Predigten 1978-2005 337

HEILIGJAHRFEIER DER SOLDATEN UND POLIZISTEN

Sonntag, 19. November 2000

1.»Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen« (Mc 13,26).

338 An diesem vorletzten Sonntag im Jahreskreis hören wir in der Liturgie von der Wiederkunft Christi. Der Herr wird auf den Wolken kommen, ausgestattet mit Macht und Herrlichkeit. Es ist derselbe Menschensohn voller Mitleid und Erbarmen, den die Jünger auf seinem Erdenweg kennengelernt haben. Wenn die Zeit seines Erscheinens in Herrlichkeit da ist, wird er kommen, um die Menschheitsgeschichte ihrer endgültigen Erfüllung zuzuführen.

Der Evangelist Markus erinnert uns durch die Symbolik der Erschütterung der Naturgewalten daran, daß Gott in seinem Sohn das Urteil über die Angelegenheiten der Menschen sprechen wird. Er wird einer von der Lüge verdorbenen und von Gewalt und Ungerechtigkeit entzweiten Welt ein Ende setzen.

2. Wer könnte denn besser als ihr, liebe Angehörige der Streitkräfte und der Polizei, junge Frauen und Männer, von der Gewalt und den auseinandertreibenden Kräften des Bösen in der Welt Zeugnis geben? Ihr kämpft täglich gegen sie: Ihr seid gerufen, die Schwachen zu verteidigen, die Ehrlichen zu schützen, das friedliche Zusammenleben der Völker zu ermöglichen. Jeder von euch ist gleichsam ein Wachposten, der weithin Ausschau hält, um die Gefahr zu bannen und überall Gerechtigkeit und Frieden zu fördern.

Euch alle, liebe Brüder und Schwestern, die ihr aus vielen Teilen der Erde gekommen seid, um eure besondere Heiligjahrfeier zu begehen, grüße ich mit großer Zuneigung. Ihr seid Vertreter von Streitkräften, die im Lauf der Geschichte einander gegenübergestanden sind. Heute habt ihr euch hier am Grab des Apostel Petrus eingefunden, um Christus zu feiern, »unser[en] Frieden«, der »die beiden Teile [vereinigte]« und »durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft [niederriß]« (
Ep 2,14). Eure guten Vorsätze und euren täglichen Einsatz für den Frieden wollt ihr Ihm darbringen, der geheimnisvoll und real in der Eucharistie gegenwärtig ist.

Jedem einzelnen von euch möchte ich meine Anerkennung für seine Hingabe und seinen hochherzigen Einsatz zum Ausdruck bringen. Vor allem an Erzbischof José Manuel Estepa Llaurens geht meine brüderliche Wertschätzung: Er hat in euer aller Namen die gemeinsamen Empfindungen zum Ausdruck gebracht. Mein Gruß gilt auch den geschätzten Erzbischöfen und Militärbischöfen, die ich beglückwünsche zu der Hingabe, mit der sie sich um eure Seelsorge kümmern. Zusammen mit ihnen grüße ich die Militärkapläne, die hochherzig die Ideale und Mühen eures harten täglichen Dienstes teilen. Mein ehrerbietiger Gruß gilt auch den Offizieren der Streitkräfte, den Leitern der Polizeikräfte, den Verantwortlichen der verschiedenen Sicherheitsorgane wie auch den zivilen Autoritäten, die die Freude und die Gnade dieser festlichen Heiligjahrfeier mit uns haben teilen wollen.

3. Eure tägliche Erfahrung bringt euch dazu, schwierige und manchmal dramatische Situationen zu bewältigen, welche die menschliche Sicherheit aufs Spiel setzen. Das Evangelium jedoch tröstet uns, indem es uns die siegreiche Gestalt Christi, des Richters über die Geschichte, vor Augen führt. Er erhellt mit seiner Anwesenheit das Dunkel und sogar die Verzweiflung des Menschen und bietet dem, der auf ihn vertraut, die tröstliche Gewißheit seiner ständigen Hilfe.

Im Evangelium, das vor kurzem verkündet wurde, haben wir einen bedeutsamen Hinweis auf den Feigenbaum vernommen, dessen Zweige, wenn die ersten Knospen sprießen, den nahen Frühling ankündigen. Mit diesen Worten macht Jesus den Aposteln Mut, nicht aufzugeben vor den Schwierigkeiten und Ungewißheiten der gegenwärtigen Zeit. Er ermahnt sie hingegen, zu warten und sich vorzubereiten, ihn zu empfangen, wenn er dann wiederkommt. Auch ihr, liebe Brüder und Schwestern, werdet heute von der Liturgie eingeladen, die »Zeichen der Zeit« zu erkennen, wie mein verehrter Vorgänger, Papst Johannes XXIII., der vor kurzem seliggesprochen wurde, gerne sagte.

Wie verwickelt und problematisch die Situationen auch sein mögen, verliert das Vertrauen nicht! Im Herzen des Menschen darf der Keim der Hoffnung nie sterben. Im Gegenteil, seid stets darauf bedacht, jedes positive Zeichen persönlicher und sozialer Erneuerung zu entdecken und zu bestärken. Seid bereit, mit allen Mitteln mutige Initiativen zur Herstellung von Gerechtigkeit und Frieden zu fördern.

4. Der Friede ist ein Grundrecht jedes Menschen, das ständig gefördert werden muß. Dabei ist zu bedenken: »Insofern die Menschen Sünder sind, droht ihnen die Gefahr des Krieges, und sie wird ihnen drohen bis zur Ankunft Christi« (Gaudium et spes GS 78). Manchmal bringt diese Aufgabe es mit sich – wie die jüngste Erfahrung gezeigt hat –, konkrete Initiativen zu ergreifen, um den Angreifer zu entwaffnen. Ich möchte mich hier auf das sogenannte »humanitäre Eingreifen« beziehen, das nach dem Scheitern der politischen Bemühungen und der gewaltlosen Verteidigungsmittel den extremen Versuch darstellt, dem ungerechten Angreifer Einhalt zu gebieten.

