Liturgiam authenticam DE 45


3. NORMEN FÜR DIE ÜBERSETZUNG DER ÜBRIGEN LITURGISCHEN TEXTE


46 Die oben festgesetzten Normen und diejenigen bezüglich der Heiligen Schrift sollen mit entsprechenden Abänderungen auch auf die liturgischen Texte der kirchlichen Tradition angewandt werden.


47 Weil die Übersetzung den unvergänglichen Schatz der Gebete in einer Sprache wiedergeben muss, die im jeweiligen „kulturellen Zusammenhang" verstanden werden kann, soll sie sich auch von der Überzeugung leiten lassen, dass das wahre liturgische Gebet nicht nur vom Geist der Kultur geprägt wird, sondern dass es selbst zur Prägung der Kultur beiträgt. Deshalb verwundert es nicht, dass es von der Umgangssprache abweichen kann. Die liturgische Übersetzung, welche in gebührender Weise die Autorität und den vollständigen Sinn der Originaltexte wiedergibt, trägt zur Entstehung einer volkstümlichen Sakralsprache bei, deren Wörter, Satzbau und Grammatik für den Gottesdienst charakteristisch sein sollen; dabei ist nicht ausgeschlossen, dass sie ihrerseits auf die Alltagssprache großen Einfluss haben, wie es bei den Sprachen der schon lange evangelisierten Völker geschehen ist.


48 Die Texte der besonderen Feiern des Kirchenjahres sollen den Gläubigen in einer Übersetzung dargeboten werden, die man leicht im Gedächtnis behält, so dass man sie auch beim privaten Gebet verwenden kann.

A. Wortschatz


49 Es ist ein Kennzeichen der römischen liturgischen Tradition sowie anderer katholischer Riten, dass in deren Gebeten ein zusammenhängendes System von Wörtern und Formulierungen besteht, die durch die Bücher der Heiligen Schrift und die kirchliche Tradition festgelegt sind, vor allem aber durch die Werke der Kirchenväter. Die Methode, die liturgischen Bücher zu übersetzen, soll den Zusammenhang zwischen dem Bibeltext selbst und den liturgischen Texten der kirchlichen Tradition, die reich sind an biblischen Begriffen oder zumindest an einschlussweisen biblischen Anspielungen, verdeutlichen.(36) Bei solchen Texten empfiehlt es sich, dass der Übersetzer sich von der der Bibelübersetzung eigenen Sprechweise leiten lässt, die für den liturgischen Gebrauch in den Gebieten bereits approbiert ist, für welche die Übersetzung erstellt wird. Zugleich soll man sorgfältig vermeiden, den Text zu überfrachten, indem man eher subtile biblische Andeutungen unangemessen breit wiederzugeben sucht.


50 Da die liturgischen Bücher des römischen Ritus viele grundlegende Ausdrücke aus der theologischen und spirituellen Tradition der römischen Kirche enthalten, soll man danach trachten, dass die Eigenart dieser Ausdrücke erhalten bleibt und sie nicht durch andere Wörter ersetzt werden, die dem liturgischen und katechetischen Gebrauch des Volkes Gottes in einem bestimmten kulturellen und kirchlichen Kontext fremd sind. Deshalb sind besonders folgende Grundsätze zu beachten:
a) Beim Übersetzen theologisch besonders bedeutsamer Wörter soll man eine angemessene Verbindung suchen zwischen dem liturgischen Text und der approbierten Übersetzung des Katechismus der Katholischen Kirche in die Volkssprachen, wenn eine solche Übersetzung in die betreffende oder in eine ihr nahe verwandte Sprache existiert oder erstellt wird.
b) Wenn es nicht passend ist, dasselbe Wort oder denselben Ausdruck im liturgischen Text wie im Katechismus beizubehalten, dann muss der Übersetzer dafür sorgen, dass der ganze lehrhafte und theologische Inhalt der Wörter und des Textes insgesamt wiedergegeben wird.
c) Wörter, die im Zuge der Entwicklung in einer Volkssprache herangezogen wurden, um die einzelnen liturgischen Dienste, Gefäße, Geräte und Gewänder von Personen und ähnlichen Dingen des täglichen Lebens und Gebrauchs zu unterscheiden, soll man beibehalten und nicht durch Wörter ersetzen, denen ein solcher sakraler Charakter fehlt.
d) Bei der Übertragung bedeutsamer Wörter ist gemäß Nr. 53 (s.u.) Einheitlichkeit in den verschiedenen Teilen der Liturgie einzuhalten.


