Dominum et vivificantem 31


31 Von diesem Erstzeugnis zu Pfingsten an ist das Handeln des Geistes der Wahrheit, der die Welt der Sünde der Zurückweisung Christi überführt, eng mit der Bezeugung des österlichen Geheimnisses verbunden: mit dem Geheimnis des Gekreuzigten und Auferstandenen. In dieser Verbindung offenbart dieses »der Sünde überführen« seine heilschaffende Dimension. Es ist ja ein »Überführen«, dessen Ziel nicht die bloße Anklage der Welt ist, noch weniger ihre Verdammung. Jesus Christus ist nicht in die Welt gekommen, um sie zu verurteilen und zu verdammen, sondern um sie zu retten (114). Das wird bereits in dieser ersten Rede unterstrichen, wenn Petrus ausruft: »Mit Gewißheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Messias gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt« (115). Und als darauf die Anwesenden Petrus und die anderen Apostel fragen: »Was sollen wir tun, Brüder?« antwortet dieser: »Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen« (116). Auf diese Weise wird das »der Sünde überführen« zugleich ein Überzeugen von der Vergebung der Sünden in der Kraft des Heiligen Geistes. In seiner Rede zu Jerusalem ruft Petrus zur Umkehr auf, so wie Jesus seine Zuhörer am Beginn seiner messianischen Sendung aufgerufen hat (117). Umkehr erfordert, von der Sünde überzeugt zu werden; sie enthält ein inneres Gewissensurteil, und da dieses eine Prüfung durch das Handeln des Geistes der Wahrheit im Herzen des Menschen ist, wird es zugleich zum Beginn einer neuen Ausspendung von Gnade und Liebe: »Empfangt den Heiligen Geist« (118). Wir entdecken so in diesem »der Sünde überführen« eine doppelte Gabe: das Geschenk der Wahrheit des Gewissens und das Geschenk der Gewißheit der Erlösung. Der Geist der Wahrheit ist auch der Beistand.

Das Überführen der Sünde durch den Dienst der apostolischen Verkündigung in der Urkirche, wird - unter dem Antrieb des Pfingstgeistes - auf die erlösende Kraft des gekreuzigten und auferstandenen Christus bezogen. So erfüllt sich die auf den Heiligen Geist gerichtete vorösterliche Verheißung: »Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden«. Wenn darum Petrus während des Pfingstereignisses von der Sünde jener spricht, die »nicht geglaubt haben« (119) und die Jesus von Nazaret einem schmachvollen Tod übergeben haben, legt er Zeugnis ab für den Sieg über die Sünde: Ein Sieg, der in gewissem Sinne »durch« die größte Sünde vollbracht worden ist, die der Mensch begehen konnte: die Tötung Jesu, des Gottessohnes, der dem Vater wesensgleich ist! Ähnlich besiegt der Tod des Sohnes Gottes den Tod des Menschen »Ich werde dein Tod sein, o Tod«, (120) wie die Sünde, den Sohn Gottes gekreuzigt zu haben, die menschliche Sünde »besiegt«! Jene Sünde, die sich am Karfreitag in Jerusalem ereignete - und auch jede Sünde des Menschen. Der größten Sünde von seiten des Menschen entspricht nämlich im Herzen des Erlösers die Darbietung der höchsten Liebe, die das Böse aller Sünden der Menschen überwindet. Auf der Grundlage dieser Gewißheit zögert die Kirche nicht, in der römischen Liturgie jedes Jahr während der Feier der Osternacht, wenn der Diakon die Auferstehung mit dem Gesang des »Exsultet« verkündet, die Worte zu wiederholen: »O glückliche Schuld!«

32 Von dieser unsagbaren Wahrheit kann jedoch niemand die Welt, den Menschen, das menschliche Gewissen überzeugen, wenn nicht er selbst, der Geist der Wahrheit. Er ist der Geist, der »die Tiefen Gottes ergründet« (121). Angesichts des Geheimnisses der Sünde muß man »die Tiefen Gottes« ganz und gar ergründen. Es genügt nicht, das menschliche Gewissen, das innerste Geheimnis des Menschen zu durchforschen, sondern man muß in das innerste Geheimnis Gottes vordringen, in jene »Tiefen Gottes«, die man so zusammenfassen kann: zum Vater - im Sohn -durch den Heiligen Geist. Der Heilige Geist ist es, der sie »ergründet«, und von dort her gibt er die Antwort Gottes auf die Sünde des Menschen. Mit dieser Antwort endet der Vorgang, durch den dieser »die Welt ihrer Sünde überführt, wie es das Pfingstereignis deutlich macht.

