Generalaudienz 2004 13

13 Unsere Liebe Frau von Lourdes, bitte für uns!

Der Welttag der Kranken lädt uns ein, die körperlich und seelisch leidenden Mitchristen in den Blick zu nehmen. Was in den Augen der Welt sinnlos erscheinen mag, hat im Licht des Evangeliums einen hohen Wert: Die Kranken leisten ihren eigenen Beitrag zur Heilssendung der Kirche. Sie nehmen teil am Erlöserleiden des Herrn. Jesus Christus hat für uns gelitten, um alles Leid von uns zu nehmen. Der Herr leidet mit uns und nimmt unseren Schmerz als Opfer an.

Anerkennung und Dank verdient der selbstlose Einsatz der Ärzte, der Pfleger und vieler Helfer, die den Kranken, den alten Menschen und den Einsamen beistehen. Gott selbst gebe ihnen allen Kraft für diesen mitunter sehr schweren Dienst!
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Freundlich begrüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Jesus Christus ist die Quelle des Lebens, die den Tod besiegt. In Maria hat er uns eine Mutter gegeben, die uns Gesundheit an Leib und Seele erwirkt. Ihrer Fürsorge vertraue ich alle Kranken und Leidenden sowie ihre Helfer an. Unsere Liebe Frau von Lourdes, bitte für uns!




Mittwoch, 18. Februar 2004



Lesung: Brief an die Epheser\i 1,3-10

3 Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel.
4 Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott;
5 er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen,
6 zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn;
14 7 durch sein Blut haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade.
8 Durch sie hat er uns mit aller Weisheit und Einsicht reich beschenkt
9 und hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan, wie er es gnädig im voraus bestimmt hat:
10 Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist.

1. Der herrliche »Segens-Hymnus«, mit dem der Brief an die Epheser beginnt und der jeden Montag in der Liturgie der Vesper vorgetragen wird, ist Gegenstand einer Reihe von Meditationen im Laufe unseres Weges. Zunächst begnügen wir uns mit einem Überblick über diesen feierlichen, gut strukturierten Text, der einem majestätischen Bauwerk gleicht und dazu bestimmt ist, das für uns in Christus verwirklichte wunderbare Werk Gottes zu rühmen.

Er beginnt mit dem »Vor« (der Erschaffung der Welt), das der Zeit und der Schöpfung vorausgeht: Es ist die göttliche Ewigkeit, in der schon ein Plan Gestalt annimmt, der uns übersteigt, eine »Vor- Bestimmung«, das heißt der liebevolle und ungeschuldete Plan einer Heilsbestimmung in Herrlichkeit.

2. In diesem transzendenten Plan, der die Schöpfung und die Erlösung, den Kosmos und die menschliche Geschichte einschließt, hatte Gott »aus Liebe im voraus bestimmt, … in Christus alles zu vereinen«, das heißt, alle Wirklichkeiten, die himmlischen und die irdischen (vgl. 1,10). Sicher, Christus ist das »Haupt der Kirche, die sein Leib ist« (vgl. 1,22-23), aber er ist auch das Lebensprinzip und der Bezugspunkt des Universums.

Deshalb erstreckt sich die Herrschaft Christi sowohl über den Kosmos als auch über den spezifischeren Horizont, der die Kirche ist. Christus hat die Funktion der »Fülle«, so daß sich in ihm das in den Jahrhunderten verborgene »Geheimnis « (1,9) offenbart und daß die ganze Wirklichkeit in der Ordnung und in dem Maß, die ihr eigen sind, den vom Vater seit Ewigkeit gefaßten Plan ausführt.

3. Wie wir später noch sehen werden, hat diese Art von neutestamentlichem Psalm vor allem die Heilsgeschichte im Blick, die Ausdruck und lebendiges Zeichen der »Gnade« Gottes (vgl. 1,9), seines »gnädigen Willens« (1,5) und seiner Liebe ist.

Darum hier der Lobpreis der »Erlösung durch sein Blut« am Kreuz, die »Vergebung der Sünden«, die volle Ausgießung »nach dem Reichtum seiner Gnade« (1,7). Darum die Gotteskindschaft des Christen (vgl. 1,5) und die »Kundgabe des Geheimnisses des Willens« Gottes (1,9), wodurch man in das Innerste des dreifaltigen Lebens eintritt.

4. In Anbetracht dieses Überblicks über den Hymnus, mit dem der Brief an die Epheser beginnt, hören wir jetzt die Worte des hl. Johannes Chrysostomus, eines herausragenden Lehrers, Redners und scharfsinnigen Interpreten der Heiligen Schrift, der im 4. Jahrhundert gelebt hat, unter vielen Schwierigkeiten auch Bischof von Konstantinopel wurde und sogar zweimal ins Exil gehen mußte.

15 In seiner Ersten Homilie über den Brief an die Epheser, in der er dieses Canticum kommentiert, denkt er mit Dankbarkeit über den »Segen« nach, mit dem wir »in Christus« gesegnet wurden: »Was fehlt dir denn? Du bist unsterblich geworden, du bist frei geworden, du bist Sohn geworden, du bist gerechtfertigt worden, du bist Bruder geworden, du bist Miterbe geworden; mit ihm herrschst du, mit ihm wirst du verherrlicht. Alles ist uns geschenkt worden, und - so steht es geschrieben - ›wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?‹ (Rm 8,32). Deine Erstlingsfrucht (vgl. 1Co 15,20 1Co 15,23) wird von den Engeln, den Cherubim und den Seraphim angebetet. Was fehlt dir also noch?« ().

