Presbyterorum Ordinis DE 8


8 Die Priester, die durch die Weihe in den Priesterstand eingegliedert wurden, sind in inniger sakramentaler Bruderschaft miteinander verbunden. Besonders in der Diözese, deren Dienst sie unter dem eigenen Bischof zugewiesen werden, bilden sie das eine Presbyterium. Trotz ihrer verschiedenen Ämter leisten sie für den Menschen den einen priesterlichen Dienst. Alle werden gesandt, an demselben Werk gemeinsam zu arbeiten, ob sie nun ein Pfarramt oder ein überpfarrliches Amt ausüben, ob sie sich der Wissenschaft widmen oder ein Lehramt versehen, ob sie - wo dies bei Gutheißung durch die zuständige Autorität angebracht erscheint - sogar Handarbeit verrichten und damit selbst am Los der Arbeiter teilhaben oder sich anderen apostolischen oder auf das Apostolat ausgerichteten Werken widmen. In dem einen kommen sie alle überein: in der Auferbauung des Leibes Christi, die besonders in unserer Zeit vielerlei Dienstleistungen und neue Anpassungen erfordert. Deshalb ist es von großer Bedeutung, daß alle, Welt- und Ordenspriester, einander helfen, damit sie stets Mitarbeiter der Wahrheit sind (45).

Mit den übrigen Gliedern dieses Presbyteriums ist jeder einzelne durch besondere Bande der apostolischen Liebe, des Dienstes und der Brüderlichkeit verbunden. Dies wird schon seit frühen Zeiten in der Liturgie bekundet, wenn die anwesenden Priester aufgefordert werden, dem Neuerwählten zusammen mit dem weihenden Bischof die Hände aufzulegen, und wenn sie einmütig die Heilige Eucharistie zusammen feiern. Die einzelnen Priester sind also mit ihren Mitbrüdern durch das Band der Liebe, des Gebetes und der allseitigen Zusammenarbeit verbunden. So wird jene Einheit sichtbar, durch die nach Christi Willen die Seinen vollkommen eins sein sollten, damit die Welt erkenne, daß der Sohn vom Vater gesandt ist (46).

Daher mögen die Älteren die Jüngeren wahrhaft als Brüder annehmen und ihnen bei den ersten Arbeiten und Schwierigkeiten ihres Dienstes zur Seite stehen. Ebenso seien sie bemüht, deren - wenn auch von der eigenen verschiedene - Mentalität zu verstehen und ihr Beginnen mit Wohlwollen zu fördern. Die Jungen mögen in gleicher Weise das Alter und die Erfahrung der Älteren achten, mit ihnen Fragen der Seelsorge besprechen und willig zusammenarbeiten.

Der Geist der Bruderliebe verpflichtet die Priester, die Gastfreundschaft zu pflegen (47), Gutes zu tun und ihre Güter zu teilen (48), wobei ihre besondere Sorge den kranken, bedrängten, mit Arbeit überlasteten, den einsamen, den aus ihrer Heimat vertriebenen Mitbrüdern gelten soll sowie denen, die Verfolgung leiden (49). Sie sollen sich auch gern und mit Freude treffen, um sich zu erholen, in Erinnerung an die Worte, mit denen der Herr selbst die müde gewordenen Apostel einlud: "Kommt her, ihr allein, an einen einsamen Ort und ruht ein wenig aus" (
Mc 6,31). Damit die Priester darüber hinaus im geistlichen Leben und für die Erweiterung ihrer Kenntnisse aneinander Hilfe haben, damit sie besser in ihrem Dienst zusammenarbeiten können und vor Gefahren geschützt sind, die vielleicht dem Einsamen drohen, soll das gemeinsame Leben oder eine Art der Lebensgemeinschaft unter ihnen gefördert werden. Die Formen können, je nach den persönlichen oder seelsorglichen Erfordernissen, verschieden sein. Beispielsweise ist ein Zusammenwohnen möglich, wo die Umstände es gestatten, oder ein gemeinsamer Tisch oder wenigstens ein häufiges und regelmäßiges Zusammenkommen. Hochzuschätzen und achtsam zu unterstützen sind auch Vereinigungen, die nach Prüfung ihrer Satzungen von der zuständigen kirchlichen Autorität durch eine geeignete und entsprechend bewährte Lebensordnung sowie durch brüderliche Hilfe die Heiligkeit der Priester in der Ausübung ihres Dienstes fördern und auf diese Weise dem ganzen Priesterstand dienen möchten.

Schließlich werden sich die Priester, aufgrund der gleichen Gemeinschaft im Priestertum, in besonderer Weise denen gegenüber verpflichtet wissen, die unter irgendwelchen Schwierigkeiten leiden; sie sollen ihnen rechtzeitig ihre Hilfe zukommen lassen, wenn nötig auch durch taktvolle Ermahnung. Mit brüderlicher Liebe und großer Herzensgüte sollen sie aber denen zur Seite stehen, die in irgendwelchen Punkten versagt haben; für sie müssen sie sich mit inständigem Gebet bei Gott verwenden und sich ihnen gegenüber stets als wahre Brüder und Freunde erweisen.

45) Vgl. 3Jn 1,8.
46) Vgl. Jn 17,23.
47) Vgl. He 13,1-2.
48) Vgl. He 13,16.
49) Vgl. Mt 5,10.


