Generalaudienz 1999 60


Mittwoch, 20. Oktober 1999


Liebe Schwestern und Brüder!

1. »Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder haßt, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht. Und dieses Gebot haben wir von ihm: Wer Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben« (1Jn 4,20-21).

Die theologale Tugend der Liebe, von der wir in der letzten Katechese gesprochen haben, drückt sich in den zwei Richtungen aus: zu Gott und zum Nächsten. In dem einen wie im anderen Aspekt ist sie Frucht der Dynamik des Lebens der Dreifaltigkeit in uns.

Die Liebe hat in der Tat ihren Ursprung im Vater, wird im Pascha des gekreuzigten und auferstandenen Sohnes vollends offenbar und wird durch den Heiligen Geist in uns ausgegossen. In der Liebe macht uns Gott seiner eigenen Liebe teilhaftig.

61 Wenn man wirklich mit der Liebe Gottes liebt, liebt man auch den Bruder, so wie er ihn liebt. Darin besteht die große Neuigkeit des Christentums: Man kann Gott nicht lieben, wenn man nicht die Brüder liebt und mit ihnen eine innige, dauerhafte Liebesgemeinschaft aufbaut.

2. Die Lehre der Heiligen Schrift ist in dieser Hinsicht unmißverständlich. Die Liebe zu den eigenen Stammesgenossen wird schon den Israeliten zum Gebot gemacht: »An den Kindern deines Volkes sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (
Lv 19,18). Wenn dieses Gebot in einem ersten Augenblick allein auf die Israeliten beschränkt zu sein scheint, so wird es doch allmählich in immer weiterem Sinn verstanden und schließt auch die Fremden ein, die sich bei ihnen aufhalten, eingedenk dessen, daß Israel selbst Fremder in Ägypten gewesen ist (vgl. Lev Lv 19,34 Dt 10,19).

Im Neuen Testament wird diese Liebe in einem deutlich universalen Sinn zum Gebot: Sie geht von einem Verständnis des Nächsten aus, das keine Grenzen kennt (vgl. Lc 10,29-37) und auch auf die Feinde ausgedehnt ist (vgl. Mt 5,43-47). Wichtig ist es, darauf hinzuweisen, daß die Liebe zum Nächsten als Nachahmung und Ausdehnung der barmherzigen Güte des himmlischen Vaters gesehen wird, der für die Bedürfnisse aller sorgt und keine Unterschiede zwischen den Menschen macht (vgl. Mt 5,45). Die Liebe zum Nächsten bleibt jedoch mit der Liebe zu Gott verbunden: Das zweifache Liebesgebot bildet in der Tat die Synthese und den Höhepunkt des Gesetzes und der Propheten (vgl. Mt 22,40). Nur wer beide Gebote in die Praxis umsetzt, ist nicht fern vom Reich Gottes, wie Jesus selbst in seiner Antwort an den Schriftgelehrten, der ihn danach gefragt hatte, unterstreicht (vgl. Mc 12,28-34).

3. Diesem Weg folgend, der die Liebe zum Nächsten mit der zu Gott verbindet und beide mit dem Leben Gottes in uns, ist es leicht zu verstehen, wieso die Liebe im Neuen Testament als eine »Frucht« des Geistes dargestellt wird, ja als die erste der Gaben, die der hl. Paulus im Brief an die Galater aufzählt: »Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung« (Ga 5,22-23).

In der theologischen Tradition hat man unterschieden zwischen den theologalen »Tugenden«, den »Gaben« und den »Früchten« des Heiligen Geistes, wobei diese zugleich in Wechselbeziehung zueinander treten (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche CEC 1830-1832). Während die »Tugenden« bleibende Eigenschaften sind, die dem Geschöpf im Hinblick auf die übernatürlichen Werke, die es vollbringen soll, verliehen werden, und die »Gaben« die sittlichen wie die theologalen Tugenden vervollkommnen, sind die »Früchte« des Geistes tugendhafte Handlungen, die die Person mit Leichtigkeit, gewohnheitsmäßig und gerne vollbringt (vgl. Thomas von Aquin, Summa theologiae, I-II, q. 70 a. 1, ad 2; Die deutsche Thomas-Ausgabe, Bd. 11: Grundlagen der menschlichen Handlung I-II, Salzburg/ Leipzig 1940, S. 49-70). Diese Unterschiede stehen dem, was Paulus sagt, nicht entgegen, wenn er in der Einzahl von der »Frucht« des Geistes spricht. Der Apostel will nämlich zeigen, daß die Frucht par excellence die göttliche Liebe selbst ist, welche jeden tugendhaften Akt beseelt. Wie das Licht der Sonne sich in einer endlosen Farbenpalette ausdrückt, so zeigt sich die Liebe in vielfachen Früchten des Geistes.

