Predigten 1978-2005 130


APOSTOLISCHE REISE NACH RIO DE JANEIRO

ANLÄSSLICH DES WELTTREFFENS DER FAMILIEN (2.-6. OKTOBER 1997)

EUCHARISTIEFEIER ZUM ABSCHLUSS DES

II. WELTFAMILIENTREFFENS




«Aterro do Flamengo» (Rio de Janeiro) - Sonntag, 5. Oktober 1997



Gelobt sei Jesus Christus!

1.»Der Herr segne uns alle Tage unseres Lebens« (Antwortpsalm, vgl. Ps 128 [127], 5).

Ich danke Gott, daß er mir gewährt hat, mich erneut mit euch zu treffen, Familien der ganzen Welt, um feierlich zu bestätigen, daß ihr »die Hoffnung der Menschheit« seid!

Das erste Welttreffen mit den Familien fand 1994 in Rom statt. Das zweite hat heute seinen Abschluß in Rio de Janeiro. Herzlich danke ich Kardinal Eugenio de Araujo Sales für seine Einladung, wie ich auch allen Bischöfen und brasilianischen Obrigkeiten danke, die zum Erfolg dieses großen Ereignisses beigetragen haben. Wir sind hier aus verschiedenen Ländern und aus verschiedenen Kirchen zusammengekommen, nicht nur aus Brasilien und Lateinamerika, sondern aus allen Kontinenten, um alle zusammen dieses Gebet zu Gott zu erheben: »Der Herr segne uns alle Tage unseres Lebens!«

In der Tat ist die Familie ja die besondere und zugleich grundlegende Liebes- und Lebensgemeinschaft, auf der alle übrigen Gemeinschaften und Gesellschaften beruhen. Wenn wir darum den Segen des Höchsten für die Familien erflehen, bitten wir zugleich für alle diese großen Gemeinschaften, die wir vertreten. Wir bitten für die Zukunft der Völker und Staaten wie auch für die Zukunft der Kirche und der Welt.

131 Durch die Familie ist in der Tat die ganze menschliche Existenz auf die Zukunft hin orientiert. In der Familie kommt der Mensch zur Welt, wächst er auf und kommt er zur Reife. In ihr wird er zu einem immer reiferen Bürger seines Landes und einem immer bewußteren Glied der Kirche. Die Familie ist auch die erste und grundlegende Umwelt, in der jeder Mensch seine menschliche und christliche Berufung wahrnimmt und verwirklicht. Kurz, die Familie ist eine Gemeinschaft, die durch keine andere zu ersetzen ist. Das wird auch in den Lesungen der heutigen Liturgiefeier sichtbar.

2.Vor dem Messias erscheinen die Vertreter der jüdischen Orthodoxie, die Pharisäer, um ihn zu fragen, ob es dem Mann erlaubt ist, seine Frau aus der Ehe zu entlassen. Christus seinerseits fragt, was Mose vorgeschrieben hat. Sie antworten, daß Mose erlaubt hat, eine Scheidungsurkunde auszustellen und die Frau aus der Ehe zu entlassen. Aber Christus sagt zu ihnen: »Nur weil ihr so hartherzig seid, hat Mose euch dieses Gebot gegeben. Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen!« (
Mc 10,5-9).

Christus bezieht sich auf den Anfang. Diesen Anfang enthält das Buch Genesis, worin die Erschaffung des Menschen beschrieben wird. Wie wir im ersten Kapitel dieses Buches lesen, erschuf Gott den Menschen als sein Abbild, als Mann und Frau schuf er sie (vgl. Gn 1,27), und er sprach zu ihnen: »Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch« (Gn 1,28). Nach dem zweiten Schöpfungsbericht, den uns die erste Lesung der heutigen Liturgie bietet, wurde die Frau aus dem Mann erschaffen. So sagt die Schrift: »Da ließ Gott, der Herr, einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen, so daß er einschlief, nahm eine seiner Rippen und verschloß ihre Stelle mit Fleisch. Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu. Und der Mensch sprach: Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch. Frau soll sie heißen; vom Mann ist sie genommen. Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch« (Gn 2,21-24).

3. Die Sprache bedient sich der anthropologischen Kategorien der alten Welt, aber sie ist von außerordentlicher Tiefe: auf ganz außergewöhnliche Weise drückt sie die wesentlichen Wahrheiten aus. Alles, was durch menschliche Reflexion und wissenschaftliche Erkenntnis später entdeckt wurde, hat nur bestätigen können, was hier schon in der Wurzel vorhanden war.

