Ecclesia in Asia DE 18

KAPITEL IV


JESUS, DER RETTER: DAS GESCHENK VERKÜNDIGEN


Der Primat der Verkündigung


19 An der Schwelle des Dritten Jahrtausends ertönt die Stimme des auferstandenen Christus erneut im Herzen eines jeden Christen: »Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,18–20). Gleich nach Pfingsten machten sich die Apostel auf, nunmehr der unausbleiblichen Unterstützung Jesu und der mächtigen Gegenwart des Geistes sicher, um dieses Gebot zu er füllen: »Sie aber zogen aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte die Verkündigung durch die Zeichen, die er geschehen ließ« (Mc 16,20). Was sie nun aber verkündeten, das kann mit den Worten des hl. Paulus zusammengefaßt werden: »Wir verkündigen nämlich nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn, uns aber als eure Knechte um Jesu willen« (2Co 4,5). Die mit dem Glauben gesegnete Kirche geht auch nach zweitausend Jahren noch in alle Welt, um überall den Völkern zu begegnen und mit ihnen die Frohbotschaft Christi zu teilen. Dies tut sie mit großem missionarischen Eifer, damit die Menschen Jesus kennenlernen, ihn lieben und ihm nachfolgen.

Es kann keine wahre Evangelisierung geben ohne eindeutige Verkündigung, daß Jesus der Herr ist. Das II. Vatikanische Konzil, und seither auch das kirchliche Lehramt, haben bei ihren Antworten auf gewisse Verwirrungen hinsichtlich der wahren Natur der kirchlichen Sendung wiederholt den Primat der Verkündigung Jesu Christi unterstrichen, wie auch immer die Evangelisierung geschehen mag. Diesbezüglich hat Papst Paul VI. ausdrücklich geschrieben: »Es gibt keine wirkliche Evangelisierung, wenn nicht der Name, die Lehre, das Leben, die Verheißungen, das Reich, das Geheimnis von Jesus von Nazaret, des Sohnes Gottes, verkündet wird.«(66) Das entspricht dem, was die Christen Jahrhunderte lang getan haben. Verständlicherweise erinnerten daher die Synodenväter mit Stolz daran, daß »zahlreiche christliche Gemeinschaften Asiens den Glauben trotz großer Anfechtungen durch die Jahrhunderte hindurch bewahrt haben und ihrem geistigen Erbe mit heldenhafter Beharrlichkeit verbunden geblieben sind«.(67)

Gleichzeitig haben die Teilnehmer an der Sonderversammlung mehrmals die Notwendigkeit eines erneuerten Eifers bei der Verkündigung Jesu Christi gerade auf jenem Kontinent bezeugt, der vor zweitausend Jahren den Anfang dieser Verkündigung gesehen hat. Die Worte des Apostels Paulus werden noch eindringlicher, wenn man bedenkt, daß viele Menschen auf diesem Kontinent der Person Jesu noch nie wirklich bewußt begegnet sind: »Denn jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden. Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?« (Röm 10,13–14). Die große Frage, vor der nun die Kirche in Asien steht, ist, wie sie mit ihren asiatischen Brüdern und Schwestern das teilen soll, was wir als Geschenk hüten, welches jegliches Geschenk in sich birgt, nämlich die Frohbotschaft von Jesus Christus.

Jesus Christus in Asien verkünden


20 Die Kirche in Asien ist durchaus bereit, ihre Pflicht zur Verkündigung auszuüben, denn sie weiß, »daß sowohl bei den einzelnen als auch bei den Völkern durch das Wirken des Geistes schon eine – wenn auch unbewußte – Erwartung da ist, die Wahrheit über Gott, über den Menschen, über den Weg zur Befreiung von Sünde und Tod zu erfahren«(68) . Dieses Beharren auf der Verkündigung rührt weder von einem sektiererischen Impuls noch von einem proselytistischen Geist noch von irgend einer Haltung der Überlegenheit her. Die Kirche verkündet das Evangelium allein aus Gehorsam dem Gebot Christi gegenüber im Bewußtsein, daß jeder das Recht hat, die Frohbotschaft Gottes zu hören, der sich in Jesus Christus offenbart und schenkt (69) . Den höchsten Dienst, den die Kirche den asiatischen Völkern leisten kann, ist, Zeugnis von Christus abzulegen, weil sie so auf deren Suche nach dem Absoluten eine Antwort gibt und die Wahrheit sowie jene Werte enthüllt, die ihnen eine ganzheitliche menschliche Entwicklung garantieren. Die Kirche ist sich der ganzen Bandbreite der verschiedenen Situationen in Asien zutiefst bewußt und will sich, »von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten« (Ep 4,15). In diesem Sinne verkündet sie die Frohbotschaft in Achtung und freundlicher Wertschätzung all denen gegenüber, die ihr zuhören. Es ist eine Verkündigung, die das Recht des Gewissens respektiert und die Freiheit nicht verletzt, da nämlich der Glaube stets eine freie Antwort des Individuums erfordert (70) . Doch hebt die Achtung nicht die Notwendigkeit einer expliziten Verkündigung des Evangeliums in seinem ganzen Umfang auf. Besonders im Zusammenhang mit dem Reichtum an Kultur und der Vielfalt der Religionen in Asien muß hervorgehoben werden, daß »weder die Achtung und Wertschätzung noch die Vielschichtigkeit der aufgeworfenen Fragen für die Kirche eine Aufforderung darstellen können, eher zu schweigen, als Jesus Christus vor den Nichtchristen zu verkünden«(71) . Während meiner Indienreise im Jahre 1986 habe ich auch klar zum Ausdruck gebracht: »Die Annäherung der Kirche an andere Religionen geschieht mit aufrichtiger Achtung […] Diese Achtung ist zweifach: Achtung vor dem Menschen auf seiner Suche nach Antworten auf die tiefsten Fragen seines Lebens und Achtung vor dem Wirken des Geistes im Menschen.«(72) Durchaus haben auch die Synodenväter das Wirken des Heiligen Geistes innerhalb der asiatischen Gesellschaft, der asiatischen Kulturen und Religionen erkannt, wodurch der Vater das Herz der Völker Asiens auf die Fülle des Lebens in Christus vorbereitet (73).