9 Wenngleich die Priester des Neuen Bundes aufgrund des Weihesakramentes das so überaus hohe und notwendige Amt des Vaters und Lehrers im Volk und für das Volk Gottes ausüben, so sind sie doch zusammen mit allen Christgläubigen Jünger des Herrn, die dank der Berufung durch Gott seines Reiches teilhaftig geworden sind (50). Mit allen nämlich, die wiedergeboren sind im Quell der Taufe, sind die Priester Brüder unter Brüdern (51), da sie ja Glieder ein und desselben Leibes Christi sind, dessen Auferbauung allen anvertraut ist (52).

Die Priester müssen also ihr Leitungsamt so ausüben, daß sie nicht das ihre, sondern die Sache Jesu Christi suchen (53). Sie müssen mit den gläubigen Laien zusammenarbeiten und in deren Mitte dem Beispiel des Meisters nachleben, der zu den Menschen "nicht kam, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösepreis für viele" (
Mt 20,28). Die Priester sollen die Würde der Laien und die bestimmte Funktion, die den Laien für die Sendung der Kirche zukommt, wahrhaft anerkennen und fördern.

Sie mögen auch mit Bedacht die gebührende Freiheit, die allen im bürgerlichen Bereich zusteht, achten. Sie sollen gern auf die Laien hören, ihre Wünsche brüderlich erwägen und ihre Erfahrung und Zuständigkeit in den verschiedenen Bereichen des menschlichen Wirkens anerkennen, damit sie gemeinsam mit ihnen die Zeichen der Zeit verstehen können. Sie sollen die Geister prüfen, ob sie aus Gott sind (54), und die vielfältigen Charismen der Laien, schlichte wie bedeutendere, mit Glaubenssinn aufspüren, freudig anerkennen und mit Sorgfalt hegen. Unter den Gaben Gottes, die sich reichlich bei den Gläubigen finden, verdienen die eine besondere Pflege, die nicht wenige zu einem intensiveren geistlichen Leben anspornen. Ebenso sollen sie vertrauensvoll den Laien Ämter zum Dienst in der Kirche anvertrauen, ihnen Freiheit und Raum zum Handeln lassen, ja sie sogar in kluger Weise dazu ermuntern, auch von sich aus Aufgaben in Angriff zu nehmen (55).

Endlich leben die Priester mitten unter den Laien, um alle zur Einheit in der Liebe zu führen, "indem sie in Bruderliebe einander herzlich zugetan sind, an Ehrerbietung einander übertreffen" (Rm 12,10). Ihre Aufgabe ist es darum, die verschiedenen Meinungen so in Einklang zu bringen, daß niemand sich in der Gemeinschaft der Gläubigen fremd fühlt. Sie sind die Verfechter des gemeinsamen Wohls, für das sie im Namen des Bischofs Sorge tragen, und zugleich die entschiedenen Verteidiger der Wahrheit, damit die Gläubigen nicht von jedem Wind der Lehre hin und her getrieben werden (56). Ihrer besonderen Sorge sind die anvertraut, die die Sakramente nicht mehr empfangen, ja vielleicht sogar vom Glauben abgefallen sind; sie werden es nicht unterlassen, als gute Hirten gerade auch ihnen nachzugehen.

Im Blick auf die Bestimmungen über den Ökumenismus (57) werden sie auch die Brüder nicht vergessen, die nicht in voller kirchlicher Gemeinschaft mit uns stehen. Nicht zuletzt werden sie auch alle diejenigen sich anvertraut wissen, die Christus nicht als ihren Erlöser anerkennen. Die Christgläubigen aber sollen sich bewußt sein, daß sie ihren Priestern gegenüber in Schuld stehen. Darum mögen sie diesen als ihren Hirten und Vätern in Kindesliebe verbunden sein. Sie sollen an den Sorgen und Nöten ihrer Priester Anteil nehmen und ihnen durch Gebet und Tat nach Kräften helfen, daß sie ihre Schwierigkeiten leichter überwinden und erfolgreicher ihre Aufgaben erfüllen können (58).

50) Vgl. 1Th 2,12 Col 1,13.
51) Vgl. Mt 23,8. "In dem Maße wir also Hirten, Väter und Lehrer der Menschen sein wollen, müssen wir uns als ihre Brüder erweisen": Paul VI., Enz. Ecclesiam suam, 6. Aug. 1964: AAS 56 (1964) 647.
52) Vgl. Ep 4,7 Ep 4,16; Const. Apost. VIII., 1,20: "Ebenso soll weder der Bischof gegen die Diakone und Presbyter überheblich sein noch die Presbyter gegen das Volk; denn aus beiden wird die Ordnung der Versammlung (Kirche) deutlich": ed. F. X. Funk, I, 467.
53) Vgl. Ph 2,21.
54) Vgl. 1Jn 4,1.
55) Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen Gentium, Nr. LG 37: AAS 57 (1965) 42-43.
56) Vgl. Ep 4,14
57) Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio: AAS 57) (1965) 90ff.
58) Vgl. Il. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen Gentium, Nr. LG 37: AAS 57 (1965) 42-43.


