Der priester fur das dritte Jahrtausend


DER PRIESTER, LEHRER DES WORTES,

DIENER DER SAKRAMENTE UND


LEITER DER GEMEINDE


FÜR DAS DRITTE


CHRISTLICHE JAHRTAUSEND



1
Aus dem Vatikan, 19. März 1999 Fest des hl. Josef, Patron der Universalkirche






An die Hochwürdigsten Ordinarien

Eminenz, Exzellenz,

Die ganze Kirche bereitet sich in bußfertiger Gesinnung auf den nahenden Eintritt in das dritte Jahrtausend seit der Menschwerdung des Wortes vor und wird durch die ständigen Bemühungen des Nachfolgers Petri zu einem immer lebendigeren Andenken an den Willen ihres göttlichen Gründers angeregt.

In inniger Verbundenheit mit diesem Anliegen hat die Kongregation für den Klerus auf ihrer vom 13. — 15. Oktober 1998 abgehaltenen Plenarversammlung entschieden, den einzelnen Ordinarien dieses Rundschreiben zuzuleiten, das durch sie an alle Priester gerichtet ist. Der Heilige Vater sagte in der bei dieser Gelegenheit vorgetragenen Ansprache: "Die Perspektive der Neu-Evangelisierung findet im Einsatz für das große Jubiläum einen starken Ausdruck. Hier kreuzen einander providentiell die Wege des Apostolischen Schreibens Tertio Millennio adveniente und jene, die von den Direktorien für die Priester und die Ständigen Diakone sowie von der Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester und vom Ergebnis der gegenwärtigen Plenarversammlung aufgezeigt wurden. Dank der allgemeinen und überzeugten Anwendung dieser Dokumente wird sich der inzwischen gewohnte Ausdruck Neu-Evangelisierung noch viel effizienter in wirksame Realität umsetzen lassen".

Es handelt sich um ein Hilfsmittel, das im Blick auf die gegenwärtigen Umstände bei den einzelnen Priestern und Presbyterien eine Gewissenserforschung anregen soll im Bewußtsein, daß der Name der Liebe — in der Zeit

— Treue ist. Im Text werden die konziliaren und päpstlichen Lehren bekräftigt und die anderen Dokumente des Papstes in Erinnerung gerufen. Es sind dies wahrhaft grundlegende Dokumente, um den authentischen Anforderungen der Zeiten zu entsprechen und sich nicht vergeblich in der Evangelisierungsaufgabe abzumühen.

Die Anregungen zum Nachdenken am Ende der einzelnen Kapitel verlangen keine Antwort an die Kongregation; vielmehr bilden sie eine Hilfestellung für jene, die im Licht der genannten Dokumente ihre Alltgswirklichkeit hinterfragen wollen.

Die Adressaten können sich ihrer in der von ihnen am günstigsten erachteten Art und Weise bedienen.

Im Bewußtsein, daß kein missionarisches Vorhaben ohne den motivierten und begeisterten Einsatz der Priester realistischerweise gelingen kann, die ja die ersten und wertvollsten Mitarbeiter der Bischöfe sind, soll dieses Rundschreiben u.a. auch eine Hilfe anbieten für Priestertage, Einkehrtage, Exerzitien und Priestertreffen, die in den einzelnen Kirchengebieten in dieser Vorbereitungszeit auf das große Jubiläum und vor allem während seiner Durchführung abgehalten werden.

Mit dem Wunsch, daß die Königin der Apostel als leuchtender Stern die Schritte ihrer geliebten Priester, Söhne in ihrem Sohn, auf den Pfaden der wirksamen Gemeinschaft, der Treue, der großmütigen und umfassenden Ausübung ihres unersetzlichen Dienstes geleiten möge, wünsche ich alles erdenklich Gute im Herrn und entbiete herzliche Grüße in kollegialer Verbundenheit!





DARÍO Kard. CASTRILLÓN HOYOS

Präfekt

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CSABA TERNYÁK

Titular-Erzbischof von Eminenziana

Sekretär

EINLEITUNG

Die auf dem fruchtbaren Boden der großen katholischen Tradition entstandene und gewachsene Lehre, die den Priester als Lehrer des Wortes, Diener der Sakramente und Leiter der ihm anvertrauten christlichen Gemeinde beschreibt, stellt einen Weg nachdenklicher Reflexion über seine Identität und seine Sendung in der Kirche dar. Über diese Lehre, die immer dieselbe und doch immer neu ist, muß heute wieder mit Glaube und Hoffnung nachgedacht werden im Blick auf die Neu-Evangelisierung, zu welcher der Heilige Geist durch die Person und Autorität des Heiligen Vaters alle Gläubigen aufruft.

Es braucht einen wachsenden, persönlichen und zugleich gemeinsamen, neuen und großzügigen apostolischen Einsatz aller in der Kirche. Hirten und Gläubige müssen, besonders durch das persönliche Zeugnis und die einleuchtende Lehre Johannes Pauls II. in besonderer Weise ermutigt, immer gründlicher begreifen, daß der Zeitpunkt gekommen ist, den Schritt zu beschleunigen, mit leidenschaftlichem apostolischem Geist nach vorne zu schauen und sich darauf vorzubereiten, die Schwelle des 21. Jahrhunderts in einer Haltung zu überschreiten, deren Bestreben es ist, die Tore der Geschichte weit aufzumachen für Jesus Christus, unseren Gott und einzigen Erlöser. Hirten und Gläubige müssen sich aufgerufen fühlen, dafür zu sorgen, daß im Jahr 2000 mit neuer Kraft wieder die Verkündigung der Wahrheit erschalle: "Ecce natus est nobis Salvator mundi" (1).