Trotzdem haben auch vor den zuerst stattfindenden Konsultationen zur Synode viele Bischöfe auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die bei der Verkündigung Jesu als einzigem Retterentstehen. Während der Synode wurde die Situation wie folgt beschrieben: »Manche Anhänger der großen Religionen Asiens haben keine Schwierigkeiten damit, Jesus als eine Ausdrucksform des Göttlichen oder Absoluten oder als einen ›Erleuchteten‹ zu akzeptieren. Es ist für sie jedoch schwierig, ihn als die einzige Offenbarung des Göttlichen anzusehen.«(74) Und tatsächlich steckt ja auch der angestrengte Versuch, das Geschenk des Glaubens an Jesus als den einzigen Retter zu teilen, voller philosophischer, kultureller und theologischer Schwierigkeiten, und zwar ganz besonders im Lichte der Glaubenswahrheiten der großen asiatischen Religionen, die so eng mit den kulturellen Werten und spezifischen Weltanschauungen verknüpft sind.

Die Konzilsväter sind der Meinung, daß die Schwierigkeiten noch dadurch erschwert werden, daß Jesus oft als ein Nichtasiate betrachtet wird. Es ist paradox, daß viele Menschen dieses Kontinents dazu neigen, Jesus, der auf asiatischem Boden geboren wurde, eher als einen Abendländer als einen Asiaten zu betrachten. Im Grunde war es unvermeidlich, daß die Botschaft des von den abendländischen Missionaren verkündeten Evangeliums auch durch die Kulturen der Herkunftsländer beeinflußt wurde. Und das haben die Synodenväter auch als eine Tatsache zur Kenntnis genommen, die man sich im Zusammenhang mit der Geschichte der Evangelisierung vergegenwärtigen muß. Gleichzeitig ergriffen sie diesbezüglich aber auch die Gelegenheit, um »in besonderer Weise der eigenen Dankbarkeit allen Missionaren und Missionarinnen gegenüber Ausdruck zu verleihen – ob Laien oder Kleriker, Ausländer oder Einheimische –, welche die Botschaft Jesu Christi und das Geschenk des Glaubens mitgebracht hatten. Ein besonderer Dank gilt auch allen Schwesterkirchen, die Missionare nach Asien entsandt haben und das auch weiterhin tun«(75).

Für diejenigen, die das Evangelium verkünden, kann die Erfahrung des hl. Paulus eine Orientierungshilfe sein, der einen Dialog mit den philosophischen, kulturellen und religiösen Werten seiner Zuhörer aufnahm (vgl. Apg 14,13–17;17,22–31). Auch die ökumenischen Konzilien mußten bei der Formulierung der für die Kirche verpflichtenden Lehren auf den ihnen zur Verfügung stehenden sprachlichen, philosophischen und kulturellen Grundstock zurückgreifen, aber dieser Grundstock wurde dann ein Teil des Erbes der Universalkirche, da er sich als fähig erwies, die Christologie in geeigneter und allgemein verbindlicher Weise zum Ausdruck zu bringen. Es ist ein Teil des Glaubenserbes, das bei der Begegnung mit den verschiedenen Kulturen angepaßt und stets gemeinsam vertreten werden muß (76) . Daher stellt die Aufgabe, Jesus so zu verkündigen, daß die asiatischen Völker sich mit ihm identifizieren können, und gleichzeitig der theologischen Lehre der Kirche und den eigenen asiatischen Wurzeln treu zu bleiben, eine enorme Herausforderung dar.