51 Im Übrigen soll der Verschiedenheit der Wörter im Originaltext soweit möglich Verschiedenheit in den Übersetzungen entsprechen. Zum Beispiel kann der Gebrauch desselben volkssprachlichen Wortes einerseits für verschiedene Formen lateinischer Verben - wie satiari, sumere, vegetari, pasci -, anderseits für Nomina wie caritas und dilectio oder ebenso für die Wörter anima, animus, cor, mens und spiritus, wenn diese wiederholt werden, den Text verdünnen und gewöhnlich machen. Ebenso kann eine unzureichende Übersetzung der verschiedenen Anredeweisen Gottes, wie Domine, Deus, Omnipotens aeterne Deus, Pater usw., oder verschiedener Verben, welche Bitten ausdrücken, die Übersetzung langweilig machen und die reiche und herrliche Weise verdunkeln, durch die im lateinischen Text die Beziehung zwischen den Gläubigen und Gott bezeichnet wird.


52 Der Übersetzer soll sich bemühen, die Denotation - den ursprünglichen Sinn der Wörter und Ausdrücke des Originaltextes - zu bewahren, aber ebenso die Konnotation - kleine Bedeutungsnuancen oder durch sie hervorgerufene Assoziationen -, damit so der Text für andere Bedeutungsschichten, die vielleicht im Originaltext bewusst gesucht worden waren, offen bleibt.


53 Sooft ein lateinisches Wort einen gewichtigen Sinn enthält, der in die Gegenwartssprache schwer zu übertragen ist (wie die Wörter munus, famulus, consubstantialis, propitius usw.), kann man in der Übersetzung verschiedene Methoden anwenden: Entweder man gibt das lateinische Wort mit einem Wort oder mit mehreren verbundenen Wörtern wieder, oder man schafft ein neues Wort, das im Vergleich zum Original (vgl. oben Nr. 21) vielleicht angepasst oder anders geschrieben ist, oder man nimmt ein Wort auf, das schon mehrere Bedeutungen trägt.(37)


54 In den Übersetzungen vermeide man die Tendenz zur Psychologisierung; sie zeigt sich vor allem, wenn Ausdrücke für theologische Tugenden durch solche ersetzt werden, die nur menschliche Gemütsbewegungen bezeichnen. Was Wörter oder Redeweisen betrifft, welche die theologische Vorstellung von der spezifisch göttlichen Kausalität wiedergeben (z. B. im Lateinischen mit praesta, ut...), vermeide man, sie durch Wörter oder Redeweisen zu ersetzen, die nur eine äußerliche oder profane Weise der Hilfe ausdrücken.


55 Einige Wörter, die im lateinischen liturgischen Text auf den ersten Blick nur um des Metrums willen oder aus anderen literarisch-technischen Gründen aufgenommen worden zu sein scheinen, enthalten in Wirklichkeit oft eine eigentlich theologische Bedeutung; deshalb sind sie in den Übersetzungen möglichst beizubehalten. Wörter, die Aspekte der Mysterien des Glaubens und der rechten inneren Einstellung der Christen ausdrücken, müssen auf das genaueste übersetzt werden.


56 Bestimmte Wörter, die zum Bestand der gesamten oder eines großen Teils der frühen Kirche gehören, sowie andere, die dem Erbe der menschlichen Geisteskultur eigen sind, sollen in der Übersetzung, soweit möglich, wörtlich beibehalten werden, wie die Gemeindeantwort Et cum spiritu tuo oder der Ausdruck mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa im Bußakt der Feier der Heiligen Messe.

B. Satzbau, Stil und literarisches Genus


57 Die besondere Eigenart des römischen Ritus, der die Dinge klar, kurz und knapp ausdrückt, soll in der Übersetzung möglichst bewahrt werden. Außerdem ist in den verschiedenen Teilen der liturgischen Bücher nach Möglichkeit dieselbe Art und Weise bei der Übersetzung ein und desselben Ausdrucks zu wahren. Folgende Prinzipien sind zu beachten:
a) Der bestehende Zusammenhang zwischen den Aussagen, z. B. in Neben- und Relativsätzen, in der Wortstellung und verschiedenen Arten des Parallelismus, soll, wenn möglich, auf eine der Volkssprache angepasste Weise voll gewahrt werden.
b) Bei der Übersetzung der Wörter, die im Originaltext enthalten sind, sollen möglichst dieselbe Person, dieselbe Zahl (Einzahl oder Mehrzahl) und dasselbe Genus gewahrt werden.
c) Die theologische Bedeutung der Wörter, die eine Kausalität, eine Absicht oder eine Wirkung ausdrücken, wie ut (dass), ideo (daher), enim (nämlich) und quia (weil), soll, selbst wenn die verschiedenen Sprachen sich einer unterschiedlichen Ausdrucksweise bedienen, gewahrt werden.
d) Die oben unter Nr. 51 dargelegten Prinzipien, die die Verschiedenheit der Wörter betreffen, sollen auch eingehalten werden in Bezug auf die Unterschiede in Syntax und Stil (z. B. in der Stellung der Wörter innerhalb des Tagesgebetes, die im Vokativ an Gott gerichtet werden).


