Job (EUS) 15

15 1 Da antwortete Elifas von Teman und sprach:
2
Gibt ein Weiser windige Kunde zur Antwort, füllt er sein Inneres mit Ostwind an,
3
um zu rechten mit Gerede, das nichts taugt, mit Worten, in denen kein Nutzen liegt?
4
Du brichst sogar die Gottesfurcht, zerstörst das Besinnen vor Gott.
5
Denn deine Schuld belehrt deinen Mund, die Sprache der Listigen hast du gewählt.
6
Dein eigener Mund verurteilt dich, nicht ich, deine Lippen zeugen gegen dich.
7
Bist du als erster Mensch geboren, kamst du zur Welt noch vor den Hügeln?
8
Hast du gelauscht im Rate Gottes und die Weisheit an dich gerissen?
9
Was weißt du, das wir nicht wissen, verstehst du, was uns nicht bekannt ist?
10
Auch unter uns sind Alte, sind Ergraute, die älter sind an Tagen als dein Vater.
11
Ist zu gering dir Gottes Tröstung, ein Wort, das sanft mit dir verfährt?
12
Wie reißt doch dein Herz dich fort, wie überheben sich deine Augen,
13
daß gegen Gott deinen Zorn du wendest und Worte (gegen ihn) aus deinem Mund stößt?
14
Was ist der Mensch, daß rein er wäre, der vom Weib Geborene, daß er im Recht sein könnte?
15
Sieh doch, selbst seinen Heiligen traut er nicht, und der Himmel ist nicht rein vor ihm.
16
Geschweige denn ein Unreiner und Verderbter, ein Mensch, der Verkehrtes trinkt wie Wasser.

Die Hoffnungslosigkeit des Frevlers

17 Verkünden will ich dir, hör mir zu! Was ich geschaut, will ich erzählen,
18
was Weise zu berichten wissen, was ihre Väter ihnen nicht verhehlten.
19
Ihnen allein war das Land gegeben, kein Fremder ging unter ihnen einher.
20
Der Frevler bebt in Ängsten all seine Tage, die Zahl der Jahre ist dem Tyrannen verborgen.
21
In seinen Ohren hallen Schreckensrufe, mitten im Frieden kommt der Verwüster über ihn.
22
Er kann nicht hoffen, dem Dunkel zu entfliehen, aufgespart ist er für das Schwert.
23
Er irrt umher nach Brot, wo (er es finde), er weiß, daß ihn ein schwarzer Tag bedroht.
24
Not und Drangsal erschrecken ihn, sie packen ihn wie ein kampfbereiter König.
25
Denn gegen Gott erhebt er seine Hand, gegen den Allmächtigen erkühnt er sich.
26
Halsstarrig rennt er gegen ihn an mit den dicken Buckeln seiner Schilde.
27
Mit Fett bedeckt er sein Gesicht, tut Fett um seine Hüfte.
28
Er wohnt in zerstörten Städten, in Häusern, darin niemand wohnt, die man zu Trümmerstätten bestimmt.
29
Er wird nicht reich; sein Besitz hat nicht Bestand; zur Erde neigt sich seine Ähre nicht.
30
Der Finsternis entrinnt er nicht, die Flammenglut dörrt seinen Schößling aus, er schwindet dahin beim Hauch seines Mundes.
31
Er baue nicht auf eitlen Trug; denn sein Erwerb wird nur Enttäuschung sein.
32
Bevor sein Tag kommt, welkt er hin, und sein Palmzweig grünt nicht mehr.
33
Er stößt ihn ab wie der Weinstock saure Trauben, wie der Ölbaum wirft er seine Blüten fort.
34
Unfruchtbar ist der Ruchlosen Rotte, und Feuer verzehrt die Zelte der Bestechung.
35
Von Mühsal schwanger, gebären sie nur Unheil; nur Trug ist, was ihr Schoß hervorbringt.


Ijobs Gegenrede: 16,1 - 17,16

Die leidigen Tröster

16 1 Da antwortete Ijob und sprach:
2
Ähnliches habe ich schon viel gehört; leidige Tröster seid ihr alle.
3
Sind nun zu Ende die windigen Worte, oder was sonst reizt dich zum Widerspruch?
4
Auch ich könnte reden wie ihr, wenn ihr an meiner Stelle wäret, schöne Worte über euch machen und meinen Kopf über euch schütteln.
5
Ich könnte euch stärken mit meinem Mund, nicht sparen das Beileid meiner Lippen.

Gottes ungerechter Angriff

6 Rede ich, hört doch mein Schmerz nicht auf; schweige ich, so weicht er nicht vor mir.
7
Jetzt aber hat er mich erschöpft. Den Kreis der Freunde hast du mir verstört
8
und mich gepackt. Mein Verfall erhebt sich und tritt als Zeuge gegen mich auf; er widerspricht mir ins Gesicht.
9
Sein Zorn zerreißt, befehdet mich, knirscht gegen mich mit den Zähnen, mein Gegner schärft die Augen gegen mich.
10
Sie sperren ihr Maul gegen mich auf, schlagen voll Hohn mich auf die Wangen, scharen sich gegen mich zusammen.
11
Gott gibt mich dem Bösen preis, in die Hand der Frevler stößt er mich.
12
In Ruhe lebte ich, da hat er mich erschüttert, mich im Nacken gepackt, mich zerschmettert, mich als Zielscheibe für sich aufgestellt.
13
Seine Pfeile umschwirren mich, schonungslos durchbohrt er mir die Nieren, schüttet meine Galle zur Erde.
14
Bresche über Bresche bricht er mir, stürmt wie ein Krieger gegen mich an.
15
Ein Trauergewand hab ich meiner Haut genäht, mein Horn in den Staub gesenkt.
16
Mein Gesicht ist vom Weinen rot, und Dunkel liegt auf meinen Wimpern.
17
Doch kein Unrecht klebt an meinen Händen, und mein Gebet ist lauter.