4. In diesem Sinn wird im Brief an die Kolosser gesagt: »Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht« (Col 3,14). Das Hohelied der Liebe, das im ersten Brief an die Korinther enthalten ist (vgl. 1Co 13), preist diesen Vorrang der Liebe vor allen anderen Gaben (vgl. V. 1-3), ja selbst vor Glaube und Hoffnung (vgl. V. 13). Von ihr sagt der Apostel Paulus: »Die Liebe hört niemals auf« (V. 8).

Die Liebe zum Nächsten hat christologischen Gehalt, denn sie muß dem Geschenk gleichwerden, zu dem Christus sein Leben gemacht hat: »Daran haben wir die Liebe erkannt, daß Er sein Leben für uns hingegeben hat. So müssen auch wir für die Brüder das Leben hingeben« (1Jn 3,16). Eine nach dem Maß der Liebe Christi bemessene Liebe darf sich »das neue Gebot« nennen, woran man die wahren Jünger erkennen kann: »Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt« (Jn 13,34-35). Die christologische Bedeutung der Nächstenliebe wird bei der Wiederkunft Christi aufstrahlen. Denn genau dann wird man feststellen, daß das Maß der Beurteilung der Anhängerschaft Christi gerade die tägliche, sichtbare Übung der Liebe an den bedürftigsten Brüdern ist: »Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben …« (vgl. Mt 25,31-46).

Nur wer sich vom Nächsten und seinen Nöten betroffen machen läßt, zeigt konkret seine Liebe zu Jesus. Verschlossenheit und Gleichgültigkeit gegenüber dem »anderen« ist Verschlossenheit gegenüber dem Heiligen Geist, Vergessenheit auf Christus und Ablehnung der universalen Liebe des Vaters.

Was ist die große Neuheit des Christentums? Diese Frage wird immer wieder gestellt.

Ich habe dafür eine kurze Antwort: Gottes- und Nächstenliebe gehören eng zusammen. Man kann Gott nicht lieben, wenn man die Brüder und Schwestern nicht liebt.

Was im Alten Testament schon anklang, das verkündet und lebt Jesus Christus im Neuen Bund auf die ganze Menschheit hin. Die beiden Liebesgebote bilden sowohl die Zusammenfassung als auch den Gipfel des Gesetzes und der Propheten.

62 Im "neuen Gebot" liegt die Neuheit, die Jesus Christus uns gebracht hat. Er hat nicht nur von der Liebe geredet, er hat sie gelebt bis zur Hingabe seiner selbst. Seit der Gottmensch auf dieser Erde gelebt hat, steht unser alltäglicher Einsatz als Christen unter der Verheißung: "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan".
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Das "neue Gebot" der Liebe möge der Maßstab für alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sein, die zu dieser Audienz gekommen sind.

Besonders grüße ich die Gruppe der Diözesanwallfahrt Bozen-Brixen, außerdem die Franziskanerinnen von Salzkotten, die an einer geistlichen Erneuerung teilnehmen. Auch heiße ich die Gruppe der Bank für Sozialwirtschaft sowie den Dreikönigsverein willkommen. Nicht vergessen möchte ich schließlich die Schulleiter und Religionslehrer aus dem Bistum Hildesheim sowie die Schüler- und Jugendgruppen, besonders den Kinderchor Dinklage. Gern erteile ich Euch, Euren Lieben daheim und den über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbundenen Gläubigen den Apostolischen Segen.





Mittwoch, 27. Oktober 1999

Liebe Schwestern und Brüder!


1. Das II. Vatikanische Konzil unterstreicht eine spezifische Dimension der Liebe, die uns dazu bringt, uns nach dem Beispiel Christi vor allem den Allerärmsten zuzuwenden: »Christus wurde vom Vater gesandt, ›den Armen frohe Botschaft zu bringen, zu heilen, die bedrückten Herzens sind‹ (Lc 4,18), ›zu suchen und zu retten, was verloren war‹ (Lc 19,10). In ähnlicher Weise umgibt die Kirche alle mit ihrer Liebe, die von menschlicher Schwachheit angefochten sind, ja in den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein Armer und Leidender war. Sie müht sich, deren Not zu erleichtern, und sucht Christus in ihnen zu dienen« (Lumen gentium LG 8).

Wir wollen heute die Lehre der Heiligen Schrift über die Gründe der vorrangigen Liebe zu den Armen vertiefen.

