien unter den Prioritäten der Diözese und in die Pastoralprogramme aufgenommen werden muß, so daß alle Bemühungen der Gemeinde (der Priester, Laien und Ordensleute) auf dieses Ziel hin konvergieren«.(209)

[209] Propositio 40.


Die eigene Berufung und Sendung entdecken und leben

58 Grundziel der Erziehung und Ausbildung der Laien ist die immer eindeutigere Entdeckung der eigenen Berufung, sowie die wachsende Bereitschaft, diese in der Erfüllung der eigenen Sendung zu leben.

Gott ruft mich und sendet mich als Arbeiter in seinen Weinberg. Er ruft mich und sendet mich, für die Ankunft seines Reiches in der Geschichte zu arbeiten. Diese persönliche Berufung und Sendung machen die Würde und Verantwortung eines jeden Laien aus und sind Kristallisationspunkt der gesamten Erziehung und Ausbildung. Diese wiederum sind auf die frohmachende Erkenntnis der Würde und auf die treue hochherzige Antwort auf diese Verantwortung hingeordnet.

Gott hat von Ewigkeit her an uns gedacht und uns als unwiederholbare, einmalige Menschen geliebt. Er hat einen jeden von uns bei seinem Namen gerufen, wie der gute Hirt, der »die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen« ruft (
Jn 10,3) . Aber der ewige Plan Gottes enthüllt sich einem jeden von uns erst im geschichtlichen Ablauf unseres Lebens und seiner Ereignisse nur schrittweise, in einem gewissen Sinn Tag für Tag.

Die Erkenntnis des konkreten Willens des Herrn über unser Leben erfordert aufmerksames, gehorsames und bereites Hören auf das Wort Gottes und der Kirche, kindliches und ständiges Beten, Rückhalt in einer weisen und liebevollen geistlichen Führung, gläubige Deutung der empfangenen Gaben und Talente und zugleich der verschiedenen sozialen und historischen Situationen, in denen man steht.

Im Leben eines jeden Laien gibt es besonders bedeutende und entscheidende Momente, den Ruf Gottes zu erkennen, und die Sendung, die er anvertraut, aufzunehmen. Dazu zählen die frühe Jugend und die Jugend. Man darf aber nicht vergessen, daß der Herr, wie der Gutsbesitzer, die Arbeiter zu allen Stunden des Lebens ruft, das heißt, daß er seinen heiligen Willen auf konkrete Weise punktuell kundtut. Darum muß die Wachsamkeit als entgegenkommende Aufmerksamkeit für die Stimme Gottes immer die Grundhaltung des Jüngers prägen.

Es geht aber nicht darum, lediglich zu wissen, was Gott von uns, von jedem einzelnen in den verschiedenen Situationen des Lebens will. Es geht darum, das, was Gott will, zu tun. Daran erinnert uns das Wort Marias, der Mutter Jesu, an die Diener von Kana: »Was er euch sagt, das tut« (Jn 2,5). Wir müssen fähig und immer fähiger werden, nach dem Willen Gottes zu handeln. Dazu ist gewiß die Hilfe der Gnade Gottes notwendig, die nie fehlt, wie Leo der Große behauptet: »Der, der die Würde verliehen hat, wird die Kraft verleihen«.(210) Notwendig ist aber auch die freie und verantwortliche Mitarbeit eines jeden von uns.

Diese wunderbare und zugleich anspruchsvolle Aufgabe erwartet ausnahmslos alle Laien, alle Christen. Sie sollen die Reichtümer des Glaubens und der Taufe immer mehr erkennen und in der wachsenden Fülle leben. Der Apostel Petrus legt es uns nahe, wenn er von der Geburt und dem Wachstum als zwei Etappen des christlichen Lebens spricht: »Verlangt, gleichsam als neugeborene Kinder, nach der unverfälschten, geistigen Milch, damit ihr durch sie heranwachst und das Heil erlangt« (1P 2,2).

[210] "Dabit virtutem, qui contulit dignitatem" (San León Magno, Serm. II, 1: S. Ch. 200, 248).


Umfassende Erziehung und Ausbildung auf die Einheit des Lebens hin

59 Bei der Entdeckung und Verwirklichung der eigenen Berufung und Sendung müssen die Laien zu jener Einheit hingeführt werden, die ihrem Sein als Glieder der Kirche und als Bürger der menschlichen Gesellschaft entspricht.

