Predigten 1978-2005 158

                                                                          1999



HOCHFEST DER GOTTESMUTTER MARIA

XXXII. WELTFRIEDENSTAG

Petersdom - Sonntag, 1. Januar 1999



1. Christus heri et hodie – Principium et Finis – Alpha et Omega

159 »Christus gestern und heute
Anfang und Ende
Alpha und Omega.
Sein ist die Zeit und die Ewigkeit.
Sein ist die Macht und die Herrlichkeit
in alle Ewigkeit«
(Römisches Meßbuch, Bereitung der Osterkerze).

Jedes Jahr richtet die Kirche in der Osternacht erneut diesen feierlichen Zuruf an Christus, den Herrn der Zeit. Auch am Jahresbeginn verkünden wir diese Wahrheit im Übergang zwischen dem »Gestern« und dem »Heute«: »gestern«, als wir im Versinken des alten Jahres Gott gedankt haben; »heute«, während wir das beginnende neue Jahr begrüßen. »Gestern und heute.« Wir feiern Christus; er ist, wie die Schrift sagt, »derselbe, gestern, heute und in Ewigkeit« (
He 13,8). Er ist der Herr der Geschichte, Ihm gehören die Jahrhunderte und die Jahrtausende.

Während wir das Jahr 1999 beginnen, das letzte Jahr vor dem Großen Jubiläum, ist es, als ob das Geheimnis der Geschichte sich mit größerer Tiefe vor uns enthülle. Gerade deshalb wollte die Kirche den drei Jahren der unmittelbaren Vorbereitung auf das Ereignis des Jubeljahres das trinitarische Zeichen der Gegenwart des lebendigen Gottes aufprägen.

2. Der erste Tag des neuen Jahres schließt die Oktav vom Fest der Geburt des Herrn ab und ist der Heiligen Jungfrau geweiht, die als Mutter Gottes verehrt wird. Das Evangelium bringt in Erinnerung, daß sie »alles, was geschehen war, in ihrem Herzen bewahrte und darüber nachdachte« (vgl. Lc 2,19). So war es in Betlehem, so auf Golgota zu Füßen des Kreuzes, so am Pfingsttag, als der Heilige Geist in den Abendmahlssaal herabstieg.

Und so auch heute. Die Mutter Gottes und der Menschen bewahrt und überdenkt in ihrem Herzen alle die großen und schwierigen Probleme der Menschheit. Die »Alma Redemptoris Mater« geht mit uns und führt uns mit mütterlicher Zärtlichkeit der Zukunft entgegen. So hilft sie der Menschheit, die »Schwellen« der Jahre, der Jahrhunderte und der Jahrtausende überschreiten und ihre Hoffnung auf den, der der Herr der Geschichte ist, festhalten.

160 3. »Heri et hodie – Gestern und heute.« »Gestern« – das veranlaßt zum Rückblick. Wenn wir den Blick auf die Ereignisse des zu Ende gehenden Jahrhunderts richten, dann bieten sich unseren Augen die zwei Weltkriege dar: Friedhöfe, Gräber von Gefallenen, zerrissene Familien, Weinen und Verzweiflung, Elend und Leiden. Wie könnte man die Todeslager vergessen, die grausam vernichteten Kinder Israels, die heiligen Märtyrer: Pater Maximilian Kolbe, Schwester Edith Stein und viele andere?

Unser Jahrhundert ist aber auch das Jahrhundert der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, deren fünfzigster Jahrestag unlängst begangen wurde. Gerade im Hinblick auf diesen Jahrestag habe ich in der traditionellen Botschaft zum heutigen Weltfriedenstag daran erinnern wollen, daß das Geheimnis des wahren Friedens in der Achtung der Menschenrechte besteht. »Die Anerkennung der angeborenen Würde aller Glieder der Menschheitsfamilie [ist] das Fundament für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt« (ebd., 3).

Das II. Vatikanische Konzil, das Konzil, das die Kirche auf den Eintritt ins dritte Jahrtausend vorbereitet hat, betonte, daß die Welt, der Schauplatz der Geschichte der Menschheit, durch den gekreuzigten und auferstandenen Christus von der Sklaverei der Sünde befreit und dazu bestimmt ist, »umgestaltet zu werden nach Gottes Heilsratschluß und zur Vollendung zu kommen« (Gaudium et spes
GS 2). Das also ist die Art und Weise, wie die Gläubigen auf unsere zeitgenössische Welt blicken, während sie Schritt für Schritt der Schwelle des Jahres Zweitausend entgegengehen.

4. Als das Ewige Wort Mensch wurde, ist es in die Welt gekommen und hat sie angenommen, um sie zu erlösen. Die Welt ist also nicht nur vom schrecklichen Erbe der Sünde gezeichnet, sondern sie ist in erster Linie eine von Christus, dem gekreuzigten und auferstandenen Sohn Gottes, erlöste Welt. Jesus ist der Erlöser der Welt, der Herr der Geschichte. »Eius sunt tempora et saecula – Sein ist die Zeit und die Ewigkeit.« Sein sind die Jahre und die Jahrhunderte. Darum glauben wir, daß, wenn wir mit Christus zusammen ins dritte Jahrtausend eintreten, wir zusammenwirken werden zur Umformung der von Ihm erlösten Welt. »Mundus creatus, mundus redemptus – Erschaffene Welt, erlöste Welt.«

Auf mancherlei Weisen gibt die Menschheit leider dem Einfluß des Bösen nach. Von der Gnade jedoch gedrängt, erhebt sie sich immer wieder und geht, geführt durch die Kraft der Erlösung, auf das Gute zu. Sie geht auf Christus zu, nach dem Plan Gottes, des Vaters.

Iniziamo questo nuovo anno nel suo nome. Ci ottenga Maria di essere suoi fedeli discepoli, perché con le parole e con le opere rendiamo a Lui gloria ed onore per tutti i secoli in eterno:
Ipsi gloria et imperium per universa aeternitatis saecula.
Amen!