III. Die Verteilung der Priester und der Priesternachwuchs


10 Die Geistesgabe, die den Priestern in ihrer Weihe verliehen wurde, rüstet sie nicht für irgendeine begrenzte und eingeschränkte Sendung, sondern für die alles umfassende und universale Heilssendung "bis an die Grenzen der Erde" (Ac 1,8), denn jeder priesterliche Dienst hat teil an der weltweiten Sendung, die Christus den Aposteln aufgetragen hat. Christi Priestertum, an dem die Priester in Wahrheit Anteil erhalten haben, ist ja notwendig für alle Völker und alle Zeiten bestimmt und nicht auf Rassen, Nationen oder Zeitalter beschränkt, wie es schon in der Gestalt des Melchisedech in geheimnisvoller Weise vorgezeichnet ist (59). Die Priester mögen also daran denken, daß ihnen die Sorge für alle Kirchen am Herzen liegen muß. Deshalb sollen sich die Priester jener Diözesen, die mit einer größeren Zahl von Berufungen gesegnet sind, gern bereit zeigen, mit Erlaubnis oder auf Wunsch des eigenen Ordinarius ihren Dienst in Gegenden, in Missionsgebieten oder in Seelsorgsaufgaben auszuüben, in denen es an Klerus mangelt.

Außerdem sollen die Normen bezüglich der Inkardinierung und Exkardinierung in der Weise überprüft werden, daß diese sehr alte Einrichtung zwar bestehenbleibt, jedoch den heutigen pastoralen Bedürfnissen besser entspricht. Wo das Apostolat es aber erfordert, sollen Erleichterungen gegeben werden nicht nur für eine angemessene Verteilung der Priester, sondern auch für spezielle pastorale Aufgaben bei verschiedenen sozialen Schichten, die in einer bestimmten Gegend oder Nation oder in irgendeinem Teil der Welt durchgeführt werden müssen. Zu diesem Zweck können deshalb mit Nutzen internationale Seminare, besondere Diözesen oder Personalprälaturen und andere derartige Institutionen geschaffen werden. Diesen können zum Gemeinwohl der ganzen Kirche Priester zugeteilt oder inkardiniert werden. Die Art und Weise der Ausführung ist dabei für jedes einzelne Unternehmen festzulegen, und die Rechte der Ortsordinarien müssen stets unangetastet bleiben.

Priester, die in ein fremdes Gebiet gesandt werden, sollen nach Möglichkeit nicht allein gehen, vor allem wenn sie dessen Sprache und Sitten noch nicht gut kennen; man sende sie vielmehr nach dem Vorbild der Jünger Christi (60) zu zweien oder dreien, damit sie so einander Hilfe seien. Weiter ist es angebracht, sich ernstlich um ihr geistliches Leben wie auch um ihr seelisches und leibliches Wohlergehen zu kümmern. Es sollen ihnen möglichst auch Stellen und Arbeitsbedingungen gegeben werden, die den Fähigkeiten und Eigenschaften des einzelnen entsprechen. Für alle, die in ein anderes Land gehen wollen, ist es ferner sehr wichtig, nicht nur die Sprache jenes Gebietes zu erlernen, sondern sich auch den psychologischen und sozialen Charakter des Volkes, dem sie demütig dienen wollen, so vollkommen wie möglich anzueignen. Sie folgen damit dem Beispiel des Apostels Paulus, der von sich sagen konnte: "Obwohl ich allen gegenüber frei bin, habe ich mich doch zum Knecht aller gemacht, um möglichst viele zu gewinnen. Den Juden bin ich ein Jude gewesen, um die Juden zu gewinnen ..." (1Co 9,19-20).

59) Vgl. He 7,3.
60) Vgl. Lc 10,1.


11 Der Hirt und Bischof unserer Seelen (61) hat seine Kirche so gestiftet, daß das Volk, das er erwählt und mit seinem Blute erworben hat (62), bis zum Ende der Welt stets seine Priester haben muß, damit die Christen nie wie Schafe ohne Hirten seien (63). Im Gehorsam gegen diesen Willen Christi und unter Eingebung des Heiligen Geistes hielten die Apostel sich für verpflichtet, Männer zum Dienst zu erwählen, "die geeignet sein werden, auch andere zu lehren" (2Tm 2,2). Diese Pflicht gehört in der Tat mit zur priesterlichen Sendung, durch die der Priester teilhat an der Sorge für die ganze Kirche, damit im Gottesvolk hier auf Erden niemals die Arbeiter fehlen. Weil es jedoch "für den Steuermann eines Schiffes und alle, die darauf fahren ... ein gemeinsames Interesse gibt" (64), soll das ganze christliche Volk über seine Pflicht belehrt werden, auf verschiedene Weise mitzuhelfen - durch inständiges Gebet wie auch durch andere Mittel, die ihm zur Verfügung stehen (65) -, daß die Kirche stets die Priester habe, die zur Erfüllung ihres göttlichen Auftrags notwendig sind. Als ersten muß es darum den Priestern sehr am Herzen liegen, durch ihren Dienst am Wort und das Zeugnis ihres eigenen Lebens, das den Geist des Dienens und die wahre österliche Freude offenbar macht, den Gläubigen die Erhabenheit und Notwendigkeit des Priestertums vor Augen stellen. Jüngeren und Älteren, die sie nach sorgfältiger Beurteilung für ein solches Amt für geeignet halten, sollten sie, ohne Sorgen und Mühen zu scheuen, helfen, daß sie sich recht vorbereiten und - bei Wahrung ihrer vollen inneren und äußeren Freiheit - einmal vom Bischof gerufen werden können. Dafür ist eine sorgfältige und kluge geistliche Führung von größtem Nutzen.