Sie können keine Parallelexistenz führen: auf der einen Seite ein sogenanntes »spirituelles« Leben mit seinen Werten und Forderungen und auf der anderen Seite das sogenannte »welthafte« Leben, das heißt das Familienleben, das Leben in der Arbeit, in den sozialen Beziehungen, im politischen Engagement und in der Kultur.

Die Rebe, die im Weinstock Christi verwurzelt ist, trägt in allen Bereichen ihres Wirkens und Lebens Früchte. Alle verschiedenen Lebensbereiche der Laien sind im Plan Gottes inbegriffen. Er will, daß sie der »geschichtliche Ort« der Offenbarung und Verwirklichung der Liebe Jesu Christi zur Ehre des Vaters und im Dienst der Brüder und Schwestern werden. Jedes Tun, jede Situation, jede konkrete Verpflichtung - wie zum Beispiel die Kompetenz und die Solidarität in dér Arbeit, die Liebe und Hingabe in der Familie und in der Erziehung der Kinder, der soziale und politische Dienst, das Künden der Wahrheit auf dem Gebiet der Kultur - sind privilegierte Gelegenheiten für einen »ständigen Vollzug von Glaube, Hoffnung und Liebe«.(211)

Das II. Vatikanische Konzil hat alle Gläubigen zu dieser Einheit des Lebens aufgefordert und entschieden die Schwere der Zäsur zwischen Glauben und Leben, zwischen Evangelium und Kultur verurteilt: »Das Konzil fordert die Christen, die Bürger beider Gemeinwesen, auf, nach treuer Erfüllung ihrer irdischen Pflichten zu streben und dies im Geist des Evangeliums. Die Wahrheit verfehlen die, die im Bewußtsein, hier keine bleibende Stätte zu haben, sondern die künftige zu suchen, darum meinen, sie könnten ihre irdischen Pflichten vernachlässigen und so verkennen, daß sie, nach Maßgabe der jedem zuteil gewordenen Berufung, gerade durch den Glauben selbst um so mehr zu deren Erfüllung verpflichtet sind ... Diese Spaltung bei vielen zwischen dem Glauben, den man bekennt, und dem täglichen Leben gehört zu den schweren Verirrungen unserer Zeit«.(212) Aus diesem Grund habe ich behauptet, daß ein Glaube, der nicht zur Kultur wird, ein Glaube ist, der »nicht voll angenommen, nicht ganz durchdacht und nicht treu gelebt ist«.(213)

[211] Conc. Ecum. Vat. II, Dec. sobre el apostolado de los laicos Apostolicam actuositatem,
AA 4.
[212] Conc. Ecum. Vat. II, Const. past. sobre la Iglesia en el mundo actual Gaudium et spes, GS 43. Cf. también Dec. sobre la actividad misionera de la Iglesia Ad gentes, AGD 21; Pablo VI, Exh. Ap.Evangelii nuntiandi, EN 20: AAS 68 (1976) 19.
[213] Juan Pablo II, Discurso a los participantes al Congreso Nacional del Movimiento Eclesial de Acción Cultural (M.E.I.C.) (16 Enero 1982), 2: Insegnamenti, V, 1 (1982) 131; cf. también laCarta al Cardenal Agostino Casaroli, Secretario de Estado, con la que se constituye el Pontificio Consejo para la Cultura (20 Mayo 1982): AAS 74 (1982) 685; Discurso a la Comunidad universitaria de Lovaina (20 Mayo 1985): Insegnamenti, VIII, 1 (1985) 1591.


Aspekte der Erziehung und Ausbildung

60 Die vielen und aufeinander bezogenen Aspekte einer umfassenden Erziehung und Ausbildungder Laien sind in diese Synthese des Lebens einzuordnen.

