Divino afflante Spiritus DE


PIUS XII.

ENZYKLIKA

DIVINO AFFLANTE SPIRITU

AN DIE EHRWÜRDIGEN BRÜDER, DIE PATRIARCHEN, PRIMATEN,

ERZBISCHÖFE, BISCHÖFE UND DIE ANDEREN OBERHIRTEN,

DIE IN FRIEDEN UND GEMEINSCHAFT

MIT DEM APOSTOLISCHEN STUHLE LEBEN

ÜBER DIE HEILIGE SCHRIFT

EHRWÜRDIGE BRÜDER,

GRUSS UND APOSTOLISCHEN SEGEN!

EINLEITUNG

Rundschreiben «Providentissimus Deus»

Zur Feier des 50. Jahrestages


Unter der Eingebung des göttlichen Geistes haben die heiligen Schriftsteller jene Bücher verfasst, die Gott in seiner Vatergüte dem Menschengeschlecht schenken wollte „zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Zurechtweisung und zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der gottgeweihte Mensch vollkommen sei, ausgerüstet zu jedem guten Werk“ (2Tm 3,16 f). In diesem vom Himmel verliehenen Schatz sieht die Kirche die kostbare Quelle und die göttliche Norm für ihre Glaubens- und Sittenlehre. Kein Wunder also, dass sie ihn, den sie aus den Händen der Apostel unversehrt empfing, mit aller Sorgfalt bewahrt, vor jeder falschen und unrechten Erklärung geschützt und in der Arbeit am übernatürlichen Heil der Seelen eifrig benutzt hat, wie fast unzählige Zeugnisse aller Jahrhunderte einleuchtend dartun. Als in unserer Zeit der göttliche Ursprung der heiligen Bücher und ihre richtige Erklärung in hohem Maße gefährdet waren, übernahm sie deren Schutz und Verteidigung mit noch größerer Hingabe und Sorgfalt. So erklärte der heilige Kirchenrat von Trient in einem feierlichen Beschluß, die biblischen Bücher seien „ganz, mit allen ihren Teilen, als heilig und zum Kanon gehörig“ anzusehen, so „wie man sie in der katholischen Kirche zu lesen pflegt und die alte allgemein verbreitete lateinische Übersetzung (Vulgata) sie enthält.“ [1] Um falsche Lehren über die Inspiration zu verurteilen, hat dann in unseren Tagen das Vatikanische Konzil erklärt, diese biblischen Bücher seien als heilig und zum Kanon gehörig anzusehen „nicht deshalb, weil sie, in rein menschlicher Tätigkeit verfasst, hernach durch ihre, der Kirche, Autorität anerkannt worden seien; auch nicht bloß deshalb, weil sie die Offenbarung ohne Irrtum enthalten, sondern deshalb, weil sie unter Eingebung des Heiligen Geistes geschrieben, Gott zum Verfasser haben und als solche ihr, der Kirche, übergeben worden seien“ [2]. Durch diese feierliche Erklärung der katholischen Lehre wurde „den ganzen Büchern mit allen ihren Teilen“ eine göttliche Autorität zuerkannt, die Irrtümer jeder Art ausschließt. Doch im Widerspruch hierzu unterfingen sich in der Folgezeit einige katholische Schriftsteller, die Wahrheit der Heiligen Schrift auf die bloßen Glaubens- und Sittenfragen einzuschränken, während sie für den ganzen übrigen Inhalt der Bücher, sei er naturwissenschaftlicher oder geschichtlicher Natur, als nur „nebenbei gesagt“, die Verbindung mit der Glaubenslehre leugneten. Diese Irrtümer hat Unser Vorgänger unvergesslichen Andenkens, Leo XIII., durch das Rundschreiben Providentissimus Deus vom 18. November 1893 mit Fug und Recht verurteilt und zugleich das Studium der Heiligen Bücher durch weise Vorschriften und Richtlinien geregelt.

Den 50. Jahrestag der Veröffentlichung dieses Rundschreibens, das als Grundgesetz der biblischen Studien gilt, feierlich zu begehen, ist gewiß geziemend. Wir, die Wir von Beginn Unseres Pontifikates an der heiligen Wissenschaft Unsere besondere Sorge zugewandt haben [3], glauben diesen Gedenktag nicht würdiger feiern zu können, als wenn Wir das, was Unser Vorgänger weise angeordnet hat und was seine Nachfolger zur Bekräftigung und zur Vervollkommnung seines Werkes beigetragen haben, auch Unserseits bestätigen und einzuschärfen und gleichzeitig das bestimmen, was die Gegenwart verlangt, um auf diese Weise alle Söhne der Kirche, die sich diesen Studien widmen, zu einer so notwendigen und löblichen Arbeit mehr und mehr anzuspornen.

I.

HISTORISCHER TEIL

DIE LETZTEN PÄPSTE UND DIE HEILIGE SCHRIFT

§ I - LEO XIII.