Das Buch Genesis zeigt vor allem die kosmische Dimension der Schöpfung auf. Das Erscheinen des Menschen geschieht innerhalb des ungeheuren kosmischen Horizonts der gesamten Schöpfung: Nicht durch Zufall findet es am letzten Tag der Erschaffung der Welt statt. Der Mensch tritt in das Werk des Schöpfers in dem Augenblick ein, in welchem alle Vorbedingungen für seine Existenz gegeben sind. Der Mensch ist eines der sichtbaren Geschöpfe; gleichzeitig aber heißt es in der Heiligen Schrift, daß nur er »als Abbild Gottes« erschaffen wurde. Diese wunderbare Verbindung von Körper und Geist bildet etwas endgültig Neues im Schöpfungsprozeß. Mit dem menschlichen Sein öffnet sich die ganze Pracht der sichtbaren Schöpfung für die Dimension des Geistigen. Verstand und Wille, Erkenntnis und Liebe - das alles tritt im Augenblick der Erschaffung des Menschen in den sichtbaren Kosmos ein. Und gerade dadurch wird von Anfang an offenkundig, daß das körperliche und das geistige Leben einander durchdringen. So verläßt der Mann seinen Vater und seine Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein einziges Fleisch. Dieses eheliche Einswerden ist zugleich im Erkennen und in der Liebe verwurzelt, das heißt in der geistigen Dimension.

Das Buch Genesis sagt das alles in einer ihm eigenen Sprache, die zugleich wunderbar einfach und erschöpfend ist. Der Mann und die Frau, die zum Leben im kosmischen Schöpfungsprozeß berufen sind, erscheinen an der Schwelle ihrer Berufung als Träger der Zeugungsfähigkeit im Zusammenwirken mit Gott, der unmittelbar die Seele jedes neuen Menschenwesens erschafft. In gegenseitiger Erkenntnis und Liebe und gleichzeitig durch die körperliche Vereinigung werden sie Wesen ins Leben rufen, die ihnen ähnlich sind und die, ebenso wie sie selbst, als »Abbild Gottes« geschaffen sind. Sie werden das Leben an ihre eigenen Kinder weitergeben, wie sie selbst es von ihren Eltern empfangen haben. Das ist die einfache und zugleich großartige Wahrheit über die Familie, wie sie sich aus den Seiten des Buches Genesis und des Evangeliums ergibt: Nach dem Plan Gottes ist die Ehe - die unauflösliche Ehe - das Fundament einer gesunden und verantwortlichen Familie.

4. Mit wenigen, aber einprägsamen Zügen beschreibt Christus im Evangelium den ursprünglichen Plan des Schöpfergottes. Auch die in der zweiten Lesung verkündete Stelle aus dem Brief an die Hebräer berichtet: »Es war angemessen, daß Gott, für den und durch den das All ist und der viele Söhne zur Herrlichkeit führen wollte, den Urheber ihres Heils durch Leiden vollendete. Jesus, der heiligt, und die Menschen, die geheiligt werden, stammen alle von Einem ab« (vgl. He 2,10-11). Die Erschaffung des Menschen hat also ihr Fundament im ewigen Wort Gottes. Gott rief alles ins Dasein durch das Wirken des Wortes, des ewigen Sohnes, durch den alles erschaffen wurde. Auch der Mensch wurde durch dieses Wort erschaffen, und er wurde als Mann und Frau erschaffen. Der Ehebund hat seinen Ursprung im ewigen Wort Gottes. In Ihm wurde die Familie erschaffen. In Ihm wurde die Familie von Ewigkeit her in den Gedanken Gottes ersonnen, bedacht und verwirklicht. Durch Christus erhält sie ihren sakramentalen Charakter, ihre Heiligung.

Der Text des Briefes an die Hebräer erinnert daran, daß die Heiligung der Ehe, wie die jeder anderen menschlichen Wirklichkeit, durch Christus geschah, um den Preis seines Leidens und seines Kreuzes. Er offenbart sich hier als der neue Adam. Wenn es gewiß ist, daß wir der Ordnung der Natur nach alle von Adam abstammen, so geht uns allen in der Ordnung der Gnade und der Heiligung Christus voraus. Die Heiligung der Familie hat ihre Quelle im sakramentalen Charakter der Ehe.

Er, der heiligt - das ist Christus -, und alle, die geheiligt werden sollen - ihr, Väter und Mütter, ihr, Familien -, stellt euch gemeinsam dem Vater vor mit dieser inständigen Bitte, daß er das segnen möge, was er im Sakrament der Ehe in euch gewirkt hat. In dieses Gebet sind alle Eheleute und alle Familien eingeschlossen, die auf der Erde leben. Gott, der einzige Schöpfer des Alls, ist ja die Quelle des Lebens und der Heiligkeit.