Die Eltern, Lehrer und alle, die in irgendeiner Weise an der Unterweisung der Jugend und der jungen Männer beteiligt sind, sollen diese so erziehen, daß sie die Sorge des Herrn für seine Herde erkennen, die Erfordernisse der Kirche erwägen und bereit sind, wenn der Herr ruft, mit dem Propheten hochherzig zu antworten: "Hier bin ich, sende mich" (Is 6,8). Doch darf man von diesem Ruf des Herrn durchaus nicht erwarten, daß er auf außerordentliche Weise den zukünftigen Priestern zu Ohren gelangt. Er ist vielmehr aus Zeichen zu ersehen und zu beurteilen, durch die auch sonst der Wille Gottes einsichtigen Christen im täglichen Leben kund wird; diese Zeichen müssen die Priester aufmerksam beachten (66).

Ihnen allen werden die diözesanen und nationalen Werke für Priesterberufe sehr nahegelegt (67). In Predigten, Katechesen und Zeitschriften müssen eindrücklich die Erfordernisse der Orts- und Gesamtkirche dargelegt sowie Sinn und besondere Stellung des Priesteramtes in helles Licht gerückt werden. Im Priesteramt sind ja mit großen Lasten auch große Freuden verbunden, und in ihm kann vor allem, wie die Väter lehren, Christus das höchste Zeugnis der Liebe gegeben werden (68).

61) Vgl. 1P 2,25.
62) Vgl. Ac 20,28.
63) Vgl. Mt 9,36.
64) Pont. Rom., Die Priesterweihe.
65) II. Vat. Konzil, Dekret über die Ausbildung der Priester Optatam totius, Nr. PO 2: AAS 58 (1966) 714-715.
66) "Gottes Stimme drückt sich, wenn sie (den Menschen) ruft, auf zwei verschiedene Weisen aus, die wunderbar sind und zusammenkIingen: die eine ist innerlich; es ist die der Gnade, des Heiligen Geistes, einer unaussprechlichen inneren Verzauberung, die die,lautlose' und doch so machtvolle Stimme des Herrn in der unergründlichen menschlichen Seele bewirkt; die andere ist äußerlich, menschlich, mit den Sinnen vernehmbar, sozialer und rechtlicher Natur, konkret; es ist die Stimme des bevollmächtigten Dieners des Wortes Gottes, des Apostels, der Hierarchie; sie ist ein unersetzliches, weil von Christus geschaffenes und gewolltes Werkzeug; sie soll die Botschaft des ewigen Wortes und des göttlichen Gebotes in die erfahrbare Sprache übersetzen. So sagt es mit dem hl. Paulus die katholische Lehre: Wie sollte man hören, wenn niemand verkündet ... Der Glaube kommt vom Hören" (Rm 10,14 Rm 10,17): Paul VI., Ansprache, 5. Mai 1965: L'Osservatore Romano (6. 5. 1965) erste Seite.
67) Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über die Priesterausbildung Optatam totius, Nr. OT 2: AAS 58 (1966) 715.
68) So lehren die Väter, wenn sie die Worte Christi an Petrus: "Liebst du mich? ... Weide meine Schafe" (Jn 21,17), auslegen, z. B. Johannes Chrysostomus, De sacerdotio II, 2: PG 48, 633; Gregor d. Gr., Reg. Past. Liber I, 5: PL 77, 19 A.


III. KAPITEL


DAS LEBEN DER PRIESTER


I. Die Berufung der Priester zur Vollkommenheit


12 Das Weihesakrament macht die Priester Christus dem Priester gleichförmig. Denn sie sind Diener des Hauptes zur vollkommenen Auferbauung seines ganzen Leibes, der Kirche, und Mitarbeiter des Bischofsstandes. Schon in der Taufweihe haben sie, wie alle Christen, Zeichen und Geschenk der so hohen gnadenhaften Berufung zur Vollkommenheit empfangen, nach der sie, bei aller menschlichen Schwäche (1), streben können und müssen, wie der Herr sagt: "Ihr aber sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist" (Mt 5,48). Als Priester sind sie jedoch in besonderer Weise zum Streben nach dieser Vollkommenheit verpflichtet. Denn im Empfang des Weihesakramentes Gott auf neue Weise geweiht, sind sie lebendige Werkzeuge Christi des Ewigen Priesters geworden, damit sie sein wunderbares Werk, das mit Kraft von oben die ganze menschliche Gesellschaft erneuert hat, durch die Zeiten fortzuführen vermögen (2). Jeder Priester vertritt also, seiner Weihestufe entsprechend, Christus. Darum erhält er auch die besondere Gnade, durch den Dienst an der ihm anvertrauten Gemeinde und am ganzen Volk Gottes besser der Vollkommenheit dessen nachzustreben, an dessen Stelle er steht, und für die Schwäche seiner menschlichen Natur Heilung in der Heiligkeit dessen zu finden, der für uns ein "heiliger, unschuldiger, unbefleckter, von den Sünden geschiedener" Hoherpriester (He 7,26) geworden ist.

Christus, den der Vater geheiligt, also geweiht und in die Welt gesandt hat (3), "gab sich selbst für uns dahin, um uns von aller Ungerechtigkeit zu erlösen und sich ein reines Volk zu bereiten, das Gott gefällt und guten Werken nacheifert" (Tt 2,14); so ging er durch sein Leiden in seine Herrlichkeit ein (4). Ähnlich die Priester: durch die Salbung des Heiligen Geistes geweiht und von Christus ausgesandt, ertöten sie in sich die Werke des Fleisches und geben sich gänzlich dem Dienst an den Menschen hin; so können sie in der Kraft der Heiligkeit, mit der sie in Christus beschenkt sind, zur Mannesvollkommenheit (5) heranreifen.

