Dignitas connubii DE

Titel XI.

ZULEITUNG


UND VERFAHRENSWEISE


BEIM BERUFUNGSGERICHT


§ 1. Das Gericht muss gemäß Art. 30, § 4 in zweiter und höherer Instanz zur Gültigkeit ein Kollegialgericht sein.

§ 2. Dies gilt ebenso, wenn der Fall auf abgekürzte Weise gemäß Art. 265 verhandelt wurde.

Das Urteil, das erstmals eine Ehe für nichtig erklärt hat, ist zusammen mit eventuellen Berufungsklagen und den übrigen Gerichtsakten innerhalb von zwanzig Tagen seit der Urteilsverkündigung von Amts wegen dem Berufungsgericht zuzuleiten (CIC 1682, § 1).

§ 1. Das Berufungsgericht hat, wenn das Urteil der ersten Instanz die Ehe für nichtig erklärt hat, in Würdigung der Stellungnahmen des Bandverteidigers desselben Gerichts und, wenn vorhanden, auch der Parteien, das Urteil entweder durch Dekret unmittelbar zu bestätigen oder die Sache zur ordentlichen Untersuchung in weiterer Instanz anzunehmen (vgl. CIC 1682, § 2).

§ 2. Nach Ablauf der vom Recht für die Berufung festgelegten Fristen und nach Erhalt der Prozessakten muss unverzüglich ein Kollegialgericht eingesetzt werden; der Vorsitzende oder Berichterstatter hat mit seinem Dekret die Akten dem Bandverteidiger für die Stellungnahme zuzuleiten und die Parteien anzuregen, auf Wunsch Bemerkungen dem Berufungsgericht vorzulegen.

§ 3. Alle Akten sollen den Richtern zur Verfügung stehen, bevor das Kollegialgericht das Dekret, von dem § 1 handelt, erlässt.

§ 4. Das Dekret, wodurch die affirmative Entscheidung unmittelbar bestätigt wird, muss die Gründe zur Gültigkeit wenigstens summarisch darlegen und auf die Stellungnahme des Bandverteidigers und, gegebenenfalls, der Parteien antworten (vgl. CIC 1617).

§ 5. Auch im Dekret, wodurch die Sache zur ordentlichen Untersuchung angenommen wird, sind die Gründe unter Angabe, ob und welche Beweisergänzung eventuell verlangt wird, summarisch darzulegen.

§ 6. Erklärte das in erster Instanz ergangene Urteil die Ehe aufgrund mehrerer Nichtigkeitsgründe für nichtig, kann dasselbe wegen mehrerer oder nur einem Nichtigkeitsgrund unmittelbar bestätigt werden.

Wenn immer es sich um ein negatives Urteil handelt, gegen welches die Berufung eingelegt wurde, oder um ein affirmatives Urteil, welches in zweiter oder höherer Instanz ergangen ist, muss die Sache stets im ordentlichen Verfahren behandelt werden.

§ 1. Wenn die Sache in zweiter oder höherer Instanz durch ein ordentliches Verfahren zu verhandeln ist, ist auf dieselbe Art und Weise in sinngemäßer Anwendung wie in der Vorinstanz entsprechend vorzugehen (vgl. CIC 1640).

§ 2. Wenn nicht etwa die Beweiserhebung zu ergänzen ist, so ist sofort nach Durchführung der Ladung und Festlegung der Formel der Prozessfrage zur Sacherörterung und zum Urteil zu schreiten (vgl. CIC 1640).

§ 3. Neue Beweise sind jedoch nur gemäß Art. 239 zuzulassen (vgl. CIC 1639, § 2).

§ 1 Wenn in der Berufungsinstanz ein neuer Ehenichtigkeitsgrund vorgebracht wird, kann ihn das Gericht unter Wahrung der Artt. 114-125, 135-137 als erstinstanzlich zulassen und darüber entscheiden (vgl. CIC 1683).

§ 2. Über jenen Nichtigkeitsgrund jedoch in zweiter oder in höherer Instanz zu entscheiden, ist zur Gültigkeit dem Gericht dritter oder höherer Instanz vorbehalten.

§ 3. Wenn das Urteil zugunsten der Ehenichtigkeit wegen dieses neuen Nichtigkeitsgrundes als erstinstanzlich erging, muss das zuständige Gericht gemäß Art. 265, § 1 vorgehen.