5. Eltern und Familien der ganzen Welt, laßt mich euch sagen: Gott beruft euch zur Heiligkeit! Er selbst hat uns in Christus »erwählt vor der Erschaffung der Welt« - sagt uns der hl. Paulus -, »damit wir heilig und untadelig leben vor Gott« (Ep 11,4). Er liebt euch über die Maßen, er will euer Glück. Aber er will, daß ihr immer das Treusein mit dem Frohsein zu verbinden wißt, denn das eine kann man nicht ohne das andere haben. Laßt nicht zu, daß eine hedonistische Mentalität, ehrgeizige Bestrebungen und Egoismus in euer Heim eindringen. Seid Gott gegenüber großmütig. Ich kann nicht umhin, noch einmal in Erinnerung zu rufen, daß die Familie »in ihrem Sein und Handeln als innige Liebes- und Lebensgemeinschaft im Dienst an Kirche und Gesellschaft steht« (vgl. Familiaris consortio FC 50). Die von Gott gesegnete, von Glauben, Hoffnung und Liebe erfüllte gegenseitige Hingabe wird beide Ehegatten zur Vollkommenheit und gegenseitigen Heiligung gelangen lassen. Sie wird, mit anderen Worten, der Kern für die Heiligung der eigenen Familie sein und der Ausbreitung des Evangelisierungswerkes in jedem christlichen Haus dienen.

Liebe Brüder und Schwestern, was für eine große Aufgabe habt ihr vor euch! Ihr sollt Frieden und Freude mitten in die Familie hineintragen. Die Gnade erhöht und vervollkommnet die Liebe, und mit ihr verleiht sie euch die notwendigen Familientugenden: Demut, Dienst- und Opferbereitschaft, Eltern- und Kindesliebe, Ehrerbietung und gegenseitiges Verstehen. Und da ja das Gute sich ausbreiten will, so ist es auch mein Wunsch, daß euer Anschluß an die Familienpastoral euch, soweit immer möglich, dazu ansporne, großzügig die Gabe, die in euch ist, weiterzuschenken, zuerst an eure Kinder, dann an solche Familien - vielleicht Verwandte oder Freunde -, die Gott fernstehen oder die gerade Zeiten des Unverstandenseins oder des Zweifels durchmachen. Auf dem Weg zum Jubiläum des Jahres 2000 lade ich alle, die mich hören, ein zu dieser Stärkung des Glaubens und des Zeugnisses als Christen, damit es durch die Gnade Gottes eine wirkliche Umkehr und persönliche Erneuerung im Schoß der Familien der ganzen Welt gebe (vgl. Tertio Millennio adveniente TMA 42). Möge der Geist der Heiligen Familie von Nazaret in allen christlichen Familien herrschen!

132 Familien Brasiliens, Lateinamerikas und der ganzen Welt, der Papst und die Kirche setzen ihre Zuversicht in euch. Habt Vertrauen: Gott ist mit uns!



EUCHARISTIEFEIER IN DER HEILIGEN NACHT

Petersdom - Mittwoch, 24. Dezember 1997

1."Ich verkünde euch eine große Freude ...: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr" (Lc 2,10-11).

Heute! Dieses "Heute", das in der Liturgie erklingt, bezieht sich nicht nur auf das Ereignis, das schon fast zweitausend Jahre zurückliegt und eine Wende in der Geschichte der Welt eingeleitet hat. Es betrifft auch diese Heilige Nacht, in der wir hier in der Petersbasilika in geistlicher Gemeinschaft mit all denen vereint sind, die wo auch immer in der ganzen Welt das Hochfest der Geburt des Herrn begehen. Auch an den entlegensten Orten der fünf Erdteile erklingen in dieser Nacht die Worte der Engel, die die Hirten in Betlehem gehört haben: "Ich verkünde euch eine große Freude ...: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr" (Lc 2,10-11).

Im Lukasevangelium wird berichtet, daß Jesus in einem Stall geboren wurde, "weil in der Herberge kein Platz für sie war" (Lc 2,7). Maria, seine Mutter, und Josef hatten in Betlehem nirgendwo Aufnahme gefunden. Maria mußte den Retter der Welt in eine Krippe legen - die einzige Wiege, die dem menschgewordenen Sohn Gottes zur Verfügung stand. Das ist die Realität der Geburt des Herrn. Alljährlich kommen wir auf sie zurück und entdecken, ja erleben wir sie wieder mit neuem Staunen.