»Jesus Christus – Anfang und Ende
Alpha und Omega
sein ist die Zeit und die Ewigkeit.«

161 Beginnen wir dieses neue Jahr in seinem Namen. Maria möge uns erlangen, daß wir seine treuen Jünger seien, damit wir mit Worten und Werken ihm immer und ewig Ruhm und Ehre erweisen: »Ipsi gloria et imperium per universa aeternitatis saecula – Ihm sei die Macht und die Herrlichkeit für alle Ewigkeit.« Amen!



BISCHOFSWEIHE AM HOCHFEST DER ERSCHEINUNG DES HERRN - EPIPHANIE

Mittwoch, 6. Januar 1999

1.»Das Licht leuchtet in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht erfaßt« (Jn 1,5).

In der Liturgie spricht heute alles vom Licht Christi, von jenem Licht, das in der Heiligen Nacht entzündet wurde. Das gleiche Licht, das die Hirten zum Stall von Betlehem führte, zeigt am Tag der Epiphanie den Magiern, die aus dem Osten gekommen sind, um dem König der Juden zu huldigen, den Weg, und es leuchtet für alle Menschen und für alle Völker, die sich danach sehnen, Gott zu begegnen.

Geistig auf der Suche, verfügt der Mensch schon von Natur aus über ein Licht, das ihn führt, nämlich die Vernunft. Dank ihrer vermag er sich, wenn auch nur tastend, auf seinen Schöpfer hin zu orientieren (vgl. Ac 17,27). Doch da er leicht den Weg verlieren kann, ist Gott selbst ihm zu Hilfe gekommen mit dem Licht der Offenbarung, die ihre Fülle in der Menschwerdung des Wortes, des ewigen Wortes der Wahrheit, erreicht hat.

Die Epiphanie feiert die Erscheinung dieses göttlichen Lichtes in der Welt. Sie feiert das Erscheinen des Lichtes, mit dem Gott der schwachen Lampe der menschlichen Vernunft entgegengekommen ist. So weist das heutige Hochfest auf die innere Beziehung zwischen Vernunft und Glauben hin, die beiden Flügel, über die der menschliche Geist verfügt, um sich zur Betrachtung der Wahrheit zu erheben, wie ich in der kürzlich veröffentlichten Enzyklika Fides et ratio gesagt habe.

2. Christus ist nicht nur Licht, das den Weg des Menschen erhellt. Er hat sich für die unsicheren Schritte des Menschen zu Gott, der Quelle des Lebens, auch zum Weg selbst gemacht. Eines Tages wird er zu den Aposteln sagen: »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, außer durch mich. Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen« (Jn 14,6-7). Und nach dem Einwand des Philippus wird er hinzufügen: »Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen… ich bin im Vater und der Vater ist in mir« (vgl. Jn 14,9 Jn 14,11). Die Epiphanie des Sohnes ist die Epiphanie des Vaters.

Ist nicht dies letzten Endes das Ziel des Kommens Christi in die Welt? Er selbst hat erklärt, daß er gekommen ist, um »den Vater bekannt zu machen«, um den Menschen zu »erklären«, wer Gott ist, um sein Antlitz zu enthüllen, seinen »Namen« (Jn 17,6). In der Begegnung mit dem Vater besteht das ewige Leben (vgl. Jn 17,3). Wie passend ist daher diese Erwägung gerade in dem Jahr, das Gott dem Vater geweiht ist!

Die Kirche setzt durch alle Zeiten hindurch die Sendung ihres Herrn fort; ihre Hauptaufgabe besteht darin, allen Menschen das Antlitz des Vaters bekannt zu machen, indem sie das Licht Christi, »lumen gentium«, das Licht der Liebe, der Wahrheit und des Friedens, widerspiegelt. Dazu hat der göttliche Meister die Apostel in die Welt gesandt, und in dem gleichen Geist sendet er beständig die Bischöfe, ihre Nachfolger.

3. Einem bedeutungsvollen Brauch folgend, erteilt der Bischof von Rom am Hochfest Epiphanie einigen ernannten Bischöfen die Bischofsweihe. So habe ich heute die Freude, euch, liebe Brüder, zu weihen, damit ihr in der Fülle des Priestertums Diener der Epiphanie Gottes unter den Menschen werdet. Jedem von euch sind bestimmte Aufgaben anvertraut; untereinander verschieden, aber alle darauf ausgerichtet, das eine Evangelium des Heiles unter den Menschen zu verbreiten.

Du, Msgr. Alessandro D’Errico, als Apostolischer Nuntius in Pakistan; du, Msgr. Salvatore Pennacchio, als mein Stellvertreter in Ruanda, und du, Msgr. Alain Lebeaupin, als Apostolischer Nuntius in Ecuador, ihr werdet Zeugen der Einheit und der Gemeinschaft zwischen den Ortskirchen und dem Apostolischen Stuhl sein.

162 Dir, Msgr. Cesare Mazzolari, ist die Diözese Rumbek im Sudan anvertraut, einem Land, dessen Bevölkerung, seit Jahren zermürbenden Leiden unterworfen, einen gerechten Frieden, in Achtung der Menschenrechte aller, angefangen bei den Schwächsten, erwartet. Und du, Msgr. Tran Dinh Tu, bist berufen, in der Diözese Phú Cuong in Vietnam unter Brüdern und Schwestern im Glauben, die von nicht wenigen Schwierigkeiten heimgesucht sind, zum Boten der Hoffnung zu werden.

Du, Msgr. Diarmuid Martin, Sekretär des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, und du, Msgr. José Luis Redrado Marchite, Sekretär des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, ihr werdet euren geschätzten Dienst in der Römischen Kurie fortsetzen und den weiten Horizont der ganzen Kirche vor Augen haben.

Eine erwartungsreiche Sendung habt ihr, Msgr. Rafael Cob Garcia, Apostolischer Vikar von Puyo in Ecuador, und Msgr. Mattew Moolakkattu, Weihbischof des Bischofs von Kottayam der Syro-Malabaren in Indien: Ihr ruft mir Asien und Amerika in Erinnerung, Kontinente, denen die beiden kürzlich stattgefundenen Bischofssynoden gegolten haben.

