Direktorium für Dienst und Leben 33

II. Kapitel

PRIESTERLICHE SPIRITUALITÄT


Der Historische Kontext der Gegenwart


34 Die Zeichen der Zeit verstehen

Leben und Dienst der Priester entwickeln sich immer im historischen Kontext, manchmal voll neuer Probleme und unvermuteter Umstände, in denen die pilgernde Kirche zu leben hat.

Das Priestertum erwächst nicht aus der Geschichte, sondern aus dem unveränderlichen Willen des Herrn. Allerdings konfrontiert es sich mit den historischen Umständen und - obgleich es sich selbst immer treu bleibt - gestaltet es sich durch die konkrete Form der Entscheidungen aber auch durch eine kritische Bezugnahme und eine Suche nach einer, dem Evangelium entsprechenden, Antwort auf die »Zeichen der Zeit«. Aus diesem Grund haben die Priester die Pflicht, solche »Zeichen« im Licht des Glaubens zu interpretieren und sie einer klugen Unterscheidung zu unterziehen. Jedenfalls können sie diese nicht ignorieren, besonders dann nicht, wenn man das eigene Leben in wirksamer und gehöriger Weise so orientieren möchte, daß Dienst und Zeugnis immer mehr fruchtbar werden für das Reich Gottes.

In der gegenwärtigen Lebensphase von Kirche und Gesellschaft sind die Priester gerufen, mit ganzer Tiefe ihren Dienst zu leben, angesichts der immer tiefgreifenderen, zahlreicheren und schwierigeren nicht nur pastoralen, sondern auch sozialen und kulturellen Bedürfnisse, die anzugehen sind.(102)

Sie sind daher heute in verschiedenen Ebenen des Apostolats engagiert, wo Großzügigkeit und ganze Hingabe, intellektuelle Vorbereitung und vor allem ein reifes und tiefes, in pastoraler Liebe verwurzeltes geistliches Leben verlangt wird. Dies ist ihr spezifischer Weg zur Heiligkeit und dies stellt im Rahmen der pastoralen Tätigkeit einen authentischen Dienst an den Gläubigen dar.


35 Dringlichkeit der Neu-Evangelisierung

Daraus ergibt sich, daß der Priester in ganz besonderer Weise in den Einsatz der gesamten Kirche für die Neu-Evangelisierung einbezogen ist. Ausgehend vom Glauben an Jesus Christus, dem Erlöser des Menschen, hat er die Gewähr, daß in Ihm ein »unausschöpflicher Reichtum« (
Ep 3,8) da ist, den keine Kultur und keine Epoche je aufbrauchen kann, und aus dem die Menschen immer ihre Bereicherung erfahren.(103)

Daher ist dies die Stunde der Erneuerung unseres Glaubens an Jesus Christus, der »gestern, heute und immer« (He 13,8) derselbe ist. Deshalb ist »der Aufruf zur Neu-Evangelisierung zunächst ein Aufruf zur Bekehrung«.(104) Gleichzeitig ist es ein Aufruf zur Hoffnung, »die sich auf die Verheißungen Gottes stützt, auf die Treue zu seinem Wort, und die als unumstößliche Gewißheit die Auferstehung Christi hat,- seinen endgültigen Sieg über Sünde und Tod, die erste Botschaft und Begründung jeder Evangelisierung, das Fundament jeden menschlichen Fortschritts, das Prinzip jeder authentischen christlichen Kultur«.(105)

In diesem Kontext muß der Priester zunächst seinen Glauben, seine Hoffnung und seine aufrichtige Liebe zum Herrn verlebendigen, damit er Ihn den Gläubigen und allen Menschen veranschaulichen kann wie Er wahrhaft ist: eine lebendige Person, faszinierend, uns mehr als alle anderen liebend, weil er sein Leben für uns hingab; »niemand hat eine größere Liebe als der, der sein Leben hingibt für seine Freunde« (Jn 15,13).

Gleichzeitig wird der Priester als Antwort auf alle Ängste Jesus Christus verkünden und zwar im Bewußtsein, daß jeder Mensch auf verschiedene Weise eine Liebe sucht, die ihn die engen Grenzen seiner Schwächen, seines Egoismus und schließlich seines Todes überwinden lassen kann.

Der Priester ist aufgerufen, in der Neu-Evangelisierung ein Bote der Hoffnung(106) zu sein.


36 Herausforderung durch Sekten und neue Kulte

Eine besondere Herausforderung ergibt sich für den pastoralen Dienst aus der Verbreitung von Sekten und neuen Kulten, die sich auch unter gläubigen Katholiken ausbreiten.

Dieses Phänomen hat komplexe Ursachen. Jedenfalls wird vom Dienst der Priester verlangt, auf die heute besonders stark vorhandene Suche nach dem Heiligen und nach authentischer Spiritualität entsprechend vorbereitet und gezielt einzugehen.

Tatsächlich war in den letzten Jahren feststellbar, daß es insbesonders pastorale Beweggründe sind, die es erforderlich machen, daß der Priester ein Mann Gottes und ein Meister des Gebetes ist.

Gleichzeitig erscheint es notwendig, daß die seiner pastoralen Sorge anvertraute Gemeinde eine Atmosphäre bietet, wo sich niemand, der zu ihr gehört, der Anonymität oder der Gleichgültigkeit überlassen erfahren muß.