Indem sie also den Dienst des Geistes und der Gerechtigkeit (6) erfüllen, werden sie im Leben des Geistes gefestigt, sofern sie nur auf Christi Geist, der sie belebt und führt, hören. Gerade die täglichen heiligen Handlungen wie ihr gesamter Dienst, den sie in Gemeinschaft mit dem Bischof und ihren priesterlichen Mitbrüdern ausüben, lenken sie auf ein vollkommenes Leben hin. Die Heiligkeit der Priester hinwiederum trägt im höchsten Maß zur größeren Fruchtbarkeit ihres besonderen Dienstes bei. Denn obwohl die Gnade Gottes auch durch unwürdige Diener das Heilswerk durchführen kann, so will Gott doch seine Heilswunder für gewöhnlich lieber durch diejenigen kundtun, die sich dem Antrieb und der Führung des Heiligen Geistes mehr geöffnet haben und darum wegen ihrer innigen Verbundenheit mit Christus und wegen eines heiligmäßigen Lebens mit dem Apostel sprechen können: "Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir" (Ga 2,20).

Um ihre pastoralen Ziele einer inneren Erneuerung der Kirche, der Ausbreitung des Evangeliums über die ganze Erde und des Gespräches mit der heutigen Welt zu verwirklichen, mahnt daher die Heilige Synode alle Priester inständig, mit Hilfe der von der Kirche empfohlenen entsprechenden Mittel (7) nach stets größerer Heiligkeit zu streben, um so immer mehr geeignete Werkzeuge für den Dienst am ganzen Gottesvolk zu werden.

1) Vgl. 2Co 12,9.
2) Vgl. Pius XI., Enz. Ad catholici sacerdotii, 20. Dez. 1935: AAS 28 (1936) 10.
3) Vgl. Jn 10,36.
4) Vgl. Lc 24,26.
5) Vgl. Ep 4,13.
6) Vgl. 2Co 3,8-9.
7) Vgl. u. a. Pius X., Mahnwort an den Klerus Haerent animo, 4. Aug. 1908: S. Pii Acta, Bd. IV (1908) 237ff.; Pius XI., Enz. Ad catholici sacerdotii, 20. Dez. 1935: AAS 28 (1936) 5ff.; Pius XIl., Apost. Ermahnung Menti Nostrae, 23. Sept. 1950: AAS 42 (1950) 657ff.; Johannes XXIII., Enz. Sacerdotii Nostri primordia, 1. Aug. 1959: AAS 51 (1959) 545ff.


13 Die Priester gelangen auf ihnen eigene Weise zur Heiligkeit, nämlich durch aufrichtige und unermüdliche Ausübung ihrer Ämter im Geist Christi.

Als Diener des Wortes Gottes lesen und hören sie täglich Gottes Wort, das sie andere lehren sollen; wenn sie es bei sich selbst ernsthaft aufzunehmen trachten, werden sie von Tag zu Tag vollkommenere Jünger des Herrn nach den Worten des Apostels Paulus an Timotheus: "Darauf richte deinen Sinn, darin lebe: daß dein Fortschritt allen offenbar werde. Hab acht auf dich selbst und auf die Lehre; verharre darin. Denn wenn du das tust, wirst du dich retten und die, welche dich hören" (
1Tm 4,15-16). Beim Nachdenken, wie sie die Früchte ihrer eigenen Betrachtung anderen am besten weitergeben können (8), werden sie noch inniger "den unergründlichen Reichtum Christi" (Ep 3,8) und die vielfältige Weisheit Gottes verkosten (9). Wenn sie vor Augen haben, daß der Herr es ist, der die Herzen öffnet (10), und daß die Tiefe nicht ihnen, sondern der Kraft Gottes entstammt (11), werden sie gerade bei der Weitergabe des Gotteswortes enger mit Christus dem Lehrer verbunden und durch seinen Geist geführt werden. Durch diese Gemeinschaft mit Christus haben sie teil an der Liebe Gottes, deren Geheimnis von Ewigkeit her verborgen war (12), nun aber in Christus offenbar geworden ist.

Im Dienst am Heiligen, vor allem beim Meßopfer, handeln die Priester in besonderer Weise an Christi Statt, der sich für das Heil der Menschen zum Opfer hingab. Darum sind sie aufgefordert, das nachzuahmen, was sie vollziehen; weil sie das geheimnisvolle Geschehen des Todes unseres Herrn vergegenwärtigen, sollen sie auch ihren Leib mit seinen Fehlern und Begierden zu ertöten trachten (13). Im Mysterium des eucharistischen Opfers, dessen Darbringung die vornehmliche Aufgabe des Priesters ist, wird beständig das Werk unserer Erlösung vollzogen (14); darum wird seine tägliche Feier dringend empfohlen; sie ist auch dann, wenn keine Gläubigen dabei sein können, ein Akt Christi und der Kirche (15).

Während sich so die Priester mit dem Tun des Priesters Christus verbinden, bringen sie sich täglich Gott ganz dar, und genährt mit dem Leib Christi, erhalten sie wahrhaft Anteil an der Liebe dessen, der sich seinen Gläubigen zur Speise gibt. Ähnlich sind sie bei der Verwaltung der Sakramente mit der Gesinnung und Liebe Christi geeint; zu solcher Einigung tragen sie besonders bei, wenn sie sich allgemein und stets bereit zeigen, den Liebesdienst der Spendung des Bußsakramentes zu leisten, sooft die Gläubigen begründeterweise darum bitten. Beim Breviergebet leihen sie ihren Mund der Kirche, die beständig im Namen des ganzen Menschengeschlechtes im Gebet verharrt mit Christus, der "allezeit lebt, um für uns einzutreten" (He 7,25).