2. Gleich zu Anfang sei bemerkt, daß vom Alten zum Neuen Testament hin ein Fortschritt in der Bewertung der Armen und ihrer Lage stattfindet. Im Alten Testament kommt oft die allgemein menschliche Überzeugung zum Ausdruck, wonach Reichtum besser ist als Armut und der gerechte Lohn ist für einen redlichen und gottesfürchtigen Menschen: »Wohl dem Mann, der den Herrn fürchtet und ehrt und sich herzlich freut an seinen Geboten […] Wohlstand und Reichtum füllen sein Haus« (Ps 112,1 Ps 112,3). Armut wird als Strafe aufgefaßt, die den trifft, der den weisheitlichen Rat zurückweist (vgl. Pr 13,18).

Aus einer anderen Sicht jedoch werden die Armen zum Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit, und zwar insofern sie Opfer eines abartigen Unrechts sind. Berühmt sind die Schimpfreden der Propheten gegen die Ausbeutung der Armen. Der Prophet Amos (vgl. Am Am 2,6-16) stellt die Unterdrückung der Armen unter die Anklagepunkte gegen Israel: »… weil sie den Unschuldigen für Geld verkaufen und den Armen für ein Paar Sandalen, weil sie die Kleinen in den Staub treten und das Recht der Schwachen beugen« (ebd., V. 6-7). Die Verbindung von Armut und Unrecht wird auch bei Jesaja hervorgehoben: »Weh denen, die unheilvolle Gesetze erlassen und unerträgliche Vorschriften machen, um die Schwachen vom Gericht fernzuhalten und den Armen meines Volkes ihr Recht zu rauben« (Is 10,1-2).

Dieser Zusammenhang erklärt auch die Vielzahl von Vorschriften zum Schutz der Armen und derer, die sozial am schwächsten sind: »Ihr sollt keine Witwe oder Waise ausnützen. Wenn du sie ausnützt und sie zu mir schreit, werde ich auf ihren Klageschrei hören« (Ex 22,21-22 vgl. Spr Pr 22,22-23 Si 4,1-10). Die Armen verteidigen heißt Gott ehren, den Vater der Armen. Daher ist die Großzügigkeit ihnen gegenüber gerechtfertigt und wird empfohlen (vgl. Dt 15,1-11 Dt 24,10-15 Pr 14,21 Pr 17,5).

63 Im Lauf der fortschreitenden Vertiefung des Themas der Armut nimmt diese einen religiösen Wert an. Gott spricht von »seinen« Armen (vgl. Is 49,13), die nach und nach mit dem »Rest von Israel« identifiziert werden, ein demütiges und armes Volk nach den Worten des Propheten Zefanja (vgl. Zef So 3,12). Auch vom künftigen Messias heißt es, daß er ein Herz für die Armen und Unterdrückten hat, wie es bei Jesaja in dem bekannten Text über den Reis gesagt wird, der aus dem Baumstumpf Jesajas hervorwächst: »Er richtet die Hilflosen gerecht und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist« (Is 11,4).

3. Und so wird im Neuen Testament den Armen die frohe Botschaft von der Befreiung verkündet, wie Jesus selbst betont, wenn er die Prophezeiung aus dem Buch Jesaja auf sich bezieht: »Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe« (Lc 4,18 vgl. Jes Is 61,1-2).

Man muß die innere Haltung des Armen annehmen, um am »Himmelreich« teilzuhaben (vgl. Mt 5,3 Lc 6,20). Im Gleichnis vom Festmahl werden die Armen zusammen mit den Krüppeln, den Blinden und den Lahmen, also den am meisten leidenden und ausgegrenzten sozialen Gruppen, zu Tisch geladen (vgl. Lc 14,21). Der hl. Jakobus sagt, Gott hat »die Armen in der Welt auserwählt, um sie durch den Glauben reich und zu Erben des Königreichs zu machen, das er denen verheißen hat, die ihn lieben« (Jc 2,5).

4. Die »evangelische« Armut schließt immer eine große Liebe zu den Ärmsten dieser Welt ein. In diesem dritten Vorbereitungsjahr auf das Große Jubiläum sollen wir Gott neu als fürsorgenden Vater entdecken, der sich über das menschliche Leiden beugt, um die Betroffenen davon zu erlösen. Auch unsere Liebe muß zum Miteinander-Teilen und zur menschlichen Förderung, verstanden als Gesamtwachstum jeder Person, werden.

Die Radikalität des Evangeliums hat viele Jünger Jesu entlang der Geschichte auf die Suche nach der Armut getrieben bis zu dem Punkt, die eigenen Güter zu verkaufen und den Erlös den Armen zu geben. Die Armut wird hier zu einer Tugend, die nicht nur das Los des Armen erleichtert, sondern darüber hinaus zu einem geistlichen Weg wird, dank dessen er sich wahren Reichtum verschaffen kann, einen Schatz im Himmel, der nicht abnimmt (vgl. Lc 12,32-34). Materielle Armut ist niemals ein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um Christus nachzufolgen, über den Paulus den Korinthern schreibt: »Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen« (2Co 8,9).

