Generalaudienz 1999 22

22 Das sieht man zum Beispiel an der Liturgie. Wie Jesus, den Lukas uns vorstellt, wie er in der Synagoge von Nazaret das Buch des Propheten Jesaja aufschlägt, so schöpft die Kirche aus dem liturgischen Reichtum des jüdischen Volkes. Sie ordnet das Stundengebet, die Schriftlesungen und selbst die Struktur der eucharistischen Gebete nach den Vorbildern der jüdischen Tradition. Einige große Feste wie Ostern oder Pfingsten ver weisen auf den Festkalender der Juden und stellen ausgezeichnete Gelegenheiten dar, des von Gott erwählten und geliebten Volkes (vgl. Rm 11,2) im Gebet zu gedenken. Heute bedeutet Dialog auch, daß die Christen sich dieser Elemente, die uns einander näherbringen, vermehrt bewußt sind. Wie man den von Gott »nie gekündigten Bund« (vgl. Ansprache an die Vertreter der jüdischen Gemeinde in Mainz, 17. November 1980; in O.R.dt. v. 21.11.1980, S. 17) zur Kenntnis nimmt, so gilt es, den eigenen Wert des Alten Testaments (vgl. Dei Verbum DV 3) anzuerkennen, auch wenn es seinen vollen Sinn im Licht des Neuen Testaments erfährt und Verheißungen enthält, die sich in Jesus erfüllen. Machte nicht etwa die von Jesus gegebene gegenwartsbezogene Darlegung der jüdischen Heiligen Schrift, daß den Jüngern von Emmaus »das Herz in der Brust« brannte (Lc 24,32)?

4. Nicht nur die gemeinsame Geschichte von Christen und Juden, sondern besonders ihr Dialog muß auf die Zukunft ausgerichtet sein (vgl. KKK CEC 840), sozusagen um »memoria futuri« zu sein (Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoah, 16. März 1998; in O.R.dt. v. 3.4.1998, S. 7). Die Erinnerung an die bedauerlichen und tragischen Vorfälle der Vergangenheit kann den Weg zu einem neuen Sinn der Brüderlichkeit, Frucht der Gnade Gottes, öffnen und zum Einsatz dafür, daß der schlechte Samen des Anti-Judaismus und Anti-Semitismus nie mehr im Herzen des Menschen Wurzeln schlägt.

Israel, das Volk, das seinen Glauben auf die Verheißung Gottes an Abraham gründet: »Du wirst Stammvater einer Menge von Völkern« (Gn 17,4 vgl. Rm 4,17), verweist vor der Welt auf Jerusalem als symbolischen Ort des eschatologischen Pilger wegs der Völker, vereint im Lob des Höchsten. Mein Wunsch ist, daß am Anbruch des dritten Jahrtausends der aufrichtige Dialog zwischen Christen und Juden beitragen möge, eine neue, auf den einen, heiligen und barmherzigen Gott gegründete Zivilisation zu schaffen im Dienst einer in der Liebe versöhnten Menschheit.

Der Dialog zwischen den Religionen, dem wir in diesem Jahr des Vaters besondere Aufmerksamkeit schenken sollen, betrifft in erster Linie “unsere älteren Geschwister”, die Juden.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der Erklärung Nostra aetate über das gemeinsame geistliche Erbe von Juden und Christen nachgedacht. Es kam zu einer neuen Orientierung im Verhältnis der beiden Religionen. Diesen Weg gilt es weiterzugehen. Das Große Jubiläum des Jahres 2000 könnte Anlaß zu Begegnungen an Stätten sein, die für die monotheistischen Religionen gleichermaßen Bedeutung haben.

Bekanntlich war die Beziehung zwischen der Kirche und den jüdischen Gläubigen von Anfang an schwierig. Die Erinnerung an traurige und tragische Ereignisse in der Vergangenheit kann durch die Gnade Gottes den Weg zu einer neuen Geschwisterlichkeit eröffnen. Möge der Same von Antisemitismus und Judenhaß nie wieder Wurzeln im Herzen der Menschen schlagen.
* * * *


Mit dieser Hoffnung grüße ich alle Pilger und Besucher aus Deutschland, Österreich und Italien. Insbesondere heiße ich die Firm-gruppen aus der Schweiz willkommen. Außerdem begrüße ich die offizielle Delegation des Bundes der Europäischen Schützenbruderschaften. Gern erteile ich Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die über Radio Vatikan oder das Fernsehen mit uns verbunden sind, den Apostolischen Segen.



                                                                                    Mai 1999

Mittwoch, 5. Mai 1999


Liebe Schwestern und Brüder!