Zweifelsohne muß der spirituellen Erziehung im Leben eines jeden ein privilegierter Stellen wert zukommen. Denn jeder ist berufen, ständig zu wachsen in der Intimität mit Jesus Christus, im Einvernehmen mit dem Willen des Vaters, in der Hingabe an die Brüder in der Liebe und der Gerechtigkeit. Das Konzil schreibt: »Dieses Leben innigster Vereinigung mit Christus in der Kirche nähren die gleichen geistlichen Hilfen, die allen Gläubigen zu Gebote stehen, vor allem die tätige Teilnahme an der heiligen Liturgie. Dieser Hilfen müssen sich die Laien so bedienen, daß sie bei der rechten Erfüllung ihrer weltlichen Pflichten in den gewöhnlichen Lebensverhältnissen die Vereinigung mit Christus nicht von ihrem Leben abspalten, vielmehr in dieser Vereinigung dadurch noch wachsen, daß sie ihre Arbeit gemäß dem Willen Gottes leisten«.(214)

Eine theologische Schulung der Laien erweist sich heute nicht nur aufgrund der Dynamik ihrer Glaubensvertiefung, sondern auch aufgrund der Forderung, vor der Welt und ihren schweren und komplexen Problemen die »Hoffnung, die in ihnen ist, zu bezeugen«, als immer notwendiger. Eine systematische, dem Alter und den verschiedenen Lebenssituationen angepaßte Katechese ist absolut erforderlich. Ebenso dringend ist ein ausgesprochen christlicher Einfluß auf die Kultur als Antwort auf die ewigen Fragen, die auch heute Menschen und Gesellschaften beunruhigen.

Vor allem für die Laien, die auf vielfältige Weise in der Politk und im sozialen Bereich engagiert sind, ist eine tiefere Kenntnis der Soziallehre der Kirche unerläßlich. Die Synodenväter haben wiederholt in ihren Interventionen diese Bitte ausgesprochen. Zur Mitwirkung der Laien an der Politik äußerten sie: »Damit die Laien dieses edle Ziel (die Anerkennung und Wertschätzung der menschlichen und christlichen Werte) verwirklichen können, sind Ermahnungen nicht genug. Ihnen muß zur Bildung eines sozialen Gewissens vor allem auf dem Gebiet der Soziallehre der Kirche verholfen werden. Diese enthält die Prinzipien für theoretische Überlegungen, die Kriterien zur Urteilsfällung und die praktischen Richtlinien (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über Christliche Freiheit und Befreiung)«. Sie ist in der allgemeinen katechetischen Ausbildung, in den spezialisierten Schulungen, in Schulen und Universitäten zu lehren.

Die Soziallehre der Kirche ist dynamisch, das heißt, sie ist den jeweiligen Zeiten und Orten angepaßt. Es ist Recht und Pflicht der Hirten, auch die moralischen Prinzipien der Gesellschaftsordnung zu künden. Pflicht aller Christen ist es, sich in der Verteidigung der Menschenrechte zu engagieren; die aktive Mitwirkung an politischen Parteien ist jedoch den Laien vorbehalten«.(215)

Im Rahmen der umfassenden, einheitlichen Erziehung und Ausbildung der Laien nimmt schließlich ihr persönliches Wachstum an menschlichen Werten eine besondere Bedeutung für ihr missionarisches und apostolisches Tun an. In diesem Sinn hat das Konzil geschrieben: »Hochschätzen mögen sie (die Laien) auch berufliche Sachkenntnis, familiären und mitbürgerlichen Sinn und alle jene Tugendhaltungen, die sich auf den mitmenschlichen Umgang beziehen, wie Rechtschaffenheit, Sinn für Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Menschlichkeit, Starkmut, ohne die auch ein wahrhaft christliches Leben nicht bestehen kann«.(216)

Der Heilige Geist, der Geist der Einheit und der Fülle des Lebens, wird den Laien bei der Ausreifung einer organischen Lebenssynthese, die die Einheit ihres Seins zum Ausdruck bringt und Bedingung für die Erfüllung ihrer Sendung ist, beistehen.

[214] Conc. Ecum. Vat. II, Dec. sobre el apostolado de los laicos Apostolicam actuositatem,
AA 4.
[215] Propositio 22. Cf también Juan Pablo II, Enc. Sollicitudo rei socialis, SRS 41: AAS 80 (1988) 570-572.
[216] Conc. Ecum. Vat. II, Dec. sobre el apostolado de los laicos Apostolicam actuositatem, AA 4.


Mitarbeiter Gottes, des eigentlichen Erziehers

61 Welche sind die Orte und Mittel der Erziehung und Ausbildung der Laien? Welche sind die Menschen und Gemeinschaften, die dazu berufen sind, die Aufgabe der umfassenden, einheitlichen Erziehung und Ausbildung der der Laien zu übernehmen?