2. Die Geburt des Messias! Sie ist das zentrale Ereignis in der Geschichte der Menschheit. Die ganze Menschheit wartete auf sie mit unbestimmter Vorahnung. Das auserwählte Volk erwartete sie mit klarer Gewißheit. Hauptzeuge dieser langen Erwartung ist während der liturgischen Zeit des Advents und auch in dieser feierlichen Mitternachtsmesse der Prophet Jesaja, der seinen erhellten Blick aus fernen Jahrhunderten auf diese einmalige Nacht von Betlehem richtet. Er, der viele Jahrhunderte zuvor gelebt hatte, spricht über dieses Ereignis wie ein Augenzeuge: "Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt" - "Puer natus est nobis, Filius datus est nobis" (Is 9,5).

Das ist das geheimnisvolle geschichtliche Ereignis: Ein zartes Menschenkind wird geboren, das zugleich der eingeborene Sohn des Vaters ist. Er ist der Sohn, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater: "Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott." Er ist das Wort, durch das "alles geschaffen ist".

In Kürze werden wir diese Wahrheiten im Credo bekennen und hinzufügen: "Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden." Indem wir mit der ganzen Kirche unseren Glauben bekennen, bezeugen wir auch in dieser Nacht die staunenswerte Gnade, die die Barmherzigkeit des Herrn uns gewährt.

Israel, das Volk Gottes des alten Bundes, wurde erwählt, um "den Sproß des Stammes Davids" zur Welt zu bringen, den Messias, den Erlöser und Retter der ganzen Menschheit. Zusammen mit einem herausragenden Vertreter jenes Volkes, dem Propheten Jesaja, richten wir also unseren Blick nach Betlehem. und erwarten den Messias. Im göttlichen Licht können wir sehen, wie sich der alte Bund vollendet und mit der Geburt Christi ein neuer und ewiger Bund offenbar wird.

3. Von diesem neuen Bund spricht der hl. Paulus in seinem Brief an Titus, den wir soeben gehört haben: "... die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten" (Tt 2,11). Gerade diese Gnade erlaubt es der Menschheit, "auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung (zu) warten: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus", der "sich für uns hingegeben (hat), um uns von aller Schuld zu erlösen und sich ein reines Volk zu schaffen, das . . . voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun" (Tt 2,14).

An uns, liebe Brüder und Schwestern, wird heute diese Botschaft der Gnade gerichtet! Hört also: Allen "Menschen seiner Gnade", allen, die die Einladung zum Wachen und Beten in dieser hochheiligen Nacht annehmen, wiederhole ich voll Freude: Gottes Liebe zu uns hat sich offenbart! Seine Liebe ist Gnade und Treue, Barmherzigkeit und Wahrheit. Er, der uns aus der Finsternis der Sünde und des Todes befreit hat, ist das feste und unerschütterliche Fundament der Hoffnung jedes Menschen geworden.

133 Die Liturgie wiederholt es mit froher Beharrlichkeit: Kommt, laßt uns anbeten! Kommt aus allen Teilen der Welt und seht, was im Stall von Betlehem geschehen ist! Uns ist der Erlöser geboren, und das ist heute für uns und für alle ein Geschenk des Heils.

4. Unerforschlich in seiner Tiefe ist das Geheimnis der Menschwerdung! Dieser Tiefe entspricht der Reichtum der Liturgie von der Geburt des Herrn: In den Messen in der Nacht, am Morgen und am Tag beleuchten verschiedene liturgische Texte nacheinander dieses große Ereignis, das der Herr all denen bekanntmachen will, die ihn erwarten und suchen (vgl.
Lc 2,15).

Im Geheimnis der Geburt des Herrn tritt die ganze Wahrheit seines Heilsplanes über den Menschen und die Welt zutage. Nicht nur der Mensch wird gerettet, sondern die ganze Schöpfung, die eingeladen ist, dem Herrn ein neues Lied zu singen, sich zu freuen und zu jubeln mit allen Ländern der Erde (vgl. Ps 95 [96]).

Gerade dieses Loblied erklang mit großer Erhabenheit über dem armseligen Stall von Betlehem. Wir lesen bei Lukas, daß ein großes himmlisches Heer Gott lobte und sprach: "Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade" (Lc 2,14).

In Gott ist die Fülle der Herrlichkeit. In dieser Nacht wird die Herrlichkeit Gottes zum Erbe der ganzen Schöpfung und insbesondere des Menschen. Ja, der ewige Sohn, er, der das ewige Wohlgefallen des Vaters ist, wurde Mensch. Seine Geburt auf Erden in der Nacht von Betlehem bezeugt ein für allemal, daß in ihm jeder Mensch in das Geheimnis der göttlichen Erwählung, der Quelle des endgültigen Friedens, einbezogen ist.