Der Zeuge im Himmel

18 O Erde, deck mein Blut nicht zu, und ohne Ruhstatt sei mein Hilfeschrei!
19
Nun aber, seht, im Himmel ist mein Zeuge, mein Bürge in den Höhen.
20
Da meine Freunde mich verspotten, tränt zu Gott hin mein Auge.
21
Recht schaffe er dem Mann bei Gott und zwischen Mensch und Mensch.
22
Denn nur noch wenig Jahre werden kommen, dann muß ich den Pfad beschreiten, auf dem man nicht wiederkehrt.


Die Klage des Verwöhnten

17 1 Mein Geist ist verwirrt, meine Tage sind ausgelöscht, nur Gräber bleiben mir.
2
Wahrhaftig, nur Spott begleitet mich. In Bitterkeit verbringt mein Auge die Nacht.
3
Hinterleg die Bürgschaft für mich bei dir! Wer würde sonst den Handschlag für mich leisten?
4
Ihr Herz hast du der Einsicht verschlossen, darum läßt du sie nicht triumphieren.
5
Zum Teilen lädt einer die Freunde ein, während die Augen seiner Kinder verschmachten.6 Zum Spott für die Leute stellte er mich hin, ich wurde einer, dem man ins Gesicht spuckt.
7
Vor Kummer ist mein Auge matt, all meine Glieder schwinden wie Schatten dahin.
8
Darüber entsetzen sich die Redlichen, der Reine empört sich über den Ruchlosen.
9
Doch der Gerechte hält fest an seinem Weg, wer reine Hände hat, gewinnt an Kraft.
10
Ihr alle, kehrt um, kommt wieder her, ich finde ja noch keinen Weisen bei euch.

Die Not des Verzweifelten

11 Dahin sind meine Tage, zunichte meine Pläne, meine Herzenswünsche.
12
Sie machen mir die Nacht zum Tag, das Licht nähert sich dem Dunkel.
13
Ich habe keine Hoffnung. Die Unterwelt wird mein Haus, in der Finsternis breite ich mein Lager aus.
14
Zur Grube rufe ich: Mein Vater bist du!, Meine Mutter, meine Schwester!, zum Wurm.
15
Wo ist dann meine Hoffnung und wo mein Glück? Wer kann es schauen?
16
Fahren sie zur Unterwelt mit mir hinab, sinken wir vereint in den Staub?


Die zweite Rede Bildads: 18,1- 21

Die Selbstverteidigung Bildads

18 1 Da antwortete Bildad von Schuach und sprach:
2
Wann endlich macht ihr Schluß mit den Reden? Nehmt Einsicht an, dann reden wir.
3
Warum sind wir wie Vieh geachtet, gelten als unrein in euren Augen?
4
Du, der sich selbst zerfleischt in seinem Zorn, soll deinetwegen die Erde sich entvölkern, der Fels von seiner Stelle rücken?

Das Schicksal des Frevlers

5 Ja, der Frevler Licht erlischt, die Flamme seines Feuers strahlt nicht auf.
6
Das Licht in seinem Zelte dunkelt, seine Leuchte über ihm erlischt.
7
Eng wird sein gewaltiger Schritt, sein eigner Plan bringt ihn zu Fall.
8
Denn mit seinen Füßen gerät er ins Netz, und über Flechtwerk schreitet er dahin.
9
Das Klappnetz packt ihn an der Ferse, die Schlinge hält ihn fest.
10
Versteckt am Boden liegt sein Fangstrick, die Falle für ihn auf dem Pfad.
11
Ringsum ängstigen ihn Schrecken und scheuchen ihn auf Schritt und Tritt.
12
Hungrig nach ihm ist sein Unheil, das Verderben steht bereit zu seinem Sturz.
13
Es frißt die Glieder seines Leibes, seine Glieder frißt des Todes Erstgeborener.
14
Ausgerissen wird aus seinem Zelt die Zuversicht, du treibst ihn fort zum König der Schrecken.
15
Ihm Fremdes wohnt in seinem Zelt, Schwefel wird auf seinen Hof gestreut.
16
Von unten her verdorren seine Wurzeln, von oben welken seine Zweige.
17
Sein Andenken schwindet von der Erde, kein Name bleibt ihm weit und breit.
18
Sie stoßen ihn vom Licht ins Dunkel und jagen ihn vom Erdkreis fort.
19
Kein Sproß, kein Stamm bleibt ihm in seinem Volk, am Ort seines Aufenthaltes keiner, der ihn überlebt.
20
Über seinen Tag schaudern die im Westen, die im Osten packt das Grauen.
21
Ja, so geht es mit der Wohnung des Frevlers, mit dem Ort des Menschen, der Gott nicht kennt.


