Catechesi tradendae DE 21

Notwendigkeit einer systematischen Katechese


21 In seiner Ansprache zum Abschluß der 4. Generalversammlung der Synode schätzte Papst Paul VI. sich glücklich zu hören, „daß alle die absolute Notwendigkeit einer gut strukturierten und folgerichtigen Katechese betont hatten; denn eine solche Vertiefung des Geheimnisses des Christentums unterscheidet grundsätzlich die Katechese von allen anderen Formen der Verkündigung des Wortes[50] “.

Angesichts der praktischen Schwierigkeiten sollen hier unter anderem folgende Merkmale dieses Unterrichts hervorgehoben werden:

1. es muß ein systematischer Unterricht sein, der nicht improvisiert, sondern nach einem Programm dargeboten wird, so daß ein klares Ziel erreicht werden kann;
2. es geht um einen Unterricht, der das Wesentliche behandelt, ohne den Anspruch zu erheben, alle anstehenden Fragen zu behandeln oder zu theologischer Forschung und wissenschaftlicher Exegese zu werden;
3. es muß dennoch ein vollständiger Unterricht sein, der nicht bei der Erstverkündigung des christlichen Geheimnisses stehenbleibt, wie es beim Kerygma gegeben ist;
4. es soll eine vollständige Einführung ins Christentum sein, die sich für alle Bereiche des christlichen Lebens offenhält.
Ohne das Interesse der Katechese an den zahlreichen Gelegenheiten zu vergessen, die sich im Zusammenhang mit dem persönlichen, familiären, sozialen oder kirchlichen Leben bieten und die man zu nutzen wissen sollte - ich komme in Kapitel VI darauf zurück -, bestehe ich auf der Notwendigkeit eines organischen und systematischen Religionsunterrichts; denn von verschiedener Seite ist man geneigt, seine Wichtigkeit herunterzuspielen.


Katechese und Erfahrung im Leben


22 Es hat keinen Sinn, die Orthopraxis gegen die Orthodoxie auszuspielen: das Christentum besteht untrennbar aus beidem. Feste und wohlbedachte Überzeugungen führen zu mutigem, klarem Handeln; das Bemühen um die Erziehung der Gläubigen, damit sie heute als Jünger Christi leben, ruft nach einer vertieften Erkenntnis des Geheimnisses Christi in der Heilsgeschichte und erleichtert sie zugleich.

Genausowenig ist es sinnvoll, für die Preisgabe eines ernsthaften und geordneten Studiums der Botschaft Christi einzutreten zugunsten einer Methode, die der gelebten Erfahrung den Vorzug gibt. „Niemand kann durch eine lediglich private Erfahrung zur umfassenden Wahrheit gelangen, d. h. ohne entsprechende Entfaltung der Botschaft Christi, der ’Weg, Wahrheit und Leben’ ist (
Jn 14,6)[51] .“

Man sollte auch nicht weiter eine Katechese, die vom Leben ausgeht, gegen eine traditionelle, lehrhafte und systematische Katechese ausspielen[52] . Die echte Katechese ist immer eine geordnete und systematische Einführung in die Offenbarung, die Gott von sich selber dem Menschen in Jesus Christus geschenkt hat, eine Offenbarung, die im tiefen Bewußtsein der Kirche und in der Heiligen Schrift bewahrt und fortwährend durch eine lebendige und aktive “traditio“ von einer Generation zur anderen weitergegeben wird. Diese Offenbarung ist aber nicht vom Leben losgelöst und auch nicht nur künstlich an seine Seite gestellt. Sie richtet sich ja auf den letzten Sinn des Daseins, das sie vollständig mit dem Licht des Evangeliums erleuchtet, um anzuregen oder in Frage zu stellen.

Darum können wir auf die Katecheten anwenden, was das II. Vatikanische Konzil in besonderer Weise von den Priestern sagt: sie sind Erzieher - des Menschen und des menschlichen Lebens - im Glauben[53] .

Katechese und Sakramente


23 Die Katechese ist von ihrem Wesen her mit dem gesamten liturgischen und sakramentalen Handeln verbunden; denn gerade in den Sakramenten und zumal in der Eucharistie wirkt Jesus Christus aus der Fülle seiner Person, um die Menschen umzuwandeln.

