Universi dominici gregis DE


APOSTOLISCHE KONSTITUTION

UNIVERSI DOMINICI GREGIS

SEINER HEILIGKEIT
PAPST JOHANNES PAUL II
ÜBER DIE VAKANZ DES APOSTOLISCHEN STUHLES UND DIE WAHL DES PAPSTES VON ROM
JOHANNES PAUL, BISCHOF

DIENER DER DIENER GOTTES

ZUR BLEIBENDEN ERINNERUNG
Hirte der gesamten Herde des Herrn ist der Bischof der Kirche von Rom, in der der heilige Apostel Petrus durch höchste Verfügung der göttlichen Vorsehung Christus im Martyrium das höchste Blutzeugnis gegeben hat. Daher ist es leicht verständlich, daß die rechtmäßige apostolische Sukzession auf diesem Stuhl, mit dem sich »wegen des außerordentlichen Vorranges jede andere Kirche in Einheit befinden muß«,(1) schon immer ein besonderes Anliegen gewesen ist.


Genau deswegen haben die Päpste im Laufe der Jahrhunderte es als ihre gewissenhafte Pflicht und ihr eigentliches Recht angesehen, mit entsprechenden Normen eine wohlgeordnete Wahl des Nachfolgers festzulegen. Dies taten auch vor nicht allzu langer Zeit meine Vorgänger, der heilige Pius X.,(2) Pius XI.,(3) Pius XII.,(4) Johannes XXIII.(5) und zuletzt Paul VI.,(6) ein jeder in der Absicht, den Anforderungen des besonderen geschichtlichen Augenblicks zu entsprechen. Sie haben diesbezüglich für den Erlaß weiser und geeigneter Regeln Sorge getragen, um die würdige Vorbereitung und den geordneten Ablauf der Versammlung der Wähler zu lenken, denen aufgrund der Vakanz des Apostolischen Stuhles das wichtige und schwierige Amt übertragen worden ist, den Papst von Rom zu wählen.

Wenn ich mich heute anschicke, dieses Thema aufzugreifen, dann tue ich das nicht etwa, weil ich die genannten Normen geringschätze — im Gegenteil, ich schätze sie sehr hoch und möchte sie größtenteils auch bestätigen, zumindest in der Substanz und in den Grundprinzipien, die sie inspiriert haben. Was mich zu diesem Schritt bewegt, ist das Bewußtsein der veränderten Situation, in der heute die Kirche lebt, und ferner die Notwendigkeit, sich die allgemeine Revision des kanonischen Rechtes zu vergegenwärtigen, die mit Zustimmung des gesamten Episkopates durch die Veröffentlichung und die Promulgation zuerst des Kodex des kanonischen Rechtes und dann des Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen in trefflicher Weise verwirklicht worden ist. Nach dieser vom II. Vatikanischen Konzil hervorgegangenen Revision ist es mein Bemühen gewesen, darauf die Reform der Römischen Kurie mit der Apostolischen Konstitution Pastor Bonus (7) in Gang zu setzen. Die von can. 335 des Kodex des kanonischen Rechtes aufgestellte und die von can. 47 des Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen wiederholte Anordnung macht übrigens gerade die Pflicht zum Erlaß und zur dauernden Überarbeitung besonderer Gesetze deutlich, die die kanonische Besetzung des Bischöflichen Stuhles in Rom regeln, wenn dieser aus irgendeinem Grund vakant werden sollte.

Wenn auch die Anforderungen unserer Zeit berücksichtigt worden sind, habe ich mich bei der Formulierung der neuen Ordnung dafür eingesetzt, in der Substanz nicht von der Linie der weisen und bis zum heutigen Tag geltenden verehrungswürdigen Tradition abzuweichen.

In der Tat scheint das Prinzip unangefochten zu sein, wonach es den Päpsten zusteht, unter Anpassung an die Änderung der Zeiten die Art und Weise zu bestimmen, wie die Ernennung der Person vonstatten gehen soll, die bestellt wird, die Nachfolge des heiligen Petrus auf dem Bischöflichen Stuhl in Rom anzutreten. Dies betrifft an erster Stelle das Organ, dem die Aufgabe übertragen ist, für die Wahl des Römischen Papstes zu sorgen: dieses Organ besteht gemäß einer tausendjährigen Praxis, bestätigt durch genaue kanonische Normen, die auch durch eine ausdrückliche des geltenden Kodex des kanonischen Rechts bekräftigt sind (vgl. CIC 349), aus dem Kardinalskollegium der Heiligen Römischen Kirche. Wenn es tatsächlich Glaubenslehre ist, daß die Vollmacht des Papstes direkt von Christus abgeleitet wird, dessen Stellvertreter er auf Erden ist,(8) so steht auch außer Zweifel, daß diese höchste Gewalt in der Kirche ihm »durch die Annahme der rechtmäßig erfolgten Wahl zusammen mit der Bischofsweihe« (9) zuteil wird. Die Aufgabe, die diesem zur Wahl bestimmten Organ obliegt, ist also sehr gewichtig. Dementsprechend genau und klar werden auch die Normen sein müssen, die den Hergang regeln, damit die Wahl selbst in einem möglichst würdigen und dem äußerst verantwortungsvollen Amt entsprechenden Rahmen ablaufen kann, das der Gewählte kraft göttlicher Einsetzung mit seiner eigenen Zustimmung auf sich wird nehmen müssen.