Die Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift


Die erste und vornehmlichste Sorge Leos XIII. war es, die Lehre von der Wahrheit der heiligen Bücher darzulegen und gegen Einwände zu verteidigen. Mit ernsten Worten erklärte er daher, dass keinerlei Irrtum vorliege, wenn sich der biblische Schriftsteller, wie der engelgleiche Lehrer sagt [4], beim Reden über Naturvorgänge „an das hält, was von den Sinnen wahrgenommen wird“, und in „einer Art bildlicher Rede spricht oder so, wie der gewöhnliche Brauch es damals mit sich brachte und das alltägliche Leben auch heute noch in vielen Dingen es mit sich bringt, auch bei ganz gebildeten Leuten“. „Die biblischen Schriftsteller, oder besser der Heilige Geist, Der durch sie sprach, wollten ja, wie der heilige Augustin sagt [5], die Menschen nicht über das innerste Wesen der sinnenfälligen Dinge belehren, was für das Seelenheil von keinem Nutzen gewesen wäre.“ [6] Diesen Grundsatz „übertrage man nützlicherweise auch auf die verwandten Wissensgebiete, besonders auf die Geschichte, d.h. „in ganz ähnlicher Weise widerlege man die falschen Behauptungen der Gegner“ und „verteidige die geschichtliche Glaubwürdigkeit der heiligen Schrift gegen deren Angriffe.“ [7]

Ebensowenig dürfe man es dem biblischen Schriftsteller als Irrtum anrechnen, wenn von den Schreibern „beim Abschreiben der Handschriften etwas weniger richtig wiedergegeben worden sei“, oder „wenn der eigentliche Sinn einer Stelle zweifelhaft bleibe“. Endlich sei es ganz unzulässig, die „Inspiration bloß auf einige Teile der Heiligen Schrift zu beschränken oder zuzugeben, der heilige Schriftsteller selbst habe geirrt“, denn „die göttliche Inspiration schließt nicht nur jeden Irrtum aus, sondern die Verwerfung und der Ausschluß der Irrtums sind ihr so wesentlich notwendig, wie es wesentlich notwendig ist, dass Gott, die höchste Wahrheit, nicht der Urheber eines Irrtum ist. Das ist der alte und beständige Glaube der Kirche.“ [8]

Diese Lehre, die Unser Vorgänger Leo XIII. mit so gewichtigem Ernst dargelegt hat, legen auch Wir kraft Unserer Autorität vor und dringen darauf, dass sie von allen gewissenhaft festgehalten wird. Wir bestimmen ferner, dass den Mahnungen und Anregungen, die Leo XIII. für seine Zeit mit großer Weisheit beigefügt hat, auch heute ebenso eifrig Folge geleistet wird. Die Vorurteile des allenthalben verbreiteten Rationalismus, besonders aber die Schriftdenkmäler des Altertums, die überall im Orient ausgegraben und erforscht wurden, brachten nämlich neue,, nicht geringe Schwierigkeiten mit sich. Um nun die herrliche Quelle der Offenbarung zum Besten der Herde des Herrn sicherer und reicherer fließen, vor allem aber, um sie in keiner Weise antasten zu lassen, wünschte Unser Vorgänger aus gewissenhafter Sorge für sein apostolisches Amt dringend, „es sollten eine größere Zahl Gelehrter den Schutz der Heiligen Schrift in gehöriger Weise übernehmen und dauernd leisten; vor allem aber sollten diejenigen, die Gottes Gnade zum Priesterstand berufen habe, Tag für Tag, wie es recht und billig sei, mehr Sorge und Fleiß darauf verwenden, die heiligen Bücher zu lesen, zu betrachten und zu erklären.“ [9]
Bibelschule in Jerusalem. Die Bibelkommission


Aus diesen Erwägungen heraus hatte der Papst schon früher die Schule für die biblischen Schulen gelobt und gutgeheißen, die der Generalobere des Dominikanerordens an der St. Stephans-Kirche in Jerusalem gegründet hatte; „durch sie“, so äußerte er sich, „hat die Bibelwissenschaft schon beträchtliche Förderung erfahren und erhofft deren noch größere.“ [10] Aus dem gleichen Grund fügte er in seinem letzten Lebensjahre noch eine andere Maßnahme hinzu, wodurch diese im Rundschreiben Providentissimus Deus so angelegentlich empfohlenen Studien immer mehr vervollkommnet und möglichst sicher gefördert werden sollten: durch das Apostolische SchreibenVigilantiae vom 30. Oktober 1902 setzte er einen aus bedeutenden Gelehrten bestehenden Ausschuß, eine sogenannte Kommission, ein, „deren Aufgabe es sein sollte, mit allen Mitteln dafür wirksam zu sorgen, dass der Heiligen Schrift überall bei den Katholiken die von den Zeitverhältnissen geforderte sorgfältige Behandlung zuteil werde und von ihr nicht nur jeder Hauch des Irrtums, sondern auch jegliche allzu freie Ansicht ferngehalten werde.“ [11] Diesen Ausschuß haben auch wir, nach dem Beispiel unserer Vorgänger, durch die Tat bestätigt und gefördert und uns, wie es früher öfters geschehen ist, seiner bedient, um den Erklärern der Heiligen Bücher die heilsamen Regeln der katholischen Exegese ins Gedächtnis zu rufen, die die heiligen Väter, die Kirchenlehrer und die Päpste überliefert haben. [12]

§ 2 - DIE NACHFOLGER LEOS XIII.