Gott habe all das - fährt Chrysostomus fort - »nach seinem gnädigen Willen« für uns getan. Was bedeutet das? Das bedeutet, daß Gott unser Heil leidenschaftlich wünscht und brennend ersehnt. »Und warum liebt er uns auf diese Weise? Aus welchem Grund hat er uns so gerne? Aus lauter Güte: denn die ›Gnade‹ ist der Güte eigen« (ebd., 13).

Der Apostel Paulus bekräftigte deshalb - so der Kirchenvater abschließend -, daß alles »zum Lob seiner herrlichen Gnade, die er uns in seinem geliebten Sohn geschenkt hat«, vollbracht wurde. In der Tat, Gott »hat uns nicht nur von den Sünden befreit, sondern hat uns auch liebenswert gemacht …; er hat unsere Seele geschmückt, und er hat sie schön, ersehnenswert und liebenswert gemacht«. Und während Paulus erklärt, Gott habe dies durch das Blut seines Sohnes erwirkt, betont Johannes Chrysostomus: »Es gibt nichts Größeres als das: daß das Blut Gottes für uns vergossen wurde.

Größer als die Adoption zu Söhnen und als die anderen Geschenke ist, daß auch der eigene Sohn nicht verschont wurde (vgl. Rm 8,32); denn groß ist es, daß unsere Sünden vergeben wurden, aber noch größer ist es, daß dies durch das Blut unseres Herrn geschehen ist« ().

Von Anfang an will Gott hat das Heil für die Menschheit. In der Sendung seines Sohnes führt er seinen ewigen Heilsplan zur Vollendung. Jesus Christus erneuert alles nach dem Willen des Vaters (vgl. Ep 1,9-10). Er ist das Haupt der Kirche, seines mystischen Leibes, und Herr über die ganze Schöpfung.

Im Opfertod Christi wird uns die Erlösung zuteil. Voll Staunen preist der heilige Johannes Chrysostomus dieses Geheimnis: „Denn groß ist es, daß unsere Sünden vergeben worden sind: Noch viel größer aber ist es, daß dies durch das Blut des Herrn geschehen ist" ().
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Sehr herzlich grüße ich die Pilger und Besucher deutscher Sprache. Aus Liebe zu uns Menschen und zu unserem Heil sandte Gott seinen Sohn. In ihm haben wir Gemeinschaft mit dem Vater. Stellt euer Leben jeden Tag in die Nachfolge Christi! Der Herr segne euch und führe euch zum Ziel eures Lebens!



März 2004


Mittwoch, 10. März 2004

1.Die abschließende Bitte: »Herr, verleihe dem König den Sieg! Erhöre uns am Tag, da wir rufen!« (Ps 20,10), enthüllt uns den Ursprung von Psalm 20, den wir gehört haben und über den wir jetzt nachdenken wollen. Wir haben also ein Königslied des frühen Israel vor uns, das bei feierlichen Gottesdiensten im Tempel von Zion gesungen wurde. Darin wird der göttliche Segen auf den Herrscher vor allem »am Tag der Not« (V. 2) herabgerufen, das heißt in der Zeit, in der das ganze Volk aufgrund eines drohenden Krieges in großer Angst lebt. Dann ist von Wagen und Rossen (vgl. V. 8) die Rede, die am Horizont vorzurücken scheinen; ihnen setzen der König und das Volk das Vertrauen auf den Herrn entgegen, der sich auf die Seite der Schwachen, der Unterdrückten, der Opfer der Überheblichkeit der Eroberer stellt.

16 Es ist leicht zu verstehen, daß die christliche Tradition diesen Psalm in einen Hymnus an Christus den König, den »Gesalbten« schlechthin, den »Messias« (vgl. V. 7), verwandelt hat. Er kommt in die Welt ohne Kriegsheere, aber mit der Macht des Geistes und führt den endgültigen Schlag gegen das Böse und den Machtmißbrauch, gegen die Anmaßung und den Stolz, gegen die Lüge und den Egoismus. In unseren Ohren hallen die Worte wider, die Christus an Pilatus, das Symbol der kaiserlichen Macht auf Erden, richtet: »… ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme« (Jn 18,37).

2. Wenn wir die Handlung dieses Psalms untersuchen, merken wir, daß sie sehr detailliert eine Liturgie offenbart, die im Tempel in Jerusalem gefeiert wurde. Es tritt die Versammlung der Kinder Israels auf, die für den König, das Oberhaupt des Landes, beten. Ja, zu Beginn erkennt man einen Opferritus, ähnlich den verschiedenen Speise- und Brandopfern, die der Herrscher dem »Gott Jakobs« (Ps 20,2) darbrachte, der »seinen Gesalbten« (V. 7) nicht im Stich läßt, sondern schützt und erhält.

