Dominum et vivificantem


ENZYKLIKA


DOMINUM ET VIVIFICANTEM


VON PAPST JOHANNES PAUL II.


ÜBER DEN HEILIGEN GEIST


IM LEBEN DER KIRCHE UND DER WELT


Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Söhne und Töchter!
Gruß und Apostolischen Segen!

EINLEITUNG



1 Die Kirche bekennt ihren Glauben an den Heiligen Geist als den, »der Herr ist und lebendig macht«. So spricht sie im sogenannten nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis, das nach den beiden Konzilien - dem von Nizäa (325) und dem von Konstantinopel (381) - benannt ist, auf denen es formuliert oder verkündet worden ist. Darin fügt man noch hinzu, daß der Heilige Geist »durch die Propheten gesprochen hat«.

Diese Worte empfängt die Kirche aus der Quelle ihres Glaubens selbst, von Jesus Christus. Nach dem Johannesevangelium ist uns ja mit dem neuen Leben der Heilige Geist geschenkt worden, wie Jesus am großen Tag des Laubhüttenfestes ankündigt und verspricht: »Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt. Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen« (1). Und der Evangelist erklärt dies: »Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben« (2). Das ist derselbe Vergleich mit dem Wasser, den Jesus im Gespräch mit der samaritischen Frau benutzt, wenn er von der »sprudelnden Quelle« spricht, »deren Wasser ewiges Leben schenkt« (3), wie auch im Gespräch mit Nikodemus, wenn er die Notwendigkeit einer neuen Geburt »aus Wasser und Geist« ankündigt, um in das Reich Gottes zu kommen (4).

Durch das Wort Christi belehrt und durch die Pfingsterfahrung und die eigene apostolische Geschichte bereichert, verkündet die Kirche deshalb von Anfang an ihren Glauben an den Heiligen Geist als den, der lebendig macht und in dem sich der unerforschliche dreieinige Gott den Menschen mitteilt und so in ihnen die Quelle zum ewigen Leben begründet.
2 Dieser Glaube, den die Kirche ununterbrochen bekennt, muß im Bewußtsein des Volkes Gottes immer wieder neu belebt und vertieft werden. In den letzten hundert Jahren ist dies schon mehrmals geschehen: von Leo XIII., der die Enzyklika »Divinum illud munus« (1897) herausgegeben hat, die vollständig dem Heiligen Geist gewidmet ist, zu Pius XII., der sich in der Enzyklika »Mystici Corporis« (1943) auf den Heiligen Geist als das Lebensprinzip der Kirche bezieht, in der dieser zusammen mit Christus, dem Haupt des mystischen Leibes, wirkt (5); bis zum II. Vatikanischen Ökumenischen Konzil, das auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, sich erneut der Lehre vom Heiligen Geist zuzuwenden, wie Paul VI. unterstrich, als er sagte: »Auf die Christologie und vor allem auf die Ekklesiologie des Konzils muß nun ein neues Studium und eine neue Verehrung des Heiligen Geistes folgen, eben als notwendige Ergänzung der Ehre des Konzils« (6).

In unserer Epoche sind wir also vom stets alten und zugleich neuen Glauben der Kirche aufgerufen, uns näher mit dem Heiligen Geist zu befassen als dem, der lebendig macht. Hierbei ist uns Hilfe und Ansporn auch das gemeinsame Erbe mit den Ostkirchen, die den außerordentlichen Reichtum der Lehre der Väter über den Heiligen Geist mit großer Sorgfalt bewahrt haben. Auch darum können wir sagen, daß eines der wichtigsten kirchlichen Ereignisse der letzten Jahre die 1600-Jahrfeier des I. Konzils von Konstantinopel gewesen ist, die am Pfingstfest des Jahres 1981 gleichzeitig in Konstantinopel und in Rom begangen worden ist. Der Heilige Geist hat sich damals durch die Meditation über das Geheimnis der Kirche deutlicher als derjenige gezeigt, der die Wege angibt, die zur Einheit der Christen führen, ja sogar als die tiefste Quelle dieser Einheit, die aus Gott selbst stammt und der der heilige Paulus besonderen Ausdruck mit den Worten verliehen hat, mit denen oft die Eucharistiefeier beginnt: »Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch« (7).