23 1. Wir vertiefen das Thema des interreligiösen Dialogs und denken heute über den Dialog mit den Muslimen nach, die »mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen« (Lumen gentium LG 16 vgl. KKK CEC 841). Die Kirche betrachtet sie mit Wertschätzung. Sie ist nämlich überzeugt, daß ihr Glaube an einen transzendenten Gott dazu beiträgt, eine neue, auf die höchsten Erwartungen des menschlichen Herzens gegründete Menschheitsfamilie aufzubauen.

Auch die Muslime blicken wie Juden und Christen auf die Gestalt Abrahams als Vorbild der bedingungslosen Unterwerfung unter die Ratschlüsse Gottes (vgl. Nostra aetate NAE 3). Nach dem Beispiel Abrahams bemühen sich die Gläubigen, Gott die Stellung in ihrem Leben zu geben, die Ihm als Ursprung, Herr, Lenker und letztem Ziel aller Wesen zukommt (vgl. Päpstl. Rat für den Interreligiösen Dialog, Botschaft an die Muslime zum Ende des Ramadan 1417/1997; O.R.dt. v. 7.2.1997, S. 4). Dieses Bereitsein und Sich-öffnen des Menschen dem Willen Gottes gegenüber zeigt sich in der Haltung des Gebets, in der sich das existenzielle Befinden jedes Menschen vor dem Schöpfer ausdrückt.

Auf der Spur von Abrahams Ergebensein in den göttlichen Willen findet sich eine Frau aus seiner Nachkommenschaft, die Jungfrau Maria, Mutter Jesu, die, besonders in der Volksfrömmigkeit, auch von den Muslimen mit Verehrung angerufen wird.

2. Mit Freude erkennen wir Christen die religiösen Werte, die wir mit dem Islam gemein haben. Ich möchte heute wiederholen, was ich vor einigen Jahren zur muslimischen Jugend in Casablanca gesagt habe: »Wir glauben an denselben Gott, den einzigen, den lebendigen, den Gott, der die Welten schafft und seine Geschöpfe zur Vollendung führt« (Ansprache bei der Begegnung mit der muslimischen Jugend im Sportstadion in Casablanca, Marokko , am Am 20 Am 1985 in Insegnamenti, VI II/2 [1985], S. Am 498 deutsch in DAS [1985], S. Am 959). Das Erbe der biblischen Offenbarungstexte spricht übereinstimmend von der Einzigkeit Gottes. Auch Jesus bestätigt diese, wenn er das Bekenntnis Israels zu seinem macht: »Der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr« (Mc 12,29 vgl. Dt 6,4-5). Diese Einzigkeit bekräftigt auch das aus dem Herzen kommende Loblied des Apostels Paulus: »Dem König der Ewigkeit, dem unvergänglichen, unsichtbaren, einzigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen« (1Tm 1,17).

Wir wissen im Licht der vollen Offenbarung in Christus, daß diese geheimnisvolle Einzigkeit nicht auf eine numerische Einzahl zurückgeführt werden kann. Das christliche Geheimnis läßt uns in der Wesens-Einheit Gottes die Personen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes betrachten: jede im Besitz der ganzen und unteilbaren göttlichen Substanz, doch die eine von der anderen aufgrund der gegenseitigen Beziehung unterschieden.

3. Die Beziehungen vermindern die göttliche Einheit nicht im geringsten, wie das 4. Konzil im Lateran (1215) erklärt: »Jede der drei Personen ist jene Wirklichkeit, d.h. göttliche Substanz, Wesenheit oder Natur: Sie […] zeugt nicht, noch wurde sie gezeugt, noch geht sie hervor […]« (DH 804). Die von den Konzilien festgelegte christliche Dreifaltigkeitslehre lehnt eindeutig jeden »Tritheismus« oder »Politheismus« ab. In diesem Sinn, d.h. hinsichtlich der einzigen göttlichen Substanz, besteht eine bedeutsame Übereinstimmung zwischen Christentum und Islam.

Diese Übereinstimmung darf jedoch nicht die Unterschiede zwischen den beiden Religionen vergessen machen. Wir wissen in der Tat, daß die Einheit Gottes sich im Geheimnis der drei göttlichen Personen ausdrückt. Da nämlich Gott Liebe ist (vgl. 1Jn 4,8), ist er von Ewigkeit her der Vater, der sich ganz gibt, indem er den Sohn zeugt, beide vereint in der Liebesgemeinschaft des Heiligen Geistes. Diese Verschiedenheit und wechselseitige Durchdringung (Perichorese) der drei göttlichen Personen ist nicht etwas zu ihrer Einheit Hinzugefügtes, sondern deren höchster und kennzeichnender Ausdruck.

Anderseits darf man nicht vergessen, daß der für das Christentum typische trinitarische Monotheismus ein Geheimnis bleibt, das der menschlichen Vernunft nicht zugänglich ist, die allerdings gerufen ist, die Offenbarung des innersten Wesens Gottes anzunehmen (vgl. KKK CEC 237).