Die Darstellung Jesu Christi als dem einzigen Retter erfordert eine Pädagogik, welche die Menschen Schritt für Schritt zur vollen Aneignung des Mysteriums hinführt. Selbstverständlich wird man, je nach dem, ob es sich um die Erstevangelisierung von Nichtchristen oder um die Verkündigung an gläubige Menschen handelt, in der Art und Weise, wie man auf diese Menschen zugeht, unterscheiden müssen. Bei der Erstverkündigung zum Beispiel müßte »die Darstellung Jesu Christi so erfolgen, daß er als die Erfüllung jener Sehnsucht verkündigt wird, die in den Mythen und im Volksglauben der Ureinwohner Asiens zum Ausdruck kommt«(77) . Im allgemeinen ist die den asiatischen Kulturformen verwandte Erzählform als Methode vorzuziehen. In der Tat kann die Verkündigung Jesu Christi durch die Erzählung seiner Lebensgeschichte wirkungsvoll und aktuell gestaltet werden, wie dies ja auch das Evangelium tut. Die ontologischen Begriffe, die bei der Darstellung Jesu stets vorausgesetzt und zum Ausdruck gebracht werden müssen, können durch Einbeziehung historischer oder auch kosmischer Perspektiven eine Bereicherung erfahren, weil dadurch ein Bezug hergestellt wir d. Die Kirche, so haben es die Synodenväter hervorgehoben, muß für die neuen und überraschenden Wege offen sein, durch die das Antlitz Jesu heutzutage in Asien dargestellt werden kann (78).

Die Synode hat empfohlen, daß die zukünftige Katechese »eine evokative Pädagogik anwendet, die sich der für die asiatische Lehrmethodik so charakteristischen Geschichten, Gleichnisse und Symbole bedient«(79) . Der Dienst Jesu selbst ist eindeutig durch den persönlichen Kontaktgekennzeichnet. Das wiederum verlangt von jemandem, der in der Evangelisierung tätig ist, sich in die Situation des Zuhörers zu versetzen und seine Verkündigung durch geeignete Formen und Redeweisen dessen Reifegrad anzupassen. Diesbezüglich haben die Synodenväter mehrmals die Notwendigkeit unterstrichen, das Evangelium so zu verkünden, daß dabei die Sensibilität der Völker Asiens berücksichtigt wird, was bedeutet, daß man ein der asiatischen Mentalität und den asiatischen Kulturen verständliches Bild von Jesus entwirft, welches aber auch gleichzeitig der Heiligen Schrift und der Tradition treu bleibt. Ein solches Bild ist zum Beispiel: »Jesus Christus, der Meister der Weisheit, der Heilende, der Befreier, der Seelenführer, der Erleuchtete, der mit den Armen Mitfühlende, der barmherzige Samariter, der gute Hirt, der Gehorsame.«(80) Jesus könnte als die menschgewordene Weisheit Gottes dargestellt werden, dessen Gnade die »Saat« der göttlichen Weisheit zur Reife bringt, die bereits im Leben und in den Religionen der Völker Asiens enthalten ist (81) . Bei all dem Leid, von dem die Völker Asiens heimgesucht sind, könnte Jesus am besten als der Retter verkündet werden, »der das Dasein all jener mit Sinn erfüllt, die unsäglichen Schmerz und Leid erdulden«(82).

Der Glaube, den die Kirche ihren Söhnen und Töchtern in Asien als Geschenk überläßt, kann nicht in die Schranken des menschlichen Verstandes und der Ausdrucksweise irgendeiner menschlichen Kultur gezwängt werden, da er dieselbe übersteigt und in Wahrheit jede Kultur dazu herausfordert, sich zu neuen Höhen des Verstehens und des Ausdrucks aufzuschwingen. Gleichzeitig waren sich die Synodenväter jedoch auch der dringenden Notwendigkeit der Kirchen in Asien bewußt, das Mysterium Christi ihren Völkern gemäß deren kulturellen Kriterien und Denkweisen nahezubringen, wobei sie auch unterstrichen, daß eine solche Inkulturation des Glaubens auf diesem Kontinent eine Wiederentdeckung des asiatischen Antlitzes Jesu mit sich bringt, wobei man einen Modus finden muß, durch den die asiatischen Völker die universale Heilsbedeutung des Mysteriums Christi und seiner Kirche begreifen können (83) . Man sollte in unserer heutigen Zeit jenem hohen Verständnisgrad für die Völker und Kulturen nachstreben, für den Männer wie Giovanni da Montecorvino, Matteo Ricci und Roberto de Nobili ein Beispiel sind, um nur einige zu nennen.

Die Herausforderung der Inkulturation


21 Die Kultur ist der Lebensbereich, in dem der Mensch unmittelbar mit dem Evangelium konfrontiert wird. Da Kultur das Resultat des Lebens und Wirkens einer Gruppe von Menschen ist, werden auch die Personen, die dieser Gruppe angehören, in hohem Maße von der Kultur geformt, in der sie leben. Und da sowohl die Menschen als auch die Gesellschaft sich verändern, verändert sich mit ihnen auch die Kultur. Indem sich die Kultur wandelt, wandelt sie auch die Menschen und die Gesellschaft. Angesichts dieser Tatsache wird deutlich, inwieweit auch Evangelisierung und Inkulturation in natürlicher und enger Beziehung zueinander stehen. Das Evangelium und die Evangelisierung lassen sich selbstverständlich nicht mit Kultur identifizieren; sie sind vielmehr von ihr unabhängig. Aber doch erreicht das Reich Gottes Menschen, die zutiefst an eine Kultur gebunden sind; noch kann die Errichtung des Reiches Gottes darauf verzichten, Elemente aus der menschlichen Kultur zu entleihen. Daher hat Paul VI. die Kluft zwischen Evangelium und Kultur das Drama unserer heutigen Zeit genannt, das tiefe Auswirkungen sowohl auf die Evangelisierung als auch auf die Kulturen hat (84).

