Reconciliatio et paenitentia DE 26

Die Katechese


26 Im weiten Bereich, in dem die Kirche mit dem Mittel des Dialoges ihre Sendung auszufüren sucht, wendet sich die Pastoral der Buße und der Versöhnung an die Glieder der kirchlichen Gemeinschaft vor allem mit einer entsprechenden Katechese über diese zwei verschiedenen und sich ergänzenden Wirklichkeiten, denen die Väter der Synode eine besondere Bedeutung beigemessen haben und die von ihnen in einigen Schlußvorlagen besonders herausgestellt worden sind: eben die Buße und die Versöhnung. Die Katechese ist also das erste Mittel, das eingesetzt werden muß.

An der Wurzel dieser sehr zeitgemäßen Empfehlung der Synode liegt eine grundlegende Voraussetzung: Was pastoral ist, steht nicht im Widerspruch zur Lehre, noch kann das pastorale Wirken vom Glaubensinhalt absehen, von dem es vielmehr seine Substanz und wirkliche Kraft erhält. Wenn die Kirche »Säule und Fundament der Wahrheit«(132) ist und als Mutter und Lehrmeisterin in die Welt gesandt ist, wie könnte sie dann die Aufgabe unterlassen, die Wahrheit zu lehren, die den Weg zum Leben darstellt?

Von den Hirten der Kirche erwartet man zuallererst eine Katechese über die Versöhnung. Diese muß sich unbedingt auf die Lehre der Bibel gründen, besonders auf jene des Neuen Testamentes über die Notwendigkeit, den Bund mit Gott in Christus, der erlöst und versöhnt, wiederherzustellen, und - im Licht und als Ausweitung dieser neuen Gemeinschaft und Freundschaft - über die Versöhnung mit dem Bruder, selbst wenn dafür die Darbringung des Opfers unterbrochen werden müßte.(133) Jesus betont nachdrücklich dieses Thema der brüderlichen Versöhnung: zum Beispiel wenn er einlädt, dem, der uns schlägt, auch die andere Wange hinzuhalten, und dem, der uns das Hemd raubt, auch den Mantel zu überlassen,(134) oder wenn er das Gesetz der Vergebung einschärft: eine Vergebung, die jeder in dem Maß empfängt, wie er selber vergibt,(135) eine Vergebung, die auch den Feinden anzubieten ist,(136) eine Vergebung, die man siebzigmal siebenmal gewähren muß,(137) das heißt praktisch ohne jede Einschränkung. Unter diesen Bedingungen, die nur in echt evangelischem Geist verwirklicht werden können, ist wahre Versöhnung unter den einzelnen, zwischen Familien, Gemeinschaften, Völkern und Nationen möglich. Von diesen biblischen Aussagen über die Versöhnung leitet sich natürlich eine theologisch bestimmte Katechese ab, die in ihre Synthese auch die Elemente der Psychologie, der Soziologie und der Humanwissenschaften einbeziehen wird, weil sie dazu dienen können, die Situationen zu klären, die Probleme richtig zu stellen, die Hörer oder die Leser zu überzeugen, konkrete Entscheidungen zu treffen.

Von den Hirten der Kirche erwartet man ferner eine Katechese über die Buße. Auch hierfür muß der Reichtum der biblischen Botschaft die Quelle sein. Diese Botschaft unterstreicht in der Buße vor allem deren Wert für die Bekehrung, ein Begriff, mit dem man das griechische Wort metánoiazu übersetzen sucht,(138) das wörtlich besagt, den Geist umzuwenden, um ihn auf Gotthinzuwenden.Dies sind übrigens auch die beiden Grundelemente, die im Gleichnis vom verlorenen und wiedergefundenen Sohn deutlich hervortreten: das »Insichgehen« (139) und die Entscheidung, zum Vater zurückzukehren. Es kann ohne diese ursprünglichen Verhaltensweisen der Bekehrung keine Versöhnung geben. Die Katechese muß sie mit Begriffen und Worten erklären, die den verschiedenen Altersstufen und den unterschiedlichen kulturellen, sittlichen und sozialen Verhältnissen angepaßt sind.

Dies ist ein erster Wert der Buße, der sich in einem zweiten fortsetzt: Buße bedeutet auch Reue.Diese beiden Bedeutungen von metánoia zeigen sich in der bezeichnenden Weisung, die Jesus gegeben hat: »Wenn dein Bruder... sich ändert (und zurückkehrt), vergib ihm. Und wenn er sich siebenmal am Tag gegen dich versündigt und siebenmal wieder zu dir kommt und sagt: Ich will mich ändern!, so sollst du ihm vergeben«.(140) Eine gute Katechese wird aufzeigen, wie die Reue ebenso wie die Bekehrung, weit davon entfernt, nur ein oberflächliches Gefühl zu sein, eine wirkliche Umwandlung der Seele darstellt.

Ein dritter Wert ist in der Buße enthalten. Es ist die Bewegung, durch die sich die vorhergehenden Haltungen der Bekehrung und Reue nach außen zeigen: das Bußetun.Diese Bedeutung ist im Begriff metánoia gut erkenntlich, wie er vom Vorläufer Jesu im Text der Synoptiker benutzt wird.(141) Bußetun will vor allem besagen, das Gleichgewicht und die Harmonie, die durch die Sünde zerstört worden sind, wiederherzustellen und auch um den Preis von Opfern die Richtung zu ändern.

Eine möglichst umfassende und angemessene Katechese über die Buße ist in einer Zeit wie der unsrigen unverzichtbar, in der die vorherrschenden Haltungen im gesellschaftlichen Denken und Verhalten in so offenem Gegensatz zu dem soeben erläuterten dreifachen Wert stehen: Dem heutigen Menschen scheint es schwerer zu fallen als je zuvor, seine eigenen Fehler zuzugeben und sich zu entscheiden, seine Schritte zu überprüfen, um den Weg nach erfolgter Änderung der Richtung wieder aufzunehmen. Es widerstrebt ihm sehr zu sagen »ich bereue« oder »es tut mir leid«; er scheint instinktiv und oft unwiderstehlich alles abzulehnen, was Buße im Sinn eines Opfers ist, das zur Korrektur der Sünde angenommen und getan wird. Hierzu möchte ich betonen, daß die Bußdisziplin der Kirche, auch wenn sie seit einiger Zeit erleichtert worden ist, nicht ohne großen Schaden für das innere Leben der Christen und der kirchlichen Gemeinschaft wie für ihre missionarische Ausstrahlungskraft aufgehoben werden könnte. Nicht selten sind Nichtchristen über das geringe Zeugnis an wahrer Buße von seiten der Jünger Christi überrascht. Selbstverständlich ist christliche Buße nur dann echt, wenn sie von der Liebe und nicht von bloßer Furcht eingegeben ist; wenn sie sich ernsthaft darum bemüht, den »alten Menschen« zu kreuzigen, damit durch das Wirken Christi der »neue« geboren werden kann; wenn sie als Vorbild Christus folgt, der, obwohl unschuldig, den Weg der Armut, der Geduld, der Entsagung und, so kann man sagen, der Buße gewählt hat.