4. Ein besonderes Zeichen der Hoffnung ist der interreligiöse Dialog, der zu einer tieferen Kenntnis und Wertschätzung des anderen führt (vgl. Päpstl. Rat für den Interreligiösen Dialog, Botschaft an die Muslime zum Ende des Ramadan 1418/1998; O.R.dt. v. 16.1.1998, S. 4). Beide Traditionen, die christliche wie die muslimische, haben eine lange Geschichte des Studiums, der philosophischen und theologischen Reflexion, der Kunst, Literatur und Wissenschaft, welche ihre Spuren in den Kulturen des Westens und des Ostens hinterlassen hat. Die Anbetung des einzigen Gottes, Schöpfers aller Menschen, ermutigt uns, in Zukunft unsere gegenseitige Kenntnis zu vertiefen.

In der heutigen Welt, die tragisch gekennzeichnet ist von der Vergessenheit auf Gott, sind Christen und Muslime aufgerufen, die Menschenwürde, die sittlichen Werte und die Freiheit stets im Geist der Liebe zu verteidigen und zu fördern. Der gemeinsame Pilgerweg zur Ewigkeit hin soll seinen Ausdruck in Gebet, Fasten und Werken der Liebe, aber auch in solidarischem Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit, für menschliche Entwicklung und Schutz der Umwelt finden. Wenn wir miteinander den Weg der Versöhnung gehen und in demütiger Ergebenheit in den Willen Gottes auf jede Form von Gewalt als Mittel zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten verzichten, werden die beiden Religionen ein Zeichen der Hoffnung setzen können und die Weisheit und Barmherzigkeit des einzigen Gottes, der die Menschheitsfamilie geschaffen hat und lenkt, in der Welt zum Leuchten bringen.

Im Rahmen des interreligiösen Dialogs denken wir heute über die Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten mit dem Islam nach.

24 Mit den Muslimen verbindet uns das Festhalten am Glauben Abrahams, die Anbetung des einzigen Schöpfergottes, sowie der Glaube an die Barmherzigkeit Gottes beim Letzten Gericht (cfr. LG LG 16 CEC 841).

Trotz des gemeinsamen Glaubens an einen einzigen Gott gibt es eine wesentliche Verschiedenheit: Wir Christen bekennen uns zur Heiligen Dreifaltigkeit. Dabei gilt es zu bedenken, daß die Trinität ein Glaubensmysterium im strengen Sinn ist: ein Geheimnis, das wir nur deshalb kennen, weil es uns Gott selbst geoffenbart hat (cfr. DS DS 3015, KKK 237).

In der Welt von heute, die unter Gottvergessenheit leidet, sollen Christen und Muslime die gemeinsamen Werte verteidigen. Auf dem Weg zum einen Gott sollen sie bei aller Verschiedenheit einander unterstützen.
* * * * *


Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Besonders heiße ich willkommen: die Eltern, Angehörigen und Bekannten der Schweizergardisten, die zur Vereidigung am 6. Mai nach Rom gereist sind. Außerdem grüße ich die Polizei-Führungsakademie der Bundesrepublik Deutschland aus Münster und die verschiedenen Musikgruppen. Euch, Euren lieben Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 12. Mai 1999


Liebe Schwestern und Brüder!

1. Von dem Erlebten noch ganz bewegt, denke ich an den Besuch in Rumänien zurück, den ich nach Gottes Willen in den vergangenen Tagen machen konnte. Es handelt sich um ein Ereignis von historischer Tragweite, denn es war meine erste Reise in ein Land, wo die Christen mehrheitlich Orthodoxe sind. Ich danke Gott, der es in seiner Vorsehung gefügt hat, daß mein Besuch in zeitlicher Nähe zum Jahr 2000 stattfand. Er bot so den Katholiken und den orthodoxen Mitchristen die Gelegenheit, gemeinsam eine Geste von besonderer Bedeutung auf dem Weg zur vollen Einheit zu vollziehen, in dem Geist, der das bevorstehende Große Jubiläum kennzeichnet.

Es ist mein Wunsch, noch einmal allen Dank zu sagen, die mir diese apostolische Pilgerreise ermöglicht haben. Für die freundliche Einladung danke ich dem Präsidenten Rumäniens, Herrn Emil Constantinescu, dessen Zuvorkommenheit ich sehr geschätzt habe. Mit brüderlicher Zuneigung danke ich Seiner Seligkeit Teoctist, Patriarch der rumänischen orthodoxen Kirche, und dem Hl. Synod: Die große Herzlichkeit, mit der sie mich empfangen haben, die aufrichtige Zuneigung, die aus den Worten und dem Gesicht eines jeden sprach, haben sich meinem Herzen unauslöschlich eingeprägt. Ich danke auch den griechisch-katholischen und den lateinischen Bischöfen, mit denen ich die Bande unserer tiefen Gemeinschaft in der Liebe Christi bestärken konnte.