Indem der Heilige Geist so die »Welt« der Sünde von Golgota, des Todes des unschuldigen Lammes, überführt, wie es am Pfingsttag geschieht, deckt er auch jede andere Sünde auf, die an jedem Ort und in jedem Augenblick der Geschichte des Menschen begangen wird: Er beweist ihren Bezug zum Kreuz Christi. Dieses »Überführen« ist der Aufweis des Bösen der Sünde, in ihrem Bezug zum Kreuz Christi. In diesem Zusammenhang wird die Sünde in der ganzen Tiefe des Bösen erkannt, die ihr eigen ist, in ihrem »mysterium iniquitatis«, dem »Geheimnis des Bösen« (122), das in ihr enthalten und verborgen ist. Der Mensch kennt diese Tiefe nicht - ohne das Kreuz Christi kann er sie in keiner Weise erkennen. Er kann deshalb nur vom Heiligen Geist davon »überzeugt« werden, dem Geist der Wahrheit, aber auch des Trostes.

Wenn die Sünde in ihrem Zusammenhang mit dem Kreuz Christi dargestellt wird, wird sie zugleich auch in der ganzen Tiefe des »Geheimnisses unseres Glaubens« (123) erkannt, wie das nachsynodale Apostolische Schreiben »Reconciliatio et paenitentia« aufgezeigt hat (124). Auch diese Dimension der Sünde erkennt der Mensch in keiner Weise ohne das Kreuz Christi. Und auch von ihr kann er nur durch den Heiligen Geist »überzeugt« werden: von ihm, der »die Tiefen Gottes ergründet«.

3. Das Zeugnis vom Anfang: die Ursünde

33 Diese Dimension der Sünde finden wir im Zeugnis vom Anfang, wie es das »Buch Genesis« (125) berichtet. Es ist die Sünde, die nach dem geoffenbarten Wort Gottes den Anfang und die Wurzel aller anderen Sünden bildet. Wir befinden uns hier am Ursprung der Sünde in der Geschichte des Menschen und zugleich im Ganzen der Heilsökonomie. Man kann sagen, daß in dieser Sünde »das Geheimnis des Bösen« seinen Anfang nahm, aber auch, daß gerade an dieser Sünde die erlösende Kraft des »Geheimnisses unseres Glaubens« besonders deutlich und wirksam wird. Das drückt der heilige Paulus aus, wenn er dem »Ungehorsam« des ersten Adam den »Gehorsam« Christi, des zweiten Adam, gegenüberstellt: »Er war gehorsam bis zum Tod« (126).

Nach dem Zeugnis vom Anfang geschieht die Ursünde im Willen - und im Gewissen - des Menschen vor allem als »Ungehorsam«, als Widerstand des menschlichen Willens gegen den Willen Gottes. Dieser Ungehorsam des Anfangs setzt die Zurückweisung oder zumindest das Abweichen von der Wahrheit voraus, die im Wort Gottes enthalten ist, der die Welt erschafft. Dieses Wort ist dasselbe, das »am Anfang... bei Gott« war, das »Gott war« und »ohne das nichts wurde, was geworden ist«; denn »die Welt ist durch ihn geworden« (127). Dieses Wort ist auch ewiges Gesetz, Ursprung jeden Gesetzes, das die Welt und besonders die menschlichen Akte ordnet. Wenn Jesus Christus also am Vorabend seines Leidens von der Sünde jener spricht, die »nicht an ihn glauben«, enthalten diese seine Worte voller Schmerz gleichsam ein fernes Echo jener Sünde, die sich in ihrer Urform wie ein dunkler Schatten über das Geheimnis der Schöpfung legt. Der hier spricht, ist ja nicht nur der Menschensohn, sondern jener, der auch »der Erstgeborene der ganzen Schöpfung ist«; »denn in ihm wurde alles erschaffen, ... durch ihn und auf ihn hin« (128). Im Licht dieser Wahrheit versteht man, daß der »Ungehorsam« im Geheimnis des Anfangs in gewissem Sinne dasselbe »Nicht-Glauben« voraussetzt, jenes gleiche »sie haben nicht geglaubt«, wie es sich gegenüber dem österlichen Geheimnis wiederholen wird. Wie bereits gesagt, handelt es sich um die Zurückweisung oder zumindest um das Abweichen von der Wahrheit im Wort des Vaters. Die Zurückweisung äußert sich praktisch als »Ungehorsam«, im Eingehen auf die Versuchung, die vom »Vater der Lüge« (129) ausgeht. An der Wurzel menschlicher Sünde steht also die Lüge, radikale Zurückweisung der Wahrheit, die im Wort des Vaters enthalten ist, durch das sich die liebevolle Allmacht des Schöpfers ausdrückt: die Allmacht und zugleich die Liebe »Gottes des Vaters, des Schöpfers des Himmels und der Erde«.