"In den Ländern mit alter christlicher Tradition, aber manchmal auch in jüngeren Kirchen haben ganze Gruppen von Getauften den lebendigen Sinn des Glaubens verloren oder erkennen sich gar nicht mehr als Mitglieder der Kirche, da sie sich in ihrem Leben von Christus und vom Evangelium entfernt haben. In diesem Fall braucht es eine ,,Neu-Evangelisierung" oder eine ,,Wieder-Evangelisierung"" (2) Die Neu-Evangelisierung stellt also zuallererst eine mütterliche Reaktion der Kirche auf die Schwächung des Glaubens und die Trübung der moralischen Forderungen des christlichen Lebens im Bewußtsein so vieler ihrer Söhne und Töchter dar. Es gibt in der Tat viele Getaufte, die als Bürger einer in religiöser Hinsicht gleichgültigen Welt zwar einen gewissen Glauben beibehalten, sich aber praktisch vom Wort und von den Sakramenten, den wesentlichen Quellen christlichen Lebens, entfernt haben und im religiösen und moralischen Indifferentismus leben. Aber es gibt viele andere Menschen, die von christlichen Eltern geboren und vielleicht auch getauft worden sind, aber die Glaubensgrundlagen nicht erhalten haben und praktisch ein Dasein ohne Gott führen. Auf alle diese Menschen blickt die Kirche voll Liebe, während sie es ganz besonders ihnen gegenüber als dringende Pflicht empfindet, sie an die kirchliche Gemeinschaft heranzuziehen, wo sie durch die Gnade des Heiligen Geistes Jesus Christus und den Vater wiederfinden sollen.

Zusammen mit dieser Verpflichtung zur Neu-Evangelisierung, die im Bewußtsein vieler Christen wieder das Licht des Glaubens entzünden und in der Gesellschaft die Frohe Botschaft vom Heil wieder erklingen lassen soll, empfindet die Kirche stark die Verantwortung für ihre ständige Sendung ad gentes, das heißt das Recht und die Pflicht, allen Menschen, die Christus noch nicht kennen und nicht an seinen Heilsgaben teilhaben, das Evangelium zu bringen. Für die Kirche, Mutter und Lehrerin, sind die Sendung ad gentes und die Neu-Evangelisierung, heute mehr denn je untrennbare Aspekte des Auftrags, zu lehren, zu heiligen und alle Menschen zum Vater zu führen. Auch leidenschaftliche Christen, von denen es viele gibt, bedürfen einer liebevollen, ständigen Ermutigung dazu, nach ihrer Heiligkeit zu streben, zu der sie von Gott und von der Kirche berufen sind und die den eigentlichen Motor der Neu-Evangelisierung darstellt.

Jeder gläubige Christ, jeder Sohn/jede Tochter der Kirche sollte sich in diese gemeinsame dringende Verantwortung hineingenommen fühlen, ganz besonders aber gilt das für die Priester, die im besonderen erwählt, geweiht und gesandt sind, um die Gegenwart Christi, dessen authentische Repräsentanten und Boten sie werden, offenkundig zu machen.(3) Es erscheint daher notwendig, allen Welt — und Ordenspriestern zu helfen, "die vorrangige pastorale Aufgabe der Neu-Evangelisierung" (4) persönlich auf sich zu nehmen und im Lichte dieser Aufgabe die von Gott an sie ergangene Berufung wiederzuentdecken, nämlich dem ihnen anvertrauten Teil des Gottesvolkes als Lehrer des Wortes, Diener der Sakramente und Hirten der Herde zu dienen.

I. Kapitel

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IM DIENST DER NEU-EVANGELISIERUNG

"Ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht" (Jn 15,16)

1. Die Neu-Evangelisierung, Aufgabe der ganzen Kirche

Die Berufung und die Entsendung durch den Herrn sind immer aktuell, gewinnen aber unter den heutigen historischen Gegebenheiten eine besondere Bedeutung. Denn das Ende des 20. Jahrhunderts weist vom religiösen Standpunkt her gegensätzliche Erscheinungen auf. Während man einerseits den hohen Säkularisierungsgrad einer Gesellschaft feststellt, die sich von Gott abwendet und sich jedem transzendenten Bezug verschließt, zeigt sich andererseits zunehmend eine Religiosität, welche die im Herzen aller Menschen vorhandene, angeborene Sehnsucht nach Gott zu stillen versucht, der es aber nicht immer gelingt, zu einem befriedigenden Ausgang zu gelangen. "Die Sendung Christi, des Erlösers, die der Kirche anvertraut ist, ist noch weit davon entfernt, vollendet zu sein. Ein Blick auf die Menschheit insgesamt am Ende des zweiten Jahrtausends zeigt uns, daß diese Sendung noch in den Anfängen steckt und daß wir uns mit allen Kräften für den Dienst an dieser Sendung einsetzen müssen".(5) Die Verwirklichung dieser dringenden missionarischen Verpflichtung entfaltet sich heute in großem Maße im Rahmen der Neu-Evangelisierung vieler Länder alter christlicher Tradition, wo der christliche Lebenssinn jedoch, wie es scheint, großenteils im Verfallen begriffen ist. Sie erfolgt aber auch im weiteren Bereich der gesamten Menschheit überall dort, wo die Menschen die von Christus gebrachte Heilsbotschaft noch nicht gehört oder noch nicht richtig verstanden haben.