Ich danke euch, meine Lieben, für euer mutiges Werk der Befriedung in Ländern, die von absurden Kriegen verwüstet sind; danke für die Hilfe die ihr ungeachtet der Gefahren den von Naturkatastrophen betroffenen Bevölkerungen bringt. Wie zahlreich sind eure humanitären Einsätze in den letzten Jahren! Bei der Erfüllung eurer schwierigen Pflicht seid ihr nicht selten Gefahren ausgesetzt und müßt große Opfer bringen. Handelt so, daß jeder eurer Einsätze eure wahre Berufung ans Licht bringe als »Diener der Sicherheit und der Freiheit der Völker«, die »wahrhaft zur Festigung des Friedens« beitragen, wie das Zweite Vatikanische Konzil es so gut ausgedrückt hat (Gaudium et spes GS 79).

Seid Männer und Frauen des Friedens! Und nehmt, um es voll und ganz zu sein, Christus in eure Herzen auf: Er ist der Urheber und Garant des wahren Friedens! Er wird euch zu jener aus dem Evangelium kommenden Kraft befähigen, die euch die verführerischen Versuchungen der Gewalt besiegen läßt. Er wird euch helfen, eure Kraft in den Dienst der großen Werte des Lebens, der Gerechtigkeit, der Vergebung und der Freiheit zu stellen.

5. Ich möchte hier an die vielen eurer Freunde denken, die mit dem Leben die Treue zu ihrer Aufgabe bezahlt haben. Sie haben sich selbst vergessen und, ungeachtet der Gefahr, der Gemeinschaft einen unbezahlbaren Dienst erwiesen. Und heute vertrauen wir sie bei dieser Eucharistiefeier mit Dankbarkeit und Bewunderung dem Herrn an.

Aber woher hätten sie die Kraft nehmen können, um ihre Aufgabe bis zum Ende erfüllen zu können, wenn nicht aus der vollen Zustimmung zu den Idealen, zu denen sie sich bekannten? Viele von ihnen haben an Christus geglaubt, und sein Wort hat ihr Dasein erhellt und ihrem Opfer beispielhaften Wert gegeben. Sie haben das Evangelium zum Leitfaden ihres Handelns gemacht. Das Beispiel eurer Kollegen, die in der treuen Erfüllung ihres Dienstes die Spitzen des Heldentums und bisweilen der Heiligkeit erreicht haben, gereiche euch zur Ermutigung.

Wie sie sollt auch ihr auf Christus schauen, der auch euch »zur Fülle des christlichen Lebens und zur Vollkommenheit der Liebe ruft«. Er ruft euch zur Heiligkeit. Und um diese eure Berufung zu erfüllen, »legt die Rüstung Gottes an«, und seid »standhaft: Gürtet euch mit Wahrheit, zieht als Panzer die Gerechtigkeit an und als Schuhe die Bereitschaft, für das Evangelium vom Frieden zu kämpfen. Vor allem greift zum Schild des Glaubens! […] Nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes« (). Vor allem: »Hört nicht auf, zu beten« (Ep 6,18), so sagt der hl. Paulus.

Bei eurer nicht leichten Tätigkeit möge euch Maria, »Virgo Fidelis« [die getreue Jungfrau], beistehen und helfen. Euer Herz lasse sich nie verwirren; es bleibe vielmehr bereit, wachsam und fest verankert in der Verheißung Jesu, der uns im heutigen Evangelium seine Hilfe und seinen Schutz zugesichert hat: »Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen« (Mc 13,31).

Christus anrufend, sollt ihr weiterhin mit Großherzigkeit eure Pflicht erfüllen. Unzählige Menschen blicken auf euch und vertrauen auf euch in der Hoffnung, sich ihres Lebens in Ruhe, Ordnung und Frieden erfreuen zu können.



HEILIGJAHRFEIER DES LAIENAPOSTOLATS

Sonntag, 26. November 2000

Christkönigssonntag

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1. »Du sagst es, ich bin ein König« (
Jn 18,37).

Diese Worte richtet Jesus an Pilatus in einem dramatischen Dialog, von dem uns das Evangelium am heutigen Christkönigssonntag berichtet. Das Hochfest am Ende des Kirchenjahres zeigt uns Jesus, das ewige Wort des Vaters, als Anfang und Ende der ganzen Schöpfung, als Erlöser des Menschen und Herrn der Geschichte. Die erste Lesung gibt die Worte des Propheten Daniel wieder: »Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft. Sein Reich geht niemals unter« (Da 7,14).

Ja, Christus, du bist König! Dein Königtum offenbart sich paradoxerweise am Kreuz im Gehorsam gegenüber dem Plan des Vaters, der – wie der Apostel Paulus schreibt – »uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen hat in das Reich seines geliebten Sohnes. Durch ihn haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden« (vgl. ). Als Erstgeborener derer, die von den Toten auferstehen, bist du, Jesus, der König der neuen Menschheit, die in ihrer ursprünglichen Würde wiederhergestellt ist.