Das Gebet ist deutlich geprägt von der Überzeugung, daß der Herr die Quelle der Sicherheit ist: Er kommt dem vertrauensvollen Wunsch des Königs und der ganzen Gemeinschaft entgegen, mit der er durch den Bund vereint ist. Die Atmosphäre ist zwar die eines Kriegsereignisses mit all den Ängsten und Gefahren, die es hervorruft. Das Wort Gottes scheint aber keine abstrakte Botschaft zu sein, sondern eine Stimme, die sich den kleinen und großen Nöten der Menschheit anpaßt. Der Psalm spiegelt deshalb die militärische Sprache und die Atmosphäre wider, die in Israel in Kriegszeiten herrschte (vgl. V. 6), indem er sich den Empfindungen des Menschen in Schwierigkeiten anpaßt.

3. Vers 7 leitet eine Wende im Psalm ein. Während die vorhergehenden Verse an Gott gerichtete Bitten ausdrücken (vgl. V. 2-5), bekräftigt Vers 7 die Gewißheit, daß man erhört wird: »Nun bin ich gewiß; der Herr schenkt seinem Gesalbten den Sieg; er erhört ihn von seinem heiligen Himmel her.« Durch welches Zeichen man das erfahren hat, verrät der Psalm nicht.

Er drückt aber einen klaren Kontrast aus zwischen der Haltung der Feinde, die auf die materielle Kraft ihrer Wagen und Pferde zählen, und der Haltung der Israeliten, die ihr Vertrauen auf Gott setzen und dadurch siegen. Man denkt unwillkürlich an die feierliche Szene von David und Goliat: Den Waffen und der Überheblichkeit des Kriegers der Philister setzt der junge Jude die Anrufung des Namens des Herrn entgegen, der die Schwachen und Hilflosen schützt. In der Tat sagt David zu Goliat: »Du kommst zu mir mit Schwert, Speer und Sichelschwert, ich aber komme zu dir im Namen des Herrn der Heere … Der Herr verschafft nicht Rettung durch Schwert und Speer, denn es ist ein Krieg des Herrn« (1S 17,45 1S 17,47).

4. Obwohl er in seiner historischen Konkretheit so stark mit der Logik des Krieges verbunden ist, kann der Psalm dennoch dazu einladen, sich nie von der Anziehungskraft der Gewalt einfangen zu lassen. Auch Jesaja rief: »Weh denen, die nach Ägypten ziehen, um Hilfe zu finden, und sich auf Pferde verlassen, die auf die Menge ihrer Wagen vertrauen und auf ihre zahlreichen Reiter. Doch auf den Heiligen Israels blicken sie nicht und fragen nicht nach den Herrn« (Is 31,1).

Jeder Form von Bosheit setzt der Gerechte den Glauben, das Wohlwollen, die Vergebung und das Friedensangebot entgegen. Der Apostel Paulus mahnte die Christen: »Vergeltet niemand Böses mit Bösem. Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht!« (Rm 12,17). Und der Historiker der Kirche der ersten Jahrhunderte, Eusebius von Cesarea (3.-4. Jh.), der diesen Psalm kommentiert, bezieht auch das Übel des Todes mit ein, von dem der Christ weiß, daß er es durch Christus besiegen kann: »Alle verborgenen und unsichtbaren gegnerischen Mächte und Feinde Gottes, die vom Erlöser selbst in die Flucht geschlagen wurden, werden stürzen. Aber alle, die die Erlösung erhalten haben, werden von ihrem vorhergehenden Zusammenbruch auferstehen. Simeon sagte deshalb: ›Dieser ist dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden‹, das heißt, daß seine Gegner und Feinde zu Fall kommen, aber diejenigen aufgerichtet werden, die einmal zu Fall gekommen waren, aber jetzt von ihm auferweckt worden sind« ().

In Not und Gefahr betet das Gottesvolk des Alten Bundes für seinen König. So unterstützt das fürbittende Gebet den Opferdienst des „Gesalbten Gottes". Der Herr allein schafft Heil. Wer auf ihn sein Vertrauen setzt und ihn gläubig anruft, findet Erhörung. „Nun bin ich gewiß: der Herr schenkt seinem Gesalbten den Sieg" (Ps 20,7).

In Jesus Christus, dem Gesalbten Gottes schlechthin, wissen wir Christen uns von Gott angenommen. In Psalm 20 preist die Kirche Christus als den wahren König. Nicht mit Waffengewalt besiegt er das Böse, sondern in der Kraft des Geistes Gottes. Sein Triumph über den Tod bringt den Menschen Frieden und Erlösung.
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Freundlich heiße ich die Pilger und Besucher deutscher Sprache willkommen. Gott ist der Quell unserer Zuversicht und unserer Stärke. Er sieht auf uns und erhört unser Rufen. Ahmt Christus nach und überwindet das Böse durch das Gute! Dazu schenke euch der Herr seine Gnade und seinen Frieden!