Eine schmerzliche Realität ist an vielen Orten und in vielen Kreisen das Vorhandensein von Personen, die von Jesus Christus reden gehört haben, aber seine Lehre eher als einen Komplex allgemeiner sittlicher Werte denn als verpflichtende Aufgaben des konkreten Lebens kennenzulernen und anzunehmen scheinen. Zugenommen hat die Zahl von Getauften, die sich von der Nachfolge Christi entfernen und einem vom Relativismus gekennzeichneten Lebensstil folgen. Die Rolle des christlichen Glaubens reduziert sich in vielen Fällen auf die eines reinen Kulturfaktors, der häufig auf eine rein private Dimension, ohne jede Bedeutung im sozialen Leben der Menschen und Völker, verengt wird.(6)

Nicht wenige und keineswegs kleine Bereiche sind nach zwei Jahrtausenden Christentum offen für die apostolische Sendung. Alle Christen müssen sich kraft des ihnen durch die Taufe gewährten Priestertums (Vgl. 1P 2,4-5 1P 2,9 Offb Ap 1,5-6 Offb Ap 1,9-10 Ap 20,6) dazu aufgerufen wissen, je nach ihren persönlichen Lebensumständen an dem neuen Sendungsauftrag zur Evangelisierung mitzuwirken, der als gemeinsame kirchliche Verantwortung Gestalt annimmt.(7) Die Verantwortung für die Missionstätigkeit "liegt vor allem auf dem Kollegium der Bischöfe mit dem Nachfolger Petri an deren Spitze".(8) "Als Mitarbeiter des Bischofs sind die Priester kraft des Weihesakramentes aufgerufen, die Sorge für die Mission mit ihm zu teilen" .(9) Man kann also sagen, daß in einem gewissen Sinn die Priester "die ersten Verantwortlichen dieser Neu-Evangelisierung des dritten Millenniums" sind.(10)

Die moderne Gesellschaft hat, durch die vielen wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften ermutigt, ein tiefes Bewußtsein kritischer Unabhängigkeit gegenüber jeder Art von weltlicher wie religiöser Autorität oder Lehre entwickelt. Das erfordert, daß die christliche Heilsbotschaft, die immer geheimnisvoll bleibt, gründlich erklärt und mit der Liebenswürdigkeit, Kraft und Anziehungsfähigkeit vorgestellt wird, die sie bei der ersten Evangelisierung besaß, wobei man sich klugerweise aller geeigneten, von der modernen Technik angebotenen Mittel bedienen sollte, ohne jedoch zu vergessen, daß die technischen Kommunikationsmittel niemals das unmittelbare Zeugnis eines heiligmäßigen Lebens werden ersetzen können. Die Kirche braucht echte Zeugen, Kommunikatoren des Evangeliums in allen Lebensbereichen der Gesellschaft. Daraus ergibt sich, daß die Christen im allgemeinen und die Priester im besonderen eine ebenso profunde wie korrekte philosophische und theologische Ausbildung erwerben sollen,(11) die es ihnen erlaubt, von ihrem Glauben und ihrer Hoffnung Rechenschaft zu geben und die dringliche Notwendigkeit zu spüren, sie mit einer persönlichen verständnisvollen Gesprächshaltung auf stets konstruktive Weise darzustellen. Die Verkündigung des Evangeliums darf sich jedoch keinesfalls im Gespräch erschöpfen; der Mut zur Wahrheit ist in der Tat eine unausweichliche Herausforderung vor der Versuchung des Konformismus, der Suche nach müheloser Popularität oder nach der eigenen Ruhe!

Bei der Realisierung der Evangelisierungsarbeit darf auch nicht vergessen werden, daß manche Begriffe und Worte, mit denen sie traditionsgemäß durchgeführt wurde, für den größten Teil der modernen Kulturen nahezu unverständlich geworden sind. Begriffe wie Ursünde mit ihren Folgen, Erlösung, Kreuz, Notwendigkeit des Gebetes, freiwilliges Opfer, Keuschheit, Enthaltsamkeit, Gehorsam, Demut, Buße, Armut usw. haben in so manchem Kontext ihre ursprüngliche positive christliche Bedeutung verloren. Deshalb muß die Neu-Evangelisierung durch äußerste Treue zu der von der Kirche ständig gelehrten Glaubenslehre und durch ein starkes Verantwortungsbewußtsein gegenüber dem christlichen Fachvokabular imstande sein, auch heutzutage geeignete Ausdrucksweisen zu finden, um mit deren Hilfe den tiefen Sinn für diese menschlichen und christlichen Grundwirklichkeiten wiederzugewinnen, ohne deshalb auf die in zusammenfassender Form im Glaubensbekenntnis enthaltenen, feststehenden und bereits angenommenen Formulierungen des Glaubens zu verzichten.(12)



2. Die notwendige und unersetzbare Rolle der Priester

Obwohl die Hirten "wissen, daß sie von Christus nicht bestellt sind, um die ganze Heilsmission der Kirche an der Welt allein auf sich zu nehmen",(13) üben sie bei der Evangelisierung eine absolut unersetzliche Rolle aus. Die Forderung nach einer Neu-Evangelisierung macht es daher dringend notwendig, einen wirklich mit der heutigen Situation übereinstimmenden Ansatz für die Ausübung des Priesteramtes zu finden, der ihr Wirksamkeit verleiht und sie tauglich macht, auf die Umstände, unter denen sie erfolgen soll, entsprechend einzugehen. Das muß jedoch unter ständiger Hinwendung zu Christus, unserem einzigen Vorbild, geschehen, ohne daß die heute herrschenden Verhältnisse unseren Blick vom Endziel ablenken. Nicht nur die sozio-kulturellen Gegebenheiten sollen uns nämlich zu einer gültigen pastoralen Erneuerung anspornen, sondern vor allem die brennende Liebe zu Christus und zu seiner Kirche.

Das Ziel unserer Anstrengungen ist die endgültige Herrschaft Christi und die Wiederherstellung der gesamten Schöpfung in ihm. Dieses Ziel wird erst am Ende der Zeiten voll erreicht werden, ist aber schon jetzt gegenwärtig durch den lebendigmachenden Heiligen Geist, durch den Jesus Christus seinen Leib, die Kirche, als allumfassendes Heilssakrament eingesetzt hat.(14)

Christus, Haupt der Kirche und Herr der gesamten Schöpfung, setzt sein Heilswirken unter den Menschen fort, und genau innerhalb dieses Wirkungsrahmens findet das Amtspriestertum seinen richtigen Platz. Christus will, wenn er alle zu sich zieht (Vgl. Joh Jn 12,32), in besonderer Weise seine Priester mit einbeziehen. Wir stehen hier vor einem göttlichen Plan (dem Willen Gottes, die Kirche mit ihren Amtsträgern in das Erlösungswerk hineinzunehmen), der, obwohl er sich vom Standpunkt der Glaubenslehre und der Theologie aus klar bestätigen läßt, dennoch beträchtliche Schwierigkeiten aufweist, um von seiten der Menschen unserer Zeit akzeptiert zu werden. Denn die sakramentale Vermittlung und die hierarchische Struktur der Kirche wird heute von vielen angefochten; man fragt sich, worin ihre Notwendigkeit, ihre Motivation bestehe.