Titel XII.

ANFECHTUNG DES URTEILS


Kapitel I.

Nichtigkeitsbeschwerde gegen ein Urteil

Wenn das Berufungsgericht erkennt, dass in der unteren Instanz das mündliche Streitverfahren stattfand, hat es die Nichtigkeit des Urteils festzustellen und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen, welches das Urteil gefällt hat (vgl. CIC 1669).

Gemäß CIC 1620 leidet das Urteil an unheilbarer Nichtigkeit, wenn:

1. es von einem absolut unzuständigen Richter gefällt worden ist;

2. es von jemandem gefällt worden ist, der keine richterliche Gewalt bei dem Gericht hat, das die Sache entschieden hat;

3. ein Richter unter Zwang oder schwerer Furcht das Urteil gefällt hat;

4. ein Prozess ohne einen Klageantrag nach Art. 114 geführt oder nicht gegen irgendeine belangte Partei begonnen worden ist;

5. es zwischen Parteien gefällt worden ist, von denen wenigstens eine keine prozessuale Rollenfähigkeit besitzt;

6. jemand ohne rechtmäßigen Auftrag im Namen eines anderen vor Gericht gehandelt hat;

7. einer Partei das Verteidigungsrecht verweigert worden ist;

8. die strittige Sache nicht einmal teilweise entschieden worden ist.

In den Fällen des Art. 270 kann die Nichtigkeitsbeschwerde als Einrede unbefristet, als Klage jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Verkündigung des Urteils erhoben werden (vgl. CIC 1621).

Ein Urteil leidet nur an heilbarer Nichtigkeit, wenn es:

1. entgegen der Vorschrift des Art. 30 nicht von der vom Gesetz vorgeschriebenen Zahl von Richtern gefällt worden ist;

2. keine Entscheidungsgründe enthält;

3. nicht die vom Recht geforderten Unterschriften trägt;

4. keine Angaben über Jahr, Monat, Tag und Ort der Urteilsfällung aufweist;

5. auf einer nichtigen Prozesshandlung aufbaut, deren Nichtigkeit nicht geheilt ist;

6. gegen eine Partei gefällt wurde, die gemäß Art. 139, § 2 rechtmäßig vom Prozess abwesend war (vgl. CIC 1622).

In den Fällen des Art. 272 kann die Nichtigkeitsbeschwerde innerhalb von drei Monaten seit Verkündigung des Urteils geltend gemacht werden; nach Ablauf dieser Frist wird das Urteil als vom Recht selbst geheilt betrachtet (vgl. CIC 1623).

§ 1. Über eine Nichtigkeitsbeschwerde, die nach Art einer Klage vorgebracht wurde, befindet der Richter, der das Urteil gefällt hat; befürchtet jedoch eine Partei, dass der Richter, der das durch eine Nichtigkeitsbeschwerde angefochtene Urteil gefällt hat, voreingenommen ist, und hält sie ihn deshalb für befangen, so kann sie beantragen, dass dieser Richter gemäß Art. 69, § 1 durch einen anderen ersetzt wird (vgl. CIC 1624).

§ 2. Betrifft die Nichtigkeitsbeschwerde Urteile, die in zwei oder mehreren Intanzen gefällt wurden, so muss jener Richter über die Sache befinden, der die letzte Entscheidung fällte.

§ 3. Die Nichtigkeitsbeschwerde kann zusammen mit der Berufung innerhalb der für das Einlegen der Berufung bestimmten Frist oder zusammen mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach Art. 290 geltend gemacht werden (vgl. CIC 1625).

Über die Nichtigkeitsbeschwerde, die nach Art einer Einrede oder von Amts wegen gemäß Art. 77, § 1 vorgebracht wurde, entscheidet der Richter, vor dem die Sache anhängig ist.

§ 1. Eine Nichtigkeitsbeschwerde können nicht nur die Parteien, die sich beschwert fühlen, sondern ebenso der Bandverteidiger und der Kirchenanwalt einlegen, sofern er bereits an der Sache beteiligt war oder an ihr aufgrund des richterlichen Dekrets beteiligt wird (vgl. CIC 1626, § 1).