34 »Der Geist Gottes«, der nach der biblischen Darstellung der Schöpfung »über den Wassern schwebte« (130), bezeichnet denselben »Geist, der die Tiefen Gottes ergründet«: Er ergründet die Tiefen des Vaters sowie des Sohnes und Ewigen Wortes im Geheimnis der Schöpfung. Er ist nicht nur der unmittelbare Zeuge ihrer gegenseitigen Liebe, aus der die Schöpfung hervorgeht, sondern ist selbst diese Liebe. Er selbst ist als Liebe ewiges, unerschaffenes Geschenk. In ihm ist der Ursprung und Anfang jeder Gabe für die Geschöpfe. Das Zeugnis vom Anfang, das wir vom Buch Genesis an in der ganzen Offenbarung finden, ist in diesem Punkt eindeutig. Erschaffen heißt aus dem Nichts in das Sein rufen; erschaffen will also sagen, Existenz schenken. Und wenn die sichtbare Welt für den Menschen geschaffen wird, dann wird ihm damit die Welt als Geschenk gegeben (131). Gleichzeitig erhält derselbe Mensch für sein Wesen ein besonderes »Bild und Gleichnis« Gottes zum Geschenk. Das bedeutet nicht nur Verstand und Freiheit als konstitutive Eigenschaften der menschlichen Natur, sondern auch von Anfang an die Fähigkeit zur personalen Beziehung mit Gott, als »ich« und »du«, und so die Fähigkeit, einen Bund mit ihm zu schließen, zu dem es durch die heilschaffende Selbstmitteilung Gottes an den Menschen kommen wird. Auf dem Hintergrund jenes »Bildes und Gleichnisses« Gottes bedeutet »das Geschenk des Geistes« schließlich die Berufung zur Freundschaft, bei der sich die transzendenten »Tiefen Gottes« gleichsam öffnen, damit der Mensch daran teilhaben kann. Das II. Vatikanische Konzil lehrt: »Der unsichtbare Gott (vgl. Col 1,15 1Tm 1,17) redet aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33,11 Jn 15,14-15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Ba 3,38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen« (132).
35 Deswegen kennt der Geist, der »alles, auch die Tiefen Gottes ergründet«, von Anfang an »die Geheimnisse des Menschen« (133). Aus diesem Grund kann nur er vollkommen »der Sünde überführen«, die es von Anfang an gab, jener Sünde, die die Wurzel aller anderen Sünden und der Herd der Sündhaftigkeit des Menschen auf der Erde ist, der nie erlischt. Der Geist der Wahrheit kennt die Ursünde, die durch den »Vater der Lüge« - durch den, der schon »gerichtet ist« (134) - im Willen des Menschen verursacht wird. Der Heilige Geist überführt also die Welt der Sünde im Hinblick auf dieses »Urteil«, aber auch, indem er ständig zu jener »Gerechtigkeit« hinführt, die dem Menschen zusammen mit dem Kreuz Christi offenbart worden ist: durch »den Gehorsam bis zum Tod« (135).

Nur der Heilige Geist kann der Sünde des menschlichen Anfangs überführen, er allein, der die Liebe des Vaters und des Sohnes ist, er, der ganz und gar Geschenk ist, während die Sünde des menschlichen Anfangs in der Lüge und in der Zurückweisung dieses Geschenkes und dieser Liebe besteht, die über den Anfang der Welt und des Menschen bestimmen.