Ijobs Gegenrede: 19,1-29

Die Zurückweisung der Schmähung

19 1 Da antwortete Ijob und sprach:
2
Wie lange noch wollt ihr mich quälen und mich mit Worten niedertreten?
3
Zum zehntenmal schon schmäht ihr mich und schämt euch nicht, mich zu beleidigen.
4
Ging ich wirklich unwissend fehl, mein Fehltritt weilt doch allein bei mir.
5
Wollt ihr wirklich großtun gegen mich und mir meine Schmach beweisen?

Das unbegreifliche Verhalten Gottes

6 Erkennt doch, daß Gott mich niederdrückt, da er sein Netz rings um mich warf.
7
Schrei' ich: Gewalt!, wird mir keine Antwort, rufe ich um Hilfe, gibt es kein Recht.
8
Meinen Pfad hat er versperrt; ich kann nicht weiter, Finsternis legt er auf meine Wege.
9
Meiner Ehre hat er mich entkleidet, die Krone mir vom Haupt genommen.
10
Er brach mich ringsum nieder, ich muß dahin; er riß mein Hoffen aus wie einen Baum.
11
Sein Zorn ist gegen mich entbrannt, gleich seinen Gegnern gelte ich ihm.
12
Vereint rückten seine Scharen an, bahnten gegen mich den Weg, lagerten sich rings um mein Zelt.

Die Entfremdung der Verwandten und Freunde

13 Meine Brüder hat er von mir entfernt, meine Bekannten sind mir entfremdet.
14
Meine Verwandten, Bekannten blieben aus, die Gäste meines Hauses haben mich vergessen.
15
Als Fremder gelte ich meinen Mägden, von anderem Stamm bin ich in ihren Augen.
16
Rufe ich meinen Knecht, so antwortet er nicht; mit eigenem Mund muß ich ihn anflehen.
17
Mein Atem ist meiner Frau zuwider; die Söhne meiner Mutter ekelt es vor mir.
18
Buben selbst verachten mich, stehe ich auf, verhöhnen sie mich.
19
Alle meine Gefährten verabscheuen mich, die ich liebe, lehnen sich gegen mich auf.
20
An Haut und Fleisch klebt mein Gebein, nur das Fleisch an meinen Zähnen blieb.
21
Erbarmt, erbarmt euch meiner, ihr, meine Freunde! Denn Gottes Hand hat mich getroffen.
22
Warum verfolgt ihr mich wie Gott, warum werdet ihr an meinem Fleisch nicht satt?

Ijobs Hoffnung und Vertrauen

23 Daß doch meine Worte geschrieben würden, in einer Inschrift eingegraben
24
mit eisernem Griffel und mit Blei, für immer gehauen in den Fels.
25
Doch ich, ich weiß: mein Erlöser lebt, als letzter erhebt er sich über dem Staub.
26
Ohne meine Haut, die so zerfetzte, und ohne mein Fleisch werde ich Gott schauen.
27
Ihn selber werde ich dann für mich schauen; meine Augen werden ihn sehen, nicht mehr fremd. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.
28
Wenn ihr sagt: Wie wollen wir ihn verfolgen und den Grund der Sache an ihm finden!,
29
dann bangt für euch selber vor dem Schwert; denn heftiger Zorn verdient das Schwert, damit ihr wißt: Es gibt ein Gericht.


Die zweite Rede Zofars: 20,1-29

Ijobs unbegründeter Vorwurf

20 1 Da antwortete Zofar von Naama und sprach:
2
Darum drängt mich meine Erregung zur Antwort, und deswegen stürmt es in mir.
3
Schmähende Rüge muß ich hören, doch der Geist meiner Einsicht läßt mich entgegnen.

Das Schicksal des Frevlers

4 Weißt du das nicht von Urzeit her, seit Gott Menschen auf die Erde gesetzt hat:
5
daß kurz nur währt der Frevler Jubel, einen Augenblick nur des Ruchlosen Freude?
6
Steigt auch sein Übermut zum Himmel und rührt sein Kopf bis ans Gewölk,
7
wie sein Kot vergeht er doch für immer; die ihn gesehen haben, werden fragen: Wo ist er?
8
Wie ein Traum verfliegt er und ist nicht mehr zu finden, wird weggescheucht wie ein Gesicht der Nacht.
9
Das Auge, das ihn sah, erblickt ihn nicht wieder, seine Stätte schaut ihn nie mehr.
10
Seine Söhne müssen bei Armen betteln, ihre Hände geben seine Habe zurück.
11
Strotzen von Jugendkraft auch seine Glieder, sie betten sich doch mit ihm in den Staub.
12
Schmeckt süß das Böse in seinem Mund, birgt er es unter seiner Zunge,
13
spart er es auf und will nicht von ihm lassen, hält er es auch tief in seinem Gaumen fest,
14
in seinem Innern verwandelt sich die Speise, sie wird in seinem Leib ihm zu Natterngift.
15
Das Gut, das er verschlungen hat, speit er aus; aus seinem Leib treibt Gott es heraus.
16
Das Gift von Nattern saugt er ein, es tötet ihn der Viper Zunge.
17
Nicht darf er Bäche von Öl schauen, nicht Flüsse, die von Milch und Honig fließen.
18
Zurückgeben muß er seinen Gewinn, genießen darf er ihn nicht, darf sich nicht freuen am ertauschten Gut.
19
Denn Arme schlug er nieder, ließ sie liegen, raubte das Haus, das er nicht gebaut.
20
Denn kein Genug kennt er in seinem Bauch, drum entkommt er nicht mit seinen Schätzen.
21
Nichts entgeht seinem Fraß, darum hält sein Glück auch nicht stand.
22
Trotz vollen Überflusses kommt er in Not, die ganze Wucht des Elends fällt ihn an.
23
Und so geschieht es: Um des Frevlers Bauch zu füllen, läßt Gott auf ihn die Gluten seines Zornes los, läßt auf ihn regnen seine Schläge.
24
Flieht er vor dem Eisenpanzer, durchbohrt ihn der Bogen aus Bronze.
25
In den Rücken fährt ihm Gottes Geschoß, ein Blitz in seine Galle. Schrecken gehen über ihn hin.
26
Nur finsteres Unheil ist für ihn aufbewahrt, Feuer, von niemand entfacht, verzehrt ihn, frißt noch den letzten Mann in seinem Zelt.
27
Der Himmel enthüllt seine Schuld, die Erde bäumt sich gegen ihn auf.
28
Die Flut wälzt sein Haus hinweg, Wasserströme am Tag seines Zorns.
29
Das ist des Frevlers Anteil von Gott, das Erbe, das Gott ihm zuspricht.