17

Mittwoch, 17. März 2004

Lesung: Psalm 21,2-5.8.14


1 Dank für den Sieg des Königs [Für den Chormeister. Ein Psalm Davids.]
2 An deiner Macht, Herr, freut sich der König; über deine Hilfe, wie jubelt er laut!
3 Du hast ihm den Wunsch seines Herzens erfüllt, ihm nicht versagt, was seine Lippen begehrten. [Sela]
4 Du kamst ihm entgegen mit Segen und Glück, du kröntest ihn mit einer goldenen Krone.
5 Leben erbat er von dir, du gabst es ihm, viele Tage, für immer und ewig.
8 Denn der König vertraut auf den Herrn, die Huld des Höchsten läßt ihn niemals wanken.
14 Erhebe dich, Herr, in deiner Macht! Deiner siegreichen Kraft wollen wir singen und spielen.

1. Die Liturgie der Vesper hat aus Psalm 21 den Teil herausgenommen, den wir soeben gehört haben, und den anderen ausgelassen, der Verwünschungen enthält (vgl. V. 9-13). Der erstgenannte Teil handelt von der Gunst und Hilfe, die Gott dem König in Vergangenheit und Gegenwart erwiesen hat, während im anderen Teil vom zukünftigen Sieg des Königs über seine Feinde die Rede ist.

Der Text, der Gegenstand unserer Betrachtung ist (vgl. V. 2-8.14), gehört zur Gruppe der Königslieder. Im Mittelpunkt steht also das Werk Gottes zugunsten des jüdischen Herrschers, der vielleicht am Fest seiner Inthronisierung dargestellt wird. Am Anfang (vgl. V. 2) und am Ende (vgl. V. 14) scheint gleichsam ein Zuruf der ganzen Versammlung zu erklingen, während der Mittelteil des Hymnus die Tonart eines Dankliedes hat, das der Psalmist an Gott richtet für die dem König erwiesenen Wohltaten: »Segen und Glück« (V. 4), »viele Tage« (V. 5), »Ruhm« (V. 6) und »Freude« (V. 7).

18 Es ist leicht verständlich, daß dieses Lied - wie es bei anderen Königsliedern des Psalters geschehen ist - eine neue Deutung erfahren hat, als in Israel die Monarchie verschwand. Aus diesem Psalm wurde schon im Judaismus ein Hymnus zu Ehren des Messias-Königs. Damit wurde der Weg für die christologische Deutung bereitet, die in der Liturgie vorgenommen wird.

2. Werfen wir zunächst einen Blick auf den Text im ursprünglichen Sinn. Man spürt eine frohe Atmosphäre, in der Lieder erklingen zum festlichen Ereignis: »An deiner Macht, Herr, freut sich der König; über deine Hilfe, wie jubelt er laut!« … Deiner siegreichen Kraft wollen wir singen und spielen« (V. 2.14). Es werden dann Gottes Wohltaten an den König aufgezählt: Gott hat sein Gebet erhört (vgl. V. 3), und er krönt ihn mit einer goldenen Krone (vgl. V. 4). Der Glanz des Königs ist an das göttliche Licht gebunden, das ihn wie ein schützender Mantel einhüllt: »Du hast ihn bekleidet mit Hoheit und Macht« (V. 6).

Im alten Vorderen Orient glaubte man, daß der König von einer Aureole umgeben sei, die seine Teilhabe am Wesen der Gottheit selbst bewies. Für die Bibel ist der König natürlich »Sohn« Gottes (vgl.
Ps 2,7), allerdings nur in metaphorischem und übertragenem Sinn. Also muß er der Stellvertreter des Herrn für den Schutz der Gerechtigkeit sein. Für diese Sendung umgibt ihn Gott mit seinem wohltuenden Licht und seinem Segen.

3. Der Segen ist ein bedeutendes Thema in diesem kurzen Hymnus: »Du kamst ihm entgegen mit Segen und Glück … Du machst ihn zum Segen für immer« (Ps 21,4 Ps 21,7). Der Segen ist das Zeichen der Gegenwart Gottes, die im König wirksam ist, der so ein Widerschein des göttlichen Lichtes inmitten der Menschheit wird.

Der Segen umfaßt in der biblischen Tradition auch das Geschenk des Lebens, das auf den Gesalbten ausgegossen wird: »Leben erbat er von mir, du gabst es ihm, viele Tage, für immer und ewig« (V. 5). Der Prophet Natan hatte David auch diesen Segen als Quelle der Stabilität, Unterstützung und Sicherheit verheißen, und David hatte gebetet: »So segne jetzt gnädig das Haus deines Knechtes, damit es ewig vor deinen Augen Bestand hat. Denn du, mein Herr und Gott, hast es versprochen, und mit deinem Segen wird das Haus deines Knechtes für immer gesegnet sein« (2S 7,29).

4. Wenn wir diesen Psalm beten, werden wir sehen, daß sich hinter dem Bild des jüdischen Königs das Antlitz Christi, des messianischen Königs, abzeichnet. Er ist »der Abglanz der Herrlichkeit « des Vaters (He 1,3). Er ist der Sohn in vollem Sinne und damit die vollkommene Gegenwart Gottes inmitten der Menschheit. Er ist Licht und Leben, wie Johannes im Prolog seines Evangeliums verkündet: »In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen« (1,4). Auf der gleichen Linie hat später Irenäus, der Bischof von Lyon, in seinem Kommentar zu diesem Psalm das Thema des Lebens (vgl. Ps 21,5) auf die Auferstehung Christi angewandt: »Aus welchem Grund sagt der Psalmist: ›Leben erbat er von dir‹, wenn Christus sterben sollte? Der Psalmist verkündet also seine Auferstehung von den Toten und daß er, von den Toten auferstanden, unsterblich ist. Denn er hat das Leben angenommen, um wiederzuerstehen, und einen langen Zeitraum in der Ewigkeit, um unverweslich zu sein« (Esposizione della predicazione apostolica, 72, Milano 1979, S. 519).