So wie das Werk der menschlichen Erziehung zutiefst mit der Vater- und der Mutterschaft verbunden ist, so hat die christliche Erziehung und Ausbildung in Gott, dem Vater, der seine Kinder liebt und erzieht, ihre Kraft und Wurzel. Gott ist der erste und große Erzieher seines Volkes, wie diese Passage vom Moses-Lied es wunderbar zum Ausdruck bringt: »Er fand ihn in der Steppe, in der Wüste, wo wildes Getier heult. Er hüllte ihn ein, gab auf ihn acht und hütete ihn wie seinen Augenstern, wie der Adler, der sein Nest beschützt und über seinen Jungen schwebt, der seine Schwingen ausbreitet, ein Junges ergreift und es flügelschlagend davonträgt. Der Herr allein hat Jakob geleitet, kein fremder Gott stand ihm zur Seite« (
Dt 32,10-12 vgl. Dt 8,5).

Gottes erzieherisches Tun findet in Jesus, dem großen Meister, seine Offenbarung und Erfüllung. Durch die dynamische Präsenz des Geistes dringt es bis in das Innerste eines jeden Menschenherzens. Die Mutter Kirche ist als solche sowie in ihren verschiedenen Äußerungen und Erscheinungsformen dazu berufen, an dieser göttlichen Erziehung mitzuwirken. So werden die Laien von der Kirche und in ihr in einer gegenseitigen Gemeinschaft und Mitarbeit aller ihrer Glieder erzogen: Priester, Ordensleute und Laien. Die gesamte kirchliche Gemeinschaft empfängt in ihren verschiedenen Gliedern die Fruchtbarkeit des Geistes und trägt aktiv zu ihr bei. In diesem Sinn schrieb Methodius von Olymp: »Die Unvollkommenen ... werden wie im Schoß der Mutter getragen und geformt von den Vollkommeneren, damit sie für die Größe und Schönheit der Tugend gezeugt und geboren werden«.(217) So geschah es mit Paulus, der von den Präfekten (in der Person des Ananias) in die Kirche gebracht und hineingeführt wurde, um selber vollkommen und in so vielen Kindern fruchtbar zu werden.

Erzieherin ist vor allem die Universalkirche, in der dem Papst die erste Aufgabe als Erzieher der Laien zukommt. Ihm, dem Nachfolger Petri, steht das Amt zu, »die Brüder im Glauben zu stärken«, und allen Gläubigen die wesentlichen Inhalte der christlichen und kirchlichen Berufung und Sendung zu lehren. Nicht allein sein unmittelbares Wort, sondern auch das, was in den verschiedenen Dokumenten der Dikasterien des Heiligen Stuhles weitergegeben wird, muß Gegenstand des bereitwilligen und liebevollen Horchens der Laien sein.

Die eine universelle Kirche ist in den verschiedenen Teilen der Welt in den Teilkirchen präsent. In jeder von ihnen hat der Bischof eine besondere Verantwortung für die Laien. Er muß sie durch die Verkündigung des Wortes, durch die Feier der Eucharistie und der Sakramente, durch die Führung und Inspirierung ihres christlichen Lebens erziehen.

Innerhalb der Teilkirche oder Diözese existiert und wirkt die Pfarrei, die für die unmittelbare persönliche Erziehung und Ausbildung der Laien eine besondere Verantwortung trägt. Weil die Pfarrei leichter in eine unmittelbare Beziehung zu den einzelnen und den Gruppen kommt, ist sie berufen, ihre Glieder zum Hören auf das Wort, zum Dialog mit Gott in der Liturgie und im persönlichen Gebet zu führen und so auf konkretere und umittelbare Weise den Sinn der Gemeinschaft der Kirche und ihrer missionarischen Verantwortung erfahrbar werden zu lassen.

Innerhalb der Pfarreien, besonders wenn sie ein weites und auseinanderliegendes Gebiet decken, können die kleinen kirchlichen Gemeinschaften bei der Erziehung und Ausbildung der Christen eine bedeutende Hilfe leisten. Sie vermögen es, Bewußtsein und Erfahrung der communio und Sendung der Kirche auf greifbare und kapillare Weise zu vermitteln. Wie die Synodenväter es sagten, kann auch eine Katechese nach der Taufe, nach der Art eines Katechumenats von Hilfe sein. Sie soll einige wesentliche Elemente aus dem Ritus der christlichen Einführung für Erwachsene aufnehmen und so dazu beitragen, die immensen außerordentlichen Reichtümer und Verantwortungen der Taufe zu verstehen und zu verwirklichen.(218)