Ijobs Gegenrede: 21,1-34

Die Bitte um Geduld

21 1 Da antwortete Ijob und sprach:
2
Hört, hört doch auf mein Wort, das wäre mir schon Trost von euch.
3
Ertragt mich, so daß ich reden kann. Habe ich geredet, dann könnt ihr spotten.
4
Richt' ich an Menschen meine Klage, hab' ich nicht Grund zur Ungeduld?
5
Wendet euch mir zu, und erstarrt, und legt die Hand auf den Mund!
6
Denk' ich daran, bin ich erschreckt, und Schauder packt meinen Leib.

Das Glück des Frevlers

7 Warum bleiben Frevler am Leben, werden alt und stark an Kraft?
8
Ihre Nachkommen stehen fest vor ihnen, ihre Sprößlinge vor ihren Augen.
9
Ihre Häuser sind in Frieden, ohne Schreck, die Rute Gottes trifft sie nicht.
10
Ihr Stier bespringt und fehlt nicht, die Kühe kalben und verwerfen nicht.
11
Wie Schafe treiben sie ihre Kinder aus, ihre Kleinen tanzen und springen.
12
Sie singen zu Pauke und Harfe, erfreuen sich am Klang der Flöte,
13
verbrauchen ihre Tage im Glück und fahren voll Ruhe ins Totenreich.
14
Und doch sagten sie zu Gott: Weiche von uns! Deine Wege wollen wir nicht kennen.
15
Was ist der Allmächtige, daß wir ihm dienen, was nützt es uns, wenn wir ihn angehen?
16
Doch in ihrer Hand liegt nicht das Glück; der Frevler Denkart ist mir fern.
17
Wie oft erlischt der Frevler Lampe, kommt Unheil über sie, teilt er Verderben zu in seinem Zorn?
18
Wie oft werden sie wie Stroh vor dem Wind, wie Spreu, die der Sturm entführt?
19
Nicht dessen Kindern spare Gott sein Unheil auf, ihm selbst vergelte er, so daß er es spürt.
20
Mit eigenen Augen soll er sein Unglück schauen, vom Grimm des Allmächtigen soll er trinken.
21
Denn was kümmert ihn sein Haus, wenn er dahin ist, wenn abgeschnitten seiner Monde Zahl?

Der trügerische Trost

22 Darf man Gott Erkenntnis lehren, ihn, der die Erhabenen richtet?
23
Der eine stirbt in vollem Glück, ist ganz in Frieden, sorgenfrei.
24
Seine Schenkel sind voll von Fett, getränkt mit Mark sind seine Knochen.
25
Der andere stirbt mit bitterer Seele und hat kein Glück genossen.
26
Zusammen liegen sie im Staub, und Gewürm deckt beide zu.
27
Ja, euer Denken kenn' ich wohl, die Ränke, die ihr sinnt gegen mich.
28
Ihr sagt: Wo ist das Haus des Edlen und wo das Zelt, in dem Frevler wohnen?
29
Habt ihr nie die fahrenden Leute befragt und ihre Zeichen genau beachtet?
30
Daß am Unglückstag der Böse verschont wird, weggebracht am Tag des Zorns.
31
Wer hält ihm seinen Lebenswandel vor, was er getan hat, wer vergilt es ihm?
32
Er aber wird zur Gruft geleitet, bei seinem Grab hält man die Wacht.
33
Ein Labsal sind für ihn die Schollen des Schachts, hinter ihm her zieht alle Welt, vor ihm die Menge ohne Zahl.
34
Wie wollt ihr mich mit Nichtigem trösten? Eure Antworten bleiben Betrug.


Die dritte Rede des Elifas: 22,1-30

Ijobs angebliche Freveltaten

22 1 Da antwortete Elifas von Teman und sprach:
2
Kann denn der Mensch Gott nützen? Nein, sich selber nützt der Kluge.
3
Ist es dem Allmächtigen von Wert, daß du gerecht bist, ist es für ihn Gewinn, wenn du unsträfliche Wege gehst?
4
Wegen deiner Gottesfurcht sollte er dich strafen, vor Gericht mit dir gehen?
5
Ist nicht groß deine Bosheit, ohne Ende dein Verschulden?
6
Du pfändest ohne Grund deine Brüder, ziehst Nackten ihre Kleider aus.
7
Den Durstigen tränkst du nicht mit Wasser, dem Hungernden versagst du das Brot.
8
Dem Mann der Faust gehört das Land, der Günstling darf darin wohnen.
9
Witwen hast du weggeschickt mit leeren Händen, der Verwaisten Arme zerschlagen.
10
Deswegen liegen Fallstricke rings um dich her, und jäher Schrecken ängstigt dich,
11
oder Dunkel, worin du nicht siehst, und Wasserflut, die dich bedeckt.