Du bist König! Dein Reich aber ist nicht von dieser Welt (vgl. Jn 18,36); es ist nicht die Frucht kriegerischer Eroberungen, politischer Macht, wirtschaftlicher Imperien, kultureller Vorherrschaft. Dein Reich ist ein »Reich der Wahrheit und des Lebens, der Heiligkeit und der Gnade, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens« (vgl. Präfation vom Königtum Christi), das in seiner Fülle am Ende der Zeiten offenbar wird, wenn Gott über alles und in allem herrscht (vgl. 1Co 15,28). Die Kirche, die bereits auf Erden die Erstlingsfrüchte der künftigen Erfüllung verkosten kann, wiederholt ohne Unterlaß: »Adveniat regnum tuum – dein Reich komme« (Mt 6,10).

340 2. Dein Reich komme! So beten in allen Teilen der Welt die Gläubigen, die sich heute zur Heiligjahrfeier des Laienapostolats um ihre Hirten versammeln. Mit Freude schließe ich mich diesem universalen Chor des Lobpreises und Gebetes an, indem ich mit euch, liebe Gläubigen, das heilige Meßopfer am Grab des Apostels Petrus feiere.

Ich danke dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Laien, Kardinal James Francis Stafford, und euren beiden Vertretern, die zu Beginn der heiligen Messe im Namen aller gesprochen haben. Ferner grüße ich meine verehrten Mitbrüder im Bischofsamt und die hier anwesenden Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen. Insbesondere richte ich meinen Gruß an euch Brüder und Schwestern, Laien, »Christifideles laici«, die ihr aktiv im Dienst der Sache des Evangeliums steht: Wenn ich auf euch blicke, denke ich auch an alle Mitglieder apostolischer Gemeinschaften, Vereinigungen und Bewegungen; ich denke an die Väter und Mütter, die sich mit hochherziger Opferbereitschaft der Erziehung ihrer Kinder in der Übung der menschlichen und christlichen Tugenden widmen; ich denke an alle, die den Beitrag ihres Leidens, angenommen und in Verbindung mit Christus gelebt, für die Evangelisierung darbringen.

3. In besonderer Weise grüße ich euch, liebe Teilnehmer am Kongreß der katholischen Laien, der sich gut einfügt in den Kontext der Heiligjahrfeier des Laienapostolats. Euer Treffen steht unter dem Motto »Zeugen Christi im neuen Jahrtausend«. Es greift die Tradition der internationalen Treffen des Laienapostolats auf, die vor fünfzig Jahren ihren Anfang nahmen unter dem fruchtbaren Impuls des lebendigeren Bewußtseins, das die Kirche sowohl hinsichtlich ihrer Natur als Geheimnis der Gemeinschaft als auch im Hinblick auf die ihr eigene missionarische Verantwortung in der Welt erlangt hatte.

Im Reifungsprozeß dieses Bewußtseins zeichnete das Zweite Vatikanische Konzil eine entscheidende Wende. Mit dem Konzil hat in der Kirche tatsächlich die Stunde der Laien geschlagen; und zahlreiche Gläubige, Männer und Frauen, haben mit größerer Deutlichkeit die eigene christliche Berufung erkannt, die ihrer Natur nach Berufung zum Apostolat ist (vgl. Apostolicam actuositatem
AA 2). Fünfunddreißig Jahre nach seinem Abschluß sage ich: Es ist nötig zum Konzil zurückzukehren.

Wir müssen die Dokumente des Zweiten Vatikanums wieder zur Hand nehmen, um dessen großen Reichtum an theologischen und pastoralen Anstößen neu zu entdecken. Mit jenen Dokumenten sollt insbesondere ihr Laien euch wieder befassen, denen das Konzil außerordentliche Perspektiven der Teilnahme und Mitarbeit an der Sendung der Kirche eröffnet hat. Hat euch das Konzil nicht eure Teilhabe am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi in Erinnerung gerufen? Euch haben die Konzilsväter in besonderer Weise die Sendung anvertraut, »in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen« (Lumen gentium LG 31).

Seither ist eine neue Blütezeit der Zusammenschlüsse von Laien angebrochen, wobei neben dem traditionellen Vereinswesen neue Bewegungen und Vereinigungen entstanden sind (vgl. Christifideles laici CL 29). Mehr denn je, liebe Brüder und Schwestern, ist euer Apostolat heute unerläßlich, damit das Evangelium Licht, Salz und Sauerteig einer neuen Menschheit sei.

4. Was aber bedeutet diese Sendung? Was heißt heute, hier und jetzt Christ sein?

Christ zu sein ist niemals leicht gewesen und ist es auch heute nicht. Christus nachzufolgen erfordert den Mut zu radikalen, oft unkonventionellen Entscheidungen. »Wir sind Christus!«, sagte der hl. Augustinus. Die Märtyrer und Zeugen des Glaubens von gestern und heute, unter ihnen viele Laien, beweisen, daß man, wenn es notwendig ist, nicht zögern darf, selbst das Leben für Jesus Christus hinzugeben.

Diesbezüglich fordert das Heilige Jahr alle zu einer ernsthaften Gewissenserforschung und einer anhaltenden geistlichen Erneuerung auf für ein immer einschneidenderes missionarisches Wirken. Hier möchte ich auf das zurückkommen, was vor 25 Jahren – gewissermaßen zum Abschluß des Heiligen Jahres 1975 – mein verehrter Vorgänger Papst Paul VI. im Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi schrieb: »Der heutige Mensch hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind« (EN 41).

Auch heute noch haben diese Worte Gültigkeit angesichts einer Menschheit voller Fähigkeiten und Erwartungen, aber bedroht von vielfältigen Verlockungen und Gefahren. Es genügt, u. a. an die sozialen Errungenschaften und die Revolution auf genetischem Gebiet zu denken, an den wirtschaftlichen Fortschritt und die in weiten Gegenden der Erde herrschende Unterentwicklung, an das Drama des Hungers in der Welt und die Schwierigkeiten bei der Gewährleistung des Friedens, an das dichtmaschige Netz der Kommunikation und die Dramen der Einsamkeit und Gewalt, welche die Tageschronik verzeichnet. Liebe Brüder und Schwestern, als Zeugen Christi seid besonders ihr gerufen, das Licht des Evangeliums an den Lebensnerv der Gesellschaft zu tragen. Ihr seid gerufen, Propheten der christlichen Hoffnung zu sein und Apostel »von Ihm« – dem Allmächtigen –, »der ist und der war und der kommt« (Ap 1,4).