Es handelt sich dabei um eine Verantwortung, die sicherlich alle Gläubigen angeht, aber in besonderer Weise doch den Priester als Mann der Gemeinschaft.

Wenn es der Priester versteht, mit Freundlichkeit und Respekt jemanden, der kommt, anzunehmen und als Persönlichkeit ernst zu nehmen, dann entsteht daraus ein Stil authentischer Liebe, der sich schrittweise in der ganzen Gemeinde bemerkbar machen wird.

Um der Herausforderung durch Sekten und neue Kulte zu begegnen, bedarf es besonders einer bewährten und umfassenden Katechese, die heute vonseiten des Priesters spezielle Anstrengungen verlangt, damit alle seine Gläubigen die Bedeutung der christlichen Berufung und des katholischen Glaubens wirklich kennenlernen. Insbesonders müssen die Gläubigen darüber genau unterrichtet werden, welche Beziehung zwischen ihrer spezifischen Berufung in Christus und ihrer Zugehörigkeit zu seiner Kirche besteht, die sie ergeben und standhaft lieben sollen.

All das läßt sich verwirklichen, wenn der Priester in seinem Leben und Dienst alles vermeidet, was Lauheit, Kälte oder bloß selektive Identifikation mit der Kirche hervorrufen könnte.


37 Licht- und Schattenseiten der Dienstausübung

Sehr tröstlich ist festzustellen, daß heute Priester aller Alterstufen in überwiegender Mehrheit mit freudigem Einsatz, der oft Frucht eines stillen Heroismus ist, ihren Dienst ausüben und bis an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit arbeiten, manchmal ohne die Früchte ihrer Arbeit zu sehen.

Durch diesen ihren Einsatz stellen sie heute eine lebendige Verkündigung jener göttlichen Gnade dar, die im Augenblick der Priesterweihe gespendet, dauernd neue Kraft zum heiligen Dienst schenkt.

Diesem Licht, welches das Leben des Priesters erhellt, fehlen freilich nicht die Schatten, die dazu neigen, die Schönheit des Zeugnisses an die Welt abzuschwächen und den Dienst weniger wirksam zu machen.

Der pastorale Dienst ist ein faszinierendes, aber auch schwieriges Unternehmen, vielfach dem Unverständnis und der Verdrängung ausgesetzt, und heute vor allem der Müdigkeit, der Isolation und manchmal der Einsamkeit.

Um gegenüber den Herausforderungen zu bestehen, die sich für den Priester von der verweltlichten Mentalität her ständig ergeben, wird er dem spirituellen Leben, dem Sein mit Christus und dem Leben großmütiger pastoraler Liebe den absoluten Vorrang einräumen, sowie die Gemeinschaft mit allen und zuallererst mit den anderen Priestern intensivieren.

Mit Christus im Gebet Bleiben


38 Primat des geistlichen Lebens

Der Priester wurde in jenem langen Gebet sozusagen »konzipiert«, als Jesus zum Vater von seinen Aposteln gesprochen hat und sicherlich von allen, die im Lauf der Jahrhunderte an seiner eigenen Sendung partizipieren würden (cf
Lc 6,12 Jn 17,15-20). Auch das ganz auf das priesterliche Golgatha-Opfer ausgerichtete Gebet Jesu im Garten von Gethsemane (cf Mt 26,36-44 par.), zeigt in paradigmatischer Weise, »wie unser Priestertum zutiefst an das Gebet gebunden sein muß: verwurzelt im Gebet«.(107)

Aus diesen Gebeten geboren und zur Erneuerung des von ihnen untrennbaren Opfers berufen, werden die Priester ihren Dienst lebendig erhalten durch ein spirituelles Leben, dem sie den absoluten Vorrang einräumen, indem sie vermeiden, es wegen diverser Aktivitäten zu vernachlässigen. Gerade um den pastoralen Dienst fruchtbar gestalten zu können, braucht der Priester den besonderen und tiefen Einklang mit Christus, dem guten Hirten, der allein der eigentliche Protagonist jeder pastoralen Tätigkeit bleibt.


39 Mittel für das geistliche Leben

Ein solches spirituelles Leben muß in der Existenz jedes Priesters inkarniert werden, sowohl durch die Liturgie und durch das persönliche Gebet als auchdurch entsprechenden Lebensstil und durch Praxis der christlichen Tugenden, die zum Gelingen der dienstlichen Tätigkeit beitragen. Christus gleichförmig zu werden, verlangt sozusagen klimatische Bedingungen der Freundschaft und der persönlichen Begegnung mit Jesus, dem Herrn, und ebensolche des Dienstes an der Kirche, die sein Leib ist und die der Priester offensichtlich liebt, indem er treu und unermüdlich seine Pflichten im pastoralen Dienst erfüllt.(108)