Der Herr gebe, daß jeder von euch, ihr neuen Bischöfe, denen ich heute die Hände auflegen werde, in Worten und Werken die freudevolle Verkündigung der Epiphanie, in der der Sohn Gottes der Welt das Antlitz des erbarmungsreichen Vaters sichtbar gemacht hat, überallhin bringt.

4. Die Welt hat es an der Schwelle des dritten Jahrtausends mehr denn je nötig, die göttliche Güte zu erfahren, die Liebe Gottes zu jedem Menschen zu spüren.

Das Wort des Propheten Jesaja, das wir heute gehört haben, gilt auch in unserer Zeit: »Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht leuchtend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir« (
Is 60,2-3). Auf dem Grat – sozusagen – zwischen dem zweiten und dem dritten Jahrtausend ist die Kirche aufgerufen, sich in Licht zu kleiden (vgl. Is 60,1), um als Stadt auf dem Berge zu leuchten: Die Kirche darf nicht verborgen bleiben (vgl. Mt 5,14), denn die Menschen haben es nötig, ihre Botschaft von Licht und Hof fnung aufzunehmen und dem Vater im Himmel die Ehre zu geben (vgl. Mt 5,16).

Dieser apostolischen und missionarischen Aufgabe bewußt, die dem ganzen christlichen Volk, besonders aber all denen gilt, die der Heilige Geist für die Leitung der Kirche Gottes zu Bischöfen bestellt hat (vgl. Ac 20,28), begeben wir uns als Pilger nach Betlehem, um uns mit den Magiern aus dem Osten zu vereinen, wenn sie dem neugeborenen König Gaben darbieten.

Die eigentliche Gabe aber ist Er: Jesus, die Gabe Gottes an die Welt. Ihn müssen wir aufnehmen, um ihn unsererseits denen zu bringen, die wir auf unserem Weg treffen. Für alle ist er die Epiphanie, die Offenbarung Gottes, der die Hoffnung des Menschen ist; Gottes, der die Befreiung des Menschen ist; Gottes, der das Heil des Menschen ist.

Christus ist in Betlehem für uns geboren.

Kommt, laßt uns anbeten!

Amen.



TAUFE VON 19 NEUGEBORENEN

Sixtinische Kapelle - Sonntag, 10. Januar 1999

163
Fest der Taufe des Herrn

1.»Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe« (Mt 3,17).


Diese feierlichen Worte erklingen heute, am Fest der Taufe Jesu. Sie laden uns dazu ein, den Augenblick mitzuerleben, in welchem Jesus, von Johannes getauft, aus dem Wasser des Jordanflusses steigt, und Gott Vater ihn als seinen eingeborenen Sohn vorstellt, als das Lamm, das die Sünde der Welt auf sich nimmt. Eine Stimme aus dem Himmel wird vernehmbar, während der Heilige Geist in Gestalt einer Taube sich auf Jesus niederläßt, der öffentlich seine Heilssendung beginnt. Diese Sendung ist vom Stil des demütigen und sanftmütigen Knechtes gekennzeichnet, der bereit ist zum Teilen und zur vollständigen Hingabe seiner selbst: »Er schreit nicht und lärmt nichtDas geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; ja, er bringt wirklich das Recht« (Is 42,2-3).

Die Liturgie läßt uns die eindrucksvolle Szene im Evangelium miterleben: Unter der Menge, die büßend zu Johannes dem Täufer kommt, um die Taufe zu empfangen, ist auch Jesus. Und nun soll die Verheißung in Erfüllung gehen, und für die ganze Menschheit tut sich ein neues Zeitalter auf. Dieser Mann, der sich seinem Aussehen nach nicht von allen anderen unterscheidet, ist in Wahrheit Gott, zu uns gekommen, um denen, die ihn aufnehmen, die Macht zu geben, »Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind« (Jn 1,12-13).

2. »Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören« (Ruf vor dem Evangelium).

Heute ergehen diese Verkündigung und diese Einladung, für die Menschheit reich an Hoffnung, besonders an die Kinder, die nun bald durch das Sakrament der Taufe zu neuen Geschöpfen werden. Des Geheimnisses von Tod und Auferstehung Jesu teilhaft geworden, werden sie mit dem Geschenk des Glaubens ausgestattet und in das Volk des Neuen und endgültigen Bundes, die Kirche, eingegliedert werden. Gott Vater wird sie in Christus zu seinen Adoptivkindern machen und einen einzigartigen Lebensplan für sie enthüllen: als Jünger auf seinen Sohn zu hören, um berufen zu sein und wirklich seine Kinder zu sein.

Auf jedes von ihnen wird der Heilige Geist herabkommen, und, ebenso wie es uns am Tag unserer Taufe geschah, werden auch sie in den Genuß jenes Lebens kommen, das der Vater durch Jesus, den Erlöser des Menschen, den Glaubenden schenkt. Aus einem so unermeßlichen Reichtum an Gaben ergibt sich für sie, wie für jeden Getauften, eine einzige Aufgabe. Der Apostel Paulus wird nicht müde, die ersten Christen darauf hinzuweisen mit den Worten: »Laßt euch vom Geist leiten« (Ga 5,16), das heißt, lebt und handelt beständig in der Liebe Gottes.

Ich bringe meinen Wunsch zum Ausdruck, daß die Taufe, die diese Kleinen heute empfangen, sie im Lauf ihres ganzen Lebens zu mutigen Zeugen des Evangeliums mache. Das wird durch ihr ständiges Bemühen möglich sein. Aber auch euer erzieherisches Wirken wird notwendig sein, liebe Eltern, die ihr heute Gott dankt für die außerordentlichen Gaben, die er diesen euren Kindern gewährt. Und notwendig ist auch die Unterstützung der Paten und Patinnen.