Der allwissende Gott

12 Ist Gott nicht wie der Himmel hoch? Schau, wie die höchsten Sterne ragen.
13
Und da sagst du: Was weiß denn Gott? Richtet er denn durch das dunkle Gewölk?
14
Wolken umhüllen ihn, so daß er nicht sieht, am Himmelskreis geht er einher.
15
Willst du dem Pfad der Vorzeit folgen, den die Männer des Unheils zogen,
16
die vor der Zeit dahingerafft wurden, über deren Grund sich ein Strom ergoß?
17
Die sagten zu Gott: Weiche von uns!, und: Was tut uns der Allmächtige an?
18
Und doch, er hat ihre Häuser mit Gütern gefüllt, und das Planen der Bösen blieb ihm fern.
19
Sehen werden, sich freuen die Gerechten, der Reine wird sie verspotten:
20
Wahrhaftig, vernichtet sind unsere Gegner, ihren Rest hat das Feuer verzehrt.

Die Mahnung zu Umkehr und Demut

21 Werde sein Freund, und halte Frieden! Nur dadurch kommt das Gute dir zu.
22
Nimm doch Weisung an aus seinem Mund, leg dir seine Worte ins Herz:
23
Kehrst du zum Allmächtigen um, so wirst du aufgerichtet. Hältst Unrecht deinem Zelt du fern,
24
wirfst in den Staub das Edelgold, zum Flußgestein das Feingold,
25
dann wird der Allmächtige dein Edelgold und erlesenes Silber für dich sein.
26
Dann wirst du am Allmächtigen dich erfreuen und zu Gott dein Angesicht heben.
27
Flehst du ihn an, so hört er dich, und du wirst deine Gelübde erfüllen.
28
Beschließt du etwas, dann trifft es ein, und Licht überstrahlt deine Wege.
29
Wer hochmütig redet, den duckt er, doch hilft er dem, der die Augen senkt.
30
Er rettet den, der schuldlos ist; durch deiner Hände Reinheit wird er gerettet.


Ijobs Gegenrede: 23,1 - 24,25

Der Ruf nach Gott, dem Richter

23 1 Da antwortete Ijob und sprach:
2
Auch heute ist meine Klage Widerspruch; schwer lastet seine Hand auf meinem Seufzen.
3
Wüßte ich doch, wie ich ihn finden könnte, gelangen könnte zu seiner Stätte.
4
Ich wollte vor ihm das Recht ausbreiten, meinen Mund mit Beweisen füllen.
5
Wissen möchte ich die Worte, die er mir entgegnet, erfahren, was er zu mir sagt.
6
Würde er in der Fülle der Macht mit mir streiten? Nein, gerade er wird auf mich achten.
7
Dort würde ein Redlicher mit ihm rechten, und ich käme für immer frei von meinem Richter.
8
Geh' ich nach Osten, so ist er nicht da, nach Westen, so merke ich ihn nicht,
9
nach Norden, sein Tun erblicke ich nicht; bieg' ich nach Süden, sehe ich ihn nicht.
10
Doch er kennt den Weg, den ich gehe; prüfte er mich, ich ginge wie Gold hervor.
11
Mein Fuß hielt fest an seiner Spur, seinen Weg hielt ich ein und bog nicht ab.
12
Das Gebot seiner Lippen gab ich nicht auf; seines Mundes Worte barg ich im Herzen.
13
Doch er bleibt sich gleich. Wer stimmt ihn um? Wonach ihn gelüstet, das führt er aus.
14
Ja, er vollendet, was er mir bestimmt hat; und Ähnliches hat er noch viel im Sinn.
15
Darum erschrecke ich vor seinem Angesicht; denk' ich daran, gerate ich in Angst vor ihm.
16
Gott macht mein Herz verzagt, der Allmächtige versetzt mich in Schrecken.
17
Denn bin ich nicht von Finsternis umschlossen, bedeckt nicht Dunkel mein Angesicht?