Von den Hirten der Kirche erwartet man ferner - wie die Synode in Erinnerung gebracht hat - eineKatechese über das Gewissen und seine Formung. Auch das ist ein Thema von großer Aktualität, wenn man beachtet, wie dieses innere Heiligtum, das heißt die Ich-Mitte des Menschen, sein Gewissen, von den Stößen, denen die Kultur unserer Zeit ausgesetzt ist, allzu oft bedrängt, auf die Probe gestellt, verwirrt und verdunkelt wird. Für eine kluge Katechese über das Gewissen kann man wertvolle Hinweise bei den Kirchenvätern, in der Theologie des II. Vatikanischen Konzils, besonders in den zwei Dokumenten über die Kirche in der Welt von heute(142) und über die Religionsfreiheit(143) finden. Ebenso hat auch Papst Paul VI. oft dazu Stellung genommen, um an die Natur und die Rolle des Gewissens in unserem Leben zu erinnern.(144) Ich selber unterlasse, indem ich ihm darin folge, keine Gelegenheit, um diesen überaus wichtigen Teil der Größe und Würde des Menschen deutlich herauszustellen,(145) diese »Art von moralischem Sinn, der uns befähigt, zwischen gut und böse zu unterscheiden... wie ein inneres Auge, eine Sehkraft des Geistes, die unsere Schritte auf den Weg des Guten zu führen vermag«. Zugleich unterstreiche ich die Notwendigkeit, das eigene Gewissen christlich zu formen, damit es nicht zu »einer zerstörenden Macht des wahren Menschseins (der Person) werde, sondern vielmehr zum heiligen Ort, wo Gott dieser ihr wahres Gut offenbart«.(146)

Auch über andere für die Versöhnung nicht weniger wichtige Punkte erwarten die Menschen die Katechese der Hirten der Kirche:

3. Über das Sündenbewußtsein, das - wie ich schon gesagt habe - in unserer Welt nicht wenig verkümmert ist.
4. Über die Versuchung und die Versuchungen: Jesus Christus selber, der Sohn Gottes, »der wie wir in allem versucht worden ist, aber nicht gesündigt hat«,(147) wollte vom Bösen versucht werden,(148) um zu zeigen, daß, wie er, auch seine Jünger der Versuchung ausgesetzt sind und wie sie sich in der Versuchung zu verhalten haben. Für den, der den Vater bittet, nicht über seine Kräfte versucht zu werden(149) und der Versuchung nicht zu unterliegen,(150) für den, der sich nicht den Gelegenheiten zur Sünde aussetzt, bedeutet die Tatsache der Versuchung nicht, schon gesündigt zu haben, sondern wird für ihn vielmehr zum Anlaß, in Treue und konsequenter Lebensführung durch Demut und Wachsamkeit zu wachsen.
5. Über das Fasten, das in alten und neuen Formen als Zeichen der Bekehrung und Reue, der persönlichen Abtötung und zugleich der Einheit mit Christus, dem Gekreuzigten, und der Solidarität mit den Hungernden und Leidenden geübt werden kann.
6. Über das Almosen, das ein Mittel ist, die Liebe konkret zu leben, indem man das, was man besitzt, mit dem teilt, der unter den Folgen von Armut leidet.
7. Über den inneren Zusammenhang, der die Überwindung aller Spaltungen in der Welt an die volle Gemeinschaft mit Gott und unter den Menschen bindet, was das eschatologische Ziel der Kirche darstellt.
8. Über die konkreten Umstände, in denen man die Versöhnung verwirklichen soll (in der Familie, in der bürgerlichen Gesellschaft, in den sozialen Strukturen) und besonders über die vier Versöhnungen, die die vier grundlegenden Brüche heilen: Versöhnung des Menschen mit Gott, mit sich selber, mit den Brüdern, mit der ganzen Schöpfung.
Auch kann die Kirche nicht ohne schwerwiegende Verstümmelung ihrer wesentlichen Botschaft auf eine beständige Katechese darüber verzichten, was der traditionelle christliche Sprachgebrauch als die vier Letzten Dinge des Menschen bezeichnet: Tod, Gericht, Hölle und Paradies. In einer Kultur, die den Menschen in sein mehr oder weniger gelungenes irdisches Leben einzuschließen sucht, verlangt man von den Hirten der Kirche eine Katechese, die mit der Gewißheit des Glaubens das Jenseits erschließt und erhellt: Jenseits der geheimnisvollen Pforten des Todes zeichnet sich eine Ewigkeit der Freude in der Gemeinschaft mit Gott oder der Strafe in der Ferne von ihm ab. Nur in dieser eschatologischen Sicht kann man das richtige Maß für die Sünde erhalten und sich entschieden zu Buße und Versöhnung angetrieben fühlen.

Eifrigen und fähigen Hirten fehlen niemals die Gelegenheiten, um diese umfassende und vielfältige Katechese zu erteilen, wobei sie der Verschiedenheit der Kultur und der religiösen Bildung derer Rechnung tragen, an die sie sich richten. Solche Gelegenheiten bieten oft die biblischen Lesungen und die Riten der hl. Messe und der anderen Sakramente wie auch die Anlässe selbst, zu denen diese gefeiert werden. Zum selben Zweck können auch viele andere Anlässe benutzt werden wie: Predigten, Lesungen, Diskussionen, Begegnungen, religiöse Fortbildungskurse usw., wie es an vielen Orten geschieht. Ich möchte hier besonders die Bedeutung und Wirksamkeit unterstreichen, die für die Katechese die alten Volksmissionen haben. Wenn sie an die besonderen Erfordernisse unserer Zeit angepaßt werden, können sie heute wie gestern ein geeignetes Mittel für die Glaubenserziehung sein, auch was den Bereich der Buße und Versöhnung betrifft.

Wegen der großen Bedeutung, die der Versöhnung, die auf der Bekehrung gründet, im vielschichtigen Bereich der menschlichen Beziehungen und des gesellschaftlichen Zusammenlebens auf allen Ebenen, einschließlich der internationalen, zukommt, muß sich die Katechese auch des wertvollen Beitrages der Soziallehre der Kirche bedienen. Die zeitgemäße und klare Lehre meiner Vorgänger, angefangen von Papst Leo XIII., an die sich die wichtigen Aussagen der Pastoralkonstitution Gaudium et spes des II. Vatikanischen Konzils und jene der verschiedenen Episkopate anschließen, mit denen diese auf die verschiedenen Verhältnisse in den jeweiligen Ländern geantwortet haben, bildet ein umfangreiches und solides Lehrgefüge für die vielfältigen Erfordernisse im Leben der menschlichen Gemeinschaft, in den Beziehungen der einzelnen, der Familien und Gruppen in ihren verschiedenen Bereichen und beim Aufbau einer Gesellschaft, die dem Sittengesetz, der Grundlage der Zivilisation, entsprechen will.