36 Dem Zeugnis vom Anfang entsprechend, das wir in der Heiligen Schrift und in der Tradition finden, wird die Sünde nach der ersten und auch vollständigeren Beschreibung im Buch Genesis in ihrer ursprünglichen Form als »Ungehorsam« verstanden, was einfach und direkt Übertretung eines von Gott gegebenen Verbotes bedeutet (136). Aber im Licht des ganzen Zusammenhanges ist es auch offenkundig, daß die Wurzeln dieses Ungehorsams in der Tiefe der gesamten konkreten Wirklichkeit des Menschen gesucht werden müssen. Nachdem er ins Dasein gerufen ist, bleibt der Mensch - Mann und Frau - ein Geschöpf. Das »Abbild Gottes«, das in Vernunft und Freiheit besteht, besagt die Größe und die Würde des Menschen, der Person ist. Aber diese Person bleibt doch immer ein Geschöpf: In ihrem Sein und Wesen hängt sie vom Schöpfer ab. Nach dem Buch Genesis sollte »der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen« die für ein geschaffenes Wesen unüberschreitbare »Grenze« zum Ausdruck bringen und sie dem Menschen ständig in Erinnerung rufen. So wird als das Verbot Gottes verstanden: Der Schöpfer verbietet dem Mann und der Frau, von den Früchten des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen. Die Worte der Einflüsterung oder Versuchung, wie sie in der Heiligen Schrift beschrieben wird, verführen dazu, dieses Verbot zu übertreten - das heißt, die »Grenze« zu überschreiten: »Sobald ihr davon eßt, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott (>wie Götter<) und erkennt Gut und Böse« (137). Der »Ungehorsam« bedeutet genau die Überschreitung jener Grenze, die doch für Willen und Freiheit des Menschen als eines geschaffenen Wesens unüberschreitbar bleibt. Gott, der Schöpfer, ist nämlich die einzige und entscheidende Quelle der sittlichen Ordnung in der Welt, die von ihm geschaffen ist. Der Mensch kann nicht aus sich selbst entscheiden, was gut und was böse ist - er kann nicht wie Gott »Gut und Böse erkennen«. Ja, in der geschaffenen Welt bleibt Gott die erste und oberste Quelle, um Gut und Böse durch die innere Wahrheit des Seins zu bestimmen, die ein Abglanz des göttlichen Wortes ist, des ewigen und dem Vater wesensgleichen Sohnes. Dem nach dem Bild Gottes geschaffenen Menschen gibt der Heilige Geist als Geschenk das Gewissen, damit darin das Bild sein Modell getreu widerspiegeln kann, das Weisheit und Ewiges Gesetz zugleich ist, die Quelle der sittlichen Ordnung im Menschen und in der Welt. Der »Ungehorsam« als ursprüngliche Dimension der Sünde bedeutet die Zurückweisung dieser Quelle wegen des Anspruchs des Menschen, selbst autonome und alleinige Quelle für die Bestimmung von Gut und Böse zu werden. Der Geist, der »die Tiefen Gottes ergründet« und zugleich für den Menschen das Licht seines Gewissens und die Quelle der sittlichen Ordnung ist, kennt diese Dimension der Sünde, die in das Geheimnis des menschlichen Anfangs eingeschrieben ist, in ihrer ganzen Tiefe. Und er läßt nicht ab, in bezug auf das Kreuz Christi auf Golgota die Welt dessen zu »überführen«.
37 Nach dem Zeugnis vom Anfang hat sich Gott selbst in der Schöpfung als Allmacht offenbart, die Liebe ist. Gleichzeitig hat er dem Menschen offenbart, daß er als »Bild und Gleichnis« seines Schöpfers dazu berufen ist, an der Wahrheit und Liebe teilzuhaben. Diese Teilhabe bedeutet ein Leben in Gemeinschaft mit Gott, der das »ewige Leben« ist (138). Der Mensch aber hat sich unter dem Einfluß des »Vaters der Lüge« von dieser Teilhabe gelöst. In welchem Ausmaß? Gewiß nicht nach dem Maß der Sünde eines reinen Geistes, nach dem Maß also der Sünde Satans. Der menschliche Geist ist unfähig, ein solches Maß zu erreichen (139). Bereits in der Darstellung der Genesis kann man leicht den graduellen Unterschied zwischen dem »bösen Hauch« dessen, der »von Anfang an sündigt (oder in der Sünde verharrt)« (140) und der schon »gerichtet ist« (141), und der Bosheit des Ungehorsams des Menschen feststellen.

Aber auch dieser Ungehorsam bedeutet immer, Gott den Rücken zu kehren, in gewissem Sinn ein Sichverschließen der menschlichen Freiheit ihm gegenüber. Er bedeutet aber auch eine gewisse Öffnung dieser Freiheit - des Gewissens und des menschlichen Willens - auf den hin, der der »Vater der Lüge« ist. Dieser Akt bewußter Entscheidung ist nicht bloß »Ungehorsam«, sondern bringt auch eine gewisse Zustimmung zu jener Motivation mit sich, die in der ersten Anstiftung zur Sünde enthalten ist und in der ganzen Geschichte des Menschen auf Erden ständig erneuert wird: »Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon eßt, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse«.

Wir befinden uns hier mitten im Zentrum dessen, was man das »Gegen-Wort«, das heißt die »Gegen-Wahrheit«, nennen könnte. Die Wahrheit des Menschen wird in der Tat verfälscht: wer der Mensch ist und welches die unüberschreitbaren Grenzen seines Seins und seiner Freiheit sind. Diese »Gegen-Wahrheit« ist möglich, weil gleichzeitig die Wahrheit darüber, wer Gott ist, vollständig verfälscht wird. Gott, der Schöpfer, wird im Gewissen des Geschöpfes verdächtigt, ja sogar angeklagt. Zum erstenmal in der Geschichte des Menschen erscheint hier der böse »Geist der Verdächtigung«. Er sucht das Gute an sich, das absolute Gute, zu »verfälschen«, das sich gerade im Schöpfungswerk als das Gute offenbart hat, das sich in unsagbarer Weise schenkt: als »bonum diffusivum sui« - als das Gute, das sich verströmt -, als schöpferische Liebe. Wer könnte vollkommen »der Sünde überführen« oder diese Motivation des ursprünglichen Ungehorsams des Menschen aufdecken, wenn nicht der, der allein das Geschenk und die Quelle aller Ausspendung ist, wenn nicht der Geist, der »die Tiefen Gottes ergründet« und der die Liebe des Vaters und des Sohnes ist?