5. Ich kann es hier nicht unterlassen, ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, daß die Armen die Herausforderung von heute darstellen, vor allem für die wohlhabenden Völker unseres Planeten, auf dem Millionen Menschen in unmenschlichen Bedingungen leben und buchstäblich an Hunger sterben. Diesen Brüdern Gott als Vater zu verkünden ist nicht möglich ohne die Verpflichtung, im Namen Christi am Aufbau einer gerechteren Gesellschaft mitzuarbeiten.

Schon immer, und in besonderer Weise mit ihrer Soziallehre von Rerum novarum bis Centesimus annus, hat die Kirche sich bemüht, das Thema der Allerärmsten in Angriff zu nehmen. Das Große Jubiläum des Jahres 2000 soll als eine weitere Gelegenheit deutlicher Umkehr der Herzen gelebt werden, damit der Geist neue Zeugen in diesem Sinne erwecke. Die Christen sollen zusammen mit allen Menschen guten Willens durch angemessene wirtschaftliche und politische Programme beitragen zu jenen so sehr nötigen Strukturveränderungen, um die Menschheit von der Geißel der Armut zu befreien (vgl. CA CA 57).

Die Armen finden sowohl im Alten als auch im Neuen Testament besondere Beachtung. Die Propheten haben immer wieder gegen die Ausnützung der Armen gesprochen. Von der Befreiung der Armen redet auch Jesus, wenn er den Propheten Jesaja zitiert: “Der Geist des Herrn ruht auf mir: denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht: damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.” (Lc 4,18 vgl. Is Is 61,1-2) Die Armen werden von Jesus selig gepriesen, “denn ihnen gehört das Himmelreich” (vgl. Mt 5,3 Lc 6,20).

Die Armut, die dem Evangelium entspricht, ermöglicht es dem Menschen, sich ganz der Nächstenliebe hinzugeben. Die Frohe Botschaft hat im Laufe der Kirchengeschichte viele dazu angespornt, ihr Eigentum mit den Armen zu teilen und selbst arm zu werden.

Die christliche Lehre über die Armut ist heute umso aktueller, da wenigen wohlhabenden Völkern die arme Mehrheit der Menschheit gegenübersteht. Sich ihrer anzunehmen, entspricht nicht nur dem Willen Jesu. Es dient auch dem Aufbau einer gerechten Gesellschaft.
* * * * *


64 Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Besonders heiße ich willkommen: die Superintendenten aus der Region Lüneburg, Gruppen von Theologiestudenten aus Würzburg und Salzburg sowie die zahlreichen Schüler und Schülerinnen verschiedener Schulen. Euch, Euren Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.





                                                                              November 1999

Mittwoch, 3. November 1999


Liebe Schwestern und Brüder!

1. »Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben…« (Mt 25,34-35).

Dieses Wort aus dem Evangelium hilft uns, unser Nachdenken über die Nächstenliebe in konkretes Handeln umzusetzen. Es spornt uns an, nach den Hinweisen von Tertio millennio adveniente (vgl. TMA 51) einige Wege des Einsatzes ins Auge zu fassen, die dem Geist des Großen Jubiläums, das wir uns zu feiern anschicken, besonders angemessen sind.

Zu diesem Zweck ist ein Verweis auf das biblische Jubeljahr angebracht. Im Buch Levitikus, Kapitel 25 beschrieben, greift es die Funktion des Sabbatjahres auf, bringt diese jedoch in vollkommenerer Weise zum Ausdruck (vgl. V. 2-7.18-22). Im Sabbatjahr soll man mit dem Bearbeiten des Landes aussetzen. Auch das Jubeljahr, das jeweils nach einem Zeitraum von 49 Jahren stattfindet, ist durch Aussetzung der Bestellung des Bodens gekennzeichnet (vgl. V. 8-12), bringt aber zwei Vorschriften zugunsten der Israeliten mit sich. Die erste handelt von der Rückführung des Land- und Hausbesitzes (vgl. V. 13-17.23-34); die zweite betrifft die Freilassung israelitischer Sklaven, die sich infolge Verschuldung an ihre Landsleute verkauft haben (vgl. V. 39-55).

2. Das christliche Jubiläum, wie es seit Papst Bonifaz VIII. im Jahr 1300 zu feiern begonnen wurde, hat seine eigene besondere Gestalt; es fehlt jedoch nicht an Inhalten, die auf das biblische Jubeljahr zurückgehen.

Was den Grundbesitz betrifft, beruht die Vorschrift des biblischen Jubeljahres auf dem Prinzip, wonach »das Land Gott gehört« und daher der gesamten Gemeinschaft zum Nutzen gegeben ist. Wenn also ein Israelit sein Land veräußert hatte, so gestattete ihm das Jubeljahr, wieder in seinen Besitz zu gelangen. »Das Land darf nicht endgültig verkauft werden; denn das Land gehört mir, und ihr seid nur Fremde und Halbbürger bei mir. Für jeden Grundbesitz sollt ihr ein Rückkaufrecht auf das Land gewähren« (Lv 25,23-24).