Dieser sozialen Unterweisung der Kirche liegt natürlich jene Sicht zugrunde, die sich aus dem Wort Gottes über die Rechte und Pflichten der einzelnen, der Familien und der Gemeinschaft herleitet; ferner über den Wert der Freiheit und die Dimensionen der Gerechtigkeit; über den Primat der Liebe; über die Würde der menschlichen Person und die Erfordernisse des Gemeinwohls, auf das Politik und Wirtschaft hingeordnet sein müssen. Auf diesen Grundprinzipien der katholischen Soziallehre, die die universalen Gebote der Vernunft und des Gewissens der Völker bekräftigen und vorlegen, gründet in hohem Maße die Hoffnung auf eine friedliche Lösung der vielen sozialen Konflikte und schließlich auf eine weltweite Aussöhnung.

Die Sakramente


27 Das zweite Mittel, das von Gott gestiftet und von der Kirche der Pastoral der Buße und Versöhnung angeboten wird, sind die Sakramente.

In der geheimnisvollen Dynamik der Sakramente, die so reich an Symbolen und Inhalten ist, kann man einen Aspekt erkennen, der nicht immer deutlich hervorgehoben wird: Jedes von ihnen ist über die ihm eigene Gnade hinaus auch Zeichen der Buße und Versöhnung. Deshalb ist es möglich, in jedem von ihnen auch diese Dimensionen des Geistes zu leben.

Die Taufe ist gewiß ein heiligendes Bad, das, wie der hl. Petrus sagt, »nicht dazu dient, den Körper von Schmutz zu reinigen, sondern eine Bitte an Gott um ein gutes Gewissen ist«.(151) Sie ist Tod, Bestattung und Auferstehung mit Christus, der gestorben, begraben worden und auferstanden ist.(152) Es ist Geschenk des Heiligen Geistes durch Christus.(153) Diese wesentliche und grundlegende Eigenschaft der christlichen Taufe hebt aber das in ihr schon vorhandene Bußelement keineswegs auf, sondern bereichert es. Jesus selbst hat von Johannes die Taufe empfangen, um »die Gerechtigkeit ganz zu erfüllen«.(154) Sie ist nämlich ein Akt der Bekehrung und der Eingliederung in die rechte Ordnung der Beziehungen zu Gott, der Versöhnung mit Gott, wobei die Erbsünde getilgt und der Mensch in die große Familie der Versöhnten aufgenommen wird.

Gleichermaßen bedeutet und verwirklicht die Firmung, auch als Bekräftigung der Taufe und zusammen mit ihr als Initiationssakrament, indem sie die Fülle des Heiligen Geistes mitteilt und das christliche Leben zum Vollalter führt, eine tiefere Bekehrung des Herzens und eine innigere und wirksamere Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Versöhnten, welche die Kirche Christi ist.

Die Definition, die der hl. Augustinus von der Eucharistie als Sakrament des Glaubens, Zeichen der Einheit und Band der Liebe(155) gibt, stellt deutlich die Wirkungen der persönlichen Heiligung (pietas) und der gemeinschaftlichen Versöhnung (unitas und caritas)heraus, die sich aus dem Wesen des eucharistischen Geheimnisses selbst als unblutige Erneuerung des Kreuzesopfers und Quelle des Heiles und der Versöhnung für alle herleiten. Es ist jedoch notwendig, daran zu erinnern, daß die Kirche, geleitet vom Glauben an dieses erhabene Sakrament, lehrt, daß kein Christ, der sich einer schweren Sünde bewußt ist, die Eucharistie empfangen darf, bevor er von Gott Vergebung erlangt hat. So lesen wir in der Instruktion Eucharisticum mysterium, die, von Papst Paul VI. ordnungsgemäß approbiert, die Lehre des Tridentinischen Konzils voll bestätigt: »Die Eucharistie soll den Gläubigen auch vorgestellt werden 'als Gegengift, durch das wir von den täglichen Vergehen befreit und vor den schweren Sünden bewahrt' werden; auch werde ihnen gezeigt, wie sie in angemessener Weise vom Bußritus der Meßliturgie Gebrauch machen können. Wer kommunizieren will, soll an das Gebot erinnert werden: Jeder soll sich selbst prüfen (
1Co 11,28). Die Praxis der Kirche zeigt, daß eine solche Prüfung notwendig ist, damit niemand, der sich einer schweren Sünde bewußt ist, zur Heiligen Kommunion hinzutrete, ohne daß er vorher das Bußsakrament empfangen hat, selbst wenn er bereits die vollkommene Reue erweckt hätte. Wenn jemand sich in einer Notlage befindet und keinen Beichtvater erreichen kann, so muß er zuvor 'einen Akt vollkommener Reue erwecken'«.(156)

Das Weihesakrament ist dazu bestimmt, der Kirche die Hirten zu geben, die als Lehrer und Vorsteher auch dazu berufen sind, Zeugen und Vermittler der Einheit, Erbauer der Familie Gottes, Verteidiger und Beschützer der Gemeinschaft dieser Familie gegen die Einwirkungen von Spaltung und Zersplitterung zu sein.

Das Ehesakrament, Erhöhung der menschlichen Liebe unter dem Wirken der Gnade, ist gewiß Zeichen der Liebe Christi zur Kirche, aber auch des Sieges, den er den Eheleuten über jene Kräfte gewährt, die die Liebe entstellen und zerstören, so daß die Familie, die aus diesem Sakrament entsteht, auch zum Zeichen der versöhnten und versöhnenden Kirche wird für eine in allen ihren Strukturen und Institutionen versöhnte Welt.

Die Krankensalbung schließlich ist in der Prüfung durch Krankheit und Alter, besonders in der letzten Stunde des Christen, ein Zeichen der endgültigen Bekehrung zum Herrn sowie der vollen Annahme von Leid und Tod als Buße für die Sünden. Und darin vollzieht sich die tiefste Versöhnung mit dem Vater.

Doch gibt es unter den Sakramenten eines, das, wenn auch oft wegen des darin erfolgenden Sündenbekenntnisses Beichte genannt, im eigentlichen Sinn als das Sakrament der Bußeangesehen werden kann, wie es denn auch tatsächlich heißt. Es ist das Sakrament der Bekehrung und der Versöhnung.Wegen seiner Bedeutung für die Versöhnung hat sich die letzte Versammlung der Synode mit diesem Sakrament besonders befaßt.

ZWEITES KAPITEL


DAS SAKRAMENT DER BUSSE UND DER VERSÖHNUNG



28 Die Synode hat während ihres ganzen Verlaufs und auf allen ihren Ebenen mit größter Aufmerksamkeit jenes sakramentale Zeichen betrachtet, welches auf Buße und Versöhnung hinweist und sie zugleich verwirklicht. Gewiß schöpft dieses Sakrament für sich allein nicht aus, was mit Bekehrung und Versöhnung gemeint ist. In der Tat kennt und schätzt die Kirche von ihren ersten Anfängen her zahlreiche und vielfältige Formen der Buße: einige von liturgischer oder paraliturgischer Art, vom Bußakt der hl. Messe bis zu Sühneandachten und Pilgerfahrten, andere von aszetischer Art wie das Fasten. Doch ist unter all diesen Akten keiner bedeutsamer, von Gott her wirksamer, erhabener und in seiner Vollzugsform so leicht zugänglich wie das Bußsakrament.