Deswegen bestätige ich die Norm des in Kraft befindlichen Kodex des kanonischen Rechtes (vgl. CIC 349), in dem sich die nunmehr tausendjährige Praxis der Kirche widerspiegelt, und bekräftige nochmals, daß das Kollegium der Wähler des Papstes einzig aus den Kardinälen der Heiligen Römischen Kirche zusammengesetzt ist. In ihnen kommen die beiden Aspekte, die die Gestalt und das Amt des Römischen Papstes charakterisieren, gleichsam in einer wunderbaren Synthese zum Ausdruck: Römisch, weil er identifiziert wird mit der Person des Bischofs der Kirche, die in Rom ist, und daher in enger Beziehung mit dem Klerus dieser Stadt steht, der repräsentiert wird durch die Kardinäle der Presbyteral- und Diakonatstitel von Rom, und mit den Kardinalbischöfen der suburbikarischen Sitze; Pontifex der universalen Kirche, weil er bestellt worden ist, sichtbar den unsichtbaren Hirten zu vertreten, der die gesamte Herde zu den Weiden des ewigen Lebens führt. Die Universalität der Kirche nimmt in dieser Weise trefflich Gestalt an durch die Zusammensetzung des Kardinalskollegiums selbst, das aus Purpurträgern aller Kontinente besteht.

Unter den aktuellen historischen Umständen scheint die universale Dimension der Kirche genügend zum Ausdruck gebracht durch das Kollegium der einhundertzwanzig wahlberechtigten Kardinäle, das aus Purpurträgern zusammengesetzt ist, die von allen Teilen der Erde und von den verschiedensten Kulturen kommen. Ich bestätige also diese Höchstzahl von wahlberechtigten Kardinälen und mache gleichzeitig deutlich, daß die Beibehaltung der von meinem Vorgänger Paul VI. aufgestellten Norm, gemäß der alle, die am Tag des Beginns der Vakanz des Apostolischen Stuhles schon das achtzigste Lebensjahr vollendet haben,(10) nicht an der Wahl teilnehmen, keineswegs ein Zeichen von Geringschätzung darstellen soll. Der Grund dieser Verfügung ist im Willen zu suchen, solch einem verehrungswürdigen Alter nicht noch die zusätzliche Last aufzubürden, die in der Verantwortung besteht, jemanden zu wählen, der die Herde Christi in einer den Erfordernissen der Zeit gemäßen Weise führen muß. Dies stellt jedoch kein Hindernis dar, daß die über achtzigjährigen Kardinäle an den Vorbereitungssitzungen zum Konklave gemäß den weiter unten festgelegten Vorschriften teilnehmen. Von ihnen wird weiterhin in besonderer Weise erwartet, daß sie während der Sedisvakanz und insbesondere während des Ablaufs der Papstwahl die Aufgabe der Wähler mit intensivem Gebet und Fürbitten zum Heiligen Geist unterstützen und sich so gleichsam zu Führern des Volkes Gottes machen, das sich in den Patriarchalbasiliken Roms wie auch in anderen Kirchen der Diözesen der gesamten Welt versammelt, um den wählenden Kardinälen die nötige Erleuchtung zu erflehen, damit sie einzig Gott vor Augen haben und nur auf »das Heil der Seelen« bedacht, »das in der Kirche immer das oberste Gesetz sein muß«,(11) ihre Wahl treffen.

Besondere Aufmerksamkeit habe ich der altehrwürdigen Institution des Konklave gewidmet: die Vorschriften hierzu und das Verfahren sind auch geheiligt und festgelegt durch feierliche Anordnungen vieler meiner Vorgänger. Eine aufmerksame geschichtliche Erforschung bestätigt nicht nur die Zweckmäßigkeit dieser Institution wegen der Umstände, die zu ihrer Entstehung und allmählichen Normierung und Festlegung geführt haben, sondern auch ihre beständige Nützlichkeit für den geordneten, raschen und geregelten Verlauf der Handlungen der Wahl selber, insbesondere in Augenblicken der Spannung und Unruhe.