Schließlich danke ich den Behörden, den Organisatoren und allen, die für einen bestmöglichen Verlauf gesorgt haben. Wenn man bedenkt, wie die politische Situation bis vor nicht vielen Jahren gewesen ist, wie sollte man dann in diesem Ereignis nicht ein beredtes Zeichen des Wirkens Gottes in der Geschichte sehen? Einen Papstbesuch ins Auge zu fassen wäre damals völlig undenkbar gewesen, doch der Herr, der die Wege des Menschen lenkt, hat möglich gemacht, was menschlich unmachbar schien.

2. Mit dieser Pilgerreise wollte ich dem rumänischen Volk und seinen christlichen Wurzeln die Ehre erweisen, Wurzeln, die nach der Überlieferung auf die Verkündigung des Evangeliums durch den Apostel Andreas, Bruder des Simon Petrus, zurückreichen. Die Menschen haben das verstanden und haben sich in Massen längs der Straßen und zu den Veranstaltungen eingefunden. Im Lauf der Jahrhunderte hat der Saft der christlichen Wurzeln eine ununterbrochene Ader heiligmäßigen Lebens mit zahlreichen Märtyrern und Bekennern des Glaubens genährt. Dieses geistliche Erbe wurde in unserem Jahrhundert von den vielen Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien aufgenommen, die während der langen und harten kommunistischen Herrschaft ihr Zeugnis für Christus gegeben und dafür mutig Folter, Gefängnis und manchmal sogar den Tod auf sich genommen haben.

25 Mit welcher Ergriffenheit habe ich an den Gräbern von Kardinal Iuliu Hossu und von Bischof Vasile Aftenie verweilt, die Opfer der Verfolgung während des diktatorischen Regimes gewesen sind. Ehre sei dir, du Kirche Gottes in Rumänien! Du hast viel gelitten für die Wahrheit, und die Wahrheit hat dich befreit.

Die Erfahrung des Martyriums hat Christen aus den verschiedenen in Rumänien anwesenden Konfessionen vereint. Ein einziges Zeugnis haben Orthodoxe, Katholiken und Protestanten mit dem Opfer ihres Lebens für Christus abgelegt. Aus dem Heroismus dieser Märtyrer kommt Ermutigung zu Eintracht und Versöhnung, um die noch vorhandenen Spaltungen zu überwinden.

3. Diese Reise gab mir die Gelegenheit, zu erfahren, welcher Reichtum es ist, als Christen mit den beiden »Lungenhälften« der Tradition des Ostens und des Westens zu atmen. Ich wurde mir dessen bewußt bei den feierlichen und eindrucksvollen liturgischen Anlässen: So hatte ich die Freude, der Eucharistiefeier nach griechisch-katholischem Ritus vorzustehen; ich nahm an der Göttlichen Liturgie teil, die der Patriarch in rumänisch-byzantinischem Ritus für unsere orthodoxen Brüder und Schwestern zelebrierte, und konnte mit ihnen beten; schließlich feierte ich die Messe im römischen Ritus mit den Gläubigen der lateinischen Kirche.

Während des ersten dieser Anlässe zum feierlichen und innigen Gebet habe ich der in den Jahren der Verfolgung hart geprüften griechisch-katholischen Kirche die Ehre erwiesen und des 300jährigen Bestehens ihrer Union mit Rom im Jahr 2000 gedacht. Symbol des heroischen Widerstandes dieser Kirche ist der verehrte Kardinal Alexandru Todea, den das Regime sechzehn Jahre im Gefängnis und siebenundzwanzig unter Zwangsaufenthalt hielt. Trotz des vorgerückten Alters und der Krankheit konnte er nach Bukarest kommen: Ihn zu umarmen war eine der größten Freuden dieser Pilgerreise.

4. Besonders ersehnt und bedeutungsreich war die Begegnung mit Patriarch Teoctist und dem Hl. Synod der rumänischen orthodoxen Kirche. Am Samstag nachmittag wurde ich von ihnen mit großer Herzlichkeit im Patriarchat empfangen, und ich konnte bei Seiner Seligkeit und den anderen Mitgliedern des Hl. Synods brüderliche Verständnisbereitschaft und den aufrichtigen Wunsch nach voller Gemeinschaft entsprechend dem Willen des Herrn feststellen. Bei dieser Gelegenheit wollte ich die rumänische orthodoxe Kirche, die sich an einem wichtigen Werk der Erneuerung befindet, der Zuwendung und Zusammenarbeit seitens der katholischen Kirche versichern. Brüderliche Liebe ist die Seele des Dialogs, und das ist der Weg, um die Hindernisse und Schwierigkeiten zu überwinden, die der vollen Einheit unter den Christen noch entgegenstehen. Gott hat bereits Wunderbares auf dem Weg der Versöhnung vollbracht: Es gilt nun, den Weg mit zuversichtlichem Schwung weiterzugehen, denn Europa und die Welt brauchen mehr denn je das sichtbare Zeugnis der Brüderlichkeit unter den Christgläubigen.