38 Gegen das gesamte Zeugnis der Schöpfung und der mit ihr verbundenen Heilsökonomie ist der Geist der Finsternis (142) dazu fähig, Gott als Feind seines eigenen Geschöpfes hinzustellen und vor allem als Feind des Menschen, als Quelle von Gefahr und Bedrohung für den Menschen. Auf diese Weise wird von Satan in die Seele des Menschen der Keim des Widerstandes gegen den eingepflanzt, der als Feind des Menschen »von Anbeginn« betrachtet werden soll - und nicht als Vater. Der Mensch wird herausgefordert, der Gegner Gottes zu werden! Die Analyse der Sünde in ihrer ursprünglichen Dimension zeigt, daß der »Vater der Lüge« die Menschheitsgeschichte hindurch einen ständigen Druck ausübt zur Zurückweisung Gottes von seiten des Menschen bis hin zum Haß: »Amor sui usque ad contemptum Dei« - »Selbstliebe bis zur Verachtung Gottes«, wie es der heilige Augustinus ausdrückt (143). Der Mensch neigt dann dazu, in Gott vor allem seine eigene Begrenzung zu sehen und nicht die Quelle seiner Befreiung und die Fülle des Guten. Das sehen wir in der modernen Zeit bestätigt, in der die atheistischen Ideologien die Religion aufgrund der Annahme auszurotten trachten, daß sie eine radikale »Entfremdung« des Menschen bewirke, als ob der Mensch seines eigenen Menschseins beraubt würde, indem er in der Bejahung der Idee Gottes diesem zuschreibe, was dem Menschen und ausschließlich dem Menschen gehöre. Hieraus hat sich eine Entwicklung im Denken und in der historisch-soziologischen Praxis ergeben, bei der die Zurückweisung Gottes bis zur Erklärung seines »Todes« gelangte. Eine gedankliche und sprachliche Absurdität! Die Ideologie des »Todes Gottes« bedroht aber vielmehr den Menschen, wie es das II. Vatikanische Konzil aufzeigt, wenn es bei der Behandlung der Frage nach der »Autonomie der irdischen Wirklichkeiten« schreibt: »Das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts. Überdies wird das Geschöpf selbst durch das Vergessen Gottes unverständlich« (144). Die Ideologie des »Todes Gottes« beweist in ihren Auswirkungen leicht, auf theoretischer wie praktischer Ebene eine Ideologie des »Todes des Menschen« zu sein.

4. Der Geist, der das Leiden in heilbringende Liebe wandelt

39 Der Geist, der die Tiefen Gottes ergründet, wird von Jesus in seiner Rede im Abendmahlssaal Paraklet, Beistand, genannt. Er wird ja seit dem Anfang »angerufen«, um »die Welt der Sünde zu überführen« (145). In endgültiger Weise wird er durch das Kreuz Christi angerufen. Der Sünde überführen bedeutet, das Böse, das in ihr ist, aufzuzeigen. Das entspricht dem Aufdecken der geheimen Macht des Bösen. Es ist nicht möglich, das Böse der Sünde in seiner ganzen schmerzhaften Wirklichkeit zu erfassen, ohne »die Tiefen Gottes zu ergründen«. Seit dem Anfang zeigt sich das dunkle Geheimnis der Sünde in der Welt vor dem Hintergrund seiner Beziehung zum Schöpfer der menschlichen Freiheit. Es zeigt sich als Willensakt des Menschengeschöpfes gegen den Willen Gottes: gegen den Heilswillen Gottes; ja, sogar als Widerspruch zur Wahrheit, als Folge der Lüge, die bereits endgültig »gerichtet ist«: der Lüge, die die schöpferische und heilbringende göttliche Liebe selbst ständig anklagt und verdächtigt. Der Mensch ist dem »Vater der Lüge« gefolgt, indem er sich dem Vater des Lebens und dem Geist der Wahrheit widersetzt hat.

Sollte dieses »der Sünde überführen« demnach nicht auch das Aufdecken des Leidens bedeuten? Das Aufdecken des unfaßbaren und unaussprechlichen Schmerzes, den die Heilige Schrift in ihrer anthropomorphen Sicht wegen der Sünde in den »Tiefen Gottes« und gewissermaßen sogar im Herzen der unbegreiflichen Dreifaltigkeit zu sehen scheint? Die Kirche, von der Offenbarung inspiriert, glaubt und bekennt, daß die Sünde eine Beleidigung Gottes ist. Was entspricht im unergründbaren Innern des Vaters, des Wortes und des Heiligen Geistes dieser »Beleidigung«, dieser Zurückweisung des Geistes, der Liebe und Geschenk ist? Der Begriff von Gott als des unbedingt vollkommensten Wesens schließt ganz gewiß jeden Schmerz von Gott aus, der aus einem Mangel oder einer Verletzung käme; aber es gibt in den »Tiefen Gottes« eine Liebe des Vaters, die angesichts der Sünde des Menschen so stark reagiert, daß es in der Sprache der Bibel sogar heißt: »Es reut mich, den Menschen gemacht zu haben« (146). »Der Herr sah, daß auf der Erde die Schlechtigkeit des Menschen zunahm ... Da reute es den Herrn, den Menschen auf der Erde gemacht zu haben, und es tat seinem Herzen weh. Der Herr sagte: >Es reut mich, sie gemacht zu haben<« (147). Aber viel öfter spricht uns die Heilige Schrift von einem Vater, der Mitleid mit dem Menschen hat, gleichsam als teile er seinen Schmerz. Schließlich wird dieser unergründliche und unsagbare »Schmerz« des Vaters vor allem das wunderbare Heilswerk der erlösenden Liebe in Jesus Christus hervorbringen, damit durch das Geheimnis des Glaubens die Liebe in der Geschichte des Menschen sich als stärker erweisen kann als die Sünde. Damit die Gnadengabe Gottes siegt!