Genau deswegen und trotz des Wissens um die Bewertung durch Theologen und Kanonisten aller Zeiten, die einmütig diese Institution für die gültige Wahl des Papstes von ihrer Natur her für nicht notwendig erachten, bestätige ich mit dieser Konstitution ihr Bestehen in ihrer wesentlichen Struktur mit der Einfügung einiger Modifizierungen, um die Ordnung den heutigen Anforderungen anzupassen. Insbesondere hielt ich es für zweckmäßig anzuordnen, daß während der gesamten Zeitdauer der Wahl die Unterbringung der wahlberechtigten Kardinäle und aller, die berufen sind, zum Zweck des geregelten Wahlverlaufs selbst mitzuarbeiten, in geeigneten Räumen des Vatikanstaates erfolgt. Wenn dieser Staat auch klein ist, so ist er doch ausreichend, um innerhalb der Mauern, dank auch der weiter unten angeführten zweckmäßigen Maßnahmen, jene Abgeschiedenheit und folglich jene Sammlung zu garantieren, die solch eine für die gesamte Kirche lebenswichtige Handlung bei den Wählern erfordert.

In Anbetracht des heiligen Charakters der Handlung und folglich der Angemessenheit, daß sie an einer geeigneter Stätte verlaufen kann, in der sich einerseits die liturgischen Handlungen mit den rechtlichen Formalitäten verbinden lassen, und es andererseits den Wählern leichter gemacht werden soll, sich so vorzubereiten, um die inneren Eingebungen des Heiligen Geistes aufnehmen zu können, verfüge ich gleichzeitig, daß die Wahl weiterhin in der Sixtinischen Kapelle stattfinden soll, wo alles dazu beiträgt, das Bewußtein der Gegenwart Gottes zu fördern, vor dessen Angesicht ein jeder eines Tages treten muß, um gerichtet zu werden.

Des weiteren bestätige ich mit meiner apostolischen Autorität die Pflicht zur strengsten Geheimhaltung bezüglich all dessen, was direkt oder indirekt die Wahlvorgänge anbelangt: dennoch habe ich auch diesbezüglich die betreffenden Normen vereinfachen und auf das Wesentliche beschränken wollen, um Ratlosigkeit und Zweifel und vielleicht auch nachfolgende Gewissenskonflikte derjenigen zu vermeiden, die an der Wahl teilgenommen haben.

Schließlich hielt ich es für meine Pflicht, auch die eigentliche Form der Wahl zu revidieren, unter Berücksichtigung der gegenwärtigen kirchlichen Anforderungen und der Wertvorstellungen der modernen Kultur. So erschien es mir zweckmäßig, die Wahl durch Akklamation quasi ex inspiratione nicht beizubehalten, da ich sie nunmehr für ungeeignet halte, die Überlegungen eines Wahlkollegiums zu interpretieren, das zahlenmäßig so erweitert und von seiner Herkunft her so verschieden ist. Gleichermaßen schien es nötig zu sein, die Wahl der compromissum fallen zu lassen, nicht nur weil sie schwer zu bewerkstelligen ist, wie sich dies anhand der in der Vergangenheit in dieser Hinsicht schier unentwirrbaren Mengen an erlassenen Normen beweisen läßt, sondern auch weil sie von Natur aus eine gewisse Umgehung der Verantwortung der Wähler beinhaltet, die in diesem Fall nicht aufgefordert wären, ihr eigenes Votum persönlich zum Ausdruck zu bringen.

Nach reiflicher Überlegung bin ich zum Ergebnis gekommen, daß die einzige Form, mit der die Wähler ihr eigenes Votum für die Papstwahl ausdrücken können, nur die der geheimen Wahl ist, wie sie gemäß den weiter unten aufgezeigten Normen durchgeführt wird. Diese Form bietet tatsächlich die größten Garantien für Klarheit, Geradlinigkeit, Einfachheit, Durchschaubarkeit und vor allem für eine effektive und konstruktive Teilnahme aller einzelnen Kardinäle, die gerufen sind, die Wahlversammlung des Nachfolgers Petri zu bilden.

In diesem Sinne erlasse ich diese Apostolische Konstitution, in der die Normen enthalten sind, an die sich im Falle der Vakanz des Apostolischen Stuhles, aus welchem Grund oder Umstand auch immer, die Kardinäle streng halten müssen, die das verpflichtende Recht besitzen, den Nachfolger Petri zu wählen, der sichtbares Haupt der ganzen Kirche und Diener der Diener Gottes ist.