Schon von ihrer Vorbereitung her, dann in zahlreichen Wortmeldungen während ihres Verlaufs, bei den Arbeiten der Sprachgruppen und in den abschließenden Schlußvorlagen wurde die Synode mit der oft wiederholten und mit verschiedenem Ton und Inhalt vorgebrachten Feststellung konfrontiert: Das Bußsakrament befindet sich in einer Krise. Dieser Tatsache hat sich die Synode gestellt. Sie empfahl eine Vertiefung der Katechese, aber auch eine ebenso eingehende Untersuchung theologischer, geschichtlicher, psychologischer, soziologischer und rechtlicher Art über die Buße im allgemeinen und das Bußsakrament im besonderen. Dadurch beabsichtigte sie, die Gründe der Krise zu klären und zum Wohl der Menschheit Wege zu einer positiven Lösung aufzuzeigen. Zugleich aber hat die Kirche von der Synode eine klare Bestätigung ihres Glaubens hinsichtlich dieses Sakramentes erhalten, durch das jedem Christen und der ganzen Gemeinschaft der Gläubigen die Gewißheit der Vergebung kraft des erlösenden Blutes Christi zuteil wird.

Es ist angebracht, diesen Glauben zu erneuern und zu bekräftigen in einem Augenblick, da er unter den bedrohlichen negativen Einwirkungen der erwähnten Krise schwächer werden, etwas von seiner Vollständigkeit verlieren oder in ein schattenhaftes und stummes Dasein abgleiten könnte. In der Tat, das Bußsakrament ist gefährdet: auf der einen Seite durch eine Verdunkelung des sittlich-religiösen Gewissens, durch eine Schwächung des Sündenbewußtseins, durch eine falsche Vorstellung von Reue, durch mangelndes Streben nach echt christlicher Lebensführung; auf der anderen Seite durch die mitunter verbreitete Meinung, man könne die Vergebung gewöhnlich auch unmittelbar von Gott erlangen, ohne das Sakrament der Versöhnung zu empfangen, und durch dieRoutine einer sakramentalen Praxis, der es, vielleicht wegen einer irrigen oder abwegigen Auffassung von den Wirkungen des Sakramentes, zuweilen an echter geistlicher Tiefe und Spontaneität mangelt.

Darum ist es angebracht, sich die wichtigsten Dimensionen dieses großen Sakramentes ins Gedächtnis zu rufen.


»Welchen ihr die Sünden nachlaßt«


29 Die erste grundlegende Wirklichkeit erkennen wir aus den heiligen Büchern des Alten und Neuen Testamentes: die Barmherzigkeit Gottes und seine Vergebung. In den Psalmen und in der Verkündigung der Propheten wird Gott wohl am häufigsten als der Barmherzige bezeichnet, ganz im Gegensatz zu dem hartnäckigen Vorurteil, nach welchem der Gott des Alten Testamentes vor allem streng und strafend erscheint. So ruft uns unter den Psalmen ein langes Weisheitslied, das aus der Tradition des Exodus schöpft, das gnädige Handeln Gottes inmitten seines Volkes in Erinnerung. Selbst in seiner menschlichen Darstellungsweise ist dieses Handeln Gottes wohl eine der ausdrucksstärksten alttestamentlichen Aussagen über die göttliche Barmherzigkeit. Es mag hier genügen, die folgenden Verse zu zitieren: « Er aber vergab ihnen voll Erbarmen die Schuld und tilgte sein Volk nicht aus. Oftmals ließ er ab von seinem Zorn und unterdrückte seinen Groll. Denn er dachte daran, daß sie nichts sind als Fleisch, nur ein Hauch, der vergeht und nicht wiederkehrt ».(157)

Als dann in der Fülle der Zeiten der Sohn Gottes kommt als das Lamm, das die Sünde der Welthinwegnimmt und selber trägt,(158) erscheint er als derjenige, der Vollmacht hat, zu richten(159) und Sünden zu verzeihen,(160) als einer, der kommt, nicht um zu verurteilen, sondern um zu verzeihen und zu heilen.(161)

Diese Vollmacht, von den Sünden zu lösen, verleiht Christus durch Vermittlung des Heiligen Geistes auch an einfache Menschen, die selbst den Nachstellungen der Sünde ausgesetzt sind, an seine Apostel: »Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert«.(162) Das ist eine der erstaunlichsten Neuheiten des Evangeliums! Er teilt diese Vollmacht den Aposteln zugleich mit - wie es die Kirche von ihren frühesten Anfängen her verstanden hat - als übertragbar an ihre Nachfolger, denen von den Aposteln selbst die Sendung und Verantwortung anvertraut wurde, die Verkündigung des Evangeliums und den Dienst am Erlösungswerk Christi fortzusetzen.

Hier zeigt sich in ihrer ganzen Größe die Gestalt dessen, der das Bußsakrament verwaltet und nach ältestem Brauch oft Beichtvater genannt wird.

Wie bei der Feier der Eucharistie am Altar und bei jedem anderen Sakrament handelt der Priester auch als Verwalter des Bußsakramentes »in der Person Christi«. Christus, der durch den Priester gegenwärtig gesetzt wird und durch ihn das Geheimnis der Sündenvergebung wirkt, erscheint als der Bruder des Menschen,(163) als barmherziger, treuer und mitfühlender Hoherpriester,(164) als Hirt, der entschlossen ist, das verlorene Schaf zu suchen,(165) als Arzt, der heilt und stärkt,(166) als einziger Meister, der die Wahrheit lehrt und die Wege Gottes aufzeigt,(167) als Richter der Lebenden und der Toten,(168) der nach der Wahrheit und nicht nach dem Augenschein richtet.(169)

Ohne Zweifel ist dieser Dienst des Priesters der schwierigste und delikateste, der am meisten ermüdet und die höchsten Anforderungen stellt; zugleich aber ist er auch eine seiner schönsten und trostreichsten Aufgaben. Eben darum und auch wegen des nachdrücklichen Aufrufs der Synode werde ich nicht müde, meine Brüder, Bischöfe und Priester, zu einer treuen und sorgfältigen Erfüllung dieses Dienstes zu ermahnen.(170) Gegenüber dem Gläubigen, der ihm sein Gewissen in einer Mischung von Angst und Vertrauen eröffnet, ist der Beichtvater zu der hohen Aufgabe berufen, diesen zu Buße und menschlicher Versöhnung zu führen. Er muß die Schwächen und das Versagen des Gläubigen erkennen, sein Verlangen nach Besserung und sein Bemühen darum richtig bewerten, das Wirken des heiligmachenden Geistes im Herzen des Beichtenden aufspüren und ihm eine Vergebung zusprechen, die nur Gott zu gewähren vermag; er muß seine Wiederversöhnung mit Gott, dem Vater, »feiern«, wie sie im Gleichnis vom verlorenen Sohn versinnbildet ist, den von seiner Schuld befreiten Sünder wieder in die kirchliche Gemeinschaft der Brüder und Schwestern aufnehmen und ihn väterlich und bestimmt, ermutigend und freundschaftlich ermahnen: »Sündige von jetzt an nicht mehr«.(171)