58 Das literarische und rhetorische Genus der verschiedenen Texte der römischen Liturgie soll gewahrt werden.(38)


59 Weil es von ihrem Wesen her der Zweck der liturgischen Texte ist, dass sie mündlich vorgetragen und in der liturgischen Versammlung gehört werden, sind ihnen gewisse Sprechweisen eigen, die sich von der allgemeinen Sprechgewohnheit oder von Texten, die still gelesen werden, unterscheiden wie wiederkehrende und wiedererkennbare Beispiele der Satzbau und des Stils, ein feierlicher oder erhabener Ton, Alliteration und Assonanz, konkrete und lebendige Bilder, Wiederholung, Parallelismus und Verschiedenheit, ein gewisser Rhythmus und schließlich die lyrische Kraft dichterischer Werke. Wenn es nicht möglich ist, dieselben Stilelemente des Originaltextes in der Volkssprache zu gebrauchen (was häufig zutrifft, etwa bei Alliteration und Assonanz), muss der Übersetzer nichtsdestoweniger auf den beabsichtigten Effekt dieser Elemente in der Seele des Hörers achten hinsichtlich des Inhalts oder des Unterschieds zwischen Begriffen oder der Eindringlichkeit usw. Ferner soll er mit Kunstfertigkeit alle Möglichkeiten der Volkssprache ausschöpfen, damit er so vollständig wie möglich dieselbe Wirkung erzielt, nicht nur hinsichtlich des Inhalts selbst, sondern auch hinsichtlich der anderen Aspekte. In poetischen Texten ist eine größere Beweglichkeit bei der Übersetzung erforderlich, damit bei der Wiedergabe des Textinhalts die Aufgabe der literarischen Form deutlich bleibt. Nichtsdestoweniger sollen Ausdrücke, die eine besondere lehrmäßige oder geistliche Bedeutung haben, oder jene, die besonders bekannt sind, wenn möglich wörtlich übersetzt werden.


60 Ein großer Teil der liturgischen Texte ist mit der Absicht erstellt, dass er vom zelebrierenden Priester, vom Diakon, vom Kantor, vom Volk oder vom Chor gesungen wird. Deswegen muss der Text so übersetzt werden, dass er für Vertonungen geeignet ist. Dennoch ist beim Anpassen des Textes an die Musik die Autorität des Textes voll zu wahren; d. h. weder Texte aus der Heiligen Schrift noch jene, die aus der Liturgie genommen und schon die recognitio erhalten haben, dürfen durch Umschreibungen ersetzt werden, die auf leichtere Singbarkeit abzielen; es dürfen nicht Hymnen genommen werden, die man allgemein für gleichwertig hält.(39)


61 Die für den Gesang bestimmten Texte sind von besonderer Bedeutung, weil sie den Gläubigen das Gefühl der Festlichkeit der Feier vermitteln und die Einheit im Glauben und in der Liebe durch die Einheit der Stimmen zum Ausdruck bringen.(40) Die Hymnen und Gesänge, die sich in den heutigen editiones typicae finden, machen nur einen sehr kleinen Teil des unermesslichen historischen Schatzes der Lateinischen Kirche aus; darum ist es sehr angemessen, dass sie in den volkssprachlichen Ausgaben verwendet werden, auch zusammen mit anderen, die unmittelbar in der Volkssprache entstanden sind. Für den Gesang bestimmte unmittelbar in der Volkssprache selbst erstellte Texte sollen insbesondere aus der Heiligen Schrift und dem Schatz der Liturgie schöpfen.


62 Gewisse liturgische Texte der kirchlichen Tradition sind mit verschiedenen rituellen Handlungen verbunden, die ihren Ausdruck in einer besonderen Körperhaltung, in Gesten und in der Verwendung von Zeichen finden. Daher ist es bei der Erarbeitung geeigneter Übersetzungen ratsam, auf Elemente zu achten wie die für den Vortrag des Textes notwendige Zeit, seine Eignung für Rezitation oder Gesang oder für ständige Wiederholungen usw.