Daher ist es für den Priester notwendig, sein Gebetsleben dermaßen zu gestalten, daß es folgendes umfaßt: die tägliche Eucharistiefeier(109) mit geeigneter Vorbereitung und Danksagung; die häufige Beichte(110) und die bereits im Seminar praktizierte Seelenführung;(111) die vollständige und eifrige Feier des Stundengebetes,(112) wozu er täglich angehalten ist;(113) die Gewissenserforschung;(114) das stille Gebet in angemessener Weise;(115) die lectio divina;(116) die ausgedehnten Zeiten des Schweigens und des Gesprächs, vor allem in den Exerzitien und in periodischen Einkehrtagen;(117) die kostbaren Ausdrucksformen marianischer Frömmigkeit, wie der Rosenkranz;(118) die »Via Crucis« und die übrigen Frömmigkeitsübungen;(119) die lohnende hagiographische Lektüre.(120)

Jedes Jahr, während der hl. Messe des Gründonnerstags, sollen die Priester vor ihrem Bischof und zusammen mit ihm als Zeichen dauernden Treuebemühens, die in der Priesterweihe gegebenen Versprechen erneuern.(121)

Die Sorge um das geistliche Leben muß vom Priester selbst als freudige Pflicht wahrgenommen werden, aber auch als ein Recht der Gläubigen, die in ihm bewußt oder unbewußt den Mann Gottes suchen, den Berater, den Friedensstifter, den treuen und klugen Freund, den sicheren Begleiter, dem man sich in den härtesten Augenblicken des Lebens anvertrauen kann, um Trost und Sicherheit zu finden.(122)


40 Das Vorbild des betenden Christus

Aufgrund vieler Verpflichtungen, die in hohem Maß mit der pastoralen Tätigkeit zu tun haben, ist das Leben der Priester heute mehr denn je einer Reihe von Anforderungen ausgesetzt, die es in Richtung eines wachsenden äußeren Aktivismus lenken und es manchmal einem frenetischen und überfordernden Rhytmus unterwerfen könnten.

Gegenüber solcher »Versuchung« darf man nicht vergessen, daß die erste Absicht Jesu jene war, Apostel um sich zu sammeln, damit sie vor allem »mit ihm seien« (
Mc 3,14).

Der Sohn Gottes selbst wollte uns auch das Zeugnis seines Gebetes hinterlassen.

Tatsächlich präsentieren uns die Evangelien mit großer Häufigkeit Christus im Gebet: bei der Offenbarung seiner Sendung durch den Vater (cf Lc 3,21-22), vor der Berufung der Apostel (cf Lc 6,12), in der Danksagung an Gott bei der Brotvermehrung (cf Mt 14,19 Mt 15,36 Mc 6,41 Mc 8,7 Lc 9,16 Jn 6,11), bei der Verklärung auf dem Berg (cf Lc 28-29), als er den Taubstummen heilt (cf Mc 7,34) und Lazarus erweckt (cf Jn 11,41 ff), vor dem Petrusbekenntnis (Lc 9,18), als er die Jünger beten lehrt (Lc 11,1), und diese dann von ihrer Mission zurückkehren (cf Mt 11,25 ff; Lc 10,21 ff), bei der Segnung der Kinder (cf Mt 19,13) und beim Beten für Petrus (cf Lc 22,32).

All sein tägliches Tun kam aus dem Gebet. So zog er sich in die Wüste oder auf den Berg zurück, um zu beten (cf Mc 1,35 Mc 6,46 Lc 5,16 Mt 4,1 Mt 14,23), er stand früh am Morgen auf (cf Mc 1,35) und verbrachte die ganze Nacht im Gebet mit Gott (cf Mt 14,23 Mt 14,25 Mc 6,46 Mc 6,48 Lc 6,12).

Bis ans Ende seines Lebens, beim letzten Abendmahl (cf Jn 17,1-26), in der Agonie (cf Mt 26,36-44 par.) und am Kreuz (cf Lc 23,34 Lc 23,46 Mt 27,46 Mc 15,34) hat der göttliche Meister gezeigt, daß das Gebet seinen messianischen Dienst und seinen österlichen Exodus beseelte. Auferweckt vom Tod, lebt er für immer und betet für uns (cf Hbr. 7, 25).(123)

Nach dem Beispiel Christi muß es der Priester verstehen, sich die Lebendigkeit und Fülle der Augenblicke des Schweigens und des Gebetes zu erhalten und darin die eigene existentielle Beziehung mit der lebendigen Person Jesu, des Herrn, zu kultivieren und zu vertiefen.


41 Das Vorbild der betenden Kirche

1. Um seinem engagierten »Mit Jesus Sein« treu zu bleiben, soll sich der Priester die betende Kirche zum Vorbild nehmen.

2. Bei der Weitergabe des Wortes Gottes sei der Priester eingedenk der an ihn am Tag seiner Priesterweihe vom Bischof gerichteten Mahnung: »Damit mache das Wort zum Gegenstand deiner ständigen Betrachtung, glaube immer was du liest, lehre was du glaubst, verwirkliche im Leben was du lehrst. So wirst du mit der Glaubenslehre das Volk Gottes nähren und es mit dem guten Beispiel deines Lebens trösten und unterstützen. Du wirst mitbauen am Tempel Gottes, der die Kirche ist«. Ähnliches gilt hinsichtlich der Feier der Sakramente und insbesonders der Eucharistie: »Sei dir daher dessen bewußt, was du tust, ahme nach was du vollziehst. Nachdem du das Mysterium des Todes und der Auferstehung des Herrn feierst, trage den Tod Christi in deinem Körper und gehe ein in sein neues Leben«. Und schließlich gilt es hinsichtlich der pastoralen Leitung des Gottesvolkes, damit es hingeführt wird zum Vater, durch Christus und im Heiligen Geist: »Damit höre nie auf, den Blick auf Christus, den Guten Hirten zu richten, der nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und heimsuchend jene zu retten, die verloren waren«.(124)


42 Gebet als »communio«

Kraft der besonderen Bindung an den Herrn wird der Priester jene Augenblicke zu bestehen wissen, in denen er sich mitten unter den Menschen einsam fühlen könnte; und zwar indem er nachdrücklich sein Sein mit Christus erneuert, der in der Eucharistie sein Zufluchtsort und bester Ruheplatz ist.