Auf Grund dieser Gewißheit hat auch der Christ die Hoffnung auf das Geschenk des ewigen Lebens.

Gott krönt das auserwählte Volk mit seinem Segen. Diese Gewißheit spricht aus Psalm 21, der zu den Königsliedern des Alten Testamentes gehört. Als Zeichen göttlicher Gegenwart beinhaltet der Segen nach biblischer Tradition das Geschenk des Lebens, das Gott dem König zuteil werden läßt: „Du kamst ihm entgegen mit Segen und Glück ... Leben erbat er von dir, du gabst es ihm" (Ps 21,4-5).

Die Figur des Königs hat in der Geschichte des Gottesvolkes eine messianische Deutung erfahren. Uns Christen scheint im Bild des Königs das Antlitz Jesu Christi auf. Er ist der Abglanz der Herrlichkeit des Vaters (vgl. He 1,3). Seine Auferstehung von den Toten krönt das menschliche Leben unüberbietbar. In ihm allein liegt unsere Hoffnung auf ewiges Leben.
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Herzlich grüße ich die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern. In besonderer Weise heiße ich heute Priesterjubilare aus dem Bistum Münster sowie Mitarbeiter der Dombauhütte Mainz willkommen. Wir Christen sind berufen, das Licht der Welt zu sein. Tragt Christi Botschaft durch eure Worte und Taten zu den Menschen von heute! Gottes Liebe stärke euch!




19

Mittwoch, 24. März 2004

1.Wir feiern morgen das Hochfest der Verkündigung des Herrn, an dem wir die Inkarnation des ewigen Wortes betrachten, das im Schoß Marias Mensch geworden ist. Das »Ja« der Jungfrau hat die Türen zur Verwirklichung des Heilsplans des himmlischen Vaters geöffnet, des Plans der Erlösung für alle Menschen.

Dieses Fest, das in diesem Jahr mitten in die Fastenzeit fällt, führt uns einerseits zurück zu den Anfängen der Erlösung, anderseits lädt es uns ein, den Blick auf das Ostergeheimnis zu richten. Wir schauen auf den gekreuzigten Christus, der die Menschheit erlöst hat, indem er den Willen des Vaters bis zum Letzten erfüllt hat. Auf Golgota hat Jesus in den letzten Augenblicken seines Erdenlebens uns Maria als Mutter anvertraut, und er hat uns ihr als Kinder übergeben.

Mit dem Geheimnis der Menschwerdung aufs engste verbunden, hat die Gottesmutter teil am Geheimnis der Erlösung. Ihr »Fiat«, das wir morgen in Erinnerung rufen, ist der Widerhall des »Fiat« des menschgewordenen Wortes. In tiefer Übereinstimmung mit dem »Fiat« Christi und dem der Jungfrau ist jeder von uns aufgerufen, sein eigenes Ja zu den geheimnisvollen Plänen der Vorsehung zu sprechen. Denn nur aus der vollen Zustimmung zum göttlichen Willen erwachsen die Freude und der wahre Frieden, den wir alle uns auch in dieser Zeit wünschen.

2. Am Vortag dieses christologischen und zugleich marianischen Festes denke ich an einige bedeutsame Momente am Anfang meines Pontifikats: an den 8. Dezember 1978, als ich in »Santa Maria Maggiore« die Kirche und die Welt der Gottesmutter anvertraut habe; an den 4. Juni des darauffolgenden Jahres, als ich diese Weihe im Heiligtum von Tschenstochau wiederholt habe. Ganz besonders denke ich an den 25. März des Heiligen Jahres der Erlösung 1984. Es sind 20 Jahre vergangen, seit ich auf dem Petersplatz in geistlicher Verbindung mit allen Bischöfen der Welt, die zuvor »zusammengerufen« worden waren, die ganze Menschheit dem Unbefleckten Herzen Marias weihen wollte als Antwort auf das, was Unsere Liebe Frau in Fatima gewünscht hatte.

3. Die Menschheit durchlebte damals eine schwierige Zeit in großer Sorge und Unsicherheit. 20 Jahre danach ist die Welt noch immer von Haß, Gewalt, Terrorismus und Krieg gezeichnet. Unter den vielen Opfern, von denen wir in der täglichen Berichterstattung erfahren, sind viele wehrlose Menschen, die bei der Erfüllung ihrer Pflicht getroffen werden. Am heutigen Tag, der dem Gedächtnis und dem Gebet für die »Märtyrer-Missionare« gewidmet ist, können wir nicht umhin, der Priester, der gottgeweihten Personen und der gläubigen Laien zu gedenken, die in den Missionsländern im Laufe des Jahres 2003 zu Tode gekommen sind. Viel Blut wird noch in zahlreichen Gebieten der Erde vergossen. Es ist dringend notwendig, daß die Menschen ihre Herzen für eine mutiges Streben nach gegenseitigem Verständnis öffnen. Immer größer wird die Erwartung der Gerechtigkeit und des Friedens in jedem Erdteil. Wie ist auf diese Sehnsucht nach Hoffnung und Liebe zu antworten, wenn man nicht Christus durch Maria zu Hilfe ruft? Ich wiederhole heute die Bitte an Maria, die ich damals an sie gerichtet habe.