Von dieser Aufforderung haben die vorhergehenden Enzykliken »Redemptor hominis« und »Dives in misericordia« gewissermaßen ihren Ausgang und ihre Inspiration genommen; sie heben das Ereignis unserer Erlösung besonders hervor, das sich im Sohn vollzogen hat, den der Vater in die Welt gesandt hat, »damit die Welt durch ihn gerettet wird« (8) und »jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes des Vaters« (9).

Aus dieser Aufforderung erwächst nun die vorliegende Enzyklika über den Heiligen Geist, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird: Als göttliche Person lebt er im Herzen des christlichen Glaubens und ist Quelle und treibende Kraft für die Erneuerung der Kirche (10). Diese Enzyklika schöpft aus der Tiefe des konzialiaren Erbes. Durch ihre Lehre über die Kirche in sich und über die Kirche in der Welt regen uns nämlich die Konzilstexte dazu an, uns immer mehr in das dreifaltige Geheimnis Gottes selbst zu vertiefen und dabei dem Weg des Evangeliums, der Väter und der Liturgie zu folgen: zum Vater durch Christus - im Heiligen Geist.

Auf diese Weise gibt die Kirche auch Antwort auf gewisse tiefe Anliegen, die sie im Herzen der Menschen von heute zu erkennen glaubt: eine neue Entdeckung Gottes in seiner transzendenten Wirklichkeit als unendlicher Geist, wie Jesus ihn der samaritischen Frau kundtut; die Notwendigkeit, ihn »im Geist und in der Wahrheit« anzubeten (11); die Hoffnung, in ihm das Geheimnis der Liebe und die Kraft zu einer »neuen Schöpfung« (12) zu finden: Ja, es geht genau um denjenigen, der das Leben schenkt.

Zu einer solchen Sendung, nämlich den Heiligen Geist zu verkünden, weiß sich die Kirche berufen, während sie sich zusammen mit der Menschheitsfamilie dem Ende des zweiten Jahrtausends nach Christus nähert. Angesichts von Himmel und Erde, die »vergehen«, ist ihr bewußt, daß »die Worte, die nicht vergehen« (13), eine besondere Aussagekraft bekommen. Es sind die Worte Christi über den Heiligen Geist, die unerschöpfliche Quelle für das »Wasser, das... ewiges Leben schenkt« (14), als Wahrheit und heiligmachende Gnade. Über diese Worte will sie nachdenken, auf diese Worte möchte sie die Gläubigen und alle Menschen aufmerksam machen, während sie sich darauf vorbereitet - wie wir später noch erläutern werden -, das große Jubiläum zu begehen, welches den Übergang vom zweiten zum dritten christlichen Jahrtausend besonders kennzeichnen soll.

Natürlich wollen die folgenden Betrachtungen die überaus reiche Lehre vom Heiligen Geist nicht vollständig ausschöpfen noch irgendeine Lösung für noch offenstehende Fragen begünstigen. Sie beabsichtigen in erster Linie, in der Kirche das Bewußtsein dafür zu entwickeln, »daß sie im Heiligen Geist angetrieben wird, mitzuwirken, daß der Ratschluß Gottes, der Christus zum Ursprung des Heils für die ganze Welt bestellt hat, tatsächlich ausgeführt werde« (15).

I. DER GEIST DES VATERS UND DES SOHNES,


EIN GESCHENK AN DIE KIRCHE


1. Verheißung und Offenbarung Jesu beim Ostermahl


3 Als für Jesus Christus der Zeitpunkt zum Verlassen dieser Welt kurz bevorstand, kündigte er den Aposteln »einen anderen Beistand« an (16). Der Evangelist Johannes, der zugegen war, schreibt, daß sich Jesus während des Ostermahles vor dem Tag seines Leidens und Sterbens mit den folgenden Worten an sie gewandt habe: »Alles, um was ihr in meinem Namen bittet, werde ich tun, damit der Vater im Sohn verherrlicht wird... Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit« (17).

Gerade diesen Geist der Wahrheit nennt Jesus »Parakletos« - und Parakletos bedeutet »Tröster«, auch »Fürsprecher« oder »Rechtsbeistand«. Er spricht von einem »anderen«, zweiten Beistand; denn er selbst, Jesus Christus, ist der erste Beistand (18), weil er als erster die Frohe Botschaft gebracht und verkündet hat. Der Heilige Geist kommt nach ihm und durch ihn, um in der Welt das Wirken der Frohen Botschaft vom Heil mit Hilfe der Kirche fortzusetzen. Von dieser Fortführung seines Werkes durch den Heiligen Geist spricht Jesus wiederholt während der gleichen Abschiedsrede, als er die im Abendmahlssaal versammelten Apostel auf sein Weggehen, das heißt auf sein Leiden und seinen Tod am Kreuz, vorbereitet.