In der Urkirche waren Katechumenat und Vorbereitung auf die Taufe und die Eucharistie ein und dasselbe. Wenn auch die Kirche ihre Praxis in diesem Bereich für die altchristlichen Länder geändert hat, ist doch das Katechumenat dort nie abgeschafft worden; im Gegenteil, es erlebt sogar eine Erneuerung[54] in den jungen Missionskirchen wird es sogar in großem Umfang praktiziert. In jedem Fall bleibt die Katechese immer auf die Sakramente bezogen. Einerseits ist eine sehr wichtige Form der Katechese die Vorbereitung auf den Empfang der Sakramente; jede Katechese führt notwendig zu den Sakramenten des Glaubens hin. Anderseits besitzt jede echte Sakramentenpraxis schon von sich aus einen katechetischen Aspekt. Mit anderen Worten: das sakramentale Leben verarmt und wird sehr schnell zu einem bloßen Ritus, wenn es sich nicht auf eine vertiefte Kenntnis der Bedeutung der Sakramente gründet. Die Katechese hinwiederum wird einseitig intellektualisiert, wenn sie nicht in einer sakramentalen Praxis Leben gewinnt.


Katechese und kirchliche Gemeinschaft


24 Die Katechese ist schließlich eng verbunden mit dem verantwortlichen Tun der Kirche und der Christen in der Welt. Wer bereit ist, im Glauben Jesus Christus nachzufolgen und diesen Glauben durch die Katechese zu festigen sucht, muß ihn in Gemeinschaft mit denen leben, die die gleiche Entscheidung getroffen haben. Die Katechese droht kraftlos zu werden, wenn nicht eine Gemeinschaft von glaubenden und christlich lebenden Menschen den Katechumenen in einem bestimmten Stadium seines katechetischen Unterrichts aufnimmt. Daher ist die kirchliche Gemeinschaft auf allen ihren Ebenen in einem zweifachen Sinn für den Bereich der Katechese verantwortlich: sie ist verantwortlich dafür, daß ihre Mitglieder eine entsprechende Fortbildung bekommen; sie ist aber auch dafür verantwortlich, daß sie in einem solchen Milieu Aufnahme finden, wo sie möglichst umfassend das Gelernte leben können.

Die Katechese ist ebenfalls offen für die missionarische Dynamik. Wird sie gut gegeben, dann ist es den Christen ein inneres Anliegen, von ihrem Glauben Zeugnis zu geben, ihn ihren Kindern weiterzugeben, ihn anderen bekannt zu machen und auf jede mögliche Weise der menschlichen Gemeinschaft zu dienen.

Die Notwendigkeit der Katechese im weiteren Sinn für die Reife und Kraft des Glaubens


25 So wird also das Kerygma der Frohen Botschaft - die erste Verkündigung voll Begeisterung und Wärme, die eines Tages den Menschen verwandelt und zur Entscheidung geführt hat, sich Christus im Glauben anzuvertrauen - durch die Katechese mehr und mehr vertieft, in seinen innerer Folgerungen entfaltet, durch Überlegungen erklärt, die sich auch an der Verstand richten, sowie auf die christliche Praxis in Kirche und Welt hingeordnet. All das entspricht nicht weniger dem Evangelium als das Kerygma, mögen auch manche sagen, daß auf diese Weise alles Lebendige, Spontane und Frische im Kerygma durch die Katechese zu stark auf den Verstand hingerichtet, dadurch ausgetrocknet und schließlich abgetötet werde. Die Wahrheiten, die in der Katechese vertieft werden, sind ja die gleichen, die den Menschen im Herzen getroffen haben, als er sie zum erstenmal hörte. Wenn man sie in der Katechese besser kennenlernt, sollen sie dadurch nicht blasser oder schaler, sondern im Gegenteil noch provozierender und entscheidender für das Leben werden.

In der hier vorgelegten Konzeption bewahrt die Katechese jene betont pastorale Ausrichtung, die die Synode ihr zugedacht hat. Dieser weitere Sinn von Katechese widerspricht ganz und gar nicht jenem engeren Sinn, wie er weithin in den didaktischen Vorlagen beibehalten wird: die einfache Darlegung von Formeln, die den Glauben ausdrücken; der erstere Sinn von Katechese umfaßt und überbietet den zweiten.

Letztlich ist die Katechese ebenso notwendig für die Reifung des Glaubens der Christen wie für ihr Zeugnis in der Welt: sie will die Christen zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes führen, damit sie Christus in seiner vollen verwirklichten Gestalt darstellen[55] sie will sie ferner bereit machen, ihre Hoffnung vor all jenen zu rechtfertigen, die darüber Rechenschaft von ihnen fordern[56] .


IV.


DIE GANZE FROHE BOTSCHAFT AUS DER QUELLE GESCHÖPFT


Der Inhalt der Botschaft


26 Da die Katechese ein Abschnitt oder ein Aspekt der Evangelisierung ist, dürfte ihr Inhalt ebenfalls kein anderer als der der Evangelisierung im vollen Sinne sein: die gleiche Botschaft - die Frohbotschaft vom Heil -, immer wieder gehört und mit dem Herzen ergriffen, wird in der Katechese durch Reflexion und systematisches Studium ständig vertieft, ebenso durch ein immer engagierteres Bewußtwerden ihrer Auswirkungen im persönlichen Leben jedes einzelnen wie auch durch ihre Einfügung in den organischen und harmonischen Zusammenhang, wie ihn die Existenz des Christen in Gesellschaft und Welt darstellt.