Der Übermut der Sünder

24 1 Warum hat der Allmächtige keine Fristen bestimmt? Warum schauen, die ihn kennen, seine Gerichtstage nicht?
2
Jene verrücken die Grenzen, rauben Herden und führen sie zur Weide.
3
Den Esel der Waisen treiben sie fort, pfänden das Rind der Witwe.
4
Vom Weg drängen sie die Armen, es verbergen sich alle Gebeugten des Landes.
5
Sieh, wie Wildesel in der Steppe ziehen sie zu ihrer Arbeit aus; die Steppe suchen sie nach Nahrung ab, nach Brot für ihre Kinder.
6
Auf dem Feld schneiden sie des Nachts, halten im Weinberg des Frevlers Nachlese.
7
Nackt verbringen sie die Nacht, ohne Kleider, haben keine Decke in der Kälte.
8
Vom Regen der Berge sind sie durchnäßt, klammern sich ohne Schutz an den Fels.
9
Von der Mutterbrust reißen sie die Waisen, den Säugling des Armen nehmen sie zum Pfand.
10
Nackt müssen sie gehen, ohne Kleid, hungernd tragen sie Garben.
11
Zwischen Mauern pressen sie Öl, treten die Kelter und müssen doch dürsten.
12
Aus der Stadt stöhnen Sterbende, der Erschlagenen Leben schreit laut. Doch Gott achtet nicht auf ihr Flehen.
13
Sie sind die Rebellen gegen das Licht; sie nehmen seine Wege nicht wahr, bleiben nicht auf seinen Pfaden.
14
Ist kein Licht, erhebt sich der Mörder, tötet Elende und Arme; in der Nacht gleicht er dem Dieb.
15
Auch des Ehebrechers Auge achtet auf Dämmerung. Kein Auge, sagt er, soll mich erspähen!, eine Hülle legt er aufs Gesicht.
16
Im Finstern bricht er ein in die Häuser; tagsüber verstecken sie sich; sie wollen nichts wissen vom Licht.
17
Denn Finsternis ist für sie der Morgen zugleich, denn mit ihren Schrecken sind sie wohl vertraut.

Das Ende der Frevler

18 Schnell reißt ihn das Wasser fort; verflucht ist ihr Anteil auf Erden; nicht wendet er den Weg den Weinbergen zu.
19
Dürre und Hitze raffen das Schneewasser weg, die Unterwelt den Sünder.
20
Der Mutterschoß vergißt ihn, Gewürm labt sich an ihm; nie mehr wird an ihn gedacht; ja, wie Holz wird Frevel zerschmettert.
21
Er tut Böses der Unfruchtbaren, der Kinderlosen, keiner Witwe erweist er Gutes.
22
Gott reißt die Starken hinweg in seiner Macht; steht er auf, ist niemand seines Lebens sicher.
23
Sicherheit gibt er ihm, er traue darauf; aber seine Augen überwachen ihren Weg.
24
Sie kommen hoch für kurze Zeit, dann ist es aus. Sie werden umgebogen, alle mit der Faust gepackt und wie Ährenspitzen abgeschnitten.
25
Ist es nicht so? Wer straft mich Lügen und bringt meine Rede zum Schweigen?


Die dritte Rede Bildads

Die Sündhaftigkeit aller Menschen

25 1 Da antwortete Bildad von Schuach und sprach:
2
Herrschaft und Schrecken sind bei ihm, der Frieden schafft in seinen Höhen.
3
Kann man seine Scharen zählen, und über wem erhebt sich nicht sein Licht?
4
Wie wäre ein Mensch gerecht vor Gott, wie wäre rein der vom Weib Geborene?
5
Siehe, selbst der Mond glänzt nicht hell, die Sterne sind nicht rein in seinen Augen,
6
geschweige denn der Mensch, die Made, der Menschensohn, der Wurm.


Ijobs Gegenrede: 26,1 - 27,23

Leere Worte ohne Wahrheit

26 1 Da antwortete Ijob und sprach:
2
Wie hilfst du doch dem Schwachen auf, stehst du bei dem kraftlosen Arm!
3
Wie gut rätst du dem, der nicht weise ist, tust ihm Wissen in Fülle kund!
4
Wem trägst du die Reden vor, und wessen Atem geht von dir aus?

Die Größe der Allmacht Gottes

5 Die Totengeister zittern drunten, die Wasser mit ihren Bewohnern.
6
Nackt liegt die Unterwelt vor ihm, keine Hülle deckt den Abgrund.
7
Er spannt über dem Leeren den Norden, hängt die Erde auf am Nichts.
8
Er bindet das Wasser in sein Gewölk; doch birst darunter die Wolke nicht.
9
Er verschließt den Anblick seines Throns und breitet darüber sein Gewölk.
10
Eine Grenze zieht er rund um die Wasser bis an den Rand von Licht und Finsternis.
11
Die Säulen des Himmels erzittern, sie erschrecken vor seinem Drohen.
12
Durch seine Kraft stellt still er das Meer, durch seine Klugheit zerschmettert er Rahab.
13
Durch seinen Hauch wird heiter der Himmel, seine Hand durchbohrt die flüchtige Schlange.
14
Siehe, das sind nur die Säume seines Waltens; wie ein Flüstern ist das Wort, das wir von ihm vernehmen. Doch das Donnern seiner Macht, wer kann es begreifen?


Die Unschuldsbeteuerung vor den Freunden

27 1 Dann setzte Ijob seine Rede fort und sprach:
2
So wahr Gott lebt, der mir mein Recht entzog, der Allmächtige, der meine Seele quälte:
3
Solange noch Atem in mir ist und Gottes Hauch in meiner Nase,
4
soll Unrecht nicht von meinen Lippen kommen, noch meine Zunge Falsches reden.
5
Fern sei es mir, euch recht zu geben, ich gebe, bis ich sterbe, meine Unschuld nicht preis.
6
An meinem Rechtsein halt' ich fest und lass' es nicht; mein Herz schilt keinen meiner Tage.