3. Nehmt, liebe Brüder und Schwestern, die Aufforderung an, die die Kirche an euch richtet: Seid für die Kinder »Erzieher im Glauben«, damit in ihnen der Keim des neuen Lebens sich entfalte und zu voller Reife komme. Helft ihnen mit euren Worten und vor allem mit eurem Beispiel.

Von euch mögen sie recht bald lernen, Christus zu lieben, ohne Unterlaß zu ihm zu beten, ihn nachzuahmen in beständiger Treue zu seinem Ruf. Ihr habt in ihrem Namen im Symbol der Kerze die Flamme des Glaubens empfangen: Habt acht, daß sie beständig genährt werde, damit jedes dieser neugetauften Kinder in der Kenntnis und Liebe Jesu stets der Weisheit des Evangeliums entsprechend handle. Auf diese Weise werden sie wahre Jünger des Herrn und frohe Apostel seines Evangeliums.

164 Jedes dieser Kinder und ihre Familien vertraue ich der Jungfrau Maria an. Die Muttergottes helfe allen, in Treue den Weg zu gehen, der mit dem Sakrament der Taufe begonnen hat.





PASTORALREISE NACH MEXIKO


EUCHARISTIEFEIER ZUM ABSCHLUß DER SYNODALEN SONDERSITZUNG DER BISCHÖFE AMERIKAS

23. Januar 1999

Liebe Brüder im Bischofs- und im Priesteramt,
liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

1. »Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau […]« (Ga 4,4). Was bedeutet die Fülle der Zeit? Aus der Sicht der Menschheitsgeschichte ist die Fülle der Zeit ein konkretes Datum. Es ist die Nacht, in welcher der Sohn Gottes in Betlehem auf die Welt kam. So hatten es die Propheten vorhergesagt, wie wir in der ersten Lesung hörten: »Darum wird euch der Herr von sich aus ein Zeichen geben: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben« (Is 7,14). Diese Worte wurden viele Jahrhunderte zuvor ausgesprochen und gingen in jener Nacht in Erfüllung, als der durch den Heiligen Geist im Schoße Marias empfangene Sohn Gottes zu Welt kam.

Der Geburt Christi ging die Verkündigung durch den Engel Gabriel voraus. Daraufhin ging Maria ihre Verwandte Elisabet besuchen, um ihr behilflich zu sein. Daran erinnert uns das Evangelium nach Lukas, wenn es uns den ungewöhnlichen und prophetischen Gruß Elisabets und die wunderbare Antwort Marias vor Augen stellt: »Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter« (Lc 1,46-47). Dies sind die Ereignisse, auf die sich die heutige Liturgie bezieht. Gott des Lebens ist Herr der Geschichte

2. Die Lesung aus dem Brief an die Galater enthüllt uns ihrerseits die göttliche Dimension dieser Fülle der Zeit. Die Worte des hl. Paulus fassen die gesamte Theologie der Geburt Christi zusammen, wodurch sich auch gleichzeitig der Sinn jener Zeitenfülle erklärt. Es handelt sich dabei um etwas ganz Außerordentliches: Gott ist in die Geschichte der Menschheit eingetreten; er, der in sich selbst das unergründliche Mysterium des Lebens ist; er, der Vater ist und sich von Ewigkeit her im Sohn widerspiegelt, welcher mit dem Vater eines Wesens ist und durch welchen alles erschaffen wurde (vgl. Jn 1,1-3); Gott, der Einheit des Vaters und des Sohnes ist im Strömen ewiger Liebe, das heißt im Heiligen Geist.

Trotz unserer armseligen Ausdrucksmöglichkeiten in bezug auf das unaussprechliche Mysterium der Dreifaltigkeit kann man sagen, daß der den zeitlichen Bedingungen unterworfene Mensch dazu berufen wurde, an diesem göttlichen Leben teilzuhaben. Der Sohn Gottes wurde aus Maria, der Jungfrau, geboren, um uns die göttliche Sohnschaft zu gewähren. Der Vater hat unseren Herzen den Geist seines Sohnes eingegossen; darum dürfen wir sagen: »Abba, Vater« (vgl. Ga 4,4). Das also ist die Fülle der Zeit, in der alles Streben der Geschichte und der Menschheit gipfelt: die Offenbarung des Mysteriums Gottes, den Menschen angeboten durch das Geschenk der göttlichen Adoption.

3. Die Fülle der Zeit, auf die sich der Apostel beruft, ist auf die Geschichte der Menschheit bezogen. In gewisser Weise ist Gott durch seine Menschwerdung in unsere Zeit eingetreten und hat unsere Geschichte in Heilsgeschichte verwandelt. Eine Geschichte, die alles Geschehen in der Welt und der Menschheit, angefangen von der Schöpfung bis zu ihrem Ende, umfaßt und in ihrer Entfaltung wichtige Augenblicke und Daten aufweist. Eines dieser Daten ist das bevorstehende Jahr 2000 nach der Geburt Jesu, das Jahr des Großen Jubiläums. Die Kirche hat sich unter anderem durch die einem jeden Kontinent gewidmeten, außerordentlichen Synoden darauf vorbereitet. So auch durch die Synode Ende 1997 im Vatikan.

4. Heute danken wir Gott in dieser Basilika von Guadalupe, dem Mittelpunkt marianischer Frömmigkeit in Amerika, für die dem Kontinent Amerika gewidmete Sonderversammlung der Bischofssynode. Sie war Ausdruck echter kirchlicher Gemeinschaft und kollegialer Verbundenheit unter den Hirten von Nord-, Zentral- und Südamerika, zusammen mit dem Bischof von Rom erlebt als brüderliche Erfahrung der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn und als Weg zur Umkehr, zur Gemeinschaft und zur Solidarität in Amerika.