5. »Herr, deinem Haus gebührt Heiligkeit« (Ps 93,5). Mit diesen Worten haben wir uns im Antwortpsalm an Gott gewendet. Für den Gläubigen ist die Heiligkeit stets die größte Herausforderung. Wir müssen dem Zweiten Vatikanischen Konzil dankbar sein, denn es hat uns daran erinnert, daß alle Christen zur Fülle des christlichen Lebens und zur Vollkommenheit der Liebe berufen sind.

341 Meine Lieben, fürchtet euch nicht, diese Herausforderung anzunehmen: die Herausforderung, heilige Männer und Frauen zu sein! Vergeßt nicht, daß die Früchte des Apostolats von der Tiefe des geistlichen Lebens, der Intensität des Gebets, von einer ständigen Weiterbildung und einer aufrichtigen Befolgung der Weisungen der Kirche abhängen. Euch wiederhole ich heute, was ich während des letzten Weltjugendtages den Jugendlichen gesagt habe: Wenn ihr das seid, was ihr sein sollt – wenn ihr also das Christentum ohne Kompromisse lebt – könnt ihr die Welt entflammen.

Euch erwarten Aufgaben und Ziele, die die menschlichen Kräfte zu übersteigen scheinen. Laßt euch nicht entmutigen! »Er, der bei euch das gute Werk begonnen hat, wird es auch vollenden« (vgl.
Ph 1,6). Haltet den Blick stets fest auf Jesus gerichtet. Macht ihn zum Herzen der Welt. Und du Maria, Mutter des Erlösers, seine erste und vollkommene Jüngerin, hilf uns, im neuen Jahrtausend seine Zeugen zu sein. Mach, daß dein Sohn, König des Universums und der Geschichte, herrsche: in unserem Leben, in unseren Gemeinschaften und in der ganzen Welt!

»Lob und Ehre sei dir, o Christus!« Durch dein Kreuz hast du die Welt erlöst. Dir vertrauen wir zu Beginn des neuen Jahrtausends unseren Einsatz im Dienst an dieser Welt an, die du liebst und die auch wir lieben. Steh uns bei mit der Kraft deiner Gnade! Amen.



HEILIGJAHRFEIER DER BEHINDERTEN

Sonntag, 3. Dezember 2000





1. »…richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe« (Lc 21,28).

Mit diesen Worten des Evangeliums, die uns heute, am ersten Adventssonntag, zum Nachdenken anregen sollen, spricht der hl. Lukas von der Angst der Menschen vor den Erschütterungen der Endzeit. Im Gegensatz hierzu hebt der Evangelist jedoch umso deutlicher die freudvolle Perspektive der christlichen Erwartung hervor: »Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf einer Wolke kommen sehen« (Lc 21,27). Dies ist die Botschaft, die dem Herzen des Gläubigen Hoffnung verheißt: Der Herr wird kommen »mit großer Macht und Herrlichkeit «. Daher sind die Jünger aufgefordert, keine Angst zu haben, sondern sich aufzurichten und ihre Häupter zu erheben, »denn eure Erlösung ist nahe« (Lc 21,28).

Jedes Jahr wiederholt die Liturgie zu Beginn der Adventszeit diese »Frohe Botschaft«, die mit außerordentlicher Kraft in der Kirche widerhallt. Es ist die Nachricht von unserer Erlösung; die Botschaft, daß der Herr nahe ist, mehr noch, daß Er bereits bei uns ist.

2. Liebe Brüder und Schwestern! Mit ganz besonderem Nachdruck vernehme ich diese Aufforderung zu innerem Frieden und Hoffnung am heutigen Tag, an dem wir gemeinsam das Heilige Jahr der Behinderten feiern. Diese Feier findet an dem Tag statt, den die Vereinten Nationen euch gewidmet haben, denn vor 25 Jahren wurde die »Erklärung zu den Rechten des Behinderten« veröffentlicht.

Voller Zuneigung grüße ich euch, liebe Freunde, die ihr von einer oder mehreren Formen der Behinderung betroffen und dennoch zu diesem Treffen des Glaubens und der Brüderlichkeit hier nach Rom gekommen seid. Ich danke euren Vertretern und dem Direktor der »Caritas Italiana« für die Worte, die er zu Beginn der heiligen Messe an mich gerichtet hat. Mein herzlicher Gruß geht auch an alle Behinderten, ihre Angehörigen und an die freiwilligen Helfer, die ebenfalls am heutigen Sonntag in den verschiedenen Ortskirchen mit ihren Hirten ihre Heiligjahrfeier begehen.

Liebe Brüder und Schwestern, ihr tragt in eurem Leib und eurem Leben eine intensive Hoffnung auf Befreiung. Ist in ihr nicht auch die Erwartung jener »Befreiung« enthalten, die Christus uns durch seinen Tod und seine Auferstehung geschenkt hat? Jeder von physischen oder psychischen Schwierigkeiten gezeichnete Mensch lebt gewissermaßen einen existentiellen »Advent«, die Erwartung einer »Befreiung«, die – für ihn ebenso wie für alle – erst am Ende der Zeiten voll zu Tage treten wird. Ohne den Glauben kann diese Erwartung in Enttäuschung und Mutlosigkeit umschlagen; doch vom Wort Christi gestützt, verwandelt sie sich in lebendige und tätige Hoffnung.