Wie Jesus, der im Alleinsein ständig mit dem Vater war (cf
Lc 3,21 Mc 1,35),(125) so muß auch der Priester ein Mensch sein, der in der Einsamkeit die Gemeinschaft mit Gott findet, um dann mit dem hl. Ambrosius sagen zu können: »Nie bin ich weniger einsam als dann, wenn ich einsam zu sein scheine«.(126)

Beim Herrn wird der Priester Kraft und Mittel finden, um die Menschen wieder Gott anzunähern, um ihren Glauben zu entfachen und um Einsatz und Mitarbeit zu erreichen.

Pastorale Liebe


43Zeichen der Liebe Christi

Die pastorale Liebe bildet das innere und dynamische Prinzip, das die vielfältigen und verschiedenen pastoralen Tätigkeiten des Priesters einen kann. Angesichts des soziokulturellen und religiösen Umfeldes, in dem er lebt, ist sie ein unverzichtbares Werkzeug, um die Menschen zum Gnadenleben hinzuführen.

Durchdrungen von solcher Liebe muß der Dienst eine Manifestation der Liebe Christi sein, deren Einstellungen und Haltungen der Priester erkennen lassen wird, bis zur eigenen Ganzhingabe für die Herde, die ihm anvertraut wurde.(127)

Die Nachahmung der Hirtenliebe Christi bis zur entsprechenden Gestaltung des eigenen Lebens, ist ein Ziel, das vom Priester Bemühungen und fortwährende Opfer verlangt, weil es nicht im Improvisieren besteht, noch ein Pausemachen oder ein ein-für-allemal Erreichthaben kennt. Der Diener Christi wird sich verpflichtet fühlen, diese Realität immer und überall zu leben und zu bezeugen, auch wenn er aus Altersgründen keine konkreten pastoralen Aufgaben mehr haben sollte.


44 Funktionalismus

Die pastorale Liebe läuft vor allem heute Gefahr, durch den sogenannten »Funktionalismus« ihres Sinnes entleert zu werden. Tatsächlich nimmt man nicht selten, auch seitens einiger Priester, den Einfluß einer Mentalität wahr, die irrigerweise dazu neigt, das Amtspriestertum lediglich auf die funktionalen Aspekte zu reduzieren. Den Priester »machen«, einzelne Serviceleistungen anbieten und manche Dienste garantieren, wäre demnach die ganze priesterliche Existenz. Eine derart reduzierte Konzeption von Identität und Amt des Priesters, riskiert dessen Leben in Richtung einer Leere zu drängen, die dann oft mit nicht zum eigenen Amt passenden Lebensformen ausgefüllt wird.

Der Priester, der Diener Christi und seiner Braut zu sein weiß, wird im Gebet, im Studium und in der geistlichen Lesung die nötige Kraft finden, auch diese Gefahr zu überwinden.(128)

Wortverkündigung


45 Treue zum Wort

Christus hat den Aposteln und der Kirche den Auftrag zur Verkündigung der Frohbotschaft an alle Menschen anvertraut. Die Weitergabe des Glaubens ist Aufdecken, Verkünden und Vertiefen der christlichen Berufung; d.h. der Ruf Gottes ergeht an jeden Menschen, dem das Heilsgeheimnis gezeigt wird und damit gleichzeitig der Platz, den er unter Bezugnahme auf jenes Geheimnis als Adoptivsohn im Sohn einnehmen soll.(129) Dieser doppelte Aspekt wird zusammengefaßt im Glaubensbekenntnis hervorgehoben, das eine der bevorzugten Ausdrucksweisen jenes Glaubens ist, mit dem die Kirche immer auf den Ruf Gottes geantwortet hat.(130)

Nun stellen sich dem priesterlichen Dienst zwei Aufgaben, die gleichsam die beiden Seiten derselben Medaille sind. Da gibt es zunächst den missionarischen Charakter der Weitergabe des Glaubens. Der Dienst am Wort kann nicht abstrakt und fern vom Leben der Leute sein; im Gegenteil, er muß auf den Lebenssinn des Menschen, jedes Menschen, direkten Bezug nehmen und daher auf die drängendsten Fragen eingehen, die sich dem menschlichen Gewissen stellen.

Andererseits ist Authentizität erforderlich, sowie Konformität mit dem Glauben der Kirche, welche die Wahrheit über Gott und über den Menschen bewahrt. Dies muß mit äußerstem Verantwortungsbewußtsein geschehen, geht es doch dabei um die wichtigsten Fragen nach dem Leben und nach dem Sinn der Existenz des Menschen.