Die Worte, auf die wir uns hier beziehen, stehen im »Johannesevangelium«. Jedes von ihnen fügt jener Ankündigung und Verheißung einen bestimmten neuen Inhalt hinzu. Zugleich aber sind sie im Hinblick auf dieselben Ereignisse, aber auch im Blick auf das Geheimnis von Vater, Sohn und Heiligem Geist eng miteinander verbunden, das Geheimnis, das vielleicht in keinem Abschnitt der Heiligen Schrift einen so bedeutenden Ausdruck findet wie gerade hier.
4 Kurz nach der oben erwähnten Ankündigung fügt Jesus hinzu: »Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe« (19). Der Heilige Geist soll der Beistand der Apostel und der Kirche sein, stets gegenwärtig unter ihnen - wenn auch unsichtbar - als Lehrer derselben Frohen Botschaft, die Christus verkündigt hat. Dieses »Lehren« und »Erinnern« besagt nicht nur, daß er in der ihm eigenen Weise fortfährt, die Ausbreitung der Heilsbotschaft zu fördern, sondern auch hilft, die wahre Bedeutung des Inhaltes der Botschaft Christi zu verstehen, sowie die Kontinuität und Identität ihres Verständnisses inmitten der wechselnden Bedingungen und Umstände zu sichern. Der Heilige Geist soll also bewirken, daß in der Kirche stets dieselbe Wahrheit, wie die Apostel sie von ihrem Meister gehört haben, fortlebt.
5 Bei der Weitergabe der Frohen Botschaft sollen die Apostel in besonderer Weise dem Heiligen Geist verbunden sein. Hierzu sagt Jesus anschließend: »Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen. Und auch ihr sollt Zeugnis ablegen, weil ihr von Anfang an bei mir seid« (20).

Die Apostel waren unmittelbare Zeugen, Augenzeugen. Sie haben Christus »gehört« und »mit eigenen Augen gesehen«, sie haben ihn »angeschaut« und sogar »mit eigenen Händen angefaßt«, wie derselbe Evangelist Johannes an anderer Stelle schreibt (21). Dieses ihr menschliches und »geschichtliches« Augenzeugnis von Christus verbindet sich mit dem Zeugnis des Heiligen Geistes: »Er wird Zeugnis für mich ablegen«. Im Zeugnis des Geistes der Wahrheit soll das menschliche Zeugnis der Apostel seine stärkste Stütze finden. Und später soll es darin auch das verborgene Fundament seiner Kontinuität zwischen den Generationen von Jüngern und Bekennern Christi finden, die im Laufe der Jahrhunderte aufeinander folgen werden.

Wenn Jesus Christus selbst die höchste und vollständigste Offenbarung Gottes für die Menschheit ist, so fördert, gewährleistet und bekräftigt das Zeugnis des Geistes ihre getreue Weitergabe in der Verkündigung und den Schriften der Apostel (22), während das Zeugnis der Apostel ihr den menschlichen Ausdruck in der Kirche und in der Geschichte der Menschheit sichert.
6 Das wird auch ersichtlich aus der engen Beziehung von Inhalt und Absicht zur soeben erwähnten Ankündigung und Verheißung, wie sie sich in den anschließenden Worten des johanneischen Textes findet: »Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird« (23).

In seinen vorhergehenden Worten stellt Jesus den Beistand, den Geist der Wahrheit, als denjenigen dar, der »lehren« und »erinnern« wird, der für ihn »Zeugnis ablegen« wird; jetzt sagt er: »Er wird euch in die ganze Wahrheit führen«. Dieses »Einführen in die ganze Wahrheit« im Hinblick auf das, was die Apostel jetzt noch nicht tragen können, hängt notwendigerweise mit der Entäußerung Christi durch Leiden und Tod am Kreuz zusammen, die damals, als diese Worte gesprochen wurden, kurz bevorstand.