Wie das Leben Christi, so muß auch dasjenige des Priesters ein Leben sein, das in Christi Namen der maßgeblichen Verkündigung des liebevollen Willens des Vaters geweiht ist (Vgl. Joh Jn 17,4 He 10,7-10). Das war die Haltung des Messias: Die Jahre seines öffentlichen Wirkens waren dem Vollbringen (Ac 1,1) von Taten und dem Lehren gewidmet, wobei er "wie einer lehrte, der (göttliche) Vollmacht hat" (Mt 7,29). Diese Vollmacht gab ihm sicherlich an erster Stelle seine göttliche Herkunft, aber in den Augen der Menschen auch sein aufrichtiges, heiligmäßiges, vollkommenes Handeln. In gleicher Weise muß der Priester mit der objektiven geistlichen Autorität, die er kraft seiner Weihe besitzt,(15) die subjektive Autorität verbinden, die aus seinem aufrichtigen und heiligmäßigen Leben,(16) aus seiner pastoralen Liebe, Ausdruck der Liebe Christi,(17) stammt. Die Mahnung, die der hl. Gregor der Große an die Priester richtete, hat nichts von ihrer Aktualität verloren: "Er [der Hirt] muß in seinem Denken lauter, im Handeln vorbildlich, in seinem Schweigen diskret, durch sein Wort hilfreich sein; er muß durch sein Mitleiden jedem nahe sein und sich mehr als alle der Kontemplation widmen; er muß ein demütiger Verbündeter dessen sein, der das Gute tut, aber wegen seines eifrigen Bemühens um Gerechtigkeit muß er den Lastern der Sünder gegenüber unbeugsam sein; er darf weder bei den äußeren Tätigkeiten die Sorge um das innere Leben vernachlässigen noch es verabsäumen, sich der äußeren Bedürfnisse durch die Sorge um das innere Wohl anzunehmen" .(18)

Wie zu allen Zeiten werden in unseren Tagen in der Kirche "Herolde des Evangeliums gebraucht, die Experten im Umgang mit den Menschen sind, die das Herz des heutigen Menschen gründlich kennen, seine Freuden und Hoffnungen, Ängste und Sorgen teilen und zugleich beschauliche Freunde Gottes sein wollen. Dazu bedarf es neuer Heiliger — sagte der Heilige Vater unter konkreter Bezugnahme auf die Rechristianisierung Europas mit Worten, die jedoch universale Gültigkeit besitzen —. Die großen Evangelisatoren Europas waren die Heiligen. Wir müssen den Herrn bitten, daß er den Geist der Heiligkeit in der Kirche vermehre und uns neue Heilige sende, um die Welt von heute zu evangelisieren". .(19) Man muß bedenken, daß nicht wenige Zeitgenossen sich zuallererst durch die geweihten Diener Gottes eine Vorstellung von Christus und von der Kirche machen; ihr authentisch evangelisches Zeugnis als "lebendiges und transparentes Abbild des Priesters Christus" (20) wird daher noch dringender.

Im Rahmen des Heilswirkens Christi können wir zwei untrennbare Ziele ausmachen. Einerseits eine Zielsetzung, die wir als intellektuell bezeichnen könnten: die Menge der Menschen, die wie Schafe waren, die keinen Hirten haben (Vgl. Mt Mt 9,36), lehren, unterweisen, sie über den Verstand zur Umkehr veranlassen (Vgl. Mt Mt 4,17). Der andere Aspekt war darauf ausgerichtet, die Herzen derer, die ihn hörten, aufzurütteln für die Reue und Buße wegen ihrer Sünden und ihnen den Weg zum Empfang der göttlichen Vergebung zu eröffnen. Und so ist es heute noch: "Der Aufruf zur Neu-Evangelisierung ist vor allem ein Aufruf zur Umkehr",(21) und wenn das Wort Gottes den Verstand des Menschen unterwiesen und seinen Willen dadurch angeregt hat, daß es ihn von der Sünde abbrachte, dann erreicht die Evangelisierungstätigkeit ihren Höhepunkt in der fruchtbringenden Teilnahme an den Sakramenten, vor allem an der Feier der Eucharistie. "Die Aufgabe der Evangelisierung besteht — wie Paul VI. lehrte — eben darin, den Glauben so zu lehren, daß jeder Christ dahingeführt wird, die Sakramente, statt sie passiv zu empfangen oder über sich ergehen zu lassen, als wahrhafte Gnadenmittel des Glaubens zu leben" (22)

Die Evangelisierung umfaßt: Verkündigung, Zeugnis, Dialog und Dienst und fußt auf der Verbindung der drei untrennbaren Elemente: Verkündigung des Wortes, Dienst der Sakramente und Leitung der Gläubigen.(23) Eine Verkündigung, die sich nicht die ständige Formung der Gläubigen zum Ziel setzte und nicht in die sakramentale Praktik einmündete, hätte ebenso wenig Sinn wie eine Teilnahme an den Sakramenten, die von der vollen Annahme des Glaubens und der Moralprinzipien abgetrennt wäre oder bei der sich keine ehrliche Umkehr des Herzens einstellte. Wenn aus pastoraler Sicht der Aktion nach der erste Platz logischerweise der Verkündigungsaufgabe zusteht,(24) muß der Intention oder Zielsetzung nach der erste Platz der Feier der Sakramente, insbesondere des Bußsakramentes und der Eucharistie, zugewiesen werden.(25) In der harmonischen Verbindung beider Funktionen ist die Integrität des Hirtenamtes des Priesters im Dienst an der Neu-Evangelisierung gegeben.