Für einen fruchtbaren Dienst am Wort wird der Priester in diesem Kontext den Vorrang des gelebten Zeugnisses berücksichtigen, das die Macht der Liebe Gottes entdecken läßt und sein Wort überzeugend macht. Dies gilt ebenso für die verbale Predigt über das Geheimnis Christi an die Gläubigen, an die Nicht-Glaubenden und an die Nicht-Christen; für die Katechese, die eine geordnete und organische Darlegung der Lehre der Kirche ist; für die Anwendung der geoffenbarten Wahrheit zur Lösung konkreter Fälle.(131)

Das Bewußtsein der absoluten Notwendigkeit, treu und am Wort Gottes sowie an der Tradition verankert zu »bleiben«, um wahrhaft Jünger Christi zu sein und die Wahrheit zu erkennen (cf
Jn 8 Jn 31-32), hat die Geschichte der priesterlichen Spiritualität immer begleitet. Dies wurde auch vom II. Vatikanischen Konzil feierlich bekräftigt.(132)

Besonders die zeitgenössische Gesellschaft, die vom theoretischen und vom praktischen Materialismus, von Subjektivismus und von Problematizismus gezeichnet ist, hat es notwendig, daß ihr das Evangelium als »die Macht Gottes, die jene retten kann, die glauben« (cf Rm 1,16), angeboten wird. Die Priester, eingedenk dessen, daß »der Glaube von der Predigt abhängig ist und die Predigt ihrerseits durch das Wort Christi geschieht« (Rm 10,17), werden alle ihre Energien aufbringen, um dieser Mission, die in ihrem Dienst vorrangig ist, zu entsprechen. Sie sind ja nicht nur Zeugen, sondern auch Verkünder und Überlieferer des Glaubens.(133)

Dieser Dienst - ausgeübt in hierarchischer Gemeinschaft - befähigt sie, mit Autorität den katholischen Glauben darzulegen und den Glauben der Kirche offiziell zu bezeugen. Denn »das Volk Gottes wird an erster Stelle geeint durch das Wort des lebendigen Gottes, das man mit Recht vom Priester verlangt«.(134)

Um authentisch zu sein, muß das Wort »ohne Doppelzüngigkeit und ohne jede Verfälschung, aber als offenes Aufzeigen der Wahrheit vor Gott« (2Co 4,2) überliefert werden. Der Priester wird es mit gereifter Verantwortung vermeiden, die göttliche Botschaft zu verkehren, zu reduzieren, zu verzerren oder zu verwässern. Seine Aufgabe ist nämlich »nicht eine eigene Weisheit zu lehren, vielmehr das Wort Gottes zu lehren und alle nachdrücklich zur Bekehrung und zur Heiligkeit einzuladen«.(135)

Die Predigt kann sich also nicht darauf beschränken, eigene Gedanken mitzuteilen, die persönliche Erfahrung hervorzukehren und simple Erklärungen psychologischer,(136) soziologischer oder philanthropischer Art anzubieten; genausowenig kann sie exzessiv in faszinierender Rethorik schwelgen, wie es in Massenmedien oft geschieht. Es geht darum, ein Wort zu verkünden, worüber nicht willkürlich verfügt werden kann, weil es der Kirche anvertraut ist, damit es gehütet, erforscht und treu überliefert wird.(137)


46 Wort und Leben

Das Bewußtsein der eigenen Sendung als Verkünder des Evangeliums wird immer mehr pastoral konkretisiert werden müssen, damit der Priester im Licht des Wortes Gottes die verschiedenen Situationen und Umfelder, in denen er seinen Dienst ausübt, entsprechend beleben kann.

Um wirkungsvoll und glaubhaft sein zu können, ist es daher wichtig, daß der Priester - aus der Sicht seines Glaubens und seines Dienstes - mit konstruktivem kritischem Sinn, die Ideologien, die Sprache, die kulturellen Verflechtungen und die Typologien, die von den Massenmedien verbreitet werden und die weithin Geisteshaltungen kondizionieren, zu durchschauen vermag.

Angeregt vom Apostel, der ausrief: »Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündigte!« (
1Co 9,16), wird er alle jene Kommunikationsmittel, die ihm die Wissenschaft und die moderne Technik anbieten, zu nützen wissen.

Sicherlich hängt nicht alles von solchen Mitteln oder von menschlichen Fähigkeiten ab, da ja die göttliche Gnade ihren Zweck auch unabhängig vom Werk der Menschen erreichen kann. Aber im Plan Gottes ist die Wortverkündigung normalerweise der privilegierte Weg der Glaubensweitergabe und der Evangelisierung.

Für die Vielen, die heute außerhalb oder fern der Christusverkündigung sind, wird der Priester die angstvollen Fragen besonders dringlich und aktuell empfinden: »Wie werden sie glauben können, ohne davon gehört zu haben? Und wie werden sie davon hören können, ohne jemanden, der verkündigt?« (Rm 10,14).