4. NORMEN FÜR BESONDERE ARTEN VON TEXTEN

A. Eucharistische Hochgebete


63 Der Höhepunkt des gesamten liturgischen Handelns ist die Feier der Messe, in der jeweils das Eucharistische Hochgebet (Anaphora) den vornehmsten Platz einnimmt.(41) Deswegen sind die Übersetzungen der approbierten Eucharistischen Hochgebete mit größter Sorgfalt zu erarbeiten vor allem hinsichtlich der sakramentalen Formeln; die eigens für sie geltende Verfahrensweise wird unten unter Nr. 85-86 beschrieben.


64 Revisionen von Übersetzungen, die späterhin folgen, dürfen ohne hinreichende Gründe den bereits approbierten volkssprachlichen Text der Eucharistischen Hochgebete, den die Gläubigen sich allmählich eingeprägt haben, nicht in bemerkenswerter Weise verändern. Immer wenn eine ganz neue Übersetzung notwendigerweise verlangt wird, sollen die Bestimmungen von unten, Nr. 74, eingehalten werden.

B. Das Symbolum oder Glaubensbekenntnis


65 Das Symbolum oder Glaubensbekenntnis dient dazu, dass das ganze versammelte Volk auf das in den Lesungen aus der Heiligen Schrift verkündete und in der Homilie ausgelegte Wort Gottes antwortet; indem das Volk diesen Text als Glaubensregel spricht, ruft es sich - in der für den liturgischen Gebrauch genehmigten Formel - die großen Mysterien des Glaubens von Neuem ins Gedächtnis und bekennt sie.(42) Das Symbolum ist genau mit den Worten zu übersetzen, die die Tradition der Lateinischen Kirche ihm zugewiesen hat, wobei der Gebrauch der ersten Person Singular zu wahren ist, durch den deutlich erklärt wird: „Das Glaubensbekenntnis wird im Symbolum gleichsam aus der Person der ganzen Kirche übergeben, die durch den Glauben geeint wird".(43) Überdies sind, immer wenn das Apostolische Glaubensbekenntnis in der Liturgie vorgeschrieben ist oder genommen werden kann, die Worte „Auferstehung des Fleisches" wörtlich zu übersetzen.(44)

C. Die „Praenotanda" sowie Texte rubrikalen oder rechtlichen Charakters


66 Alle Teile eines jeden liturgischen Buches sind in derselben Reihenfolge wiederzugeben, in der sie im lateinischen Text der editio typica erscheinen; das gilt auch für die institutio generalis, die praenotanda und die den verschiedenen Riten vorangestellten Vorschriften sowie die einzelnen Rubriken, die eine Stütze der ganzen Struktur der Liturgie sind.(45) Die Unterscheidung zwischen den verschiedenen liturgischen Aufgaben und der Bezeichnung der liturgischen Dienste mit ihren je eigenen festgelegten Titeln soll in der Übersetzung unter angemessener Beachtung dessen, was oben unter Nr. 50c gesagt wird, wie in den Rubriken der editio typica genau beibehalten werden.(46)


67 Wo solche praenotanda oder andere Texte der editiones typicae ausdrücklich Anpassungen oder präzisierende Bestimmungen verlangen, die von den Bischofskonferenzen vorzunehmen sind, z. B. Teile des Messbuches, die von der Bischofskonferenz genauer zu bestimmen sind,(47) ist es erlaubt, derartige Vorschriften in den Text einzufügen, sofern die betreffenden Teile die recognitio des Apostolischen Stuhles erhalten haben. Von der Natur der Sache her ist es in diesem Fall nicht ratsam, dass die Teile genau so übersetzt werden, wie sie in der editio typica stehen. Nichtsdestoweniger sollen die Dekrete der Approbation durch die Bischofskonferenz und der von der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung gewährten recognitio erwähnt werden.


68 An den Anfang der volkssprachlichen Ausgaben soll man die Dekrete stellen, durch die die editiones typicae vom zuständigen Dikasterium des Apostolischen Stuhles promulgiert wurden, unter Berücksichtigung der in Nr. 78 dargelegten Vorschriften. Es sollen auch die Dekrete hinzugefügt werden, durch die den Übersetzungen die recognitio des Heiligen Stuhles gewährt wurde, oder wenigstens die gewährte recognitio genannt werden unter Angabe von Tag, Monat und Jahr sowie Protokoll-Nummer des vom Dikasterium erlassenen Dekrets. Weil diese auch historische Zeugnisse sind, müssen die Namen der Dikasterien oder anderer Einrichtungen des Apostolischen Stuhles genau übersetzt werden, wie es dem Tag der Promulgation des Dokuments entspricht; sie dürfen nicht an den gegenwärtig geltenden Namen derselben oder der ihr entsprechenden Institution angepasst werden.