Der Untergang der Frevler

7 Mein Feind sei wie ein Frevler, mein Gegner wie ein Bösewicht.
8
Denn was ist des Ruchlosen Hoffen, wenn er dahingeht, wenn Gott das Leben von ihm nimmt?
9
Wird Gott sein Schreien hören, wenn über ihn die Drangsal kommt?
10
Kann er sich des Allmächtigen erfreuen und Gott anrufen zu jeder Zeit?
11
Ich will euch belehren über Gottes Tun, nicht verhehlen, was der Allmächtige plant.
12
Ihr habt es ja alle selbst gesehen. Warum führt ihr nichtige Reden?
13
Das ist des Frevlers Anteil bei Gott, der Gewalttätigen Erbe, das sie vom Allmächtigen empfangen:
14
Werden zahlreich seine Söhne, fürs Schwert sind sie bestimmt; nie werden seine Kinder satt an Brot.
15
Was übrigbleibt, wird durch den Tod begraben, und seine Witwen weinen nicht.
16
Häuft er auch Silber auf wie Staub und beschafft er sich Kleider wie Lehm:
17
er schafft sie zwar an; doch anziehen wird sie der Gerechte, das Silber wird der Schuldlose erben.
18
Er baut wie die Spinne sein Haus und wie die Hütte, die der Wächter aufstellt.
19
Reich legt er sich schlafen, nichts ist ihm genommen. Macht er die Augen auf, ist nichts mehr da.
20
Schrecken holt ihn ein wie eine Wasserflut, der Sturmwind trägt ihn fort bei Nacht.
21
Der Ostwind hebt ihn hoch, er muß dahin, er weht ihn weg von seinem Ort.
22
Er stürzt sich auf ihn schonungslos, seiner Gewalt will er entfliehen.
23
Man klatscht über ihn in die Hände und zischt ihn fort von seiner Stätte.


Das Lied über die Weisheit: 28,1- 28

Die Erhabenheit der Weisheit

28 1 Wohl gibt es einen Fundort für das Silber, eine Stätte für das Gold, wo man es läutert.
2
Eisen holt man aus der Erde, Gestein wird zu Kupfer geschmolzen.
3
Es setzt der Mensch dem Finstern eine Grenze; er forscht hinein bis in das Letzte, ins düstere, dunkle Gestein.
4
Stollen gräbt ein fremdes Volk; vergessen, ohne Halt für den Fuß, hängt es, schwebt es, den Menschen fern.
5
Die Erde, daraus das Brotkorn kommt, wird in den Tiefen wie mit Feuer zerstört.
6
Fundort des Saphirs ist ihr Gestein, und Goldstaub findet sich darin.
7
Kein Raubvogel kennt den Weg dahin; kein Falkenauge hat ihn erspäht.
8
Das stolze Wild betritt ihn nicht, kein Löwe schreitet über ihn.
9
An harte Kiesel legt er die Hand, von Grund auf wühlt er Berge um.
10
In Felsen haut er Stollen ein, und lauter Kostbarkeiten erblickt sein Auge.
11
Sickerbäche dämmt er ein, Verborgenes bringt er ans Licht.
12
Die Weisheit aber, wo ist sie zu finden, und wo ist der Ort der Einsicht?
13
Kein Mensch kennt die Schicht, in der sie liegt; sie findet sich nicht in der Lebenden Land.
14
Die Urflut sagt: Bei mir ist sie nicht. Der Ozean sagt: Bei mir weilt sie nicht.
15
Man kann nicht Feingold für sie geben, nicht Silber als Preis für sie wägen.
16
Nicht wiegt sie Gold aus Ofir auf, kein kostbarer Karneol, kein Saphir.
17
Gold und Glas stehen ihr nicht gleich, kein Tausch für sie ist Goldgerät,
18
nicht zu reden von Korallen und Kristall; weit über Perlen geht der Weisheit Besitz.
19
Der Topas von Kusch kommt ihr nicht gleich, und reinstes Gold wiegt sie nicht auf.

Gottes Weg

20 Die Weisheit aber, wo kommt sie her, und wo ist der Ort der Einsicht?
21
Verhüllt ist sie vor aller Lebenden Auge, verborgen vor den Vögeln des Himmels.
22
Abgrund und Tod sagen: Unser Ohr vernahm von ihr nur ein Raunen.
23
Gott ist es, der den Weg zu ihr weiß, und nur er kennt ihren Ort.
24
Denn er blickt bis hin zu den Enden der Erde; was unter dem All des Himmels ist, sieht er.
25
Als er dem Wind sein Gewicht schuf und die Wasser nach Maß bestimmte,
26
als er dem Regen das Gesetz schuf und einen Weg dem Donnergewölk,
27
damals hat er sie gesehen und gezählt, sie festgestellt und erforscht.
28
Doch zum Menschen sprach er: Seht, die Furcht vor dem Herrn, das ist Weisheit, das Meiden des Bösen ist Einsicht.