"Frieden bei den Menschen seiner Gnade." Ja, Frieden der Menschheit! Das ist mein Weihnachtswunsch. Liebe Brüder und Schwestern, bitten wir in dieser Nacht und in der ganzen Weihnachtsoktav den Herrn um diese so notwendige Gnade. Bitten wir darum, daß die ganze Menschheit in Marias Sohn, der in Betlehem geboren ist, den Erlöser der Welt erkennen möge, der Liebe und Frieden bringt.

Amen.


                                                                  1998


Chrisam-Messe am Gründonnerstrag in der Petersbasilika

9. April 1998


1. »Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt« (Lc 4,18).

Diese Worte aus dem Buch des Propheten Jesaja, vom Evangelisten Lukas zitiert, kommen in der heutigen Chrisam-Liturgie mehrere Male vor und stellen gleisam einen »roten Faden« dieser Liturgie dar. Sie verweisen auf eine rituelle Geste, die im Alten Bund eine lange Tradition aufzuweisen hat, denn sie wiederholt sich in der Geschichte des auserwählten Volkes für die Weihe von Priestern, Propheten und Königen. Mit dem Zeichen der Salbung vertraut Gott selbst den von ihm berufenen Menschen die priesterliche, königliche und prophetische Sendung an und macht seine Segnung für die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgabe sichtbar.

134 Diejenigen, die im Alten Bund gesalbt wurden, erhielten diese Salbung im Hinblick auf eine einzige Person, nämlich auf jenen, der kommen sollte: Christus, der einzige und endgültige »Geweihte«, der »Gesalbte« schlechthin. Die Menschwerdung des Wortes wird das Geheimnis des Schöpfergottes und Vaters offenbaren, der durch die Salbung des Heiligen Geistes seinen eingeborenen Sohn in die Welt sendet.

Nun befindet er sich in der Synagoge von Nazaret. Nazaret ist sein Heimatort: Hier hat er jahrelang gelebt und in der schlichten Zimmermannswerkstatt gearbeitet. Heute aber befindet er sich in der Synagoge in einer anderen Eigenschaft: Am Ufer des Jordan hat er nach der Taufe durch Johannes die feierliche Investitur durch den Heiligen Geistes erhalten, der ihn dazu gedrängt hat, in Erfüllung des heilbringenden Willens des Vaters seine messianische Mission aufzunehmen. Und nun stellt er sich seinen Mitbürgern mit den Worten aus Jesaja vor: »Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe« (). Hier beendet er die Lesung, und nach einer kurzen Pause spricht er einige Worte, die seinen Zuhörern den Atem verschlagen: »Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt« (
Lc 4,21). Diese Erklärung läbt keinen Zweifel: Er ist der »Gesalbte«, er ist der »Geweihte«, auf den der Prophet Jesaja hindeutet. In ihm erfüllt sich die Verheibung des Vaters.

2. Heute, am Gründonnerstag, haben wir uns hier im Petersdom versammelt, um über dieses Ereignis nachzudenken: Wie die Geweihten des Alten Bundes, so richten auch wir unsere Blicke auf den, der im Buch der Offenbarung als »der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten, der Herrscher über die Könige der Erde« bezeichnet wird (1,5). Wir schauen auf ihn, den sie durchbohrt haben (vgl. Jn 19,37). Indem er sein Leben hingab, um uns von der Sünde zu befreien (vgl. Jn 15,13), hat er uns seine »grobe Liebe« bewiesen; er hat sich offenbart als der wahre und endgültige Geweihte mit der Salbung, die uns in der Kraft des Heiligen Geistes durch das Kreuz erlöst. Auf Kalvaria werden diese Worte vollkommene Wirklichkeit: »Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt« (Lc 4,18).

Diese Weihe und das Opfer am Kreuz bilden den Anfang und die Vollendung der Sendung des menschgewordenen Wortes. Das Gedächtnis dieser äubersten Geste der Liebe, die auf Golgota vollbracht wurde, begehen wir am Gründonnerstag unter dem von Jesus im Abendmahlssaal gestifteten sakramentalen Zeichen, während der Karfreitag den geschichtlichen, dramatischen und leidvollen Aspekt hervorhebt. In seiner zweifachen Dimension zeigt dieses Opfer den Beginn der »neuen« Salbung im Heiligen Geist an, und es bildet das Unterpfand für die Herabkunft des Parakleten auf die Apostel und auf die Kirche, die deshalb heute gewissermaben ihre Geburtsstunde feiert.