Im Rahmen der Erziehung und Ausbildung, die den Laien in Diözese und Pfarrei geboten wird, ist die gegenseitige Hilfe unter den verschiedenen Gliedern der Kirche vor allen für die Erweckung des Sinnes für die communio und die Sendung von besonderer Bedeutung. Die gegenseitige Hilfe enthüllt und verwirklicht zugleich das Geheimnis der Kirche als Mutter und Erzieherin. Priester und Ordensleute müssen den Laien bei ihrer Erziehung und Ausbildung helfen. In diesem Sinn haben die Synodenväter die Priester und Priesteramtskandidaten dazu aufgefordert, »sich sorgfältig darauf vorzubereiten, die Berufung und die Sendung der Laien zu fördern«.(219) Die Laien müssen ihrerseits den Priestern und Ordensleuten auf ihrem geistlichen und pastoralen Weg beistehen.

[217] San Metodio de Olimpo, Symposion III, 8: S. Ch. 95, 110.
[218] Cf. Propositio 11.
[219] Propositio 40.


Andere Erziehungsbereiche

62 Die christliche Familie stellt als »Hauskirche« eine naturgegebene, grundlegende Schule der Glaubenserziehung dar: Vater und Mutter erhalten im Ehesakrament Gnade und Auftrag, sich der christlichen Erziehung ihrer Kinder zu widmen, denen sie die christlichen und menschlichen Werte bezeugen und weitergeben. Wenn sie lernen, die ersten Worte zu sprechen, lernen die Kinder auch, Gott zu loben, dessen Nähe als liebenden, vorsorgenden Vater sie spüren. Wenn sie die ersten Gesten der Liebe lernen, lernen sie, sich anderen gegenüber zu öffnen und den Sinn des menschlichen Lebens in der Hingabe ihrer selbst zu finden.

Das tägliche Leben einer wahrhaft christlichen Familie ist die erste »Erfahrung von Kirche«. Sie findet in der aktiven und verantwortlichen Teilnahme der Kinder an der weiteren Gemeinschaft der Kirche und Gesellschaft eine Bestätigung und Weiterentwicklung. Je mehr Eheleute und christliche Eltern das Bewußtsein haben, als »Hauskirche« am Leben und an der Sendung der Universalkirche teilzunehmen, um so mehr werden die Kinder zum »sentire cum ecclesia« geführt und das Schöne der Hingabe ihrer Kraft für den Dienst am Reich Gottes erfahren.

Die katholischen Sckulen und Universitäten sowie die Zentren geistlicher Erneuerung, die sich heute immer mehr verbreiten, sind wichtige Orte der Erziehung und Ausbildung. Wie die Synodenväter es betonten, genügt es im heutigen sozio-kulturellen Kontext, der von einer tiefen kulturellen Umwälzung gezeichnet ist, nicht, daß die christlichen Eltern sich am Leben der Schule beteiligen - was aber immer notwendig und unersetzlich ist. Laien müssen dazu vorbereitet werden, sich dem Werk der Erziehung als einer wahren kirchlichen Sendung zu widmen. »Erziehungsgemeinschaften« aus Eltern, Lehrern Priestern, Ordensleuten und Vertretern von Jugendlichen müssen gebildet und gefördert werden. Damit die Schule ihre Erziehungsaufgabe in der rechten Weise erfüllen kann, sollten die Laien sich verpflichten, auch aufgrund einer entsprechenden bürgerlichen Gesetzgebung, Erziehungsfreiheit von allen zu verlangen und für alle zufordern.(220)

Die Synodenväter richteten an alle Laien, Männer und Frauen, die aus einer sozialen und christlichen Haltung heraus in der Schule und den Erziehungseinrichtungen erzieherische Aufgaben erfüllen, Worte der Anerkennung und Ermutigung.