Die Quelle


27 Die Katechese wird ihren Inhalt immer aus der lebendigen Quelle des Wortes Gottes schöpfen, das uns in der Überlieferung und in der Heiligen Schrift gegeben ist; denn „die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes“, wie das II. Vatikanische Konzil uns erinnert hat, indem es zugleich wünschte, daß „der Dienst des Wortes, nämlich die seelsorgliche Verkündigung, die Katechese und alle christliche Unterweisung ... aus dem Wort der Schrift gesunde Nahrung und heilige Kraft“ hole[57] .

Von der Überlieferung und der Heiligen Schrift als Quelle der Katechese zu sprechen, heißt betonen, daß diese sich von Gedanken, Geist und Haltungen der Bibel und der Evangelien durch ständigen Kontakt mit den Texten selber prägen und durchdringen lassen muß; es heißt aber auch, darauf hinweisen, daß die Katechese um so reicher und wirksamer sein wird, je mehr sie die Texte mit dem Verstand und Herzen der Kirche liest und sich von der Reflexion und dem zweitausendjährigen Leben der Kirche anregen läßt.

Unterweisung, Liturgie und Leben der Kirche entstehen aus dieser Quelle und führen unter der Leitung der Hirten und vor allem des Lehramtes, das der Herr ihnen anvertraut hat, dorthin zurück.

Das Credo: vorrangiger Ausdruck der Lehre


28 Ein vorrangiger Ausdruck des lebendigen Erbes, dessen Schutz ihnen anvertraut ist, findet sich im Credo oder, konkreter, in den Glaubensbekenntnissen, die an entscheidenden Stellen der Geschichte den Glauben der Kirche in geglückter Synthese zusammengefaßt haben. Im Verlauf der Jahrhunderte war ein wichtiges Element der Katechese gerade die „traditio Symboli“ (oder die Übergabe der Zusammenfassung des Glaubens), der die Übergabe des Herrengebetes folgte. Dieser ausdrucksstarke Ritus ist in unseren Tagen wieder in den Ablauf des Katechumenates eingeführt worden[58] . Sollte man nicht eine noch erweiterte, wenn auch angepaßte Verwendung vorsehen, um die überaus wichtige Etappe zu unterstreichen, in der ein neuer Jünger Jesu Christi mit voller Klarheit und Entschiedenheit das Glaubensgut übernimmt, das er von nun an mit allem Ernst in sich vertiefen will?

Mein Vorgänger Paul VI. wollte in seinem „Credo des Volkes Gottes“, das er bei Gelegenheit der Neunzehnhundertjahrfeier des Martyriums der Apostel Petrus und Paulus proklamiert hat, die wesentlichen Elemente des katholischen Glaubens zusammenfassen, zumal jene, die manchen größere Schwierigkeiten boten oder vergessen zu werden drohten[59] . Für den Inhalt der Katechese ist dies ein sicherer Bezugspunkt.

Einige unerläßliche Elemente


29 Der gleiche Papst erinnert im 3. Kapitel seines Apostolischen Schreibens Evangelii Nuntiandian „den wesentlichen Inhalt, die lebendige Substanz“ der Evangelisierung[60] . Für die Katechese selbst ist es notwendig, jedes dieser Elemente ebenso gegenwärtig zu haben wie die lebendige Synthese, in der sie zusammengefaßt sind[61] .

Ich möchte mich darum hier darauf beschränken, einige einfache Hinweise zu geben[62] . Jedem ist zum Beispiel klar, wie wichtig es ist, dem Kind, dem Jugendlichen oder dem, der im Glauben wächst, verständlich zu machen, „was man von Gott erkennen kann[63] “, ihnen in gewissem Sinn sagen zu können: „Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch[64] “, ihnen in wenigen Worten darlegen zu können[65] ; was das Geheimnis des Wortes Gottes ist, das Mensch wird und das Heil des Menschen durch sein Paschamysterium erwirkt, mit anderen Worten durch seinen Tod und seine Auferstehung, aber auch durch seine Predigt, durch die Zeichen, die er gewirkt hat, und durch die Sakramente seiner ständigen Gegenwart in unserer Mitte. Die Väter der Synode waren gut beraten, als sie forderten, sich davor zu hüten, Christus allein auf seine Menschheit und seine Botschaft auf eine bloß irdische Dimension zu reduzieren, sondern ihn vielmehr als Sohn Gottes anzuerkennen, als den Mittler, der uns im Heiligen Geist freien Zugang zum Vater schenkt[66] .