Dann wird jedoch deutlich, daß dieses »Einführen in die ganze Wahrheit« sich nicht nur auf das »scandalum crucis«- das Ärgernis des Kreuzes - bezieht, sondern auch auf alles, was Christus »getan und gelehrt hat« (24). Denn das gesamte »Mysterium Christi« erfordert den Glauben, weil dieser es ist, der den Menschen auf angemessene Weise in die Wirklichkeit des geoffenbarten Geheimnisses einführt. Die »Einführung in die ganze Wahrheit« verwirklicht sich also im Glauben und mit Hilfe des Glaubens: Sie ist das Werk des Geistes der Wahrheit und die Frucht seines Wirkens im Menschen. Der Heilige Geist muß hierbei der oberste Führer des Menschen, das Licht des menschlichen Geistes sein. Das gilt für die Apostel, die Augenzeugen, die nunmehr allen Menschen die Botschaft bringen sollen von dem, was Christus »getan und gelehrt hat«, vor allem aber von seinem Kreuz und seiner Auferstehung. In einer umfassenderen Sicht gilt das auch für alle Generationen von Jüngern und Bekennern des Meisters; denn sie sollen das Geheimnis Gottes, das in der Geschichte des Menschen am Werk ist, im Glauben annehmen und mit Freimut bekennen, das geoffenbarte Geheimnis, das den endgültigen Sinn dieser Geschichte erklärt.
7 Zwischen dem Heiligen Geist und Christus besteht also in der Heilsordnung eine innere Verbindung, durch die der Geist in der Geschichte des Menschen als »ein anderer Beistand« wirkt, indem er Weitergabe und Ausbreitung der von Jesus von Nazaret offenbarten Frohen Botschaft auf Dauer sicherstellt. Im Heiligen Geist als Paraklet, der im Geheimnis und im Wirken der Kirche die geschichtliche Gegenwart des Erlösers auf Erden und sein Heilswerk unaufhörlich fortsetzt, strahlt deshalb die Herrlichkeit Christi auf, wie die anschließenden Worte bei Johannes bezeugen: »Er (der Geist der Wahrheit) wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden« (25). Mit diesen Worten wird noch einmal all das bekräftigt, was die vorhergehenden Worte besagten: Er wird »lehren«, »erinnern«, »Zeugnis ablegen«. Die höchste und vollständige Selbstoffenbarung Gottes, wie sie sich in Christus ereignet hat und durch die Predigt der Apostel bezeugt wurde, tut sich weiterhin in der Kirche kund durch die Sendung des unsichtbaren Beistandes, des Geistes der Wahrheit. Wie innig diese Sendung mit der Sendung Christi verbunden ist, wie vollkommen sie aus dieser seiner Sendung schöpft, wenn sie seine Heilsfrüchte im Ablauf der Geschichte kräftigt und fördert, ist durch das Wort »nehmen« ausgedrückt: »Er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden«. Um das Wort »nehmen« gleichsam zu erklären, indem er die göttliche und dreifaltige Einheit der Quelle deutlich hervorhebt, fügt Jesus hinzu: »Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden« (26). Indem er von dem »Meinen« nimmt, schöpft er zugleich aus dem, »was der Vater hat«.

Im Licht dieses »Nehmens« kann man ebenso auch die anderen Worte über den Heiligen Geist erklären, die Jesus im Abendmahlssaal vor Ostern gesprochen hat, Worte von tiefer Bedeutung: »Es ist gut für euch, daß ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er die Welt überführen (und aufdecken), was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist » (27). Auf diese Worte wird noch in einer gesonderten Betrachtung zurückzukommen sein.


2. Vater, Sohn und Heiliger Geist

8 Es ist charakteristisch für den johanneischen Text, daß dort der Vater, der Sohn und der Heilige Geist deutlich als Personen genannt werden, von denen die erste von der zweiten und dritten unterschieden ist, ebenso wie diese beiden untereinander. Jesus spricht vom Geist, dem Beistand, indem er mehrmals das personale Fürwort »er« benutzt; zugleich offenbart er in der gesamten Abschiedsrede die Bindungen, die den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist untereinander vereinen. So »geht der Geist ... vom Vater aus« (28), und der Vater »gibt« den Geist (29). Der Vater »sendet« den Geist im Namen des Sohnes (30), der Geist »legt Zeugnis ab« für den Sohn (31). Der Sohn bittet den Vater, den Geist als Beistand zu senden (32), aber ebenso schenkt er uns im Blick auf sein »Fortgehen« durch das Kreuz die Verheißung: »Wenn ich fortgehe, werde ich ihn zu euch senden« (33). Der Vater sendet also den Heiligen Geist kraft seiner Vaterschaft, wie er auch den Sohn gesandt hat (34); zugleich aber sendet er ihn kraft der von Christus gewirkten Erlösung - und in diesem Sinne wird der Heilige Geist auch vom Sohn gesandt: »Ich werde ihn zu euch senden«.