(1) Hl. Irenäus, Adv. haereses. III, 3, 2: SCh 211, 33.
(2) Vgl. Apost. Konst. Vacante Sede Apostolica (25. Dezember 1904): Pii X Pontificis Maximi Acta III (1908), 239-288.
(3) Vgl. Motu proprio Cum Proxime (1. März 1922): AAS 14 (1922), 145-146; Apost. Konst.Quae divinitus (25. März 1935): AAS 27 (1935), 97-113.
(4) Vgl. Apost. Konst. Vacantis Apostolicae Sedis (8. Dezember 1945): AAS 38 (1946), 65-99.
(5) Vgl. Motu proprio Summi Pontificis electio (5. September 1962): AAS 54 (1962), 632-640.
(6) Vgl. Apost. Konst. Regimini Ecclesiae universae (15. August 1967): AAS 59 (1967), 885-928; Motu proprio Ingravescentem aetatem (21. November 1970): AAS 62 (1970), 810-813; Apost. Konst. Romano Pontifici eligendo (1. Oktober 1975): AAS 67 (1975), 609-645.
(7) Vgl. AAS 80 (1988), 841-912.
(8) Vgl. I. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Christi Pastor aeternus, III; II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über die Kirche Lumen gentium, LG 18.
(9) Kodex des kanonischen Rechtes, can. CIC 332 § 1; cvgl. Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen, can. CIO 44 § 1.
(10) Vgl. Motu proprio Ingravescentem aetatem (21. november 1970), II, 2: AAS 62 (1970), 811; Apost Konst. Romano Pontifici eligendo (1. Oktober 1975), 33: AAS 67 (1975), 622.
(11) Kodex des kanonischen Rechtes, can. CIC 1752.

ERSTER TEIL

DIE VAKANZ DES APOSTOLISCHEN STUHLES

KAPITEL I

VOLLMACHTEN DES KARDINALSKOLLEGIUMS WÄHREND DER VAKANZ DES APOSTOLISCHEN STUHLES



1 Während der Vakanz des Apostolischen Stuhles hat das Kardinalskollegium keinerlei Vollmacht oder Jurisdiktion bezüglich jener Fragen, die dem Papst zu Lebzeiten oder während der Ausübung der Aufgaben seines Amtes zustehen; diese Fragen müssen alle ausschließlich dem künftigen Papst vorbehalten bleiben. Deshalb erkläre ich jede Handlung für ungültig und nichtig, die das Kardinalskollegium in Ausübung der dem Papst zu seinen Lebzeiten oder während der Zeit der Ausübung seines Amtes zustehenden Vollmacht oder Jurisdiktion vornehmen zu müssen glaubte, es sei denn, sie befinden sich innerhalb der in dieser Konstitution ausdrücklich genannten Grenzen.


2 Während der Vakanz des Apostolischen Stuhles ist die Leitung der Kirche dem Kardinalskollegium anvertraut, aber nur zur Erledigung der ordentlichen Angelegenheiten oder für jene Fragen, die keinen Aufschub (vgl. Nr. 6) dulden, sowie für die Vorbereitung alles dessen, was zur Wahl des neuen Papstes erforderlich ist. Diese Aufgabe muß innerhalb der von dieser Konstitution vorgesehenen Modalitäten und Grenzen erledigt werden: deshalb müssen jene Angelegenheiten absolut ausgeschlossen werden, die — sei es per Gesetz oder aufgrund der Praxis — entweder in der Vollmacht des Papstes allein liegen oder die Normen für die Wahl des neuen Papstes gemäb den Anordnungen der vorliegenden Konstitution betreffen.


3 Außerdem bestimme ich, daß das Kardinalskollegium in keiner Weise über die Rechte des Apostolischen Stuhles und der Römischen Kirche verfügen kann; und noch weniger darf es von diesen Rechten direkt oder indirekt etwas preisgeben, selbst wenn es dabei um die Beilegung von Streitigkeiten geht oder um die Ahndung von Handlungen, die gegen diese Rechte nach dem Tode oder dem gültigen Amtsverzicht des Papstes (12) vorgenommen worden sind. Alle Kardinäle sollen für den Schutz dieser Rechte Sorge tragen.

(12) Vgl. Kodex des kanonischen Rechtes, can.
CIC 332 § 2; Kodex der Kanones der Orientalischen Kirchen, can. CIO 44 § 2.