§ 2. Der Richter kann ein von ihm gefälltes nichtiges Urteil innerhalb der von Art. 273 zum Handeln vorgesehenen Frist von Amts wegen zurückziehen oder verbessern, wenn nicht inzwischen Berufung zusammen mit der Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt oder die Nichtigkeit durch Zeitablauf nach Art. 273 geheilt worden ist (vgl. CIC 1626, § 2).

§ l. Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde, die nach Art einer Klage vorgebracht wurde, können gemäß den Normen für das mündliche Streitverfahren behandelt werden; Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde jedoch, die als Einrede oder von Amts wegen gemäß Art. 77, § 1 vorgebracht wurde, müssen gemäß Artt. 217-225, 227 über die Zwischensachen behandelt werden (vgl. CIC 1627).

§ 2. Es steht aber einem Kollegialgericht zu, über die Nichtigkeit der Entscheidung eines Kollegialgerichts zu befinden;

§ 3. Gegen die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde besteht Berufungsmöglichkeit.

Nach Nichtigerklärung des Urteils durch das Berufungsgericht muss die Sache dem Gericht, welches das Urteil gefällt hat, zurückgegeben werden, damit es rechtmäßig verfährt.

Kapitel II.

Berufung

§ l. Eine Partei, die sich durch ein Urteil beschwert fühlt, der Bandverteidiger und ebenso der Kirchenanwalt, sofern er am Verfahren beteiligt war, haben das Recht, gegen das Urteil an den höheren Richter Berufung einzulegen, unbeschadet von Art. 280 (vgl. CIC 1628).

§ 2. Unbeschadet von Art. 264 ist der Bandverteidiger gehalten, Berufung einzulegen, wenn er der Ansicht ist, das Urteil, welches die Nichtigkeit der Ehe erstmals erklärte, sei nicht ausreichend begründet.

§ 1. Berufung kann nicht eingelegt werden gegen:

1. ein Urteil des Papstes oder der Apostolischen Signatur;

2. ein nichtiges Urteil, außer die Berufung wird gemäß Art. 274, § 3 mit der Nichtigkeitsbeschwerde verbunden;

3. ein rechtskräftig gewordenes Urteil;

4. das Dekret eines Richters oder das Zwischenurteil, die nicht die Wirkung eines Endurteils haben, außer die Berufung wird mit der Berufung gegen das Endurteil verbunden;

5. ein Urteil oder ein Dekret in einer Sache, in der das Recht eine Entscheidung auf schnellstem Weg vorschreibt (CIC 1629).

§ 2. Die Vorschrift von § 1, n. 3 betrifft jedoch nicht das Urteil, durch welches die Hauptsache der Ehenichtigkeit selbst entschieden wird (vgl. CIC 1643).

§ 1. Die Berufung muss bei dem Richter, von dem das Urteil gefällt worden ist, innerhalb einer ausschließenden Nutzfrist von fünfzehn Tagen eingelegt werden, gerechnet von der Kenntniserlangung des verkündeten Urteils (CIC 1630, § 1).

§ 2. Es reicht aus, wenn derjenige, der Berufung einlegen möchte, dem Richter, der das Urteil fällte, mitteilt, er lege Berufung ein.

§ 3. Wird sie mündlich eingelegt, so hat sie der Notar in Anwesenheit des Berufungsklägers schriftlich abzufassen (CIC 1630, § 2).

§ 4. Wird eine Berufung eingelegt, nachdem den Parteien gemäß Art. 257, § 1 nur der Urteilstenor mitgeteilt wurde, bevor das Urteil verkündet wurde, ist der Art. 285, § 2 zu beachten.

Entsteht eine Streitfrage über die Rechtmäßigkeit der Berufung, so hat darüber das Berufungsgericht auf schnellstem Weg nach den Regeln über das mündliche Streitverfahren zu befinden (vgl. CIC 1631).

§ 1. Wird in der Berufungsklage nicht angegeben, an welches Gericht diese gerichtet ist, so wird vermutet, dass es sich um das in Art. 25 genannte Berufungsgericht handelt (vgl. CIC 1632, § 1).

§ 2. Hat die eine Partei an die Römische Rota, die andere jedoch an ein anderes Berufungsgericht Berufung eingelegt, so befindet über die Sache die Römische Rota, unbeschadet von Art. 18 (vgl. CIC 1632, § 2).

