Mater et Magistra DE 461

Lebendige Glieder am mystischen Leibe Christi

462 258. Wir können dieses Schreiben nicht schließen, ohne Euch, Ehrwürdige Brüder, an die so wichtige Wahrheit der katholischen Lehre erinnern, daß wir Glieder am geheimnisvollen Leibe Christi, an der Kirche, sind. "Wie der Leib zwar nur einer ist und dennoch viele Glieder hat und alle Glieder des Leibes, so viele es sind, nur einen Leib ausmachen so ist es auch mit Christus" (1Co 12,12).

259. Darum bitten Wir eindringlich alle Unsere Söhne auf der ganzen Welt im Klerus und im Laienstand: sie sollen sich des Adels und der Würde klar bewußt sein, die ihnen deshalb zukommen. Sie sind ja mit Christus wie Reben mit dem Weinstock verbunden gemäß jenem Wort: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben" (Jn 15,5). Sie ja an seinem göttlichen Leben selbst teilhaben. Wenn darum die Gläubigen unserem heiligen Erlöser aus ganzem Herzen verbunden sind bei ihrer Arbeit in der Welt, dann setzt ihre Arbeit in gewissem Sinn die Arbeit Jesu Christi selber fort; sie empfängt von ihm erlösende Kraft und Stärke: "Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele Frucht" (ebd.). Diese menschliche Arbeit wird dann so über sich hinausgehoben und geadelt, daß sie die Menschen, die sie ausführen, innerlich vervollkommnet und dazu hilft, den Segen der christlichen Erlösung anderen mitzuteilen und überallhin zu verbreiten. So wirkt dann die christliche Lehre wie der Sauerteig des Evangeliums; sie durchdringt das Geäder der Gesellschaft, in der wir leben und wirken, wie der Sauerteig den Teig.

260. Zugegeben: diese unsere Zeit ist in schlimme Irrtümer verstrickt und von tiefgehenden Unordnungen zerrüttet; und doch öffnen sich in dieser unserer Zeit den aktiven Christen unermeßlich weite Felder apostolischen Wirkens. Sie sind für Unser Herz ein Anlaß großer Hoffnung.

261. Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne! Ausgehend von dem bewunderungswürdigen Schreiben Leos XIII. haben Wir verschiedene Probleme der heutigen sozialen Wirklichkeit mit Euch besprochen. Wir bitten Euch dringend, die Grundsätze und Forderungen, die Wir in diesem Zusammenhang entwickelt haben, nicht nur sorgsam zu überdenken, sondern auch nach Kräften zu helfen, daß sie verwirklicht werden.
463 Wenn jeder von Euch das tapferen Herzens tut, dann wird das viel dazu beitragen, Christi Reich in dieser Welt zu festigen - "das Reich der Wahrheit und des Lebens, das Reich der Heiligkeit und der Gnade, das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens" (Präfation vom Christkönigsfest). Dann werden wir dereinst zu jener Seligkeit des Himmels gelangen, für die Gott uns erschaffen hat und die wir heiß ersehnen.

262. Es geht um die Lehre der katholischen und apostolischen Kirche, der Mutter und Lehrmeisterin aller Völker. Ihr Licht erleuchtet, entzündet und entflammt. Ihre mahnende Stimme, himmlischer Weisheit voll, wendet sich an alle Zeiten. In ihrer Kraft liegt das rechte und wirksame Heilmittel für die wachsenden Nöte der Menschen, für die Sorgen und Bedrängnisse dieses vergänglichen Lebens. Mit dieser ihrer Stimme vereint sich in wunderbarer Weise jene uralte Stimme des Psalmisten, die unaufhörlich unser Herz stärkt und erhebt: "Lauschen will ich, was Gott der Herr zu mir redet: wahrlich, er redet Frieden, zu seinem Volk und seinen Frommen, denen, die sich von Herzen zu ihm kehren. Sicher, nah ist sein Heil allen, welche ihn fürchten, seine Herrlichkeit wird in unserem Lande wohnen. Begegnen werden sich Gnade und Treue, Recht und Friede einander umarmen. Treue wird aus der Erde sprossen, Gerechtigkeit nieder vom Himmel schauen. Der Herr wird uns seine Güter spenden und unser Land seine Frucht bescheren. Voraufgehen wird ihm Gerechtigkeit und Heil der Spur seiner Füße folgen" (
Ps 84,9ff.).

263. Ehrwürdige Brüder! Am Schluß dieses Schreibens, dem Wir ein gutes Stück Zeit in Unserer Sorge für die Gesamtkirche gewidmet haben, fassen Wir alles in einem Wunsch zusammen: Möge der göttliche Erlöser des Menschengeschlechts, der "für uns von Gott zur Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Erlösung geworden ist" (1Co 1,30), allem und über alles in Ewigkeit herrschen und siegen. Es möge eine rechte soziale Ordnung erstehen und alle Völker zu Wohlstand, Freude und Frieden führen.
464 264. Zeichen dieses Wunsches und Unterpfand Unseres väterlichen Wohlwollens sei der Apostolische Segen, den Wir Euch, Ehrwürdige Brüder , und allen Gläubigen, die Eurer Sorge anvertraut sind, von ganzem Herzen im Herrn erteilen - denen besonders, die auf diese Unsere Ermahnungen bereitwillig eingehen.

Gegeben in Rom, bei Sankt Peter, am 15. Mai 1961, im dritten Jahr Unseres Pontifikates



IOANNES PP. XXIII






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