»Mutter Christi, noch einmal offenbare sich in der Weltgeschichte die unendliche Heilsmacht der Erlösung: die Macht der barmherzigen Liebe! Sie gebiete dem Bösen Einhalt! Sie verwandle die Gewissen! In deinem Unbefleckten Herzen leuchte das Licht der Hoffnung für alle!«

Inmitten der Fastenzeit hält die Kirche inne und blickt auf den Beginn des Heilswerks Christi: die Verkündigung des Engels an Maria. Was sich auf Golgota vollenden wird, ist im „fiat" der Gottesmutter grundgelegt. Durch ihr Jawort nimmt die Jungfrau aus Nazaret teil am Geheimnis der Erlösung.

Am Kreuz legt Jesus seiner Mutter die Menschheit ans Herz. Mit Maria wollen auch wir uns dem Willen Gottes des Vaters übereignen. Aus solcher Hingabe erwächst uns der wahre Friede, den wir für unsere Zeit erflehen. Heute, zwanzig Jahre nach der Weihe an das Unbefleckte Herz Mariens, ist die Welt noch von Haß, Gewalt und Krieg gezeichnet. Weiter vertrauen wir der Fürsprache Mariens bei ihrem göttlichen Sohn.
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Mit Freude heiße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher willkommen. Besonders grüße ich eine Gruppe der Schwestern vom Göttlichen Erlöser sowie Mitglieder des Säkularinstituts der Schönstätter Marienschwestern. Nehmt Maria zum Vorbild in der Hingabe an Gottes Willen! Die Freude an der Gegenwart des Herrn sei eure Stärke!




20

Mittwoch, 31. März 2004



Lesung: Offb 4,11; 5,9.10.12

11 Würdig bist du, unser Herr und Gott, Herrlichkeit zu empfangen und Ehre und Macht. Denn du bist es, der die Welt erschaffen hat, durch deinen Willen war sie und wurde sie erschaffen.
9 Und sie sangen ein neues Lied: Würdig bist du, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du wurdest geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erworben aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern,
10 und du hast sie für unsern Gott zu Königen und Priestern gemacht; und sie werden auf der Erde herrschen.
12 Sie riefen mit lauter Stimme: Würdig ist das Lamm, das geschlachtet wurde, Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit, Kraft und Ehre, Herrlichkeit und Lob.

1. Das Canticum, das wir vernommen haben und jetzt betrachten wollen, gehört zur Liturgie der Vesper, deren Psalmen wir in unseren wöchentlichen Katechesen fortlaufend kommentieren. In der liturgischen Praxis geschieht es öfter, daß einige Gebete künstlich zusammengestellt sind aus biblischen Abschnitten, die zu umfangreicheren Texten gehören.

In unserem Fall wurden aus den Kapiteln 4 und 5 der Offenbarung einige Verse übernommen, in denen ein herrliches und großartiges Bild des Himmels beschrieben wird. In der Mitte erhebt sich ein Thron, auf dem Gott selbst sitzt, dessen Name aus Ehrfurcht nicht ausgesprochen wird (vgl. Ap 4,2). Dann läßt sich auf dem Thron ein Lamm nieder, Symbol des auferstandenen Christus, denn es ist die Rede von einem Lamm, das aussah »wie geschlachtet«, aber aufrecht »stand«, lebendig und ruhmvoll (5,6).

Neben diesen beiden göttlichen Gestalten breitet sich der Chor des himmlischen Hofstaates aus, der von vier »Lebewesen« (4,6), die vielleicht die Engel der göttlichen Gegenwart an die Himmelsrichtungen des Universums denken lassen, und von »vierundzwanzig Ältesten« (4,4), auf griechisch Presbyteroi, das heißt Vorstehern der christlichen Gemeinschaften, dargestellt wird; ihre Anzahl erinnert sowohl an die Stämme Israels als auch an die zwölf Apostel, das heißt, zusammen an den ersten und den neuen Bund.

2. Diese Versammlung des Volkes Gottes stimmt ein Loblied an den Herrn an und preist die »Herrlichkeit, Ehre und Macht«, die im Schöpfungsakt des Universums Ausdruck gefunden haben (vgl. 4,11). An dieser Stelle wird ein sehr bedeutsames Symbol eingeführt, auf griechisch biblion, das heißt ein »Buch«, das aber völlig unzugänglich ist, denn sieben Siegel verhindern die Lektüre (vgl. 5,1).

Es handelt sich also um eine verborgene Prophetie. Das Buch enthält eine Reihe von göttlichen Ratschlüssen, die sich in der Menschheitsgeschichte verwirklichen müssen, damit in ihr vollkommene Gerechtigkeit herrschen kann. Wenn das Buch versiegelt bleibt, können diese Beschlüsse nicht bekanntgemacht und nicht verwirklicht werden, und das Böse wird sich weiter ausbreiten und die Glaubenden unterdrücken. Darum ist ein autoritatives Eingreifen notwendig, dessen Urheber das Lamm sein wird, das geopfert wurde und auferstanden ist. Es wird »das Buch nehmen und seine Siegel öffnen« (vgl. 5,9).