Zur wirksamen Erfüllung eines solchen Dienstes muß der Beichtvater unbedingt mit besonderenmenschlichen Qualitäten ausgestattet sein: Klugheit, Diskretion, Unterscheidungsgabe, sanfte Festigkeit und Güte. Darüber hinaus bedarf er einer seriösen und gründlichen, nicht nur bruchstückhaften, sondern vollständigen und harmonischen Vorbereitung in den verschiedenen Bereichen der Theologie, in der Pädagogik und der Psychologie, in den Methoden der Gesprächsführung und vor allem in der lebendigen und mitteilungsfähigen Kenntnis des Wortes Gottes. Aber noch dringlicher ist, daß er ein tiefes und echtes geistliches Leben führt. Um andere auf den Weg der christlichen Vollkommenheit zu bringen, muß der Verwalter des Bußsakramentes selbst zuerst diesen Weg gehen und mehr durch Taten als mit wortreichen Reden unter Beweis stellen, daß er wirklich erfahren ist im gelebten Gebet, in der Übung der theologischen und sittlichen Tugenden des Evangeliums, im treuen Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes, in der Liebe zur Kirche und in der Befolgung ihres Lehramtes.

Diese Ausstattung mit menschlichen Gaben, christlichen Tugenden und pastoralen Fähigkeiten kann man nicht aus dem Stegreif besitzen oder ohne Anstrengung erwerben. Für den Dienst des Bußsakramentes muß jeder Priester schon vom Seminar an vorbereitet werden durch das Studium der Dogmatik, der Moraltheologie, der Spiritualität und der Pastoraltheologie (Fächer, die stets nur eine Theologie bilden), dazu die Humanwissenschaften, die Methoden der Gesprächsführung, vor allem des pastoralen Gesprächs. Ferner muß er in seine ersten Erfahrungen als Beichtvater eingeführt und darin begleitet werden. Durch ständiges Studium soll er sich um seine eigene Vervollkommnung und eine zeitgemäße Weiterbildung bemühen. Welch großen Schatz an Gnade, echtem Leben und geistlicher Ausstrahlungskraft würde die Kirche gewinnen, wenn jeder Priester dafür Sorge trüge, niemals, weder aus Nachlässigkeit noch aus sonstigen Vorwänden, die Begegnung mit den Gläubigen im Beichtstuhl zu versäumen und vor allem niemals unvorbereitet oder ohne die notwendige menschliche Eignung und die geistigen und pastoralen Voraussetzungen in den Beichtstuhl zu gehen!

Hier kann ich es nicht unterlassen, in ehrfürchtiger Bewunderung an die außergewöhnlichen Apostel des Beichtstuhls zu erinnern: an den hl. Johannes Nepomuk, den hl. Johannes Maria Vianney, den hl. Josef Cafasso und den hl. Leopold von Castelnuovo, um nur die bekanntesten zu nennen, die die Kirche in das Verzeichnis ihrer Heiligen aufgenommen hat. Ich möchte aber auch jene unzählbare Schar heiliger und fast stets unbekannter Beichtväter ehrend erwähnen, denen so viele Seelen ihr Heil verdanken. Sie haben diesen beigestanden bei ihrer Bekehrung, in ihrem Kampf gegen Sünde und Versuchung, in ihrem geistlichen Fortschritt und in ihrer gesamten Heiligung. Ich zögere nicht zu sagen, daß auch die großen Heiligen allgemein aus jenen Beichtstühlen hervorgegangen sind; und mit den Heiligen auch das geistige Erbe der Kirche und die Blüte einer Kultur, die von christlichem Geist durchdrungen ist! Ehre gebührt also dieser stillen Schar unserer Mitbrüder, die Tag für Tag durch den Dienst der sakramentalen Buße für die Sache der Versöhnung gewirkt haben und weiterhin wirken!


Das Sakrament der Vergebung


30 Aus der Offenbarung der großen Bedeutung dieses Dienstes und der Vollmacht, Sünden zu vergeben, die von Christus den Aposteln und deren Nachfolgern übertragen worden ist, entwickelte sich in der Kirche das Bewußtsein vom Zeichen der Vergebung, die im Bußsakrament vermittelt wird; das Bewußtsein davon, daß Jesus, der Herr, selber - als Geschenk seiner Güte und »Menschenliebe«(172) für alle - ein eigenes Sakrament für die Vergebung der Sünden, die nach der Taufe begangen wurden, der Kirche anvertraut hat.

Die konkrete Feier und Form dieses Sakramentes haben sich langsam entwickelt. Das bezeugen die ältesten Sakramentare, die Akten von Konzilien und Bischofssynoden, die patristische Verkündigung und die Unterweisung der Kirchenlehrer. Was jedoch das Wesen des Sakramentesbetrifft, so war sich die Kirche stets und ohne Schwanken dessen sicher bewußt, daß die Vergebung nach dem Willen Christi jedem einzelnen in der sakramentalen Lossprechung durch den Spender des Bußsakramentes zuteil wird. Diese Gewißheit wurde nachdrücklich bekräftigt durch das Konzil von Trient(173) und das II. Vatikanische Konzil: »Die zum Sakrament der Buße hinzutreten, erhalten für ihre Gott zugefügten Beleidigungen von seiner Barmherzigkeit Verzeihung und werden zugleich mit der Kirche versöhnt, die sie durch die Sünde verwundet haben und die zu ihrer Bekehrung durch Liebe, Beispiel und Gebet mitwirkt«(174). Als wesentliches Element des Glaubens über den Wert und Sinn der Buße muß erneut festgestellt werden, daß unser Heiland Jesus Christus in seiner Kirche das Bußsakrament gestiftet hat, damit die Gläubigen, die nach der Taufe in Sünde gefallen sind, die Gnade wiedererlangen und sich mit Gott versöhnen.(175)

Der Glaube der Kirche an dieses Sakrament schließt einige andere grundlegende Wahrheiten ein, die unverzichtbar sind. Der sakramentale Bußritus hat diese Wahrheiten während seiner geschichtlichen Entfaltung und in seinen verschiedenen konkreten Ausdrucksformen stets bewahrt und deutlich herausgestellt. Als das II. Vatikanische Konzil eine Reform dieses Ritus anordnete, war es von der Absicht geleitet, diese Wahrheiten noch klarer zum Ausdruck zu bringen.(176) Das geschah in der neuen Bußordnung,(177) in welche die wesentlichen Lehraussagen der Tradition unverkürzt aufgenommen worden sind, die das Konzil von Trient zusammengestellt hatte, allerdings so, daß diese Aussagen aus ihrem besonderen geschichtlichen Zusammenhang (dem ausdrücklichen Bemühen um Klarstellung der Lehre gegenüber den schwerwiegenden Abweichungen von der wahren Glaubensunterweisung der Kirche) herausgelöst und inhaltsgetreu in eine Sprache übersetzt wurden, die unserer Zeit besser entspricht.