Pius X.: Die akademischen Grade. Studienordnung für die Seminarien.

Päpstliches Bibelinstitut


An dieser Stelle scheint es nicht unangebracht zu sein, dankbar in Erinnerung zu bringen, was unsere Vorgänger in der Folgezeit an besonders nützlichen Maßnahmen zum gleichen Zweck beigetragen haben, Maßnahmen, die man Ergänzungen oder Früchte der glücklichen Initiative Leos XIII. nennen könnte. Pius’ X. Absicht war es, „ein wirksames Mittel zu schaffen, wodurch eine reiche Zahl von Lehrern bereitgestellt würde, die mit anerkannter, ernster und gründlicher Gelehrsamkeit in den katholischen Schulen die Heilige Schrift erklären“. Daher schuf er „die akademischen Grade des Lizentiates und des Doktorates in der Bibelwissenschaft, die von der Bibelkommission erteilt werden sollten.“ [13] Weiterhin wollte er erreichen, dass die künftigen Priester nicht nur selbst über eine genaue Kenntnis der Bedeutung, der Eigenart und der Lehre der Bibel verfügten, sondern dass sie den Dienst des Wortes Gottes auch richtig und geschickt versehen und die von Gott inspirierten Bücher gegen die Einwürfe verteidigen könnten. Daher erließ er eine Bestimmung über die in den Klerikalseminarien zu beobachtende Studienordnung für die biblischen Fächer. [14] Endlich wollt er, „dass in der Stadt Rom ein Mittelpunkt des höheren Bibelstudiums bestehe, um in möglichst wirksamer Weise die Bibelwissenschaft und die zu dieser gehörigen Studien nach dem Geiste der Katholischen Kirche zu fördern“. So gründete er das Päpstliche Bibelinstitut, das er der Sorge der Gesellschaft Jesu anvertraute und „mit Lehrkanzeln für die höheren Fächer und mit allen Hilfsmitteln der biblischen Ausbildung ausgestattet“ wissen wollte, und gab dafür die Anordnungen und Vorschriften, eine Gründung, bei der er, seinen eigenen Worten gemäß, einen heilsamen und fruchtbaren Gedanken Leos XIII. zur Ausführung brachte. [15]
Pius XI.: Verpflichtung zur Erwerbung der akademischen Grade

Die Abtei vom heiligen Hieronymus für die Revision der Vulgata


Alle diese Maßnahmen und Einrichtungen vervollkommnete dann Unser unmittelbarer Vorgänger Pius XI. seligen Gedenkens. So bestimmte er unter anderem, es dürfe „niemand in den Seminarien die biblischen Fächer vortragen, wenn er nicht besondere Studien in diesem Fach gemacht und bei der Bibelkommission oder dem Bibelinstitut rechtmäßig die akademischen Grade erworben“ hätte. Diese Grade sollten die gleichen Rechte und Wirkungen haben, wie die rechtmäßig erworbenen Grade in der Theologie oder im Kirchenrecht. Ebenso ordnete er an, es dürfe keinem ein Benefizium verliehen werden, das kirchenrechtlich die Verpflichtung mit sich bringe, dem Volk die Heilige Schrift zu erklären, wenn er nicht, außer den übrigen Erfordernissen, das Lizentiat oder das Doktorrat in der Bibelwissenschaft besitze. Gleichzeitig ermahnt er die Generaloberen der Orden und religiösen Genossenschaften und ebenso die Bischöfe der ganzen katholischen Welt, die Fähigsten ihrer Alumnen zum Besuch der Vorlesungen und zur Erwerbung der akademischen Grade an das Päpstliche Bibelinstitut zu schicken. Diese Aufforderung bekräftigte er durch sein eigenes Beispiel und stiftete freigebig zu diesem Zweck einen jährlichen Beitrag [16].