Sie wiesen zudem darauf hin, daß alle Laien, die in den verschiedenen katholischen oder nicht katholischen Schulen lehren und dozieren, Zeugen des Evangeliums werden müssen: durch das Beispiel ihres Lebens, durch ihre berufliche Kompetenz und Redlichkeit, durch die christliche Ausrichtung ihres Unterrichtes, unbeschadet der Autonomie der verschiedenen Wissenschaften und Disziplinen. Es ist entscheidend, daß die von Laien betriebene wissenschaftliche und technische Forschung sich vom Kriterium des Dienstes am Menschen in der Ganzheit seiner Werte und seiner Rechte bestimmen läßt. Diesen Laien vertraut die Kirche die Aufgabe an, allen die tiefe Beziehung zwischen Glauben und Wissenschaft, zwischen Evangelium und menschlicher Kultur aufzuschließen.(221)

»Diese Synode« - so lesen wir in einer Propositio - »appelliert an die prophetische Aufgabe der katholischen Schulen und Universitäten und hebt die Hingabe der Lehrer und Professoren, besonders der vielen Laien hervor, die sich bemühen, in den katholischen Erziehungseinrichtungen Männer und Frauen zu formen, die das »neue Gebot« inkarnieren. Die gemeinsame Präsenz von Priestern, Laien und Ordensleuten bietet den Schülern ein lebendiges Bild der Kirche und die Erkenntnis ihrer Reichtümer (vgl. Kongregation für die Christliche Erziehung, Der Laie als Erzieher, Zeuge des Glaubens in der Schule)«.(222)

Auch die Gruppen, Vereinigungen und Bewegungen haben eine Aufgabe für die Erziehung und Ausbildung der Laien zu erfüllen. Sie können, den jeweiligen Methoden entsprechend, ihren Mitgliedern eine Erziehung und Bildung anbieten, die in ihrer eigenen apostolischen Erfahrung verankert ist. Ferner ist ihnen die Chance gegeben, die Erziehung und Bildung, die ihre Mitglieder von anderen Menschen und Gemeinschaften empfangen, zu integrieren, zu konkretisieren und spezifisch anzuwenden.

[220] Cf. Propositio 44.
[221] Cf. Propositio 45.
[222] Propositio 44.


Die Erziehung und Ausbildung, die alle einander geben und voneinander empfangen

63 Erziehung und Ausbildung sind kein Privileg einzelner, sondern Pflicht und Recht aller.

Die Synodenväter haben dazu gesagt: »Allen soll die Möglichkeit der Erziehung und Ausbildung gegeben werden, vor allem den Armen, dieselbst für alle anderen Quelle der Erziehung und Ausbildung werden können«. Sie fuhren fort: »Für die Erziehung und Ausbildung sollen geeignete Mittel angewandt werden, die jedem helfen, seine volle menschliche und christliche Berufung zu erfüllen«.(223)

Für eine wahrhaft einflußreiche und effektive Pastoral muß die Erziehung und Ausbildung der Erzieher auch durch geeignete Kurse und Schulen weiterentwickelt werden. Solche, die ihrerseits in der Erziehung und Ausbildung der Laien engagiert sein werden, zu formen, ist eine grundlegende Voraussetzung, um die allgemeine, kapillare Erziehung und Ausbildung der Laien zu gewährleisten.

Bei der Erziehung und Ausbildung ist, einer expliziten Aufforderung der Synodenväter gemäß, der jeweiligen Kultur besondere Aufmerksamkeit zu widmen: »Erziehung und Ausbildung der Laien müssen die menschliche Kultur des jeweiligen Ortes weitgehendst berücksichtigen. Diese trägt nämlich zu dieser Erziehung und Ausbildung bei und bietet Hilfen an, um über die Werte der traditionellen und der modernen Kultur zu urteilen. Auch die verschiedenen Kulturen, die im selben Volk und in einem Land koexistieren, müssen berücksichtigt werden. Die Kirche, die Mutter und Meisterin der Völker ist, muß sich gegebenen falls darum bemühen, die Kultur der Minderheiten, die in großen Ländern leben, zu schützen«.(224)

Bestimmte Überzeugungen sind besonders notwendig und fruchtbar, vor allem die, daß eine wahre, effektive Erziehung und Ausbildung nur dann vermittelt werden kann, wenn jeder selbst die Verantwortung dafür übernimmt und vertieft. Denn Erziehung ist wesentlich »Selbst-Erziehung«.

Ferner ist die Überzeugung wichtig, daß ein jeder von uns zugleich Ziel und Anfang der Erziehung und Ausbildung ist. Je mehr wir erzogen werden, um so mehr empfinden wir die Notwendigkeit, diese Erziehung fortzusetzen und zu vertiefen. Und je mehr wir erzogen und geformt sind, um so mehr werden wir fähig, andere zu formen.