69 Die volkssprachlichen Ausgaben der liturgischen Bücher müssen in allen Teilen mit den Titeln, der Anordnung der Texte, den Rubriken und der Nummerierung der editio typica übereinstimmen, außer es wäre in den praenotanda derselben Bücher etwas anderes bestimmt. Überdies sollen alle von der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung approbierten Zusätze eingefügt werden, sei es in einer Ergänzung bzw. einem Anhang oder an der betreffenden Stelle selbst, wie es der Apostolische Stuhl bestimmt hat.




III

DIE VORBEREITUNG VON ÜBERSETZUNGEN UND DIE ERRICHTUNG VON KOMMISSIONEN

1. DIE VORGEHENSWEISE BEI DER VORBEREITUNG EINER ÜBERSETZUNG


70 Aufgrund der den Bischöfen übertragenen Aufgabe, liturgische Übersetzungen zu besorgen,(48) wird diese Arbeit in besonderer Weise der von der Bischofskonferenz pflichtgemäß eingerichteten Liturgiekommission übertragen. Wo eine solche Kommission nicht besteht, soll die Aufgabe, eine Übersetzung zu erstellen, zwei oder drei Bischöfen anvertraut werden, die in Liturgiewissenschaft, Bibelwissenschaft, Sprachwissenschaft und Musikwissenschaft kundig sind.(49) Was aber die genaue Untersuchung und die Approbation der Texte betrifft, müssen alle Bischöfe einzeln diese Aufgabe als eine unmittelbare, gewichtige und persönliche Vertrauensangelegenheit erachten.


71 In Ländern, in denen mehrere Sprachen gesprochen werden, sollen Übersetzungen in die einzelnen Volkssprachen angefertigt und der besonderen Überprüfung durch die betroffenen Bischöfe unterworfen werden.(50) Nichtsdestoweniger behält die Bischofskonferenz als solche das Recht und die Vollmacht, alle Akte zu setzen, die gemäß dieser Instruktion einer solchen Konferenz zustehen; daher kommt es der ganzen Konferenz zu, den Text zu approbieren und dem Apostolischen Stuhl zur Erteilung der recognitio vorzulegen.


72 Die Bischöfe sollen bei der Ausführung des ihnen anvertrauten Dienstes, die Übersetzungen der liturgischen Texte vorzubereiten, sorgfältig dafür sorgen, dass die Übersetzungen mehr eine Frucht wahrhaft gemeinsamen Bemühens sind als die irgend einer einzelnen Person oder einer kleinen Gruppe.


73 Nach jeder Veröffentlichung der editio typica eines lateinischen liturgischen Buches muss möglichst schnell dessen Übersetzung erarbeitet werden; diese soll die Bischofskonferenz, nach der erforderlichen Approbation, an die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung senden; ihr obliegt es, nach den in dieser Instruktion dargelegten Normen, unter Wahrung des sonstigen Rechtes, die recognitio zu erteilen.(51) Sollen aber auch nur ein Teil der lateinischen editio typica verändert oder gewisse neue Elemente eingefügt werden, sind diese Neuerungen in allen folgenden volkssprachlichen Ausgaben voll und getreu zu wahren.


74 Eine gewisse Beständigkeit muss, soweit möglich, in aufeinander folgenden Ausgaben in einer lebenden Sprache gewährleistet sein. Die Teile, die das Volk auswendig können soll, sollen vor allem in Ausgaben für den Gesang nur aus einem gerechten und schwerwiegenden Grund verändert werden. Wenn dennoch wichtigere Änderungen notwendig sind, um einen Text an die Normen dieser Instruktion anzupassen, wird es am besten sein, alles gleichzeitig durchzuführen. In diesem Fall muss die Veröffentlichung des neuen Textes von einer angemessenen Zeit der Katechese begleitet werden.


75 Die Übersetzung der liturgischen Bücher erfordert nicht nur ein außerordentliches Maß an Sachkenntnis, sondern auch den Geist des Gebets und das Vertrauen auf Gottes Hilfe, die nicht nur den Übersetzern gewährt wird, sondern der Kirche selbst auf dem ganzen Weg, der bis zur Approbation eines gesicherten und definitiven Textes führt. Die innere Bereitschaft hinzunehmen, dass das eigene Werk von anderen beurteilt und überarbeitet wird, ist eine unbedingt notwendige Haltung, in der sich jeder auszeichnen muss, der den Dienst übernimmt, liturgische Bücher zu übersetzen. Außerdem müssen alle Übersetzungen oder Texte, die in der Volkssprache erarbeitet werden, einschließlich der praenotanda und der Rubriken, ohne Autorennamen sein - seien es Personen oder seien es Einrichtungen, die aus mehreren Personen bestehen -, so wie es in den editiones typicae der Fall ist.(52)