Ein Aspekt der Neu-Evangelisierung, der immer größere Bedeutung gewinnt, ist die ökumenische Bildung der Gläubigen. Das II. Vatikanische Konzil mahnte alle katholischen Gläubigen, daß sie "mit Eifer an dem ökumenischen Werk teilnehmen" und "die wahrhaft christlichen Güter aus dem gemeinsamen Erbe anerkennen und hochschätzen, die sich bei den von uns getrennten Brüdern finden" .(26) Gleichzeitig gilt es auch zu beachten, daß "nichts dem ökumenischen Geist so fern ist wie jener falsche Irenismus, durch den die Reinheit der katholischen Lehre Schaden leidet und ihr ursprünglicher und sicherer Sinn verdunkelt wird" .(27) Die Priester werden infolgedessen wachsam sein müssen, damit der Ökumenismus unter treuer Respektierung der vom Lehramt der Kirche angegebenen Prinzipien geführt wird und nicht Brüche, sondern harmonische Kontinuität erfährt.





4

ANREGUNGEN ZUM NACHDENKEN ÜBER KAPITEL I


1. Wird in unseren Kirchengemeinden und besonders unter unseren Priestern die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Neu-Evangelisierung wirklich empfunden?


2. Ist sie bei der Verkündigung präsent? Ist sie bei den Zusammenkünften des Presbyteriums, in den Pastoralprogrammen, in den Maßnahmen zur ständigen Weiterbildung vorhanden?

3. Engagieren sich die Priester besonders in der Förderung einer Sendung wie der Neu-Evangelisierung "in ihrem Eifer, in ihren Methoden, in ihrer Ausdruckskraft" (28) — ad intra und ad extra der Kirche?

4. Betrachten die Gläubigen das Priestertum als ein Gottesgeschenk sowohl für den, der es empfängt, wie für die Gemeinde selbst, oder sehen sie es unter einem rein funktionalen und organisatorischen Aspekt? Wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, dafür zu beten, daß der Herr Priesterberufe wecke und daß es nicht an der notwendigen Hochherzigkeit fehle, darauf zustimmend zu antworten?

5. Wird in der Verkündigung des Wortes Gottes und in der Katechese das gebührende Gleichmaß zwischen dem Aspekt der Glaubensunterweisung und dem der Sakramentenspendung aufrechterhalten? Ist die Evangelisierungstätigkeit der Priester gekennzeichnet von der Komplementarität zwischen Verkündigung und sakramentaler Heiligung, "munus docendi" und "munus sanctificandi"?

II. Kapitel

5

LEHRER DES WORTES

"Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen" (Mc 16,15)

1. Die Priester, Lehrer des Wortes "nomine Christi et nomine Ecclesiae"

Ein angemessener Ausgangspunkt für das richtige Verständnis des Hirtendienstes am Wort ist die Betrachtung der Offenbarung Gottes an sich. "In dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott (vgl. Kol Col 1,15 1Tm 1,17) aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex Ex 33,11 Joh Jn 15,14-15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar Ba 3,38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen".(29) In der Heiligen Schrift spricht die Verkündigung des Gottesreiches nicht nur von der Herrlichkeit Gottes, sondern läßt sie aus eben dieser Verkündigung hervorgehen. Das in der Kirche verkündete Evangelium ist nicht nur Botschaft, sondern eine göttliche Heilshandlung, die von denen, die glauben, die die Botschaft hören, ihr folgen und sie annehmen, erfahren wird.

Die Offenbarung beschränkt sich daher nicht darauf, uns über die Natur jenes Gottes, der in einem unerreichbaren Licht lebt, zu unterweisen, sondern sie unterrichtet uns zugleich darüber, was Gott in seiner Gnade für uns tut. Das geoffenbarte Wort, das "in" der und "durch" die Kirche gegenwärtig gemacht und aktualisiert wird, ist ein Werkzeug, durch das Christus mit seinem Geist in uns tätig ist. Es ist zugleich Gericht und Gnade. Beim Hören des Wortes interpelliert die aktuelle Gegenüberstellung mit Gott das Herz der Menschen und verlangt eine Entscheidung, die mit Verstandeswissen allein nicht zu erreichen ist, sondern die Umkehr des Herzens erfordert.

"Die erste Aufgabe der Priester als Mitarbeiter der Bischöfe [ist es], allen die Frohe Botschaft Gottes zu verkünden, um so [...] das Gottesvolk zu begründen und zu mehren".(30) Da die Verkündigung des Wortes nicht rein intellektuelle Weitergabe einer Botschaft ist, sondern eine ein für allemal in Christus verwirklichte "Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt" (Rm 1,16), verlangt ihre Verkündigung in der Kirche bei den Verkündigern ein übernatürliches Fundament, das ihre Authentizität und Wirksamkeit gewährleistet. Die Verkündigung des Wortes durch die geweihten Diener hat gewissermaßen teil am Heilscharakter des Wortes selbst, und zwar nicht einfach deshalb, weil sie von Christus reden, sondern weil sie ihren Zuhörern das Evangelium mit der Kraft verkünden, die aus ihrer Teilnahme an der Konsekration und Sendung des fleischgewordenen Gotteswortes stammt. Den Amtsträgern klingen noch die Worte des Herrn in den Ohren: "Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab" (Lc 10,16), und mit Paulus können sie sagen: "Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist. Davon reden wir auch, nicht mit Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern wie der Geist sie lehrt, indem wir den Geisterfüllten das Wirken des Geistes deuten" (1Co 2,12-13).