Bei dem Prozeß der Begegnung mit den verschiedenen Kulturen der Welt vermittelt die Kirche, die Kulturen von innen her erneuernd, nicht nur ihre Wahrheit und ihre Werte, sondern sie schöpft auch aus deren schon existierenden positiven Elementen. Das ist der verpflichtende Weg für die, die in der Evangelisierung tätig sind, das heißt, die den christlichen Glauben weitergeben und ihn zu einem Teil des Kulturguts eines Volkes machen. Andererseits können auch die verschiedenen Kulturen, wenn sie einmal geläutert und im Lichte des Evangeliums erneuert sind, zum wahren Ausdruck des einen christlichen Glaubens werden. »Ihrerseits wird die Kirche durch die Inkulturation immer verständlicheres Zeichen von dem, was geeigneteres Mittel der Mission ist.«(85) Dieses Einbeziehen in die Kulturen gehörte stets zur Pilgerschaft der Kirche innerhalb der Geschichte, sie ist jedoch gerade heutzutage von besonderer Dringlichkeit angesichts der Vielfalt der Völker, Religionen und Kulturen in Asien, wo das Christentum allzuoft als eine fremde Religion betrachtet wird.

In Anbetracht dieser Tatsache sollte man sich in Erinnerung rufen, was auch wiederholt auf der Synode zur Sprache kam, nämlich, daß der erste Handelnde bei der Inkulturation des Glaubens in Asien der Heilige Geist ist (86) . Derselbe Geist, der uns zur ganzen Wahrheit hinführt, macht auch einen fruchtbaren Dialog mit den kulturellen und religiösen Werten unterschiedlicher Völker möglich, unter denen er in gewisser Weise gegenwärtig ist, insofern er den Männern und Frauen aufrichtigen Herzens die Kraft verleiht, Übel und Nachstellung des Bösen zu überwinden, und jedem die Möglichkeit bietet, am Ostergeheimnis teilzuhaben in einer Weise, die nur Gott kennt (87) . Die Gegenwart des Heiligen Geistes bewirkt, daß sich dieser Dialog in Wahrheit, Aufrichtigkeit, Demut und Achtung vollzieht (88) . »Indem sie anderen die Frohbotschaft von der Erlösung anbietet, bemüht sich die Kirche, deren Kulturen zu verstehen. Sie bemüht sich, die Gedanken und Herzen ihrer Zuhörer, ihre Werte und Gebräuche, ihre Probleme und Schwierigkeiten, ihre Hoffnungen und Erwartungen zu erfahren. Hat sie die verschiedenen Aspekte der Kultur einmal kennengelernt und verstanden, dann kann sie den Heilsdialog beginnen; sie kann voll Achtung, aber klar und mit Überzeugung die Frohbotschaft von der Erlösung all jenen anbieten, die aus freien Stücken zuhören und Antwort geben wollen.«(89) Daher dürfen die Völker Asiens, die den christlichen Glauben zu ihrem machen wollen, nicht nur versichert sein, daß ihre Hoffnungen und Erwartungen, ihre Ängste und Leiden von Jesus angenommen sind, sondern auch, daß genau an diesem Punkt das Geschenk des Glaubens und die Kraft des Geistes in das tiefste Innere ihres Lebens eindringen.

Es ist Aufgabe der Hirten, mit dem ihnen eigenen Charisma diesen Dialog mit Vernunft einzuleiten. Gleichzeitig spielen auch die Experten in religiösen oder weltlichen Disziplinen innerhalb des Inkulturationsprozesses eine wichtige Rolle. Aber es muß auch der Prozeß selbst das ganze Gottesvolk mit einbeziehen, da nämlich das Leben der Kirche als solches den verkündigten und angenommenen Glauben sichtbar werden lassen muß. Um sicher zu gehen, daß es in angemessener Weise geschieht, haben die Synodenväter einige Bereiche wie theologische Reflexion, Liturgie, Ausbildung der Priester und Ordensleute, Katechese und Spiritualität herausgearbeitet, welche besonderer Aufmerksamkeit bedürfen (90).