3. »Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt« (Lc 21,36). Die heutige Liturgie spricht vom »zweiten Kommen« des Herrn, von der ruhmreichen Wiederkunft Christi, die mit dem übereinstimmt, was wir, mit einfachen Worten gesagt, das »Ende der Zeiten« nennen. Es handelt sich um ein geheimnisvolles Ereignis, das – im apokalyptischen Sprachgebrauch – überwiegend den Anschein einer gigantischen Katastrophe erweckt. Ebenso wie das Ende des einzelnen Menschen, der Tod, so flößt auch das Ende der Welt Angst ein vor dem Unbekannten, Furcht vor dem Leid, und es stellen sich angsterfüllte Fragen über das »Jenseits«.

342 Die heute beginnende Adventszeit bestärkt uns darin, den Herrn, der kommt, aufzunehmen. Wie aber können wir uns hierauf vorbereiten? Die heutige Feier verdeutlicht, daß die Nähe und Gemeinschaft mit denen, die aus irgendwelchen Gründen Probleme haben, eine konkrete Möglichkeit ist, uns für diese Begegnung bereit zu machen. Wenn wir in unseren Brüdern Christus erkennen, werden wir bei seiner endgültigen Wiederkehr unsererseits von ihm erkannt werden. So bereitet sich die christliche Gemeinschaft auf das zweite Kommen des Herrn vor: Sie stellt jene Menschen in den Mittelpunkt, die Jesus selbst bevorzugt hat, jene Menschen, die die Gesellschaft oft an den Rand drängt und nicht beachtet.

4. Eben dies haben wir heute getan: Wir haben uns in dieser Basilika mit euch Behinderten und euren Familien versammelt, um die Gnade und Freude des Jubeljahres gemeinsam mit euch zu leben. Mit dieser Geste wollen wir eure Ängste und Erwartungen, eure Gaben und Probleme teilen.

Im Namen Christi will die Kirche immer mehr zu einem Ort freundlicher Aufnahme für euch werden. Wir wissen, daß der Behinderte – eine einzigartige und einmalige Person in ihrer gleichen und unantastbaren Würde – nicht nur Betreuung, sondern vor allem Liebe braucht, die durch Anerkennung, Achtung und Integration zum Ausdruck kommt: von der Geburt über die Adoleszenz, bis hin ins Erwachsenenalter mit jenem schwierigen und von vielen Eltern in angstvoller Sorge erlebten Augenblick der Loslösung der Kinder, jenem Augenblick des »Nach uns«. Meine Lieben, wir wollen Anteil nehmen an euren Mühen und den unausbleiblichen Momenten der Mutlosigkeit, um sie mit dem Licht des Glaubens und der Hoffnung, der Solidarität und Liebe zu erleuchten.

5. Eure Gegenwart, liebe Brüder und Schwestern, verdeutlicht, daß Behindertsein nicht nur Hilfsbedürftigkeit bedeutet, sondern auch und vor allem eine Anregung und Ansporn sein kann. Gewiß, Behindertsein bedeutet um Hilfe bitten, aber es ist auch eine Provokation gegenüber dem individuellen und kollektiven Egoismus. Es ist eine Aufforderung zu stets neuen Formen von Brüderlichkeit. Euer Dasein stellt eine allein auf Befriedigung, Äußerlichkeiten, Eile und Leistungsfähigkeit beruhende Lebensauffassung in Frage.

Auch die kirchliche Gemeinschaft widmet euch ihre respektvolle Aufmerksamkeit: Sie spürt die Notwendigkeit, sich von den Anstrengungen und Nöten zahlreicher Existenzen befragen zu lassen, die auf geheimnisvolle Weise vom Schmerz und den Beschwerlichkeiten angeborener oder später erworbener Krankheiten gezeichnet sind. Sie will euch und euren Familien noch näher sein in dem Bewußtsein, daß Leid und Einsamkeit durch mangelnde Aufmerksamkeit verschlimmert wird, wohingegen der durch Liebe und Selbstlosigkeit bezeugte Glaube dem Leben Kraft und Sinn verleiht.

Diejenigen, die auf allen Ebenen für das politische Leben verantwortlich sind, möchte ich bei diesem feierlichen Anlaß bitten, sich für die Gewährleistung von Lebensbedingungen und Möglichkeiten einzusetzen, durch die eure Würde, liebe behinderte Brüder und Schwestern, effektiv anerkannt und geschützt wird. Eine Gesellschaft, die über so reiche wissenschaftliche und technische Erkenntnisse verfügt, hat die Möglichkeit und Pflicht, noch mehr zu tun: von der Forschung im Bereich der Biomedizin, um Behinderungen vorzubeugen, bis hin zur Heilung, Betreuung, Rehabilitation und gesellschaftlichen Reintegration.

Es ist wichtig, eure menschlichen, sozialen und spirituellen Rechte zu schützen, noch wichtiger aber ist die Wahrung menschlicher Beziehungen: Beziehungen der Unterstützung, Freundschaft und Anteilnahme. Darum müssen Formen der Heilung und Rehabilitation gefördert werden, die die ganzheitliche Sicht der menschlichen Person berücksichtigen.

6. »Euch aber lasse der Herr wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen« (
1Th 3,12).

Der hl. Paulus zeigt uns heute den Weg der Nächstenliebe als den einen Weg, den wir einschlagen müssen, um dem Herrn, der kommen wird, entgegenzugehen. Er hebt hervor, daß wir uns allein durch aufrichtige und selbstlose Liebe bereiten können, »wenn Jesus, unser Herr, mit all seinen Heiligen kommt« (1Th 3,13). Wiederum ist die Liebe das entscheidende Kriterium, heute wie zu jeder Zeit.