76 Um die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils über die heilige Liturgie zu verwirklichen, zeigt die Erfahrung, die in fast vier Jahrzehnten der liturgischen Erneuerung seit dem Ökumenischen Konzil gereift ist, dass die Sorge um die Übersetzungen der liturgischen Texte - wenigstens hinsichtlich der weiter verbreiteten Sprachen - nicht nur den in den Teilkirchen regierenden Bischöfen obliegt, sondern auch dem Apostolischen Stuhl selbst, damit er die universale Sorge gegenüber den Christgläubigen in der Stadt Rom und weltweit wirksam wahrnimmt. Denn in der Diözese Rom, vor allem in den vielen Kirchen und Einrichtungen der Stadt, die von der Diözese oder von Organen des Heiligen Stuhles auf irgendeine Weise abhängen, sowie in der Tätigkeit der Dikasterien der Römischen Kurie und der Päpstlichen Repräsentanten werden die größeren Sprachen recht umfangreich und häufig angewandt, auch in liturgischen Feiern. Daher hat sich gezeigt, dass künftig für die oben genannten größeren Sprachen die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung beim Erarbeiten der Übersetzungen deutlicher und eingehender beteiligt sein soll.


77 Außerdem soll in den Hauptsprachen eine vollständige Übersetzung aller liturgischen Bücher in angemessener Zeit erstellt werden. Bisher „ad interim" approbierte Übersetzungen sollen vervollkommnet oder gegebenenfalls vollständig revidiert und dann den Bischöfen zur endgültigen Approbation vorgelegt werden, wie es in dieser Instruktion dargelegt ist; schließlich sollen sie an die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung gesandt werden, um die recognitio vom Apostolischen Stuhl zu erbitten.(53)


78 Bei weniger verbreiteten Sprachen, die zum liturgischen Gebrauch zugelassen sind, ist es möglich, nach den pastoralen Erfordernissen und mit Zustimmung der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung zunächst nur die wichtigeren der liturgischen Bücher zu übersetzen. Die dementsprechend ausgewählten einzelnen Bücher sind ganz zu übersetzen, wie oben unter Nr. 66 gesagt. Was die Dekrete, die institutio generalis, die praenotanda und die Instruktionen anbelangt, dürfen sie in einer Sprache gedruckt werden, die sich von der in der Feier verwendeten Sprache unterscheidet, aber trotzdem von den Zelebranten und Diakonen in diesem Gebiet ohne weiteres verstanden wird. Es ist erlaubt, den lateinischen Text der Dekrete entweder zusätzlich zur Übersetzung oder an deren Stelle abzudrucken.






2. DIE APPROBATION DER ÜBERSETZUNG UND DAS GESUCH UM RECOGNITIO DURCH DEN APOSTOLISCHEN STUHL


79 Die Approbation liturgischer Texte, sei sie endgültig, „ad interim" oder „ad experimentum", muss durch Dekret geschehen. Damit sie rechtmäßig gewährt wird, ist Folgendes einzuhalten:(54)
a) Damit ein rechtsgültiges Dekret erlassen wird, sind zwei Drittel der geheim abgegebenen Stimmen all derer erforderlich, die in der Bischofkonferenz entscheidendes Stimmrecht haben.
b) Alle Akten, die vom Apostolischen Stuhl zu approbieren sind, sollen in zweifacher Ausfertigung vom Vorsitzenden und vom Sekretär der Konferenz unterschrieben und ordnungsgemäß mit dem Siegel versehen werden; sie sind der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung zu übersenden. Diese Akten sollen enthalten:
i) die Namen der Bischöfe oder der ihnen rechtlich Gleichgestellten, die an der Versammlung teilgenommen haben;
ii) einen Bericht über das Verfahren; er muss den Ausgang der Abstimmung über jedes Dekret enthalten unter Angaben der Zahl der Ja-Stimmen, der Nein-Stimmen und der Stimmenthaltung.
c) Es sollen zwei Exemplare der in der Volkssprache erstellten liturgischen Texte eingesandt werden; wenn möglich soll der Text auch auf einer Computer-Diskette geliefert werden.
d) In dem besonderen Bericht soll das Folgende deutlich erklärt werden:(55)
i) das bei der Übersetzung eingehaltene Verfahren bzw. die Kriterien;
ii) eine Liste der Personen, die an den einzelnen Arbeitsschritten beteiligt waren, zusammen mit einer kurzen Bemerkung über die Qualität der Fähigkeit und die Sachkenntnis eines jeden von ihnen;
iii) eventuelle Änderungen gegenüber einer früheren Übersetzung desselben liturgischen Buches sollen eigens gekennzeichnet werden zusammen mit der Begründung, warum die Änderungen vorgenommen wurden;
iv) eine Darstellung einer jeden Änderung, die gegenüber dem Inhalt der lateinischen editio typica vorgenommen wurde, zusammen mit den Begründungen, weshalb dies notwendig war, und mit Nennung der früheren vom Apostolischen Stuhl erteilten Erlaubnis, eine solche Änderung einzuführen.