Die Verkündigung gleicht einem Dienst, der dem Weihesakrament entspringt und sich durch die Vollmacht Christi entfaltet. Die Kraft des Heiligen Geistes garantiert jedoch nicht in derselben Weise alle Handlungen der Amtsträger. Während bei der Verwaltung der Sakramente diese Garantie gegeben ist, so daß selbst die Sündhaftigkeit des Spenders die Frucht der Gnade nicht verhindern kann, gibt es viele andere Handlungen, bei denen das menschliche Gepräge des Amtsträgers eine beträchtliche Bedeutung gewinnt. Dieses Gepräge kann der apostolischen Fruchtbarkeit der Kirche nützen, ihr aber auch schaden.(31) Wenngleich das gesamte munus pastorale vom Dienstcharakter erfüllt sein soll, so ist das im Verkündigungsdienst besonders notwendig, denn je mehr der Amtsträger tatsächlich zum Diener des Wortes wird und sich nicht zum Herrn desselben macht, um so mehr kann das Wort seine heilbringende Wirksamkeit spenden.

Dieser Dienst verlangt die persönliche Hingabe des Amtsträgers an das verkündete Wort, eine Hingabe, die letzten Endes an Gott selbst gerichtet ist, an jenen "Gott, den ich im Dienst des Evangeliums von seinem Sohn mit ganzem Herzen ehre" (Rm 1,9). Der Priester darf ihm kein Hindernis in den Weg legen, weder durch Verfolgung von Zielen, die nicht zu seiner Sendung gehören, noch dadurch, daß er sich auf die Weisheit der Menschen oder auf subjektive Erfahrungen stützt, die das Evangelium selbst vernebeln könnten. Das Wort Gottes wird sich also niemals instrumentalisieren lassen! Der verkündende Priester muß hingegen "zuallererst selber eine große persönliche Vertrautheit mit dem Wort Gottes entwickeln [...]. Der Priester muß der erste ,,Glaubende" des Wortes sein in dem Bewußtsein, daß die Worte seines Dienstes nicht ,,seine", sondern die Worte dessen sind, der ihn ausgesandt hat" .(32)

Es besteht also eine wesentliche Beziehung zwischen persönlichem Gebet und Verkündigung. Aus der Betrachtung des Gotteswortes im persönlichen Gebet soll auch spontan "der Vorrang des gelebten Zeugnisses, das die Macht der Liebe Gottes entdecken läßt und sein Wort überzeugend macht",(33) entspringen. Frucht des persönlichen Gebetes ist auch eine Predigt, die sich den Gläubigen nicht in erster Linie wegen ihrer logischen Abstraktheit einprägt, sondern weil sie in einem lauteren, betenden Herzen entstanden ist, das darum weiß, daß es nicht Aufgabe des Priesters ist, "seine eigene Weisheit vorzutragen, sondern immer das Wort Gottes zu lehren und alle nachdrücklich zur Umkehr und zur Heiligung einzuladen".(34) Die Predigt der Diener Christi muß also, damit sie wirksam sei, fest auf deren kindlichen Gebetsgeist gegründet sein: "sit orator, antequam dictor" .(35)

Im persönlichen Gebetsleben des Priesters findet das Bewußtsein vom Dienstcharakter seiner Sendung, der in der Berufung liegende Sinn seines Lebens und sein lebendiger und apostolischer Glaube Stütze und Anregung. Hier schöpft er auch Tag für Tag den Eifer für die Evangelisierung. Zur persönlichen Überzeugung geworden, wird sie in überzeugende, konsequente Verkündigung umgesetzt. In diesem Sinn betrifft der Vollzug des Stundengebetes nicht allein die persönliche Frömmigkeit, noch erschöpft er sich als öffentliches Gebet der Kirche; das Stundengebet erweist auch seinen großen pastoralen Nutzen,(36) da es eine bevorzugte Gelegenheit zu wachsender Vertrautheit mit der Lehre der Bibel, der Kirchenväter, der Theologie und des Lehramtes bietet, die zunächst verinnerlicht und dann in der Verkündigung auf das Volk Gottes übertragen wird.

2. Für eine wirksame Verkündigung des Wortes

In der Perspektive der Neu-Evangelisierung müßte unbedingt die Wichtigkeit unterstrichen werden, in den Gläubigen die Bedeutung der aus der Taufe herrührenden Berufung reifen zu lassen, das heißt, das Bewußtsein, von Gott aufgerufen worden zu sein, Christus aus der Nähe zu folgen und persönlich an der Sendung der Kirche mitzuarbeiten. "Die Weitergabe des Glaubens ist Aufdecken, Verkünden und Vertiefen der christlichen Berufung; das heißt, der Ruf Gottes ergeht an jeden Menschen, dem das Heilsgeheimnis gezeigt wird.. ".(37) Die Aufgabe der Verkündigung besteht also darin, Christus den Menschen vorzustellen, weil nur er, "der neue Adam, eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kundmacht und ihm seine höchste Berufung erschließt"

Neu-Evangelisierung und der von Berufung bestimmte Sinn des christlichen Daseins gehören zusammen. Und das ist die "gute Botschaft", die den Gläubigen verkündet werden muß, ohne Abstriche, sowohl was ihr Gutsein, als auch die Anforderung, um es zu erreichen, betrifft, während gleichzeitig daran erinnert wird, daß "auf dem Christen ganz gewiß die Notwendigkeit und auch die Pflicht liegen, gegen das Böse durch viele Anfechtungen hindurch anzukämpfen und auch den Tod zu ertragen; aber dem österlichen Geheimnis verbunden und dem Tod Christi gleichgestaltet, geht er, durch Hoffnung gestärkt, der Auferstehung entgegen" .(39)

Die Neu-Evangelisierung erfordert einen vollständigen und wohlbegründeten, leidenschaftlichen Dienst am Wort mit klarem theologischem, spirituellem, liturgischem und moralischem Inhalt, der auf die konkreten Bedürfnisse der Menschen, die erreicht werden sollen, achtet. Es geht offensichtlich nicht darum, in die Versuchungen eines Intellektualismus zu geraten, der ja das christliche Denkvermögen trüben könnte, statt es zu erleuchten, sondern durch die ständige, geduldige Katechese über die Grundwahrheiten des katholischen Glaubens und der katholischen Moral und über ihren Einfluß im geistlichen Leben eine echte "geistige Liebe" zu entwickeln. Die christliche Unterweisung ragt unter den geistlichen Werken der Barmherzigkeit hervor: Die Rettung erfolgt im Kennenlernen Christi, denn "es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen" (Ac 4,12).