In diesem Licht verspüre ich das Bedürfnis, der rumänischen orthodoxen Kirche noch einmal zu danken, da sie mir durch ihre Einladung die Gelegenheit gegeben hat, wesentliche Aspekte des Petrusamtes gemäß der von mir in der Enzyklika Ut unum sint aufgezeigten Perspektive zu verwirklichen.

5. Der Einsatz für die Ökumene setzt die dem Nachfolger Petri zukommende Aufgabe des Hirten der katholischen Kirche nicht herab, sondern bekräftigt sie vielmehr. Ich habe dieses mir aufgetragene Amt vor allem in der Begegnung mit der Rumänischen Bischofskonferenz ausgeübt, die sich aus Bischöfen des lateinischen Ritus und des griechisch-katholischen Ritus zusammensetzt; ihr Vorsitzender ist Msgr. Lucian Muresan, Erzbischof von Fa¡ga¡ras und Alba Julia. An sie richtete ich die Aufforderung, unermüdlich das Evangelium zu verkünden, Baumeister der Gemeinschaft zu sein, Sorge zu tragen für die Ausbildung der Priester und der vielen zum Ordensleben Berufenen sowie für die Laienbildung. Ich habe sie ermutigt, die Jugend- und Schulpastoral zu fördern, für die Verteidigung der Familie, den Schutz des Lebens und den Dienst an den Armen zu arbeiten.

6. Die rumänische Nation ist mit der Evangelisierung entstanden, und im Evangelium wird sie das Licht und die Kraft finden, um ihre Berufung zu verwirklichen, Kreuzungspunkt des Friedens im Europa des nächsten Jahrtausends zu sein.

Das Jahr 1989 hat auch für diese geliebte Nation einen Augenblick der Wende bedeutet. Mit dem plötzlichen Zusammenbruch der Diktatur hat ein neuer Frühling der Freiheit begonnen, und das Land ist so zu einem Bauplatz der Demokratie geworden, die es mit Geduld und Rechtschaffenheit zu errichten gilt. Im Schöpfen aus seinen ursprünglichen kulturellen und geistlichen Quellen hat Rumänien Kultur und Werte sowohl der lateinischen Zivilisation - wie schon die Sprache beweist - als auch der byzantinischen Zivilisation mit vielen slawischen Elementen geerbt. Seine Geschichte und geographische Lage machen es zu einem integrierenden Bestandteil des neuen Europas, das nach dem Fall der Berliner Mauer allmählich im Aufbau begriffen ist. Die Kirche will diesen Entwicklungs- und demokratischen Integrationsprozeß im Geist tatkräftiger Zusammenarbeit unterstützen.

7. Im Gedenken daran, daß Rumänien nach verbreitetem Volksbrauch »Garten Marias« genannt wird, möchte ich die heilige Jungfrau in diesem ihr geweihten Monat bitten, in den Christen den Wunsch nach der vollen Einheit neu zu entfachen, um miteinander Ferment des Evangeliums zu sein. Ich bitte Maria darum, daß das geliebte rumänische Volk in den geistlichen und sittlichen Werten wachse, auf denen jede menschengerechte und auf das Gemeinwohl bedachte Gesellschaft gründet. Ihr, der himmlischen Mutter der Hoffnung, vertraue ich vor allem die Familien und die Jugend an, in der die Zukunft des vielgeliebten Volkes Rumäniens liegt.

Erst vor wenigen Tagen hat Gott mir die Gnade geschenkt, Rumänien zu besuchen. Es war eine historische Reise. Denn zum erstenmal kam ich in ein Land, in dem vorwiegend orthodoxe Christen leben.

26 Wenn ich noch einmal die verschiedenen Gottesdienste und Begegnungen vor meinem inneren Auge vorüberziehen lasse, dann kommt mir ein Vergleich in den Sinn: Rumänien ist wie eine Werkstatt.

Zunächst denke ich an eine Werkstatt der Ökumene. Ich habe vor Ort erleben dürfen, was es bedeutet, wenn Christen mit beiden Lungen atmen. Zugleich spürte ich, daß gerade die Ökumene das Petrusamt als Dienst an der Einheit braucht.

Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs vor knapp zehn Jahren ist Rumänien auch eine Werkstatt der Demokratie. An diesem hohen und zerbrechlichen Gut gilt es unermüdlich zu arbeiten. Die Kirche ist bereit, den Prozeß der Demokratisierung und Integration in das entstehende neue Europa zu unterstützen. Dabei arbeitet sie mit den Orthodoxen und Protestanten eng zusammen.

In der Tradition des Volkes heißt Rumänien auch "Garten Mariens". So erflehe ich die Fürsprache der Gottesmutter besonders für die Familien und die jungen Menschen dieses geschätzten Landes. Mögen sie mithelfen, daß Rumänien immer mehr ein Garten wird, in dem die geistlichen und moralischen Werte zum Blühen kommen.
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In dankbarer Rückschau auf meine jüngste Pastoralreise grüße ich die Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Besonders heiße ich die Jugend- und Schülergruppen willkommen. Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die über Radio Vatikan oder das Fernsehen mit uns verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 19. Mai 1999


Liebe Schwestern und Brüder!

1. Das Buch der Apostelgeschichte berichtet von einer Rede des hl. Paulus an die Athener, die sich von großer Aktualität für den Areopag des religiösen Pluralismus unserer Zeit erweist. Um den Gott Jesu Christi vorzustellen, geht Paulus von der Religiosität seiner Zuhörer aus mit den anerkennenden Worten: »Athener, nach allem, was ich sehe, seid ihr besonders fromme Menschen. Denn als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: Einem unbekannten Gott. Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch« (Ac 17,22-23).

Auf meiner geistlichen und pastoralen Pilgerreise durch die Welt von heute habe ich wiederholt die Wertschätzung der Kirche für alles, was in den Religionen der Völker »wahr und heilig ist«, zum Ausdruck gebracht. Auf Hinweis des Konzils fügte ich hinzu, daß die christliche Wahrheit dazu dient, die »geistlichen und sittlichen Güter und auch die sozial-kulturellen Werte, die sich bei ihnen finden«, zu »fördern« (Nostra aetate NAE 2). Die allumfassende, in Jesus Christus of fenbar gewordene Vaterschaft Gottes drängt zum Dialog auch mit den Religionen außerhalb des abrahamitischen Stammes. Dieser Dialog gestaltet sich reich an Anreizen und Herausforderungen, wenn man zum Beispiel an die tief von religiösem Geist durchdrungenen asiatischen Kulturen oder an die traditionellen afrikanischen Religionen, die für viele Völker eine Quelle der Weisheit und des Lebens darstellen, denkt.

2. Grundlage der Begegnung der Kirche mit den Weltreligionen ist die Unterscheidung ihres besonderen Charakters, d.h. der Art und Weise, wie sie sich dem Geheimnis des Erlösergottes, der endgültigen Wirklichkeit des menschlichen Lebens, annähern. Jede Religion stellt sich in der Tat als eine Suche nach dem Heil dar und bietet Wege an, um dieses zu erlangen (vgl . KKK CEC 843). Voraussetzung des Dialogs ist die Gewißheit, daß der Mensch, nach dem Bild Gottes geschaffen, auch bevorzugter »Ort« seiner heilswirkenden Gegenwart ist.

27 Das Gebet als verehrende Anerkennung Gottes, Danksagung für seine Gaben, Bitte um Hilfe ist ein besonderer Weg der Begegnung vor allem mit jenen Religionen, die, wenn sie auch nicht das Geheimnis der Vaterschaft Gottes erkannt haben, »sozusagen ihre Arme zum Himmel ausstrecken« (Paul VI. , Evangelii nuntiandi EN 53). Schwieriger ist hingegen der Dialog mit einigen Strömungen der zeitgenössischen Religiosität, bei denen das Gebet letztlich oft eine Ausdehnung des Lebenspotentials ist, die mit dem Heil verwechselt wird.

3. Verschieden sind die Formen und Ebenen des Dialogs des Christentums mit den anderen Religionen, angefangen beim Dialog des Lebens, in dem »Menschen in einer offenen und nachbarschaftlichen Atmosphäre zusammenleben wollen, indem sie Freud und Leid, ihre menschlichen Probleme und Beschwernisse miteinander teilen« (Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog / Kongregation für die Evangelisierung der Völker: Dialog und Verkündigung - Überlegungen und Orientierungen zum Interreligiösen Dialog und zur Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi [19. Mai 1991], Nr. 42; DAS [1991], S. 1504).

Besondere Bedeutung kommt dem Dialog des Handelns zu, wobei die Erziehung zum Frieden und zur Achtung vor der Umwelt, die Solidarität mit der Welt des Leidens sowie die Förderung der sozialen Gerechtigkeit und einer umfassenden Entwicklung der Völker hervorzuheben sind. Die christliche Liebe, die keine Grenzen kennt, be-gegnet gerne dem solidarischen Zeugnis der Mitglieder anderer Religionen und freut sich über das von ihnen vollbrachte Gute.