Während alle anderen Verheißungen des Abendmahlssaals das Kommen des Heiligen Geistes einfach für die Zeit nach dem Fortgang Christi ankündigen, so gilt hier zu bemerken, daß die Verheißung des Textes Jn 16, 7f. klar auch die Beziehung der Abhängigkeit, fast möchte man sagen, der Ursächlichkeit, zwischen dem Eintreten des einen und des anderen Ereignisses einschließt und betont: »Wenn ich aber fortgehe, so werde ich ihn zu euch senden«. Der Heilige Geist wird kommen, insofern Christus durch den Kreuzestod fortgeht: Er wird nicht nur nach, sondern aufgrund der Erlösung kommen, die Christus nach dem Willen und durch das Handeln des Vaters gewirkt hat.
9 In der österlichen Abschiedsrede erreichen wir also - so können wir sagen - den Höhepunkt der Offenbarung der Dreifaltigkeit. Zugleich stehen wir kurz vor endgültigen Ereignissen und höchst entscheidenden Worten, die schließlich in den großen missionarischen Auftrag einmünden werden, der sich an die Apostel und durch sie an die Kirche richtet: »Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern«, ein Auftrag, der in etwa bereits die trinitarische Taufformel enthält: »Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes« (35). Diese Formel verweist auf das innerste Geheimnis Gottes und seines göttlichen Lebens: Vater, Sohn und Heiliger Geist, göttliche Einheit in Dreifaltigkeit. Man kann die Abschiedsrede lesen als eine besondere Vorbereitung auf diese trinitarische Formel, in der sich die lebenspendende Kraft des Sakramentes ausdrückt, das die Teilhabe am Leben des dreieinigen Gottes bewirkt, indem es dem Menschen die heiligmachende Gnade als übernatürliche Gabe schenkt. Durch sie wird er berufen und »befähigt«, am unerforschlichen Leben Gottes teilzuhaben.
10 In seinem inneren Leben ist Gott Liebe (36), wesenhafte Liebe, die den drei göttlichen Personen gemeinsam ist: Die personhafte Liebe aber ist der Heilige Geist als Geist des Vaters und des Sohnes. Daher »ergründet (er) die Tiefen Gottes« (37) als ungeschaffene Liebe, die sich verschenkt. Man kann sagen, daß im Heiligen Geist das innere Leben des dreieinigen Gottes ganz zur Gabe wird, zum Austausch gegenseitiger Liebe unter den göttlichen Personen, und daß Gott durch den Heiligen Geist als Geschenk existiert. Der Heilige Geist ist der personale Ausdruck dieses gegenseitigen Sich-Schenkens, dieses Seins als Liebe (38). Er ist die Liebe als Person. Er ist Geschenk als Person. Wir stehen hier vor einem unergründlichen Reichtum der Wirklichkeit und vor einer unsagbaren Vertiefung des Begriffes von Person in Gott, wie nur die göttliche Offenbarung sie uns erkennen läßt.

Weil eines Wesens mit dem Vater und dem Sohn in seiner Göttlichkeit, ist der Heilige Geist zugleich Liebe und (ungeschaffenes) Geschenk, aus dem wie aus einer Quelle (»fons vivus« - lebendiger Quell) jegliche Gabe an die Geschöpfe entspringt (geschaffenes Geschenk): das Geschenk der Existenz für alle Dinge durch die Schöpfung; das Geschenk der Gnade für die Menschen durch die gesamte Heilsökonomie. Wie der Apostel Paulus schreibt: »Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist« (39).