Diese katechetische Verkündigung kann nicht ohne das Mittel der heilen Theologie erfolgen, da es ja nicht nur darum geht, die geoffenbarte Lehre zu wiederholen, sondern mit Hilfe der geoffenbarten Lehre Verstand und Gewissen der Gläubigen zu formen, damit sie die Ansprüche der durch die Taufe empfangenen Berufung konsequent leben können. Die Neu-Evangelisierung wird sich in dem Maße verwirklichen lassen, in dem nicht nur die Kirche als ganze oder ihre einzelnen Institutionen, sondern jeder Christ in die Lage versetzt wird, den Glauben zu leben und durch sein Leben einen lebendigen Grund für Glaubwürdigkeit und eine glaubhafte Verteidigung des Glaubens abzugeben.

Evangelisieren heißt nämlich, mit allen zur Verfügung stehenden ehrlichen und geeigneten Mitteln die Inhalte der geoffenbarten Wahrheiten (den trinitarischen und christologischen Glauben, die Bedeutung der Schöpfungslehre, die eschatologischen Wahrheiten, die Lehre über die Kirche, über den Menschen, das Glaubenswissen über die Sakramente und über die anderen Heilsmittel usw.) zu verkünden und zu verbreiten. Und es heißt zugleich auch, durch die moralische und geistliche Bildung diese Wahrheiten ins konkrete Leben, in Zeugnis und missionarischen Einsatz umzusetzen.

Die notwendige Aufgabe der theologischen und geistlichen Bildung (Bemühen um die ständige Weiterbildung der Priester und Diakone, Bemühen um die Bildung aller Gläubigen) stellt eine unausweichliche und zugleich enorme Verpflichtung dar. Es ist daher unbedingt notwendig, daß die Ausübung des Dienstes am Wort und vor allem die Träger dieses Dienstes den Umständen gewachsen sind. Die Wirksamkeit wird davon abhängen, daß diese Ausübung, die ganz wesentlich auf die Hilfe Gottes gegründet ist, auch mit der größtmöglichen menschlichen Vollkommenheit erfolgt. Die neue lehrhafte, theologische und spirituelle Verkündigung der christlichen Botschaft — eine Verkündigung, die in erster Linie das Gewissen der Getauften anfeuern und läutern soll — darf nicht aus Trägheit oder Verantwortungslosigkeit improvisiert werden. Noch weniger dürfen die Priester ihre Verantwortlichkeit, die Aufgabe der Verkündigung persönlich wahrzunehmen, vernachlässigen, im besonderen was das Predigtamt betrifft, das weder jemandem übertragen werden darf, der nicht geweiht ist, (40) noch leichtfertig an jemanden abgegeben werden darf, der nicht gut vorbereitet ist.

Im Zusammenhang mit der Verkündigung durch den Priester muß man, wie das übrigens immer der Fall War, unbedingt auf die Wichtigkeit der entfernten Vorbereitung hinweisen, die zum Beispiel dadurch konkretisiert werden kann, daß die Lektüre und sogar die Interessen entsprechend auf Aspekte ausgerichtet werden, die die Vorbereitung der geweihten Amtsträger verbessern können. Das seelsorgerische Einfühlungsvermögen der Prediger muß ständig wachsam sein, um die Probleme, die den Menschen unserer Zeit Sorge bereiten, und mögliche Lösungen festzustellen. "Um auf die von den heutigen Menschen erörterten Fragen die rechte Antwort zu geben, sollen die Priester ferner die Dokumente des kirchlichen Lehramtes und besonders die der Konzilien und der Päpste gut kennen sowie die besten und anerkannten theologischen Schriftsteller zu Rat ziehen", (41) ohne zu vergessen, den Katechismus der Katholischen Kirche zu konsultieren. In diesem Sinn läge es nahe, wieder auf die Wichtigkeit der unermüdlichen Sorge um die ständige Weiterbildung des Klerus zurückzukommen, wobei als inhaltlicher Bezug dasDirektorium für Dienst und Leben der Priester dient.(42) Jede Anstrengung auf diesem Gebiet wird durch reiche Früchte belohnt werden. Wichtig ist, zusammen mit allem bisher Gesagten, auch eine unmittelbare Vorbereitung auf die Verkündigung des Gotteswortes. Abgesehen von Ausnahmefällen, wo es nicht anders möglich gewesen ist, sollen Demut und Fleiß den Priester zum Beispiel veranlassen, sorgfältig wenigstens einen Entwurf dessen vorzubereiten, was gesagt werden soll.

Die Hauptquelle der Verkündigung muß logischerweise die Heilige Schrift sein, mit der sich der Priester durch die Betrachtung im persönlichen Gebet und durch das Studium und die Lektüre geeigneter Bücher vertraut machen soll.(43) Die pastorale Erfahrung lehrt, daß die Kraft und Beredtheit des Bibeltextes die Zuhörer tief bewegen. Die Schriften der Kirchenväter und anderer großer Autoren der Tradition lehren, den Sinn des geoffenbarten Wortes zu durchdringen und ihn anderen zu erschließen, (44) fernab von jeder Form eines "biblischen Fundamentalismus" oder einer Verstümmelung der göttlichen Botschaft. Die Pädagogik, mit der die Liturgie der Kirche in den verschiedenen Zeiten des Kirchenjahres das Wort Gottes liest, interpretiert und anwendet, sollte ebenfalls einen Bezugspunkt für die Vorbereitung der Verkündigung darstellen. Darüberhinaus hat die Betrachtung des Lebens der Heiligen — mit ihren Kämpfen und heroischen Taten — zu allen Zeiten in den Herzen der Christen reiche Frucht hervorgebracht. Auch heute haben die Gläubigen, die durch Gelegenheiten zu falschem Verhalten und durch fragwürdige Lehren gefährdet sind, das Beispiel dieser Heiligenviten, die in heroischem Geist der Liebe Gottes und durch Gott den anderen Menschen hingegeben worden sind, dringend nötig. Ebenso nützlich wie das alles ist es für die Evangelisierung auch, in den Gläubigen aus Gottesliebe den Sinn für Solidarität mit den anderen, den Geist des Dienens, die hochherzige Hingabe an die anderen zu fördern. Das christliche Bewußtsein reift ja gerade durch eine immer engere Beziehung zur Liebe.