4 Während der Vakanz des Apostolischen Stuhles dürfen die von den Päpsten erlassenen Gesetze in keiner Weise korrigiert oder abgeändert werden; es dürfen auch keine Hinzufügungen oder Abstriche gemacht werden noch darf von ihnen auch nur teilweise dispensiert werden. Dies gilt vor allem für jene, die die Regelung der Papstwahl betreffen. Für den Fall, daß gegen diese Anordnung etwas unternommen oder auch nur der Versuch hierzu gemacht werden sollte, erkläre ich dies kraft meiner höchsten Autorität für nichtig und ungültig.


5 Falls Zweifel über die in der vorliegenden Konstitution enthaltenen Vorschriften oder über die Art und Weise ihrer Durchführung auftreten sollten, so verfüge ich förmlich, daß dem Kardinalskollegium alle Vollmacht zusteht, diesbezüglich ein Urteil zu fällen. Diesem erteile ich deswegen die Erlaubnis, die zweifelhaften oder strittigen Punkte zu interpretieren, wobei ich bestimme, daß es bei den Beratungen über diese und andere ähnliche Fragen, mit Ausnahme des Aktes der Papstwahl selber, genügt, daß die Mehrheit der versammelten Kardinäle zur gleichen Auffassung kommt.


6 Ebenso soll das Kardinalskollegium, wenn ein Problem vorliegen sollte, das nach Auffassung der Mehrheit der versammelten Kardinäle nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden kann, nach Ansicht der Mehrheit Verfügungen treffen.

KAPITEL II


DIE KONGREGATIONEN DER KARDINÄLE ZUR VORBEREITUNG DER PAPSTWAHL



7 Während der Sedisvakanz gibt es zwei Arten von Kongregationen der Kardinäle: eineGeneralkongregation, d. h. des gesamten Kollegiums bis zum Beginn der Wahl, und eineSonderkongregation.An den Generalkongregationen müssen alle Kardinäle teilnehmen, die nicht rechtmäßig verhindert sind, sobald sie über die Vakanz des Apostolischen Stuhles unterrichtet wurden. Den Kardinälen jedoch, die gemäß der Norm in Nr. 33 dieser Konstitution kein Recht besitzen, den Papst zu wählen, ist die Erlaubnis gegeben, wenn sie es vorziehen, nicht an diesen Generalkongregationen teilzunehmen.

Die Sonderkongregation besteht aus dem Kardinal-Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche und aus drei Kardinälen, je einem aus jeder Ordnung, die durch Los aus den wahlberechtigten Kardinälen bestimmt werden, die bereits in Rom eingetroffen sind. Das Amt dieser drei Kardinäle, die Assistenten heißen, erlischt nach dem dritten Tag, und an ihre Stelle treten, stets durch Auslosung bestimmt, andere Kardinäle mit gleichlanger Amtsdauer, auch nach Beginn der Wahl.

Während der Wahlperiode werden die wichtigeren Angelegenheiten, falls erforderlich, von der Versammlung der wahlberechtigten Kardinäle behandelt; die ordentlichen Angelegenheiten werden hingegen durchgehend von der Sonderkongregation der Kardinäle bearbeitet. Während der Sedisvakanz tragen die Kardinäle in den General- und Sonderkongregationen den üblichen schwarzen filettierten Talar und die rote Schärpe, dazu die Kalotte, das Pektorale und den Ring.


8 In den Sonderkongregationen sollen nur die Fragen von untergeordneter Bedeutung behandelt werden, die sich täglich oder von Zeit zu Zeit stellen. Wenn aber schwerwiegendere Fragen auftreten sollten, die eine gründlichere Prüfung erfordern, so müssen diese der Generalkongregation unterbreitet werden. Außerdem kann das, was in einer Sonderkongregation entschieden, gelöst oder verweigert worden ist, nicht in einer anderen Sonderkongregation widerrufen, geändert oder gewährt werden; das Recht hierzu steht allein der Generalkongregation zu, und zwar mit Stimmenmehrheit.


9 Die Generalkongregationen der Kardinäle finden im Apostolischen Palast im Vatikan statt oder, wenn es die Umstände nach dem Urteil der Kardinäle erfordern, an einem anderen geeigneteren Ort. Den Vorsitz führt der Dekan des Kollegiums oder, in dessen Abwesenheit oder bei rechtmäßiger Verhinderung, der Subdekan. Falls einer von beiden oder beide gemäß der Norm in Nr. 33 dieser Konstitution nicht mehr das Recht der Papstwahl haben sollten, führt in der Versammlung der wahlberechtigten Kardinäle, der nach der allgemeinen Rangordnung älteste wahlberechtigte Kardinal den Vorsitz.


10 In den Kardinalskongregationen dürfen die Abstimmungen bei wichtigeren Angelegenheiten nicht mündlich, sondern nur in geheimer Form erfolgen.