Um auf solche Fragen zu antworten, wird er sich persönlich bemüßigt fühlen, durch das Studium einer gesunden, vor allem patristischen Exegese, mit der Heiligen Schrift besonders vertraut umzugehen, auch durch Meditation nach Methoden, die sich in der spirituellen Tradition der Kirche bewährt haben, um sich solchermaßen ein von Liebe beseeltes Verständnis anzueignen.(138) Deshalb hat der Priester die Pflicht, der lang- und kurzfristigen Vorbereitung der liturgischen Homilie besondere Aufmerksamkeit zu widmen, hinsichtlich der Inhalte, der Ausgewogenheit zwischen expositiven und applikativen Teilen, der Pädagogik und der Vortragstechnik, bis hin zur guten Diktion, die Rücksicht nimmt auf die Würde der Sache und der Adressaten.(139)


47 Wort und Katechese

Die Katechese ist ein bedeutsamer Teil jener Sendung zur Evangelisierung und ein privilegiertes Werkzeug der Lehre und der Reifung des Glaubens.(140) Der Priester trägt als Mitarbeiter und Beauftragter des Bischofs die Verantwortung dafür, die katechetischen Aktivitäten der ihm anvertrauten Gemeinde anzuregen, zu koordinieren und zu leiten. Es ist wichtig, daß er es versteht, solche Aktivitäten in ein organisches Projekt der Evangelisation zu integrieren und dabei vor allem die Einmütigkeit der Katechese der eigenen Gemeinde mit der Person des Bischofs, mit der Ortskirche und mit der Gesamtkirche zu garantieren.(141)

Insbesonders wird er darauf bedacht sein, eine rechte und angemessene Verantwortung und Mitarbeit hinsichtlich der Katechese zu erreichen, sei es bei Mitgliedern von Ordensinstituten und von Gemeinschaften apostolischen Lebens, sei es bei entsprechend vorbereiteten gläubigen Laien,(142) denen er Anerkennung und Achtung für die katechetische Aufgabe entgegenbringt.

Spezielles Bemühen wird er für die Grundausbildung und für die Weiterbildung der Katecheten aufbringen, sowie für Vereinigungen und für Bewegungen. Im Rahmen des Möglichen müßte der Priester der »Katechet der Katecheten« sein, der mit ihnen eine wahre Gemeinschaft der Jünger des Herrn bildet, die als Bezugspunkt für die Katechese-Teilnehmer dient.

Als Lehrer(143) und Erzieher(144) des Glaubens wird der Priester sicherstellen, daß die Katechese überhaupt einen privilegierten Teil der christlichen Erziehung in der Familie, im Religionsunterricht, im Ausbildungswesen der apostolischen Bewegungen, usw. darstellt und daß sie alle Kategorien von Gläubigen erreicht: Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren. Darüberhinaus wird er es verstehen, katechetische Lehrinhalte weiterzugeben, indem er sämtliche Hilfen benützt wie etwa didaktische Hilfsmittel und Kommunikationsmittel, die wirkungsvoll sein können, damit die Gläubigen entsprechend ihrem Verstehenshorizont, ihren Fähigkeiten, ihrem Lebensalter und ihren praktischen Lebensverhältnissen, in die Lage versetzt werden, die christliche Lehre umfassender zu erfahren und sie auf geeignete Weise in die Praxis umzusetzen.(145)

Zu diesem Zweck wird der Priester als hauptsächlichen Bezugspunkt den Katechismus der Katholischen Kirche nicht missen wollen. Dieser Text stellt nämlich die sichere und authentische Norm der kirchlichen Lehre dar.(146)

Das Sakrament der Eucharistie


48 Das eucharistische Geheimnis

Wenn der Dienst am Wort das Grundelement des priesterlichen Amtes ist, so bildet dessen Herz und vitales Zentrum ohne Zweifel die Eucharistie, die vor allem die reale Präsenz des einzigen und ewigen Opfers Christi in der Zeit ist.(147)

Als sakramentales Gedenken des Todes und der Auferstehung Christi, als reale und wirksame Vergegenwärtigung des einzigen Erlösungsopfers, als Quelle und Gipfelpunkt des christlichen Lebens und aller Evangelisierung,(148) ist die Eucharistie der Anfang, die Mitte und das Ziel des priesterlichen Dienstes, denn »alle kirchlichen Dienste und Apostolatswerke sind eng an die Eucharistie gebunden und auf sie hingeordnet«.(149) Geweiht, um das heilige Opfer weiterhin darzubringen, manifestiert der Priester dabei auf augenfällige Weise seine Identität.

Es gibt nämlich einen innigen Zusammenhang zwischen der Zentralität der Eucharistie, der pastoralen Liebe und der Einheit des Lebens des Priesters,(150) welcher durch sie entscheidende Weisungen für den Weg der Heiligkeit erhält, die zu erlangen er auf besondere Weise berufen ist.

Wenn der Priester durch den eigenen Dienst, Christus, dem ewigen Hohenpriester, Intelligenz, Willen, Stimme und Hände anbietet, damit er dem Vater das sakramentale Opfer der Erlösung darbringen kann, soll er sich die innere Einstellung des Meisters zu eigen machen und wie Er als »Geschenk« für seine eigenen Brüder leben müssen. Deshalb muß er lernen sich mit der Opfergabe innig zu vereinen, indem er auf dem Opferaltar sein ganzes Leben als sichtbares Zeichen der freien und zuvorkommenden Liebe Gottes darbringt.