Als sehr wichtig für den Priester erweist sich auch die Berücksichtigung der formalen Aspekte der Verkündigung. Wir leben im Zeitalter der Information und raschen Kommunikation, wo wir uns alle daran gewöhnt haben, anerkannte Fernseh- und Rundfunkfachleute zu sehen und zu hören. Mit ihnen tritt der Priester, der ebenfalls ein, freilich besonderer, sozialer Kommunikator ist, gewissermaßen in friedliche Konkurrenz gegenüber den Gläubigen, wenn er eine Botschaft vermittelt, die auf ausgesprochen anziehende Art und Weise vorgestellt werden soll. Der Priester muß nicht nur die "neuen Kanzeln", also die Massenmedien, mit Kompetenz und apostolischem Geist zu nutzen wissen, sondern er muß vor allem dafür sorgen, daß seine Botschaft dem Wort, das er verkündet, ebenbürtig ist. Die im Bereich der audiovisuellen Medien tätigen Fachleute bereiten sich gut auf die Durchführung ihrer Aufgabe vor; es wäre gewiß keine übertriebene Forderung, daß die Lehrer des Wortes sich durch intelligentes und geduldiges Studium um die Verbesserung der "professionellen" Qualität dieses Aspektes des Dienstes bemühen sollten. Zum Beispiel kehrt heute in verschiedenen Universitäts- und Kulturbereichen das Interesse an der Rhetorik zurück; es sollte auch bei den Priestern wieder geweckt werden, zusammen mit der bescheidenen und vornehm würdevollen Art des Auftretens.

Die Verkündigung durch den Priester muß, wie die Verkündigung Christi, auf positive und anregende Weise erfolgen, damit sie die Menschen mitreißt und zur Güte, Schönheit und Wahrheit Gottes hinzieht. Die Christen müssen "erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi" (2Co 4,6) und sie müssen die empfangene Wahrheit auf interessante Weise darlegen. Ist nicht oftmals der verlockende Charakter des starken und zugleich ruhigen Anspruchs der christlichen Existenz festzustellen? Man braucht sich also nicht zu fürchten. "Seit dem Ostertag, wo sie [die Kirche] die letzte Wahrheit über das Leben des Menschen als Geschenk empfangen hat, ist sie zur Pilgerin auf den Straßen der Welt geworden, um zu verkünden, daß Jesus Christus ,,der Weg, die Wahrheit und das Leben" ist (Jn 14,6). Unter den verschiedenen Diensten, die sie der Welt anzubieten hat, gibt es einen, der ihre Verantwortung in ganz besonderer Weise herausstellt: den Dienst an der Wahrheit".(45)

Als nützlich erweist sich logischerweise in der Verkündigung auch der Gebrauch einer korrekten, erlesenen Sprache, die für unsere Zeitgenossen aus allen Schichten verständlich ist und Banalitäten und Gleichgültigkeit vermeidet.(46) Der Priester muß aus einer echten Sicht des Glaubens sprechen, aber mit Worten, die in den verschiedenen Milieus verständlich sind, und nie in einem Fachjargon und auch nicht mit Zugeständnissen an den Geist der Welt. Das menschliche "Geheimnis" einer fruchtbaren Verkündigung des Wortes besteht in erheblichem Ausmaß in der "Professionalität" des Priesters, der weiß, was er sagen und wie er es sagen will, und der über eine ernsthafte, sowohl entfernte wie unmittelbare, Vorbereitung verfügt und keine dilettantischen Improvisationen inszeniert. Es wäre schädlicher Irenismus, die Kraft der ganzen Wahrheit zu verbergen. Daher gilt es, sorgfältig auf den Inhalt der Worte, auf den Redestil und die Ausdrucksweise zu achten; es gilt gut zu überlegen, was stärker betont werden soll, und es sollte, möglichst ohne übertriebenes Gehabe, auf die Gefälligkeit der Stimme geachtet werden. Der Priester muß wissen, wohin er gelangen will, und die existentielle und kulturelle Situation seiner üblichen Zuhörer gut kennen: Er darf keine abstrakten Theorien oder Verallgemeinerungen von sich geben und muß deshalb seine Herde kennen. Angebracht ist ein liebenswürdiger, positiver Sprachstil, der weiß, die Menschen nicht zu verletzen, selbst wenn er die Gewissen "verletzt"..., ohne Angst, die Dinge beim Namen zu nennen.

Sehr nützlich ist es, wenn die Priester, die in den verschiedenen Seelsorgsaufgaben zusammenarbeiten, sich durch brüderliche Ratschläge über diese und andere Aspekte des Dienstes am Wort gegenseitig helfen. Zum Beispiel über die Inhalte der Predigt, über die theologische und sprachliche Qualität, über den Stil, über die Dauer — die Predigt sollte keinesfalls zu lang sein —, über die Art zu spechen und an den Ambo zu treten, über den Tonfall der Stimme, der normal sein, wenn auch in den verschiedenen Augenblicken der Predigt wechseln soll, ohne gekünstelt zu sein, usw. Noch einmal ist für den Priester Demut unverzichtbar, damit er sich von seinen Brüdern und auch, wenngleich indirekt, von den Gläubigen, die an seinen pastoralen Aktivitäten teilnehmen, helfen läßt.






Der priester fur das dritte Jahrtausend