§ 3. Nach Einlegung der Berufung an die Römische Rota muss das vorinstanzliche Gericht die Akten dieser zuleiten. Wenn die Akten etwa einem anderen Berufungsgericht zugesandt wurden, so muss das vorinstanzliche Gericht dieses unverzüglich davon verständigen, damit es nicht mit dem Verfahren beginnt, sondern die Akten an die Römische Rota übersendet.

§ 4. Sind jedoch die vom Recht vorgesehenen Fristen noch nicht abgelaufen, darf kein Berufungsgericht sich die Sache rechtmäßig zu eigen machen, damit die Parteien nicht ihres Rechts beraubt werden, an die Römische Rota Berufung einzulegen.

§ l. Die Berufung ist innerhalb eines Monates nach Einlegung bei dem Richter zu verfolgen, an den sie gerichtet wird, außer der Urteilsrichter hat der Partei eine längere Frist zu ihrer Verfolgung gewährt (CIC 1633).

§ 2. Der Berufungskläger kann den Dienst des Urteilsrichters anrufen, damit er den Akt der Verfolgung der Berufung an das Berufungsgericht weiterleitet.

§ 1. Zur Verfolgung der Berufung ist erforderlich und ausreichend, dass eine Partei die Hilfe des Oberrichters zur Verbesserung des angefochtenen Urteils unter Beifügung einer Urteilsabschrift und mit Angabe der Berufungsgründe anruft (CIC 1634, § 1).

§ 2. Kann eine Partei vom Urteilsgericht innerhalb der Berufungsfrist keine Abschrift des angefochtenen Urteils erhalten, so läuft die Frist einstweilen nicht; die Verhinderung ist dem Berufungsrichter mitzuteilen, der den Urteilsrichter verbindlich anzuweisen hat, seiner Pflicht baldmöglichst zu genügen (CIC 1634, § 2).

§ 3. Inzwischen muss der Urteilsrichter gemäß Art. 90 die Akten dem Berufungsrichter zuleiten (vgl. CIC 1634, § 3).

Sind die Berufungsfristen entweder beim Urteilsrichter oder beim Berufungsrichter ungenützt verstrichen, so gilt dies als Verzicht auf die Berufung (CIC 1635).

Der Berufungskläger kann auf seine Berufung mit den in Art. 151 erwähnten Rechtswirkungen verzichten (vgl. CIC 1636).

§ l. Die vom Kläger eingelegte Berufung kommt auch dem Belangten zustatten und umgekehrt (vgl. CIC 1637, § 1).

§ 2. Wird von einer Partei gegen einen Teil des Urteils Berufung eingelegt, so kann die andere Partei selbst nach Ablauf der Berufungsfrist gegen andere Teile des Urteils im Zwischenstreit innerhalb einer Ausschlussfrist von fünfzehn Tagen, gerechnet von dem Tag an, an dem ihr die Hauptberufung bekannt gegeben worden ist, Berufung einlegen (vgl. CIC 1637, § 3).

§ 3. Sofern nichts anderes feststeht, wird vermutet, dass die Berufung gegen alle Teile des Urteils gerichtet ist (CIC 1637, § 4).

§ 1. Ehenichtigkeitsverfahren erwachsen niemals in Rechtskraft (vgl. CIC 1643).

§ 2. Eine Ehesache aber, welche von einem Gericht beurteilt wurde, kann von demselben oder einem anderen derselben Instanz nicht wiederum beurteilt werden, unbeschadet Art. 9, § 2.

§ 3. Diese Anordnung ist nur dann bindend, wenn es sich um dieselbe Sache handelt, d. h. dieselbe Ehe und denselben Nichtigkeitsgrund.

Kapitel III.

Antrag um Wiederaufnahme des Verfahrens

nach zwei gleichlautenden Urteilen

§ 1. Sind in einem Ehenichtigkeitsverfahren zwei gleichlautende Urteile ergangen, so ist keine Berufung möglich; es kann jederzeit das Gericht dritter oder höherer Instanz angerufen werden, wobei dann innerhalb einer Ausschlussfrist von dreißig Tagen nach erfolgter Anfechtung neue und zwar schwerwiegende Beweise oder Begründungen vorzulegen sind (vgl. CIC 1644, § 1).