Als Lenker und Hirten des Volkes Gottes werden sie von der Liebe des Guten Hirten angetrieben, ihr Leben für ihre Schafe hinzugeben (16), auch zum höchsten und letzten Opfer bereit nach dem Beispiel jener Priester, die auch in unserer Zeit nicht gezögert haben, ihr Leben zu opfern. Als Erzieher im Glauben und selbst voll "Zuversicht, durch das Blut Christi in das Heiligtum einzugehen" (He 10,19), treten sie vor Gott hin "mit aufrichtigem Herzen in der Überzeugung des Glaubens" (He 10,22). Vor ihren Gläubigen geben sie ein Zeichen unerschütterlichen Hoffnung (17), damit sie die, die in irgendwelcher Bedrängnis leben, trösten können durch die Ermutigung, mit der auch sie von Gott ermutigt werden (18). Als Leiter der Gemeinschaft pflegen sie eine Aszese, wie sie einem Seelenhirten entspricht: sie verzichten auf eigene Vorteile und suchen nicht ihren Nutzen, sondern den der vielen, damit sie das Heil erlangen (19); sie gehen den Weg der immer vollkommeneren Erfüllung ihres seelsorglichen Auftrags, bereit, wenn nötig, auch neue Wege der Seelsorge zu gehen; werden sie doch geführt vom Geist der Liebe, der weht, wo er will (20).

8) Vgl. Thomas v. Aquin, Summa Theol. II-II 188,7.
9) Vgl. He 3,9-10.
10) Vgl. Ac 16,14.
11) Vgl. 2Co 4,7.
12) Vgl. Ep 3,9.
13) Vgl. Pont. Rom., Die Priesterweihe.
14) Vgl. Missale Rom., Gabengebet vom 9. Sonntag nach Pfingsten.
15) "Denn jede Messe, auch wenn sie privat vom Priester zelebriert wird, ist dennoch nicht privat, sondern ein Akt Christi und der Kirche; diese Kirche pflegt nämlich im Opfer, das sie darbringt, sich selbst als ein umfassendes Opfer darzubringen, und sie wendet die einzige und unendliche Erlösungskraft des Kreuzesopfers der ganzen Welt zum Heil zu. Denn jede Messe, die zelebriert wird, wird nicht nur für einiger Heil, sondern für das Heil der ganzen Welt dargebracht ... Darum empfehlen wir den Priestern, die Unsere besondere Freude und Unsere Krone im Herrn sind, väterlich und angelegentlich, daß sie ... täglich würdig und andächtig die Messe feiern": Paul VI., Enz. Mysterium Fidei, 3. Sept. 1965: AAS 57 (1965) 761-762 MF 1. Vgl. II. Vat. Konzil, Konst. über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. SC 26: AAS 56 (1964) 107.
16) Vgl. Jn 10,11.
17) Vgl. 2Co 1,7.
18) Vgl. 2Co 1,4.
19) Vgl. 1Co 10,33.
20) Vgl. Jn 3,8.


14 In der Welt von heute, in der die Menschen so vielen Geschäften nachzukommen haben und von so vielfältigen Problemen bedrängt werden, die oft nach einer schnellen Lösung verlangen, geraten nicht wenige in Not, weil sie sich zersplittern. Erst recht können sich Priester, die von den überaus zahlreichen Verpflichtungen ihres Amtes hin und her gerissen werden, mit bangem Herzen fragen, wie sie mit ihrer äußeren Tätigkeit noch das innere Leben in Einklang zu bringen vermögen. Zur Erzielung solcher Lebenseinheit genügt weder eine rein äußere Ordnung der Amtsgeschäfte noch die bloße Pflege der Frömmigkeitsübungen, sosehr diese auch dazu beitragen mögen. Die Priester können sie daher erreichen, wenn sie in der Ausübung ihres Amtes dem Beispiel Christi des Herrn folgen, dessen Speise es war, den Willen dessen zu tun, der ihn gesandt hatte, um sein Werk zu vollenden (21).

In der Tat: um eben diesen Willen des Vaters in der Welt durch die Kirche beständig zu erfüllen, handelt Christus durch seine Diener. Darum bleibt er immerfort Ursprung und Quelle für die Einheit ihres Lebens. Die Priester werden also ihrem Leben eine einheitliche Linie geben, wenn sie sich mit Christus vereinigen im Erkennen des väterlichen Willens und in der Hingabe für die ihnen anvertraute Herde (22). Wenn sie so die Rolle des Guten Hirten übernehmen, werden sie gerade in der Betätigung der Hirtenliebe das Band der priesterlichen Vollkommenheit finden, das ihr Leben und ihr Wirken zur Einheit verknüpft. Diese Hirtenliebe (23) erwächst am stärksten aus dem eucharistischen Opfer. Es bildet daher Mitte und Wurzel des ganzen priesterlichen Lebens, so daß der Priester in seinem Herzen auf sich beziehen muß, was auf dem Opferaltar geschieht. Dazu gelangt er jedoch nur, wenn er sich selbst immer inniger in das Geheimnis Christi betend vertieft.