Nun bin ich ein Jahr nach dieser synodalen Sonderversammlung und aus Anlaß der Hundertjahrfeier des in Rom abgehaltenen Plenarkonzils für Lateinamerika hierhergekommen, um der »Virgen mestiza«, Unserer Lieben Frau von Tepeyac, Stern der Neuen Welt, das Apostolische Schreiben Ecclesia in America, das die Beiträge und pastoralen Vorschläge der Synode enthält, zu Füßen zu legen und der Mutter und Königin dieses Kontinentes die Zukunft seiner Evangelisierung anzuvertrauen.

165 5. All jenen möchte ich meinen Dank aussprechen, die es durch ihre Arbeit und ihr Gebet möglich gemacht haben, daß diese Synode die Vitalität des katholischen Glaubens in Amerika aufgezeigt hat. Auch danke ich dieser Primatial-Erzdiözese von Mexiko und ihrem Erzbischof, Norbert Kardinal Rivera Carrera, für die freundliche Aufnahme und großzügige Bereitschaft. Herzlich grüße ich die große Zahl von Kardinälen und Bischöfen, die aus allen Teilen des Kontinents gekommen sind, sowie die zahlreichen Priester und Seminaristen, die das Herz des Papstes mit Freude und Hoffnung erfüllen. Auch gilt mein Gruß all jenen, die draußen vor der Basilika dieser Feier folgen, und allen Männern und Frauen der verschiedenen Kulturen, Völkergruppen und Nationen, die zur reichen und vielgestaltigen Wirklichkeit Amerikas gehören. [Auf portugiesisch sagte der Papst:]

6. »Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ« (
Lc 1,45). Diese Worte Elisabets an Maria, die Christus in ihrem Schoß trug, lassen sich auch auf die Kirche dieses Kontinentes anwenden. Selig bist du, Kirche von Amerika, Kirche dieses Kontinentes, die du durch die Annahme der Frohbotschaft des Evangeliums so viele Völker zum Glauben geboren hast! Selig bist du wegen deines Glaubens, selig wegen deiner Hoffnung, selig wegen deiner Liebe, denn die Verheißung des Herrn wird sich erfüllen! Die heroischen Missionsbemühungen und die bewundernswerte Evangelisierungstätigkeit dieser fünf Jahrhunderte sind nicht vergeblich gewesen. Heute dürfen wir sagen, daß aufgrund dessen die Kirche in Amerika eine Kirche der Hoffnung ist. Man betrachte nur die Lebendigkeit ihrer so zahlreichen Jugendlichen, die außerordentliche Bedeutung, die man der Familie beimißt, das Aufblühen der Priester- und Ordensberufungen und vor allem die tiefe Religiosität der verschiedenen Völkergruppen. Vergessen wir nicht, daß im nächsten, kurz bevorstehenden Jahrtausend Amerika der Kontinent mit den meisten Katholiken sein wird. [Auf französisch sagte der Papst weiter:]

7. Indessen haben die Synodenväter unterstrichen, daß, wenn die Kirche in Amerika sehr wohl Grund zur Freude hat, sie auch mit ernsten Schwierigkeiten und wichtigen Herausforderungen konfrontiert ist. Sollten wir uns dadurch etwa entmutigen lassen? Keinesfalls, denn: »Jesus Christus ist der Herr!« (Ph 2,11). Er hat die Welt bezwungen und seinen Heiligen Geist ausgesandt, um alles neu zu machen. Wäre es zuviel, zu hoffen, daß sich nach dieser Synode – der ersten amerikanischen Synode in der Geschichte – auf diesem überwiegend christlichen Kontinent eine mehr durch das Evangelium geprägte und zum Teilen bereite Lebensweise entwickelt? Es gibt viele Bereiche, in denen die christlichen Ge-meinschaften Nord-, Zentral- und Südamerikas ihre brüderlichen Bande kundtun, in wirklicher Solidarität leben und bei gemeinsamen Pastoralprojekten zusammenarbeiten können, wobei eine jede Gemeinschaft von ihrem spirituellen und materiellen Reichtum das beisteuert, worüber sie verfügt. [Auf englisch sagte der Papst:]

8. Der Apostel Paulus lehrt uns, daß in der Fülle der Zeit Gott seinen Sohn sandte, geboren von einer Frau, um uns von der Sünde zu erlösen und uns zu seinen Söhnen und Töchtern zu machen. So sind wir also nicht mehr Knechte, sondern Gottes Kinder und Erben (vgl .Ga 4,4-7). Deshalb muß die Kirche das Evangelium vom Leben verkünden und sich mit prophetischer Kraft gegen die Kultur des Todes aussprechen. Möge der Kontinent der Hoffnung auch der Kontinent des Lebens sein! So ist unser Aufruf: Leben in Würde für alle! Für alle, die im Mutterschoß empfangen wurden: für Straßenkinder, für einheimische Völkergruppen und Afro-Amerikaner, für Immigranten und Flüchtlinge, für die jungen Menschen, denen die Aussichten für die Zukunft versperrt sind, für die alten Menschen und für alle, die auf irgend eine Weise Armut oder Ausstoßung erleiden.

Liebe Brüder und Schwestern! Es ist Zeit, von diesem Kontinent ein für alle Male jeden Angriff auf das Leben zu verbannen. Keine Gewalt mehr, kein Terrorismus und kein Drogenhandel mehr! Keine Folter oder andere Arten von Mißbrauch mehr! Dem unnötigen Rückgriff auf die Todesstrafe muß ein Ende gesetzt werden! Keine Ausbeutung der Schwachen mehr, keine Rassendiskriminierung und keine Ghettos der Armen mehr! Nie mehr! Dies sind unerträgliche Übel, die zum Himmel schreien und die Christen zu einer anderen Lebensweise und mehr sozialem Engagement in Übereinstimmung mit ihrem Glauben aufrufen. Durch das Evangelium müssen wir das Gewissen der Menschen wachrütteln, um ihnen ihre hohe Berufung, Kinder Gottes zu sein, vor Augen zu führen. Das wird sie inspirieren, ein besseres Amerika zu errichten. Es ist ein dringendes Gebot der Stunde, einen neuen Frühling der Heiligkeit auf dem Kontinent herbeizuführen, so werden Handeln und Betrachtung Hand in Hand gehen. [Auf spanisch sagte der Papst:]

9. Die Zukunft dieses Kontinentes möchte ich Maria, der heiligen Mutter Christi und Mutter der Kirche, anvertrauen und darbieten. Darum ist es mir eine Freude, nun zu verkünden, daß ich angeordnet habe, den 12. Dezember in ganz Amerika zu Ehren der Jungfrau von Guadalupe im liturgischen Rang eines Festes zu begehen.