§ 2. Diese Vorschrift ist auch dann einzuhalten, wenn das auf Nichtigkeit einer Ehe erkennende Urteil nicht durch ein zweites Urteil, sondern durch Dekret bestätigt worden ist (vgl. CIC 1684, § 2).

§ 1. Zwei Urteile oder Entscheidungen werden als formell konform bezeichnet, wenn sie zwischen denselben Parteien, über die Nichtigkeit derselben Ehe, aus demselben Nichtigkeitsgrund und aus denselben Gründen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht erfolgten (vgl. CIC 1641, n. 1).

§ 2. Als äquivalent oder substantiell konform werden Entscheidungen betrachtet, welche sich, obwohl sie den Nichtigkeitsgrund mit einem anderen Namen bezeichnen und bestimmen, dennoch auf die gleichen Tatsachen, welche die Ehe nichtig machen, und auf die gleichen Beweise stützen.

§ 3. Unbeschadet von Art. 136 und unter Wahrung des Verteidigungsrechts, befindet das Berufungsgericht, welches das zweite Urteil fällte, oder das Obergericht über die äquivalente oder substantielle Konformität zweier Entscheidungen.

§ 1. Es ist nicht erforderlich, dass die neuen Argumente oder Beweise, von denen Art. 290, § 1 handelt, sehr schwerwiegend sind, und umso weniger, dass sie entscheidend sind, d. h. notwendigerweise eine gegenteilige Entscheidung erfordern, sondern es genügt, dass sie diese wahrscheinlich machen.

§ 2. Es genügen jedoch nicht bloße negative Äußerungen oder kritische Bemerkungen bezüglich der gefällten Entscheidungen.

§ 1. Das Berufungsgericht muss innerhalb eines Monats nach Vorlage der neuen Beweise und Begründungen sowie nach Anhören des Bandverteidigers und Verständigung der anderen Partei durch Dekret feststellen, ob die Wiederaufnahme des Verfahrens zugelassen werden muss oder nicht (vgl. CIC 1644, § 1).

§ 2. Wird die Wiederaufnahme zugelassen, so muss gemäß Art. 267 vorgegangen werden.

Der Antrag auf Zulassung der Wiederaufnahme des Verfahrens hemmt nicht die Vollstreckung der beiden gleichlautenden Entscheidungen, sofern nicht das Berufungsgericht, wenn es den Antrag für wahrscheinlich begründet und die mögliche Gefahr irreparabler Schäden im Falle seiner Vollstreckung für gegeben hält, die Aussetzung anordnet (vgl. CIC 1644, § 2).

Titel XIII.

VERFAHREN AUFGRUND VON URKUNDEN


Nach Eingang eines Klageantrages gemäß Artt. 114117 kann der Gerichtsvikar oder ein von ihm bestimmter Richter unter Außerachtlassung der Förmlichkeiten des ordentlichen Gerichtsverfahrens, jedoch nach Ladung der Parteien und unter Beteiligung des Bandverteidigers, die Nichtigkeit einer Ehe durch Urteil feststellen, wenn aufgrund einer Urkunde, gegen die ein Widerspruch oder eine Einrede nicht erhoben werden kann, mit Sicherheit das Vorliegen eines trennenden Ehehindernisses oder ein Mangel der rechtmäßigen Eheschließungsform feststeht, vorausgesetzt, mit gleicher Gewissheit ist klar, dass keine Dispens erteilt worden ist oder ein Mangel des gültigen Auftrags des Stellvertreters bei der Eheschließung vorliegt (vgl. CIC 1686).

§ 1. Der zuständige Gerichtsvikar wird nach Art. 10 bestimmt.

§ 2. Der Gerichtsvikar oder der betraute Richter muss vor allem befinden, ob alles gleichzeitig gegeben ist, was gemäß Art. 295 verlangt wird, damit der Fall durch ein Urkundenverfahren entschieden werden kann. Sollte er selbst urteilen oder klugerweise zweifeln, dass alles gleichzeitig vorhanden ist, hat er mit dem ordentlichen Streitverfahren vorzugehen.

§ 1. Weil aber das Ehehindernis der Impotenz oder des Fehlens der legitimen Eheschließungsform nur sehr selten aus einer Urkunde, gegen die ein Widerspruch oder eine Einrede nicht erhoben werden kann, feststeht, soll der Gerichtsvikar oder der betraute Richter in diesen Fällen mit besonderer Sorgfalt eine Voruntersuchung durchführen, damit der Fall nicht leichtfertig oder mutwillig zum Urkundenverfahren zugelassen wird.