49 Feier der Hl. Eucharistie

Es ist notwendig, an den unersetzlichen Wert zu erinnern, den die tägliche Zelebration der hl. Messe(151) für den Priester hat, auch wenn dafür keine Gläubigen zusammenkommen sollten. Er wird sie als den zentralen Moment des ganzen Tages und des täglichen Dienstes erleben, als Frucht ehrlicher Sehnsucht und als Gelegenheit zur tiefen und wirksamen Begegnung mit Christus. Und er wird sehr darauf achten, sie mit Andacht und inniger Anteilnahme des Geistes und des Herzens zu feiern.

In einer Zivilisation, die immer mehr sensibel ist für die Kommunikation durch Zeichen und Bilder, wird der Priester all dem sein Augenmerk schenken, was Schmuck und Sakralität der eucharistischen Zelebration erhöhen kann. Es ist wichtig, bei der Eucharistiefeier die Eignung und Sauberkeit des Ortes in rechter Weise zu berücksichtigen, die Architektur des Altares und des Tabernakels,(152) die Erhabenheit der Gefäße, der Paramente,(153) des Gesangs,(154) der Musik,(155) das heilige Schweigen(156) usw. All dies sind Elemente, die zu einer besseren Teilnahme am eucharistischen Opfer beitragen können. Zuwenig Aufmerksamkeit nämlich für die symbolischen Aspekte der Liturgie, weiters Auslassungen und Eile, Oberflächlichkeit und Unordnung, entleeren die Zeichenhaftigkeit und schwächen das Glaubenswachstum.(157) Wer schlecht zelebriert, zeigt damit die Schwachheit seines Glaubens und erzieht andere nicht zum Glauben. Gut zelebrieren dagegen bildet eine erste wichtige Katechese über das heilige Opfer.

Dann muß sich der Priester, auch wenn er alle seine Fähigkeiten in den Dienst der Eucharistiefeier stellt, um sie in der Mitfeier aller Gläubigen lebendig zu gestalten, an den festgelegten Ritus halten, gemäß den von den zuständigen Autoritäten approbierten liturgischen Büchern, ohne Hinzufügungen, ohne Weglassungen und ohne irgenwelchen Veränderungen.(158)

Alle Ordinarien, Ordensoberen und Moderatoren der Gemeinschaften apostolischen Lebens haben die ernste Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen und außerdem darüber zu wachen, daß die liturgischen Normen bezüglich der Eucharistiefeier überall treu befolgt werden.

Zelebrierende und auch konzelebrierende Priester haben die von den Rubriken vorgeschriebenen heiligen Gewänder anzulegen.(159)


50 Eucharistische Anbetung

Die zentrale Stellung der Eucharistie soll nicht nur durch die würdige Feier des Opfers erkennbar sein, sondern auch durch häufige Anbetung des Sakraments in solcher Form, daß der Priester damit der Gemeinde auch Vorbild ist, was fromme Aufmerksamkeit und eifrige Meditation - wo immer es möglich ist - vor dem im Tabernakel gegenwärtigen Herrn betrifft. Es ist zu wünschen, daß mit Gemeindeleitung beauftragte Priester der gemeinschaftlichen Anbetung breiten Raum geben und dafür sorgen, daß das allerheiligste Sakrament des Altares auch außerhalb der Meßfeier mehr als jeder andere Ritus und Gestus beachtet und in Ehren gehalten wird. »Der Glaube und die Liebe zur Eucharistie können nicht gestatten, daß der im Tabernakel gegenwärtige Christus allein bleibt«.(160)

Eine privilegierte Zeit der eucharistischen Anbetung kann die Feier des Stundengebetes sein, die während des Tages die echte Fortsetzung des Lob- und Dankopfers darstellt, das in der hl. Messe sein Zentrum und seinen sakramentalen Ursprung hat. In der Feier des Stundengebetes ist der mit Christus vereinte Priester die Stimme der Kirche für die ganze Welt. Die Feier wird, wenn möglich auch gemeinschaftlich, in geeigneter Form so erfolgen, daß sie »Interpret und Übertragungsmittel der universalen Stimme ist, die die Herrlichkeit Gottes besingt und das Heil des Menschen erfleht«.(161)

Beispielhafte Feierlichkeit soll bei solchen Zelebrationen von den Kapiteln der Kanoniker beachtet werden.

Man muß allerdings immer vermeiden, sowohl in der gemeinschaftlichen als auch in der individuellen Feier, sie auf eine bloße Pflicht zu reduzieren, die mechanisch wie eine einfache und hastige Lesung abläuft, ohne die nötige Aufmerksamkeit für den Sinn des Textes.

Das Sakrament der Busse


51 Diener der Versöhnung

Die Gabe des Auferstandenen an die Apostel ist der Heilige Geist zur Vergebung der Sünden: »Empfangt den Heiligen Geist; wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben und wem ihr sie nicht vergebt, dem sind sie nicht vergeben« (
Jn 20,21-23). Christus hat das Werk der Versöhnung des Menschen mit Gott exklusiv seinen Aposteln und ihren Nachfolgern anvertraut. Priester sind daher nach dem Willen Christi die einzigen Ausspender des Sakramentes der Versöhnung.(162) Sie sind wie Christus gesandt, Sünder zur Bekehrung aufzurufen und durch barmherziges Urteil zum Vater zurückzubringen.