3. Liebe Brüder im Priesteramt! Wir sind heute morgen um diesen eucharistischen Tisch versammelt an dem heiligen Tag, an dem wir des Ursprungs unseres Priesterseins gedenken! Heute feiern wir die besondere »Salbung«, die in Christus auch die unsrige geworden ist. Als uns im Ritus unserer Priesterweihe der Bischof die Hände mit dem heiligen Öl salbte, sind wir zu Verwaltern der heiligen und wirksamen Zeichen der Erlösung geworden, und seitdem haben wir an der priesterlichen Salbung Christi Anteil. Seit diesem Augenblick hat die Kraft des Heiligen Geistes, die über uns ausgegossen wurde, unser Dasein für immer verändert. Diese göttliche Kraft bleibt in uns bestehen und wird uns bis ans Ende begleiten.

Wir stehen auf der Schwelle zu jenen heiligsten Tagen, an denen wir das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung des Herrn begehen, und möchten dem Heiligen Geist unseren Dank für das unschätzbare Geschenk erneuern, das uns durch das Priestertum zuteil wurde. Wie sollten wir uns nicht in der Schuld dessen fühlen, der uns mit dieser wunderbaren Würde ausgezeichnet hat? Dieses Bewubtsein möge uns veranlassen, dem Herrn für die Wunder, die er in unserem Leben gewirkt hat, zu danken; es helfe uns, unser Amt mit fester Hoffnung zu betrachten und demütig um Vergebung für unsere eventuellen Treulosigkeiten zu bitten.

Maria möge uns unterstützen, damit wir – wie sie – uns vom Geist leiten lassen, um Jesus bis zum Ende unseres irdischen Auftrags zu folgen.

In meinem diesjährigen Brief an die Priester zum Gründonnerstag habe ich geschrieben: »Von Maria begleitet wird der Priester jeden Tag seine Weihe zu erneuern wissen, bis er unter der Führung des Geistes, den er mit Zuversicht angerufen hat, in das Meer des Lichtes der Dreifaltigkeit eingeht« (Nr. 7).

Mit dieser Aussicht und dieser Hoffnung schreiten wir vertrauensvoll auf dem Weg voran, den der Herr uns jeden Tag eröffnet. Sein göttlicher Geist unterstützt und leitet uns.

»Veni, Sancte Spiritus!« Amen.





Abendmahlsmesse am Gründonnerstag in St. Johannes im Lateran


9. April 1998



135 1. »Verbum caro, panem verum verbo carnem efficit . . . «.

»Gottes Wort, ins Fleisch gekommen, / wandelt durch sein Wort den Wein / und das Brot zum Mahl der Frommen, / lädt auch die Verlornen ein. / Der Verstand verstummt beklommen, / nur das Herz begreift's allein«.

Diese poetische Formulierung des hl. Thomas von Aquin fabt die heutige Liturgie des heutigen Abends »in cena Domini« sehr gut zusammen, und sie hilft uns, zum Mittelpunkt des Mysteriums, das wir heute feiern, vorzudringen. Im Evangelium lesen wir: »Jesus wubte, dab seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung« (
Jn 13,1). Heute ist der Tag, an dem wir uns an die Einsetzung der Eucharistie erinnern: Geschenk der Liebe und unerschöpfliche Quelle der Liebe. In ihr ist das neue Gebot eingeschrieben und verwurzelt: »Mandatum novum do vobis . . . – Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander!« (Jn 13,34).

2. Die Liebe erreicht ihren Höhepunkt, wenn ein Mensch sich selbst vorbehaltlos Gott und seinen Brüdern schenkt. Indem er den Aposteln die Fübe wäscht, fordert der Meister sie zu einer Einstellung des Dienens auf: »Ihr sagt zu mir Meister und Herr, und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Fübe gewaschen habe, dann mübt auch ihr einander die Fübe waschen« (). Durch diese Geste offenbart Jesus eine seine Sendung kennzeichnende Eigenschaft: »Ich aber bin unter euch wie der, der bedient« (Lc 22,27). Es ist also nur derjenige ein wahrer Jünger Christi, der an Jesu Verhalten »Anteil nimmt« und sich – wie er – auch mit persönlichen Opfern in den Dienst der anderen stellt. Der Dienst, das heibt die Sorge um die Bedürfnisse des Nächsten, ist in der Tat das Wesentliche jeder wohlgeordneten Macht: regieren bedeutet dienen. Das priesterliche Amt, dessen Einrichtung wir heute feiern und verehren, setzt eine Haltung demütiger Verfügbarkeit voraus, vor allem gegenüber den Bedürftigsten. Das Ereignis des Letzten Abendmahls, dessen wir jetzt gedenken, können wir nur in dieser Perspektive ganz begreifen.