Ijobs Schlussrede: 29,1- 31,40

Die gesegnete Vergangenheit

29 1 Dann setzte Ijob seine Rede fort und sprach:
2
Daß ich doch wäre wie in längst vergangenen Monden, wie in den Tagen, da mich Gott beschirmte,
3
als seine Leuchte über meinem Haupt erstrahlte, in seinem Licht ich durch das Dunkel ging.
4
So, wie ich in den Tagen meiner Frühzeit war, als Gottes Freundschaft über meinem Zelte stand,
5
als der Allmächtige noch mit mir war, meine Kinder mich umgaben,
6
als meine Schritte sich in Milch gebadet, Bäche von Öl der Fels mir ergoß.
7
Ging ich durchs Tor zur Stadt hinauf, ließ ich auf dem Platz meinen Sitz aufstellen;
8
sahen mich die Jungen, so traten sie scheu beiseite, die Alten standen auf und blieben stehen.
9
Fürsten hielten mit Reden sich zurück und legten ihre Hand auf ihren Mund.
10
Der Edlen Stimme blieb stumm, am Gaumen klebte ihre Zunge.
11
Hörte mich ein Ohr, pries es mich glücklich, das Auge, das mich sah, stimmte mir zu.
12
Denn ich rettete den Armen, der schrie, die Waise, die ohne Hilfe war.
13
Der Segen des Verlorenen kam über mich, und jubeln ließ ich der Witwe Herz.
14
Ich bekleidete mich mit Gerechtigkeit, wie Mantel und Kopfbund umhüllte mich mein Recht.
15
Auge war ich für den Blinden, dem Lahmen wurde ich zum Fuß.
16
Vater war ich für die Armen, des Unbekannten Rechtsstreit prüfte ich.
17
Ich zerschmetterte des Bösen Kiefer, entriß die Beute seinen Zähnen.
18
So dachte ich: Mit meinem Nest werde ich verscheiden und gleich dem Phönix meine Tage mehren.
19
Meine Wurzel reiche bis an das Wasser, auf meinen Zweigen nächtige Tau.
20
Neu bleibe mir meine Ehre, mein Bogen verjünge sich in meiner Hand.
21
Auf mich horchten und warteten sie, lauschten schweigend meinem Rat.
22
Wenn ich sprach, nahm keiner das Wort; es träufelte nieder auf sie meine Rede.
23
Sie harrten auf mich wie auf Regen, sperrten den Mund wie nach Spätregen auf.
24
Lächelte ich denen zu, die ohne Vertrauen, sie wiesen das Leuchten meines Gesichts nicht ab.
25
Ich bestimmte ihr Tun, ich saß als Haupt, thronte wie ein König inmitten der Schar, wie einer, der Trauernde tröstet.


Die schreckliche Gegenwart

30 1 Jetzt aber lachen über mich, die jünger sind als ich an Tagen, deren Väter ich nicht für wert geachtet, sie bei den Hunden meiner Herde anzustellen.
2
Was sollte mir auch ihrer Hände Kraft? Geschwunden war ihre Rüstigkeit
3
durch Mangel und durch harten Hunger; Leute, die das dürre Land abnagen, das Gras der Wüste und der Wüstenei.
4
Sie pflücken Salzmelde im Gesträuch, und Ginsterwurzeln sind ihr Brot.
5
Aus der Gemeinschaft wurden sie verjagt; man schreit ihnen nach wie einem Dieb.
6
Am Hang der Täler müssen sie wohnen, in Erdhöhlen und in Felsgeklüft.
7
Zwischen Sträuchern schreien sie kläglich, drängen sich zusammen unter wildem Gestrüpp.
8
Blödes Gesindel, Volk ohne Namen, wurden sie aus dem Land hinausgepeitscht.
9
Jetzt aber bin ich ihr Spottlied, bin zum Klatsch für sie geworden.
10
Sie verabscheuen mich, rücken weit von mir weg, scheuen sich nicht, mir ins Gesicht zu speien.
11
Denn Gott löste mein Seil und beugte mich nieder, sie aber ließen die Zügel vor mir schießen.
12
Zur rechten Seite erhebt sich eine Schar, treibt meine Füße weg, wirft gegen mich ihre Unheilsdämme auf.
13
Meinen Pfad reißen sie auf, helfen zu meinem Verderben, und niemand wehrt ihnen.
14
Wie durch eine breite Bresche kommen sie heran, wälzen sich unter Trümmern her.
15
Schrecken stürzen auf mich ein, verjagt wie vom Wind ist mein Adel, wie eine Wolke entschwand mein Heil.
16
Und nun zerfließt die Seele in mir, des Elends Tage packen mich an.
17
Des Nachts durchbohrt es mir die Knochen, mein nagender Schmerz kommt nicht zur Ruh.
18
Mit Allgewalt packt er mich am Kleid, schnürt wie der Gürtel des Rocks mich ein.
19
Er warf mich in den Lehm, so daß ich Staub und Asche gleiche.
20
Ich schreie zu dir, und du erwiderst mir nicht; ich stehe da, doch du achtest nicht auf mich.
21
Du wandelst dich zum grausamen Feind gegen mich, mit deiner starken Hand befehdest du mich.
22
Du hebst mich in den Wind, fährst mich dahin, läßt mich zergehen im Sturmgebraus.
23
Ja, ich weiß, du führst mich zum Tod, zur Sammelstätte aller Lebenden.
24
Doch nicht an Trümmer legt er die Hand. - Schreit man nicht um Hilfe beim Untergang?
25
Weinte ich nicht um den, der harte Tage hatte, grämte sich nicht meine Seele über den Armen?
26
Ja, ich hoffte auf Gutes, doch Böses kam, ich harrte auf Licht, doch Finsternis kam.
27
Mein Inneres kocht und kommt nicht zur Ruhe, mich haben die Tage des Elends erreicht.
28
Geschwärzt, doch nicht von der Sonne gebrannt, stehe ich auf in der Gemeinde, schreie laut.
29
Den Schakalen wurde ich zum Bruder, den Straußenhennen zum Freund.
30
Die Haut an mir ist schwarz, von Fieberglut brennen meine Knochen.
31
Zur Trauer wurde mein Harfenspiel, mein Flötenspiel zum Klagelied.



Job (EUS) 15