3. Gott schenkt sich im Heiligen Geist zu unserem Heil

11 Die Abschiedsrede Christi beim Ostermahl bezieht sich in besonderer Weise auf dieses »Schenken« und »Sichverschenken« des Heiligen Geistes. In diesem Text des Johannesevangeliums enthüllt sich gleichsam die tiefste »Logik« des im ewigen Plan Gottes enthaltenen Heilsgeheimnisses als Ausweitung der unaussprechlichen Gemeinschaft des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Es ist die göttliche »Logik«, die vom Geheimnis der Dreifaltigkeit zum Geheimnis der Erlösung der Welt in Jesus Christus führt. Die Erlösung, vom Sohne Gottes vollbracht in den Dimensionen der irdischen Geschichte des Menschen - vollbracht in seinem »Fortgehen« durch Kreuz und Auferstehung - wird zugleich in ihrer vollen erlösenden Kraft dem Heiligen Geist übertragen: demjenigen, der »von dem Meinen nehmen wird« (40). Die Worte des johanneischen Textes zeigen, daß das »Fortgehen« Christi im göttlichen Heilsplan unerläßliche Bedingung für die Sendung und das Kommen des Heiligen Geistes ist; sie besagen aber auch, daß Gott dann beginnt, sich im Heiligen Geist zu unserem Heil erneut mitzuteilen.
12 Es ist dies ein neuer Anfang im Vergleich zu jenem ersten, ursprünglichen Anfang der heilbringenden Selbstmitteilung Gottes, der mit dem Geheimnis der Schöpfung selbst identisch ist. So lesen wir schon in den ersten Zeilen des Buches der Genesis: »Im Anfang hat Gott Himmel und Erde geschaffen..., und Gottes Geist (»ruah Elohim«) schwebte über dem Wasser« (41 Gn 1,1-2). Dieser biblische Begriff der Schöpfung enthält nicht nur den Ruf ins Dasein des Kosmos als solchem, das heißt das Geschenk der Existenz, sondern auch die Gegenwart des Geistes Gottes in der Schöpfung, das heißt den Anfang der heilbringenden Selbstmitteilung Gottes an die Dinge, die er erschafft. Das gilt vor allem für den Menschen, der nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen worden ist: »Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich« (42). »Laßt uns machen«: Darf man annehmen, daß die Mehrzahl, die der Schöpfer beim Sprechen von sich selbst hier benutzt, schon in gewisser Weise das dreifaltige Geheimnis, die Gegenwart der Dreifaltigkeit im Werk der Erschaffung des Menschen, nahelegt? Der christliche Leser, der die Offenbarung dieses Geheimnisses bereits kennt, kann dessen Widerschein auch in diesen Worten schon entdecken. Auf jeden Fall erlaubt uns der Zusammenhang des Buches der Genesis, in der Erschaffung des Menschen den ersten Anfang der heilbringenden Selbstmitteilung Gottes nach dem Maß seines »Abbildes« und seiner »Ähnlichkeit« zu sehen, die er dem Menschen schenkt.
13 Es scheint also, daß auch die Worte Jesu bei der Abschiedsrede im Hinblick auf jenen so fernen, aber grundlegenden »Anfang« gelesen werden müssen, den wir aus der Genesis kennen. »Wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden«. Indem Christus sein »Fortgehen« als Bedingung für das »Kommen« des Beistandes darstellt, verbindet er den neuen Anfang der heilbringenden Selbstmitteilung Gottes im Heiligen Geist mit dem Geheimnis der Erlösung. Das ist ein neuer Anfang vor allem deswegen, weil sich zwischen den ersten Anfang und die gesamte Geschichte des Menschen - angefangen mit dem Urfall - die Sünde gestellt hat, welche den Widerspruch zur Gegenwart des Geistes Gottes in der Schöpfung und vor allem zur heilbringenden Selbstmitteilung Gottes an den Menschen bedeutet. Der heilige Paulus schreibt, daß gerade aufgrund der Sünde »die Schöpfung der Vergänglichkeit unterworfen ist ... und bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt« und daß sie »sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes wartet« (43 Rm 8,19-22).
14 Darum sagt Jesus Christus im Abendmahlssaal: »Es ist gut für euch, daß ich fortgehe«; »wenn ich aber gehe, so werde ich ihn zu euch senden« (44). Das »Fortgehen« Christi durch das Kreuz enthält erlösende Kraft - und das bedeutet auch eine neue Gegenwart Gottes in der Schöpfung: der neue Anfang der Selbstmitteilung Gottes an den Menschen im Heiligen Geist. »Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater«, schreibt der Apostel Paulus im Galaterbrief (45).