Wichtig ist ferner, vor den Augen des Geistes und des Herzens und im klaren Licht des Glaubens das Ursakrament seiner Gegenwart, nämlich das Geheimnis der Kirche, zu entfalten, die eine Gemeinschaft von sündigen Menschen ist, die aber zugleich geheiligt sind und die Familie Gottes bilden, die durch den Herrn zusammengeführt ist unter der Leitung jener, die der Heilige Geist zu Vorstehern bestellt hat, die Kirche Gottes zu weiden[67] .

Wichtig ist auch darzustellen, daß die Geschichte der Menschen mit ihren Zeichen von Gnade und Sünde, von Größe und Elend durch Gott in seinem Sohn Jesus Christus angenommen worden ist und bereits „eine umrißhafte Vorstellung von der künftigen Welt[68] “ bietet.

Wichtig ist schließlich, die Entsagung wie auch Freude umfassenden Forderungen unverkürzt aufzuzeigen, die sich aus dem Zustand ergeben, den der Apostel Paulus gern das „neue Leben[69] “ nannte, die „neue Schöpfung[70] “, in Christus sein oder leben[71] oder das „ewige Leben in Christus Jesus[72] “, das nichts anderes ist als das Leben in dieser Welt, freilich ein Leben nach den Seligpreisungen, ein Leben, das sich in neuer Gestalt im Jenseits fortsetzen soll.

Daher ist es für die Katechese so wichtig, von persönlichen moralischen Anforderungen, wie sie dem Evangelium entsprechen, zu reden, von christlichen Haltungen gegenüber dem Leben und der Welt, mögen sie heroisch sein oder zum täglichen Leben gehören: wir nennen sie die christlichen oder evangelischen Tugenden. Von daher auch der Wunsch, die Katechese solle bei ihrem Bemühen um Glaubenserziehung auch solche Realitäten nicht vergessen, sondern sie vielmehr richtig darlegen, wie zum Beispiel das Handeln des Menschen für seine integrale Befreiung[73] , die Suche nach einer mehr solidarischen und brüderlichen Gesellschaft, das Ringen um Gerechtigkeit und den Aufbau des Friedens.

Man darf übrigens nicht meinen, diese Dimension der Katechese sei absolut neu. Schon in der Väterzeit haben die heiligen Ambrosius und Johannes Chrysostomus, um nur diese zu nennen, die Bedeutung der sozialen Folgerungen aus dem Anspruch des Evangeliums betont, und in unserer Zeit zählt der Katechismus des heiligen Pius X. ausdrücklich zu den himmelschreienden Sünden auch die Unterdrückung der Armen und die Verweigerung des gerechten Lohnes für die Arbeiter[74] . Besonders seit der Enzyklika Rerum Novarum ist die Sorge um die sozialen Verhältnisse ein bestimmendes Thema in der katechetischen Unterweisung der Päpste und Bischöfe. Viele Väter der Synode haben mit berechtigtem Nachdruck gefordert, daß das reiche Erbe der Soziallehre der Kirche in entsprechender Form bei der normalen katechetischen Unterweisung der Gläubigen seinen Platz finde.


Vollständigkeit des Inhalts


30 Was den Inhalt der Katechese betrifft, verdienen drei wichtige Punkte in unseren Tagen eine besondere Aufmerksamkeit.

Der erste betrifft die Vollständigkeit dieses Inhalts. Damit die Opfergabe seines Glaubens[75] vollkommen sei, hat jeder Jünger Christi das Recht, „das Wort des Glaubens[76] “ nicht verstümmelt, verfälscht oder verkürzt zu empfangen, sondern voll und ganz, in all seiner Macht und Kraft. Wer die Vollständigkeit der Botschaft in irgendeinem Punkt aufgibt, entleert in gefährlicher Weise die Katechese selbst und setzt die Früchte aufs Spiel, die Christus und die Gemeinschaft der Kirche mit Recht von ihr erwarten. Es ist gewiß kein Zufall, daß der abschließende Auftrag Jesu im Mattäusevangelium eine gewisse Totalität aufweist: „Mir ist alle Macht gegeben ... geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern ... lehrt sie, alles zu befolgen ... Ich bin bei euch alle Tage.“ Wenn darum jemand bereits ahnt, daß „die Erkenntnis Christi Jesu . .. alles übertrifft[77] “, der er im Glauben begegnet ist, und das vielleicht noch unbewußte Verlangen in sich trägt, Christus noch besser kennenzulernen in einer Predigt und Lehre, die der Wahrheit entspricht, welche Jesus ist[78] , dann darf man ihm unter keinem Vorwand irgendeinen Teil dieser Kenntnis verweigern. Was wäre das für eine Katechese, die keinen vollen Raum mehr ließe für Themen wie die Erschaffung des Menschen und seine Ursünde, der Erlösungsplan unseres Gottes und dessen lange, liebevolle Vorbereitung und Verwirklichung, die Menschwerdung des Sohnes Gottes, Maria - die Immakulata, die Mutter Gottes, immerwährende Jungfrau, mit Leib und Seele zur himmlischen Herrlichkeit erhoben - und ihre Stellung im Geheimnis des Heiles, das Geheimnis des Bösen, das in unserem Leben am Werk ist[79] , und die Kraft Gottes, die uns davon befreit, die Notwendigkeit der Buße und der Aszese, die sakramentalen und liturgischen Riten, die Realpräsenz in der heiligen Eucharistie, die Teilhabe am göttlichen Leben auf Erden und im Jenseits usw.? Daher ist auch kein wahrer Katechet berechtigt, nach eigenem Gutdünken das Glaubensgut aufzuteilen und zu trennen zwischen dem, was er für wichtig hält, und anderem, was ihm unwichtig erscheint, um dann das eine zu lehren und das andere zu unterschlagen.