21 Christus ist der große Deuter und Herr der Geschichte, der Offenbarer des verborgenen Leitfadens der göttlichen Taten, die sich in ihr entfalten.

3. Der Hymnus setzt sich fort und zeigt die Grundlage der Macht Christi über die Geschichte: Es ist nichts anderes als sein Ostergeheimnis (vgl. 5,9-10): Christus ist »geopfert« worden und hat mit seinem Blut die ganze Menschheit von der Macht des Bösen »losgekauft «. Das Verb »loskaufen« geht auf den Exodus zurück, auf Israels Befreiung von der ägyptischen Knechtschaft. In der antiken Gesetzgebung obliegt der Loskauf dem nächsten Verwandten. Im Hinblick auf das Volk hatte Gott selbst diese Pflicht, denn er nannte Israel seinen »erstgeborenen Sohn« (
Ex 4,22).

Christus vollbringt dann dieses Werk für die ganze Menschheit. Die von ihm gewirkte Erlösung hat nicht nur die Funktion, uns von unserer schlechten Vergangenheit loszukaufen, die Wunden zu heilen und unsere Nöte aufzuheben. Christus schenkt uns ein neues inneres Leben, er macht uns zu Priestern und Königen, die an seiner Würde teilhaben.

Durch Anspielung auf die Worte, die Gott auf dem Sinai verkündet hat (vgl. Ex 19,6 Ap 1,6), wird im Hymnus betont, daß das erlöste Volk Gottes aus Königen und Priestern besteht, die die ganze Schöpfung leiten und heiligen müssen. Es ist eine Heiligung, die im Pascha Christi wurzelt und sich in der Taufe verwirklicht (vgl. 1P 2,9). Daraus erwächst ein Anruf an die Kirche, daß sie sich ihrer Würde und Sendung bewußt wird.

4. Die christliche Tradition hat auf Christus immer das Bild des Osterlammes angewandt. Hören wir die Worte eines Bischofs des 2. Jahrhunderts, Meliton von Sardes, einer Stadt in Kleinasien, der in seiner Osterpredigt sagte: »Christus kam vom Himmel auf die Erde wegen des leidenden Menschen; den leidenden Menschen zog er wie ein Kleid an im Schoß der Jungfrau und ging hervor als Mensch … Er wurde zum Schlachten geführt wie ein Lamm und getötet wie ein Schaf, und so erlöste er uns aus dem Dienst der Welt … Er ist es, der uns der Knechtschaft entrissen und uns befreit hat, der uns aus der Finsternis zum Licht führte, vom Tod zum Leben, von der Gewaltherrschaft zu ewigem Königtum, der uns zu einer neuen Priesterschaft machte, zu einem erwählten und ewigen Volk … Er ist das Lamm, das verstummt, aus der Herde geholt, zum Schlachten geführt, am Abend geopfert und in der Nacht begraben wird; er ist der Sohn Marias, der Unbefleckten « (Nrn. 66-71: SC 1223, Ss. 96-100).

Zum Schluß ruft Christus selbst, das Lamm, das geopfert wurde, allen Völkern zu: »Kommt also, alle Nationen der Menschen, die ihr in der Sünde seid, und empfangt die Vergebung. Ich bin eure Vergebung, ich bin das Pascha des Heils. Ich bin das Lamm, das für euch geopfert wurde, ich bin euer Lösegeld, euer Leben, eure Auferstehung, ich bin euer Licht und euer Heil, ich bin euer König. Ich erhebe euch zu den Höhen des Himmels: Ich werde euch erwecken, euch den Vater im Himmel zeigen und euch zu meiner Rechten erhöhen« (Nr. 103: ibidem, S. 122).

Die Visionen in der Offenbarung des Johannes stellen uns die Herrlichkeit des Himmels vor Augen: Um den Thron Gottes und um das Lamm, den auferstandenen Christus, sind die Erlösten versammelt. Sie preisen das Werk der Schöpfung und der Erlösung: „Würdig bist du, Herr, unser Gott, Herrlichkeit zu empfangen und Ehre und Macht" (Ap 4,11).

Christus, das wahre Osterlamm, das für uns geschlachtet wurde, ist der Herr der Geschichte. Im Pascha-Mysterium hat er Gottes Heilswillen erfüllt. Durch sein Blut hat er die Menschheit vom Bösen befreit und zu neuem Leben geführt. Dadurch hat er uns zu einem Volk von Königen und Priestern gemacht und uns Anteil an seiner Würde gegeben.
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Von Herzen grüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Besonders heiße ich die Schüler, Lehrer und Freunde des Gymnasiums Antonianum in Vechta willkommen. Christus hat sich hingegeben, um uns zu Kindern Gottes zu machen. Wie er, so wollen auch wir Gottes Willen erfüllen. Dazu helfe euch der Herr mit seiner Gnade!