Das christliche Jubiläum beruft sich mit immer stärkerem Bewußtsein auf die sozialen Werte des biblischen Jubeljahrs. Es will sie im heutigen Kontext interpretieren und neu vorlegen im Nachdenken über die Forderungen des Gemeinwohls und die allgemeine Bestimmung der Güter der Erde. Gerade in dieser Hinsicht habe ich im Schreiben Tertio millennio adveniente vorgeschlagen, daß das Jubiläum als »eine passende Zeit« gelebt werde, »um unter anderem an eine Überprüfung, wenn nicht überhaupt an einen erheblichen Erlaß der internationalen Schulden zu denken, die auf dem Geschick vieler Nationen lasten« (TMA 51).

3. Paul VI. betonte in der Enzyklika Populorum progressio zu diesem für viele wirtschaftlich schwache Länder typischen Problem, daß ein Gespräch zwischen Gebern und Empfängern unerläßlich sei, das es ermöglichte, »Beiträge festzusetzen, nicht nur nach der Großzügigkeit und dem Vermögen der einen, sondern auch nach den wirklichen Bedürfnissen und Verwendungsmöglichkeiten der anderen. Die Entwicklungsländer liefen dann nicht mehr Gefahr, von Schulden erdrückt zu werden, deren Abzahlung weitgehend ihren Gewinn verschlingt« (PP 54). In der Enzyklika Sollicitudo rei socialis habe ich feststellen müssen, daß bedauerlicherweise eine veränderte Lage sowohl in den verschuldeten Ländern als auch auf dem internationalen Finanzmarkt dazu geführt hat, daß die Finanzierung selbst zu einem »Mechanismus« geworden ist, »der das Gegenteil bewirkt«: und dies »sei es, weil die Schuldnerländer, um dem Schuldendienst nachzukommen, sich verpflichtet sehen, Kapitalien auszuführen, die notwendig wären, um ihren Lebensstandard zu heben oder wenigstens zu halten, sei es, weil sie aus demselben Grund keine neuen Kredite erhalten können, die sie dringend bräuchten« (SRS 19).

65 4. Das Problem ist komplex und nicht leicht zu lösen. Es muß allerdings klar sein, daß es sich um kein rein wirtschaftliches Problem handelt, sondern ethische Grundprinzipien mitbetrifft und Raum im internationalen Recht finden muß, um in Angriff genommen und auf mittlere und lange Sicht hin einer geeigneten Lösung zugeführt zu werden. Es ist eine »Ethik des Überlebens« anzuwenden, welche die Beziehungen zwischen Gläubigern und Schuldnern so regelt, daß der sich in Schwierigkeiten befindende Schuldner nicht von einer unerträglichen Last erdrückt wird. Es geht darum, widerrechtliche Spekulationen zu vermeiden, zu konzertierten Lösungen zu finden, wodurch die Darlehensgeber vermehrte Sicherheit bekommen und die Empfänger sich verpflichtet wissen zu wirksamen, umfassenden Reformen, was den politischen, bürokratischen, finanziellen und sozialen Aspekt ihrer Länder betrifft (vgl. Päpstliche Kommission »Iustitia et Pax«, Im Dienste der menschlichen Gemeinschaft: Ein ethischer Ansatz zur Überwindung der internationalen Schuldenkrise, II.).

Heute, im Kontext einer »globalisierten« Wirtschaft, gestaltet sich das Problem der internationalen Verschuldung noch schwieriger; doch erfordert dieselbe »Globalisierung«, daß man sich auf den Weg der Solidarität begibt, wenn man nicht einer allgemeinen Katastrophe entgegengehen will.

5. Gerade im Rahmen dieser Überlegungen nehmen wir die so gut wie universale Forderung auf, die wir von den jüngsten Bischofssynoden, vielen Bischofskonferenzen oder einzelnen Mitbrüdern im Bischofsamt sowie vielen Vertretern der Ordensleute, Priester und Laien vernommen haben, einen dringlichen Appell auszusprechen, internationale Schulden teilweise oder auch ganz zu erlassen. Insbesondere würde die Einforderung von Zahlungen mit überhöhten Zinsen ganze Völker in Hunger und Elend stürzen.