Mit Hilfe geeigneter pädagogischer Methoden


31 Dies führt zu einem zweiten Punkt: es kann sein, daß es bei der heutigen Lage der Katechese Gründe der Methodik oder Pädagogik ratsam erscheinen lassen, die Vermittlung des reichen Inhaltes der Katechese auf diese und nicht auf eine andere Weise durchzuführen. Im übrigen dispensiert die Vollständigkeit ja nicht vom Bemühen um Gleichgewicht, um einen organischen und gestuften Aufbau, durch den man den darzubietenden Wahrheiten, den zu vermittelnden Normen wie den aufzuzeigenden Möglichkeiten des christlichen Lebens das ihnen jeweils entsprechende Gewicht zuteilt. Es kann auch sein, daß sich eine bestimmte Sprache für die Übermittlung dieses Inhaltes an diese Person oder Gruppe von Personen als geeigneter erweist. Die getroffene Wahl wird insoweit gelten können, wie sie nicht von mehr oder weniger subjektiven Theorien und Vorurteilen ausgeht oder von einer bestimmten Ideologie geprägt ist, sondern vom demütigen Bemühen, einem Inhalt noch besser gerecht zu werden, der voll und ganz erhalten bleiben muß. Methode und Sprachform, die man verwendet, müssen wirklich Werkzeuge bleiben, um die Gesamtheit und nicht nur einen Teil der „Worte des ewigen Lebens[80] “ oder von den „Wegen des Leben[81] “ mitzuteilen.

Ökumenische Dimension der Katechese


32 Die gewiß vom Geiste Jesu angeregte große Bewegung, die seit einigen Jahren die katholische Kirche zusammen mit anderen Kirchen oder christlichen Konfessionen dazu drängt, sich um die Wiederherstellung der vollkommenen Einheit zu bemühen, wie sie der Herr gewollt hat, veranlaßt mich, vom ökumenischen Charakter der Katechese zu sprechen. Diese Bewegung hat auf dem II. Vatikanischen Konzil ihre volle Bedeutung gewonnen[82] und sich seit dem Konzil noch weiter ausgedehnt und in einer eindrucksvollen Reihe von Ereignissen und Initiativen, die inzwischen allen bekannt sind, konkretisiert.

Die Katechese darf von dieser ökumenischen Dimension nicht absehen; denn alle Gläubigen sind aufgerufen, sich je nach ihrer Fähigkeit und Stellung in der Kirche in die Bewegung zur Einheit hin einzureihen[83] .

Die Katechese ist ökumenisch ausgerichtet, wenn sie ohne Verzicht darauf, daß die Fülle der geoffenbarten Wahrheiten und der von Christus eingesetzten Heilsmittel in der katholischen Kirche gegeben ist[84] , diese Lehre doch mit aufrichtigem Respekt in Wort und Tat gegenüber den kirchlichen Gemeinschaften vorträgt, die nicht in voller Gemeinschaft mit dieser unserer Kirche leben.

In diesem Zusammenhang ist es außerordentlich wichtig, die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften korrekt und loyal darzustellen; denn der Geist Christi weigert sich nicht, sie als Mittel zum Heil zu benutzen, und „einige, ja sogar viele und bedeutende Elemente oder Güter, aus denen insgesamt die Kirche erbaut wird und ihr Leben gewinnt, können auch außerhalb der sichtbaren Grenzen der katholischen Kirche existieren[85] “. Eine solche Darstellung wird unter anderem den Katholiken einerseits helfen, ihren eigenen Glauben zu vertiefen; anderseits lernen sie so die anderen christlichen Brüder besser kennen und schätzen, so daß das gemeinsame Suchen des Weges zur vollen Einheit in der ganzen Wahrheit erleichtert wird. Sie müßte auch den Nichtkatholiken helfen, die katholische Kirche mit ihrer Überzeugung, das „allgemeine Heilsmittel“ zu sein, besser kennen und schätzen zu lernen.