§ 2. Bezüglich der Parteien jedoch, welche die Ehe vor dem Standesbeamten oder dem nichtkatholischen Amtsträger zu schließen versuchten, aber gemäß CIC 1117 an die kanonische Form gebunden sind, ist Art. 5, § 3 zu beachten.

§ 1. Hat der Bandverteidiger begründete Zweifel, dass die in Art. 295 angegebenen Mängel oder die Nichterteilung der Dispens sicher feststehen, so muss er gegen diese Nichtigerklärung gemäß Art. 295 Berufung an den Richter der zweiten Instanz einlegen; diesem sind die Gerichtsakten mit dem schriftlichen Hinweis zu übersenden, dass es sich um ein Urkundenverfahren handelt (vgl. CIC 1687, § 1).

§ 2. Das Berufungsrecht einer Partei, die sich beschwert fühlt, bleibt unangetastet (CIC 1687, § 2).

Der Richter der zweiten Instanz wird unter Beteiligung des Bandverteidigers und nach Anhören der Parteien in gleicher Weise wie gemäß Art. 295 darüber entscheiden, ob das Urteil zu bestätigen oder ob vielmehr im vorliegenden Fall auf dem ordentlichen Verfahrensweg vorzugehen ist; im letzteren Fall verweist er die Sache an das Gericht der ersten Instanz zurück (vgl. CIC 1688).

Titel XIV.

EINTRAGUNG DER NICHTIGKEIT DER EHE


UND WAS EINER NEUEN EHESCHLIESSUNG VORAUSZUGEHEN HAT


§ 1. Sobald das Urteil zugunsten der Nichtigkeit der Ehe gemäß Art. 301 für vollstreckbar erklärt worden ist, muss der Gerichtsvikar es unverzüglich dem Ordinarius des Eheschließungsortes bekannt geben. Dieser aber muss dafür Sorge tragen, dass baldmöglichst die ausgesprochene Ehenichtigkeit und die etwa verhängten Verbote im Ehe- und Taufbuch eingetragen werden (vgl. CIC 1685).

§ 2. Hat der Ordinarius Kenntnis davon erhalten, dass die Entscheidung nichtig ist, hat er die Sache, unbeschadet von Art. 274, § 2 und nach Verständigung der Parteien, an das Gericht zurückzuverweisen (vgl. CIC 1654, § 2).

§ 1. Nachdem das Urteil, das die Nichtigkeit einer Ehe zum ersten Mal festgestellt hat, in der Berufungsinstanz entweder durch Dekret oder durch ein zweites Urteil bestätigt worden ist, haben die Parteien, deren Ehe für ungültig erklärt worden ist, das Recht zu einer neuen Eheschließung, sobald das Dekret oder das zweite Urteil ihnen bekannt gegeben worden ist, ausgenommen im Fall eines dem Urteil oder dem Dekret beigefügten oder vom Ortsordinarius erlassenen Verbotes, unbeschadet von Art. 294 (vgl. CIC 1684, § 1).

§ 2. Dasselbe gilt, wenn die Ehe im Urkundenverfahren durch ein einziges Urteil, gegen das keine Berufung eingelegt wurde, für nichtig erklärt wurde.

§ 3. Es soll jedoch das, was der Eheschließung gemäß den Bestimmungen der CIC 1066-1071 vorausgehen muss, beachtet werden.

Titel XV.

GERICHTSKOSTEN


UND UNENTGELTLICHER RECHTSSCHUTZ


Die Parteien sind gehalten, gemäß ihren Möglichkeiten zur Bestreitung der Gerichtskosten beizutragen.

§ 1. Für das Diözesangericht muss der Diözesanbischof, für ein interdiözesanes Gericht aber muss die Versammlung der Bischöfe oder der von ihr als Gerichtsherr eingesetzte Bischof Bestimmungen erlassen über:

1. das Tragen oder den Ausgleich der Gerichtskosten;

2. die Honorare der Prozessbevollmächtigten, Anwälte, Sachverständigen und Übersetzer sowie über die Entschädigung der Zeugen;

3. die Gewährung des unentgeltlichen Rechtsschutzes oder eine Ermäßigung der Kosten;

4. den Ersatz des Schadens, sofern ein solcher eventuell dem anderen Partner zugefügt wurde;

5. die Hinterlegung einer Geldsumme oder Leistung einer Sicherheit zur Begleichung der Gerichtskosten und Behebung eines Schadens (vgl. CIC 1649, § 1).