Am Kreuz verwirklichte Jesus – indem er sich selbst für unsere Erlösung darbrachte – den Ratschluß der Erlösung und offenbarte die erbarmende Liebe des Vaters. Diesen Ratschluß nimmt er in der Gegenwart vorweg; indem er sich »mit dem geringsten der Brüder« identifiziert, fordert Jesus uns auf, ihn in Liebe aufzunehmen und ihm zu dienen. Am letzten Tag wird er zu uns sagen: Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben …(vgl. Mt 25,35), und er wird uns fragen, ob wir das Evangelium der Nächstenliebe und des Lebens verkündet, gelebt und bezeugt haben.

7. Wie bedeutungsvoll sind doch deine Worte heute für uns, Herr des Lebens und der Hoffnung! In dir werden alle menschlichen Grenzen befreit und erlöst. Dein Verdienst ist es, daß nicht die Behinderung, sondern die Liebe das letzte Wort der Existenz ist. Es ist deine Liebe, die dem Leben Sinn verleiht.

343 Hilf uns, unser Herz nach dir auszurichten. Hilf uns, dein Antlitz zu erkennen, das in jedem menschlichen Wesen erstrahlt, auch wenn es noch so schwer geprüft ist von Not, Schwierigkeiten und Leid.

Hilf uns, zu verstehen, daß »Gottes Ruhm der lebendige Mensch ist« (Irenäus von Lyon, Adv. haer., 4,20,7) und daß wir bald, gemeinsam mit Maria, der Mutter der Menschheit, die Fülle des durch dich erlösten Lebens genießen können. Amen!



FEIER DES "AKATHISTOS" IN DER

BASILIKA DI SANTA MARIA MAGGIORE

8. Dezember 2000





1. Maria ist »… Bild der Kirche, Symbol und Vorwegnahme der von der Gnade verklärten Menschheit, Vorbild und sichere Hoffnung für alle …, die auf dem Weg zum himmlischen Jerusalem sind« (Apostolisches Schreiben Orientale lumen, 6).

Liebe Brüder und Schwestern! Wir haben uns in der Basilika versammelt, die das römische Volk unmittelbar nach dem Konzil von Ephesus mit frommem Eifer der heiligen Jungfrau Maria geweiht hat. Am heutigen Abend wird in der byzantinischen liturgischen Tradition die erste Vesper der Empfängnis der hl. Anna gefeiert, wohingegen die lateinische Tradition der Unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter die Ehre erweist.

Ich bringe meine tiefe Freude zum Ausdruck über die Teilnahme einer Schar von Brüdern und Schwestern, die heute abend als Vertreter der katholisch-orientalischen Kirchen hier bei uns weilen. Mein herzlicher Gruß geht an alle Bischöfe des byzantinischen Ritus, die gemeinsam mit ihren Gläubigen in dieser Basilika anwesend sind.

2. Wir alle sind am heutigen Abend von tiefer innerer Freude erfüllt: Die Freude darüber, daß wir Maria mit dem Hymnus »Akathistos« ehren können, der in der orientalischen Tradition so viel bedeutet. Dieser Gesang ist ganz auf Christus ausgerichtet, der im Lichte seiner Mutter, der Jungfrau, betrachtet wird. Ganze 144 Mal werden wir in diesem Hymnus eingeladen, gegenüber Maria den Gruß des Erzengels Gabriel zu erneuern: »Ave Maria

Wir haben die Stationen ihres Lebens bedacht und unser Lob gesungen für die Wundertaten, die der Allmächtige an ihr vollbracht hat: von der jungfräulichen Empfängnis, Anfang und Grundlage der neuen Schöpfung, über ihre göttliche Mutterschaft bis hin zur Teilhabe an der Sendung ihres Sohnes, insbesondere in den Augenblicken seines Leidens, Todes und seiner Auferstehung.

Maria geht uns als Mutter des auferstandenen Herrn und als Mutter der Kirche voran und geleitet uns zur wahren Erkenntnis Gottes und zur Begegnung mit dem Erlöser. Sie weist uns den Weg und zeigt uns ihren Sohn. Wenn wir sie voller Freude und Dankbarkeit feiern, ehren wir hierdurch die Heiligkeit Gottes, dessen Barmherzigkeit Wundertaten an seiner demütigen Magd gewirkt hat. Wir grüßen sie unter dem Titel der »Gnadenvollen« und erbitten ihre Fürsprache für alle Söhne und Töchter der Kirche, die mit diesem Hymnus »Akathistos« ihre Herrlichkeit feiert.

Sie helfe uns dabei, beim bevorstehenden Weihnachtsfest das Geheimnis Gottes zu betrachten, der zu unserem Heil Mensch wurde!



HEILIGJAHRFEIER DER KATECHETEN UND RELIGIONSLEHRER

Sonntag, 10. Dezember 2000


344 1. »Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!« (Lc 3,4). Mit diesen Worten wendet sich Johannes der Täufer heute an uns. Seine asketische Persönlichkeit verkörpert gewissermaßen den Sinn dieser Zeit des Wartens und der Vorbereitung auf das Kommen des Herrn. In der Wüste Juda verkündet er, daß die Verheißungen sich nun erfüllt haben und das Reich Gottes nahe ist: Daher soll man dringend die Wege der Sünde verlassen und an das Evangelium glauben (vgl. Mc 1,15).