O unsere Mutter, du kennst die Wege, welche die ersten Verkünder des Evangeliums in der Neuen Welt von den Inseln Guanahani und La Española bis zu den Wäldern des Amazonas und den Gipfeln der Anden gegangen sind. Sie gelangten bis zum Feuerland im Süden und bis zu den großen Seen und dem Gebirge im Norden. Begleite die Kirche, die unter den Völkern Amerikas wirkt, damit sie immerzu das Evangelium verkünde und ihren missionarischen Geist erneuere. Stehe all jenen bei, die ihr Leben der Botschaft Jesu und der Ausbreitung seines Reiches weihen.

O unsere liebe Frau von Tepeyac, Mutter von Guadalupe, dir stellen wir diese unzählbare Menge von Gläubigen anheim, die in Amerika zu Gott beten. Dich tragen sie im Herzen, sei auch in ihren Häusern, ihren Pfarreien und den Diözesen des ganzen Kontinentes, und stärke sie. Gib, daß die christlichen Familien auf beispielhafte Weise ihre Kinder im Glauben der Kirche und in der Liebe des Evangeliums erziehen, auf daß sie eine Pflanzschule für apostolische Berufungen seien. Lenke heute deinen Blick auf die Jugendlichen, und ermutige sie, mit Jesus Christus zu gehen.

O Herrin und Mutter Amerikas, stärke den Glauben unserer Brüder und Schwestern im Laienstand, auf daß sie in allen Bereichen des sozialen, beruflichen, kulturellen und politischen Lebens im Einklang mit der Wahrheit und dem neuen Gesetz handeln, das Jesus der Menschheit gebracht hat. Sei all jenen gnädig, die an Hunger, Einsamkeit, Ausgrenzung oder Unwissenheit leiden. Gib, daß wir in ihnen deine vielgeliebten Kinder erkennen, und treibe uns an zur Nächstenliebe, um ihnen in ihrer Not zu helfen.

Heilige Jungfrau von Guadalupe, Friedenskönigin, rette die Nationen und Völker dieses Kontinentes! Gib, daß alle, die Regierungen und die Bürger, lernen, in echter Freiheit zu leben, und daß sie nach den Erfordernissen der Gerechtigkeit und der Achtung der Menschenrechte handeln, damit der Friede sich endgültig festige.

Dir, unsere liebe Frau von Guadalupe, Mutter Jesu und unsere Mutter, alle Liebe, Ehre, Herrlichkeit und das ständige Lob deiner Söhne und Töchter von Amerika!



APOSTOLISCHE REISE NACH MEXIKO

UND SAINT LOUIS (22.-28. JANUAR 1999)


EUCHARISTIEFEIER

Autodrom «Hermanos Rodríguez» (Mexiko-Stadt) - Sonntag, 24. Januar 1999

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Liebe Brüder und Schwestern!

1. »Seid ganz eines Sinnes und einer Meinung« (
1Co 1,10). An diesem Morgen animieren uns die Worte des Apostels Paulus, auf eindringliche Weise diese Begegnung im Glauben zu erleben, wie es diese Eucharistiefeier ist, am »durch die Auferstehung des Herrn geehrten heiligen Sonntag, dem ersten aller Tage« (Dies Domini, 19). Es erfüllt mich mit großer Freude, dieser Meßfeier vorstehen zu können.

In Gottes Plan ist der Sonntag der Tag, an dem sich die christliche Gemeinde um den Tisch des Gotteswortes und der Eucharistie versammelt. Bei dieser wichtigen Zusammenkunft sind wir vom Herrn berufen, die Gabe des Glaubens zu erneuern und zu vertiefen. Ja, Brüder und Schwestern, der Sonntag ist der Tag des Glaubens und der Hoffnung, der Tag der Freude und der freudigen Antwort auf Christus, den Heiland, er ist der Tag der Heiligkeit! In dieser brüderlichen Versammlung erleben und feiern wir die Gegenwart des Meisters, der verheißen hat: »Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20).

2. Für die freundlichen Worte, die Kardinal Norberto Rivera Carrera, der Primas von Mexiko, an mich gerichtet hat, möchte ich mich herzlich bedanken. Er hat mir dabei die Realität dieser geliebten kirchlichen Gemeinschaft vorgestellt. Ganz herzlich begrüße ich auch Kardinal Ernesto Corripio Ahumada, den Alterzbischof von Mexiko-City, sowie die übrigen Kardinäle und Bischöfe Mexikos und aus anderen Teilen des amerikanischen Kontinents und aus Rom. Der Papst möchte sie bei der Ausübung ihres Amtes ermutigen und ruft sie dazu auf, keine Mühen zu scheuen und nicht zaghaft zu sein, wenn es um die Verkündigung des Evangeliums Christi geht.

Auch begrüße ich die Priester und Ordensleute und spreche ihnen meine Hochachtung aus. Sie möchte ich ermutigen, sich durch ihre unverzichtbare Hingabe an Gott zu heiligen durch ihren Dienst an der Kirche und an der Neuevangelisierung, indem sie stets den Richtlinien ihrer Oberhirten folgen. Darin äußert sich die große Kraftanstrengung, Christus den Menschen besser zu verkünden, besonders jenen Menschen, die weit entfernt sind. Hier denke ich auch besonders an die vielen Nonnen, die in Klausur leben und für die Kirche, den Papst, die Bischöfe und Priester, die Missionare und alle Gläubigen beten.