§ 2. Bei der Festlegung dieser Normen muss der Bischof die besondere Natur der Eheprozesse in Betracht ziehen, die verlangt, dass, soweit es möglich ist, jeder der beiden Ehepartner am Nichtigkeitsprozess teilnimmt (vgl. Art. 95, § 1).

§ 1. Es ist Aufgabe des Kollegialgerichts, im Endurteil zu bestimmen, ob die Kosten vom Kläger allein oder auch von der anderen Partei zu tragen sind, und die Aufteilung der Kosten zwischen den beiden Partnern festzulegen. Beim Beschluss des Kostenausgleichs ist aber die Armut der Parteien unter Wahrung der Bestimmungen von Art. 303 zu berücksichtigen (vgl. CIC 1611, n. 4).

§ 2. Gegen die Festsetzung der Gerichtskosten, der Honorare und der Schadensbegleichung gibt es keine eigene Berufung; doch kann eine Partei innerhalb von fünfzehn Tagen bei demselben Richterkollegium Beschwerde erheben, das die Kostenfestsetzung abändern kann (vgl. CIC 1649, § 2).

Wer gänzlich nicht in der Lage ist, die Gerichtskosten zu tragen, hat das Recht, eine Befreiung zu erlangen; wer jedoch teilweise bezahlen kann, eine Ermäßigung dieser Kosten.

Beim Erlass der Bestimmungen von Art. 303, § 1, n. 3 soll sich der Bischof entsprechend Folgendes vor Augen halten:

1. Wer die Befreiung von den Gerichtskosten oder deren Ermäßigung und einen unentgeltlichen Rechtsschutz erhalten möchte, muss dem Gerichtsvikar oder dem Vorsitzenden eine Bittschrift unter Beifügung von Beweisen und Dokumenten übergeben, mit denen er nachweist, welches seine wirtschaftliche Lage ist;

2. Die Sache muss sich aber eines vermuteten begründeten Rechts erfreuen, vor allem wenn es sich um eine von ihm beantragte Zwischensache handelt.

3. Der Gerichtsvikar oder der Vorsitzende soll, wenn er es für angebracht erachtet, vor der Gewährung des unentgeltlichen Rechtsschutzes oder der Ermäßigung der Kosten, das Gutachten des Kirchenanwalts und des Bandverteidigers einholen, nachdem er ihnen den Antrag zusammen mit den Unterlagen zugesandt hat;

4. Die Vermutung geht dahin, dass eine vollständige oder teilweise Befreiung von den Prozesskosten in der höheren Instanz aufrecht bleibt, es sei denn, der Vorsitzende widerrief sie aus gerechtem Grund.

§ 1. Wenn der Vorsitzende entscheidet, dass ein unentgeltlicher Rechtsschutz zu gewähren sei, dann soll er den Gerichtsvikar bitten, einen Anwalt einzusetzen, der unentgeltlich den Rechtsschutz übernimmt.

§ 2. Der zur Gewährung eines unentgeltlichen Rechtsschutzes bestellte Anwalt darf sich seines Dienstes nicht entziehen, es sei denn aus einem vom Vorsitzenden approbierten Grund.

§ 3. Wenn jedoch ein Anwalt sein Amt nicht mit der notwendigen Sorgfalt erfüllt, soll er vom Vorsitzenden zu dessen Beobachtung sowohl von Amts wegen als auch auf Antrag einer Partei oder des Bandverteidigers oder, wenn er am Fall teilnahm, des Kirchenanwalts ermahnt werden.

Der Bischof als Moderator muss Sorge tragen, dass nicht aufgrund der Handlungsweise der Gerichtspersonen oder aufgrund zu hoher Kosten Gläubige vom Dienst der Gerichte mit schwerem Schaden für ihre Seelen, deren Heil in der Kirche stets oberstes Gesetz sein muss, ausgeschlossen werden.