Schlüsselbereiche der Inkulturation


22 Die Synode hat den Theologen Mut zugesprochen, die mit der anspruchsvollen Aufgabe betraut sind, eine inkulturierte Theologie speziell im Bereich der Christologie zu entwickeln (91). Sie hob hervor, daß »diese Art, Theologie zu treiben, zwar mutig angegangen werden muß, man aber der Heiligen Schrift und der Tradition der Kirche treu zu bleiben hat, indem man aufrichtig hinter dem Lehramt der Kirche steht und sich in der seelsorglichen Situation auskennt«(92). Auch ich möchte die Theologen dazu einladen, im Geist der Einheit mit den Hirten und den Gliedern des Gottesvolkes vorzugehen, das »über den ursprünglichen Glaubenssinn nachdenkt, was nie aus dem Blick verlorengehen soll«(93), also in Einheit und nie getrennt voneinander. Die theologische Arbeit muß stets von der Achtung vor der Sensibilität der Christen bestimmt sein, so daß die Menschen durch ein schrittweises Hineinwachsen in die durch die Inkulturation aufgenommenen Formen des Glaubensausdrucks weder verwirrt noch verstimmt werden. Auf alle Fälle muß die Inkulturation von der Kompatibilität mit dem Evangelium und der Gemeinschaft mit dem Glauben der Universalkirche bestimmt sein (94). Sie muß in voller Übereinstimmung mit der Tradition der Kirche ausgeführt werden, wobei man die Glaubensstärkung des Volkes im Blick haben muß. Der Beweis für eine wahre Inkulturation ist, wenn sich die Gläubigen deshalb mehr im christlichen Glauben engagieren, weil sie denselben deutlicher mit den Augen der eigenen Kultur wahrnehmen. Die Liturgie ist die Quelle und der Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens und der christlichen Sendung (95). Sie ist ein grundlegendes Mittel der Evangelisierung besonders in Asien, wo die Angehörigen der verschiedenen Religionen so sehr vom Kult, von den religiösen Festen und der Volksfrömmigkeit angezogen sind (96).

Die Liturgie der Orientalischen Kirchen wurde mit Erfolg im Lauf jahrhundertelanger wechselseitiger Beziehungen zu der sie umgebenden Kultur größtenteils inkulturiert, während sie für die jungen Kirchen noch zur einer stärkeren Nahrungsquelle für die Gläubigen werden muß, indem man den örtlichen Kulturen Elemente entlehnt und diese auf kluge und wirksame Weise in das liturgische Brauchtum übernimmt. Aber dennoch verlangt die Inkulturation der Liturgie wesentlich mehr als eine Konzentration auf traditionelle Kulturwerte, Symbole und Riten. Man muß sich dabei auch die Veränderungen im Bewußtsein und Verhalten vergegenwärtigen, die vom Aufkommen einer säkularisierten Konsumkultur herrühren, die den asiatischen Kult- und Gebetssinn beeinflußt. Auch darf man zu Gunsten einer genuinen liturgischen Inkulturation in Asien die spezifischen Bedürfnisse der Armen, der Migranten, der Flüchtlinge, der Jugendlichen und der Frauen nicht vergessen.

Die nationalen und regionalen Bischofskonferenzen müssen enger mit der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung zusammenarbeiten, um nach wirksamen Wegen zur Förderung geeigneter Gottesdienstformen im Kontext Asiens zu suchen (97). Eine solche Zusammenarbeit ist von wesentlicher Bedeutung, weil die Liturgie durch ihre Feier den einzigen, von allen bekannten Glauben zum Ausdruck bringt, und da sie Erbe der ganzen Kirche ist, kann sie nicht durch von der Gesamtkirche isolierte Ortskirchen bestimmt werden.

Die Synodenväter bestanden vor allem auf der Bedeutung des Wortes der Bibel für die Weitergabe der Heilsbotschaft an die Völker jenes Kontinentes, wo das mitgeteilte Wort so wichtig ist für die Erhaltung und Weitergabe religiöser Erfahrung (98). Daraus folgt aber, daß ein wirksames Bibelapostolat der Entfaltung bedarf, um sicherzustellen, daß die heiligen Worte weiter verbreitet und in einem Gebetsgeist der Glieder der Kirche in Asien intensiver genutzt werden. Die Synodenväter hoben auch die Dringlichkeit hervor, daß die Bibel die Grundlage jeglicher missionarischer Verkündigung, jeglicher Katechese und Predigttätigkeit sowie jeder Art von Spiritualität sei (99) . Auch sollen die Anstrengungen, die Bibel in die einzelnen Volkssprachen zu übersetzen, ermutigt und unterstützt werden, während die biblische Unterweisung als ein wichtiges Mittel zur Glaubenserziehung der Menschen betrachtet werden sollte, wodurch diese zur Aufgabe der Verkündigung befähigt werden. Man wird dabei an der Seelsorge orientierte Bibelkurse miteinbeziehen müssen, wobei der Akzent auf der Anwendung der biblischen Lehre innerhalb der komplexen Realität Asiens im Blick auf die Bildungsprogramme für den Klerus, die Ordensleute und den Laienstand liegen muß (100) . Die Heilige Schrift sollte auch unter den Anhängern anderer Religionen bekannt gemacht werden, da dem Wort Gottes eine Kraft innewohnt, das Herz der Menschen anzurühren, denn dadurch offenbart der Geist Gottes den göttlichen Heilsplan für die Welt. Außerdem haben die Erzählstile, die in vielen biblischen Büchern auffallend sind, eine Affinität zu den für Asien typischen religiösen Texten (101).

Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Inkulturation ist die Ausbildung derer, die das Evangelium verkünden. Von ihnen hängt zum großen Teil auch deren Zukunft ab. In der Vergangenheit hat man bei der Ausbildung häufig die im Abendland entstandenen Stile, Methoden und Programme befolgt. Zwar kommt dem Dienst, der durch diese Art der Ausbildung geleistet wurde, Anerkennung zu, aber die Synodenväter haben auch die Mühen jüngster Zeit hinsichtlich einer Anpassung der Ausbildung für die Evangelisierung an den kulturellen Kontext Asiens als positive Entwicklung anerkannt. Außer einer soliden biblischen und patristischen Ausbildung müssen die Seminaristen eine artikulierte und sichere Kenntnis des theologischen und philosophischen Erbes der Kirche erwerben, wie es die Enzyklika Fides et ratio hervorhebt (102). Von der Grundlage dieser Vorbereitung werden sie dann profitieren können, wenn sie daran gehen, sich mit den philosophischen und religiösen Traditionen Asiens zu beschäftigen (103). Außerdem haben die Synodenväter auch die Professoren und Mitarbeiter in den Seminaren ermutigt, doch zu versuchen, die dem asiatischen Geist nahestehenden Elemente der Spiritualität und des Gebetes zu verstehen und sich bei der Suche der asiatischen Völkern nach einem Leben in Fülle immer tiefer einbinden zu lassen (104) . Zu diesem Zweck betonte man besonders die Notwendigkeit, dem Lehrkörper in den Seminaren eine angemessene Ausbildung zuzusichern (105). Auch gab die Synode ihrer Sorge für die Ausbildung der Männer und Frauen für das geweihte Leben Ausdruck, wobei man besonders deutlich hervorhob, daß ihre Spiritualität und ihr Lebensstil eine Sensibilität für das religiöse und kulturelle Erbe der Menschen aufweisen muß, unter denen sie leben und denen sie dienen unter der Voraussetzung der notwendigen Unterscheidung zwischen dem, was mit dem Evangelium im Einklang steht und was ihm entgegensteht (106). Außerdem ist aufgrund der Tatsache, daß die Inkulturation das ganze Gottesvolk mit einbezieht, die Rolle des Laienstandes von wesentlicher Bedeutung, denn die Laien sind vor allen anderen zur Umwandlung der Gesellschaft berufen, und zwar indem sie in Zusammenarbeit mit den Bischöfen, dem Klerus und den Ordensleuten der Mentalität, den Sitten, Gesetzen und Strukturen der nichtchristlichen Welt, in der sie leben, den »Gedanken Christi« eingießen (107). Eine größer angelegte Inkulturation des Evangeliums in allen Gesellschaftsschichten Asiens wird in bemerkenswerter Weise von einer geeigneten Ausbildung abhängen, welche die Ortskirche dem Laienstand zu vermitteln weiß.

Christliches Leben als Verkündigung


23 Je mehr die christliche Gemeinschaft auf der Gotteserfahrung aus gelebtem Glauben gründet, desto mehr wird sie im Stande sein, anderen in glaubwürdiger Weise die Erfüllung des Reiches Gottes in Jesus Christus zu verkünden. Das hängt auch von der treuen Annahme des Wortes Gottes sowie von Gebet und Betrachtung ab, von der Feier des Mysteriums Jesu in den Sakramenten – allen voran im Sakrament der Eucharistie – und vom Vorbild wahrer Lebensgemeinschaft und Unversehrtheit der Liebe. Der Mittelpunkt in den Teilkirchen muß die Betrachtung Jesu Christi sein, der Gott ist und Mensch wurde: Die Kirche muß ständig auf eine noch tiefere Einheit mit Ihm bedacht sein, dessen Sendung sie weiterführt. Mission ist kontemplative Aktivität und aktive Kontemplation. Daher wird ein Missionar, der Gott nicht zutiefst im Gebet und in der Betrachtung erfahren hat, wenig spirituellen Einfluß oder Erfolg in seinem Dienst haben. Es handelt sich hierbei um einen Gedanken, den ich aus meiner persönlichen Erfahrung als Priester und – wie ich auch anderswo geschrieben habe – aus den Kontakten mit Vertretern nichtchristlicher geistlicher Traditionen, besonders jener asiatischen, geschöpft habe. Dadurch wurde ich in meiner Überzeugung bestätigt, daß die Zukunft der Mission in erheblichem Maße von der kontemplativen Betrachtung abhängt (108).

Ein wirklich religiöser Mensch wird in Asien ohne weiteres geachtet, und mit Leichtigkeit folgen ihm die Menschen nach. Gebet, Fasten und verschiedene Formen der Askese stehen in hohem Ansehen. Entsagung, Zurückgezogenheit, Demut, Einfalt und Schweigen werden dort von den Mitgliedern aller Religionen als große Werte betrachtet. Und damit das Gebet nicht von der humanen Entfaltung der Menschen losgelöst wird, hoben die Synodenväter hervor, daß »die Werke der Gerechtigkeit, der Nächstenliebe und des Mitleids eng an ein wirkliches Leben in Gebet und Kontemplation gebunden sind« und weiter, daß »eben diese Spiritualität die Quelle sein wird für unser Werk der Evangelisierung«(109). In voller Überzeugung von der Bedeutung eines echten Zeugnisses bei der Evangelisierung Asiens haben die Synodenväter gesagt: »Die Frohbotschaft von Jesus Christus kann nur von solchen Menschen verkündet werden, die auch von der in der Person Jesu Christi offenbar gewordenen Liebe des Vaters zu seinen Kindern ergriffen und inspiriert sind. Eine solche Verkündigung ist eine Mission, die heiligmäßige Männer und Frauen braucht, die durch ihr eigenes Leben die Menschen dazu bringen, Jesus Christus kennen und lieben zu lernen. Ein Feuer kann durch nichts angezündet werden, das nicht selbst entbrannt ist. Und so kann auch die Verkündigung der Frohbotschaft in Asien nur dann Fuß fassen, wenn Bischöfe und Priester, Ordensleute und Laien selbst von der Liebe zu Christus entbrannt sind und mit brennendem Eifer daran gehen, ihn bestmöglich bekannt zu machen, damit die Menschen ihn noch inniger lieben und ihm noch konsequenter nachfolgen.«(110) Die Christen, die von Christus sprechen, müssen auch die Botschaft, die sie verkünden, in ihrem Leben lebendig werden lassen.