Einige grundlegende Glaubensüberzeugungen


31 Die erwähnten Wahrheiten, die von der Synode nachdrücklich und deutlich bekräftigt wurden und in den Schlußvorlagen enthalten sind, können in den folgenden Glaubensüberzeugungen zusammengefaßt werden, um die sich alle anderen katholischen Lehraussagen über das Bußsakrament gruppieren lassen.

I. Die erste Überzeugung besteht darin, daß für den Christen das Bußsakrament der ordentliche Weg ist, um Vergebung und Nachlaß seiner schweren Sünden zu erlangen, die nach der Taufe begangen worden sind. Gewiß sind der Erlöser und sein Heilswirken nicht in der Weise an ein sakramentales Zeichen gebunden, daß sie nicht jederzeit und überall in der Heilsgeschichte auch außerhalb der Sakramente und über sie hinaus wirksam werden können. Aber wir wissen aus der Schule des Glaubens, daß derselbe Erlöser es so gewollt und verfügt hat, daß die schlichten und kostbaren Sakramente des Glaubens für gewöhnlich die wirksamen Mittel sind, durch die seine erlösende Kraft vermittelt und wirksam wird. Es wäre deshalb unvernünftig, ja vermessen, willkürlich von den Gnaden- und Heilsmitteln abzusehen, die der Herr bestimmt hat; das heißt in unserem Zusammenhang, Verzeihung erlangen zu wollen ohne das Sakrament, das Christus gerade für die Sündenvergebung eingesetzt hat. Die nach dem Konzil vorgenommene Erneuerung der Liturgie berechtigt zu keinerlei Illusion und Änderung in dieser Richtung. Vielmehr sollte und soll diese nach der Absicht der Kirche jedem einzelnen von uns helfen, einen neuen Anlauf zu nehmen zu einer Erneuerung unserer inneren Haltung: hin zu einem tieferen Verständnis der Natur des Bußsakramentes; zu einer Annahme dieses Sakramentes, die mehr vom Glauben, nicht von Angst, sondern von Vertrauen geprägt ist; zu einem häufigeren Empfang dieses Sakramentes, das wir von der barmherzigen Liebe des Herrn ganz umfangen wissen.

II. Die zweite Überzeugung betrifft die Bedeutung des Bußsakramentes für den, der es empfängt. Nach ältester Überlieferung ist es eine Art von Gerichtsverfahren.Aber dieses Verfahren vollzieht sich vor einem Gericht, das mehr von Erbarmen als von strenger Gerechtigkeit bestimmt wird, so daß es mit menschlichen Gerichten nur in analoger Weise vergleichbar ist.(178) Der Sünder bekennt nämlich hier seine Sünden und sich selbst als ein der Sünde unterworfenes Geschöpf; er verpflichtet sich, der Sünde zu entsagen und sie zu bekämpfen, nimmt die Strafe an (sakramentale Buße), welche der Beichtvater ihm auferlegt, und empfängt die Lossprechung.

Beim tieferen Nachdenken über die Bedeutung dieses Sakramentes erblickt das Bewußtsein der Kirche in ihm außer dem gerade beschriebenen Gerichtscharakter auch eine heilende Funktion. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, daß Christus im Evangelium häufig gleichsam als Arzt erscheint(179) und sein erlösendes Wirken von den frühesten christlichen Anfängen an oft als »heilende Medizin« bezeichnet wird. »Heilen will ich, nicht anklagen«, sagte der hl. Augustinus gerade mit Bezug auf die Bußpastoral; (180) und es geschieht dank der Medizin der Beichte, daß die Erfahrung der Sünde nicht zur Verzweiflung führt.(181) Der Bußritus deutet auf diesen heilenden Charakter des Sakramentes hin,(182) für den der heutige Mensch vielleicht besonders empfänglich ist; sieht er doch in der Sünde nicht nur eine Verirrung, sondern mehr noch menschliche Schwäche und Anfälligkeit.

Mag man dieses Sakrament als Gericht der Barmherzigkeit oder als Ort geistlicher Heilung betrachten, beides erfordert eine Kenntnis der inneren Verfassung des Sünders, um ihn beurteilen und lossprechen, ihn betreuen und heilen zu können. Gerade deshalb ist vom Beichtenden das aufrichtige und vollständige Bekenntnis seiner Sünden erforderlich. Dieses geschieht also nicht nur aus aszetischen Motiven (als Übung von Demut und Selbstverleugnung), sondern gründet im Wesen des Sakramentes selbst.

III. Die dritte Überzeugung, auf die ich hinweisen möchte, betrifft jene Wirklichkeiten oderTeilakte, die das sakramentale Zeichen der Sündenvergebung und der Versöhnung ausmachen. Einige davon sind dem Tun des Beichtenden zugeordnet. Sie sind zwar von unterschiedlicher Bedeutung, doch im einzelnen unerläßlich zur Gültigkeit, Vollständigkeit oder Fruchtbarkeit des Zeichens.

Eine unerläßliche Voraussetzung ist vor allem, daß das Gewissen des Beichtenden richtig gebildet und klar ist. Niemand gelangt zu wahrer und echter Buße, wenn er nicht einsieht, daß die Sünde der sittlichen Norm widerspricht, die seinem innersten Wesen eingestiftet ist;(183) wenn er nicht erkennt, daß er die persönlich zu verantwortende Erfahrung eines solchen Widerspruchs gemacht hat; wenn er nicht nur sagt, »es gibt die Sünde«, sondern »ich habe gesündigt«, und wenn er nicht zugibt, daß die Sünde in seinem Bewußtsein einen Riß bewirkt hat, der sein ganzes Sein durchzieht und ihn von Gott und den Brüdern trennt. Das sakramentale Zeichen, das zu einer solchen Klarheit des Gewissens führt, wird traditionsgemäß Gewissenserforschung genannt. Diese sollte keineswegs eine ängstliche psychologische Selbstbeobachtung sein, sondern eine aufrichtige und ruhige Konfrontation mit dem inneren sittlichen Gesetz, mit den Normen des Evangeliums, wie sie von der Kirche vorgelegt werden, ja mit Jesus Christus selbst, der für uns Meister und Vorbild des Lebens ist, und mit dem himmlischen Vater, der uns zum Heil und zur Vollkommenheit beruft.(184)

Der für den Beichtenden wesentliche Bußakt aber ist die Reue, die klare und entschiedene Verwerfung der begangenen Sünde zusammen mit dem Vorsatz, sie nicht mehr zu begehen(185) aufgrund der Liebe zu Gott, die mit der Reue wiedererwacht. Die so verstandene Reue ist also Anfang und Mitte der Bekehrung, jener Metánoia des Evangeliums, die den Menschen zu Gott zurückführt wie den verlorenen Sohn zu seinem Vater und die im Bußsakrament ihr sichtbares Zeichen hat, welches das einfache Bedauern zu seiner Vollendung führt. »Von dieser inneren Reue hängt die Echtheit der Buße ab«.(186)