Liebe Katecheten und katholische Religionslehrer, welche Person konnte für eure Heiligjahrfeier passender sein als die des Johannes des Täufers? An euch alle, die ihr aus verschiedenen Ländern und stellvertretend für viele Ortskirchen hier zusammengekommen seid, richte ich meinen herzlichen Gruß. Ich danke Kardinal Darío Castrillón Hoyos, dem Präfekten der Kongregation für den Klerus, und euren beiden Vertretern für die freundlichen Worte, die sie zu Beginn dieser Feier im Namen aller an mich gerichtet haben.

2. In Johannes dem Täufer findet ihr heute die Grundzüge eures kirchlichen Dienstes wieder. Wenn ihr euch an ihm meßt, werdet ihr zu einem Überdenken der Sendung, die die Kirche euch anvertraut, ermutigt. Wer ist Johannes der Täufer? In erster Linie ein Glaubender, der höchstpersönlich einen anspruchsvollen spirituellen Weg eingeschlagen hat, der sich durch aufmerksames und beständiges Hören des heilbringenden Wortes auszeichnet. Außerdem bezeugt er einen weltabgewandten und armen Lebensstil; er beweist großen Mut in der Verkündigung des Willens Gottes vor allen Menschen – bis zur äußersten Konsequenz. Er gibt nicht der naheliegenden Versuchung nach, sich selbst in den Vordergrund zu stellen, sondern er erniedrigt sich selbst in Demut, um Jesus zu erhöhen.

Ebenso wie Johannes der Täufer ist auch der Katechet aufgerufen, auf Jesus als den erwarteten Messias, den Christus, zu zeigen. Seine Aufgabe ist es, die Menschen aufzufordern, den Blick auf Jesus gerichtet zu halten und Ihm zu folgen, denn nur Er ist der Meister, der Herr, der Erlöser. Wie der Vorläufer soll auch der Katechet nicht sich selbst in den Vordergrund rücken, sondern Christus. Alles muß auf Ihn hin ausgerichtet werden: auf sein Kommen, auf seine Gegenwart, auf sein Mysterium.

Der Katechet muß eine Stimme sein, die auf das Wort verweist, ein Freund, der zum Bräutigam führt. Und doch ist auch er – ebenso wie Johannes – in gewissem Sinne unentbehrlich, denn die Glaubenserfahrung braucht immer einen Vermittler, der zugleich Zeuge ist. Wer von uns dankt dem Herrn nicht für einen tüchtigen Katecheten – Priester, Ordensmann, Ordensfrau oder Laien –, dem er die erste tiefgehende und ansprechende Darlegung des christlichen Geheimnisses verdankt?

3. Eure Tätigkeit, liebe Katecheten und Religionslehrer, ist nötiger denn je und erfordert eurerseits eine stete Treue zu Christus und zur Kirche. Alle Gläubigen haben nämlich das Recht, von den Menschen, die durch Amt oder Auftrag für die Katechese und den Predigtdienst verantwortlich sind, nicht subjektive Antworten zu erhalten, sondern solche, die dem beständigen Lehramt der Kirche und dem Glauben entsprechen. Dieser Glaube wurde seit jeher maßgeblich vermittelt von denen, die hierin Lehrmeister waren, er wurde von den Heiligen vorbildlich gelebt.

In diesem Zusammenhang möchte ich an das wichtige Apostolische Schreiben Quinque iam anni erinnern, das der Diener Gottes Papst Paul VI. fünf Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, also vor dreißig Jahren, nämlich genau am 8. Dezember 1970, an den katholischen Episkopat richtete. Er warnte darin vor der gefährlichen Tendenz, auf psychologischen und soziologischen Grundlagen ein von der ununterbrochenen Tradition, die an den Glauben der Apostel anknüpft, losgelöstes Christentum aufbauen zu wollen (vgl. Insegnamenti di Paolo VI, VIII [1970], 1420). Auch ihr, meine Lieben, sollt mit den Bischöfen zusammenarbeiten, damit jene Bemühungen, die erforderlich sind, um die Botschaft den Männern und Frauen unserer Zeit verständlich zu machen, sich nie von der Wahrheit und Kontinuität der Glaubenslehre abwenden (vgl. ebd., 1422).

Die intellektuelle Kenntnis Christi und seines Evangeliums reicht jedoch nicht aus. An Ihn glauben bedeutet nämlich, Ihm nachzufolgen.Deshalb müssen wir in die Schule der Apostel, der Bekenner des Glaubens und der Heiligen aller Zeiten gehen. Sie haben durch das Zeugnis ihres Lebens dazu beigetragen, den Namen Christi zu verbreiten und anderen nahezubringen, durch ein Leben, das sie großzügig und freudig für Ihn und für die Brüder aufgeopfert haben.

4. Diesbezüglich lädt uns der heutige Abschnitt aus dem Evangelium zu einer vertieften Gewissenserforschung ein. Lukas spricht von »ebenen Straßen«, von »Schluchten, die aufgefüllt werden sollen«, von »Berg und Hügel«, die sich senken sollen, damit jeder Mensch das Heil Gottes sehen kann (vgl. ). Diese »aufzufüllenden Schluchten« lassen an die in manchen Menschen festzustellende Diskrepanz zwischen dem Glauben, den sie bekennen, und ihrem täglichen Leben denken: Das Konzil bezeichnete diese Spaltung als eine der »schweren Verirrungen unserer Zeit« (Gaudium et spes GS 43).

