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17 Da die wissenschaftliche Ausbildung nicht der bloßen Mitteilung von Begriffen dient, sondern die wahre innere Formung der Alumnen anstreben muß, sollen die Lehrmethoden überprüft werden; das gilt sowohl für die Vorlesungen, Kolloquien und Übungen als auch für die Förderung des privaten Studiums der Alumnen und ihrer Zusammenarbeit in kleinen Zirkeln. Großen Wert lege man auf die Einheit der Ausbildung und auf ihre Gründlichkeit; man vermeide eine zu große Vermehrung von Fächern und Vorlesungen; man lasse die Fragen aus, die kaum mehr Bedeutung haben, wie auch solche, die in die höheren akademischen Studien zu verweisen sind.


18 Es ist die Aufgabe der Bischöfe, dafür zu sorgen, daß junge Leute, die nach Charakter, Tugend und Begabung geeignet sind, an besondere Institute, Fakultäten oder Universitäten geschickt werden, um so Priester heranzubilden, die in den heiligen Wissenschaften und in anderen wichtigen Wissenszweigen eine gründlichere wissenschaftliche Ausbildung erhalten haben und den verschiedenen Erfordernissen des Apostolats entsprechen können. Ihre geistliche und pastorale Unterweisung darf dabei in keiner Weise vernachlässigt werden, besonders wenn sie noch vor der Priesterweihe stehen.


VI. Die Förderung der pastoralen Ausbildung im engeren Sinn

19 Die pastorale Sorge, die die gesamte Erziehung der Alumnen durchdringen soll (41), fordert auch, daß sie sorgfältig in den für den priesterlichen Dienst charakteristischen Aufgaben ausgebildet werden, vor allem in Katechese und Homiletik, in Liturgie und Sakramentenspendung, in caritativer Arbeit, in der Aufgabe, den Irrenden und Ungläubigen zu Hilfe zu kommen, und in den übrigen pastoralen Pflichten. Sorgfältig sollen sie in die Kunst der Seelenführung eingeführt werden, damit sie alle Glieder der Kirche in erster Linie zu einem voll bewußten und apostolischen Christenleben und zur Erfüllung ihrer Standespflichten führen können. Mit gleicher Sorgfalt sollen sie lernen, Ordensmänner und Ordensfrauen so zu führen, daß sie ihrer Berufsgnade treu bleiben und im Geist ihres Ordens voranschreiten (42).

Überhaupt sollen die Eigenschaften der Alumnen ausgebildet werden, die am meisten dem Dialog mit den Menschen dienen: wie die Fähigkeit, anderen zuzuhören und im Geist der Liebe sich seelisch den verschiedenen menschlichen Situationen zu öffnen (43).

41) Die vollkommene Gestalt des Seelsorgers kann aus den jüngeren päpstlichen Verlautbarungen entnommen werden, die wohlabgewogen vom Leben, von den Gaben und der Ausbildung der Priester sprechen, so besonders: Pius X., Exhort. ad Clerum catholicum Haerent animu, 4. Aug. 1908: S. Pii X. Acta, Bd. IV, 237ff.; Pius XI., Enz. Ad Catholici Sacerdotii: AAS 28 (1936) 5ff.; Pius XII., Adhort. Apost. Menti Nostrae: AAS 42 (1952) 657ff.; Johannes XXIII., Enz. Sacerdotii Nostri Primordia: AAS 51 (1959) 545ff.; Paul VI., Ep. Apost. Summi Dei Verbum: AAS 55 (1963) 979ff. Mancherlei Aussagen über die geistliche Formung finden sich auch in den Enzykliken Mystici Corporis (1943), Mediator Dei (1947), Evangelii Praecones (1951), Sacra Virginitas (1954), Musicae Sacrae Disciplina (1955), Princeps Pastorum (1959) und schließlich in der Apost. Konst. Sedes Sapientiae (1956) für die Ordensmitglieder. Pius XII., Johannes XXIII. und Paul VI. haben auch m ihren Ansprachen an Seminaristen und Priester die Gestalt des Guten Hirten mehrfach herausgestellt.
42) Über die Bedeutung des Standes, der durch das Gelöbnis der evangelischen Räte begründet wird, vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen Gentium,  6. Kap.
LG 43-47: AAS 57 (1965) 49-53; Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis.
43) Paul VI., Enz. Ecclesiam suam, 6. Aug. 1964: AAS 56 (1964) passim, bes. 635f. 640ff.