Der Heilige Geist, der nach den Worten Jesu »der Sünde überführt«, ist die Liebe des Vaters und des Sohnes, und als solche ist er die dreifaltige Gnadengabe und zugleich die ewige Quelle aller göttlichen Gaben für die Geschöpfe. Gerade in ihm können wir jenes Erbarmen in Gestalt einer Person erblicken und in transzendenter Weise am Werk sehen, wie es die patristische und theologische Tradition auf der Linie des Alten und Neuen Testamentes Gott zuschreibt. Im Menschen umfaßt das Erbarmen Schmerz und Mitleid für das Elend des Nächsten. In Gott führt der Geist, der Liebe ist, von der Wahrnehmung menschlicher Sünde hin zu einer neuen Ausspendung heilbringender Liebe. In Einheit mit dem Vater und dem Sohn geht aus ihm das Heilswerk hervor, das die Geschichte des Menschen mit den Gaben der Erlösung erfüllt. Wenn die Sünde durch die Zurückweisung der Liebe das »Leiden« des Menschen hervorgebracht hat, das sich in gewisser Weise über die ganze Schöpfung ausgedehnt hat (148), soll der Heilige Geist in das menschliche und kosmische Leiden mit einer neuen Ausspendung der Liebe eingehen, die die Welt erlösen wird. Und aus dem Munde Jesu, des Erlösers, in dessen Menschsein sich das »Leiden« Gottes bewahrheitet, wird ein Wort zu hören sein, in dem sich die ewige Liebe voll göttlichen Erbarmens zeigt: »Misereor« - »Ich habe Mitleid« (149). So verwandelt der Heilige Geist das »der Sünde überführen« gegenüber der Schöpfung, »die der Vergänglichkeit unterworfen ist«, und vor allem in der Tiefe des menschlichen Gewissens in eine Offenbarung darüber, wie die Sünde durch das Opfer des Gotteslammes besiegt wird, des Messias, der »bis in den Tod« der gehorsame Knecht geworden ist und die Erlösung der Welt bewirkt, indem er den Ungehorsam des Menschen wiedergutmacht. Das ist die Weise, wie der Geist der Wahrheit, der Beistand, »der Sünde überführt«.

40 Der erlösende Wert des Opfers Christi wird mit sehr bedeutungsvollen Worten vom Verfasser des Hebräerbriefes ausgedrückt, der an die Opfer des Alten Bundes erinnert, bei denen »das Blut von Böcken und Stieren... leiblich rein macht«, und dann hinzufügt: »Wieviel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat, unser Gewissen von toten Werken reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen?« (150) Wenn wir auch um andere mögliche Interpretationen wissen, so führen uns unsere Überlegungen über die Gegenwart des Heiligen Geistes im ganzen Leben Christi dazu, in diesem Text gleichsam eine Einladung zu erblicken, über die Gegenwart dieses Geistes auch im erlösenden Opfer des menschgewordenen Wortes nachzudenken.

Betrachten wir zunächst die Anfangsworte, die von diesem Opfer handeln, und dann, getrennt davon, die »Reinigung des Gewissens«, die es bewirkt. Es ist wirklich ein Opfer, das »kraft (= durch das Wirken) ewigen Geistes« dargebracht worden ist, der daraus die Kraft schöpft, um des Heiles willen »der Sünde zu überführen«. Es ist derselbe Heilige Geist, den Jesus Christus nach der Verheißung im Abendmahlssaal am Tag seiner Auferstehung den Aposteln »bringen« wird, wenn er sich ihnen mit den Wunden der Kreuzigung zeigt, und den er ihnen »zur Vergebung der Sünden« schenkt: »Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben« (151).