Unter Billigung und Gutheißung Pius´X. war im Jahre 1907 „den Benediktinern der Auftrag erteilt worden, Forschungen und Studien zu unternehmen, auf die sich einen Neuausgabe der lateinischen Bibelübersetzung, der sogenannten Vulgata, stützen könne.“ [17] Dieses „arbeitsvolle und schwierige Unternehmen“, das viel Zeit und große Kosten verlangt, hatte inzwischen seinen großen Nutzen erwiesen durch die ausgezeichneten Bände, die bereits erschienen waren. Um es nun sicher und fest zu begründen, errichtete Pius XI. in Rom das Kloster des heiligen Hieronymus, das sich dieser Arbeit ausschließlich widmen soll, und stattete es reichlich mit einer Bibliothek und mit anderen Forschungsmitteln aus. [18]

§ 3 - SORGE FÜR DEN GEBRAUCH DER HEILIGEN SCHRIFT

An dieser Stelle darf auch nicht übergangen werden, wie eindringlich Unsere Vorgänger bei gegebener Gelegenheit das Studium, die Predigt, die fromme Lesung und Betrachtung der Heiligen Schrift empfohlen haben. So hat Pius X. den Verein des heiligen Hieronymus besonders gebilligt, der unter den Gläubigen die lobenswerte Gewohnheit zu fördern sucht, die heiligen Evangelien zu lesen und zu betrachten und diese Übung tunlichst erleichtern möchte. Er ermunterte zu eifriger Beständigkeit in diesem Unternehmen, das er eine „überaus nützliche, höchst zeitgemäße Gründung“ nannte, „die nicht wenig beitrage zur Beseitigung der Ansicht, al ob die Kirche einen Gegnerin der Lesung der Heiligen Schrift in der Muttersprache sei oder diese irgendwie behindere.“ [19] Benedikt XV. schärfte gelegentlich des 1500. Jahrestages des Todes des heiligen Hieronymus, des großen Meisters der Schrifterklärung, die Weisungen und das Beispiel dieses Lehrers, ebenso wie die von Leo XIII. und von ihm selbstaufgestellten Grundsätze und Regeln angelegentlichst ein, gab andere auf diesem Gebiet äußerst zeitgemäße Anregungen, die nie in Vergessenheit geraten dürften, und ermahnte „alle Söhne der Kirche, besonders den Klerus, zur Ehrfurcht vor der Heiligen Schrift, verbunden mit frommer Lesung und beständiger Betrachtung“. „In diesen Blättern ist“, so führte er aus, „die Speise zu suchen, die das geistliche Leben zur Vollkommenheit nährt“, und weiterhin: „ihre hauptsächlichste Verwendung findet die heilige Schrift die Heilige Schrift, wo es sich darum handelt, das Predigtamt treu und erfolgreich zu verwalten“. Aufs neue belobte er die Wirksamkeit des Vereins vom heiligen Hieronymus, der für möglichst weite Verbreitung der Evangelien und der Apostelgeschichte Sorge trage, „so dass es bereits keine christliche Familie mehr gebe, die sie nicht besäße, und alle sich an deren tägliche Lesung und Betrachtung gewöhnten.“ [20]

§ 4 - DIE FRÜCHTE DIESER VIELFÄLTIGEN BEMÜHUNGEN

Es ist geziemend und angenehm, es auszusprechen, dass so die Bibelwissenschaft und der Gebrauch der Bibel unter den Katholiken große Fortschritte gemacht haben. Der Grund dafür liegt jedoch nicht bloß in den Einrichtungen, Anordnungen und Ermunterungen Unserer Vorgänger, sondern auch in den Arbeiten und Bemühungen aller derer, die ihnen treu Folge geleistet haben, sei es durch Betrachtung, Forschung und schriftstellerische Tätigkeit, sei es durch Belehrung, Predigt, Übersetzung und Verbreitung der Heiligen Schrift. Aus den Schulen, in denen die höheren Fächer der Theologie und Bibelwissenschaft gelehrt werden, und besonders aus Unserem päpstlichen Bibelinstitut, sind bereits viele Verehrer der Heiligen Schrift hervorgegangen und gehen täglich weitere hervor, die in feuriger Liebe zu den heiligen Büchern den jungen Klerus mit gleicher Liebe erfüllen und ihm das Wissen, das sie selbst erworben haben, mit hingebendem Eifer vermitteln. Nicht weniger von ihnen haben die Bibelwissenschaft auch durch Veröffentlichungen vielseitig gefördert und fördern sie, mögen sie die Bibeltexte nach Textkritischen Grundsätzen herausgeben, sie erklären, beleuchten, in moderne Sprachen übersetzen oder die Heilige Schrift den Gläubigen zu frommer Lesung und Betrachtung darbieten oder endlich profane Fächer, die für die Erklärung der Heiligen Schriftförderlich sind, pflegen und nutzbar machen. Diese und andere Unternehmungen, die sich stets weiter verbreiten und wachsen, wie Bibelvereine, Kongresse, biblische Wochen, biblische Büchereien, Vereine zur Betrachtung der Evangelien, geben uns die sichere Hoffnung, dass auch in Zukunft die Verehrung, der Gebrauch und die Kenntnis der Heiligen Schrift allüberall zum Heil der Seelen mehr und mehr zunehmen werden, wenn nur alle das von Leo XIII. vorgeschriebene, von seinen Nachfolgern eingehender und vollkommener erklärte, von Uns bestätigte und geförderte Programm des Bibelstudiums – das einzig sichere und durch die Erfahrung bewährte – entschieden, eifrig und vertrauensvoll festhalten, ohne sich irgendwie hindern zu lassen durch die Schwierigkeiten, die, wie überall im menschlichen Leben, auch bei diesem herrlichen Werke niemals fehlen werden.