                                                                                   April 2004


22

Mittwoch, 7. April 2004



1. »Christus Jesus … erniedrigte sich und war gehorsam … bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht« (Ph 2,8-9). Wir haben soeben diese Worte des Hymnus gehört, der im Brief an die Philipper enthalten ist. Sie beschreiben knapp und eindrucksvoll das Geheimnis des Leidens und Sterbens Jesu; zugleich lassen sie uns die österliche Herrlichkeit der Auferstehung erahnen. Sie sind also eine Betrachtung und Einführung in die Feier des Ostertriduums, das morgen beginnt.

2. Liebe Brüder und Schwestern, wir bereiten uns darauf vor, in den kommenden Tagen das große Geheimnis unserer Erlösung erneut zu erleben. Am morgigen Vormittag, dem Gründonnerstag, feiert der Bischof in jeder Diözese zusammen mit dem Klerus die Chrisam-Messe, in der die Öle geweiht werden: das Katechumenenöl, das Krankenöl und der heilige Chrisam. Am Abend wird des Letzten Abendmahls mit der Einsetzung der Eucharistie und des Priestertums gedacht. Die »Fußwaschung« erinnert daran, daß Jesus durch diese Geste im Abendmahlssaal das äußerste Opfer von Golgota vorweggenommen hat und uns als »mandatum novum«, als neues Gebot, seine Liebe hinterlassen hat. Gemäß einer frommen Tradition verweilen die Gläubigen nach der Messe »in Cena Domini« in Anbetung vor der Eucharistie bis spät in die Nacht hinein. Es ist eine besondere Gebetswache, die an die Todesangst Christi in Getsemani anknüpft.

3. Am Karfreitag gedenkt die Kirche des Leidens und Sterbens des Herrn. Die christliche Gemeinschaft ist eingeladen, über das Böse und die Sünde, die die Menschheit bedrücken, sowie über die vom heilbringenden Opfertod Christi erwirkte Erlösung nachzudenken. Das Wort Gottes und einige eindrucksvolle liturgische Riten wie die Kreuzanbetung sollen helfen, die einzelnen Etappen der Passion zu durchlaufen. Die christliche Tradition hat an diesem Tag außerdem verschiedene Zeichen der Volksfrömmigkeit ins Leben gerufen. Dazu gehören vor allem die Bußprozessionen am Karfreitag und der Kreuzweg, die uns das Geheimnis des Kreuzes besser verinnerlichen lassen.

Der Karsamstag ist geprägt von tiefer Stille. An diesem Tag der Erwartung und des Gebets sind keine besonderen Gottesdienste vorgesehen. In den Kirchen schweigt alles, während die Gläubigen Maria nachahmen und sich auf das große Ereignis der Auferstehung vorbereiten.

4. In der Abenddämmerung des Karsamstags beginnt die Feier der Osternacht, der »Mutter aller Nachtwachen«. Nach der Segnung des neuen Feuers wird die Osterkerze entzündet, das Symbol Christi, der jeden Menschen erleuchtet, und es erklingt die frohe Verkündigung des Exsultet.Die kirchliche Gemeinschaft betrachtet im Hören des Wortes Gottes die große Verheißung der endgültigen Befreiung von der Knechtschaft der Sünde und des Todes. Es folgen die Riten der Taufe und Firmung der Katechumenen, die einen langen Weg der Vorbereitung gegangen sind.

Die Verkündigung der Auferstehung durchbricht die Finsternis der Nacht, und die ganze geschaffene Wirklichkeit erwacht aus dem Todesschlaf, um die Herrschaft Christi anzuerkennen, wie der paulinische Hymnus unterstreicht, von dem unsere Reflexionen ausgegangen sind: »… damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr« (Ph 2,10-11).

5. Liebe Brüder und Schwestern, diese Tage sind mehr als angemessen, um die Umkehr unseres Herzens zu Ihm zu beleben, der aus Liebe für uns gestorben ist.

Lassen wir uns von Maria, der treuen Jungfrau, begleiten. Mit ihr verweilen wir im Abendmahlssaal und stehen auf Golgota neben Jesus, um ihm schließlich am Ostertag als Auferstandenen zu begegnen.

Mit diesen Gefühlen wünsche ich euch hier Anwesenden, euren Gemeinschaften und allen euren Lieben von Herzen ein frohes und gesegnetes Osterfest.

Im Oster-Triduum läßt die Liturgie das Geheimnis der Erlösung vor unseren Augen lebendig werden. Die Kirche folgt dem Herrn zunächst in den Abendmahlssaal. In der Fußwaschung zeigt uns Jesus seine Gesinnung: Seine Sendung ist einzig und allein Dienst am Heil. Deshalb entäußerte er sich „und wurde wie ein Sklave" (Ph 2,7). Der Karfreitag steht ganz im Zeichen des Kreuzes. „Christus war gehorsam bis zum Tod am Kreuz" (V. 8). Durch sein Opfer überwindet der Erlöser die Macht des Bösen, die auf der Menschheit lastet. Schließlich führt das tiefe Schweigen des Karsamstags die Kirche zum Jubel des Ostermorgens. Im Licht des Auferstandenen erschallt unser Lobgesang: Gott hat Christus, seinen Gesalbten, „über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen" (V. 9).
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Generalaudienz 2004 13