Ein besonderer Gruß gilt den zahlreichen einheimischen Volksgruppen, die aus den verschiedenen Regionen Mexikos zu dieser Meßfeier zusammengekommen sind. Der Papst fühlt sich euch allen sehr nahe und bewundert eure kulturellen Werte. Auch ermutigt er euch, hoffnungsvoll die schwierigen Situationen zu überwinden, die ihr gerade durchmacht. Ich lade euch auch dazu ein, alle Anstrengungen für eure eigene Entwicklung und euren Fortschritt zu unternehmen. Baut mit Verantwortungsbewußtsein eure Zukunft und die eurer Kinder auf! Daher bitte ich alle Gläubigen dieses Landes, sich bei der Hilfe und Förderung der Bedürftigsten unter euch einzusetzen. Es ist erforderlich, daß alle und jeder einzelne in diesem Land wenigstens die für ein würdiges Leben notwendigsten Dinge haben. Alle Glieder der mexikanischen Gesellschaft sind gleich an Würde, denn sie sind Kinder Gottes, und daher gebührt ihnen jegliche Achtung. Sie haben das Recht, sich voll und ganz in Gerechtigkeit und Frieden selbst zu verwirklichen.

Das Wort des Papstes ist aber auch an die Kranken gerichtet, die heute nicht hier bei uns sein konnten. Auch ihnen fühle ich mich sehr nahe, und ich möchte ihnen Trost zusprechen und den Frieden Christi überbringen. Auch bitte ich sie, daß sie auf dem Wege ihrer Genesung ihre Krankheit für die Kirche aufopfern in dem Bewußtsein des Heilswertes und der Evangelisierungskraft, die dem menschlichen Leid, wenn es mit der Passion unseres Herrn Jesus verbunden ist, innewohnt.

In besonderer Weise spreche ich auch den zivilen Behörden meinen Dank für die Anwesenheit bei dieser Feier aus. Der Papst ermutigt sie, weiterhin mit Feingefühl für das Wohl aller zu arbeiten, erfüllt von einem tiefen Gerechtigkeitssinn gemäß der Verantwortung, die ihnen übertragen worden ist.

3. In der ersten Lesung sagt der Prophet, indem er sich auf die messianischen Erwartungen Israels bezieht: »Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht« (Is 9,1). Dieses Licht ist Christus, das vor fast fünfhundert Jahren von den ersten aus Spanien kommenden Franziskanermissionaren hierhergebracht wurde. Heute sind wir Zeugen eines tief verwurzelten Glaubens und der überreichen Früchte, die das Opfer und die Selbstentsagung so vieler Missionare erbracht haben.

167 Das II. Vatikanische Konzil sagt: »Christus ist das Licht der Völker« (Lumen gentium LG 1). Möge dieses Licht die mexikanische Gesellschaft, ihre Familien, Schulen und Universitäten, ihre Dörfer und Städte erhellen. Mögen die Werte des Evangeliums die Regierenden inspirieren, ihren Mitbürgern zu dienen, wobei sie immer die Bedürftigsten vor Augen haben sollten.

Der Glaube an Christus ist ein wesentlicher Bestandteil der mexikanischen Nation, denn er ist unauslöschlich in ihrer Geschichte eingeschrieben. Laßt nicht zu, daß dieses Licht des Glaubens erlischt! Mexiko braucht dieses Licht weiterhin, um eine gerechtere und brüderlichere Gesellschaft zu errichten, die sich denen gegenüber, die nichts haben und eine bessere Zukunft erwarten, solidarisch erweist. Umkehr und Buße im Geist des Evangeliums

Die heutige Welt vergißt gelegentlich die transzendenten Werte der menschlichen Person: ihre Würde und Freiheit, ihr unverletzliches Recht auf Leben und das unschätzbare Geschenk der Familie innerhalb eines Klimas der Solidarität und des sozialen Zusammenlebens. Die zwischenmenschlichen Beziehungen gründen nicht immer auf den Prinzipien der Liebe und gegenseitigen Hilfe. Im Gegenteil, andere Kriterien sind meist dominierend, so daß dabei die harmonische Entwicklung und der ganzheitliche Fortschritt der einzelnen Person und der Völker in Gefahr geraten. Deshalb müssen die Christen wie die »Seele« dieser Welt sein, das heißt, sie müssen sie mit Geist erfüllen, ihr Leben eingießen und bei der Errichtung einer neuen Gesellschaft zusammenarbeiten, welche durch die Liebe und die Wahrheit geleitet wird.

Ihr, liebe Söhne und Töchter, wußtet selbst in den schwierigsten Momenten der Geschichte den Meister zu erkennen, der »Worte des ewigen Lebens« hat (Jn 6,68). Sorgt dafür, daß das Wort Christi auch jene erreicht, die es bisher noch nicht kennen! Habt den Mut, das Evangelium in den Straßen und auf den Plätzen, in den Tälern und auf den Bergen dieses Landes zu bezeugen! Fördert die Evangelisierung gemäß den Richtlinien der Kirche!

4. Im Antwortpsalm haben wir gesungen: »Der Herr ist mein Licht und mein Heil« (Ps 27,1). Wen sollen wir fürchten, wenn Er mit uns ist. Seid also mutig, und sucht den Herrn, so werdet ihr in ihm auch den Frieden finden. Die Christen sind dazu berufen, »das Licht der Welt« (Mt 5,14) zu sein, und die gesamte Gesellschaft mit dem Zeugnis ihrer Werke zu erleuchten.

Schlägt man fest entschlossen den Weg des Glaubens ein, so läßt man die Verführungen, die die Kirche, den mystischen Leib Christi, zerreißen, hinter sich, und man schenkt jenen keine Aufmerksamkeit mehr, die der Wahrheit den Rücken zukehren und Trennung und Haß predigen (vgl 2P 2,1-2). Söhne und Töchter von Mexiko und ganz Amerika, sucht die Wahrheit des Lebens nicht in falschen und augenscheinlich neuen Ideologien! »Jesus ist die wahre Neuheit, die jede Erwartung der Menschheit übersteigt. Er wird es […] für immer bleiben« (Incarnationis mysterium, 1).