Während ich auf all das verweise, was die Kirche, vom Wort Gottes geleitet, über die Reue lehrt, drängt es mich, hier wenigstens einen Gesichtspunkt dieser Lehre hervorzuheben, damit er besser erkannt und berücksichtigt werde. Nicht selten betrachtet man die Bekehrung und Reue nur im Hinblick auf die Anforderungen, die sie zweifellos stellen, und auf die Selbstverleugnung, die sie für eine grundlegende Änderung des Lebens auferlegen. Es ist aber gut, daran zu erinnern und hervorzuheben, daß Reue und Bekehrung mehr noch eine Annäherung an die Heiligkeit Gottes sind, eine Rückgewinnung der eigenen inneren Wahrheit, die durch die Sünde entstellt wurde, eine im tiefsten sich vollziehende Befreiung von sich selbst und darum eine Rückgewinnung verlorener Freude, der Freude darüber, erlöst zu sein,(187) welche die meisten Menschen von heute nicht mehr recht zu verkosten vermögen.

So wird verständlich, daß die Kirche seit den ersten christlichen Zeiten, die mit den Aposteln und mit Christus selbst noch in unmittelbarer Verbindung standen, das Bekenntnis der Sünden in das sakramentale Zeichen der Buße einbezogen hat. Dieses erscheint als so wichtig, daß das Bußsakrament seit Jahrhunderten und bis heute gewöhnlich als Beichte bezeichnet wird. Das Bekenntnis der eigenen Sünden ist vor allem deshalb erforderlich, weil der Spender des Sakramentes, insofern er Richter ist, den Sünder kennen sowie die Schwere der Sünden und die Ernsthaftigkeit der Reue beurteilen muß, so wie er in seiner Funktion als Arzt den Zustand des Kranken kennen muß, um ihn behandeln und heilen zu können. Doch hat das persönliche Bekenntnis auch den Sinn eines Zeichens: Es ist Zeichen der Begegnung des Sünders mit der vermittelnden Kirche in der Person des Beichtvaters, Zeichen seiner Selbsterkenntnis als Sünder im Angesicht Gottes und der Kirche sowie Zeichen dafür, daß er vor Gott mit sich selbst ins klare kommt. Das Sündenbekenntnis läßt sich also nicht auf irgendeinen Versuch psychologischer Selbstbefreiung reduzieren, auch wenn es jenem berechtigten und natürlichen, dem menschlichen Herzen innewohnenden Bedürfnis entspricht, sich jemandem zu eröffnen. Es ist vielmehr eine liturgische Handlung, feierlich in ihrer Dramatik, demütig und nüchtern angesichts ihrer großen Bedeutung. Es ist die Geste des verlorenen Sohnes, der zum Vater zurückkehrt und von ihm mit dem Friedenskuß empfangen wird; eine Geste der Redlichkeit und des Mutes; eine Geste, in der man sich über die Sünde hinaus dem verzeihenden Erbarmen anvertraut.(188) So versteht man, daß das Bekenntnis der Sünden gewöhnlich individuell und nicht kollektiv geschehen muß; denn die Sünde ist ein zutiefst personales Geschehen. Zugleich aber entreißt das Bekenntnis die Sünde in gewisser Weise dem Geheimnis des Herzens und somit dem Bereich der reinen Individualität und macht ihren sozialen Charakter offenbar, weil in der Person des Beichtvaters die kirchliche Gemeinschaft, die durch die Sünde verletzt worden ist, den reuigen Sünder durch die Vergebung wieder aufnimmt.

Ein anderer, wesentlicher Bestandteil des Bußsakramentes betrifft den Beichtvater, sofern er Richter und Arzt ist, Abbild Gottes, des Vaters, der denjenigen, der zurückkehrt, aufnimmt und ihm verzeiht: die Lossprechung. Die Worte, mit denen sie zugesprochen wird, und die Gesten, die sie im alten wie im neuen Bußritus begleiten, sind von bedeutungsschwerer Einfachheit. Die sakramentale Formel »Ich spreche dich los...« sowie die Auflegung der Hände und das Zeichen des Kreuzes über den Beichtenden zeigen an, daß der reuige und bekehrte Sünder in diesem Augenblick der Macht und dem Erbarmen Gottes begegnet. Es ist der Augenblick, da als Antwort auf den Beichtenden die Dreifaltigkeit gegenwärtig wird, um seine Sünde zu löschen und ihm die Unschuld wieder zurückzugeben; ihm wird die heilende Kraft des Leidens, Sterbens und der Auferstehung Christi zuteil, als »Erbarmen, das stärker als Schuld und Beleidigung« ist, wie ich es in der Enzyklika Dives in misericordia beschrieben habe. Gott ist immer der erste, der durch die Sünde beleidigt wird - »tibi soli peccavi!« -, und nur Gott kann verzeihen. Darum ist die Lossprechung, die der Priester als Diener der Vergebung, obgleich selbst Sünder, dem Beichtenden erteilt, das wirksame Zeichen des Eingreifens des Vaters und der »Auferstehung« vom »geistlichen Tod«, das sich bei jeder Spendung des Bußsakramentes wiederholt. Nur der Glaube kann uns versichern, daß in diesem Augenblick jede Sünde vergeben und ausgelöscht wird durch das geheimnisvolle Eingreifen des Erlösers.

Die Genugtuung ist der Schlußakt, der das Zeichen des Bußsakramentes krönt. In einigen Ländern wird das, was der Beichtende nach dem Empfang der Vergebung und der Lossprechung auszuführen hat, auch Buße genannt. Welches ist nun die Bedeutung dieser Genugtuung oderBuße, die es zu verrichten gilt? Gewiß ist sie nicht der Preis, den man für die Lossprechung von der Sünde und die erlangte Vergebung bezahlt; kein menschlicher Preis kann dem entsprechen, was man als Frucht des kostbaren Blutes Christi empfangen hat. Die Werke der Genugtuung - die, obwohl stets einfach und bescheiden, noch besser zum Ausdruck bringen sollten, was sie bezeichnen - wollen einige kostbare Werte anzeigen: Sie sind Zeichen der persönlichen Verpflichtung, die der Christ mit Gott im Sakrament eingegangen ist, nämlich ein neues Leben zu beginnen (darum dürfte sich die Genugtuung nicht nur auf die Verrichtung einiger Gebetsformeln beschränken, sondern sollte in Werken der Gottesverehrung, der Nächstenliebe, der Barmherzigkeit oder der Wiedergutmachung bestehen). Sie schließen den Gedanken ein, daß der Sünder, dem vergeben wurde, imstande ist, seine eigene körperliche und geistige Abtötung, die er sich selbst auferlegt oder zumindest angenommen hat, mit dem Leiden Jesu zu vereinen, der ihm die Vergebung erlangt hat. Die Werke der Genugtuung erinnern daran, daß im Christen auch nach der Lossprechung eine Zone des Schattens verbleibt als Folge der durch die Sünde verursachten Wunden, der unvollkommenen Liebesreue und der Schwächung der geistlichen Fähigkeiten, in denen noch immer ein ansteckender Krankheitsherd der Sünde wirksam bleibt, den es durch stete Abtötung und Buße zu bekämpfen gilt. Darin liegt der Sinn der bescheidenen, aber aufrichtigen Genugtuung.(189)