Diese Perspektive der Solidarität, die ich in der Enzyklika Centesimus annus (vgl.
CA 35) aufzeigte, ist noch dringlicher geworden in der Weltlage der letzten Jahre. Das Jubiläum kann eine willkommene Gelegenheit für Gesten guten Willens darstellen: Die reichsten Länder mögen Zeichen des Vertrauens hinsichtlich der Wirtschaftssanierung der ärmsten Nationen setzen; den Marktmanagern sei bewußt, daß es im turbulenten Globalisierungsprozeß nicht möglich ist, sich allein zu retten. Die Geste guten Willens, Schulden zu erlassen oder wenigstens zu vermindern, sei Zeichen für eine neue Art, den Reichtum in Funktion des Gemeinwohls zu sehen.

Wer die biblische Wurzel des Heiligen Jahres freilegt, macht eine interessante Entdeckung: Denn bereits das Alte Testament nennt das Jubeljahr heilig und lädt dazu ein, für alle Bewohner des Landes die Freiheit auszurufen. Dieser soziale Gedanke bekommt an der Schwelle zum dritten Jahrtausend eine besondere Note. Wir müssen endlich ernst machen damit, daß die Güter dieser Erde für alle bestimmt sind.

Viele arme Länder drückt eine schwere Schuldenlast. Gerade die Globalisierung ruft nach einer Lösung oder wenigstens Linderung dieses Problems. Um nicht in einer allgemeinen Katastophe zu enden, mache ich mich zum Sprecher eines Anliegens, das auch Synoden, Bischofskonferenzen und Vertretungen von Priestern, Ordensleuten und Laien formuliert haben: Wählen wir den Weg der Solidarität!

Dabei geht es nicht nur ums Geld, sondern um Moral. So plädiere ich für eine “Ethik des Überlebens”. Das Große Jubiläum möge ein Jahr der Solidarität werden. Die reicheren Länder sollen Zeichen des Vertrauens setzen, damit sich die ärmeren Länder von ihrer Misere befreien können. Schulden ganz oder teilweise zu erlassen, das ist mehr als eine Geste des guten Willens. Es ist ein Zeichen für eine neue Weise, den Reichtum im Blick auf das Allgemeinwohl zu sehen. Wer solche Zeichen setzt, tut den Willen Gottes, des Schöpfers des Himmels und der Erde.
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In Vorfreude auf das Große Jubiläum grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Einen besonderen Gruß entbiete ich den Marienschwestern von der Unbefleckten Empfängnis, die gerade zum Generalkapitel versammelt sind. Außerdem heiße ich die neugeweihten Ständigen Diakone mit ihren Angehörigen aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart willkommen. Euch allen, Euren Lieben daheim sowie jenen, die über Radio Vatikan und das Fernsehen mit uns verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



Kurzansprache des Papstes Johannes Paul II. an die auf dem Peterplatz versammelten Gläubigen


Am 10. November fand die Generalaudienz nicht statt, und der Papst hielt vom Fenster seines Arbeitszimmers aus folgende kurze Ansprache an die auf dem Petersplatz versammelten Gläubigen:

Liebe Brüder und Schwestern!

66 Mit Zuneigung grüße ich euch. Gestern abend bin ich von meiner Apostolischen Pilgerreise nach Indien und nach Georgien zurückgekehrt. In Neu-Delhi traf ich zahlreiche Bischöfe und Gläubige Asiens; in Tbilisi besuchte ich die katholische Gemeinschaft und ihren Apostolischen Administrator. Mit allen habe ich gebetet und die jeweiligen Erwartungen und Hoffnungen geteilt.

Auch euch, liebe Brüder und Schwestern, bitte ich, mit mir Gott darum zu bitten, daß er den bei dieser Apostolischen Reise gestreuten Samen fruchtbar mache. Wir vertrauen dieses Gebet der heiligsten Maria, Leitstern der Evangelisierung, an.

Über diese interessante Reise werde ich am nächsten Mittwoch im Lauf der Generalaudienz sprechen, doch jetzt schon möchte ich den Präsidenten und den Regierungsbehörden von Indien und von Georgien meine Dankbarkeit ausdrücken.

Besonderen Dank entbiete ich dem Patriarchen-Katholikos Ilia II. für die Herzlichkeit, die er mir entgegengebracht hat.

Ich danke euch für eure Anwesenheit und segne euch von Herzen.

Ich sehe hier Kroaten; da sind Polen. Alle grüße ich herzlich.





Mittwoch, 17. November 1999


Liebe Schwestern und Brüder!

1. Heute möchte ich mich mit dem Besuch befassen, den ich in den vergangenen Tagen Indien und Georgien abgestattet habe. Auf diese Reise zurückzukommen gibt mir die Gelegenheit, vor allem dem Vater im Himmel zu danken, »für den und durch den das All ist« (He 2,10). Mit seiner Hilfe habe ich auch diese Aufgabe meines Dienstes am Evangelium und an der Sache der Einheit der Christen erfüllen können.