Die sakramentale Versöhnung stellt die Freundschaft mit Gott Vater wieder her und mit allen seinen Kindern in seiner Familie, welche die Kirche ist, die damit verjüngt und in allen ihren Dimensionen auferbaut wird: universal, diözesan, pfarrlich.(163)

Trotz der traurigen Feststellung, daß in den Kulturen unserer Zeit der Sinn für die Sünde weithin abhanden gekommen ist, muß der Priester mit Freude und Hingabe den Dienst der Gewissensbildung, der Vergebung und des Friedens ausüben.

Deshalb soll er sich gewissermaßen mit dem Sakrament zu identfizieren wissen und sich in Annahme der Haltung Christi wie ein guter Samariter über die verwundete Menschheit beugend, das christlich Neue an der heilsamen Dimension der Buße erkennbar machen, die auf Heilung und Vergebung hinzielt.(164)


52 Hingabe für den Dienst der Versöhnung

Der Priester muß aufgrund seines Amtes(165) und aufgrund seiner sakramentalen Weihe zum Beichthören Zeit und Energie aufwenden. Wie die Erfahrung zeigt, kommen die Gläubigen gerne zum Sakramentenempfang, wo sie wissen, daß dafür Priester zur Verfügung stehen. Dies gilt überall, aber vor allem für die meistbesuchten Kirchen und für die Wallfahrtskirchen, wo eine brüderliche und verantwortungsvolle Zusammenarbeit mit Ordensangehörigen und älteren Priestern möglich ist.

Jeder Priester wird sich an die kirchlichen Normen halten, die den Wert der individuellen Beichte verteidigen und fördern und auch das persönliche umfassende Sündenbekenntnis im direkten Gespräch mit dem Beichthörenden.(166) Die Vornahme gemeinschaftlicher Beichte und Absolution ist unter bestimmten Bedingungen nur solchen außerordentlichen Fällen vorbehalten, die in den geltenden Richtlinien genannt sind.(167) Der Beichthörende soll das Gewissen des Pönitenten mit womöglich wenigen, jedoch der konkreten Situation angepaßten Worten erhellen, um derart eine persönliche Neuorientieung in Richtung der Bekehrung zu födern und tiefgründig auf seinen spirituellen Weg einzugehen, auch durch Auferlegung einer angemessenen Genugtuung.(168)

Jedenfalls wird es der Priester verstehen, die Feier der Versöhnung auf der sakramentalen Ebene zu halten und der Gefahr zu begegnen, sie auf eine bloß psychologische oder einfach formalistische Tätigkeit zu reduzieren.

Dies wird sich unter anderem auch durch treue Einhaltung der geltenden Disziplin hinsichtlich Ort und Beichtstuhl zeigen.(169)


53 Beichten als Notwendigkeit

Wie jeder gute Gläubige hat es auch der Priester nötig, die eigenen Sünden und Schwächen zu beichten. Er weiß als erster, daß ihn die Praxis dieses Sakraments im Glauben sowie in der Gottes- und Nächstenliebe stärkt.

Damit unter besten Bedingungen und wirksam die Schönheit der Buße gezeigt werden kann, ist es wesentlich, daß der Diener des Sakramentes ein persönliches Zeugnis bietet und den anderen Gläubigen in der Erfahrung von Vergebung vorangeht. Dies ist auch die erste Bedingung für eine pastorale Wiederaufwertung des Sakraments der Versöhnung. In diesem Sinn ist es gut, wenn die Gläubigen wissen und sehen, daß auch ihre Priester regelmäßig beichten gehen:(170) »Die ganze priesterliche Existenz würde unweigerlich schweren Schaden nehmen, wenn man es aus Nachlässigkeit oder anderen Gründen unterließe, regelmäßig und mit echtem Glauben und tiefer Frömmigkeit das Bußsakrament zu empfangen. Wenn ein Priester nicht mehr zur Beichte geht oder nicht gut beichtet, so schlägt sich das sehr schnell in seinem priesterlichen Leben und Wirken nieder, und auch die Gemeinde, deren Hirte er ist, wird dessen bald gewahr«.(171)


54 Seelenführung für sich und für andere

Parallel zum Sakrament der Versöhnung wird es der Priester auch am Dienst der Seelenführung nicht fehlen lassen. Die Wiederentdeckung und Verbreitung dieser Praxis, auch zu anderen als zu den für die Beichte vorgesehenen Zeiten, ist eine große Wohltat für die Kirche in der gegenwärtigen Zeit.(172) Die großzügige und aktive Einstellung der Priester, die sie praktizieren, ist auch eine wichtige Gelegenheit, Berufungen zum Priester- und Ordensleben auszumachen und zu unterstützen.

Um zur Verbesserung ihrer Spiritualität beizutragen, ist es notwendig, daß die Priester selbst die Seelenführung praktizieren. Indem sie die Formung ihrer Seele in die Hände eines weisen Mitbruders legen, werden sie schon von den ersten Schritten im Dienst an ein Bewußtsein entwickeln für die Wichtigkeit, nicht allein die Wege des geistlichen Lebens und des pastoralen Einsatzes zu gehen. Beim Gebrauch dieses in der Kirche sosehr erprobten und wirksamen Mittels der geistlichen Formung, werden die Priester volle Freiheit in der Wahl jener Person haben, die sie führen soll.


Direktorium für Dienst und Leben 33