Wir wissen, daß »Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist«, wie Simon Petrus im Haus des Hauptmanns Cornelius sagte (152). Wir kennen das österliche Geheimnis seines »Fortgehens«, wie es das Johannesevangelium darstellt. Die Worte des Hebräerbriefes erklären uns nun, in welcher Weise »sich Christus selbst als makelloses Opfer Gott dargebracht hat«, und wie er dies »kraft ewigen Geistes« gemacht hat. Der Heilige Geist ist im Opfer des Menschensohnes gegenwärtig und handelt dort so, wie er bei seiner Empfängnis gehandelt hat, bei seinem Kommen in diese Welt, in seinem verborgenen Leben und seinem öffentlichen Wirken. Nach dem Hebräerbrief hat sich Jesus Christus bei seinem »Fortgehen« über Getsemani und Golgota in seiner Menschheit ebenso vollkommen diesem Handeln des Geistes und Beistandes geöffnet, der aus dem Leiden die ewige heilbringende Liebe aufleuchten läßt. Er ist es also, der »erhört wo den ist ... Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt« (153). Der Brief zeigt auf diese Weise, wie die Menschheit, die in den Nachkommen des ersten Adams der Sünde unterworfen war, in Jesus Christus vollkommen Gott unterworfen und mit ihm vereint worden ist und wie sie zugleich von Barmherzigkeit gegenüber den Menschen erfüllt wurde. So gibt es nun ein neues Menschsein, das in Jesus Christus und durch sein Leiden am Kreuz zur Liebe zurückgekehrt ist, die Adam durch die Sünde verraten hatte. Sie hat sich wiedergefunden in derselben göttlichen Quelle des ursprünglichen Gnadengeschenkes: im Geist, der »die Tiefen Gottes ergründet« und der selbst Liebe und Geschenk ist.

Der Gottessohn Jesus Christus hat als Mensch im inständigen Gebet seines Leidens dem Heiligen Geist, der sein Menschsein schon voll und ganz durchdrungen hatte, gewährt, ihn durch sein Sterben zu einem vollkommenen Opfer zu machen, zu einem Opfer der Liebe am Kreuz. Allein hat er diese Gabe dargeboten. Als einziger Priester »hat er sich selbst als makelloses Opfer Gott dargebracht« (154). In seiner Menschheit war er würdig, ein solches Opfer zu werden, weil er allein »makellos« war. Aber er brachte sich dar »kraft ewigen Geistes«: Das bedeutet, daß der Heilige Geist in besonderer Weise bei dieser vollkommenen Selbsthingabe des Menschensohnes mitgewirkt hat, um das Leiden in erlösende Liebe zu verwandeln.

41 Im Alten Testament spricht man mehrmals vom »Feuer des Himmels«, das die von den Menschen dargebrachten Opfer verzehrte (155). In analoger Weise kann man sagen, daß der Heilige Geist »Feuer vom Himmel« ist, das in der Tiefe des Kreuzesgeheimnisses wirkt. Vom Vater ausgehend, lenkt er das Opfer des Sohnes zum Vater hin, indem er es in die göttliche Wirklichkeit der trinitarischen Gemeinschaft einbringt. Wenn die Sünde das Leiden hervorgebracht hat, so hat der Schmerz Gottes nun im gekreuzigten Christus durch den Heiligen Geist seinen vollen menschlichen Ausdruck gewonnen. Wir haben hier ein paradoxes Geheimnis der Liebe: In Christus leidet Gott, der von seiner eigenen Schöpfung zurückgewiesen wird: »Sie glauben nicht an mich!«; zugleich aber holt der Geist aus der Tiefe dieses Leidens - und indirekt aus der Tiefe eben dieser Sünde, nämlich »nicht geglaubt zu haben« - ein neues Maß für das Gnadengeschenk, das dem Menschen und der Schöpfung von Anfang an gemacht worden ist. In der Tiefe des Geheimnisses des Kreuzes ist die Liebe am Werk, die den Menschen erneut zur Teilnahme am Leben bringt, das in Gott selbst ist.

Der Heilige Geist als Liebe und Gnadengeschenk versenkt sich gewissermaßen in die Herzmitte jenes Opfers, das am Kreuz dargeboten wird. Mit Bezug auf die biblische Tradition können wir sagen: Er verzehrt dieses Opfer mit dem Feuer der Liebe, die den Sohn mit dem Vater in der trinitarischen Gemeinschaft vereint. Und weil das Kreuzesopfer ein eigener Akt Christi ist, »empfängt« auch er den Heiligen Geist. Er empfängt ihn auf solche Weise, daß er ihn dann - und nur er allein mit dem Vater - den Aposteln, der Kirche, der Menschheit »geben« kann. Er allein »sendet« ihn vom Vater (156). Er allein zeigt sich den im Abendmahlssaal versammelten Aposteln, »haucht sie an« und sagt: »Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben« (157), wie es bereits Johannes der Täufer angekündigt hatte: »Er wird euch mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen« (158). Mit diesen Worten Jesu wird der Heilige Geist offenbart und zugleich gegenwärtig gesetzt als Liebe, die in der Tiefe des österlichen Geheimnisses als Quelle der heilbringenden Kraft des Kreuzes Christi, als Gnadengeschenk des neuen und ewigen Lebens am Werk ist.