Der Heilige Geist ist der Geist des Vaters, wie die Worte der Abschiedsrede im Abendmahlssaal bezeugen. Er ist zugleich der Geist des Sohnes: der Geist Jesu Christi, wie die Apostel und insbesondere Paulus von Tarsus (46) bezeugen werden. Wenn dieser Geist »in unsere Herzen ausgegossen« wird, beginnt sich damit zu erfüllen, worauf die »Schöpfung sehnsüchtig wartet«, wie wir im Römerbrief lesen. Der Heilige Geist kommt um den Preis des »Fortgehens« Christi. Wenn dieses »Fortgehen« bei den Aposteln Traurigkeit hervorgerufen hat (47), die ihren Höhepunkt beim Leiden und Sterben am Karfreitag erreichen sollte, so wird sich doch dieser Kummer seinerseits »in Freude verwandeln« (48). Das erlösende »Fortgehen« Christi wird ja auch die Herrlichkeit der Auferstehung und der Auffahrt zum Vater umfassen. Der Anteil der Apostel beim »Fortgehen« ihres Meisters ist also eine Traurigkeit, die von Freude durchstrahlt wird; es ist ein »gutes« Fortgehen, weil dadurch ein anderer »Beistand« kommen sollte (49). Um den Preis des Kreuzes, des Werkzeuges der Erlösung, und in der Kraft des gesamten Ostergeheimnisses Jesu Christi kommt der Heilige Geist, um vom Pfingsttag an bei den Aposteln zu bleiben, um bei der Kirche und in der Kirche und durch sie in der Welt zu bleiben. Auf diese Weise verwirklicht sich endgültig jener neue Anfang der Selbstmitteilung des dreieinigen Gottes im Heiligen Geist durch Jesus Christus, den Erlöser des Menschen und der Welt.

4. Der Messias, mit dem Heiligen Geist gesalbt

15 Es verwirklicht sich auch vollständig die Sendung des Messias, dessen also, der die Fülle des Heiligen Geistes für das erwählte Volk Gottes und für die ganze Menschheit empfangen hat. Wörtlich bedeutet »Messias« »Christus«, das heißt »Gesalbter«, und in der Heilsgeschichte bezeichnet es »den mit dem Heiligen Geist Gesalbten«. Das war die prophetische Tradition des Alten Testamentes. Als ihr Schüler wird Simon Petrus im Hause des Kornelius sagen: »Ihr wißt, was im ganzen Land der Juden geschehen ist... nach der Taufe, die Johannes verkündet hat: wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft« (50).

Von diesen Worten des Petrus und von vielen anderen ähnlichen Stellen (51) muß man vor allem auf die Verheißung des Jesaja zurückgehen, die mitunter »das fünfte Evangelium« oder auch »das Evangelium des Alten Testamentes« genannt wird. Als Jesaja das Kommen einer geheimnisvollen Figur ankündigt, die die neutestamentliche Offenbarung mit Jesus identifizieren wird, verbindet er deren Person und Sendung mit einem besonderen Handeln des Geistes Gottes, des Geistes des Herrn. So lauten die Worte des Propheten:


»Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Zweig hervor,
ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.
Und der Geist des Herrn läßt sich nieder auf ihm:
der Geist der Weisheit und der Einsicht,
der Geist des Rates und der Stärke,
der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht.
Mit dem Geist der Gottesfurcht erfüllt er ihn« (52).


Dieser Text ist wichtig für die gesamte Geistlehre des Alten Testamentes, weil er gleichsam eine Brücke bildet zwischen dem alten biblischen Begriff des »Geistes«, verstanden vor allem als »geisterfüllter Hauch«, und dem »Geist« als Person und Gabe, als Gabe für die Person. Der Messias aus dem Stamm Davids (»aus dem Baumstumpf Isais«) ist genau jene Person, auf der sich der Geist des Herrn »niederläßt«. Gewiß kann man an dieser Stelle noch nicht von der Offenbarung des »Beistandes« sprechen: Jedenfalls aber öffnet sich mit diesem verhüllten Hinweis auf die Figur des künftigen Messias der Weg, auf dem sich die volle Offenbarung des Heiligen Geistes in der Einheit des dreifaltigen Geheimnisses, wie sie schließlich im Neuen Bund offenkundig werden wird, vorbereitet.
16 Des Messias selbst ist dieser Weg. Im Alten Bund war die Salbung das äußere Symbol der Geistgabe geworden. Der Messias (mehr als jede andere gesalbte Person im Alten Bund) ist jener einzige große von Gott selbst Gesalbte. Er ist der Gesalbte im Sinne des vollen Besitzes des Gottesgeistes. Er selbst wird auch der Mittler sein, um diesen Geist dem ganzen Volk zu verleihen. Hierzu weitere Worte des Propheten:


»Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir,
denn der Herr hat mich gesalbt.
Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe
und alle heile, deren Herz bedrückt ist,
damit ich die Entlassung der Gefangenen verkünde
und die Befreiung der Gefesselten,
damit ich ein Jahr der göttlichen Gnade verkünde« (53).