II.

DOKTRINELLER TEIL

DIE HEILIGE SCHRIFT HEUTE

Der augenblickliche Stand der Bibelwissenschaften


Daß sich die Lage der biblischen Wissenschaft und ihrer Hilfsfächer in den letzten fünfzig Jahren bedeutend geändert hat, kann jedermann unschwer wahrnehmen. Als Unser Vorgänger das Rundschreiben Providentissimus Deus herausgab, war, um anderes zu übergeben, kaum der eine oder andere Ort in Palästina durch wissenschaftliche Ausgrabungsarbeit erforscht. Heute dagegen sind derartige Forschungen viel zahlreicher geworden und liefern uns, dank der strengeren Methode und der durch Erfahrung vervollkommneten Technik, viel reichere und gesicherter Ergebnisse. Wieviel Licht aus diesen Unternehmungen für eine richtigere und vollkommenere Erklärung der biblischen Bücher gewonnen wird, weiß jeder Fachmann, wissen alle, die diese Studien pflegen. Die Wichtigkeit dieser Forschungen wird noch erhöht durch die vielfache Auffindung von Schriftdenkmälern, die zur Kenntnis ältester Sprachen, Literaturen, Ereignisse, Sitten und Formen der Gottesverehrung wesentlich beitragen. Von nicht geringerer Bedeutung ist heute die so häufige Entdeckung und Untersuchung von Papyri, die die Kenntnis der Literatur und der Einrichtungen des öffentlichen und privaten Lebens, besonders der Zeit unseres Heilandes, erfolgreich gefördert haben. Fernerhin hat man alte Handschriften der heiligen Bücher aufgefunden und sorgfältig veröffentlicht; die Schrifterklärung der Kirchenväter ist allgemeiner und gründlicher untersucht worden; die Sprechweise, Erzählungsart und Schreibweise der Alten lässt sich durch ungezählte Beispiele beleuchten. Alle diese Ergebnisse, die unserer Zeit, nicht ohne besondere Absicht der göttlichen Vorsehung, erzielt hat, laden sozusagen Erklärer der Heiligen Schrift ein und mahnen sie, dieses strahlende, uns zuteil gewordene Licht freudig zu benutzen, um Gottes Wort tiefer zu durchforschen, heller zu beleuchten und klarer vorzulegen. Wenn wir, zu Unserem großen Troste, sehen, daß die Exegeten dieser Einladung schon eifrig entsprochen haben, so ist das sicherlich nicht die letzte und geringste Frucht des Rundschreibens Providentissimus DeusUnseres Vorgängers Leos XIII. er hat, dieses neue Aufblühen der Bibelwissenschaft gewissermaßen vorausahnend, die katholischen Exegeten zur Arbeit gerufen und ihnen in Weisheit die Arbeitsmethode vorgezeichnet. Daß die Arbeit nicht nur unverdrossen fortgehe, sondern immer vollkommener und fruchtbarer werde, das ist auch das Ziel dieses Unseres Rundschreibens: Wir wollen allen zeigen, was noch zu tun übrig bleibt und in welchem Geiste die katholischen Exegeten heute an ihr großes und erhabenes Amt gehen sollen, und Wir möchten den Arbeitern, die eifrig im Weinberg des Herrn tätig sind, neue Begeisterung und neuen Mut zu geben.