Um die Einheit ihres Lebens auch konkret wahr zu machen, müssen sich die Priester all ihr Tun und Lassen vor Augen halten und prüfen, was Gottes Wille ist (24), ob und wieweit es nämlich mit den Richtlinien der Kirche für ihre Heilssendung übereinstimmt. Die Treue zu Christus kann ja von der Treue zu seiner Kirche nicht getrennt werden. Die Hirtenliebe erfordert also, daß die Priester, um nicht ins Leere zu laufen (25), immer in enger Verbindung mit den Bischöfen und mit den anderen Mitbrüdern im Priesteramt arbeiten. Wenn sie nach diesem Grundsatz handeln, werden sie die Einheit für ihr eigenes Leben in der Einheit der Sendung der Kirche finden und so mit ihrem Herrn und durch ihn mit dem Vater im Heiligen Geist vereint werden, so daß sie mit Trost und überreicher Freude erfüllt werden können (26).

21) Vgl.
Jn 4,34.
22) Vgl. 1Jn 3,16.
23) "Die Herde des Herrn zu weiden, muß ein Dienst der Liebe sein": Augustinus, Tract. in Joh. 123, 5: PL 35, 1967.
24) Vgl. Rm 12,2.
25) Vgl. Ga 2,2.
26) Vgl. 2Co 7,4.


II. Besondere Erfordernisse für das geistliche Leben der Priester (Evangelischen Räte)


15 Zu den Tugenden, die für den Dienst der Priester besonders erfordert sind, muß man als ständige Seelenhaltung die innere Bereitschaft zählen, nicht den eigenen Willen zu suchen, sondern den Willen dessen, der sie gesandt hat (27). Das göttliche Werk nämlich, zu dessen Durchführung der Heilige Geist sie berufen hat (28), übersteigt alle menschlichen Kräfte und menschliche Weisheit; denn "was der Welt schwach erscheint, hat Gott auserwählt, das Starke zu beschämen" (1Co 1,27). Im Bewußtsein der eigenen Schwäche tut darum der wahre Diener Christi seine Arbeit demütig; er prüft, was Gott wohlgefällig ist (29), und läßt sich, gleichsam durch den Geist gebunden (30), in allem vom Willen dessen führen, der aller Menschen Heil will; diesen Willen kann er in den konkreten Umständen des täglichen Lebens entdecken und erfüllen, indem er allen Menschen demütig dient, die ihm in seinem Amt und in den vielfältigen Ereignissen seines Lebens von Gott anvertraut sind.

Weil jedoch der priesterliche Dienst ein Dienst der Kirche ist, kann er nur in der hierarchischen Gemeinschaft des ganzen Leibes ausgeübt werden. Die Hirtenliebe drängt also die Priester dazu, in dieser Gemeinschaft zu handeln und darum den eigenen Willen gehorsam in den Dienst für Gott und die Brüder zu stellen, indem sie gläubigen Geistes annehmen und ausführen, was der Papst und der eigene Bischof sowie andere Vorgesetzte vorschreiben oder nahelegen; gern geben sie alles hin und sich selbst dazu (31), in jeglichem Dienst, der ihnen anvertraut wird, sei er auch gering und ärmlich. Auf diese Weise bewahren und stärken sie die notwendige Einheit mit ihren Mitbrüdern im Amt, vor allem aber mit denjenigen, die der Herr zu sichtbaren Leitern seiner Kirche bestellt hat, und tragen so zum Aufbau des Leibes Christi bei, der "durch jedes Band der Hilfeleistung" wächst (32). Solcher Gehorsam führt zu einer reiferen Freiheit der Kinder Gottes. Er erfordert aus seinem Wesen heraus, daß die Priester, wenn sie bei der Ausübung ihres Amtes in kluger Weise aus Liebe neue Wege zum größeren Wohl der Kirche suchen, diese ihre Vorhaben vertrauensvoll vorbringen und die besondere Lage ihrer Herde eindringlich darlegen, immer bereit, sich dem Urteil derer zu unterstellen, die ein führendes Amt in der Leitung der Kirche Gottes ausüben.

Durch diese Demut und diesen verantwortungsbewußten und freien Gehorsam machen sich die Priester Christus gleichförmig. Sie hegen die gleiche Gesinnung wie Christus Jesus in sich, der "sich selbst entäußert hat, indem er Knechtsgestalt annahm, gehorsam geworden bis zum Tod " (Ph 2,7-8), und der durch diesen Gehorsam den Ungehorsam Adams besiegt und wiedergutgemacht hat, wie der Apostel bezeugt: "Durch den Ungehorsam des einen Menschen sind die vielen zu Sündern gemacht worden; so werden auch durch den Gehorsam des Einen die vielen zu Gerechten gemacht werden" (Rm 5,19).

27) Vgl. Jn 4,34 Jn 5,30 Jn 6,38.
28) Vgl. Ac 13,2.
29) Vgl. Ep 5,10.
30) Vgl. Ac 20,22.
31) Vgl. 2Co 12,15.
32) Vgl. Ep 4,11-16.


16 Die Kirche hat die vollkommene und ständige Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen, die von Christus dem Herrn empfohlen (33), in allen Jahrhunderten bis heute von nicht wenigen Gläubigen gern angenommen und lobenswert geübt worden ist, besonders im Hinblick auf das priesterliche Leben immer hoch eingeschätzt. Ist sie doch ein Zeichen und zugleich ein Antrieb der Hirtenliebe und ein besonderer Quell geistlicher Fruchtbarkeit in der Welt (34). Zwar ist sie nicht vom Wesen des Priestertums selbst gefordert, wie die Praxis der frühesten Kirche (35) und die Tradition der Ostkirchen zeigt, wo es neben solchen, die aus gnadenhafter Berufung zusammen mit allen Bischöfen das ehelose Leben erwählen, auch hochverdiente Priester im Ehestand gibt. Wenn diese Heilige Synode dennoch den kirchlichen Zölibat empfiehlt, will sie in keiner Weise jene andere Ordnung ändern, die in den Ostkirchen rechtmäßig Geltung hat; vielmehr ermahnt sie voll Liebe diejenigen, die als Verheiratete das Priestertum empfingen, sie möchten in ihrer heiligen Berufung ausharren und weiterhin mit ganzer Hingabe ihr Leben für die ihnen anvertraute Herde einsetzen36.