Der Gesalbte ist auch zusammen mit dem Geist des Herrn gesandt: »Jetzt hat Gott der Herr mich und seinen Geist gesandt« (54). Nach dem Buch Jesaja ist der Gesalbte und der zusammen mit dem Geist des Herrn Gesandte auch der erwählte Knecht des Herrn, auf dem der Geist Gottes ruht:


»Seht, das ist mein Knecht, ich halte ihn an der Hand;
das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen,
ich habe meinen Geist in ihn gelegt« (55).


Bekanntlich wird der Knecht des Herrn im Buch Jesaja als der wahre Schmerzensmann offenbart: als der Messias, der leidet für die Sünden der Welt (56). Und dabei ist gerade er es, dessen Sendung der ganzen Menschheit wahre Heilsfrüchte bringen wird:

»Er wird den Völkern das Recht bringen« (57); er wird »zum Bund des Volkes und zum Licht der Völker« werden (58), »auf daß er mein Heil bis ans Ende der Erde trage« (59). Denn:


»Mein Geist, der auf dir ruht, soll nicht von dir weichen,
und meine Worte, die ich dir in den Mund gelegt habe,
sollen immer in deinem Mund sein
und im Mund deiner Kinder und im Mund deiner Enkel,
jetzt und in Ewigkeit - spricht der Herr« (60).


Die hier angeführten prophetischen Texte müssen im Licht des Evangeliums gelesen werden - wie auch das Neue Testament seinerseits durch das wundervolle Licht dieser alttestamentlichen Texte in besonderer Weise erhellt wird. Der Prophet stellt den Messias als denjenigen dar, der in der Kraft des Heiligen Geistes kommt, der die Fülle dieses Geistes in sich selbst und zugleich für die anderen besitzt, für Israel, für alle Völker, für die ganze Menschheit. Die Fülle des Geistes Gottes wird von vielfältigen Gaben begleitet, den Heilsgütern, die insbesondere für die Armen und Leidenden bestimmt sind, für alle, die ihr Herz diesen Gaben öffnen - manchmal durch schmerzvolle Erfahrungen ihres Lebens, aber vor allem mit jener inneren Bereitschaft, die aus dem Glauben kommt. Das erkannte spontan der greise Simeon, »ein gerechter und frommer Mann«, auf dem »der Heilige Geist ruhte«, im Augenblick der Darstellung Jesu im Tempel, als er in ihm »das Heil« erblickte, »das... vor allen Völkern bereitet« ist um den Preis des großen Leidens - des Kreuzes -, das er zusammen mit seiner Mutter werde auf sich nehmen müssen (61). Das erkannte noch tiefer die Jungfrau Maria, die »durch den Heiligen Geist empfangen« hatte (62), als sie in ihrem Herzen über die »Geheimnisse« des Messias nachdachte, an dessen Seite sie gestellt war (63).
17 Man muß an dieser Stelle betonen, daß »der Geist des Herrn«, der auf dem kommenden Messias »ruhen« wird, deutlich ein Geschenk Gottes für die Person jenes Knechtes des Herrn darstellt. Er selbst aber ist keine eigene, für sich allein stehende Person; denn er wirkt auf Geheiß des Herrn, kraft dessen Entscheidung und Wahl. Auch wenn das Heilshandeln des Messias, des Knechtes des Herrn, im Licht der Texte des Jesaja das Wirken des Geistes einschließt, das durch ihn selbst geschieht, so wird doch im alttestamentlichen Kontext noch keine Unterscheidung der handelnden Subjekte oder der göttlichen Personen nahegelegt, wie sie im dreifaltigen Geheimnis existieren und später im Neuen Testament offenbart werden. Bei Jesaja wie im ganzen Alten Testament bleibt der Personcharakter des Heiligen Geistes völlig verborgen: verborgen in der Offenbarung des einen Gottes wie auch in der Verheißung des kommenden Messias.

Dominum et vivificantem