11 Die Generalkongregationen, die vor Beginn der Wahl stattfinden und deshalb »vorbereitende« Kongregationen heißen, müssen täglich abgehalten werden, und zwar von dem Tag an, den der Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche mit den drei ersten wahlberechtigten Kardinälen aus jeder Ordnung festgesetzt hat; auch an den Tagen, an denen die Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Papst stattfinden. Dies geschieht in der Absicht, daß der Kardinal-Camerlengo die Auffassung des Kollegiums erkunden und und diesem mitteilen kann, was er für notwendig oder angemessen erachtet; daß ferner die einzelnen Kardinäle die Möglichkeit haben, ihre Ansicht bezüglich der auftauchenden Probleme darzulegen, in Zweifelsfällen um Aufklärung zu bitten und Vorschläge zu machen.


12 Bei den ersten Generalkongregationen ist dafür zu sorgen, daß die einzelnen Kardinäle ein Exemplar dieser Konstitution zur Verfügung haben; gleichzeitig sei ihnen die Möglichkeit gegeben, eventuell Fragen über den Sinn und die Ausführung der in der Konstitution festgelegten Normen zu stellen. Außerdem ist es ratsam, daß jener Teil dieser Konstitution vorgelesen wird, der die Vakanz des Apostolischen Stuhles betrifft. Zugleich müssen alle anwesenden Kardinäle den Eid ablegen, die in der Konstitution enthaltenen Vorschriften zu beachten und das Amtsgeheimnis zu wahren. Dieser Eid, der auch von den Kardinälen abzulegen ist, die später hinzukommen und diesen Kongregationen erst in einer zweiten Phase beiwohnen, soll vom Kardinaldekan oder gegebenenfalls von einem anderen Vorsitzenden des Kollegiums gemäß der in Nr. 9 dieser Konstitution bestimmten Norm in Gegenwart der übrigen Kardinäle nach folgender Formel vorgelesen werden:

Wir Kardinalbischöfe, Kardinalpriester und Kardinaldiakone der Heiligen Römischen Kirche versprechen, verpflichten uns und schwören, daß wir alle zusammen und jeder einzelne von uns genau und gewissenhaft alle Normen beachten werden, die in der Apostolischen Konstitution Universi Dominici Gregis Papst Johannes Pauls II. enthalten ist, und alles streng geheimhalten werden, was sich in irgendeiner Weise auf die Wahl des Papstes bezieht oder was von Natur aus während der Vakanz des Apostolischen Stuhles die Geheimhaltung erfordert.

Hierauf soll jeder einzelne Kardinal sprechen: Und ich, N. Kardinal N., verspreche es, verpflichte mich darauf und schwöre es. Während er die Hand auf das Evangelium legt, füge er hinzu: So wahr mir Gott helfe und die heiligen Evangelien, die ich mit meiner Hand berühre.


13 In einer der unmittelbar folgenden Kongregationen müssen die Kardinäle entsprechend einer vorher aufgestellten Tagesordnung die vordringlichsten Entscheidungen für den Beginn der Wahlhandlungen treffen, d. h.:

a) sie sollen den Tag, die Stunde und die Art und Weise bestimmen, wie der Leichnam des verstorbenen Papstes in die Vatikanische Basilika zu überführen ist, um dort zur Verehrung der Gläubigen aufgebahrt zu werden;

b) sie sollen alle Vorbereitungen treffen, die für die Trauerfeierlichkeiten des verstorbenen Papstes, die während neun aufeinanderfolgender Tage gehalten werden, notwendig sind, und sollen deren Beginn festlegen, so daß, wenn keine besonderen Gründe vorliegen, die Bestattung zwischen dem vierten und dem sechsten Tag nach dem Tode stattfindet;

c) sie sollen die Kommission, die aus dem Kardinal-Camerlengo und den Kardinälen zusammengesetzt ist, die die Ämter des Staatssekretärs und des Präsidenten der Päpstlichen Kommission für den Staat der Vatikanstadt innehatten, ersuchen, rechtzeitig sowohl die Räumlichkeiten des Domus Sanctae Marthae für die angemessene Unterbringung der wahlberechtigten Kardinäle als auch geeignete Unterkünfte für all diejenigen vorzubereiten, die in Nr. 46 dieser Konstitution vorgesehen sind. Gleichzeitig soll sie dafür sorgen, daß alles nötige zur Vorbereitung der Sixtinischen Kapelle zur Verfügung gestellt wird, damit die Wahlhandlungen mühelos, geordnet und mit einem Höchstmaß an Geheimhaltung gemäß den in dieser Konstitution vorgesehenen Bestimmungen ablaufen können;