80 Der Brauch, für alle Übersetzungen liturgischer Texte die recognitio durch den Apostolischen Stuhl zu erbitten,(56) gewährt die notwendige Sicherheit, die erkennen lässt, dass die Übersetzung authentisch ist und mit den Originaltexten übereinstimmt; er manifestiert und bewirkt das wahre Band der Gemeinschaft zwischen dem Nachfolger des heiligen Petrus und seinen Brüdern im Bischofsamt. Diese recognitio ist zudem keine reine Formalität, sondern ein Akt der Leitungsgewalt, der unbedingt notwendig ist (ohne ihn hat der Beschluss der Bischofskonferenz keine Gesetzeskraft) und durch den - auch substantielle - Änderungen auferlegt werden können.(57) Daher ist es nicht erlaubt, irgendwelche übersetzte oder neu verfasste liturgische Texte für den Gebrauch durch die Zelebranten oder das Volk überhaupt zu drucken, wenn die recognitio fehlt. Weil immer das Gesetz des Betens mit dem Gesetz des Glaubens (lex orandi - lex credendi) übereinstimmen und den Glauben des christlichen Volks ausdrücken und stärken muss, können liturgische Übersetzungen nicht Gottes würdig sein, wenn sie nicht getreu den Reichtum der katholischen Lehre vom Originaltext in die volkssprachliche Übersetzung übertragen, so dass die heilige Rede an ihren dogmatischen Inhalt angepasst wird.(58) Darüber hinaus ist das Prinzip zu beachten, demzufolge eine jede Teilkirche mit der Universalkirche übereinstimmen muss, nicht nur hinsichtlich der Glaubenslehre und der sakramentalen Zeichen, sondern auch hinsichtlich der universalen von der apostolischen und fortdauernden Überlieferung angenommenen Bräuche;(59) also hat die gebührende recognitio durch den Apostolischen Stuhl den Zweck, darüber zu wachen, dass die Übersetzungen selbst sowie gewisse rechtmäßig in ihr vorgenommene Änderungen nicht der Einheit des Volkes Gottes schaden, sondern ihr vielmehr immer dienen.(60)


81 Die vom Apostolischen Stuhl gewährte recognitio muss in der gedruckten Ausgabe ausdrücklich angegeben werden zusammen mit dem Satz „concordat cum originali", den der Vorsitzende der Liturgiekommission der Bischofskonferenz unterschrieben hat, und nicht ohne das Wort „imprimatur", unterschrieben vom Vorsitzenden derselben Konferenz.(61) Außerdem sollen zwei Exemplare jeder gedruckten Ausgabe an die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung gesandt werden.(62)


82 Jegliche Änderung in einem liturgischen Buch, welches von der Bischofskonferenz bereits approbiert und anschließend mit der recognitio des Apostolischen Stuhles ausgestattet wurde, die die Auswahl von Texten aus bereits veröffentlichten liturgischen Büchern oder eine Änderung in der Anordnung der Texte betrifft, muss nach der oben unter Nr. 79 festgesetzten Vorgehensweise und unter Berücksichtigung der oben unter Nr. 22 dargelegten Vorschriften geschehen. Eine andere Vorgehensweise kann in besonderen Fällen nur angewandt werden, wenn sie durch die Statuten der Bischofskonferenz oder eine gleichwertige Gesetzgebung mit Approbation des Apostolischen Stuhles genehmigt ist.(63)


83 Was die volkssprachlichen Ausgaben der liturgischen Bücher betrifft, ist zu beachten: die Approbation der Bischofskonferenz sowie die recognitio des Apostolischen Stuhles gilt nur für das Gebiet eben dieser Konferenz, und diese Ausgaben dürfen ohne Erlaubnis des Apostolischen Stuhles nicht in einem anderen Gebiet verwendet werden, außer unter besonderen Umständen, wie sie oben unter Nr. 18 und 76 genannt sind, unter Beachtung der dort dargelegten Normen.