Hier gilt es aber doch noch einen besonderen Umstand zu beachten, besonders im Hinblick auf Asien. Die Kirche weiß, daß das schweigende Lebenszeugnis auch heute noch in vielen Gegenden Asiens die einzige Art und Weise ist, das Reich Gottes zu verkünden, weil dort die offene Verkündigung verboten und die Religionsfreiheit nicht gegeben ist bzw. systematisch eingeschränkt wird. Die Kirche lebt diese Art von Zeugnis ganz bewußt und betrachtet dies als das, was »täglich sein Kreuz auf sich nehmen« (vgl. Lk
Lc 9,23) heißt. Dabei richtet sie dennoch unermüdlich und immer wieder den dringenden Aufruf an die Regierungen, die Religionsfreiheit als ein fundamentales Menschenrecht anzuerkennen. Und so lassen sich in Anbetracht dieses Umstandes bezeichnenderweise die Worte des II. Vatikanischen Konzils wiederholen, »daß die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat. Diese Freiheit besteht darin, daß alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl von seiten einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt, so daß in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat und öffentlich, als einzelner oder in Verbindung mit anderen – innerhalb der gebührenden Grenzen – nach seinem Gewissen zu handeln«(111). In einigen asiatischen Ländern muß dieses Prinzip erst noch anerkannt und in die Tat umgesetzt werden.

Natürlich stellt die Verkündigung Jesu Christi viele komplexe Aspekte dar sowohl, was den Inhalt als auch was die Methode betrifft. Und die Synodenväter waren sich der legitimen Vielfalt des Zugangs zur Verkündigung Jesu sehr wohl bewußt. Dabei galt jedoch immer die Bedingung, daß der Glaube in seiner Reinheit im Prozeß des Aneignens und im gemeinsamen Glaubensleben respektiert wird. Die Synode hat hervorgehoben, daß »heute die Evangelisierung unter verschiedenen Aspekten wie Zeugnis, Dialog, Verkündigung, Katechese, Konversion, Taufe, Eingliederung in die kirchliche Gemeinschaft, Festigung der Kirche, Inkulturation und ganzheitliche Entwicklung des Menschen eine reiche und dynamische Realität darstellt. Einige dieser Elemente gehen gemeinsam vonstatten, während andere Stationen bzw. aufeinanderfolgende Phasen des gesamten Prozesses der Evangelisierung darstellen«(112). Bei all diesen Werken der Evangelisierung muß jedoch immer die ganze Wahrheit von Jesus Christus verkündet werden. Es ist zwar legitim, einige Aspekte des unergründlichen Geheimnisses Jesu hervorzuheben, besonders dann, wenn man jemanden schrittweise zu Christus hinführen will, es darf aber kein Kompromiß zugelassen werden, wenn es um die Integrität des Glaubens geht. Und schließlich muß auch die Annahme des Glaubens seitens einzelner auf dem sicheren Verständnis der Person Jesu Christi gründen, denn er ist der Herr aller, und er ist »derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit« (He 13,8), so, wie es die Kirche immer und überall gelehrt hat.

KAPITEL V


GEMEINSCHAFT UND DIALOG FÜR DIE MISSION


Gemeinschaft und Mission gehen Hand in Hand


24 Dem ewigen Plan des Vaters gehorsam, wurde die Kirche, die von Anbeginn der Welt gewollt war, durch das Alte Testament vorbereitet und von Jesus Christus eingesetzt wurde, am Pfingsttag durch den Heiligen Geist in der Welt vergegenwärtigt. »So wandert die Kirche auf ihrer Pilgerreise […] zwischen Verfolgungen der Welt und Tröstungen Gottes dahin«(113), während sie sich zur Vollkommenheit in der himmlischen Glorie hin bewegt. Und da Gott will, daß »das ganze Menschengeschlecht ein Volk Gottes bilde, in den einen Leib Christi zusammenwachse und zu dem einen Tempel des Heiligen Geistes aufgebaut werde«(114), daher ist die Kirche in der Welt »das sichtbare Zeichen der Liebe Gottes zur Menschheit« […], »das Sakrament des Heils«(115). Daher kann man sie nicht einfach als eine Sozialorganisation oder als ein Wohltätigkeitsverein betrachten. Auch wenn sich unter ihren Gliedern sündhafte Menschen befinden, muß sie als der privilegierte Ort der Begegnung zwischen Gott und dem Menschen gesehen werden, an dem Gott das Geheimnis seines innersten Lebens offenbaren und seinen Heilsplan für die Welt verwirklichen wollte.