§ I - DIE BENUTZUNG DER URTEXTE

Studium der biblischen Sprachen


Dem katholischen Exegeten, der sich mit dem Verständnis und der Erklärung der Heiligen Schrift befasst, haben schon die Kirchenväter, besonders Augustinus, das Studium der alten Sprachen und die Heranziehung der Urtexte ans Herz gelegt [21]. So wie aber damals die wissenschaftlichen Verhältnisse lagen, kannten die hebräische Sprache nur wenige, und auch sie nur unvollkommen. Im Mittelalter, als die scholastische Theologie in hoher Blüte stand, hatte seit langem auch die Kenntnis des Griechischen im Abendland so abgenommen, dass selbst die großen Lehrer der damaligen Zeit für die Erklärung der Heiligen Bücher ausschließlich auf die lateinische Übersetzung, die sogenannte Vulgata, angewiesen waren. In unseren Tagen hingegen ist nicht nur das Griechische, das seit der Zeit der humanistischen Renaissance zu neuem Leben erstanden ist, fast allen Kennern des Altertums und der Literatur vertraut, sondern auch die Kenntnis des Hebräischen und anderer orientalischer Sprachen ist unter den Gelehrten weit verbreitet. Ferner steht zur Erlernung dieser Sprachen heute eine solche Menge von Hilfsmitteln zur Verfügung, dass der Bibelerklärer dem Vorwurf der Leichtfertigkeit und Fahrlässigkeit nicht entgehen könnte, wenn er sich durch Vernachlässigung des Sprachenstudiums den Weg zu den Urtexten verschlösse. Ist es doch Pflicht des Exegeten, auch das Kleinste, das unter der Eingebung des Heiligen Geistes aus der Feder des heiligen Schriftstellers geflossen ist, mit größter Sorgfalt und Ehrfurcht aufzugreifen, um dessen Gedanken möglichst tief und vollständig zu erfassen. Daher soll er gewissenhaft daran arbeiten, sich eine immer größere Kenntnis der biblischen und auch anderen orientalischen Sprachen anzueignen, und seine Schriftauslegung durch alle die Hilfsmittel führen, die die verschiedenen Zweige der Philologie bieten. Das wollte seinerzeit der heilige Hieronymus mit Sorgfalt leisten, soweit der damalige Stand der Sprachenkunde es erlaubte; das erstrebten auch mit unermüdlichem Eifer und mit nicht geringem Erfolg nicht wenige der großen Exegeten des 16. und 17. Jahrhunderts, obwohl damals die Kenntnis der Sprachen noch viel geringer war als heute. Nach den gleichen Grundsätzen muß man darum den Urtext erklären: vom heiligen Schriftsteller selbst geschrieben, hat er höhere Autorität und größeres Gewicht als jede, sei es auch die beste, Überlieferung aus alter oder neuer Zeit. Diese Aufgabe lässt sich um so leichter und erfolgreicher leisten, wenn der Exeget mit der Sprachenkenntnis auch einen gründliche Schulung in der Textkritik verbindet.
Wichtigkeit der Textkritik


Wieviel Bedeutung der Textkritik beizumessen ist, sagt zutreffend schon Augustinus, der unter den Regeln, die er für das Bibelstudium aufstellt, an erster Stelle die Sorge für einen kritisch richtigen Text erwähnt. „Der Verbesserung der Handschriften“, sagt der berühmte Kirchenlehrer, „muß die wachsame Sorge derer, die die Heilige Schrift kennen wollen, in erster Linie gelten: hinter den verbesserten Handschriften müssen die unverbesserten zurücktreten.“ [22] Diese Wissenschaft der Textkritik, die bei der Herausgabe von Profanschriften anerkennenswert und erfolgreich angewandt wird, betätigt sich heute mit Fug und Recht auch an den heiligen Büchern, gerade wegen der Ehrfurcht, die wir dem Worte Gottes schulden. Ihre Aufgabe ist es ja, den heiligen Text, soweit möglich, in vollkommenster Weise wiederherzustellen, ihn von den Verderbnissen, die aus der Unzuverlässigkeit der Abschreiber stammen, zu reinigen und ihn tunlichst zu befreien von Zusätzen und Lücken, von Umstellungen und Wiederholungen und von anderen derartigen Fehlern, die sich bei jahrhundertlanger Überlieferung in die Schriftwerke einzuschleichen pflegen. Die Textkritik, die manche Gelehrte vor einigen Jahrzehnten noch ganz willkürlich angewandt haben, nicht selten so, dass man hätte meinen können, sie täten es, um ihre vorgefaßten Ansichten in den heiligen Text hineinzutragen, hat heute – es ist kaum nötig, dies zu bemerken – eine derartige Festigkeit und Sicherheit in ihren Regeln erreicht, dass sie ein treffliches Werkzeug geworden ist, um die Heilige Schrift reiner und genauer herauszugeben, und dass sich anderseits jeder Mißbrauch leicht feststellen lässt. Es braucht hier auch nicht daran erinnert zu werden – allen, die sich mit dem Studium der Heiligen Schrift befassen, ist es ja bekannt und geläufig-, wie hoch die Kirche von Anfang an bis heute die textkritischen Studien gehalten hat. Heute, nach dieses Fach zu so hoher Vollkommenheit gelangt ist, ist es daher für die Vertreter der Bibelwissenschaft eine ehrenvolle, wenn auch nicht immer leichte Pflicht, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass katholischerseits möglichst bald kritische Ausgaben sowohl der biblischen Bücher als auch der alten Übersetzungen hergestellt werden, die mit vollster Ehrfurcht gegen den heiligen Text eine gewissenhafte Beobachtung aller kritischen Regeln verbinden. Diese langwierige Arbeit ist nicht nur notwendig, um die aus göttlicher Eingebung stammenden Heiligen Schriften richtig zu verstehen; sie ist auch – dies mögen alle wissen – eine gebieterische Forderung der Dankbarkeit, die wir Gottes Vorsehung dafür schulden, seiner Herrlichkeit gesandt hat.
Vulgata, Sinn des Dekrets des Konzils von Trient