Von besonderer Bedeutung ist das Bewußtsein, daß das Werk der Erziehung und Ausbildung, wenn es auch vernünftigerweise auf die Methoden und Mittel der Humanwissenschaften zurückgreift, seine Wirksamkeit an ihrer Verfügbarkeit für das Wirken Gottes mißt: Nur die Rebe, die nicht fürchtet, vom Winzer beschnitten zu werden, bringt für sich selbst und für die anderen mehr Frucht.

[223] Propositio 41.
[224] Propositio 42


Aufruf und Gebet

64 Zum Abschluß dieses postsynodalen Dokumentes erinnere ich nochmal an die Einladung des »Gutsbesitzers«, von dem das Evangelium berichtet: Geht auch ihr in meinen Weinberg! Man kann sagen, daß die Bedeutung der Synode über die Berufung und Sendung der Laien gerade in diesem Anruf des Herrn Jesus an alle, insbesondere an die Laien, Männer und Frauen, liegt.

Die Arbeiten der Synode waren für alle Teilnehmer eine tiefe geistliche Erfahrung: Die Erfahrung einer Kirche, die im Licht und in der Kraft des Geistes aufgeschlossen zu hören und zu unterscheiden vermag. Der Kirche, die den erneuten Anruf ihres Herrn aufnimmt, um der Welt von heute das Geheimnis der communio und dabei insbesondere den spezifischen kirchlichen Ort und die spezifische Aufgabe der Laien erkennt. Die Frucht dieser Synode, die dieses Apostolische Schreiben auf möglichst lebendige Weise in alle Kirchen auf der weiten Welt hervorbringen möchte, wird bestimmt durch die effektive Aufnahme, die der Anruf des Herrn beim gesamten Volk Gottes und in ihm bei den Laien finden wird.

Darum rufe ich innigst alle und jeden einzelnen, Hirten und Gläubige, auf, nie müde zu werden, dasBewußtsein ihrer Zugehörigkeit zur Kirche wachzuhalten, ja immer tiefer in ihrem Geist, in ihrem Herzen und in ihrem Leben zu verwurzeln. Es ist das Bewußtsein, Glieder der Kirche Jesu Christi zu sein, teilzuhaben am Geheimnis seiner communio und an seiner apostolischen und missionarischen Kraft.

Von überaus großer Bedeutung ist es, daß alle Christen sich der außerordentlichen Würde, die ihnen durch die heilige Taufe gewährt wurde, bewußt sind: Durch die Gnade sind wir berufen, geliebte Kinder des Vaters, Christus und seiner Kirche eingegliedert, lebendige und heilige Tempel des Geistes zu werden. Hören wir erneut mit dankbarer Ergriffenheit auf die Worte des Evangelisten Johannes: »Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es« (
1Jn 3,1).

Diese »Neuheit des Christlichen«, die den Gliedern der Kirche gegeben ist, stellt für alle die Wurzel ihrer Teilhabe am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi sowie ihrer Berufung zur Heiligkeit in der Liebe dar. Für die Laien kommt sie im »Weltcharakter«, der ihnen »eigen ist«, entsprechend zum Ausdruck und zur Verwirklichung.

Das Bewußtsein der Zugehörigkeit zur Kirche schließt das Bewußtsein der gemeinsamen christlichen Würde und das Bewußtsein der Zugehörigkeit zum Geheimnis der Kirche alscommunio ein. Dieses ist ein wesentlicher, entscheidender Aspekt für das Leben und die Sendung der Kirche.

Das Gebet Jesu beim letzten Abendmahl gilt allen und jedem einzelnen: »Ut unum sint!«. Es muß täglich zu einem unverzichtbaren Programm des Lebens und Handelns werden.

Der lebendige Sinn für die communio der Kirche, für die Gabe des Geistes, die unsere gemeinsame Antwort verlangt, wird kostbare Früchte tragen in der Wertschätzung der reichen Vielfalt der Berufungen und Lebenssituationen, der Charismen, Dienste, Aufgaben und Verantwortungen. Es wird zudem Früchte tragen in der überzeugten und willigen Mitarbeit zwischen Gruppen, Vereinigungen und Bewegungen von Laien, in der mitverantwortlichen Erfüllung der gemeinsamen Heilssendung der Kirche. Diese communio als solche ist schon das erste und große Zeichen der Präsenz Christi, des Erlösers, in der Welt: Zugleich fördert und inspiriert sie die unmittelbare apostolische und missionarische Wirksamkeit der Kirche.