3. Der Gründonnerstag wird von der Liturgie als »das eucharistische Heute« bezeichnet, als der Tag, an dem »unser Herr Jesus Christus seinen Jüngern aufgetragen hat, die Geheimnisse seines Leibes und Blutes zu feiern« (Römischer Kanon zum Gründonnerstag). Vor seinem Kreuzesopfer am Karfreitag stiftete Jesus das Sakrament, das dieses sein Opfer durch alle Zeiten hindurch verewigt. In jeder heiligen Messe begeht die Kirche das Gedächtnis jenes entscheidenden Ereignisses der Geschichte. Mit gröbter Ehrfurcht beugt sich der Priester am Altar über die eucharistischen Opfergaben und spricht dieselben Worte, die Christus »am Abend, am dem er ausgeliefert wurde«, gesagt hat. Über dem Brot wiederholt er: »Das ist mein Leib[, der] für euch [hingegeben wird]« (1Co 11,24), und dann über dem Kelch: »Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut« (1Co 11,25). Seit jenem Gründonnerstag vor fast zweitausend Jahren bis zu diesem Abend, Gründonnerstag 1998, lebt die Kirche durch die Eucharistie. Sie läbt sich von der Eucharistie formen und feiert sie fortwährend in Erwartung der Rückkehr ihres Herrn.

Machen wir uns heute abend die Aufforderung des hl. Augustinus zu eigen: Geliebte Kirche, »manduca vitam, bibe vitam: habebis vitam, et integra est vita!« »Ib das Leben, trink das Leben: So wirst du das Leben haben, und es wird unversehrt sein!« (vgl. Sermo CXXXI, I, 1).

4. »Pange, lingua, gloriosi corporis mysterium, sanguinisque pretiosi . . . «. Wir verehren dieses »mysterium fidei«, das die Kirche unaufhörlich nährt. Möge der lebendige und ehrfurchtsvolle Sinn für dieses gröbte Geschenk, das die Eucharistie für uns ist, in unseren Herzen neu erwachen.

Und möge auch die Dankbarkeit neu erwachen, die auf der Anerkennung der Tatsache beruht, dab es in uns nichts gibt, was uns nicht vom Vater des Erbarmens geschenkt worden wäre (vgl. 2Kor 2Co 1,3). Die Eucharistie, das grobe »Geheimnis des Glaubens«, bleibt in erster Linie und vor allem ein Geschenk, etwas, was wir »erhalten« haben. Das bestätigt der hl. Paulus, wenn er den Bericht über das Letzte Abendmahl mit folgenden Worten einführt: »Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe« (1Co 11,23). Die Kirche hat es vom Herrn empfangen, und durch die Feier dieses Sakraments dankt sie dem himmlischen Vater für das, was er in Jesus Christus, seinem Sohn, für uns getan hat.

Bei jeder Eucharistiefeier nehmen wir dieses immer neue Geschenk in uns auf; wir lassen seine göttliche Kraft in unsere Herzen dringen und sie dazu befähigen, den Tod des Herrn in Erwartung seines Kommens zu verkünden. »Mysterium fidei« singt der Priester nach der Konsekration, und die Gläubigen antworten: »Mortem tuam annuntiamus, Domine . . . – Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit«. In der Eucharistie ist die Substanz des Osterglaubens der Kirche enthalten.

Auch heute abend danken wir dem Herrn, der dieses grobe Sakrament eingesetzt hat. Wir feiern und empfangen es, damit wir darin die Kraft finden, um auf dem Weg unseres Daseins vorangehen zu können und den Tag des Herrn zu erwarten. Dann werden auch wir dort Einlab finden, wohin Christus, der Hohe Priester, durch das Opfer seines Leibes und Blutes gelangt ist.

5. »Ave, verum corpus, natum de Maria Virgine: – Wahrer Leib, sei uns gegrübet, den Maria uns gebar«: So betet heute die Kirche.

136 Möge Maria, in der Jesus seinen Leib angenommen hat – den Leib, den wir heute Abend im eucharistischen Mahl brüderlich teilen –, uns bei dieser »Erwartung seiner Wiederkunft« begleiten.