Dann gibt es den theologischen Dialog, bei dem Spezialisten ihr Verständnis des jeweiligen religiösen Erbes zu vertiefen und dessen geistliche Werte anzuerkennen suchen. Die Treffen unter Fachleuten der verschiedenen Religionen dürfen sich jedoch nicht auf die Suche nach einem kleinsten gemeinsamen Nenner beschränken. Ihr Ziel ist es, einen mutigen Dienst an der Wahrheit zu leisten und sowohl Bereiche der Übereinstimmung als auch grundlegende Unterschiede herauszuarbeiten im ehrlichen Bemühen, Vorurteile und Mißverständnisse zu überwinden.

4. Auch der Dialog der religiösen Erfahrung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Übung der Kontemplation kommt dem großen Durst nach Innerlichkeit entgegen, welcher den Menschen auf geistlicher Suche eigen ist, und hilft den Glaubenden, tiefer in das Geheimnis Gottes einzudringen. Einige aus den großen orientalischen Religionen stammende Praktiken üben auf den heutigen Menschen eine gewisse Anziehung aus. Auf diese müssen die Christen eine geistliche Unterscheidung anwenden, um niemals den Sinn des Gebets aus dem Blick zu verlieren, wie er von der Bibel über die ganze Heilsgeschichte hinweg erläutert wird (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre: Schreiben über einige Aspekte der christlichen Meditation [15. Oktober 1989]; AAS 82 [1990], II, S. 362-379).

Diese gebührliche Unterscheidung behindert den inter religiösen Dialog nicht. Tatsächlich öffnen die seit Jahren stattfindenden Begegnungen mit monastischen Kreisen anderer Religionen, die von Herzlichkeit und Freundschaft geprägt sind, Wege, um spirituellen Reichtum untereinander zu teilen, »was Gebet und Betrachtung, Glaube und Suche nach Gott oder dem Absoluten angeht« (Dialog und Verkündigung, Nr. 42; a.a.O.). Doch darf Mystik nie als Vorwand gebraucht werden, um im Namen einer Erfahrung, die den Wert der Offenbarung Gottes in der Geschichte herabsetzt, einem religiösen Relativismus Vorschub zu leisten. Als Jünger Christi verspüren wir die Dringlichkeit und die Freude, zu bezeugen, daß gerade in Ihm Gott sich kundgetan hat, wie uns das Johannesevangelium sagt: »Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht« (Jn 1,18).

Davon müssen wir Zeugnis geben ohne jede Zurückhaltung, aber auch in dem Bewußtsein, daß das Wirken Christi und seines Geistes bereits geheimnisvoll anwesend ist in denen, die aufrichtig ihre religiöse Erfahrung leben. Und zusammen mit allen wahrhaft religiösen Menschen geht die Kirche ihren Pilgerweg durch die Geschichte auf die immerwährende Kontemplation Gottes im Glanz seiner Herrlichkeit zu.

Wiederholt habe ich betont, daß die Kirche das Wahre und das Heilige in den Religionen der Völker schätzt. Dabei ist die christliche Wahrheit bei der Entwicklung der geistlichen, moralischen und sozio-kulturellen Werte der anderen Religionen behilflich. Die universale Vaterschaft Gottes, die uns Jesus Christus geoffenbart hat, drängt zum Dialog untereinander.

Jede Religion ist eine Suche nach dem Heil, das von Gott kommt und nach dem der Mensch sich sehnt. Dafür gibt es viele Wege. Voraussetzung für den Dialog unter den Religionen ist jedoch die Gewißheit, daß der Mensch als Bild und Gleichnis Gottes geschaffen und ein bevorzugter “Ort” seiner erlösenden Gegenwart ist. Christus und sein Geist sind auf geheimnisvolle Weise gegenwärtig in den Menschen, die ihre Religion aufrichtig und ehrlich leben.

In den letzten Jahren konnten wir gegenseitig die jeweiligen Schätze der anderen teilen. Vielfältig sind die Ebenen des Austausches. Es gibt den Dialog des Lebens und der Tat, der Theologie und der religiösen Erfahrung
* * * *


28 Sehr herzlich grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Insbesondere heiße ich die Berufsunteroffiziersschule der Schweizer Armee willkommen. Gern erteile ich Euch und Euren Lieben daheim sowie allen, die über Radio Vatikan oder das Fernsehen mit uns verbunden sind, den Apostolischen Segen.



Mittwoch, 26. Mai 1999


Liebe Schwestern und Brüder!