An der Schwelle zum dritten Jahrtausend sollte die gesamte Kirche, Hirten und Gläubigen ihre Verantwortung, dem Gebot Christi zu gehorchen, tiefer spüren: »Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen« (Mc 16,15). Die Kirche muß ihre missionarische Kraft erneuern. Ihr ist eine anspruchsvolle und herrliche Aufgabe anvertraut, nämlich die einer neuen Evangelisierung, derer die heutige Welt dringend bedarf. Die Laien haben lebendigen und verantwortlichen Anteil an ihr, weil sie berufen sind, durch ihren Dienst, der den Werten und Rechten des Menschen sowie der Gesellschaft gilt, das Evangelium zu verkünden und zu verwirklichen.

Die Bischofssynode, die im Oktobermonat des Marianischen Jahres stattfand, hat ihre Arbeiten in besonderer Weise der Fürbitte Marias, der Mutter des Erlösers anvertraut. Derselben Fürbitte vertraue ich die geistliche Fruchtbarkeit der Ergebnisse der Synode an. Am Schluß dieses postsynodalen Dokumentes rufe ich gemeinsam mit den Synodenvätern und den Laien, die an der Synode teilgenommen haben, und allen anderen Gliedern des Volkes Gottes die Jungfrau Maria an. Der Anruf wird Gebet.

O du allerseligste Jungfrau,
Mutter Christi und Mutter der Kirche,
mit Freude und Bewunderung
stimmen wir ein in dein Magnifikat,
in dein Lied dankbarer Liebe.

Mit dir danken wir Gott,
»dessen Erbarmen von Geschlecht
zu Geschlecht waltet«,
für die wunderbare Berufung
und die vielfältige Sendung der Laien.

Er hat sie berufen,
in einer Gemeinschaft der Liebe
und der Heiligkeit
mit ihm zu leben,
und als Geschwister in der großen Familie
der Kinder Gottes vereint zu sein.
Sie sind gesandt,
das Licht Christi auszustrahlen,
und das Feuer des Geistes
durch ihr Leben im Geist des Evangeliums
in der ganzen Welt zu verbreiten.

Jungfrau des Magnifikat,
erfülle ihre Herzen mit Dankbarkeit
und Begeisterung
für diese Berufung und Sendung.
Die du in Demut und Hochherzigkeit
die »Dienerin des Herrn«
geworden bist,
schenke uns deine Verfügbarkeit
für den Dienst Gottes
und das Heil der Welt.
Öffne unsere Herzen
für die endlosen Weiten
des Reiches Gottes
und der Verkündigung des Evangeliums
an alle Geschöpfe.

Dein Mutterherz
weiß um die vielfältigen Gefahren
und zahlreichen Übel,
die die Männer und Frauen
unserer Zeit bedrohen.
Aber es weiß auch
um die vielen Initiativen des Guten,
um die großen Sehnsüchte nach Werten,
um den Fortschritt auf dem Weg zum Heil.

Mutige Jungfrau,
schenke uns Seelenkraft
und Vertrauen auf Gott,
damit wir alle Hindernisse überwinden,
die sich der Erfüllung
unserer Sendung entgegenstellen.
Lehre uns, die Realitäten der Welt
mit tiefem christlichem
Verantwortungsbewußtsein
zu behandeln, in der frohen Hoffnung
auf die Ankunft des Reiches Gottes,
des neuen Himmels und der neuen Erde.

Die du betend mit den Aposteln
im Coenaculum zusammen warst,
um auf die Ankunft des Pfingstgeistes zu warten,
erflehe, daß er sich erneut
über alle Laien ausgießt,
damit sie ihrer Berufung und Sendung
als Reben des wahren Weinstocks,
die bestellt sind,
für das Leben der Welt reiche Frucht zu tragen,
voll entsprechen.

Jungfrau und Mutter,
führe uns und stütze uns,
damit wir immer als wahre Söhne
und Töchter der Kirche deines Sohnes leben
und so dazu beitragen,
auf Erden die Zivilisation der Wahrheit und Liebe
nach dem Wunsch Gottes
und zu seiner Ehre aufzubauen.

Amen.

Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 30. Dezember, dem Fest der Heiligen Familie im Jahr 1988, dem elften meines Pontifikates.





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