84 Wo einer Bischofskonferenz die ausreichenden finanziellen Mittel und Instrumentarien zur Erarbeitung und zum Druck eines liturgischen Buches fehlen, soll der Vorsitzende der Konferenz die Angelegenheit der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung darlegen; ihr kommt es zu, eine andere Anordnung zu treffen oder zu approbieren hinsichtlich der Verwendung von liturgischen Büchern, die gemeinsam mit anderen Bischofskonferenzen herausgegeben wurden oder schon andernorts gebraucht werden. Diese Erlaubnis des Heiligen Stuhles wird aber nur im Einzelfall erteilt.


3. DIE ÜBERSETZUNG UND APPROBATION DER SAKRAMENTALEN FORMELN


85 Im Zusammenhang mit der Übersetzung der sakramentalen Formeln, die die Kongregation für den Gottesdienst dem Urteil des Papstes unterwerfen muss, ist außer dem, was für die Übersetzung der anderen liturgischen Texte erforderlich ist, das Folgende einzuhalten:(64)
a) Wenn es sich um die Sprachen Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch und Portugiesisch handelt, sollen alle Akten in den jeweiligen Sprachen vorgelegt werden.
b) Wenn die Übersetzung von einem in derselben Sprache schon erstellten und approbierten Text abweicht, ist der Grund anzugeben, weswegen die Änderung vorgenommen wurde.
c) Der Vorsitzende und der Sekretär der Bischofskonferenz müssen bezeugen, dass die Übersetzung von der Bischofskonferenz approbiert ist.


86 Bei weniger verbreiteten Sprachen soll alles gemacht werden wie oben dargelegt. Die Akten sollen jedoch in einer der oben genannten, weiter verbreiteten Sprachen mit höchster Sorgfalt bearbeitet werden, so dass die Bedeutung eines jeden einzelnen Wortes der Volkssprache wiedergegeben wird. Der Vorsitzende und der Sekretär der Bischofskonferenz sollen, nachdem sie vertrauenswürdige Fachleute zu Rate gezogen haben, falls dies notwendig ist, die Authentizität dieser Übersetzung bezeugen.(65)


4. EINE EINZIGE FASSUNG DER LITURGISCHEN TEXTE


87 Es wird empfohlen, dass es im Einvernehmen unter den Bischöfen der Gebiete, in denen dieselbe Sprache in Gebrauch ist, für jede Volkssprache eine einzige Fassung der liturgischen Bücher und anderer liturgischer Texte gibt.(66) Wenn dies wegen der Umstände tatsächlich nicht möglich ist, sollen die einzelnen Bischofskonferenzen nach vorausgehender Konsultation des Heiligen Stuhles festlegen, ob die bereits bestehende Übersetzung anzupassen oder eine neue zu erstellen ist. In beiden Fällen ist die recognitio der Akten durch die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung erforderlich.


88 Beim Ordo Missae und jenen Teile der heiligen Liturgie, die eine direkte Teilnahme des Volkes verlangen, soll es nur eine einzige Übersetzung in einer bestimmten Sprache geben,(67) wenn nicht, in Einzelfällen, etwas anderes vorgesehen ist.


89 Texte, die mehreren Konferenzen gemeinsam sind (vgl. oben Nr. 87-88), sind in der Regel von allen Bischofskonferenzen, die sie verwenden müssen, einzeln zu approbieren, bevor die recognitio dieser Texte vom Apostolischen Stuhl gewährt wird.(68)


90 Aus gebührender Rücksicht auf die katholischen Traditionen und alle in dieser Instruktion enthaltenen Grundsätze und Normen wird, wo immer dies möglich ist, zwischen allen für den allgemeinen Gebrauch in den verschiedenen Riten der Katholischen Kirche bestimmten Übersetzungen, vor allem bezüglich der Texte der Heiligen Schrift, eine gewisse angemessene Verbindung bzw. Koordination dringend gewünscht. Die Bischöfe der Lateinischen Kirche sollen dies im Geist gehorsamer und brüderlicher Zusammenarbeit fördern.


91 Eine ähnliche Übereinstimmung wird auch mit den Orientalischen, nicht Katholischen Teilkirchen oder mit den Autoritäten der protestantischen kirchlichen Gemeinschaften gewünscht,(69) sofern es sich nicht um einen liturgischen Text handelt, der bisher noch strittige Lehrinhalte betrifft, und wenn die betreffenden Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften genügend Mitglieder haben und die konsultierten Personen diese kirchlichen Gemeinschaften wirklich vertreten können. Um die Gefahr eines Ärgernisses oder der Verwirrung unter den Christgläubigen gänzlich zu vermeiden, muss die katholische Kirche bei derartigen Übereinkünften die volle Handlungsfreiheit, auch im bürgerlichen Recht, wahren.


Liturgiam authenticam DE 45