d) sie sollen zwei in der Lehre, in der Weisheit und in moralischer Autorität beispielhaften Klerikern die Aufgabe anvertrauen, den Kardinälen selber zwei wohlüberlegte Betrachtungen über die Probleme der Kirche in jenem Augenblick und über die erleuchtete Wahl des neuen Papstes zu halten; gleichzeitig sollen sie, unter Beibehaltung der Anordnungen in Nr. 52 dieser Konstitution, den Tag und die Stunde festlegen, an dem ihnen die erste der zwei Betrachtungen gehalten werden soll;

e) sie sollen auf Vorschlag der Verwaltung des Apostolischen Stuhles oder, wegen der Zuständigkeit, des Governatorats des Staates der Vatikanstadt die benötigten Ausgaben für die Zeit zwischen dem Tod des Papstes und der Wahl des Nachfolgers genehmigen;

f) sie sollen die eventuell vorhandenen Dokumente, die der verstorbene Papst dem Kardinalskollegium hinterlassen hat, lesen;

g) sie sollen dafür sorgen, daß der Fischerring und das Bleisiegel, mit denen die Apostolischen Schreiben versehen werden, vernichtet werden;

h) sie sollen die Zuweisung der Zimmer an die wahlberechtigten Kardinäle durch Los anordnen;

i) sie sollen den Tag und die Stunde für den Beginn der Wahlhandlungen festlegen.

KAPITEL III


ÜBER EINIGE ÄMTER WÄHREND DER VAKANZ DES APOSTOLISCHEN STUHLES



14 Entsprechend Artikel 6 der Apostolischen Konstitution Pastor Bonus (13) treten mit dem Tod des Papstes alle Leiter der Dikasterien der Römischen Kurie von der Ausübung ihres Amtes zurück, seien es der Kardinalstaatssekretär, die Kardinalpräfekten oder die erzbischöflichen Präsidenten wie auch die Mitglieder derselben Dikasterien. Davon ausgenommen sind der Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche und der Großpönitentiar, die auch weiterhin die ordentlichen Angelegenheiten erledigen, hierbei aber dem Kardinalskollegium das unterbreiten, was dem Papst hätte vorgelegt werden müssen.

Ebenso bleibt gemäß der Apostolischen Konstitution Vicariae Potestatis (Nr. 2 § 1) (14) der Kardinalvikar der Diözese Rom während der Vakanz des Apostolischen Stuhles in seinem Amt und gleichfalls bleibt der Kardinalerzpriester der Vatikanischen Basilika und Generalvikar für die Vatikanstadt für seinen Jurisdiktionsbereich im Amt.

(13) Vgl. AAS 80 (1988), 860.
(14) Vgl. AAS 69 (1977), 9-10.
15 Wenn die Ämter des Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche oder des Großpönitentiars zur Zeit des Todes des Papstes oder vor der Wahl des Nachfolgers vakant sind, muß das Kardinalskollegium sobald wie möglich den Kardinal oder gegebenenfalls die Kardinäle wählen, die bis zur Wahl des neuen Papstes diese Ämter wahrnehmen. In den genannten einzelnen Fällen erfolgt die Wahl durch geheime Abstimmung aller anwesenden wahlberechtigten Kardinäle. Dies geschieht durch Zettel, die die Zeremoniäre verteilen, wieder einsammeln und sodann in Anwesenheit des Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche und der drei Kardinalassistenten öffnen, wenn der Großpönitentiar zu wählen ist; beziehungsweise in Anwesenheit der drei obengenannten Kardinäle und des Sekretärs des Kardinalskollegiums, wenn der Camerlengo zu wählen ist. Es gilt der als gewählt und ipso facto mit allen Vollmachten betraut, die seinem Amte zukommen, der die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen kann. Im Fall von Stimmengleichheit soll jener als beauftragt gelten, der der Rangordnung nach den Vortritt hat, und, falls sie der gleichen Rangordnung angehören, wer zuerst zum Kardinal kreiert worden ist. Bis zur Wahl des Camerlengo werden dessen Aufgaben vom Dekan des Kollegiums wahrgenommen oder, bei seiner Abwesenheit oder rechtmäßigen Verhinderung, vom Subdekan oder dem nach der allgemeinen Rangordnung gemäß Nr. 9 dieser Konstitution ältesten Kardinal, der unverzüglich jene Entscheidungen treffen kann, die die Umstände nahelegen.


16 Falls der Generalvikar der Diözese Rom während der Sedisvakanz sterben sollte, soll der im Amt befindliche stellvertretende Generalvikar auch das dem Kardinalvikar eigene Amt außer der ihm zustehenden ordentlichen Jurisdiktion des Stellvertreters (15) ausüben. Wenn auch der stellvertretende Generalvikar fehlen sollte, wird der dienstälteste Weihbischof dessen Ämter übernehmen.