Die Katechese ist ökumenisch ausgerichtet, wenn sie ferner ein echtes Verlangen nach Einheit weckt und nährt; noch mehr, wenn sie ernsthafte Anstrengungen anregt - eingeschlossen das Bemühen, sich in Demut und in der Glut des Geistes zu reinigen, um die Wege freizulegen - nicht für einen billigen Irenismus, der durch Auslassungen und Nachgeben in der Lehre zustande kommt, sondern auf die vollkommene Einheit hin, wann und wie der Herr sie will.

Die Katechese ist schließlich ökumenisch, wenn sie sich bemüht, die katholischen Kinder und Jugendlichen sowie die Erwachsenen darauf vorzubereiten, im Kontakt mit Nichtkatholiken zu leben und dabei ihre katholische Identität mit Respekt vor dem Glauben der anderen zu wahren.

Ökumenische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Katechese


33 Wo mehrere Konfessionen miteinander leben, können es die Bischöfe für opportun oder gar notwendig erachten, gewisse Versuche zur Zusammenarbeit zwischen Katholiken und anderen Christen auf dem Gebiet der Katechese zu machen, in Ergänzung der normalen Katechese, welche die Katholiken auf jeden Fall erhalten müssen. Solche Versuche finden ihr theologisches Fundament in den Elementen, die allen Christen gemeinsam sind[86] . Doch ist die Gemeinschaft im Glauben zwischen den Katholiken und den anderen Christen nicht vollständig und vollkommen; in gewissen Fällen gibt es sogar tiefe Unterschiede. Die ökumenische Zusammenarbeit ist daher ihrer Natur nach begrenzt: sie darf niemals eine „Reduktion“ auf das gemeinsame Minimum bedeuten. Außerdem besteht die Katechese nicht nur darin, die Lehre zu vermitteln, sondern auch in das ganze christliche Leben einzuführen und zur vollen Teilnahme an den Sakramenten der Kirche zu bringen. Daher ist es notwendig, dort, wo man auf dem Gebiet der Katechese ökumenisch zusammenarbeitet, darauf zu achten, daß die Bildung der Katholiken in der katholischen Kirche, was Lehre und christliches Leben betrifft, genügend sichergestellt ist.

Eine Anzahl von Bischöfen hat im Verlauf der Synode auf die nach ihrer Meinung immer häufigeren Fälle hingewiesen, wo die zivile Autorität oder andere Umstände in den Schulen einiger Länder einen Religionsunterricht vorschreiben - mit den entsprechenden Handbüchern, Stundenplänen usw. -, der für Katholiken und Nichtkatholiken gemeinsam ist. Man braucht wohl kaum darauf hinzuweisen, daß es sich hierbei nicht um echte Katechese handelt. Aber auch ein solcher Unterricht hat seine ökumenische Bedeutung, wenn er die christliche Lehre loyal darstellt. Wo die Umstände einen solchen Unterricht erzwingen, muß auf andere Weise mit um so größerer Gewissenhaftigkeit eine wirklich katholische Katechese gesichert sein.

Das Problem der Schulbücher für verschiedene Religionen


34 Ein weiterer Hinweis ist hier anzufügen, der, wenn auch aus anderer Sicht, in die gleiche Richtung deutet. Es kommt vor, daß staatliche Schulen den Schülern Bücher zur Verfügung stellen, die von einem kulturellen - historischen, moralischen oder literarischen - Standpunkt aus die verschiedenen Religionen, darunter auch die katholische, darstellen. Eine objektive Darstellung der historischen Fakten der Religionen und der verschiedenen christlichen Bekenntnisse kann auch hier zu einem besseren gegenseitigen Verständnis beitragen. Man wird daher darauf achten, das Mögliche zu tun, damit die Darstellung wirklich objektiv ist, geschützt vor ideologischen und politischen Systemen oder Vorurteilen, die sich als wissenschaftlich ausgeben, aber den wahren Sinn der Darstellung nur entstellen würden. Es ist klar, dass man solche Handbücher keinesfalls als katechetische Werke betrachten kann: dafür fehlt ihnen das Zeugnis von gläubigen Menschen, die ihren Glauben für andere Gläubige darlegen. Es fehlt ihnen auch das Verständnis der christlichen Mysterien und des spezifisch Katholischen, so wie es sich aus dem Kern des Glaubens ergibt.