Die Instruktion, die gemäß dem Auftrag Papst Johannes Pauls II. vom 4. Februar 2003 von diesem Päpstlichen Rat unter enger Mitarbeit der Glaubenskongregation, der Kongregation für den Gottesdienst und die Disziplin der Sakramente sowie der Gerichte der Apostolischen Signatur und der Römischen Rota erarbeitet wurde, wurde von demselben Papst am 8. November 2004 approbiert. Er ordnete an, dass sie unmittelbar vom Tag der Veröffentlichung an von allen, die es betrifft, beobachtet werden muss.

Gegeben in Rom, am Sitz des Päpstlichen Rates für die der Gesetzestexte, am 25. Januar 2005, am Feste der Bekehrung des Heiligen Paulus.
Julián Kard. Herranz

Präsident

Bruno Bertagna

Sekretär




(1) Conc. OEc. Vat. II, Const. past. Gaudium et spes, n. 48d.

(2) Vgl. Conc. OEc. Vat. II, Const. past. Gaudium et spes, cap. I, nn. 47-52.

(3) Vgl. Conc. OEc. Vat. II, Const. past. Gaudium et spes, n. 48b.

(4) Vgl. Conc. OEc. Vat. II, Const. past. Gaudium et spes, n. 48a.

(5) Johannes Paul II., Ansprache an die Richter der Römischen Rota, 27. Januar 1997, in AAS89 (1997) 487.

(6) Augustinus von Hippo, De bono coniugii, 4,4, in CSEL 41,191.

(7) Johannes Paul II., Ansprache an die Richter der Römischen Rota, 27. Januar 1997, in AAS89 (1997) 488 [vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Richter der Römischen Rota, 28. Januar 2002, in AAS 94 (2002) 340-346].

(8) Vgl. Pius XII, Ansprache an die Richter der Römischen Rota, 3. Oktober 1941, in AAS 34 (1941) 423.

(9) Vgl. vor allem Johannes Paul II., Ansprache an die Richter der Römischen Rota, 5. Februar 1987, in AAS 79 (1987) 1453-1459 und 25. Januar 1988, in AAS 80 (1988) 1178-1185.

(10) Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Sacrae disciplinae leges, 25. Januar 1983, in AAS 75/2 (1983) VIII et XI.

(11) Vgl. Paul VI., Motu proprio Causas matrimoniales, 28. März 1971, in AAS 63 (1971) 442.

(12) Vgl. AAS 28 (1936) 313-361.

(13) Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Richter der Römischen Rota, 22. Januar 1996, inAAS 88 (1996) 774-775, und 17. Januar 1998, in AAS 90 (1998) 783-785.

(14) AAS 28 (1936) 314.

(15) Vgl. Päpstliche Kommission zur authentischen Interpretation des CIC, Responsum vom 26. Juni 1984, in AAS 76 (1984) 747.

(16) Vgl. Päpstliche Kommission zur authentischen Interpretation des CIC, Responsum vom 28. Februar 1986, in AAS 78 (1986) 1323.

(17) Vgl. Päpstliche Kommission zur authentischen Interpretation des CIC, Responsum vom 29. April 1986, in AAS 78 (1986) 1324.

(18) Vgl. Normen des Gerichts der Römischen Rota vom 18. April 1994, Art. 70, in AAS 86 (1994) 528.

(19) Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Glaubensbekenntnis und Treueeid bei der Übernahme eines Amtes, welches im Namen der Kirche auszuüben ist, zusammen mit der beigefügten Lehranmerkung, 29. Juni 1998, in AAS 90 (1998) 542-551.

(20) Vgl. Kongregation für die Sakramente, Rundschreiben vom 20. Dezember 1986, n. 7.

(21) Vgl. Kongregation für die Sakramente, Rundschreiben vom 20. Dezember 1986, n. 23b.

(22) Vgl. Kongregation für die Sakramente, Rundschreiben vom 20. Dezember 1986, n. 7.

(23) Vgl. Pius XII., Ansprache an die Richter der Römischen Rota, 2. Oktober 1944, in AAS 36 (1944) 281-290.

(24) Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Richter der Römischen Rota, 5. Februar 1987, inAAS 79 (1987) 1453-1459, und 25. Januar 1988, in AAS 80 (1988) 1178-1185.

(25) Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Richter der Römischen Rota, 22. Januar 1996, n. 4, in AAS 88 (1996) 773-777.







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