Neue Übersetzungen


In der angedeuteten Verwendung des kritisch bearbeiteten Urtextes soll niemand einen Verstoß gegen die weisen Vorschriften des Konzils von Trient über die lateinische Vulgata sehen [23]. Denn, wie aus den Geschichtsquellen feststeht, erhielten die Konzilspräsidenten den Auftrag, im Namen des heiligen Konzils den Papst zu bitten – wie sie es auch wirklich taten -, es möchte zunächst ein nach Möglichkeit verbesserter lateinischer, dann aber auch ein griechischer und ein hebräischer Text der heiligen Schrift hergestellt [24] und seinerzeit zum Nutzen der Heiligen Kirche Gottes herausgegeben werden. Wenn diesem Wunsch damals wegen der schwierigen Zeitverhältnisse und sonstiger Hindernisse nicht voll entsprochen werden konnte, so wird er sich heute, so hoffen Wir zuversichtlich, durch die Zusammenarbeit der katholischen Gelehrten um so vollkommener und weitgehender erfüllen lassen. Wenn das Trienter Konzil wollte, dass die Vulgata diejenige lateinische Übersetzung sei, „die alle als authentische gebrauchen“, so gilt diese Bestimmung, wie jedermann weiß, nur für die lateinische Kirche, und zwar für den offiziellen Gebrauch der Heiligen Schrift; die Autorität und Bedeutung der Urtexte mindert sie, das steht außer Zweifel, in keiner Weise. Es handelte sich damals ja nicht um die Urtexte, sondern um die in jener Zeit umlaufenden lateinischen Übersetzungen; unter diesen, so ordnete das Konzil mit Recht an, sollte sie den Vorzug besitzen, die „durch viele Jahrhunderte langen Gebrauch in der Kirche selbst bewährt ist“. Diese überragende Autorität der Vulgata, ihre sogenannte Authentizität, ist also vom Konzil nicht in erster Linie aus kritischen Gründen behauptet worden, sondern wegen der rechtmäßigen, viele Jahrhunderte dauernde Verwendung in den Kirchen. Diese Verwendung beweist, wie die Kirche sie verstanden hat und versteht, in Glaubens- und Sittenfragen frei ist von jedem Irrtum, so dass sie, wie die Kirche selbst bezeugt und bestätigt, in Disputationen, Vorlesungen und Predigten sicher und ohne Gefahr eines Irrtums verwendet werden kann. DieseAuthentizität ist also nicht in erster Linie eine kritische, sondern vielmehr eine juridische zu nennen. Daher verbietet die Autorität der Vulgata in Fragen der kirchlichen Lehre keineswegs, eben diese Lehre auch aus den Urtexten zu beweisen und zu bestätigen, ja, sie erfordert es beinahe; ebenso wenig verwehrt sie, allenthalben die Urtexte zu Hilfe zu nehmen, um den richtigen Sinn der Heiligen Schrift überall mehr und mehr zu finden und zu erklären. Das Dekret des Trienter Konzils verbietet auch nicht, zum Gebrauch und Nutzen der Gläubigen und zum leichteren Verständnis des Wortes Gottes Übersetzungen in der Muttersprache anzufertigen, auch aus den Urtexten, wie es, mit Billigung der kirchlichen Autorität, schon vielerseits, wie Wir wissen, löblicherweise geschehen ist.

§ 2 - DIE ERKLÄRUNG DER HEILIGEN SCHRIFT

Der buchstäbliche Sinn


Mit der Kenntnis der alten Sprachen und mit den Hilfsmitteln der Textkritik trefflich gerüstet, soll der katholische Exeget an die Aufgabe herangehen, die von allem ihm gestellten die höchste ist, an die Auffindung und Erklärung des wahren Sinnes der heiligen Bücher. Dabei mögen die Schrifterklärer sich gegenwärtig halten, dass es ihre erste und angelegentliche Sorge sein muß, klar zu erkennen uns zu bestimmen, welches der Literalsinn der biblischen Worte ist. DiesenLiteralsinn der Worte sollen sie mit aller Sorgfalt durch die Kenntnis der Sprachen ermitteln, unter Zuhilfenahme des Zusammenhangs und des Vergleichs mit ähnlichen Stellen – Hilfsmittel, die man alle auch bei der Erklärung profaner Schriften heranzuziehen pflegt, damit der Gedanke des Schriftstellers klar zum Ausdruck kommt. Die Erklärer der Heiligen Schrift mögen sich aber daran erinnern, dass es sich hier um das inspirierte Gotteswort handelt, das Gott selbst der Kirche zur Hut und zur Erklärung anvertraut hat, und deshalb mit nicht weniger Sorgfalt den Erklärungen und Bestimmungen des kirchlichen Lehramts Rechnung tragen, sowie auch den Auslegungen der heiligen Väter und der „Analogie des Glaubens“, wie Leo XIII. in seinem RundschreibenProvidentissimus Deus weise bemerkt hat [25]. Mit besonderem Eifer aber sollen sie darauf bedacht sein, dass sie nicht bloß – wie es zu Unserem Bedauern in einigen Kommentatoren der Fall ist – die Dinge erläutern, die der Geschichte, Archäologie, Philologie und anderen derartigen Wissenschaften angehören. Gewiß sollen sie derartiges, soweit es der Exegese nützlich ist, in zweckdienlicher Weise vorbringen; aber vor allem müssen sie zeigen, welches der theologische Lehrgehalt der einzelnen Bücher und Texte in Glaubens- und Sittenfragen ist. Dadurch soll ihre Schrifterklärung nicht bloß den Theologen bei der Darlegung und dem Beweis der Glaubenslehren von Nutzen sein, sondern ebenso den Priestern bei der Verkündigung der christlichen Lehre vor dem Volke dienen und schließlich allen Gläubigen dazu behilflich sein, ein heiliges, eines Christen würdiges Leben zu führen.
Richtige Anwendung des geistlichen Sinnes