Das Geheimnis der göttlichen Liebe wird sichtbar und aktiv in der Gemeinschaft der Menschen, die mit Christus durch die Taufe auf den Tod hin begraben wurden, und wie auch Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so können auch sie als neue Menschen leben (vgl. Röm
Rm 6,4). Im Mittelpunkt des Mysteriums der Kirche ist das Band der Gemeinschaft, das Christus, den Bräutigam, mit allen Getauften vereint. Durch diese lebendige und lebenspendende Gemeinschaft, »aufgrund derer die Christen nicht sich selbst gehören, sondern […] Christi Eigentum sind«(116) , vereint mit dem Sohn durch das Liebesband des Geistes, sind sie auch mit dem Vater vereint, und aus dieser Gemeinschaft geht auch die Gemeinschaft hervor, welche sie untereinander durch Christus im Heiligen Geist verbindet (117) . Erstrangiges Ziel der Kirche ist es daher, das Sakrament der innigen Vereinigung des Menschen mit Gott zu sein und, da die Gemeinschaft der Menschen untereinander in dieser Vereinigung mit Gott wurzelt, ist die Kirche auch das Sakrament der Einheit des Menschengeschlechts (118), die in ihr bereits begonnen hat. Gleichzeitig ist sie auch »Zeichen und Werkzeug« der vollen Verwirklichung dieser noch zu vollbringenden Einheit (119).

Dies ist eine wesentliche Voraussetzung des Lebens in Christus, daß der, der in die Gemeinschaft mit dem Herrn eintritt, Frucht bringen soll: »Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht« (Jn 15,5). Das ist so wahr, daß derjenige, der keine Frucht bringt, auch nicht in der Gemeinschaft verbleibt: »Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er [der Vater] ab« (Jn 15,2). Die Gemeinschaft mit Jesus, die der Beginn der Gemeinschaft der Christen untereinander ist, ist die unerläßliche Bedingung, um Frucht zu bringen, und die Gemeinschaft mit den anderen, ein Geschenk Christi und seines Geistes, ist die schönste Frucht, welche die Reben bringen können. In diesem Sinne sind Gemeinschaft und Mission unzertrennlich miteinander verbunden und durchdringen einander, sie bedingen sich gegenseitig, so daß »die ›communio‹ zugleich Quelle und Frucht der Sendung ist: die ›communio‹ ist missionarisch, und die Sendung gilt der ›communio.‹« (120)

Indem sich das II. Vatikanische Konzil der Theologie der Gemeinschaft bediente, konnte es die Kirche als das Volk Gottes auf der Pilgerschaft beschreiben, mit dem gewisserweise alle Völker verbunden sind (121) . Auf dieser Grundlage haben die Synodenväter den Akzent auf die geheimnisvolle Verbindung zwischen der Kirche und den Anhängern anderer asiatischer Religionen gelegt, wobei sie bemerkten, daß diese »in verschiedener Weise und in unterschiedlichem Grad mit der Kirche im Verhältnis stehen«(122) . Bei so unterschiedlichen Völkern, Kulturen und Religionen »ist das Leben der Kirche als Gemeinschaft von allergrößter Bedeutung«(123) . In der Tat hat der Dienst der Einheit der Kirche eine spezifische Relevanz in Asien, wo es so viele Spannungen, Trennungen und Konflikte gibt, deren Ursprung in ethnischen, sozialen, kulturellen, sprachlichen, wirtschaftlichen und religiösen Unterschieden liegt. In eben diesem Kontext müssen die Ortskirchen in Asien, die in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri stehen, untereinander eine tiefere Zusammengehörigkeit des Geistes und des Herzens fördern, indem sie enger miteinander zusammenarbeiten. Außerdem sind die Beziehungen zu anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sowie zu Zugehörigen anderer Religionen für die Sendung zur Evangelisierung von vitaler Bedeutung (124) . Daher hat die Synode die Erfüllung der Aufgabe erneuert, sowohl die ökumenischen Beziehungen als auch den inter religiösen Dialog zu fördern, denn sie hat zur Kenntnis genommen, daß es für den kirchlichen Auftrag der Evangelisierung auf diesem Kontinent wesentlich ist, Einheit zu schaffen, sich für die Versöhnung einzusetzen, Bande der Solidarität zu knüpfen, den Dialog der Religionen und Kulturen zu fördern, Vorurteile auszuräumen und Vertrauen unter den Völkern zu schaffen. All das verlangt von der katholischen Gemeinschaft eine aufrichtige Erforschung des Gewissens, den Mut zur Versöhnung und ein erneuertes Engagement für den Dialog. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend wird klar, daß die Fähigkeit der Kirche zur Evangelisierung erfordert, sich inständig darum zu bemühen, dem Anliegen der Einheit in allen Dimensionen zu dienen, da nämlich Gemeinschaft und Mission Hand in Hand gehen.


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