Die »Straßen«, die es zu ebnen gilt, verweisen überdies auf die Situation mancher Gläubigen, die sich aus dem integralen und unveränderlichen Glaubensschatz einige Elemente herausschneiden, die sie subjektiv – vielleicht unter dem Einfluß der vorherrschenden Meinung – ausgewählt haben. Sie entfernen sich somit vom rechten Weg der Spiritualität des Evangeliums, um sich auf vage Werte zu stützen, die von einem konventionellen und auf bequemen Ausgleich bedachten Moralismus inspiriert sind. In Wirklichkeit kann der Christ, obwohl er in einer multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft lebt, nicht umhin, die Dringlichkeit des missionarischen Auftrags zu spüren, die den hl. Paulus ausrufen ließ: »Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1Co 9,16). In jeder Situation, in jedem Umfeld, ob gelegen oder ungelegen, soll das Evangelium Christi mutig vorgeschlagen werden. Es ist eine Botschaft der Freude für alle Menschen jeden Alters und Standes, jeder Kultur und Nation.

5. Da sich die Kirche dessen bewußt ist, hat sie in den vergangenen Jahrzehnten noch größere Anstrengungen im Hinblick auf eine Erneuerung der Katechese nach den Vorgaben und im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils unternommen. Es mag an dieser Stelle genügen, auf manche wichtige kirchliche Initiativen hinzuweisen, so unter anderem die Versammlungen der Bischofssynode, insbesondere jene im Jahr 1974 über die Evangelisierung; wie auch auf die verschiedenen Dokumente des Hl. Stuhls und der Bischofskonferenzen, die in diesen Jahrzehnten herausgegeben wurden. Einen besonderen Platz nimmt selbstverständlich der 1992 veröffentlichte »Katechismus der Katholischen Kirche« ein, dem vor drei Jahren eine neue Ausgabe des »Allgemeinen Direktoriums für die Katechese« folgte. Diese Fülle von Ereignissen und Dokumenten belegt die Fürsorge der Kirche, die sich beim Eintritt ins dritte Jahrtausend vom Herrn zu einem neuen Eifer in der Verkündigung des Evangeliums angespornt fühlt.

345 6. Die katechetische Sendung der Kirche hat wichtige Ziele vor sich. Die Episkopate bereiten gerade die nationalen Katechismen vor, die – im Lichte des »Katechismus der Katholischen Kirche« – eine organische Zusammenfassung des Glaubens vorstellen werden in einer Weise, die den »Unterschieden in den Kulturen, Lebensphasen, im geistlichen Leben, in den gesellschaftlichen und kirchlichen Situationen der Adressaten « angemessen ist (vgl. KKK CEC 24). Ein Wunsch erhebt sich aus dem Herzen und wird zum Gebet: Möge die christliche Botschaft, vollständig und universal, alle Bereiche und Ebenen der Kultur und der sozialen Verantwortlichkeit durchdringen! Möge sie sich gemäß ihrer glorreichen Tradition vor allem in die Sprache der Kunst und der sozialen Kommunikation verwandeln, damit sie die unterschiedlichsten Bereiche des Menschen erreichen kann!

Mit großer Zuneigung möchte ich in diesem feierlichen Augenblick euch alle ermutigen, die ihr in den verschiedenen Arten der Katechese tätig seid: angefangen bei der Gemeindekatechese, die in einem gewissen Sinne der Sauerteig aller anderen ist, zur Familienkatechese, von der Katechese in den katholischen Schulen bis hin zu der in den Verbänden, Bewegungen und neuen kirchlichen Gemeinschaften. Die Erfahrung lehrt, daß die Qualität des katechetischen Wirkens in hohem Maße von einer seelsorgerisch fürsorglichen und liebevollen Präsenz der Priester abhängt. Liebe Priester und besonders ihr, liebe Pfarrer, laßt es auf den Wegen der Einführung in den christlichen Glauben und bei der Ausbildung der Katecheten nicht an eurem umsichtigen Wirken fehlen. Seid ihnen nahe, begleitet sie. Das ist ein wichtiger Dienst, den die Kirche von euch fordert.

7. »Immer, wenn ich für euch alle bete, tue ich es mit Freude und danke Gott dafür, daß ihr euch gemeinsam für das Evangelium eingesetzt habt« (). Liebe Brüder und Schwestern! Gerne mache ich mir die Worte des Apostels Paulus zu eigen, die wir in der heutigen Liturgie von neuem gehört haben, und ich sage euch: Ihr Katecheten jeden Alters und Standes seid immer in meinen Gebeten gegenwärtig, und der Gedanke an euch, die ihr um die Verbreitung des Evangeliums in allen Teilen der Welt und in jedem sozialen Milieu bemüht seid, ist für mich ein Grund zum Trost und zur Hoffnung. Mit euch möchte ich heute euren vielen Kollegen die Ehre erweisen, die ihre Treue zum Evangelium und zu den Gemeinschaften, zu denen sie ausgesandt waren, mit allen Arten von Leid und oft sogar mit dem Leben bezahlt haben. Ihr Vorbild sei für jeden von euch eine Anregung und Ermutigung.

»Alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt!« (Lc 3,6). So sprach Johannes der Täufer in der Wüste, als er die Fülle der Zeit ankündigte. Machen wir uns diesen hoffnungsvollen Ruf zu eigen, wenn wir das Jubiläumsjahr der Menschwerdung feiern. Möge jeder Mensch in Christus das Heil sehen, das von Gott kommt! Dazu muß er Ihm begegnen, Ihn kennenlernen, Ihm folgen. Dies, meine Lieben, ist der Auftrag der Kirche; dies ist euer Auftrag! Der Papst sagt zu euch: Geht! Bereitet auch ihr – wie der Täufer – den Weg für den Herrn, der kommt.

Es leite und helfe euch Maria, die allerseligste Jungfrau der Adventszeit, Stern der Neuevangelisierung. Seid wie sie dem göttlichen Wort ergeben, und laßt euch von ihrem Magnifikat zum Lob und zu prophetischem Mut anspornen. So werden auch durch euch die Worte des Evangeliums Wirklichkeit: Alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt! Amen!




Predigten 1978-2005 337