1. Das Thema, mit dem wir uns in diesem letzten Vorbereitungsjahr für das Jubiläum befassen, nämlich der Weg der Menschheit zum Vater, regt uns an, über die eschatologische Perspektive, d.h. die letzte Bestimmung der Menschheitsgeschichte, zu meditieren. Zumal in unserer Zeit geht alles mit unglaublicher Geschwindigkeit vor sich, sei es dank der Errungenschaften von Wissenschaft und Technik, sei es aufgrund des Einflusses der Medien. So stellt man sich spontan die Frage, was das Schicksal und das letzte Ziel der Menschheit sei. Eine besondere Antwort auf diese Fragestellung bietet uns das Wort Gottes, das den Heilsplan darlegt, den der Vater in der Geschichte durch Christus und mit dem Wirken des Geistes verwirklicht.

Wesentlich ist im Alten Testament die Bezugnahme auf den Exodus mit seiner Ausrichtung auf den Einzug ins Gelobte Land. Der Exodus ist nicht bloß ein geschichtliches Ereignis, sondern Offenbarung eines Heilswirkens Gottes, das sich fortschreitend verwirklicht. Das wollen die Propheten, die die Gegenwart und Zukunft Israels beleuchten, aufzeigen.

2. Zur Zeit des Exils kündigen die Propheten einen neuen Exodus, eine Rückkehr ins Gelobte Land, an. Mit diesem neuen Geschenk des Landes will Gott nicht nur sein unter den Heiden zerstreutes Volk wieder zusammenführen, sonder n einen jeden in seinem Herzen, d.h. in seiner Erkenntnis-, Liebes- und Handlungsfähigkeit, umwandeln: »Ich schenke ihnen ein anderes Herz und schenke ihnen einen neuen Geist. Ich nehme das Herz von Stein aus ihrer Brust und gebe ihnen ein Herz von Fleisch, damit sie nach meinen Gesetzen leben und auf meine Rechtsvorschriften achten und sie erfüllen. Sie werden mein Volk sein, und ich werde ihr Gott sein« (Ez 11,19-20 vgl. Ez 36,26-28).

Darauf bedacht, die im Bund gegebenen Vorschriften zu befolgen, wird das Volk in einer Umwelt leben können, die der aus den Händen Gottes im Augenblick der Schöpfung hervorgegangenen ähnlich ist: »Dieses verödete Land ist wie der Garten Eden geworden; die zerstörten, verödeten, vernichteten Städte sind wieder befestigt und bewohnt« (ebd. 36,35). Es geht hier um einen neuen Bund, der sich verwirklicht im Befolgen eines Gesetzes, das ins Herz geschrieben wurde (vgl. Jer Jr 31,31-34).

Dann weitet sich die Perspektive aus mit der Verheißung einer neuen Erde. Das endgültige Ziel ist ein neues Jerusalem, wo jede Trübsal schwindet, wie wir im Buch Jesaja lesen: »Denn schon erschaffe ich einen neuen Himmel und eine neue Erde. […] ich mache aus Jerusalem Jubel und aus seinen Einwohnern Freude. Ich will über Jerusalem jubeln und mich freuen über mein Volk. Nie mehr hört man dort lautes Weinen und lautes Klagen« (Is 65,17-19).

3. Die Offenbarung nimmt diese Sicht wieder auf. Johannes schreibt: »Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr. Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat« (Ap 21,1f.).

Der Übergang zu diesem Zustand neuer Schöpfung erfordert ein Streben nach Heiligkeit, dem das Neue Testament absolute Radikalität verleiht, wie im zweiten Brief des Petrus zu lesen ist: »Wenn sich das alles in dieser Weise auflöst: wie heilig und fromm müßt ihr dann leben, den Tag Gottes erwarten und seine Ankunft beschleunigen! An jenem Tag wird sich der Himmel im Feuer auflösen, und die Elemente werden im Brand zerschmelzen. Dann erwarten wir, seiner Verheißung gemäß, einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt« (2P 3,11-13).

4. Die Auferstehung Christi, seine Himmelfahrt und die Ankündigung seiner Wiederkunft eröffnen neue eschatologische Perspektiven. So sagt Jesus in der Rede nach dem Abendmahl: »Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten […] Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin« (Jn 14,2-3). Und später schreibt Paulus an die Thessalonicher: »Der Herr selbst wird vom Himmel herabkommen, wenn der Befehl ergeht, der Erzengel ruft und die Posaune Gottes erschallt. Zuerst werden die in Christus Verstorbenen auferstehen; dann werden wir, die Lebenden, die noch übrig sind, zugleich mit ihnen auf den Wolken in die Luft entrückt, dem Herrn entgegen. Dann werden wir immer beim Herrn sein« (1Th 4,16-17).


Generalaudienz 1999 22