V.

ALLE BEDÜRFEN DER KATECHESE

Die Bedeutung der Kinder und Jugendlichen


35 Das Thema, welches mein Vorgänger Paul VI. der 4. Generalversammlung der Bischofssynode gegeben hatte, lautete: „Die Katechese in unserer Zeit, mit besonderer Berücksichtigung der Kinder- und Jugendkatechese“. Die wachsende Zahl und Bedeutung der Jugendlichen ist ohne Zweifel für einen Großteil der heutigen Welt eine Tatsache, die zu größten Hoffnungen und zugleich zu Besorgnis Anlaß gibt. In gewissen Ländern, vor allem der Dritten Welt, ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter 25 oder 30 Jahren alt. Das bedeutet viele Millionen Kinder und Jugendliche, die sich auf ihre Zukunft als Erwachsene vorbereiten. Dabei geht es nicht nur um ihre große Zahl: jüngste Ereignisse wie auch die Tageschronik sagen uns, daß diese unzählbare Schar von Jugendlichen, selbst wenn sie hier und da von Unsicherheit und Furcht beherrscht ist, durch die Flucht in die Gleichgültigkeit oder das Rauschgift verführt oder sogar zu Nihilismus und Gewaltanwendung versucht wird, dennoch in ihrer Mehrheit die große Kraft darstellt, die sich unter vielen Gefahren zum Ziel setzt, die Zivilisation der Zukunft aufzubauen.

Wir fragen uns in unserer pastoralen Sorge: wie soll man dieser großen Schar von Kindern und Jugendlichen Jesus Christus, den menschgewordenen Gott, verkünden? Wie ihn bekannt machen nicht nur in der Begeisterung einer ersten flüchtigen Begegnung, sondern so, daß seine Person, seine Botschaft, Gottes Heilsplan, den er offenbaren wollte, täglich tiefer und klarer erkannt werden; daß der Aufruf, den er an jeden richtet, und das Reich, das er in dieser Welt mit der “kleinen Herde[87] “ derer, die an ihn glauben, errichten will, das sich aber erst in der Ewigkeit vollendet, immer besser verstanden werden? Wie sollen wir den Sinn, die Tragweite und die fundamentalen Anforderungen, das Gesetz der Liebe, die Verheißungen und die Hoffnungen dieses Reiches bekanntmachen?

Hier gäbe es viel zu sagen über die besonderen Charakterzüge, die die Katechese für die verschiedenen Altersstufen aufweist.

Kleinkinder


36 Ein oft entscheidender Abschnitt ist jene Zeit, wo das Kleinkind von seinen Eltern und aus dem Familienmilieu die ersten Elemente der Katechese empfängt, die ihm vielleicht nur in schlichter Form den himmlischen Vater in seiner Güte und Fürsorge offenbaren, dem es sein Herz zuzuwenden lernt. Durch sehr kurze Gebete, die es zu stammeln lernt, beginnt es ein liebevolles Gespräch mit dem verborgenen Gott, dessen Wort es später hören wird. Vor christlichen Eltern können wir kaum zuviel auf dieser frühzeitigen Einführung bestehen, wo die Fähigkeiten des Kindes in ein vitales Verhältnis zu Gott integriert sind: eine Aufgabe von entscheidender Bedeutung, die große Liebe und tiefe Ehrfurcht vor dem Kind verlangt, das ein Anrecht auf eine einfache und wahre Darstellung des christlichen Glaubens hat.

Kinder


37 Bald kommt in der Schule und in der Kirche, in der Pfarrei oder in der religiösen Betreuung an einem katholischen Institut oder an einer staatlichen Schule, wenn sich das Kind einen umfassenderen sozialen Bereich erschließt, der Augenblick für eine Katechese, deren Aufgabe es ist, das Kind organisch in das Leben der Kirche einzuführen und auch unmittelbar auf die Feier der Sakramente vorzubereiten. Gemeint ist eine didaktische Katechese, die aber auf ein gelebtes Glaubenszeugnis hingeordnet ist; eine einführende Katechese, die aber nicht bruchstückhaft ist, denn sie soll, wenn auch in elementarer Form, alle hauptsächlichen Glaubensgeheimnisse und ihre Bedeutung für das sittliche und religiöse Leben des Kindes erschließen; eine Katechese, die den Sinn der Sakramente aufzeigt, aber zugleich von den gelebten Sakramenten her einen Bezug zum Leben erhält, der sie davor bewahrt, rein lehrhaft zu bleiben; eine Katechese, die dem Kind die Freude vermittelt, in seinem Lebensmilieu Zeuge für Christus zu sein.