5. In diesem Autodrom, das sich heute in ein großes Gotteshaus gewandelt hat, hallen die Worte kraftvoll wider, mit denen Jesus seine Predigttätigkeit begonnen hatte: »Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe« (Mt 4,17). Seit ihren Anfängen hat die Kirche immer treu diese Botschaft der Umkehr weitergegeben, auf daß wir alle ein reineres Leben im Geist des Evangeliums führen können. Der Ruf zur Umkehr wird in diesem Moment der Vorbereitung auf das Große Jubiläum noch dringlicher. Dann werden wir nämlich des Mysteriums der Fleischwerdung des Sohnes Gottes vor zweitausend Jahren gedenken.

Am Beginn dieses liturgischen Jahres sagte ich durch die Bulle »Incarnationis mysterium«, »Die Jubiläumszeit führt uns in jene kraftvolle Sprache ein, welche die göttliche Pädagogik des Heiles anwendet, um den Menschen zur Umkehr und Buße anzuhalten« (Nr. 2). Daher ruft der Papst euch auf, eure Herzen zu Christus zu bekehren. Es ist notwendig, daß die ganze Kirche das neue Jahrtausend so beginnt, daß sie ihren Kindern hilft, sich von der Sünde und vom Übel zu reinigen, daß sie ihre Horizonte der Heiligkeit und Treue erweitert, um an der Gnade Christi teilzuhaben, der uns dazu berufen hat, Kinder des Lichtes zu sein und an der ewigen Herrlichkeit teilzuhaben (vgl. Col 1,13).

6. »Folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen« (Mt 4,19).

Diese Worte Jesu, die wir vernommen haben, wiederholen sich im Laufe der Geschichte in allen Winkeln der Erde. Wie der Meister, so richte auch ich dieselbe Einladung an alle, besonders an die Jugendlichen, Christus nachzufolgen. Liebe Jugendliche! Jesus berief eines Tages den Simon Petrus und den Andreas. Sie waren Fischer und verließen ihre Netze, um ihm nachzufolgen. Ganz sicher beruft Christus auch einige unter euch, ihm nachzufolgen und euch ganz dem Anliegen des Evangeliums hinzugeben. Habt keine Angst, diese Einladung vom Herrn anzunehmen! Laßt nicht zu, daß eure Netze euch daran hindern, Jesus auf seinem Weg zu folgen! Seid großzügig, und hört nicht auf, dem Meister zu antworten, der euch ruft. Folgt ihm, um wie die Apostel zu sein, nämlich Menschenfischer.

Ebenso ermutige ich die Familienmütter und -väter, daß sie die ersten sein mögen, die den Samen für die Berufung in ihren Kindern keimen lassen, indem sie ihnen im eigenen Zuhause durch ihre Mühen und Opfer, ihre Hingabe und Verantwortung Beispiel der Liebe Christi sind. Liebe Eltern, bildet eure Kinder gemäß den Prinzipien des Evangeliums heran, damit sie im Dritten Jahrtausend die Verkünder des Evangeliums sein können. Die Kirche braucht mehr Verkünder des Evangeliums. Ganz Amerika, wozu auch ihr gehört, trägt eine große Verantwortung im Hinblick auf die Zukunft.

168 Mexiko hat sehr lange durch viele Zeugen Christi die selbstlose und großzügige Evangelisierungstätigkeit erfahren. Denken wir nur an solch herausragende Persönlichkeiten wie Juan de Zumárraga und Vasco de Quiroga. Andere haben bis in den Tod hinein Zeugnis abgelegt, wie zum Beispiel die seliggesprochenen Märtyrerkinder von Tlaxcala, Cristóbal, Antonio und Juan, oder der sel. Miguel Pro und viele andere Priester, Ordensangehörige und Märtyrer aus dem Laienstand. Schließlich gab es auch Bekenner wie den sel. Bischof Rafael Guizar.

7. Am Schluß möchte ich meine Gedanken nach Tepeyac zu Unserer Lieben Frau von Guadalupe wenden. Sie ist der Stern der ersten und der neuen Evangelisierung Amerikas. Ihr vertraue ich die Kirche an, die sich in Mexiko und auf dem ganzen amerikanischen Kontinent auf der Pilgerschaft befindet, und ich bitte sie inständig, daß sie ihre Kinder im Glauben und der Hoffnung auf dem Weg ins Dritte Jahrtausend begleiten möge.

Unter ihren mütterlichen Schutz stelle ich die Jugendlichen dieses Landes sowie das Leben und die Unschuld der Kinder, besonders jener, die in Gefahr sind, nicht einmal geboren zu werden. Ihrem liebenden Schutz stelle ich die Sache des Lebens anheim: Kein Mexikaner möge es wagen, das wertvolle und geheiligte Geschenk des Lebens im Mutterschoß zu verletzen!

Ihrer Fürsprache empfehle ich die Armen mit all ihren Bedürfnissen und Sehnsüchten. Vor ihr, der Jungfrau mit dem Antlitz einer Mestizin, lege ich die Sehnsüchte und Hoffnungen der einheimischen Volksgruppen mit ihrer eigenen Kultur nieder, die darauf hoffen, ihre berechtigten Bestrebungen und den ihnen zustehenden Fortschritt zu erreichen. Auch empfehle ich ihr die Afroamerikaner. In ihre Hände befehle ich schließlich die Arbeiter, Unternehmer sowie alle, die durch ihre Aktivitäten für den Fortschritt der heutigen Gesellschaft zusammenarbeiten.

Allerheiligste Jungfrau, laß uns, wie der sel. Juan Diego, auf dem Lebensweg, den wir eingeschlagen haben, dein Bild mit uns tragen, und laß uns die Frohe Botschaft von Christus allen Menschen verkünden.



Predigten 1978-2005 158