Die erste Station dieser meiner geistlichen Pilgerreise war die Stadt Neu-Delhi, in Indien, zur Unterzeichnung und Veröffentlichung des nachsynodalen Apostolischen Schreibens Ecclesia in Asia. Darin haben wir die Ergebnisse der Arbeiten und Vorschläge der 1998 in Rom durchgeführten Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien zusammengefaßt. Indien ist Wiege alter Kulturen, Religionen und geistlicher Traditionen, die in einem seit Jahrhunderten von einem beachtlichen Grad gegenseitiger Toleranz gekennzeichneten gesellschaftlichen Rahmen auch heute das Leben von Millionen Menschen prägen. Das Christentum, das einen beträchtlichen Anteil an dieser Geschichte friedlicher Beziehungen hat, ist nach der Überlieferung der Christen Südindiens schon seit der Verkündigung durch den Apostel Thomas dort präsent.

Heute ist dieser Geist gegenseitiger Achtung in verschiedener Hinsicht in Bedrängnis. Es war daher wichtig, den aufrichtigen Wunsch der Kirche nach einem fruchtbaren Dialog unter den Anhängern aller Religionen, der zu neuen Beziehungen des Verständnisses und der Solidarität im Dienst der ganzen Menschheitsfamilie führt, wieder neu zu bekräftigen.

67 2. Das Synodendokument Ecclesia in Asia hilft uns zu verstehen, daß dieser interreligiöse Dialog und der Auftrag der Kirche, das Evangelium bis an die Grenzen der Erde zu verbreiten, einander nicht ausschließen, sondern ergänzen. Einerseits hat die Verkündigung des Evangeliums vom Heil in Jesus Christus stets in tiefer Achtung vor dem Gewissen der Zuhörenden zu geschehen sowie in Achtung vor allem, was an Gutem und Heiligen in der Kultur und religiösen Tradition, der sie angehören, vorhanden ist (vgl. Nostra aetate NAE 2). Andererseits sind Gewissensfreiheit und freie Ausübung der Religion in der Gesellschaft grundlegende Menschenrechte, die ihre Wurzeln haben im Wert und der Würde, die jeder Person zukommen, wie es in vielen internationalen Dokumenten und Abkommen, einschließlich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, anerkannt wird.

Mit großer Freude denke ich an die heilige Messe, die ich am Sonntag, 7. November, im Jawaharlal-Nehru-Stadion zusammen mit zahlreichen Bischöfen Indiens und vieler anderer Länder Asiens konzelebrierte. Nochmals danke ich Erzbischof Alan de Lastic und der Erzdiözese Delhi für die Organisation der feierlichen Liturgie, die sich durch lebendige und andächtige Teilnahme auszeichnete und von sorgfältig ausgewählten Gesängen sowie farbenreichen Tänzen örtlicher Tradition begleitet war. Thema der Messe war: Jesus Christus, wahres Licht der Welt, menschgeworden auf asiatischem Boden. Bei dieser Eucharistiefeier vertrat die katholische Gemeinschaft Indiens in gewisser Weise alle Katholiken Asiens, denen ich das nachsynodale Apostolische Schreiben Ecclesia in Asia anvertraut habe als Wegweiser für ihr geistliches Wachstum an der Schwelle des neuen Jahrtausends. Ich bin sicher, daß sie mit der Gnade Gottes fest und treu bleiben können!

3. Die zweite Station meiner Reise war Georgien, um die Besuche, die Präsident Schewardnadse sowie seine Heiligkeit Ilia II., Katholikos-Patriarch von ganz Georgien, zuvor in Rom gemacht hatten, zu erwidern. Es war mein brennender Wunsch, dem Zeugnis, das die Kirche Georgiens durch Jahrhunderte hindurch abgelegt hat, Ehre zu erweisen und neue Begegnungspunkte unter den Christen herzustellen, damit sie bei Beginn des dritten christlichen Jahrtausends sich miteinander einsetzen können, um mit einem Herzen und einer Seele der Welt das Evangelium zu verkünden.

Georgien macht zur Zeit eine sehr wichtige Phase durch. Während es sich in der Tat vorbereitet, im Rahmen wiedergefundener Unabhängigkeit seine 3000jährige Geschichte zu feiern, sieht es sich vor große wirtschaftliche und soziale Herausforderungen gestellt. Doch ist es fest entschlossen, sie mutig in Angriff zu nehmen, um verläßliches Mitglied eines vereinten Europas zu werden. Das christliche Georgien zählt eine tausendjährige, ruhmvolle Geschichte, welche im vierten Jahrhundert beginnt, als das Zeugnis einer Frau, der hl. Nino, König Mirian und die ganze Nation zu Christus bekehrte. Von da an hat eine blühende klösterliche Tradition diesem Land bleibende Denkmäler der Kultur, Zivilisation und religiösen Architektur geschenkt wie die Kathedrale in Mtskheta, die ich zusammen mit dem Katholikos-Patriarchen besuchen konnte nach der herzlichen Begegnung, die ich persönlich mit ihm hatte.