»Esto nobis praegustatum mortis in examine – Gib uns, dab wir Dich genieben in der letzten Todsgefahr«. Ja, nimm uns bei der Hand, eucharistischer Jesus, in jener letzten Stunde, die uns in das Licht deiner Ewigkeit einführt: »O Iesu dulcis! O Iesu pie! O Jesu, fili Mariae! – O lieber Jesus! O gütiger Jesus! O Jesus, Sohn Marias!«





Predigt des Heiligen Vaters Johannes Paul II. bei der Osternachtsfeier


(Karsamstag, 11. April 1998)

1."Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich" (Gn 1,26). "Gott schuf also den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie" (Gn 1,27).

In dieser Osternachtsfeier verkündet die Liturgie das erste Kapitel des Buches Genesis, das das Geheimnis der Schöpfung und insbesondere die Erschaffung des Menschen schildert. Unsere Aufmerksamkeit richtet sich erneut auf das Geheimnis des Menschen, das in Christus und durch Christus voll offenbar wird.

"Fiat lux", "faciamus hominem": Diese Worte aus der Genesis enthüllen die ganze Wahrheit, wenn sie im Schmelztiegel des Pascha des Wortes geläutert werden (vgl. Ps 12,7). Durch die Ruhe des Karsamstags, durch die Stille des Wortes erreichen sie ihren Vollsinn: Dieses "Licht" ist neues Licht, das keinen Untergang kennt; dieser "Mensch" ist "der neue Mensch", "der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit" (Ep 4,24).

Die Neuschöpfung wird an Ostern Wirklichkeit. Im Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi wird alles erlöst, und alles wird vollkommen gut gemäß dem ursprünglichen Plan Gottes.

Vor allem der Mensch, der verlorene Sohn, der das wertvolle Gut der Freiheit durch die Sünde verschleudert hat, erlangt seine verlorene Würde wieder. "Faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram." Wie wahr und tief erklingen diese Worte in der Osternacht! Und welche unvergleichliche Aktualität haben sie für den Menschen unserer Zeit, der, obwohl er so um seine Möglichkeiten weiß, das Universum zu beherrschen, oft auch so verwirrt ist gegenüber dem wahren Sinn seines Daseins, in dem er die Spuren des Schöpfers nicht mehr zu erkennen vermag.

2. In diesem Zusammenhang kommen mir einige Stellen aus der Konstitution Gaudium et spes des II. Vatikanischen Konzils in den Sinn, die gut mit der wunderbaren Symphonie der Lesungen der Osternacht harmonieren. Denn dieses Konzilsdokument offenbart bei eingehenderer Untersuchung einen tiefen österlichen Charakter sowohl im Inhalt als auch in seiner anfänglichen Ausrichtung. Wir lesen: "Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf. Denn Adam, der erste Mensch, war das Vorausbild des zukünftigen (vgl. Rm 5,14), nämlich Christi des Herrn. Christus ... (ist) 'das Bild des unsichtbaren Gottes' (Col 1,15)..., er ist zugleich der vollkommene Mensch, der den Söhnen Adams die Gottebenbildlichkeit wiedergab, die von der ersten Sünde her verunstaltet war... Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt... Durch sein Leiden für uns hat er uns nicht nur das Beispiel gegeben, daß wir seinen Spuren folgen, sondern er hat uns auch den Weg gebahnt, dem wir folgen müssen, damit Leben und Tod geheiligt werden und neue Bedeutung erhalten. Der christliche Mensch empfängt, gleichförmig geworden dem Bild des Sohnes, der der Erstgeborene unter vielen Brüdern ist, 'die Erstlingsgaben des Geistes' (Rm 8,23)... Durch diesen Geist, der das 'Unterpfand der Erbschaft' (Ep 1,14) ist, wird der ganze Mensch innerlich erneuert bis zur 'Erlösung des Leibes' (Rm 8,23): 'Wenn der Geist dessen, der Jesus von den Toten erweckt hat, in euch wohnt, wird er, der Jesus Christus von den Toten erweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen wegen des in euch wohnenden Geistes' (Rm 8,11)... dem österlichen Geheimnis verbunden und dem Tod Christi gleichgestaltet, geht er (der Christ), durch Hoffnung gestärkt, der Auferstehung entgegen" (GS 22).

3. Diese Worte des jüngsten Konzils stellen uns erneut das Geheimnis der Berufung jedes Getauften vor Augen. Sie verdeutlichen es ganz besonders euch, liebe Katechumenen, die ihr einer alten Tradition der Kirche gemäß die heilige Taufe im Verlauf dieser Osternachtsfeier empfangt. Wir grüßen euch voll Liebe und danken euch für euer Zeugnis.

Ihr stammt aus verschiedenen Ländern der Welt: aus Kanada, China, Kolumbien, Indien, Italien, Polen und Südafrika.


Predigten 1978-2005 130