Wenn die katholischen Exegeten eine derartige Schriftauslegung geben, die, wie gesagt, vor allem theologischer Natur ist, werden sie die wirksam zum Schweigen bringen, die immer wieder behaupten, sie fänden in den Bibelkommentaren kaum etwas, was den Geist zu Gott erhebe, die Seele nähre und das innere Leben fördere, und darum geltend machen, sie müssten ihre Zuflucht nehmen zu einer geistigen und, wie sie sagen, mystischen Erklärung. Wie wenig diese Leute mit einer solchen Behauptung Recht haben, zeigt gerade die Erfahrung der vielen, die, Gottes Wort immer wieder erwägend und betrachtend, ihre Seele vervollkommnet und sich mit warmer Liebe zu Gott erfüllt haben; das gleiche zeigen klar auch die beständigen Anweisungen der Kirche und die Mahnungen der angesehensten Lehrer. Gewiß ist nicht jeder geistige Sinn aus der Heiligen Schrift ausgeschlossen. Aussprüche und Geschehnisse des Alten Testamentes hat Gott in Seiner Weisheit so angeordnet und eingerichtet, dass das Vergangene geistigerweise das vorausbedeutete, was im Neuen Bund der Gnade geschehen sollte. Wie darum der Exeget den Literalsinn der Worte, den der heilige Schriftsteller beabsichtigte und ausdrückte, auffinden und erklären muß, so auch den geistigen, sofern nur gebührend feststeht, dass Gott diesen Sinn wirklich gewollt hat. Denn nur Gott konnte diesen geistigen Sinn kennen und uns offenbaren. Diesen Sinn zeigt und lehrt uns in den Evangelien der göttliche Heiland selbst; ihn verkünden auch, nach dem Beispiel des Meisters, die Apostel in Wort und Schrift; ihn zeigt die ununterbrochene Überlieferung der Kirche; ihn beweist endlich die uralte Verwendung in der Liturgie, wo immer das bekannte Wort: „Das Gesetz des Betens ist das Gesetz des Glaubens“ in berechtigter Weise angewandt werden kann. Diesen geistigen Sinn also, den Gott selbst gewollt und angeordnet hat, sollen die katholischen Exegeten mit der Sorgfalt aufhellen und darlegen, die die Würde des Wortes Gottes fordert; andere übertragene Bedeutungen dagegen als echten Sinn der Heiligen Schrift vorzutragen, mögen sie sich gewissenhaft hüten. Gewiß kann, besonders bei der Ausübung des Predigtamtes, ein weitgehender, mit übertragenen Wortbedeutungen arbeitender Gebrauch des heiligen Textes zur Erläuterung und Empfehlung der Glaubens- uns Sittenlehren dienlich sein, wenn dabei nur das Maß und Ziel beobachtet werden, aber diese Verwendung der Heiligen Schrift ist ihr, was man nie vergessen darf, gewissermaßen äußerlich und zusätzlich und dazu, besonders heute, nicht ohne Gefahr; denn die Gläubigen, vor allem, wenn sie in den heiligen und profanen Wissenschaften gebildet sind, wollen wissen, was Gott selbst in der Heiligen Schrift uns lehrt, nicht was ein beredter Prediger oder Schriftsteller mit geschickter Verwendung biblischer Worte vorträgt. „Das lebendige Wort Gottes, wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, durchdringend, bis es Seele und Geist, Mark und Bein scheidet, Richter über die Gedanken und die Gesinnungen des Herzens (He 4,12), bedarf keineswegs der Künstelei oder der menschlichen Zustutzung, um die Seele zu rühren und zu erschüttern. Die heiligen Bücher, durch die Eingebung des göttlichen Geistes verfasst, sind aus sich selbst überreich an echtem Sinn; mit göttlicher Kraft erfüllt, sind sie aus sich selbst mächtig; mit himmlischer Schönheit geschmückt, leuchten und strahlen sie aus sich selbst, wenn sie nur vom Schrifterklärer so richtig und genau ausgelegt werden, dass alle Schätze der Weisheit und Einsicht, die sie enthalten, zutage gefördert werden.
Studium der Väter und großen Erklärer



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