(15) Vgl. Apost. Konst. Vicariae potestatis (6. Januar 1977), 2 § 4: AAS 69 (1977), 10.


17 Der Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche soll, sobald er die Nachricht vom Tode des Papstes erhalten hat, im Beisein des Päpstlichen Zeremonienmeisters, der Prälaten sowie des Sekretärs und Kanzlers der Apostolischen Kammer, der die amtliche Todesurkunde auszustellen hat, den Tod des Papstes offziell feststellen. Der Kardinal-Camerlengo soll außerdem das Arbeitszimmer und die Privatgemächer des verstorbenen Papstes versiegeln sowie verfügen, daß das Personal, das sich gewöhnlich in der Privatwohnung aufhält, bis nach der Bestattung des Papstes dort bleiben kann, wenn die gesamte Wohnung des Papstes versiegelt wird. Ferner soll er den Tod des Papstes dem Kardinalvikar von Rom mitteilen, der seinerseits die Bevölkerung von Rom durch einen eigenen Erlaß hiervon unterrichten wird. Desgleichen soll er den Kardinalerzpriester der Vatikanischen Basilika unterrichten. Auch soll er vom Apostolischen Palast im Vatikan und, sei es persönlich oder durch einen Delegaten, vom Lateranpalast und von jenem in Castelgandolfo Besitz ergreifen und für ihre Erhaltung und Leitung Sorge tragen. Er hat nach Anhörung der Kardinäle, die in den drei Rangordnungen den Vorsitz führen, alle Anordnungen hinsichtlich der Beisetzung des Papstes zu treffen, es sei denn, dieser hat zu Lebzeiten selbst diesbezüglich seinen Willen kundgetan. Im Namen und mit Zustimmung des Kardinalkollegiums soll er schließlich für alles Sorge tragen, was die Umstände zum Schutz der Rechte des Apostolischen Stuhles und zu seiner ordnungsgemäßen Verwaltung nahelegen. Es ist in der Tat Aufgabe des Camerlengo der Heiligen Römischen Kirche, während der Sedisvakanz sich mit Hilfe der drei Kardinalassistenten um die zeitlichen Güter und Rechte des Heiligen Stuhles zu kümmern und diese zu verwalten, unter der Voraussetzung der einmaligen Zustimmung des Kardinalskollegiums für die weniger wichtigen Fragen, und für die schwerwiegenderen Fragen der Zustimmung in jedem einzelnen Falle.


18 Der Kardinal-Großpönitentiar und seine Mitarbeiter können während der Sedisvakanz jene Angelegenheiten erledigen, die mein Vorgänger Pius XI. in der Apostolischen Konstitution Quae divinitus vom 25. März 1935 (16) und ich selber in der Apostolischen Konstitution Pastor Bonus(17) bestimmt haben.

(16) Vgl. Nr. 12: AAS 27 (1935), 112-113.
(17) Vgl. Art. 171: AAS 80 (1988), 905.
19 Die Aufgabe des Dekans des Kardinalskollegiums ist es, den Tod des Papstes, sobald er hiervon durch den Camerlengo oder den Präfekten des Päpstlichen Hauses unterrichtet worden ist, allen Kardinälen mitzuteilen sowie diese zu den Kongregationen des Kollegiums zusammenzurufen. Gleichzeitig teilt er den Tod des Papstes dem beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps und den Staatsoberhäuptern der betreffenden Nationen mit.


20 Während der Vakanz des Apostolischen Stuhles behalten der Substitut des Staatssekretariats wie auch der Sekretär für die Beziehungen zu den Staaten und die Sekretäre der Dikasterien der Römischen Kurie die Leitung ihrer Ämter bei und sind hierüber dem Kardinalskollegium verantwortlich.


21 Ebenso wenig erlöschen während der Sedisvakanz die Ämter und Vollmachten der Päpstlichen Vertreter.


22 Auch der Almosenier Seiner Heiligkeit setzt seine karitative Tätigkeit nach den zu Lebzeiten des Papstes gebräuchlichen Kriterien fort; er untersteht jedoch bis zur Wahl des neuen Papstes dem Kardinalskollegium.


23 Während der Sedisvakanz liegt die gesamte zivile Gewalt des Papstes bezüglich der Leitung der Vatikanstadt beim Kardinalskollegium, das jedoch nur in dringenden Fällen und für die Zeit der Sedisvakanz Dekrete erlassen kann, die nur dann für die Zukunft gültig bleiben, wenn sie vom neuen Papst bestätigt werden.


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