IV. Es bleibt noch, kurz auf einige andere wichtige Überzeugungen hinsichtlich des Bußsakramentes hinzuweisen. Es ist vor allem hervorzuheben, daß nichts persönlicher und inniger ist als dieses Sakrament, in welchem der Sünder Gott allein gegenübersteht mit seiner Schuld, seiner Reue und seinem Vertrauen. Niemand kann ihn vertreten in seiner Reue und Bitte um Vergebung. In seiner Schuld ist der Sünder gewissermaßen einsam. Das läßt sich auf dramatische Weise an Kain ersehen mit der Sünde, die »an seiner Tür lauert«, wie es das Buch Genesis so eindrucksvoll sagt, und mit dem besonderen Zeichen, das auf seiner Stirn eingeprägt ist;(190) ebenso an David, der vom Propheten Nathan zurechtgewiesen wird,(191) oder am verlorenen Sohn, der, als er sich seiner Lage bewußt wird, in die er durch die Trennung von seinem Vater geraten ist, sich entschließt, zu ihm heimzukehren:(192) Dies alles geschieht nur zwischen dem Menschen und Gott. Zugleich aber hat dieses Sakrament unleugbar eine soziale Dimension; in ihm steht die ganze Kirche - die streitende, die leidende und die im Himmel verherrlichte - dem Büßenden bei und nimmt ihn wieder in ihre Gemeinschaft auf, und das um so mehr, als die ganze Kirche durch seine Sünde verletzt und verwundet worden ist. Der Priester als Diener des Bußsakramentes bezeugt und versinnbildet diese kirchliche Dimension kraft seines geistlichen Amtes. Beide Aspekte des Sakramentes, die subjektive Seite und die kirchliche Dimension, ergänzen einander. Dies haben die fortschreitende Reform des Bußritus und vor allem der von Paul VI. veröffentlichte Ordo Paenitentiae hervorzuheben und für seine Feier noch deutlicher zu machen versucht.

V. Ferner ist zu betonen, daß die kostbarste Frucht der Vergebung, die im Bußsakrament empfangen wird, in der Versöhnung mit Gott besteht; sie vollzieht sich in der Verborgenheit des Herzens des verlorenen und wieder zurückkehrenden Sohnes, wie es jeder Beichtende ist. Man muß zugleich hinzufügen, daß diese Versöhnung mit Gott gleichsam noch andere Arten von Versöhnung zur Folge hat, die noch andere von der Sünde verursachte Risse heilen: Der Beichtende, dem verziehen wird, wird in seinem innersten Sein mit sich selbst versöhnt, wodurch er seine innere Wahrheit wiedererlangt; er versöhnt sich mit seinen Brüdern, die von ihm in gewisser Weise angegriffen und verletzt worden sind; er versöhnt sich mit der Kirche und der ganzen Schöpfung. Aus dieser inneren Erfahrung entsteht im Beichtenden am Ende des Ritus das Bewußtsein, Gott für das Geschenk seines gütigen Erbarmens danken zu müssen, wozu ihn auch die Kirche einlädt.

Jeder Beichtstuhl ist ein privilegierter und gesegneter Ort, von dem her nach der Behebung der Spaltungen neu und makellos ein versöhnter Mensch, eine versöhnte Welt entstehen!

VI. Schließlich liegt mir noch eine letzte Betrachtung besonders am Herzen, welche uns Priester alle angeht, die wir die Verwalter des Bußsakramentes sind, aber auch Empfänger seiner Wohltaten sind und sein müssen. Reife und Eifer im geistlichen Leben und pastoralen Einsatz des Priesters wie auch der Laien und Ordensleute, die seine Brüder sind, hängen von seinem häufigen und bewußten Empfang des Bußsakramentes ab.(193) Die Feier der Eucharistie und der Dienst der anderen Sakramente, der pastorale Eifer, die Beziehung zu den Gläubigen, die Verbundenheit mit den Mitbrüdern, die Zusammenarbeit mit dem Bischof, das Gebetsleben, ja die ganze priesterliche Existenz würden unweigerlich schweren Schaden nehmen, wenn man es aus Nachlässigkeit oder anderen Gründen unterließe, regelmäßig und mit echtem Glauben und tiefer Frömmigkeit das Bußsakrament zu empfangen. Wenn ein Priester nicht mehr zur Beichte geht oder nicht gut beichtet, so schlägt sich das sehr schnell in seinem priesterlichen Leben und Wirken nieder, und auch die Gemeinde, deren Hirte er ist, wird dessen bald gewahr.

Ich füge noch hinzu, daß der Priester, sogar um ein guter und wirksamer Diener des Bußsakramentes zu sein, auch selber aus dieser Quelle der Gnade und Heiligkeit schöpfen muß. Aus unserer persönlichen Erfahrung können wir Priester zu Recht sagen, daß wir unseren Dienst als Beichtväter zum Segen für die Beichtenden um so besser erfüllen, je mehr uns selbst daran gelegen ist, das Bußsakrament häufig und gut vorbereitet zu empfangen. Dieser unser Dienst würde hingegen viel von seiner Wirksamkeit verlieren, wenn wir es irgendwie versäumten, selbst gute Beichtende zu sein. Das gehört zur inneren Logik dieses großen Sakramentes. Wir Priester Christi sind darum alle eingeladen, mit erneuter Aufmerksamkeit auf unsere persönliche Beichte zu achten.

Die persönliche Erfahrung muß heute ihrerseits zum Ansporn werden, den heiligen Dienst des Bußsakramentes, zu dem wir durch unser Priestertum, durch unsere Berufung zu Hirten und Dienern unserer Brüder verpflichtet sind, sorgfältig und treu, mit Geduld und Eifer zu versehen. Darum richte ich auch in diesem Apostolischen Schreiben an alle Priester in der Welt, besonders an meine Mitbrüder im Bischofsamt und an die Pfarrer, die eindringliche Bitte, den häufigen Empfang dieses Sakramentes bei den Gläubigen mit allen Kräften zu fördern, alle möglichen und geeigneten Mittel einzusetzen sowie alle Wege zu versuchen, um unsere Brüder wieder in größerer Zahl zu der »uns gewährten Gnade« hinzuführen, die uns durch das Bußsakrament zur Versöhnung jedes einzelnen und der ganzen Welt mit Gott in Christus vermittelt wird.



Reconciliatio et paenitentia DE 26