Jugendliche


38 Es folgt die Zeit der Pubertät und des Jugendalters mit allem, was dieses an Großem und Gefahrvollem einschließt. Der Mensch entdeckt jetzt sich selbst und die Welt seines eigenen Inneren, er entwirft hochherzigePläne, erwacht zum Empfinden der Liebe, wie er anderseits den biologischen Trieben der Sexualität begegnet; er erfährt den Wunsch nach Zusammensein und eine besonders tiefe Freude, die mit der berauschenden Entdeckung des Lebens verbunden ist. Oft ist dies aber auch das Alter der tiefer dringenden Fragen, des angstvollen Suchens, das sogar vergeblich erscheinen kann, eines gewissen Mißtrauens gegen die anderen, eines gefährlichen Sichzurückziehens auf sich selber; es ist zuweilen das Alter der ersten Niederlagen und Enttäuschungen. Die Katechese darf diese leicht veränderlichen Aspekte in diesem delikaten Lebensabschnitt nicht ignorieren. Eine Katechese, die es versteht, den Jugendlichen zu einer kritischen Prüfung seines eigenen Lebens und zum Dialog zu führen, die seine großen Fragen - die Hingabe seiner selbst, die Glaubenshaltung, die Liebe und ihre Vermittlung, die Sexualität - nicht übergeht, kann von entscheidender Bedeutung sein. Die Darstellung Jesu Christi als Freund, als Führer und Vorbild, das Bewunderung weckt und doch nachahmbar bleibt; die Einführung in seine Botschaft, die auf die grundlegenden Fragen Antwort gibt; die Entfaltung des Heilsplans der Liebe Christi, des Erlösers, als Menschwerdung der einzig wahren Liebe und Ermöglichung der Einheit unter den Menschen: all das kann die Grundlage zu einer echten Erziehung im Glauben bieten. Vor allem die Geheimnisse des Leidens und Sterbens Jesu, denen der heilige Paulus das Verdienst seiner glorreichen Auferstehung zuschreibt, können sehr zum Bewußtsein und Herzen des Jugendlichen sprechen und Licht ausbreiten über seine ersten leidvollen Erfahrungen mit sich selber und der Welt, die er entdeckt.

Heranwachsende


39 Mit dem Alter des Heranwachsens kommt die Stunde der ersten großen Entscheidungen. Vielleicht unterstützt durch die Mitglieder seiner Familie und durch Freunde und doch wieder sich selber und seinem sittlichen Gewissen überlassen, muß der Jugendliche immer häufiger und entscheidender die Verantwortung für sein Schicksal selbst übernehmen. Gut und Böse, Gnade und Sünde, Leben und Tod ringen immer mehr miteinander in seinem Inneren, natürlich als moralische Kategorien, aber auch und vor allem als Grundentscheidungen, die er im Bewußtsein seiner Eigenverantwortung mit klarem Entschluß annehmen oder verwerfen muß. Es ist evident, daß eine Katechese, die im Namen der Hochherzigkeit den Egoismus anprangert, die ohne falsche Vereinfachung und illusorische Schematisierung den christlichen Sinn der Arbeit, des Gemeinwohls, der Gerechtigkeit und Liebe darlegt, eine Katechese über den Frieden zwischen den Völkern und über die Förderung der Würde des Menschen, über Entwicklung und Befreiung, wie sie in den jüngeren Dokumenten der Kirche dargelegt wird[88] , im Geist der Jugendlichen eine gute Katechese über die eigentlich religiösen Wirklichkeiten, die man natürlich niemals vernachlässigen darf, glücklich ergänzt. Die Katechese gewinnt hier also eine erhebliche Bedeutung, denn nun kann das Evangelium angeboten, verstanden und angenommen werden, insofern es dem Leben einen Sinn geben kann und daher sonst unerklärliche Haltungen anzuregen vermag: Entsagung, Gelöstheit, Sanftmut, Gerechtigkeit, Engagement und Versöhnung, Sinn für das Absolute und das Unsichtbare usw. Alle diese Einzelzüge werden einen solchen jungen Menschen unter seinen Gefährten als Jünger Jesu Christi kennzeichnen.

Die Katechese bereitet so auf die entscheidenden christlichen Pflichten des Erwachsenenlebens vor. Was zum Beispiel die Berufungen zum Priester- und Ordensberuf betrifft, so werden gewiß viele geweckt im Verlauf einer Katechese, die während der Kindheit und Jugendzeit gut gegeben wird.

Von der ersten Kindheit bis zur Schwelle der Reife wird die Katechese so zu einer ständigen Schulung im Glauben und folgt den großen Abschnitten des Lebens. Sie gleicht einem Leuchtturm, der den Weg des Kindes, des Jugendlichen und des Heranwachsenden erhellt.


Catechesi tradendae DE 21