4. Und nun, nach siebzig Jahren sowjetischkommunistischer Unterdrückung, in denen viele Märtyrer, Orthodoxe wie Katholiken, heldenhaft ihren Glauben bezeugten, festigt die kleine, aber eifrige katholische Gemeinschaft des Kaukasus zunehmend ihr Leben und ihre Strukturen. Die Freude, der ich unter den Priestern, Ordensleuten und Laien begegnete, die unerwartet zahlreich zur heiligen Messe im Stadion von Tbilisi zusammengekommen waren, bildet ein Zeichen der Hoffnung für die Zukunft der Kirche in dieser ganzen Region. Die Begegnung mit ihr in der Kirche Sankt Peter und Paul in Tbilisi, der einzigen katholischen Kirche, die zur Zeit des Totalitarismus geöffnet geblieben war, ist ein besonders freudiger Anlaß gewesen. Ich bitte darum, daß die Katholiken Georgiens stets in der Lage seien, ihren besonderen Beitrag zum Aufbau ihres Vaterlandes zu leisten.

Ein inniger Augenblick der Reflexion war die Begegnung mit Männern und Frauen aus der Welt der Kultur, der Wissenschaft und der Kunst, die unter dem Vorsitz von Präsident Schewardnadse und im Beisein auch des Katholikos-Patriarchen dem Nachdenken über die besondere Berufung Georgiens als Wegkreuz zwischen Ost und West gewidmet war. Wie ich bei dieser Begegnung betonte, ragt das zu Ende gehende Jahrhundert, das von vielen Schatten gekennzeichnet, jedoch auch voller Licht ist, empor als Zeugnis der unbezwingbaren Kraft des menschlichen Geistes, der über alles, was die unverzichtbare Sehnsucht des Menschen nach Freiheit und Wahrheit zu unterdrücken sucht, den Sieg davonzutragen vermag.

5. Den zivilen Behörden und allen, die sich in beiden Ländern für einen erfolgreichen und friedvollen Verlauf dieses Besuchs eingesetzt haben, sei Dank gesagt. Mit bewegtem und dankbarem Herzen denke ich an die Bischöfe, die Priester, die Ordensleute und die Laien Indiens und Georgiens und bewahre von allen ein unvergeßliches Andenken.

Maria, der Mutter der Kirche, vertraue ich die an, denen ich begegnen durfte; ich empfehle ihr die Kirche in Asien und im Kaukasus an »in vollem Vertrauen auf ihr Ohr, das stets hört, auf ihr Herz, das stets aufnimmt, auf ihr Gebet, das nie versagt« (vgl. Ecclesia in Asia ).

Heute möchte ich auf meine beiden Reisen zurückschauen, die mich nach Indien und Georgien geführt haben. Ich danke dem Herrn, daß er es mir ermöglicht hat, an wichtigen Treffen teilzunehmen. Es war ein interreligiöses und ein ökumenisches Ereignis.

Wie Ihr weißt, habe ich die Apostolische Exhortation “Ecclesia in Asia” in New Delhi in Kraft gesetzt. Dieses Dokument ist eine Frucht der Arbeiten der Asiensynode, die letztes Jahr getagt hat. Die Christen in Indien sind heute eine kleine Schar. Doch ihre Wurzeln reichen bis in die Zeiten des Apostels Thomas zurück. Dort, wo viele Religionen sich begegnen und es auch zu Reibungen kommt, ist dieses neue Dokument sehr wichtig. Es kann zu einem neuen Verständnis helfen, das Evangelium unter diesen Bedingungen zu verkünden.

Bevor ich nach Rom zurückkehrte, habe ich in einem Land Station gemacht, dem bereits in der ersten Jahrhunderten der christliche Glaube eingepflanzt wurde. So freue ich mich, daß der Besuch in Georgien ein wertvoller Beitrag im ökumenischen Dialog werden konnte.

68 Ich danke allen, die diese beiden Besuche ermöglicht haben. Möge der Herr die Christen in diesen Ländern dabei unterstützen, ihrem Glauben gemäß leben zu können.
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Mit diesen Gedanken grüße ich die Pilger und Besucher, die aus den Ländern deutscher Sprache nach Rom gekommen sind. Besonders heiße ich willkommen: die Gruppe des Priesterseminars “Redemptoris Mater” des Erzbistums Berlin unter Leitung von Kardinal Georg Sterzinsky, sowie die Feuerwehrleute aus dem Landkreis Regensburg. Euch, Euren Angehörigen daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen.



Generalaudienz 1999 60