Diese Wahrheit über den Heiligen Geist findet ihren täglichen Ausdruck in der römischen Meßliturgie, wenn der Priester vor der heiligen Kommunion jene bedeutungsvollen Worte spricht: »Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, dem Willen des Vaters gehorsam, hast du im Heiligen Geist durch deinen Tod der Welt das Leben geschenkt«. Im Dritten Eucharistischen Hochgebet bezieht sich der Priester auf dieselbe Heilsordnung und bittet Gott: »Er (der Heilige Geist) mache uns auf immer zu einer Gabe, die dir wohlgefällt«.



5. Das Blut, welches das Gewissen reinigt

42 Wie bereits gesagt, ist auf dem Höhepunkt des österlichen Geheimnisses der Heilige Geist endgültig geoffenbart und in einer neuen Weise gegenwärtig gesetzt worden. Der auferstandene Christus sagt den Aposteln: »Empfangt den Heiligen Geist«. Auf diese Weise wird der Heilige Geist offenbart; denn die Worte Christi sind die Bestätigung der Verheißungen und Ankündigungen während der Abschiedsrede im Abendmahlssaal. Hierdurch wird der Tröster zugleich in neuer Weise gegenwärtig. Zwar war er schon von Anfang an im Geheimnis der Schöpfung und während der ganzen Geschichte des Alten Bundes mit dem Menschen wirksam. Voll bestätigt aber wurde sein Wirken durch die Sendung des Menschensohnes als Messias, der in der Kraft des Heiligen Geistes erschienen ist. Auf dem Höhepunkt der messianischen Sendung Jesu wird der Heilige Geist im österlichen Geheimnis ganz als göttliche Person gegenwärtig: als derjenige, der das Heilswerk, das im Kreuzesopfer gründet, fortführen soll. Zweifelsohne wird dieses Werk von Jesus Menschen anvertraut: den Aposteln, der Kirche. Doch bleibt der Heilige Geist in diesen Menschen und durch sie der transzendente Handelnde bei der Verwirklichung dieses Werkes im Geist des Menschen und in der Weltgeschichte: der unsichtbare und zugleich allgegenwärtige Tröster! Der Geist, der »weht, wo er will« (159). Die Worte, welche der auferstandene Christus »am ersten Tag nach dem Sabbat« sprach, heben in besonderer Weise die Gegenwart des Tröster-Geistes hervor, als desjenigen, der »die Welt der Sünde, der Gerechtigkeit und des Gerichts überführt«. In der Tat, nur in diesem Zusammenhang erklären sich die Worte, die Jesus in direkten Bezug zur »Gabe« des Geistes an die Apostel setzt. Er sagt: »Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert« (160). Jesus erteilt den Aposteln die Vollmacht, Sünden zu vergeben, damit sie diese an ihre Nachfolger in der Kirche weitergeben. Diese Vollmacht, die Menschen verliehen wird, setzt jedoch das Heilshandeln des Heiligen Geistes voraus und schließt es mit ein. Als »Licht der Herzen« (161), das heißt der Gewissen, »macht er die Sünde offenbar«, läßt er den Menschen das Böse in ihr erkennen und lenkt ihn zugleich zum Guten hin. Dank der Vielfalt seiner Gaben, deretwegen er als »siebenfältig« angerufen wird, kann jede Art von Sünde im Menschen durch Gottes erlösende Macht erreicht werden. In der Tat wird - wie der heilige Bonaventura sagt - »kraft der sieben Gaben des Heiligen Geistes alles Böse überwunden und alles Gute gewirkt« (162).

Unter dem Einfluß des Trösters vollzieht sich also jene Bekehrung des menschlichen Herzens, die unverzichtbare Bedingung der Sündenvergebung ist. Ohne echte Bekehrung, die eine innere Reue einschließt, und ohne einen aufrichtigen und festen Vorsatz zur Umkehr, bleiben die Sünden »nicht nachgelassen«, wie Jesus und mit ihm die ganze Überlieferung des Alten und Neuen Bundes sagen. Die ersten Worte Jesu am Beginn seines öffentlichen Wirkens lauten ja nach dem Markusevangelium: »Kehrt um und glaubt an das Evangelium« (163). Die Bekräftigung dieses Aufrufes ist das »Offenlegen der Sünde«, welches der Heilige Geist auf neue Weise vollbringt kraft der Erlösung, die durch das Blut des Menschensohnes gewirkt worden ist. Darum spricht der Hebräerbrief vom »Blut, welches das Gewissen reinigt« (164). Es ist also dieses Blut, das dem Heiligen Geist gleichsam den Weg öffnet zum Innersten des Menschen, das heißt zum Heiligtum des menschlichen Gewissens.


Dominum et vivificantem 31