Der Zölibat ist jedoch in vielfacher Hinsicht dem Priestertum angemessen. Die priesterliche Sendung ist nämlich gänzlich dem Dienst an der neuen Menschheit geweiht, die Christus, der Überwinder des Todes, durch seinen Geist in der Welt erweckt, die ihren Ursprung "nicht aus dem Blut, nicht aus dem Wollen des Fleisches noch aus dem Wollen des Mannes, sondern aus Gott" (
Jn 1,13) hat. Durch die Jungfräulichkeit und die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen (37) werden die Priester in neuer und vorzüglicher Weise Christus geweiht; sie hangen ihm leichter ungeteilten Herzens an38, schenken sich freier in ihm und durch ihn dem Dienst für Gott und die Menschen, dienen ungehinderter seinem Reich und dem Werk der Wiedergeburt aus Gott und werden so noch mehr befähigt, die Vaterschaft in Christus tiefer zu verstehen.

Auf diese Weise bezeugen sie also vor den Menschen, daß sie sich in ungeteilter Hingabe der ihnen anvertrauten Aufgabe widmen wollen, nämlich die Gläubigen einem Mann zu vermählen und sie als keusche Jungfrau Christus zuzuführen39; so weisen sie auf jenen geheimnisvollen Ehebund hin, der von Gott begründet ist und im anderen Leben ins volle Licht treten wird, in welchem die Kirche Christus zum einzigen Bräutigam hat (40). Darüber hinaus sind sie ein lebendiges Zeichen der zukünftigen, schon jetzt in Glaube und Liebe anwesenden Welt, in der die Auferstandenen weder freien noch gefreit werden (41).

Der so im Geheimnis Christi und seiner Sendung begründete Zölibat wurde zunächst den Priestern empfohlen und schließlich in der lateinischen Kirche allen, die die heilige Weihe empfangen sollten, als Gesetz auferlegt. Diese Heilige Synode billigt und bekräftigt von neuem das Gesetz für jene, die zum Priestertum ausersehen sind, wobei ihr der Geist das Vertrauen gibt, daß der Vater die Berufung zum ehelosen Leben, das ja dem neutestamentlichen Priestertum so angemessen ist, großzügig geben wird, wenn nur diejenigen, die durch das Sakrament der Weihe am Priestertum Christi teilhaben, zusammen mit der ganzen Kirche demütig und inständig darum bitten.

Das Konzil mahnt daher alle Priester, die im Vertrauen auf Gottes Gnade in freier Entscheidung nach Christi Vorbild den Zölibat auf sich genommen haben, ihm großmütig und mit ganzem Herzen anzuhangen und treu in diesem Stand auszuhalten in der Erkenntnis der hohen Gnadengabe, die ihnen vom Vater gegeben wurde und die der Herr so offenkundig gepriesen hat (42). Sie sollen dabei immer jene Geheimnisse vor Augen haben, die durch sie bezeichnet werden und ihre Erfüllung finden. Und je mehr in der heutigen Welt viele Menschen ein Leben in vollkommener Enthaltsamkeit für unmöglich halten, um so demütiger und beharrlicher werden die Priester und mit ihnen die ganze Kirche die Gabe der Beständigkeit und Treue erflehen, die denen niemals verweigert wird, die um sie bitten. Zugleich werden sie alle übernatürlichen und natürlichen Hilfen anwenden, die jedem zur Verfügung stehen; sie sollen vor allem die durch die Erfahrung der Kirche bewährten aszetischen Verhaltensweisen, die in der modernen Welt nicht weniger notwendig sind, befolgen.

So bittet diese Heilige Synode nicht nur die Priester, sondern alle Gläubigen, sie möchten sich die kostbare Gabe des priesterlichen Zölibates ein wirkliches Anliegen sein lassen, und alle mögen Gott bitten, daß er dieses Geschenk seiner Kirche stets in Fülle zukommen lasse.

33) Vgl. Mt 19,12.
34) Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen Gentium, Nr. LG 42: AAS 57 (1965) 47-49.
35) Vgl. 1Tm 3,2-5 Tt 1,6.
36) Vgl. Pius XI., Enz. Ad catholici sacerdotii, 20. Dez. 1935: AAS 28 (1936) 28.
37) Vgl. Mt 19,12.
38) Vgl. 1Co 7,32-34.
39) Vgl. 2Co 11,2.
40) Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen Gentium, Nr. LG 42 LG 44: AAS 57 (1965) 47-49.50-51; Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis, Nr. PC 12: AAS 58 (1966) 707.
41) Vgl. Lc 20,35-36: Pius XI., Enz. Ad catholici sacerdotii, 20. Dez. 1935: AAS 28 (1936) 24-28; Pius XII., Enz. Sacra Virginitas, 25. März 1954: AAS 46 (1954) 169-172.
42) Vgl. Mt 19,11.


Presbyterorum Ordinis DE 8