20 Im Gebrauch der pädagogischen, psychologischen und soziologischen Hilfsmittel (44) sollen sie methodisch richtig und den Richtlinien der kirchlichen Autorität entsprechend unterrichtet werden, das apostolische Wirken der Laien anzuregen und zu fördern (45) sowie die verschiedenen und wirkungsvolleren Formen des Apostolats zu pflegen. Durchdrungen von einer wahrhaft katholischen Geisteshaltung, sollen sie immer über die Grenzen der eigenen Diözese, der Nation oder des Ritus zu blicken und für die Bedürfnisse der ganzen Kirche einzustehen lernen, stets bereit, das Evangelium überall zu verkünden (46).

44) Vgl. bes. Johannes XXIII., Enz. Mater et Magistra, 15. Mai 1961: AAS 53 (1961) 401ff.
45) Vgl. bes. Il. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen Gentium, Nr.
LG 33: AAS 57 (1965) 39.
46) Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen Gentium, Nr. LG 17: AAS 57 (1965) 20f.


21 Da die Alumnen die Ausübung des Apostolats nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch erlernen und imstande sein sollen, aus eigener Verantwortung und in Gemeinschaftsarbeit zu handeln, sollen sie schon im Verlauf des Studiums und auch während der Ferien mit der pastoralen Praxis durch geeignete Übungen vertraut werden. Diese müssen je nach dem Alter der Alumnen und den örtlichen Umständen gemäß dem einsichtigen Urteil der Bischöfe methodisch und unter der Führung pastoral erfahrener Männer abgehalten werden. Die entscheidende Kraft der übernatürlichen Hilfen werde dabei immer bedacht (47).

47) Sehr viele päpstliche Dokumente warnen mit Nachdruck vor der Gefahr, bei der Seelsorgetätigkeit das übernatürliche Ziel zu vernachlässigen und wenigstens praktisch die übernatürlichen Hilfen geringzuschätzen; vgl. besonders die in Anm. 41 genannten Dokumente.


VII. Die Weiterbildung nach dem Studienabschluß


22 Die priesterliche Bildung muß gerade wegen der Bedürfnisse der heutigen Gesellschaft auch nach abgeschlossenem Seminarstudium noch fortgesetzt und vervollständigt werden (48). Die Bischofskonferenzen müssen darum in den einzelnen Ländern geeignete Wege finden, wie zum Beispiel Pastoralinstitute, die mit Musterpfarreien zusammenarbeiten, sowie periodische Zusammenkünfte und entsprechende Übungen. Durch sie soll der jüngere Klerus in geistlicher, intellektueller und pastoraler Hinsicht schrittweise ins priesterliche Leben und ins apostolische Wirken eingeführt werden; sie sollen eine ständige Quelle der Erneuerung und Forderung sein.

Schlußwort

Die Väter dieser Heiligen Synode führen das Werk des Konzils von Trient fort, wenn sie den Oberen und Professoren der Seminarien vertrauensvoll die Aufgabe übertragen, die künftigen Priester Christi im Geist der Erneuerung, wie sie von dieser Heiligen Synode gefordert wird, zu erziehen. Jene, die sich auf das Priesteramt vorbereiten, ermahnen sie eindringlich, in dem Bewußtsein zu leben, daß ihnen die Hoffnung der Kirche und das Heil der Menschen anvertraut sind; sie mögen die Bestimmungen dieses Dekrets bereitwillig annehmen und reiche, unvergängliche Frucht bringen.

28. Oktober 1965

48) Die jüngeren Verlautbarungen des Heiligen Stuhles befassen sich eindringlich mit der besonderen Sorge um die Neupriester. u erwähnen sind hier vor allem: Pius XII., Motupr. Quandoquidem, 2. Apr. 1949: AAS 41 (1949) 165-167; ders., Exhort. Apost. Menti Nostrae, 23. Sept. 1950: AAS 42 (1950); ders., Apost. Konst. (für die Ordensangehörigen) Sedes Sapientiae, 31. Mai 1956, und die beigefügten allgemeinen Statuten; ders., Ansprache an die Priester "Convictus Barcinonensis", 14. Juni 1957: Discorsi e Radiomessaggi XIX, 271-273; Paul VI., Ansprache vor den Priestern des Institutes "Gian Matteo Giberti" der Diözese Verona, 11. März 1964: L'Osservatore Romano, 13. März 1964.



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